EDITORIAL Wer war eigentlich … – Herr Thiersch? Carl Thiersch (1822–1895) Carl Thiersch wurde 1822 in Mün- 1849 habilitierte Thiersch sich mit vom sichtbaren kanzerösen Infiltrat einer Arbeit über Wundeiterung. vor. Er führte zudem als einer der Für den pathologisch-anatomischen ersten die Antisepsis nach Joseph Unterricht führte er das Mikroskop Lister in Deutschland ein. Im Gegen- ein. 1850 nahm er mit seinem Leh- satz zu Jacques Louis Reverdin, der rer Stromeyer am Schleswig-Hol- dicke Hautstücke auf granulierende steinischen Krieg teil, um kriegschir- Flächen aufbrachte, erzielte Thiersch urgische Erfahrungen zu sammeln. 1886 mit sehr dünnen Hauttrans- Nach der Rückkehr nach München plantaten, später als Thiersch-Lap- wurde Thiersch 1853 zum a.o. Pro- pen bezeichnet, grosse Behand- fessor ernannt. Bereits 1854 nahm lungserfolge. er danach einen Ruf als ordentlicher Thiersch war bekannt für seinen Professor für Chirurgie und Augen- manchmal sarkastischen Humor. heilkunde an die Universität Erlan- Erzählt wird etwa die Geschichte, als gen an, wo er sich dem Hautkrebs König Albert von Sachsen ihm bei und der Wundheilung widmete. einer Operation zuschauen durfte. 1858 heiratete Carl Thiersch Jo- Mit dem Amputationsmesser in der hanna Liebig, eine Tochter des be- Hand soll er auf den König zugegan- kannten Chemikers Justus Liebig. gen sein und ihn gefragt haben, wel- Aus der Ehe gingen vier Töchter und ches Bein er zu amputieren befehle. zwei Söhne hervor. Was der König geantwortet hat, ist 1867 wurde Thiersch auf den Lehr- leider nicht bekannt. Es war jeden- chen als Sohn des Philologen Fried- stuhl der Chirurgie der Universität falls ohnehin eine beidseitige Ampu- rich Thiersch und dessen Frau Ama- Leipzig berufen. Im Deutsch-Fran- tation vorgesehen. lie geboren. Nach dem Abschluss zösischen Krieg diente er als kon- Carl Thiersch starb 1895 in Leipzig. am (heutigen) Wilhelmsgymnasium sultierender Generalarzt des XII. Ar- München 1838 und einem zweijäh- mee-Korps. 1871 gründete er mit rigen vorbereitenden Kurs nahm Carl Reinhold August Wunderlich Thiersch in München das Studium das Klinikum St. Georg in Leipzig. der Medizin auf. 1843 promovierte er Thiersch war einer der bedeutends- mit einer arzneiwissenschaftlichen ten Chirurgen des 19. Jahrhunderts Arbeit. Anschliessend begab er sich in Deutschland. Seine Arbeiten über zur weiteren Ausbildung nach Berlin Hautkrebs wiesen entgegen der und nach Wien, wo er die Klinik von Auffassung von Rudolf Virchow nach, Josef von Škoda besuchte. 1844 bis dass die bösartige Erkrankung aus 1846 absolvierte Thiersch seine As- Haut-, Schleimhaut- und Drüsen- sistentenzeit am allgemeinen städ- epithel entstehen kann; er schlug tischen Krankenhaus in München deshalb die Exzision der Krebsge- und wurde 1845 als Arzt approbiert. schwüre mit deutlichem Abstand ARS MEDICI DOSSIER XII ■ 2016 Richard Altorfer 3
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