Westfalen-Blatt Nr. 86 Fe13 LOKALES Dienstag, 14. April 2015 Eine Übungsklasse von Mädchen, die an der Schule in den 30er Jahren die kaufmännischen Grundlagen lernten. Zur 75-Jahr-Feier präsentiert sich das Kollegium der Friedrich-List-Schule vor dem damaligen Hauptsitz (vormals Ravensberger Gymnasium, heute VHS-Gebäude). Damals unterrichteten etwa 45 Lehrerinnen und Lehrer an der Schule, heute sind es 105. Fotos (3): Festschrift 75 Jahre Erster Schulträger war ein kaufmännischer Verein Bürowirtschaftliche Simulationsübungen, die auf den Beruf vorbereiten: Hier üben sich die angehenden Kaufleute im »Einkauf«. Friedrich-List-Berufskolleg wird 125 Jahre alt – bis 1913 reine Jungenschule ginn und in den Paukraft mit Handelslehsen strenge Selbstrer-Diplom einer zucht üben.« H e r f o r d (HK). Auf eine Universität. Erst mit dem BeDer erste hauptlange Schulgeschichte blickt zug des jetzigen Geamtliche Schulleiter das Friedrich-List-Berufskolleg war bäudes im Jahr 1976 Diplom-Hanzurück. Vor 125 Jahren begann delslehrer Werner an der Hermannstraße endete für alle das der Unterricht an der Handels- Flörke (1929 – 1936). Nomadenleben. Die lehranstalt des »Kaufmänni- In seine Zeit und die Schule hatte damals Nachfolgers seines schen Vereins«. Am 14. April Walter etwa 1500 Schüler. Klawitter 1890 startete der Schulbetrieb (1937 – 1962) als Wegen des weiteren Anstiegs der Schülerfür die damaligen Lehrlinge der Schulleiter fiel die zahlen mussten jesukzessive Ächtung Herforder Kaufmannschaft. doch später wieder der jüdischen Schüandere Standorte anler. »Es ist unseren werden. deutschen Jungen Leiter von 1902 – 1924: gemietet Die Gründungs-Initiative geht Heute besuchen etwa und Mädchen … Prof. Diedrich Murken. zurück auf den Oberlehrer Carl 1850 Schüler die nicht zuzumuten, Bürcke, der neben seiner LehrtäEinrichtung. daß sie sich mit Jutigkeit an der LandwirtschaftsSeit seiner Gründen auf eine Bank und Realschule die Leitung nebendung hat das heutige setzen«, schreibt beruflich ausübte. Der schulgeldFriedrich List-BeKlawitter an den pflichtige Unterricht fand für die rufskolleg eine wechOberbürgermeister zunächst zwei bestehenden Klaskurz nach seiner Ersen mit insgesamt 69 Schülern an selhafte Geschichte. Bis 1913 war es eine nennung. Die daraufdrei Abenden in der Feldmärker reine Jungenschule. hin eingerichtete Schule in der Friedhofsstraße/EMehr und mehr Sonderklasse für jücke Wall statt. Kurze Zeit darauf Mädchen, die zum dische Lehrlinge wurde bis 1904 zusätzlich am Beispiel eine Lehre wurde kurz vor dem Sonntag vor dem Gottesdienst als Verkäuferin abPogrom im Novemunterrichtet. Bis 1893 hatten besolvierten, besuchten ber 1938 aufgelöst. reits 177 Schüler, bis zur Jahrhunin den folgenden Über das weitere dertwende 528, die Lehranstalt Jahren die LehranSchicksal der Jungen durchlaufen. stalt. Im Jahr 1929 ist bis heute wenig Der Stundenplan bestand aus bekannt. den Fächern Französisch, EngCarl Bürcke leitete die waren sie sogar zahVon Anfang an gab Schule von 1890 – 1902. lenmäßig überlegen, lisch, Deutsch, Rechnen, Schreiwas sicher auf die es bereits räumliche ben, Buchführung und StenograEinführung der allgemeinen BeProbleme, so dass die Schüler und phie. Nachdem im August 1902 rufsschulpflicht bis zur VollenLehrer zeitweise zwischen vier der bei seinen Schülern sehr dung des 18. Lebensjahres zuSchulgebäuden pendeln mussten. beliebte erste Schulleiter starb, rückzuführen ist. An seinem Hauptstandort an der übernahm Prof. Diedrich Murken Die anfängliche Trägerschaft Münsterkirche (heute Volkshochbis 1924 die Leitung der Schule. der Lehranstalt durch einen Kaufschule) in den Jahren von 1961 bis Lehrkräfte und Leiter arbeiteten männischen Verein blieb nur bis 1976 gab es wie zuvor für die alle nebenamtlich an der Schule. 1915 bestehen. Zuerst kam sie in Schüler des Ravensberger GymnaErst nach dem Zweiten Weltkrieg änderte sich das Verhältnis private Hand, dann erfolgte 1920 siums keinen Schulhof. So heißt es die Umwandlung in eine öffentlidaher in der Benutzungsordnung zugunsten der hauptamtlich unche »Städtische Handelslehranfür das Gebäude: »Zur Verhütung terrichtenden Lehrer. Der erste stalt« und die Einführung der der damit zusammenhängenden fest angestellte Lehrer kam 1921, zweijährigen Handelsschule, die Gefahren müssen die Schülerinein Jahr später die erste Frau. Sie jedoch nur vier Jahre Bestand nen und Schüler beim Schulbewar zugleich auch die erste Lehrhatte. In diese Zeit fällt auch die Umbenennung in »Kaufmännische Berufsschule«. Unterrichtet werden Schüler mit mittlerer Reife, Lehrlinge aus dem bürokaufmännischen Bereich oder Handel. Bis zur Übernahme der Schule 1969 durch den Kreis Herford als neuer Schulträger erweiterte sie über Jahrzehnte ihr Angebot an Bildungsgängen und berufsbezogener schulischer Ausbildung: Handelsschule, Höhere Handelsschule und Einrichtung eines gymnasialen Zweiges, Fachklassen für das Bankwesen, Drogisten, Zahnarzthelferinnen sowie für wirtschafts- und steuerfachberatende Berufe. Im Jahr 1963 wird die Schule als »beruflich voll ausgebildete Aus dem Jahr 1935 stammt diese Aufnahme. Der erste hauptamtliche Schule« anerkannt und nennt sich Schulleiter Werner Flörke (sitztend, erster von rechts) unterwarf die seitdem nach dem deutschen Schule den nationalsozialistischen Zielen. Fotos (4): Kommunalarchiv Von Jana B u d e k Volkswirt Friedrich List, dessen Namen oftmals mit dem Komponisten Friedrich Liszt verwechselt wird. Gelegentlich trafen daher Briefe mit der Anschrift FranzLiszt-Schule ein. Nach den weiteren Schulleitern Fritz Landré (1963 – 1970), Ortwin Schäfer (1971 – 1987) und Hans Schulze (1989 – 1992) wird das Berufskolleg seit 22 Jahren von Ute Krumsiek-Flottmann geleitet. Aus der Schülerschaft sind bekannte Frauen und Männer hervorgegangen: Unternehmer Friedrich-Wilhelm Brinkmann, Ingrid Hartmann und Wolfgang Brinkmann als Sportler, die zu olympischem Ruhm gelangten, oder auch die Bundestagsabgeordneten Günter Biermann (SPD) und Reinhard Göhner (CDU). Seit dem Jahr 1998 nennt sich die Schule Friedrich-List-Berufskolleg (FLB). Die angebotenen Bildungsgänge erreichten nun ein Vielfaches derer der ersten Stunde und der folgenden Jahrzehnte: Berufsgrundschule, Fachschule für Wirtschaft, Berufsklassen für Logistik und vieles andere. Die Etablierung des Fremdsprachenzweigs im Jahr 1980 hätte den Gründer Carl Bürcke sicher gefreut. So bezweifelte er nämlich schon im Jahr 1890, dass das normale Schulfranzösisch ausreiche, den Satz »der übliche Zinsfuss ist 5 Prozent« selbst mit Hilfe eines Wörterbuchs zu übersetzen. Jana Budek arbeitet als Gästeführerin in Herford. @ www.janabudek.de In einem anderen Teil des Raumes wird der »Verkauf« geübt. Beide Fotos stammen aus den 30er Jahren. Der heutige Standort an der Hermannstraße: Etwa 1850 Schüler besuchen das Friedrich-List-Berufskolleg. Foto: Horstmann Die erste Station: In der Feldmärker Schule (vorne rechts) an der Ecke Friedhofsstraße/Wall begann 1890 in den oberen Räumen der Unterricht. Heute ist dort ein Parkplatz. Foto: Festschrift 100 Jahre
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