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ENTWICKLUNGSWERKZEUGE
Anzahl und Funktionsumfang der Steuergeräte in Fahrzeugen nehmen ebenso
zu wie die Vernetzung der Funktionen untereinander. Damit verändern sich auch
die Anforderungen an Entwicklungswerkzeuge, mit denen die Steuergerätesoftware validiert wird. Ein wichtiges Mittel der Wahl dafür ist die HiL-Simulation.
Da auch hier das Zusammenwirken der Steuergeräte in den Fokus rückt, gilt es,
Komponenten-HiLs in Echtzeit zu vernetzen, um das Zusammenspiel und die
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Kommunikation mehrerer Steuergeräte im Verbund realistisch zu testen.
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Steuergeräte im
Gesamtverbund testen
I
n modernen Fahrzeugen arbeitet ein
komplexes Geflecht von Steuergeräten. Jedes einzelne bezieht seine
Steuerungsintelligenz aus Software, die
validiert und getestet werden muss.
Das geschieht in der Regel lange bevor
ein Testfahrzeug verfügbar ist. Hardware-in-the-Loop-(HiL)-Simulationen
haben sich dafür bewährt.
Mit der zunehmenden Vernetzung
und Interaktion der Steuergeräte verändern sich die Anforderungen an die HiLWerkzeuge. Komplexe Antriebsfunktionen und Auswertungen von Umfelddaten für Fahrerassistenzsysteme interagieren zunehmend und greifen teils
auf mehrere Steuergeräte zu. Um diese
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Prozesse erproben und testen zu können, gilt es, den Gesamtverbund sämtlicher Steuergeräte eines Fahrzeugs
nachzustellen.
HiL-Umgebungen müssen also einerseits das isolierte Validieren einzelner Softwaremodule und Funktionen
ermöglichen, andererseits aber auch
die Möglichkeit bieten, diese Komponenten-HiLs zu einem realistischen
Netzwerk-HiL des Gesamtfahrzeugs zu
fusionieren. Im Idealfall sind mit ein und
demselben System sowohl Einzeltest
als auch die Erprobung im Verbund
möglich. Damit ein Netzwerk-HiL für einen Steuergeräteverbund realitätsnahe
Tests zulässt, müssen alle daran betei-
ligten Komponenten-HiLs zeitlich synchronisiert sein und die Daten in Echtzeit übertragen werden. Entsprechend
hoch sind die Anforderungen an Hardund Software solcher Netzwerk-HiLs.
ETAS hat mit dem Multi-Real-Time-PC
(Multi-RTPC) eine Lösung entwickelt,
die diese hohen Anforderungen meistert.
Aufbau des Systems
Die ETAS-Lösung für diese Herausforderungen ist die Verbindung der bewährten LABCAR-HiL-Systeme über
Ethernet. Die Lösung basiert auf der
neuen Version der HiL-KonfigurationsHANSER automotive 1-2 / 2016
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Eines dient der Kommunikation mit jenem Host-PC, auf dem die LABCAROPERATOR-Software läuft. Das zweite
Netzwerk hält die integrierten Simula­
tionstargets untereinander zeitlich synchron. Und das dritte ist für den Datenaustausch zwischen den Targets reserviert. Diese Dreiteilung gewährleistet
im Zusammenspiel mit Multi-Core-PCTechnologie auf Basis des Intel-Core-i7Prozessors sowie mit standardisierten
Schnittstellen und Netzwerkprotokollen, dass sich auch sehr komplexe Steuergeräte-Netzwerke – etwa von Oberklassemodellen mit Hybridantrieb und
vielen Fahrerassistenzsystemen − in
der für automotive Software-Validierung erforderlichen Präzision simulieren
lassen. Während die Prozessoren die
notwendige Rechenleistung für die Berechnung der Umgebung für alle Steuergeräte im Netzwerk-HiL bereitstellen,
bietet das Gigabit-Ethernet die nötige
Bandbreite für den Echtzeit-Datenaustausch zwischen den einzelnen Targets.
Ein großer Vorteil dabei: durch die
Stern-Topologie kann jedes Target mit
jedem kommunizieren. Die Übertragungsraten liegen über 80 MByte/s
(~30 kByte/ms). Die Zeitsynchronisierung der Domänen erfolgt per Precision
Time Protocol (PTP) gemäß dem Standard IEEE 1588.
Modulares Konzept
Bild 1: Vereinfachter Aufbau eines Gesamtfahrzeug-HiL-Systems. Nur für
das Netzwerk PTP-IEEE 1588werden spezielle PTP-taugliche Netzwerkkarten
benötigt. Die restlichen Netzwerke kommen mit Standard-Netzwerkswitches
und -karten aus.
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und E
­
xperimentierumgebung ETAS
LABCAR-OPERATOR und des Simulationstargets LABCAR-RTPC. Mit der RTPC-Software wird ein normaler PC zum
Hochleistungs-Echtzeit-Simulationstarget, das Modelle mit Zykluszeiten unter
0,5 ms rechnet und harte Echtzeit-­
Anforderungen selbst dann erfüllt,
wenn hochdynamische physikalische
Regelprozesse simuliert werden. In das
LABCAR-Netzwerk-HiL kann je nach
Komplexität des Steuergeräteverbunds
eine beliebige Anzahl von RTPCs inte­
griert werden.
Die Kopplung der LABCAR-RTPCs
erfolgt über drei getrennte Netzwerke.
Die Verbindung von leistungsstarken
über
Echtzeit-­
Simulationstargets
­
Kommunikation und zeitlicher Synchronisation einer skalierbaren Anzahl domänenspezifischer HiLs ermöglicht
Entwicklern hohe Flexibilität. Über alle
Fahrzeugsegmente hinweg können sie
mithilfe des Netzwerk-HiLs Steuergerätesoftware im Verbund oder einzelne
Komponenten parallel testen und validieren. Auch wenn Vernetzung und
Komplexität in Zukunft weiter zunehmen, wird sich diese durch Einbindung
zusätzlicher Komponenten-HiLs simulieren lassen.
Die Skalierbarkeit und der Einsatz
standardisierter, erprobter Technik ermöglicht es Automobilherstellern und
Zulieferern zudem, ihre bestehenden
Entwicklungsumgebungen einfach für
die Anforderungen der Netzwerk-Tests
zu erweitern. Im Sinne der Kostenkon­
trolle können sie dabei unter anderem
auch Ethernet Switches statt teurer
Shared-Memory-Karten nutzen, ohne
Leistungseinbußen bei HiL-Simulation
hinnehmen zu müssen. Zur BudgetSchonung trägt auch der Einsatz PTPfähiger Netzwerkkarten in den RTPCs
bei. Diese ermöglichen eine Zeitsynchronisierung mit Abweichungen deutlich unter 1 µs zwischen den Simula­
tionstargets. Die Kosten solcher Netzwerkkarten liegen dabei etwa auf dem
Niveau herkömmlicher Netzwerkadapter. Entsprechende Hardware ist dank
ausgereifter Standardisierung von unterschiedlichen Herstellern verfügbar.
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Bild 2: Durch die
hier gezeigte
Projektkonfiguration über drei
Netzwerk­
switches lassen
sich einzelne
KomponentenHiLs anspre-
chen, ohne dafür
die Netzwerkverkabelung
ändern zu
müssen.
Erprobte Technik
intelligent verbunden
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ten. Sobald die Schnittstellen und Be- RTPC auf ein 64-bit-Linux System umrührungspunkte feststehen, können gestellt – um auch an diesem Punkt die
sämtliche Komponenten-Projekte ver- Zukunftsfähigkeit des Netzwerk-HiLs
Zur Nutzerfreundlichkeit der Multi-­ eint und dann gemeinsam ausgeführt abzusichern. Die Umstellung trägt der
RTPC-Lösung trägt bei, dass alle Kom- werden. Für diese Fusion ist die LAB- steigenden Systemkomplexität und den
ponenten-HiLs durch Standard-Netz- CAR-OPERATOR-Software um einen rapide zunehmenden Datenvolumen in
werkkommunikation miteinander ver- „Project Merger“ ergänzt. Dieses Tool Steuergerätenetzwerken
Rechnung,
bunden sind und auch jeweils getrennt erlaubt es, die Teilprojekte mit wenigen die vor allem durch die immer umfasvoneinander betrieben werden können. „Handgriffen“ zum Gesamtprojekt zu sendere Umfeldsensorik und den Trend
Dafür bietet der LABCAR-OPERATOR fusionieren und so die Basis für die zum teilautomatisierten Fahren getrieeine Funktion, mit welcher Nutzer ihr Software-Erprobung im Steuergeräte- ben sind.
Projekt konfigurieren können. In der verbund des virtuellen GesamtfahrLeistungsfähigkeit und Usability der
Konfiguration legen sie jene Simulati- zeugs zu legen.
HiL-Systeme werden ständig weiterentonstargets fest, die zum Ausführen des
Weil die domänenspezifischen HiLs wickelt und an die Anforderungen der
Projekts benötigt werden. Dies ge- im Fahrzeug-HiL per Netzwerkswitch Kunden angepasst. Dies ermöglicht
schieht anhand der IP-Adressen. Damit miteinander verbunden sind, können den Entwicklern, ihre vertrauten Werksind „gespiegelte“ Testsysteme ohne Nutzer einzelne Komponenten-HiLs zeuge weiter nutzen und der zunehZusatzaufwand realisierbar.
dann weiterhin ohne Änderung der Netz- menden Komplexität künftiger EntwickUm ein komplettes Netzwerk-HiL werkverkabelung ansprechen und für lungsprozesse gelassener entgegenseaufzusetzen, erstellen Nutzer zunächst ihre speziellen Tests und Versuche ver- hen zu können. Denn sie können damit
ein Projekt für jedes einzelne HiL. Die wenden. Sie können also jederzeit leicht vernetze Fahrzeugdomänen und SteuZahl der Projekte ist dabei äquivalent zwischen Gesamtübersicht und Detail- ergeräte in allen künftigen Komplexizur Anzahl der Simulationstargets betrachtung hin und her wechseln, um tätsstufen erproben. W (oe)
(RTPCs). Diese Aufteilung in Projekte potenzielle Konflikte und Fehler in der »» www.etas.com
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ermöglicht, dass Teams aus unter- Domänen-Vernetzung zu lokalisieren.
­
schiedlichen Bereichen parallel arbeiten
können. So kann beispielsweise ein Ausblick
Matthias Brenner ist
­Powertrain-Entwickler sein HiL-Projekt
Lead-Developer bei ETAS
in Stuttgart:
aufsetzen und gleichzeitig ein Chassis- Ab der neuen Version V6.2.0 hat ETAS
Experte mit der Inbetriebnahme star- das HiL-Simulationstarget LABCAR-­
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