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Daten und Fakten
Industrieland Deutschland:
Wettbewerbsfähigkeit der Chemie stärken
Deutschland ist ein Industrieland
Deutschland ist aktuell der drittgrößte Industriestandort der Welt – hinter China und den USA. 2014
hat Deutschland Japan auf Platz vier verdrängt. Der Anteil an der globalen Industrieproduktion
beträgt rund 6 Prozent.
Die Industrie hat in Deutschland im Vergleich zu anderen Volkswirtschaften ein deutlich höheres
Gewicht. Ihr Anteil an der deutschen Bruttowertschöpfung erholte sich nach der Krise 2008 rasch und
erreichte bereits 2011 wieder einen Wert von über 22 Prozent.
Anteil der Industrie an der gesamten Bruttowertschöpfung
In Prozent, 2014
22,6
18,5
15,5
15,4
12,4
11,2
Deutschland
Japan*
EU
Italien
USA*
Quelle: OECD
Frankreich
10,6
Großbritannien
* 2013
Unter den hoch entwickelten Ländern ist Deutschland das Land mit dem
höchsten Industrieanteil an der Bruttowertschöpfung.
Die Industrie leistet viel für Deutschland
Industrie, Deutschland (2014)
absolut
Anteil an
gesamter Wirtschaft
Wertschöpfung
594 Mrd. €
22,6 Prozent
Beschäftigte*
6,0 Mio.
14,1 Prozent
48,4 Mrd. €
86,0 Prozent
1.118 Mrd. €
83,9 Prozent
119,7 Mrd. €
18,6 Prozent
(der direkten und indirekten
Steuereinnahmen)
Ausgaben für FuE**
Warenexporte
Unternehmenssteuern***
Jahresentgelt je Beschäftigtem
51.660 €
133,5 Prozent
(des durchschnittlichen
Arbeitnehmerentgelts)
* Abgrenzung nach Betrieben, ** nur interne FuE-Ausgaben (Vermeidung von Doppelzählungen)
*** Gewerbe-, Einkommen- und Körperschaftsteuer (inkl. Soli) aller Gewerbebetriebe
Stand: 24. Februar 2016
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Die Industrie ist der Wachstumsmotor Deutschlands. Während die Produktivität in der Industrie seit
dem Jahr 2000 um über 32 Prozent zugenommen hat, stieg sie in der gesamten Wirtschaft nur um
knapp 17 Prozent.
Die deutsche Chemie ist ein Eckpfeiler des Industrielandes Deutschland
Die Chemieindustrie ist einer der bedeutendsten Industriezweige in Deutschland. Sie erwirtschaftete
2015 über 190 Mrd. Euro. Damit liegt sie hinter dem Fahrzeugbau und dem Maschinenbau auf dem
dritten Platz.
Rund 447.000 Beschäftigte arbeiteten 2015 in den deutschen Chemieunternehmen.
Deutschland ist Exportweltmeister in Serie für chemische Erzeugnisse. Die Chemie trägt wesentlich
dazu bei, dass Deutschland eine führende Exportnation ist.
Die Chemie erzielt den drittgrößten Umsatz aller Industriebranchen in
Deutschland.
Deutschland war 2014 im internationalen Vergleich die drittgrößte Chemienation hinter China und
USA und noch vor Japan. In Europa ist Deutschland mit Abstand der bedeutendste Chemiestandort −
vor Frankreich und Italien.
Die chemisch-pharmazeutische Industrie gab 2015 rund 10,4 Milliarden Euro für Forschung und
Entwicklung aus.
Die Chemie ist der Innovationsmotor der deutschen Wirtschaft. Die Innovationen der Chemie tragen
zur Wettbewerbsfähigkeit ihrer Kunden bei. Sie machen nachhaltigeres Wirtschaften und eine hohe
Lebensqualität erst möglich.
Die Industrie ist der wichtigste Kunde der Chemie. 80 Prozent des Chemieabsatzes gehen an
Kunden aus dem Verarbeitenden Gewerbe. Die Chemie ist daher für ihren Erfolg auf eine breite
industrielle Basis in Deutschland und Europa angewiesen.
Stand: 24. Februar 2016
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TOP 10 Chemieproduzenten der Welt
Chemieumsätze in Milliarden Euro, 2014
Chemieumsatz insg.:
4.211 Milliarden Euro
1.386
641
195
China
United
States
Germany
Quellen: Chemdata International, VCI
188
Japan
133
South
Korea
114
101
92
79
75
France
India
Brazil
Italy
Switzerland
Anmerkung: Internationale Daten weichen von Destatis Daten ab.
Deutschland ist der drittgrößte Chemieproduzent der Welt.
Studie belegt die Bedeutung inländischer industrieller Wertschöpfungsketten
Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) haben inländische Wertschöpfungsverbünde trotz der Globalisierung für die deutschen Unternehmen noch immer eine Schlüsselstellung.
Der Anteil inländischer Zulieferungen an der Industrieproduktion ist nahezu konstant, und die wichtigsten Lieferanten und Kunden sitzen für den Großteil der Unternehmen noch immer im Inland – ein
Befund, der sich trotz zunehmend globaler Wertschöpfungsketten nur langsam ändern wird.
Der Vorteil Deutschlands liegt in der Vielfalt von Kompetenzen auf engem Raum. Er schlägt sich
insbesondere in gemeinsamen Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsaktivitäten von Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen nieder.
Die Umfrage des IW zeigt zudem: Energieintensive Betriebe sind wichtige Innovationspartner in
diesem Industrienetzwerk. Viele Unternehmen sind besorgt, dass bei schlechtem Management der
Energiewende und weiter steigenden Energiekosten wichtige Zulieferer wegfallen.
Industrie 4.0 und Digitalisierung: Megatrends des industriellen Strukturwandels
Neben der Globalisierung ist die Digitalisierung ein Megatrend der industriellen Entwicklung. Der
Fortschritt bei Kommunikations- und Informationstechnologien, Internet-Dienstleistungen sowie
Datenverarbeitung erfasst immer mehr Bereiche der Wirtschaft − auch in der Industrie.
Industrie 4.0 − die digitale Transformation der industriellen Wertschöpfung − führt dazu, dass durch
die Kommunikation zwischen Maschinen und Teilen sowie die Nutzung großer Datenmengen
innerhalb des Industrienetzwerkes noch enger, schneller und passgenauer gemeinsam produziert
und entwickelt werden kann. Dadurch steigt die Leistungsfähigkeit des Industrienetzwerkes.
Auch für die Chemie ergeben sich aus Industrie 4.0 und der Digitalisierung Chancen:
Effizienzpotenziale, neue Geschäftsfelder, bessere Vernetzung in der Lieferkette.
Zugleich muss sich die Chemie den Herausforderungen der Digitalisierung stellen: Hierzu zählt die
Gefahr, das eigene Geschäftsmodell durch Disruption zu verlieren, oder die veränderten
Sicherheitsanforderungen.
Die Politik muss die richtigen Rahmenbedingungen setzen, damit die Chemie ihre Chancen ergreifen
kann − zum Beispiel durch die Klärung der Rechte an Maschinendaten, die Optimierung der digitalen
Infrastruktur und die Verfügbarkeit von Fachkräften auf nationaler und auf EU-Ebene.
Die Debatte um Chancen und Risiken der Industrie 4.0 muss konstruktiv geführt werden. Die Hebung
von Chancen darf nicht durch übertriebenes Vorsichts- und Risikobewusstsein zerredet oder auf die
lange Bank geschoben werden. Der Trend zur Digitalisierung verändert die Industrie global.
Stand: 24. Februar 2016
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Der Industriestandort Deutschland – Stärken und Schwächen
Das World Economic Forum (WEF) bewertet jährlich wichtige Standortfaktoren von inzwischen
140 Ländern und erstellt auf dieser Basis ein globales Ranking. Insgesamt belegt Deutschland nach
den rund 120 Indikatoren im Bericht 2015/2016 des WEF Platz 4 in der Gesamtliste, ein Rangplatz
besser als im Vorjahr. Deutschland ist damit ein guter Industriestandort.
Stärken liegen bei der Qualität lokaler Zulieferer, den Forschungseinrichtungen, der Infrastruktur und
der Zusammenarbeit von Industrie und Wissenschaft: Deutschland findet sich hier unter den besten
20 Nationen. Die gute Bewertung für breite Wertschöpfungsketten und die Qualität der Zulieferer
weist auf einen wichtigen Vorteil der deutschen Industriestruktur hin: Die Existenz leistungsfähiger
Grundstoffindustrien. Sie stellen für Investitions- und Konsumgüterhersteller innovative Werkstoffe
bereit.
Damit die zentrale Lage in Europa ein wichtiger Standortvorteil Deutschlands bleibt, ist eine wettbewerbsfähige, nachhaltige und kostengünstige Logistik erforderlich. Basis hierfür ist eine bedarfsgerechte, intakte und lückenlose Verkehrsinfrastruktur.
Deutschland wird derzeit vom Ausland zwar noch relativ gut bewertet, lebt aber in weiten Teilen
von der Substanz: 1970 wurden noch 4,3 Prozent des BIP in die Verkehrsinfrastruktur investiert,
2011 laut OECD (ITF Transport Outlook 2013) nur noch 0,7 Prozent. Laut IW-Studie vom Februar
2014 sehen mittlerweile 64 Prozent der Unternehmen ihre Geschäftstätigkeit durch Mängel im
Straßenverkehrsnetz beeinträchtigt. Die neue Bundesregierung ist sich der Problematik bewusst
und hat für diese Legislaturperiode fünf Milliarden Euro zusätzlich für die Sanierung von
Verkehrsinfrastruktur im Bundeshaushalt vorgesehen.
Gerade die chemische Industrie hat großes Interesse an einer guten Infrastruktur, denn die
Branche ist eine der transportintensivsten in Deutschland. Sie verantwortet rund 6,5 Prozent des
gesamten Güterverkehrsaufkommens. Bundesweit ist sie der zweitgrößte Auftraggeber von
Transportdienstleistungen, denn ein Großteil der Chemieproduktion geht an industrielle
Weiterverarbeiter. Um der Politik die Dringlichkeit des Problems vor Augen zu führen und
Empfehlungen für Handlungsprioritäten zu geben, hat der VCI im Januar 2014 die Initiative
Verkehrsinfrastruktur ins Leben gerufen. Langfristig darf sich Deutschland aber nicht nur auf den
Erhalt beschränken, sondern muss auch den Ausbau aller Verkehrsträger vorantreiben.
Verbesserungspotenzial gibt es im Bildungs- und Forschungsbereich: Die Ausgaben Deutschlands
für Forschung und Entwicklung stiegen zuletzt zwar leicht und liegen derzeit bei rund 2,9 Prozent des
BIP. Über zwei Drittel davon steuert die Wirtschaft bei, die ihren Anteil sukzessive auf 1,9 Prozent gesteigert hat. Damit liegt Deutschland zwar im oberen Drittel aller OECD Länder, aber immer noch
unter dem Lissabonziel der EU von drei Prozent. Deshalb sollten Innovationsanreize erhöht und
Innovationshemmnisse abgebaut werden. Im Bildungsbereich hinkt Deutschland weiterhin hinterher:
Deutschland gibt insgesamt 4,4 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Bildung aus und liegt damit
unter dem OECD-Durchschnitt von 5,3 Prozent sowie unterhalb des EU-Schnitts.
Die deutsche Position im Bereich der Energieversorgung hat sich verschlechtert. Sollten sich die
Sorgen um zukünftige Preissteigerungen und Versorgungsengpässe durch die Energiewende als
berechtigt erweisen, ist eine weitere Verschlechterung unvermeidlich.
Die Belastungen aufgrund von Regulierungen und Steuern sind in Deutschland im internationalen
Vergleich sehr hoch. Das stellen Analysen wie der Standortvergleich des WEF deutlich heraus.
Oxford-Studie: Wettbewerbsfähigkeit des Chemiestandortes Deutschland sinkt
Eine Studie von Oxford Economics vom September 2014 im Auftrag des VCI zeigt: Der Anteil
Deutschlands am Welt-Chemieexport geht zurück. Betrachtet man diese Entwicklung differenzierter,
zeigt sich: Die Wettbewerbsfähigkeit des Chemiestandortes Deutschland erodiert.
An Wettbewerbsfähigkeit gewonnen hat in den letzten Jahren vor allem die Chemieindustrie Chinas,
aber auch die der Golfstaaten Arabiens und zuletzt die der USA.
Die wichtigsten Determinanten der Wettbewerbsfähigkeit der Chemie sind Energie, Forschung und
Innovationen sowie die Infrastruktur. Hier muss die Politik ihre Gestaltungsspielräume nutzen.
Stand: 24. Februar 2016
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Standortschwäche lenkt Investitionen der Chemie ins Ausland
Trotz der aktuell noch passablen Wettbewerbssituation Deutschlands, die sich auch im deutlichen
Außenhandelsüberschuss niederschlägt: Deutschland droht sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen.
Insbesondere die öffentlichen Investitionen sind im internationalen Vergleich unterdurchschnittlich.
Das gefährdet eine gute Zukunft des Industriestandortes.
Die Sachanlageinvestitionen der deutschen Chemie im Ausland liegen seit 2012 deutlich über denen
im Inland. Hier spiegeln sich Standortnachteile Deutschlands, insbesondere bei den Energiepreisen,
wider.
Sachanlageninvestitionen der deutschen Chemieindustrie
Im In- und Ausland, 1991-2015, in Mio. Euro
10.000
8.644
9.000
8.000
7.000
6.786
7.217
6.000
5.000
4.000
4.346
Sachanlageinvestitionen im Inland
3.000
Sachanlageinvestitionen im Ausland
2.000
1.000
1991
1993
1995
1997
1999
2001
2003
2005
2007
2009
2011
2013
2015
Quellen: Statistisches Bundesamt, VCI (Schätzung 2015)
Die Auslandsinvestitionen der deutschen Chemieunternehmen haben die
Sachanlageinvestitionen im Inland seit 2012 deutlich überholt.
Investitionen der chemischen Industrie fließen zunehmend ins Ausland. Eine Erhebung des VCI zeigt,
dass Unternehmen diese Entscheidung nicht nur wegen der Erschließung von neuen Märkten treffen,
sondern auch wegen niedrigerer Kosten an ausländischen Standorten. So werden zwei Drittel der
Investitionen in den USA aus diesem Motiv getätigt. Die günstigen Preise für Rohstoffe und Energie
durch den Schiefergasboom spielen hier eine Rolle. Derzeit sind Strom und Gas hierzulande rund
2,5-mal so teuer wie in den USA.
Zwei Drittel der Investitionen der deutschen Chemie in Nordamerika werden
heute wegen niedrigerer Kosten getätigt. In Asien und Lateinamerika dienen
die Investitionen dagegen überwiegend der Markterschließung.
Stand: 24. Februar 2016
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VCI-Studie "Innovationen den Weg ebnen": Regulierungen hemmen die Umsetzung von der
Innovation zum marktreifen Produkt
Eine nicht ausreichende Innovationskultur in den Unternehmen, Bürokratie und ein Zuviel an
komplexer Regulierung in Deutschland sind die größten Hemmnisse in der chemisch-pharmazeutischen Industrie für einen weniger zeitraubenden Prozess von der Forschung zum marktreifen
Produkt. Das geht aus der Studie "Innovationen den Weg ebnen" von IW Consult und der
Unternehmensberatung Santiago im Auftrag des VCI hervor. Interne und externe Hürden behindern
Forschung und Entwicklung in der Chemie gleichermaßen.
Über 60 Prozent der Unternehmen stufen die Komplexität der Regulierung in Deutschland höher ein
als in anderen Nationen. Aufwändige Zulassungs- und Genehmigungsverfahren für Chemieprodukte
und die damit verbundenen Kosten überfordern vor allem den Mittelstand. Im Detail zeigt die Studie,
dass Zulassungs- und Genehmigungsverfahren für 55 Prozent der Unternehmen mit starken oder
mittelstarken Innovationshemmnissen verbunden sind. Regulatorische Hürden belasten dabei vor
allem Pharma- und Pflanzenschutzunternehmen. Auch die Chemikalienverordnung REACH erschwert Innovationen: Knapp die Hälfte (45 Prozent) der Firmen erleben Beeinträchtigungen durch
Kosten und personellen Aufwand, die mit REACH verbunden sind. Die Studie schlägt vor, Regulierung innovationsfreundlich zu gestalten, ohne Schutzstandards zu senken.
Vor allem der Mittelstand spürt schon heute einen Engpass an Fachkräften: Ein Viertel der Unternehmen mit weniger als 1.000 Beschäftigten leidet unter einem Mangel bei akademischen Fachkräften, 15 Prozent unter Engpässen bei nichtakademischem Personal. Aufgabe der Politik sollte es
laut Studie sein, MINT-Fachkräfte zu sichern und den Zuzug ausländischer Fachkräfte zu erleichtern.
Besonders beim Thema gesellschaftliche Akzeptanz besteht Handlungsbedarf, das belegen die
Ergebnisse der Studie ebenfalls: 29 Prozent der Unternehmen wünschen sich mehr politische und
gesellschaftliche Akzeptanz ihrer Innovationsleistung.
Gemäß der Studie empfinden 37 Prozent der Unternehmen eine fehlende steuerliche Forschungsförderung als ein starkes oder mittleres Innovationshemmnis. Zwei Drittel der OECD- und die Hälfte
der EU-Länder machen von der Möglichkeit Gebrauch, FuE steuerlich zu fördern.
Für 19 Prozent der Unternehmen, die sich an der VCI-Studie beteiligten, sind unterentwickelte Risikokapitalmärkte ein Innovationshemmnis. In Deutschland steht nur wenig Wagniskapital zur Verfügung.
2013 wurden hierzulande rund 674 Millionen Euro Wagniskapital investiert. Dies entspricht ca.
0,02 Prozent des deutschen BIPs. In den USA ist hingegen mit 87 Milliarden US-Dollar in den
vergangenen drei Jahren mehr als 30 Mal so viel investiert worden wie in Deutschland. Die Bundesregierung sollte daher umgehend das Wagniskapitalgesetz auf den Weg bringen; Wagniskapital
muss zu einer stärkeren Triebfeder für Innovationen werden.
Industriepolitische Entwicklungen in Deutschland und Europa
Die Wertschätzung für die Industrie schlägt sich kaum in der praktischen Politik nieder
Zwar haben die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag den Wert einer starken Industrie für den
Standort Deutschland hervorgehoben. Das schlägt sich aber kaum in der Real-Politik nieder.
Die Fortschreibung der Härtefallregelungen für besonders energieintensive Unternehmen war eine
wichtige industriepolitische Entscheidung der Bundesregierung. Eine grundlegende Reform des EEG,
die zu einer wirksamen Kostenbremse für den Ausbau der Erneuerbaren Energiequellen führt, steht
aber auch Anfang 2016 noch immer aus.
Neue Belastungen für die Chemie drohen aus der Klimapolitik und der Reform des europäischen
Emissionshandels. Hier ist der Einsatz der Bundesregierung für wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen der Industrie wichtig. Bei den Initiativen der EU zur Kreislaufwirtschaft muss ein
nachhaltiger Ansatz gefunden werden.
Branchendialoge, Bündnis "Zukunft der Industrie" und "Plattform Industrie 4.0": Foren des
Bundeswirtschaftsministers für Ideen zur Verbesserung industrieller Rahmenbedingungen
Die Branchendialoge des Bundeswirtschaftsministeriums – Anfang 2015 fand der Branchendialog
Chemie statt – boten der Industrie Gelegenheit, im Dialog Defizite und notwendige Maßnahmen zum
Erhalt der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und zum Ausbau der Standortqualität darzulegen.
Stand: 24. Februar 2016
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Der Branchendialog Chemie führte 2015 zur Verabschiedung einer gemeinsamen Vereinbarung von
BMWi, VCI, BAVC und IG BCE. Derzeit läuft ein Follow-Up aus Fachdialogen.
Der Bundeswirtschaftsminister hat Anfang März 2015 mit wichtigen Industrieverbänden und
Gewerkschaften das Bündnis "Zukunft der Industrie" ins Leben gerufen. Auch der VCI ist auf allen
Ebenen des Bündnisses (High-Level-Group, Sherpa-Runde und Arbeitsgruppen) eingebunden.
Im Bündnis werden Handlungsempfehlungen zu den Themen Industrieakzeptanz, Investitionsbedingungen, Zukunft der Arbeit in der Industrie, Weiterentwicklung industrieller Wertschöpfungsstrukturen und internationale Wettbewerbsfähigkeit entwickelt.
Das Bündnis hat Mitte Oktober 2015 in einer gemeinsamen öffentlichen Erklärung seine industriepolitischen Ziele definiert. Außerdem hat es ein Arbeitsprogramm für 2016 beschlossen, in dem ein
"Aktionsjahr der Industrie" festgeschrieben ist.
Bestandteile des Arbeitsprogramms sind Kommunikationsmaßnahmen, Industriekonferenzen in Berlin
und Brüssel sowie eine Aktionswoche im September 2016. Die Aktionswoche soll die Öffentlichkeit
auf die große Bedeutung der Industrie für den deutschen Wohlstand hinweisen. Außerdem wird es
Fachkonferenzen und Bürger-Dialoge zu den oben genannten Schwerpunktthemen des Bündnisses
geben.
BMWi und BMBF haben mit Vertretern aus Industrie und Gewerkschaften eine "Plattform Industrie
4.0" gegründet, mit der die digitale Transformation der Industrie begleitet und unterstützt werden soll.
EU: Europa 2020-Strategie, EU-Industriepolitik und Juncker-Arbeitsprogramm
Die Europäische Kommission hat sich in der Agenda "Europa 2020" intelligentes, nachhaltiges und
integratives Wachstum zum Ziel gesetzt. Nachhaltiges Wachstum sollte durch eine "integrierte
Industriepolitik" und ein "ressourcenschonendes Europa" erreicht werden.
Diese Strategie wurde seit Juli 2014 von den Leitlinien des neuen Kommissionspräsidenten Juncker
überlagert. Sie beinhalten Perspektiven für eine stärkere Ausrichtung auf die Ziele Wachstum,
Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit. Im Dezember 2014 strich die Kommission einige
ausstehende Legislativvorschläge.
Die Initiative von Kommissionsvizepräsident Timmermans zur "besseren Rechtssetzung", bietet gute
Ansätze: Die Aspekte der Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit sollen in zukünftigen
Folgenabschätzungen stärker berücksichtigt und bestehende Regulierungen systematisch auf ihre
Eignung geprüft werden. Die Entwürfe für eher technische Maßnahmen (delegierte Rechtsakte und
Durchführungsrechtsakte) sollen zukünftig vor ihre Annahme durch die Kommission einer
vierwöchigen Stakeholder-Konsultation unterzogen werden.
Die Europäische Kommission hat am 28. Oktober 2015 ihre neue Binnenmarktstrategie in Form der
Mitteilung „Upgrading the Single Market: more opportunities for people and business“ vorgestellt. Im
Fokus der angekündigten Maßnahmen stehen kleine und mittelständische Unternehmen. Themen
der 22 Initiativen sind u.a. der digitale Binnenmarkt, Insolvenzen und Start-Ups, Standards und
geistiges Eigentum.
Aus den Ergebnissen der Klimakonferenz von Paris und aus der Revision des Emissionshandels
drohen neue Beeinträchtigungen der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zu erwachsen, wenn die EU
ihre Klimaschutzziele weiter im Alleingang verschärft.
Im Dezember 2015 veröffentlichte die Kommission ihre Mitteilung zur Kreislaufwirtschaft, in der sie
viele umweltpolitische Ziele und Instrumente bündelt. Es gilt, den Weg hin zu einer Kreislaufwirtschaft
nachhaltig ohne Beeinträchtigung von Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit zu gestalten.
Stand: 24. Februar 2016
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