Einladungskarte Fortbildungstag

Einladung zum Fortbildungstag, 3. März 2016
Damit zuweisende
Behörden weise
zuweisen.
Sozialraumorientierung – Zusammenarbeit von Einrichtung und
zuweisender Behörde
Die KJU arbeitet seit einiger Zeit mit dem Fachkonzept Sozialraumorientierung.
Grundhaltungen, Arbeitsweisen und Prozesse werden entsprechend ausgestaltet.
Welche Standards und Handlungskorridore braucht es, damit die Zusammenarbeit
von zuweisenden Stellen, der KJU und den Betroffenen gelingt und Erfolg verspricht?
Programm 3. März 2016:
ab 8:10
Eintreffen, Kaffee
8:30 – 12:00
• Input über SRO in Bezug auf
Schulungsinhalte in der Kinder- und
Jugendsiedlung Utenberg
Referenten:
Wilma Hansen, Heimleiterin in der Stadt
Rosenheim, Trainerin und Coach beim
Institut für Stadtteilentwicklung, Sozialraumorientierte Arbeit und Beratung
(ISSAB) der Universität Duisburg-Essen
Bernhard Demmel, Dipl.-Sozialpädagoge
(FH). Hauptberuflich Organisationsberater,
Trainer und Coach u.a. freiberuflich beim
• Standards der SRO in den Bereichen Institut für Stadtteilentwicklung, Sozial ambulanter und stationärer Jugendraumorientierte Arbeit und Beratung
hilfe.
(ISSAB) der Universität Duisburg-Essen
12:00 –13:00
Stehlunch in der KJU
Kosten:
CHF 100.–, alles inklusive
13:15 – 16:30
• Workshops zu den Themen
Optimierung der Zusammenarbeit
und Prozesse für die Entwicklung
von gemeinsamen Standards
Maximal 35 Teilnehmer/innen von
platzierungsverantwortlichen Stellen
und der KJU. Die definitve Anmeldung
erfolgt bitte via E-Mail an:
[email protected]
• Ausblick
Die beschränkte Anzahl Plätze werden
nach Eingang der Anmeldung bestätigt.
Wir freuen uns auf einen wegweisenden
Tag.
Roger Kaufmann
Sozialraumorientierung
Hintergrund und Definition
In ihrer Entstehungsgeschichte steht
die Sozialraumorientierung in enger
Verbindung mit den theoretischen und
praktischen Hintergründen der Gemeinwesenarbeit. Diese hat ihre Wurzeln
zu Beginn des 19. Jahrhunderts. in der
Settlement-Bewegung in England, die als
Unterstützungsform für die Menschen in
den Elendsvierteln in London entstand.
Die industrielle Revolution und der damit
verbundene Frühkapitalismus führten
damals zu einer tiefen Spaltung der
Gesellschaft. Die Bürger/innen in England schlossen sich zusammen, um den
verschiedenen sozialen Problemen zu
begegnen. Sie forderten Sozialgesetze,
initiierten Nachbarschaftsangebote und
die Bildung von Hilfe zur Selbsthilfe.
Ausgehend von der Settlement-Bewegung, die auch in anderen Ländern
Verbreitung fand, entstanden erste
soziale Einrichtungen für Arbeiter, wie
Wohnheime oder Bildungseinrichtungen.
Gleichermassen gehen die Anfänge von
Forschungen zu Armuts- und anderen
sozialen Fragestellungen auf diese Zeit
zurück und markieren so den eigentlichen Beginn der Sozialwissenschaften.
In den 1930er-Jahren wurde die Gemeinwesenarbeit in den USA zur Aktivierung
von Ressourcen in der Bevölkerung eingesetzt. In den Einwanderungsvierteln
im Osten wurden Hilfestellungen für
neu ankommende Einwanderer angeboten. Neben einer Form von Armutshilfe
ging es auch darum, Hilfe zur Selbsthilfe
zu leisten sowie Formen von Mitbestimmung, Eigenverantwortung und
Engagement für die eigenen Belange
zu fördern. In diesem Kontext können
später auch andere soziale Bewegungen
gesehen werden, die mit diesen Grundideen in Verbindung stehen: die Bürgerrechtsbewegung (vor allem in den USA),
die feministischen Bewegungen und die
Selbsthilfebewegungen.
Diese Ansätze und Erfahrungen mit
eigenen politischen und sozialen Traditionen wurden im deutschen Raum zunächst unhinterfragt übernommen. In
den 1960er- und 1970er-Jahren schien im
Rahmen von sozialen Bewegungen die
Zeit reif für Gemeinwesenarbeit: Minderheiten von Wohnquartieren versuchten
Machtstrukturen zu verändern, andere
wollten über die Aktivierung von Selbsthilfe die Lebensbedingungen verändern
und neue Ressourcen erschliessen.
In den 1970er-Jahren hat die Theorie und
Praxis der Gemeinwesenarbeit grundlegende Anliegen an die soziale Arbeit gestellt, die bis heute von Bedeutung sind:
• Soziale Probleme sollen auch raumbezogen verstanden werden und können
durch Aktivität der Betroffenen eine
Veränderung ihrer Lebensverhältnisse
bewirken.
• Die konsequente Ausrichtung auf die
Interessen der betroffenen Bewohner/
innen ist unerlässlich. Mit methodischen
Verfahren muss ergründet werden, welches die wirklichen Interessen in den
Wohngebieten sind und wie sie mit eigenen Aktivitäten realisiert werden können.
Die Sozialraumorientierung (SRO) hat
diese beiden zentralen Aspekte aufgenommen und eine neue Ausrichtung
Sozialer Arbeit geschaffen, welche
Lebenswelten gestalten und Verhältnisse
schaffen will, um Menschen den besseren
Umgang mit schwierigen Lebenssituationen zu ermöglichen. Das diagnostische
Expertenhandeln in der Sozialen Arbeit,
das sich stark am medizinischen Modell
orientierte, wurde in den 1970er-Jahren
im deutschen Sprachraum abgelöst
durch die Konzepte der Humanistischen
Psychologie (Carl Rogers), die den «Behandelten», seine Ressourcen und seinen
Willen in den Vordergrund stellten.
Gleichzeitig ist die Sozialraumorientierung stark verbunden – und gleichzeitig
nicht zu verwechseln – mit dem von
H. Thiersch geprägten Konzept der
Lebensweltorientierung. Dieses schliesst
sich der Kritik an der verfügenden
Institutionslogik, der Fremdbestimmung
sowie der Therapeutisierung und der
Spezialisierung an. Sie will demgegenüber erreichen, dass präventive, ambulante und niederschwellige Angebote
zur Verfügung stehen. Moderne Soziale
Arbeit nach Thiersch versucht, Hilfen zur
Lebensbewältigung zu geben. Im Kern
geht es schon bei Thiersch auch um eine
Haltung, ja, ein Denken, das sich an den
Stärken des Menschen orientiert, das an
vernetzten Strukturen und an ganzheitlichen Lösungen interessiert ist: Unterstützung statt verordnete Hilfe.
Die Sozialraumorientierung versteht sich
weniger als eine neue Theorie denn als
eine Weiterentwicklung von Ideen der
Gemeinwesenarbeit, Lebensweltorientierung und Humanistischer Psychologie.
Eine neue Perspektive wird zum Fachkonzept. Dabei will das Konzept SRO
nicht den Menschen verändern, sondern
Situationen gestalten, und dies möglichst
unter aktiver Beteiligung der betroffenen
Menschen.
Ihrem Begründer Wolfgang Hinte folgend, verpflichtet sich die SRO zu fünf
Prinzipien:
1. Orientierung am Willen des
Menschen
Ausgangspunkt für das Feststellen eines
Bedarfs und somit jeder Hilfestellung
ist der Wille der Betroffenen, an der
Realisierung der für sie bedeutsamen
Veränderungen zu arbeiten.
2. Unterstützung von Eigeninitiative
und Selbsthilfe
Sozialstaatliche Leistungen und Angebote müssen immer so wenig Ressourcen
wie möglich anbieten, und so viel wie
nötig. Wer aus eigenen Kräften etwas
tut, wird mehr Selbstwertgefühl entwickeln als derjenige, der nur empfängt.
3. Konzentration auf die Ressourcen
Hilfen sollen in der Regel in der Lebenswelt der Betroffenen stattfinden, unter
Nutzung der Familie und auch der Umgebung. Damit sind die Ressourcen der
beteiligten Menschen und die des Sozialraumes angesprochen.
4. Zielgruppen- und bereichsübergreifende Sichtweise
Das sozialräumliche Konzept ist gekennzeichnet durch eine Sichtweise,
die übergreifend den Kontext eines
Wohngebietes, der dort lebenden
Menschen und auch der Möglichkeiten
ausserhalb des eigenen Bereiches in
gestaltende und unterstützende
Arbeit einbezieht.
5. Kooperation und Koordination
Das Modell SRO lebt von der Bereitschaft, mit allen Akteuren zu kooperieren. Planerische und unterstützende
Massnahmen sollen mit der systematischen Mobilisierung der Betroffenen
verbunden werden. Vernetzung soll in
eine Form von Integration und Abstimmung professioneller Ressourcen
münden.
Seit Anfang der 1990er-Jahre wurde
Sozialraumorientierung in Deutschland
zum bestimmenden Fachdiskurs und
führte zu Umbauprozessen vorerst vor
allem in der Jugend- und Erziehungshilfe in Gemeinden und Städten (wie
Stuttgart, Rosenheim, Frankfurt oder
Berlin, später auch in Zürich, Bern u. a.).
Inzwischen hat das Fachkonzept Ausstrahlung in andere Felder der Sozialen
Arbeit gefunden, wird aber als Begriff
immer noch unterschiedlich verwendet.
Als grundlegendes Konzept verstanden, kann der Sozialraumbegriff nicht
auf den physischen Raum reduziert
werden, denn dieser ist auch Ausdruck
davon, was sich im sozialen Raum
strukturiert hat. Ein Ansatz, der den
sozialen und den physischen Raum gestalten will, muss darum auf eine Erweiterung von Handlungsmöglichkeiten
zielen. Der Raum wirkt auf die Handlungsmöglichkeiten und umgekehrt.
Roger Kaufmann
Kontakt
Kinder- und Jugendsiedlung Utenberg
Utenbergstrasse 7
6006 Luzern
041 429 60 60
www.utenberg.stadtluzern.ch