Bünzfischer - Kantonsschule Wohlen

Bünzfischer
Gipsfiguren nach George Segal
Rechtzeitig zum Start der Fischersaison und zum Auftakt des 50-Jahre-Jubiläums der Kanti Wohlen tauchen
am 1. März auf der Höhe der Kantonsschule gegen die
Bünz hin ungewöhnliche Gäste auf. Unbeweglich und
ganz in Weiss liegen, sitzen und räkeln sich Fischer
und Fischerinnnen auf den Dächern der blauen Pavillons der Kanti Wohlen. Ihre Fischerruten reichen nicht
bis zur Bünz, auch Köder sind keine ausgeworfen. Die
Silchschnüre baumeln in der Luft als fischten sie nach
Erinnerungsfetzen aus alten Zeiten.
Im Rahmen des Jubiläums wurde im Grundlagenfach
Bildnerisches Gestalten bei Lukas Leuenberger und
Silvia Huber mit grossen Kellen angerührt und 300 kg
Gips verarbeitet. Vier Gestaltungsklassen der 2. Kanti
und FMS entwarfen, konstruierten und verwirklichten
menschengrosse Figuren in Anlehnung ans Werk des
amerikanischen Environmentkünstler George Segal. Dabei befassten sich die Schüler und Schülerinnen zuerst
eingehend mit der menschlichen Figur und deren Proportionen. Später stiessen sie auf klassische Fragen der
Bildhauerkunst: Welche Körperhaltung bringt trotz der
Statik eine gewisse Dynamik in die Figur? Wie müssen
die Gewichte verteilt sein, um den Fischer im Gleichgewicht zu halten? Welche Wirkung erzielt ein Faltenwurf
im abstrahierenden Weiss? Wie ausladend dürfen die
Arm- und Fussbewegungen sein, damit die Figur trotzdem noch aus der Tür hinaus transportiert werden kann?
Wie George Segals Figuren sind auch die Bünzfischer
und -fischerinnen in Gruppen geordnet. Neben den Pavillondächern wird das Calatrava-Hauptgebäude mit
zwei Gruppen bespielt. Die Vorbeikommenden werden
so aufgefordert, im Figurenkabinett umherzuwandeln
und die Plastiken allseitig zu inspizieren.
Wir nennen die Figuren Bünzfischer und verweisen
damit auf die „Bünzfischete“, dem Heft für Ehemalige
der Kantonsschule. Die Bünzfischer stehen für all jene
Schülerinnen und Schüler, die heute wie früher in der
Bünz nicht nach Fischen, sondern eher ideell nach Lösungen, vollständigen Matheaufgaben, fertigen Skripten
und nach dem Verständnis für besonders gewagte Texte
fisch(t)en...
Die Schülerinnen und Schüler haben jeweils in Dreiergruppen eine Figur gestaltet. Dabei fertigten sie zuerst
kleine Modelle aus Draht und später aus Karton an. Von
ihren eigenen Körpern übernommene Masse wurden
danach auf einfache Dachlatten aus Fichtenholz übertragen und zugesägt. Schliesslich entstand eine Art
Skelett aus Holz, ein Gerüst, das jetzt die Figur zusammenhält. Die Schüler und Schülerinnen trugen mittels
Luftpolsterfolie und Klebeband Volumen auf und verpassten den Figuren mit alten Kleidern ein passendes
Outfit, das sie anschliessend mit Gips überzogen. Das
aufwendige Nachformen und Gestalten von Gesicht und
Händen übernahmen drei Klassen aus dem 1. Gym. Als
Abschluss wurden die Gipsfiguren mit Latex-Dispersion überzogen, um Wind und Wetter besser trotzen zu
können. Es versteht sich von selbst, dass eine gewisse Verschmutzung der BiG-Räume nicht zu vermeiden
war und auch das Putzpersonal eine intensive Zeit hinter
sich hat.
Die echten Fischer, jene 12 Fliegenfischer unter der Aufsicht von Fischenzvorsteher Horst Fischer, beobachten
und pflegen derweilen die Bünz und ihre tierische Bevölkerung aktiv. Bis 30 Forellen und 110 Alet werden
pro Saison aus dem Bächlein gefischt und um die 1000
Babyforellen ausgesetzt, um das Leben an der Bünz im
Gleichgeweicht zu halten. Die Fliegenfischerei ist übrigens die anspruchsvollste Technik, sozusagen die Königsdisziplin, unter den Angeltechniken! Leidenschaft,
Fleiss, Konzentration, eine hohe Beobachtungsgabe, Intuition und Intelligenz brauchen die am Ufer stehenden,
als auch unsere an den Pulten sitzenden Bünzfischer
und –fischerinnen. Und manchmal passiert es, dass das
still dahin fliessende Wasser Gedanken in Fluss bringt,
sie in Nischen, tote Winkel oder in noch ungedachte Gebiete lenkt, bis sie im grossen Wurf münden – im grossen Fang!
Die Bünzfischer bleiben bis zum Jubiläumsfest am 16.9.16
als Wächter über Bünz, Schule und Geschichte auf dem
Dach.