Gleich kippts oder doch nicht

Gleich kippt’s – oder doch nicht?
Balancefiguren faszinieren. Sie scheinen elegant über ihren kleinen Standflächen zu
schweben und stehen immer wieder auf.
Text und Fotos: Karolin Weber
Sie wackeln, schaukeln, drehen, scheinen zu kip­
ves Anpassen der Form zu. Position und Bewe­
Anstossen immer mehr, bis das G
­ ewicht lotrecht
pen – und bleiben schlussendlich in einer uner­
gung können verändert werden, indem Formen
unterhalb des Auflagepunktes zum Stillstand
warteten Position stehen. Die vorgeschlagenen
und Proportionen versuchsweise angepasst
kommt.
Grundkonstruktionen aus Draht machen Objek­
werden: länger, kürzer, breiter, höher, mehr
Die Kinder experimentieren: Wie sieht die Bewe­
te möglich, die immer wieder in ihre ausbalan­
oder weniger Gewicht und Gegengewicht.
gung aus, wenn ein grosser Bogen montiert
wird? Was passiert, wenn das Gewicht entfernt
cierte Position zurückkehren. Sie sind nicht mit
dem Untergrund verbunden, also weder ange­
Einfache Balanceformen
wird?
klebt noch eingesteckt. Sie drehen sich, wippen,
Der Schwerpunkt wird so unterhalb der Auf­
Die Figuren mit den langen Armen balancieren
wackeln, wenn man sie anstupst oder einem fei­
lagefläche platziert, dass die Figur aufrecht oder
auf ihrem Zentrumspunkt. Die Gewichte links
nen Luftzug aussetzt. Manchmal scheinen die
in der gewünschten Position zur Ruhe kommt.
und rechts müssen identisch sein, ebenso wie
Bewegungen waghalsig, ja unmöglich zu sein –
Die bewegliche Figur ist im Gleichgewicht.
ihr Abstand vom Auflagepunkt. Je nachdem,
das Phänomen beruht jedoch auf einem ein­
Bei den Tischkanten-Schauklern steckt man
wo der Schwerpunkt liegt oder wie hoch die
fachen Grundsatz: Der Schwerpunkt des Objek­
­einen Drahtbogen in einen Korkzapfen. Am
­Figur über dem Standpunkt aufragt, wird das
tes muss deutlich unterhalb der Auflagefläche
­unte­ren Bogenende wird eine grosse Metallmut­
Objekt senkrecht stehen (Beispiel auf dem Blei­
liegen und symmetrisch ausbalanciert sein.
ter befestigt. Die Figur schaukelt auf dem zylin­
stift) oder sich gefährlich balancierend nach
Das Spiel mit dem Phänomen Balance regt ein
derförmigen Zapfen hin und her. Wie bei einem
vorne neigen (Objekt auf der Klebebandrolle).
fragendes Beobachten an und lässt ein intuiti­
Pendel, verringert sich die Bewegung nach dem
In beiden Fällen pendeln sich die Figuren über
dem Zentrumspunkt ein.
Hinweise zum Material
Die Grundformen werden aus Draht gebogen.
Aluminiumdraht ist teuer aber leicht formbar
und trotzdem stabil. Eisendraht ist sehr güns­
tig, braucht aber für die Bearbeitung mehr Kraft
und Geschicklichkeit.
Die Enden des Drahtes müssen mit Abdeckband
gesichert oder umgebogen werden. Den Draht
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(c) «4 bis 8», Ausgabe 01/2014, S. 12-13 - Schulverlag plus AG
4 bis 8 | Schwerpunkt | Balance
Grundkonstruktionen für Tischkanten-Schaukler.
Bogenförmige Figuren.
Clown oder Seiltänzer mit ausgestreckten Beinen.
schneiden die Kinder mit Hilfe eines Seiten­
Balancieren die Kinder eine vorbereitete Draht­
gen, an dem die Gewichte befestigt werden
schneiders und formen ihn mit einer Rund- oder
form auf dem Finger, erleben sie Verblüffendes.
können.
Spitzzange.
Sie sehen und spüren nicht das, was sie erwar­
Die Figur mit den geraden Beinen besteht aus
Das Verdrehen des Drahtes braucht weniger
ten (intuitive Konzepte). Ausgehend von der
zwei langen und einem kurzen Drahtstück, die
Kraft, wenn ein dünnes Rundholz durch die
­visuellen Wahrnehmung müsste das Objekt
so in eine Holzkugel geschoben werden, dass
Schlaufe gesteckt wird (Hebelwirkung).
nämlich kippen! Wenn die Erkundungsobjekte
das kurze Stück unten in der Mitte als Auflage­
Die Materialien zum Schmücken und Aus­
als ungeschmückte, abstrakte Drahtformen zur
spitze herausragt. Aus einem weiteren Draht
gestalten der Objekte müssen möglichst leicht
Verfügung stehen, können sich die Kinder auf
entstehen unterhalb der Kugel die Arme. Die
sein. Klebeband, Papier, Trinkhalme, Steckper­
das Phänomen konzentrieren. Vor allem für die
oberen Enden der langen Drähte können zu
len, Federchen und Schaumgummi eignen sich
Jüngeren liegt sonst die Erklärung nahe, dass
Fühlern, Haaren oder Hörnern geformt werden.
gut. Balanceobjekte können auch aus gefilzten
es sich halt eben um eine Zauberfigur handelt.
Die langen Beine sind unten zu hakenartigen
Elementen oder aus Styroporformen bestehen.
Die Grundkonstruktionen für alle Figuren wer­
Füssen umgebogen, an welchen die Gewichte
den mit den Kindern gemeinsam hergestellt.
befestigt werden können. Sollen Perlen oder
Themenwahl
Trinkhalmstücke als Dekoration aufgefädelt
Die entstehenden Objekte können mit keiner all­
Tischkanten-Schaukler
werden, muss dies vor dem Biegen der Haken
tagspraktischen Funktion in Verbindung g
­ ebracht
Für die Tischkanten-Schaukler biegen die Kin­
erfolgen!
werden. Sie regen aber an zum Staunen, Fra­
der einen Drahtbogen mit einem Haken am
Je nachdem wie viel Material zur Figur hinzu­
gen, Spielen und wirken sehr dekorativ. Mögli­
­einen Ende. Den Korkzapfen bohren sie in der
gefügt wurde, veränderte sich das Verhältnis
che ­Umsetzungsthemen für die fragilen, feinen
Mitte mit der Ahle vor und stecken den bogen­
von Schwerpunkt und Standpunkt während des
­Formen sucht man am besten im Bereich des
förmigen Draht in das Loch. Steht die Kons­
Gestaltens. Zum Ausbalancieren kann die Draht­
­Fantastischen, Märchenhaften oder auch im
truktion ausbalanciert auf der Tischkante, kann
form gebogen, das Gewicht an den Draht­enden
­Abstrakten. Dabei kann man sich von den Bewe­
auf dem Scheitelpunkt des Korkzapfens die
allenfalls erhöht oder im Notfall die Gestaltung
gungen inspirieren lassen (wackeln, drehen, wip­
­Position für den Aufbau der Figur markiert wer­
der Figur oberhalb des Auflagepunktes ange­
pen, schwanken) oder auch von ihrem luftigen,
den. Mit Hilfe von Holzspiessen ist es möglich,
passt werden.
eher bodenfernen Charakter: fliegende Wesen
Einzelteile aus Styropor, Trinkhalmen, Papier,
Die Kinder können die Balancewirkung an unter­
(Insekten, Vögel, Engel), Gestalten aus Magie
Schaumgummi usw. aufzustecken. Ein Blumen­
schiedlichsten Standorten ausprobieren und eine
und Zirkus (Tanz- oder Turnkünstler, Clowns, Zau­
stäbchen aus Kunststoff oder eine Büroklam­
Stelle zur Präsentation der Figur aussuchen: auf
berer) sowie Geschöpfe aus der Fantasie (Welt­
mer können als Halterung für auswechselbare
Flaschen, Dosen, Bleistiftspitzen, Zaunpfählen
raumobjekte, Märchenwesen, Windgeister).
Figuren oder Schilder dienen.
oder Stuhllehnen. Je unerwarteter der Standort,
Wenn die Kinder verschiedene Gestaltungs­
desto spektakulärer wirken die waghalsigen
Erarbeitung
ideen umsetzen und dabei das Bewegungsver­
­Figuren, wenn sie von selbst ihr Gleichgewicht
Das Phänomen Balance wird am besten im
halten des Schauklers ausprobieren, erfahren
finden!
­Bewegungsunterricht eingeführt. Das Balancie­
sie durch Annäherung, wie viel Masse auf wel­
ren mit Gewichten in den Händen macht das
cher Höhe angebracht werden kann und wie
Prinzip spürbar.
sich die Pendelbewegung dadurch verändert.
Experimente mit einer einfachen Balkenwaage,
Karolin Weber
bei der sowohl das angehängte Gewicht wie
Figuren mit «Armen»
ist Kindergartenlehrperson, Dozentin für Textiles
auch die Entfernung der Gewichte zum Dreh­
Für die bogenförmige Figur wird ein 70 cm
und Technisches Gestalten und Fachdidaktik am
punkt in der Mitte verändert werden können,
langes Stück Draht in der Mitte etwa 5 cm
­Institut für Lehrerinnen- und Lehrerbildung Bern,
ermöglichen Erfahrungen und Erkenntnisse
­zusammengedreht, eine Holzkugel auf diesen
NMS, sowie Mitglied der Redaktionskommission.
(siehe auch S. 14). Was heisst Gleichgewicht,
Mittelteil geschoben und der restliche Draht
wie wirkt sich ein Hebel aus? Die Konstruktion
nach unten geführt. Die Gestaltung der Draht­
>>> Die Anleitung für den Balance-Adventsengel aus
einer einfachen Waage finden Sie in der Samm­
bogen sollte möglichst symmetrisch erfolgen.
der Dezemberausgabe finden Sie nach wie vor unter
lung «Erfinderfibel» Nr. 11/2011.
An den Bogenenden wird je ein Haken gebo­
www.4bis8.ch/downloads <<<
(c) «4 bis 8», Ausgabe 01/2014, S. 12-13 - Schulverlag plus AG
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