ENTWICKLUNGSWERKZEUGE Anzahl und Funktionsumfang der Steuergeräte in Fahrzeugen nehmen ebenso zu wie die Vernetzung der Funktionen untereinander. Damit verändern sich auch die Anforderungen an Entwicklungswerkzeuge, mit denen die Steuergerätesoftware validiert wird. Ein wichtiges Mittel der Wahl dafür ist die HiL-Simulation. Da auch hier das Zusammenwirken der Steuergeräte in den Fokus rückt, gilt es, Komponenten-HiLs in Echtzeit zu vernetzen, um das Zusammenspiel und die © ETAS Kommunikation mehrerer Steuergeräte im Verbund realistisch zu testen. © Carl Hanser Verlag GmbH & Co.KG, München, www.hanser-automotive.de; Nicht zur Verfügung in Intranet- u.Internet-Angeboten oder elektron. Verteilern Steuergeräte im Gesamtverbund testen I n modernen Fahrzeugen arbeitet ein komplexes Geflecht von Steuergeräten. Jedes einzelne bezieht seine Steuerungsintelligenz aus Software, die validiert und getestet werden muss. Das geschieht in der Regel lange bevor ein Testfahrzeug verfügbar ist. Hardware-in-the-Loop-(HiL)-Simulationen haben sich dafür bewährt. Mit der zunehmenden Vernetzung und Interaktion der Steuergeräte verändern sich die Anforderungen an die HiLWerkzeuge. Komplexe Antriebsfunktionen und Auswertungen von Umfelddaten für Fahrerassistenzsysteme interagieren zunehmend und greifen teils auf mehrere Steuergeräte zu. Um diese www.hanser-automotive.de Prozesse erproben und testen zu können, gilt es, den Gesamtverbund sämtlicher Steuergeräte eines Fahrzeugs nachzustellen. HiL-Umgebungen müssen also einerseits das isolierte Validieren einzelner Softwaremodule und Funktionen ermöglichen, andererseits aber auch die Möglichkeit bieten, diese Komponenten-HiLs zu einem realistischen Netzwerk-HiL des Gesamtfahrzeugs zu fusionieren. Im Idealfall sind mit ein und demselben System sowohl Einzeltest als auch die Erprobung im Verbund möglich. Damit ein Netzwerk-HiL für einen Steuergeräteverbund realitätsnahe Tests zulässt, müssen alle daran betei- ligten Komponenten-HiLs zeitlich synchronisiert sein und die Daten in Echtzeit übertragen werden. Entsprechend hoch sind die Anforderungen an Hardund Software solcher Netzwerk-HiLs. ETAS hat mit dem Multi-Real-Time-PC (Multi-RTPC) eine Lösung entwickelt, die diese hohen Anforderungen meistert. Aufbau des Systems Die ETAS-Lösung für diese Herausforderungen ist die Verbindung der bewährten LABCAR-HiL-Systeme über Ethernet. Die Lösung basiert auf der neuen Version der HiL-KonfigurationsHANSER automotive 1-2 / 2016 49 » ENTWICKLUNGSWERKZEUGE Eines dient der Kommunikation mit jenem Host-PC, auf dem die LABCAROPERATOR-Software läuft. Das zweite Netzwerk hält die integrierten Simula tionstargets untereinander zeitlich synchron. Und das dritte ist für den Datenaustausch zwischen den Targets reserviert. Diese Dreiteilung gewährleistet im Zusammenspiel mit Multi-Core-PCTechnologie auf Basis des Intel-Core-i7Prozessors sowie mit standardisierten Schnittstellen und Netzwerkprotokollen, dass sich auch sehr komplexe Steuergeräte-Netzwerke – etwa von Oberklassemodellen mit Hybridantrieb und vielen Fahrerassistenzsystemen − in der für automotive Software-Validierung erforderlichen Präzision simulieren lassen. Während die Prozessoren die notwendige Rechenleistung für die Berechnung der Umgebung für alle Steuergeräte im Netzwerk-HiL bereitstellen, bietet das Gigabit-Ethernet die nötige Bandbreite für den Echtzeit-Datenaustausch zwischen den einzelnen Targets. Ein großer Vorteil dabei: durch die Stern-Topologie kann jedes Target mit jedem kommunizieren. Die Übertragungsraten liegen über 80 MByte/s (~30 kByte/ms). Die Zeitsynchronisierung der Domänen erfolgt per Precision Time Protocol (PTP) gemäß dem Standard IEEE 1588. Modulares Konzept Bild 1: Vereinfachter Aufbau eines Gesamtfahrzeug-HiL-Systems. Nur für das Netzwerk PTP-IEEE 1588werden spezielle PTP-taugliche Netzwerkkarten benötigt. Die restlichen Netzwerke kommen mit Standard-Netzwerkswitches und -karten aus. 50 (© ETAS) HANSER automotive 1-2 / 2016 © Carl Hanser Verlag GmbH & Co.KG, München, www.hanser-automotive.de; Nicht zur Verfügung in Intranet- u.Internet-Angeboten oder elektron. Verteilern und E xperimentierumgebung ETAS LABCAR-OPERATOR und des Simulationstargets LABCAR-RTPC. Mit der RTPC-Software wird ein normaler PC zum Hochleistungs-Echtzeit-Simulationstarget, das Modelle mit Zykluszeiten unter 0,5 ms rechnet und harte Echtzeit- Anforderungen selbst dann erfüllt, wenn hochdynamische physikalische Regelprozesse simuliert werden. In das LABCAR-Netzwerk-HiL kann je nach Komplexität des Steuergeräteverbunds eine beliebige Anzahl von RTPCs inte griert werden. Die Kopplung der LABCAR-RTPCs erfolgt über drei getrennte Netzwerke. Die Verbindung von leistungsstarken über Echtzeit- Simulationstargets Kommunikation und zeitlicher Synchronisation einer skalierbaren Anzahl domänenspezifischer HiLs ermöglicht Entwicklern hohe Flexibilität. Über alle Fahrzeugsegmente hinweg können sie mithilfe des Netzwerk-HiLs Steuergerätesoftware im Verbund oder einzelne Komponenten parallel testen und validieren. Auch wenn Vernetzung und Komplexität in Zukunft weiter zunehmen, wird sich diese durch Einbindung zusätzlicher Komponenten-HiLs simulieren lassen. Die Skalierbarkeit und der Einsatz standardisierter, erprobter Technik ermöglicht es Automobilherstellern und Zulieferern zudem, ihre bestehenden Entwicklungsumgebungen einfach für die Anforderungen der Netzwerk-Tests zu erweitern. Im Sinne der Kostenkon trolle können sie dabei unter anderem auch Ethernet Switches statt teurer Shared-Memory-Karten nutzen, ohne Leistungseinbußen bei HiL-Simulation hinnehmen zu müssen. Zur BudgetSchonung trägt auch der Einsatz PTPfähiger Netzwerkkarten in den RTPCs bei. Diese ermöglichen eine Zeitsynchronisierung mit Abweichungen deutlich unter 1 µs zwischen den Simula tionstargets. Die Kosten solcher Netzwerkkarten liegen dabei etwa auf dem Niveau herkömmlicher Netzwerkadapter. Entsprechende Hardware ist dank ausgereifter Standardisierung von unterschiedlichen Herstellern verfügbar. © Carl Hanser Verlag, München ENTWICKLUNGSWERKZEUGE © Carl Hanser Verlag GmbH & Co.KG, München, www.hanser-automotive.de; Nicht zur Verfügung in Intranet- u.Internet-Angeboten oder elektron. Verteilern Bild 2: Durch die hier gezeigte Projektkonfiguration über drei Netzwerk switches lassen sich einzelne KomponentenHiLs anspre- chen, ohne dafür die Netzwerkverkabelung ändern zu müssen. Erprobte Technik intelligent verbunden (© ETAS) ten. Sobald die Schnittstellen und Be- RTPC auf ein 64-bit-Linux System umrührungspunkte feststehen, können gestellt – um auch an diesem Punkt die sämtliche Komponenten-Projekte ver- Zukunftsfähigkeit des Netzwerk-HiLs Zur Nutzerfreundlichkeit der Multi- eint und dann gemeinsam ausgeführt abzusichern. Die Umstellung trägt der RTPC-Lösung trägt bei, dass alle Kom- werden. Für diese Fusion ist die LAB- steigenden Systemkomplexität und den ponenten-HiLs durch Standard-Netz- CAR-OPERATOR-Software um einen rapide zunehmenden Datenvolumen in werkkommunikation miteinander ver- „Project Merger“ ergänzt. Dieses Tool Steuergerätenetzwerken Rechnung, bunden sind und auch jeweils getrennt erlaubt es, die Teilprojekte mit wenigen die vor allem durch die immer umfasvoneinander betrieben werden können. „Handgriffen“ zum Gesamtprojekt zu sendere Umfeldsensorik und den Trend Dafür bietet der LABCAR-OPERATOR fusionieren und so die Basis für die zum teilautomatisierten Fahren getrieeine Funktion, mit welcher Nutzer ihr Software-Erprobung im Steuergeräte- ben sind. Projekt konfigurieren können. In der verbund des virtuellen GesamtfahrLeistungsfähigkeit und Usability der Konfiguration legen sie jene Simulati- zeugs zu legen. HiL-Systeme werden ständig weiterentonstargets fest, die zum Ausführen des Weil die domänenspezifischen HiLs wickelt und an die Anforderungen der Projekts benötigt werden. Dies ge- im Fahrzeug-HiL per Netzwerkswitch Kunden angepasst. Dies ermöglicht schieht anhand der IP-Adressen. Damit miteinander verbunden sind, können den Entwicklern, ihre vertrauten Werksind „gespiegelte“ Testsysteme ohne Nutzer einzelne Komponenten-HiLs zeuge weiter nutzen und der zunehZusatzaufwand realisierbar. dann weiterhin ohne Änderung der Netz- menden Komplexität künftiger EntwickUm ein komplettes Netzwerk-HiL werkverkabelung ansprechen und für lungsprozesse gelassener entgegenseaufzusetzen, erstellen Nutzer zunächst ihre speziellen Tests und Versuche ver- hen zu können. Denn sie können damit ein Projekt für jedes einzelne HiL. Die wenden. Sie können also jederzeit leicht vernetze Fahrzeugdomänen und SteuZahl der Projekte ist dabei äquivalent zwischen Gesamtübersicht und Detail- ergeräte in allen künftigen Komplexizur Anzahl der Simulationstargets betrachtung hin und her wechseln, um tätsstufen erproben. W (oe) (RTPCs). Diese Aufteilung in Projekte potenzielle Konflikte und Fehler in der »» www.etas.com ermöglicht, dass Teams aus unter- Domänen-Vernetzung zu lokalisieren. schiedlichen Bereichen parallel arbeiten können. So kann beispielsweise ein Ausblick Matthias Brenner ist Powertrain-Entwickler sein HiL-Projekt Lead-Developer bei ETAS in Stuttgart: aufsetzen und gleichzeitig ein Chassis- Ab der neuen Version V6.2.0 hat ETAS Experte mit der Inbetriebnahme star- das HiL-Simulationstarget LABCAR- www.hanser-automotive.de HANSER automotive 1-2 / 2016 51
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