KUNDENSERVICE 0 8 0 0 / 9 3 5 8 5 3 7 DONNERSTAG, 10. DEZEMBER 2015 D 2,30 E URO B Zschäpe gibt NSU-Freunden die Schuld Nr. 288 ** KOMMENTAR Die zu perfekte Aussage „Ich hatte mit den Morden nichts zu tun“ STEFAN AUST Im Münchner NSU-Prozess hat die Hauptangeklagte Beate Zschäpe eine Mitwirkung an der Mordserie der rechtsextremistischen Gruppe bestritten. „Ich war weder an den Vorbereitungshandlungen noch an der Tatausführung beteiligt“, ließ Zschäpe ihren Verteidiger erklären. Ihre Freunde Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos hätten die Taten begangen und sie jeweils danach informiert. „Ich hatte mit den Morden nichts zu tun.“ Ein Vertreter der Nebenkläger, Mehmet Daimagüler, bezeichnete Zschäpes Aussage als „hohles Entschuldigungsgerede“. Die Tochter eines NSU-Opfers, Gamze Kubasik, sprach von einer „sinnlosen Erklärung“. Zschäpe ließ ihren Anwalt Mathias Grasel vortragen, dass sie nicht die Kraft gehabt habe, gegen den Willen ihrer Freunde zur Polizei zu gehen. „Ich fühle mich moralisch schuldig, dass ich zehn Morde und zwei Bombenanschläge nicht verhindern konnte“, erklärte die Angeklagte. Mit dieser Erklärung brach die 40-Jährige nach mehr als zweieinhalb Jahren Prozessdauer erst am 249. Verhandlungstag ihr langes Schweigen. Zschäpe und vier mutmaßliche Helfer der Gruppe sind angeklagt, für die Ermordung von neun Männern griechischer und türkischer Abstammung und einer Polizistin sowie für zwei Anschläge und 15 Raubüberfälle mitverantwortlich zu sein. Mundlos und Böhnhardt nahmen sich bei ihrer Enttarnung 2011 das Leben. Das im Mai 2013 eröffnete Gerichtsverfahren wurde bisher überwiegend als Indizienprozess geführt. Umfassend hatte sich zuvor nur ein als Helfer Angeklagter mit einem Geständnis geäußert. S Siehe Kommentar und Seite 4 Zippert zappt D er Tierschutzbund warnt wie in jedem Jahr dringend davor, an Weihnachten Tiere zu verschenken. Man muss nämlich bereit sein, die Verantwortung für das Tier zu tragen, solange es lebt. Der Anschaffung eines Tieres sollte eine gründliche Vorbereitung vorausgehen, und auch die Urlaubsbetreuung muss vorab geklärt werden. Tiere, die lange leben, sind als Weihnachtsgeschenke ungeeignet. Schildkröten, Papageien oder Krokodile können ein sehr hohes Alter erreichen und am Ende sogar ihre Besitzer überleben. Es sollte schon zu Weihnachten geregelt werden, wer das Krokodil erben und pflegen muss. Dem Tier ist es jedenfalls nicht zuzumuten, die Pflege eines hinfälligen Besitzers zu übernehmen, und Krokodile gelten außerdem als wenig einfühlsam. Wenn es denn unbedingt ein Tier sein muss, dann sollte es nach Möglichkeit nicht mehr leben. An einer gebratenen Gans kann sich die ganze Familie erfreuen. Ein Marzipanschwein ist noch günstiger in der Anschaffung und kann noch am Heiligen Abend rückstandsfrei entsorgt werden. Wir twittern Diskutieren live aus dem Sie mit uns Newsroom: auf Facebook: twitter.com/welt facebook.com/welt Portrait Of Tatiana Lisovskaia As The Duquesa De Alba II, 2014, Öl, Fassadenfarbe und Kunstharz auf Leinwand, 335 x 244 cm Die Welt des Julian Schnabel Eine Zeitung als Sammlerstück: Julian Schnabel testet für uns die Möglichkeiten der Malerei I rgendwann hingen sie dann alle vor uns, die Seiten dieser Zeitung, gestaltet von Julian Schnabel. Der Künstler musterte sie ein letztes Mal. „Die armen Leser“, sagte er kopfschüttelnd, „sie müssen denken, ein komplett Verrückter habe ihre Zeitung übernommen. Es sind so unterschiedliche Bilder. Und doch sind sie alle von mir.“ Und tatsächlich: Julian Schnabel lässt in seiner „Welt“ altmeisterliche Porträts auf abstrakte Bilder treffen, die Rosen, die er am Grab van Goghs sah, auf Pin-upSchönheiten, die gerade einen Segelschein zu machen scheinen. Er malt auf Scherben, Abdeckplanen, Teppichen und vergrößerten Fotografien, mit Fassadenfarbe und Spraydosen genauso wie mit klassischem Öl. Und doch sehen wir, wenn wir durch seine Zeitung blättern, unverkennbar Bilder von Julian Schnabel: Es ist, als würden seine amorphen weißen Flächen und bunten Linien über die Seiten tanzen und all die unterschiedlichen Bilder in einem Reigen vereinen. Wir sind stolz, dass nach Georg Baselitz, Ellsworth Kelly, Gerhard Richter, Neo Rauch und Cindy Sherman mit Julian Schnabel erneut einer der wichtigsten Künstler der Gegenwart eine Ausgabe der „Welt“ gestaltet. Ein Mann, der sich nie mit einem Medium zufriedengab; der sich nach gigantischen Erfolgen auf dem Kunstmarkt der 80er-Jahre als Filmemacher neu erfand und den Regiepreis in Cannes erhielt, der Palazzi baute und Hotels ausstattete und der doch über sich selbst sagt, vor allem Maler zu sein. Ein Maler, der seit mehr als 40 Jahren wie kaum ein anderer den Malereibegriff erweiCORNELIUS TITTEL tert hat – und, wie diese Zeitung beweist, es immer noch tut. „Die Welt“ digital Lesen Sie „Die Welt“ digital auf allen Kanälen – mit der „Welt“-App auf dem Smartphone oder Tablet. Attraktive Angebote finden Sie auf welt.de/digital oder auch mit den neuesten Tablets auf welt.de/bundle DIE WELT, Axel-Springer-Straße 65, 10888 Berlin, Redaktion: Brieffach 2410 Täglich weltweit in über 130 Ländern verbreitet. Pflichtblatt an allen deutschen Wertpapierbörsen. Tel. 030/25910, Fax 030/259171606, E-Mail: [email protected]; Anzeigen: 030/585890, Fax 030/585891, E-Mail [email protected], Kundenservice: DIE WELT, Brieffach 2440, 10867 Berlin, Tel. 0800/9 35 85 37, Fax 0800/9 35 87 37, E-Mail [email protected] A 3,20 & / B 3,20 & / CH 5,00 CHF / CZ 95 CZK / CY 3,40 & / DK 25 DKR / E 3,20 & / I.C. 3,20 & / F 3,20 & / GB 3,00 GBP / GR 3,40 & / I 3,20 & / IRL 3,20 & / L 3,20 & / MLT 3,20 & / NL 3,20 & / P 3,20 & (Cont.) / PL 15 PLN / SK 3,20 € 288-50 ZKZ 7109 [email protected] + © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung ISSN 0173-8437 eit Wochen gab es Gerüchte, Mutmaßungen, Theorien. Die These der Verteidiger, dass allein Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos für die Morde an acht türkischen und einem griechischen Gewerbetreibenden und einer deutschen Polizistin verantwortlich seien und ihnen Beate Zschäpe dabei Hilfsdienste geleistet hat, erhielt nun den eingeschränkten Segen der Hauptangeklagten. Ob sie das vor einer Verurteilung wegen gemeinschaftlichen Mordes in zehn Fällen bewahrt, wird sich zeigen. Zufrieden dürften Bundesanwaltschaft und auch die in den Fall involvierten Behörden und ihre VMänner sein: zwei Alleintäter, den „Nationalsozialistischen Untergrund“ gibt es nicht. Es waren nur die beiden Uwes – und ihrer Freundin Beate hat es jedes Mal das Herz gebrochen, wenn sie wieder einmal einen Mord begangen hatten, weil sowieso alles „verkackt“ sei, die arme Beate aber ihre Familie nicht aufs Spiel setzen wollte. Das ist der zynische Kern dieses Schuldbekenntnisses. Immer entsetzt, aber niemals so weit, aus dieser mörderischen Familie auszusteigen. Vielleicht haben Beate Zschäpes frühere Verteidiger, die nur noch als juristische Dekoration im Gerichtssaal saßen, recht gehabt, als sie ihrer Mandantin zum Schweigen rieten. Vielleicht erahnten sie, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt: entweder nichts sagen – oder die Wahrheit; und zwar die ganze Wahrheit. Jetzt will Beate Zschäpe nur Fragen, am besten schriftliche Fragen, des Gerichtes zulassen, die dann von ihren Anwälten nach sorgfältiger Abwägung der Risiken wiederum schriftlich niedergelegt und anschließend im Gerichtssaal vorgetragen werden. So findet Wahrheitsfindung im Stil eines abgekarteten Spiels statt, nur keine Risiken eingehen, niemanden sonst belasten: case closed, Fall abgeschlossen. Was ihre konkrete Beteiligung an den Taten anbetrifft, stimmt Zschäpes Aussage mit den Ermittlungsergebnissen überein. Ihre Fingerabdrücke sind lediglich auf Zeitungsausschnitten über die Mordserie gefunden worden – damit mussten ihre Anwälte zumindest einräumen, dass sie darüber informiert war. Aber natürlich hinterher und mit Abscheu und Empörung. Von den Vorbereitungen, für die Stadtpläne genutzt wurden, über die es jede Menge Aufzeichnungen gibt, will sie niemals etwas erfahren haben. Sie schildert, dass die Taten der beiden sie fassungslos gemacht hätten, sie nach einem Mord sogar handgreiflich geworden sei – andererseits beschreibt sie die beiden als „hilfsbereit“ und „tierlieb“. Ihre Einstellung zu den beiden änderte sich nie. Obwohl die beiden Uwes nach ihrer Schilderung psychopathisch gehandelt hätten, gab es bei ihr keinerlei Ängste vor ihnen. Warum hatten die beiden keine Zweifel, dass die angeblich so schockierte und instabile Kameradin Zschäpe sie verrät? Sie lieferte keine Details zu den Tatzeiten der Morde und Banküberfälle, zu den langen Abwesenheiten der beiden – und schon gar nichts über das gemeinsame Umfeld, mögliche Helfer, Unterstützer. All das wäre für die Aufklärung der beispiellosen Mordserie nötig – und nicht nur für die zügige Beendigung des unangenehmen Mordprozesses, bei dem ja nicht nur die Angeklagte Zschäpe und ihre Mitangeklagten als Helfershelfer des NSU angeklagt sind, sondern auch Teile eines Sicherheitsapparats dieser Republik, die erst einmal gründlich versagt und anschließend alles getan haben, um den Fall zu vernebeln. So, wie Beate Zschäpe durch ihre allzu perfekte Aussage. DIE WELT BERLIN-2015-12-10-swonl-86 d288f8b47ceb23a3fda6c90365ec409d
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