Heft 10

Lesesaal
Inhalt || BuB
BuB
Foyer
Politik
Bibliotheken nicht ausreichend berücksichtigt / Stellungnahme des dbv-Landesverbands Schleswig-Holstein zum Konzept
»Kulturperspektiven für SchleswigHolstein« _________________________ 660
Bau
Philologicum als attraktiver und
moderner Lernort / Nach Architektenwettbewerb können Planungen für neue
Fachbibliothek der Universitätsbibliothek
München beginnen (André SchüllerZwierlein) _________________________ 661
Öffentliche Bibliothek
Beziehungspflege mit ruhiger Hand
und langem Atem / Erstes Arbeitstreffen
der Bibliotheks-Freundeskreise in NRW
(Ronald Schneider)__________________ 663
73 neue Bündnisse für die lokale Leseförderung / Nachhaltige Vernetzung –
Weitere Ausschreibungstermine _______ 664
Von Auswanderung, Friedhofsregistern,
Kirchenbüchern und anderen Quellen /
Ahnenforschung im Informationszentrum der Stadt- und Regionalbibliothek Gera (Lilia Uslowa) ____________ 666
Wenn die Bibliothek ins Klassenzimmer
kommt / Das Angebot »BibliothekMobil«
der Stadtbibliothek Berlin-Mitte stößt
auf großes Interesse (Sarah Wildeisen) __ 667
Eine Jubilarin feiert doppelt / Stadtbücherei Suhl wird 110 Jahre alt –
»Suhler Lesewürfel« gibt es seit 10 Jahren
(Christina Kummer-Bolz) _____________ 668
Lernen macht Spaß und bereichert das
Leben / Buntes Programm beim ersten
Bayreuther Lernfest – Viele Kooperationspartner (Claudia Dostler) _____________ 669
Fahrbücherei
Mit großer Unterstützung aus der
Sparliste gefahren / Flensburg hat einen
neuen Bücherbus – 80 000 Euro spenden
eingeworben (Petra Herzig) __________ 670
Karriere
Abschied von einem »Local Hero« /
Ende Oktober geht Ulrich Moeske als
Direktor der Stadt- und Landesbibliothek
Dortmund in den Ruhestand
(Jan-Pieter Barbian) _________________ 672
Ausbildung
Bau
Mehr als 1 600 FaMI-Auszubildende
im Öffentlichen Dienst / Jahrestagung
der Zuständigen Stellen für den Ausbildungsberuf in Hamburg – Teilweise
bereits Mangel an Nachwuchskräften
(Karin Holste-Flinspach) _____________ 675
Mit doppelter Fläche an prominentem
Standort / Die Stadtbücherei Kornwestheim ist Teil des neuen Kultur- und
Kongresszentrums – Besuchermagnet in
der Stadtmitte (Sabine Stemmler) ______ 704
Nachrichten _______________________ 677
Auszeichnung für Gemeindebibliothek Grünwald _____________________ 678
Termine ___________________________ 679
Ausschreibung: Call for Papers zum
Innovationsforum 2015______________ 679
Symposium: HdM weiht neues
Gebäude mit Fachsymposium ein ______ 680
4. DGI-Praxistage: Compliance in
der Unternehmenspraxis _____________ 681
Markt ____________________________ 683
Gutes Umsatzergebnis und viele
neue Ideen / ekz-Gruppe gestaltet
gemeinsam mit ihren Kunden die
Bibliotheksrollen der Zukunft _________ 684
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Praxis
Von der »Learning Library« zum
nutzerzentrierten Lernen / Ein Praxisbericht aus der Bibliothek für Sozialwissenschaften und Osteuropastudien
der Freien Universität Berlin
(Gabriele Leschke) __________________ 710
Grenzüberschreitendes Lernen /
Das europäische Partnerprojekt
»Crosswise Learning« – Stadt- und
Regionalbibliothek Erfurt profitiert
(Julia Borries) ______________________ 713
Deakquisition des Sachbuchbereichs
mithilfe der Portfolio-Analyse /
Praktische Tipps aus der Stadtbücherei
Traunstein für die Handhabung eines
komplexen Instruments (Tanja Fecht)___ 717
Lesesaal
SCHWERPUNKT:
Social Reading
Gemeinsames Leseglück statt einsamer Lektüre / Social Reading bietet
interessante Ansatzpunkte für Bibliotheken – Hemmschwelle für Auseinandersetzung mit Literatur sinkt
(Bernd Schmid-Ruhe) _______________ 685
Mit Senioren oder für den Deutschunterricht / Social Reading birgt Potenzial für die Bibliotheksarbeit – Überlegungen aus einem studentischen
Seminar (Tom Becker) _______________ 689
Sind Wissenschaftler überhaupt sozial? /
Ein kritischer Blick auf die Wissenschaftskommunikation im digitalen Zeitalter:
Impact Factor statt sozialer Technologien
(Björn Brembs) _____________________ 694
Magazin
Fachliteratur
Jürgen Babendreier: Nationalsozialismus
und bibliothekarische Erinnerungskultur
(Peter Vodosek) ____________________ 720
Sanford Berman: Not in My Library!:
»Berman’s Bag«; Columns from The
Unabashed Librarian, 2000 – 2013
(Oliver Dienelt)_____________________ 722
Neue Fachliteratur __________________ 721
Aus dem
Berufsverband
Große Vorteile – aber noch größere
Vorbehalte / Social Reading als Plattform
des wissenschaftlichen Austauschs (Hanna
Weber) ___________________________ 697
Aus den Landesgruppen: Open Access und
Urheberrecht (Saarland) –Service: Mitgliedernachrichten – VorgeMERKT _______ 723
Frankfurter Buchmesse
Editorial __________________________ 660
Lyrik rechnet sich nicht – bietet aber
Lebensqualität / Gedichte als Herausforderung für Öffentliche Bibliotheken
(Dirk Wissen) ______________________ 698
Impressum ________________________ 716
Tagung
Chansons, Champagner und neue
Chancen für Bibliotheken / Zu Gast
beim französischen Bibliothekskongress
in Paris – 100 Vorträge und 800 Besucher
(Christelle Lazarevic, Petra Staab) ______ 674
»Kulturdurchbruch« in Siegburg spricht
alle Sinne an / Stadtbibliothek und Stadtmuseum fusionieren zum Kulturhaus –
Erfolgreiche Wochenendöffnung
(Christiane Bonse) __________________ 706
Summary · Résumé _________________ 725
Stellenmarkt _______________________ 727
659
659
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BuB | Foyer
Politik
Politik
Editorial
Lesen bringt Lebensqualität
Lesen ist die Schlüsselkompetenz und Voraussetzung für beruflichen Erfolg und gesellschaftliche Teilhabe. Dies belegt der
aktuelle internationale Bildungsbericht der Organisation für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) einmal mehr auf eindrucksvolle Weise: Er identifiziert Lesekompetenz nicht zuletzt als entscheidenden Faktor für Beschäftigung
und Einkommen. Die konkreten Ergebnisse der Studie zeigen,
dass das Risiko der Arbeitslosigkeit mit einem Mangel an Lesekompetenz steigt – selbst bei vergleichbarem Bildungsniveau.
Dasselbe gilt für das Einkommen: Im Durchschnitt verdient ein
Erwachsener mit Hochschulabschluss und ausgeprägter Lesekompetenz rund 45 Prozent mehr als ein Erwachsener mit ähnlichem Bildungsstand, aber nur schwacher Lesekompetenz.
Mangelnde Lesekompetenz hat freilich schon vor dem Erwerbsleben gravierende Auswirkungen. Für Kinder und Jugendliche wird der Zugang zu Bildung und damit auch zu Ausbildungsplätzen massiv erschwert. Hinzu kommt: Die Wahrscheinlichkeit einer hohen Qualifikation hängt in Deutschland nach wie
vor stark vom familiären Hintergrund ab. Niedrigschwellige und
breitenwirksame Leseförderungsangebote sind deshalb wichtiger denn je. Sie bieten Kindern eine Basis für Chancengleichheit
und eröffnen Zugänge zu Lesen und Bildung.
Im Bereich Leseförderung sind Bibliotheken die zentralen Einrichtungen in Deutschland. Sie arbeiten professionell, flächendeckend und mit anerkannten Kooperationspartnern wie der Stiftung Lesen. Das Angebot ihrer Lesefördermaßnahmen ist bunt
und phantasievoll und passt sich immer wieder an Veränderungen an. Ein Beispiel ist auf Seite 667 zu finden. Dort besucht die
Stadtbibliothek Berlin-Mitte mit ihrem Programm »BibliothekMobil« Berliner Schulklassen und gestaltet den Unterricht mit.
Ganz neue Möglichkeiten der Leseförderung für alle Altersstufen bietet das sogenannte Social Reading, der Online-Austausch über Bücher, dem BuB den Schwerpunkt der aktuellen
Ausgabe widmet. Die Autoren, die sich intensiv mit diesem
Thema auseinandergesetzt haben, kommen zum eindeutigen
Schluss: »Social Reading birgt Potenzial für Bibliotheken«.
Inwiefern, das erläutern sie ab Seite 685.
Und noch ein BuB-Beitrag beschäftigt sich mit dem Thema
Lesen: Gedichte als Herausforderung für Öffentliche Bibliotheken auf Seite 698. Gehört Lyrik in die Bibliothek, auch wenn sie
kaum ausgeliehen wird? Autor Dirk Wissen wägt die Vor- und
Nachteile sorgfältig ab und kommt zum Ergebnis: »Lyrik
rechnet sich nicht – bietet aber Lebensqualität«.
Wer nach der BuB-Lektüre noch mehr Lust auf das Thema
Lesen hat, sollte sich zur Frankfurter Buchmesse aufmachen,
die vom 8. bis 12. Oktober stattfindet und auch in diesem Jahr
zeigen wird: Das gedruckte Buch steht beim Lesen längst nicht
mehr im Vordergrund, auf dem Vormarsch sind weiter digitale
Leseangebote. Unbedingt empfehlenswert ist für Bibliothekare,
die bereits zu den ruhigeren Fachbesuchertagen von Mittwoch
bis Freitag Zugang haben, ein Besuch im Internationalen Bibliothekszentrum (ILC) in Halle 4.2. Dort ist auch der Stand des Berufsverbandes Information Bibliothek (BIB) zu finden. BIB-Mitglieder erhalten übrigens einen 30-prozentigen Rabatt auf die
Eintrittsgebühr. Weitere Informationen
dazu unter: www.bib-info.de/verband/
projekte/frankfurter-buchmesse/buch
messe-2014.html
Bernd Schleh (BuB-Redakteur)
Bibliotheken nicht ausreichend
berücksichtigt
Stellungnahme des dbv-Landesverbands
Schleswig-Holstein zum Konzept »Kulturperspektiven für Schleswig-Holstein«
Der Landesverband SchleswigHolstein im Deutschen Bibliotheksverband (dbv) begrüßt
die erstmalige Erstellung eines
Kulturkonzepts für SchleswigHolstein. Für eine produktive,
zukunftsfähige Zusammenarbeit verschiedener Kultur- und
Bildungseinrichtungen sind
die »Kulturperspektiven für
Schleswig-Holstein« ein wertvoller Wegweiser. Die Lage und
Bedeutung der Öffentlichen
Bibliotheken Schleswig-Holsteins sind darin allerdings trotz
mehrmaligen Hinweises nicht
genügend berücksichtigt.
Ausdrücklich zu befürworten
an den »Kulturperspektiven«
ist, dass die Bibliotheken im
Konzept wiederholt als wichtige
Bildungseinrichtung aufgezählt
werden. Ihre Bedeutung wird
also grundlegend anerkannt.
Doch werden im Papier keine
Aussagen dazu getroffen, wie die
Arbeit der Büchereien auf Dauer
gesichert und weiterentwickelt
werden kann.
Im Abschlussbericht der
Enquete-Kommission des deutschen Bundestages »Kultur in
Deutschland« wurde darauf
hingewiesen, dass das Betreiben von Bibliotheken zu einer
»Pflichtaufgabe« für Kommunen werden muss, die in einem
Bibliotheksgesetz festzuhalten
sei. Im Koalitionsvertrag hat sich
die schleswig-holsteinische Landesregierung dazu verpflichtet,
in der ersten Hälfte der Legislaturperiode einen Entwurf eines
Bibliotheksgesetzes einzubringen, mit dem die Förderung der
Büchereien und wissenschaftlichen Bibliotheken im Land und
deren Arbeit erstmals auf eine
eigenständige, solide Grundlage
gestellt werden. Dies findet sich
im Kulturkonzept für Schleswig-Holstein nicht wieder.
Auf dieses gravierende Defizit
weist der Bibliothekenverband in
Schleswig-Holstein nachdrücklich hin. Solange das Vorhalten
von Bibliotheken als freiwillige
Aufgabe aufgefasst wird, müssen diese wichtigen Kultur- und
Bildungseinrichtungen um ihre
Existenz bangen. An eine zeitgemäße Entwicklung oder gar
langfristige Planung ist nicht zu
denken. Um ihrer gesellschaftlichen Rolle mit vielfältigen
Funktionen in den Bereichen
Bildung, Kultur und soziale
Aufgaben gerecht zu werden,
sind aber eine Perspektive und
Planungssicherheit unerlässlich.
Deshalb hofft der dbv-Landesverband sehr, dass der Koalitionsvertrag eingehalten wird und
ein erster Gesetzesentwurf, wie
darin versprochen, bis Ende des
Jahres vorliegen wird.
Teilhabe an Kultur und Bildung
Ebenfalls betont der Landesverband, dass die Büchereien
bei den Knotenpunkten eine
entscheidende Rolle einnehmen
könnten und sollten. Die Struktur des Büchereiwesens prädestiniert die Öffentlichen Bibliotheken im Land dazu. Oberstes Ziel
des Konzeptpapiers ist es, die
Teilhabe der gesamten Bevölkerung auch an Kultur und kultureller Bildung zu ermöglichen.
Büchereien tun dies bereits in
vielfältiger Weise. Sie sind niedrigschwellige Einrichtungen –
sowohl was die geografische als
auch die finanzielle Zugänglichkeit anbelangt.
Büchereien bieten Medien,
Informationen, Räume und Beratung. Sie zählen etwa sieben
Millionen Besuche pro Jahr in
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Bau
Schleswig-Holstein – und das
auch von Menschen mit Migrationshintergrund und aus bildungsfernen Familien. Die Büchereien sind im ganzen Land
vor Ort, sie sind bekannt und
sie sind vernetzt. In gewisser
Weise sind sie bereits kulturelle
Knotenpunkte. Warum werden
diese Strukturen nicht genutzt
für die Umsetzung der »Kulturperspektiven für SchleswigHolstein« und Bibliotheken zu
lokalen Kulturvernetzungszentren erweitert, wie es im Ausland
schon so beispielhaft geschieht?
Die Büchereien stehen den
kulturpolitischen Herausforderungen aufgeschlossen gegenüber. Zunächst gilt es allerdings,
die vorhandenen Büchereien zu
schützen und durch ein Bibliotheksgesetz zu verhindern, dass
Büchereien gerade im ländlichen Raum, wo Angebote der
kulturellen Bildung viel zu selten
sind, aufgrund von Etatkürzungen handlungs-, betriebs- und
zukunftsunfähig werden.
dbv
Mitglieder des BIB
werden gebeten, alle Änderungen ihrer personenbezogenen Angaben, insbesondere des Namens, der Anschrift
und der Beitragsgruppe, nicht
dem Verlag von BuB, sondern
der Geschäftsstelle des BIB
mitzuteilen.
BIB-Geschäftsstelle
Postfach 13 24
72703 Reutlingen
Telefon 0 71 21/34 91-0
Telefax 0 71 21/34 91 34
[email protected]
www.bib-info.de
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Der Architektenentwurf setzt in das historische Gebäude einen Bibliothekskern ein, der durch eine neue Fassade zum Innenhof hin abschließt.
Foto: Architekten Fink Thurnher
Bau
Philologicum als attraktiver
und moderner Lernort
Nach Architektenwettbewerb können Planungen
für neue Fachbibliothek der Universitätsbibliothek
der LMU München beginnen
»Die Ampel steht auf Grün!«
– mit diesen Worten hat der
bayerische Ministerpräsident
Horst Seehofer den Bauplanungsprozess für die größte
Fachbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
(LMU) bereits im April 2013 in
Gang gesetzt. »Das lange erhoffte Philologicum«, so LMUPräsident Bernd Huber, »wird
sowohl die Arbeits- als auch die
Studienbedingungen für unsere
Geisteswissenschaften deutlich
verbessern.«
Ein gutes Jahr nach diesem offiziellen Startschuss konnte im
Juni 2014 der Architektenwettbewerb abgeschlossen werden:
Der Siegerentwurf stammt
von den Bregenzer Büros Fink
Thurnher und Cukrowicz
Nachbaur – letztere haben unter anderem mit dem beeindruckenden Bau des Vorarlberg
Museums Bregenz überregional
Schlagzeilen gemacht.
Neuer Standort des Philologicums wird das Gebäude Ludwigstraße 25 sein, das 1833 bis
1835 in der Ära Ludwigs I. von
Friedrich von Gärtner erbaut
wurde und ein wesentlicher Bestandteil einer der bedeutendsten Straßenzüge Münchens ist.
Der Entwurf setzt in das historische Gebäude einen neuen Bib-
liothekskern ein, der durch eine
neue Fassade zum Innenhof hin
abschließt. Hier wird sich auch
der neue Haupteingang befinden.
Innen gliedert sich das Gebäude zukünftig in insgesamt vier
Doppelstockwerke: Das Erdgeschoss und die drei Studienebenen bestehen jeweils aus einer
zweigeschossigen Hauptebene
mit zentraler Galerieebene. Hinzu kommt ein Kellergeschoss
mit Anlieferung und Magazin.
Der geschossweise geschlossene
Schnitt garantiert guten Schallschutz, gleichzeitig ermöglichen
die doppelstöckigen Geschosse
ein luftiges Raumgefühl. Entsprechend dem Schwerpunkt
der Architektenbüros werden
größere Teile der Böden und der
Ausstattung des Gebäudes in
Holz ausgeführt. Der Entwurf
besticht insbesondere durch
hohe Funktionalität, niedrige
Betriebskosten, vielfältige Nutzungsmöglichkeiten und unterschiedliche Raumatmosphären.
Jahrzehntelange Bemühungen
Den aktuellen Planungen zum
Philologicum gingen jahrzehntelange Bemühungen voraus:
Schon in den 1980er-Jahren war
in den sprach- und literaturwissenschaftlichen Bibliotheken
der LMU eine Erschöpfung der
Stellkapazität absehbar. Ende
der 1990er wurde deutlich, dass
zukünftiger Zuwachs kaum
mehr unterzubringen sein würde, und dementsprechend begannen die Diskussionen, wie
aus den ehemals mehr als 15
Bibliotheken eine gemeinsame
Fachbibliothek geschaffen werden könne.
Im Jahre 2002 stellte dann
die sprach- und literaturwissenschaftliche Fakultät einen Antrag an die Universitätsleitung
auf Errichtung einer Fachbereichsbibliothek, und im gleichen Jahr wurde eine Planungskommission unter Beteiligung
der Universitätsbibliothek gegründet. Schließlich wurde am
7. November 2003 der Bauantrag inklusive Raumbedarfsplan
an das Ministerium gestellt. Im
gleichen Monat begannen seitens der Universitätsbibliothek
bereits die ersten Vorbereitungen für die gemeinsame Bibliothek.
Hatte Wissenschaftsminister
Thomas Goppel im Jahre 2008
das Philologicum noch als »mittelfristige« Planung bezeichnet,
reagierte sein Nachfolger Wolfgang Heubisch 2009 bereits
sehr positiv auf die Eingabe
der Fachschaft Germanistik an
den Bayerischen Landtag zur
Realisierung des Projekts Philologicum. Im Jahr 2011 wurde
dann das Projekt als Leertitel in
den Staatshaushalt eingestellt,
ebenso für den Doppelhaushalt
2013/14. Nach dem Startschuss
des Ministerpräsidenten konnte
schließlich 2013 der Planungsauftrag erteilt werden. Gleichzeitig wurde der nun erfolgreich
beendete internationale Architektenwettbewerb
ausgelobt
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und eine fakultäre Bibliothekskommission gebildet.
Das historische Gebäude
war nicht von Beginn an Teil
der Universität. Nach Fertigstellung des Innenausbaus im
Jahre 1837 bezog das Münchner
Blindeninstitut den Neubau.
Das im Zweiten Weltkrieg nur
wenig beschädigte Gebäude beherbergte die Landesblindenanstalt bis zu ihrer Verlegung nach
Nymphenburg. In den Jahren
1968 bis 71 wurde es dann
durch das Universitätsbauamt
völlig entkernt und für Institute und Bibliotheken der LMU
innen baulich erneuert. Die historischen Außenwände wurden
erhalten und stehen heute unter
Denkmalschutz; der zwischen
die Eckrisalite eingespannte
Mittelteil der Rückseite wurde
als moderne Fassade mit vermehrter Geschosszahl neu ausgeführt.
In diesem Gebäude werden
nun die bislang auf sechs Gebäude verteilten zehn Bibliotheken der Fakultät für Sprachund
Literaturwissenschaften
Bau
– der gemessen an der Zahl ihrer
Studierenden größten Fakultät
der LMU – zusammengeführt
(Fachbibliothek Germanistik
und Komparatistik, Slavische
Philologie, Finnougristik/Uralistik, Lateinische Philologie des
Mittelalters, Klassische Philologie/Vergleichende und Indogermanische Sprachwissenschaft,
Englische Philologie, Romanische und Italienische Philologie,
Phonetik und Sprachliche Kommunikation, Nordische Philologie, Amerika-Institut). Hiermit
verbinden sich eine Reihe zentraler Ziele:
„ die Schaffung einer einheitlichen Fachbibliothek für die
sprach- und literaturwissenschaftlichen Fächer und damit
„ die Stärkung der Geisteswissenschaften an der LMU entsprechend ihrer internationalen
wissenschaftlichen Bedeutung,
„ die Einrichtung eines attraktiven und modernen Lernortes
zur Gewährleistung eines modernen Hochschul- und Bibliotheksbetriebs,
„ die Ausweitung des wissen-
Das Gebäude Ludwigstraße 25 – neuer Standort des Philologicums –
wurde 1833 bis 1835 in der Ära Ludwigs I. von Friedrich von Gärtner erbaut und ist ein wesentlicher Bestandteil einer der bedeutendsten Straßenzüge Münchens.
Foto: UB der LMU München
schaftsnahen Dienstleistungsspektrums: Ausbau eines funktional differenzierten Arbeitsplatzangebots, Konzentration
des umfassenden Medienbestands, verlängerte Öffnungszeiten,
„ die Beseitigung erheblicher
statischer und brandschutztechnischer Mängel,
„ die Verbesserung der Barrierefreiheit
„ sowie die denkmalgerechte
Sanierung der historischen Außenwände.
Einheitliches Serviceangebot
Das Philologicum passt sich
hervorragend in die bestehende
Wissenschaftsinfrastruktur ein:
Aus einer traditionell zersplitterten Struktur heraus baut die
Universitätsbibliothek ein modernes Bibliothekssystem mit einem einheitlichen Serviceangebot auf, das neben den zentralen
Standorten derzeit zwölf dezentrale Fachbibliotheken umfasst.
Die neue Fachbibliothek wird
ein integraler Bestandteil dieses
Bibliothekssystems sein und die
philologischen Medienbestände
in zeitgemäßer Form nutzbar
machen. Für Nutzerinnen und
Nutzer des Philologicums wird
der gesamte Ausleihbestand der
Zentralbibliothek in die eigene
Bibliothek bestellbar und dort
ausleihbar sein. Damit etabliert
sich die Bibliothek als echtes
Fachzentrum und als zentraler
Lern-, Arbeits- und Identifikationsort für die Studierenden und
Lehrenden der Fakultät.
Die Universitätsbibliothek
erlebt wie fast alle Bibliotheken
trotz Ausweitung des digitalen
Angebotes eine ungeminderte,
gar gestiegene Nachfrage. Sie
wird genutzt als Raum zum Arbeiten, Lernen, Lesen, Kommunizieren, Begegnen und Verweilen. Daraus ergeben sich neue
Anforderungen.
Für die konzentrierte Einzelarbeit ebenso wie für das
Lernen und Austauschen in unterschiedlich großen Gruppen
wird ein differenziertes Angebot an Arbeitsplatzsituationen
geschaffen – insgesamt etwa
700 Leseplätze. Die Verfügbar-
Dr. André
SchüllerZwierlein,
geboren
1972, hat
Anglistik,
Romanistik und
Publizistik studiert und in Anglistik
promoviert. Nach Tätigkeiten
beim Handbuch der historischen Buchbestände und bei
einem Projekt der Bertelsmann Stiftung absolvierte er
von 2001 bis 2003 das Bibliothekreferendariat an der PLB
Speyer und der Bibliotheksschule Frankfurt am Main.
Seit 2003 arbeitet er an der
Universitätsbibliothek der
LMU München, zunächst als
Fachreferent für Europäische
Philologien, seit 2009 als Leiter der Abteilung Dezentrale
Bibliotheken. Er ist Stellvertretender Vorsitzender des
VDB-Landesverbands Bayern
und Herausgeber der interdisziplinären Buchreihe »Age
of Access? Grundfragen der
Informationsgesellschaft« (de
Gruyter). – Kontakt: andre.
[email protected]
keit von WLAN in der gesamten Bibliothek wird die flexible
Nutzung von Notebooks und
mobilen Geräten ermöglichen.
Die Fachbibliothek wird circa 420 000 Medien anbieten,
die fast alle frei zugänglich sein
werden. Der Einsatz von RFIDTechnologie im Ausleihbereich
wird die Selbstverbuchung der
Medien durch die Nutzerinnen
und Nutzer ermöglichen. Und
schließlich soll die Bibliothek
am neuen Standort täglich –
auch sonntags – bis in den späten
Abend hinein geöffnet werden.
Die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter der Universitätsbibliothek der LMU freuen sich
darauf, mit der geplanten Eröffnung 2018 die Studierenden
und Wissenschaftler der Sprachund
Literaturwissenschaften
in ihrem neuen Bibliotheksbau
begrüßen zu dürfen.
André Schüller-Zwierlein
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Foyer | BuB
Öffentliche Bibliothek
Öffentliche Bibliothek
Beziehungspflege mit ruhiger
Hand und langem Atem
Erstes Arbeitstreffen der
Bibliotheks-Freundeskreise in NRW
Fast 50 Vertreter von Freundeskreisen, also mehr als ein Drittel
der rund 120 Bibliotheks-Freundeskreise in Nordrhein-Westfalen (NRW), trafen sich im Juni in
der Stadt- und Landesbibliothek
Dortmund, um Erfahrungen
auszutauschen und neue Ideen
und neue Impulse für ihre Arbeit vor Ort mitzunehmen. Die
vom Verband der Bibliotheken
Nordrhein-Westfalens und
der »Arbeitsgemeinschaft der
Freundeskreise im dbv« organisierte Veranstaltung setzte auf
einen Mix aus Impulsreferaten,
unterschiedlichen Diskussionsforen und durchgängiger
Moderation – und lag damit
offenbar genau richtig.
Für den Gastgeber, die Stadtund Landesbibliothek Dortmund, begrüßte Petra Grübner,
stellvertretende Direktorin, die
Teilnehmer. Anschließend ging
Walter Aden, der Vorsitzende
des Freundeskreises der Stadtund Landesbibliothek, in seinem Grußwort auf die aktuelle
Situation der Bibliotheken ein
und forderte die anwesenden
Vertreter der NRW-Freundeskreise auf, sich in die Diskussion
um die Zukunft der Bibliotheken aktiv mit einzubringen.
Das erste Impulsreferat von
Prof. Hartmut Holzmüller von
der TU Dortmund über »Marketing-Strategien für Bibliotheken und ihre Unterstützer«
führte bereits zu einer lebhaften
Diskussion, vorrangig um ungenutzte Potenziale der Marktorientierung und der Kundengewinnung und Kundenbindung.
Bibliotheken müssen, so Prof.
Holzmüller, für ihre Kunden
und für ihre Unterhaltsträger
attraktiver werden, und Freundeskreise müssen sich hier als
kritische Partner der BibliotheBuB | 66 (2014) 10
ken verstehen und Bibliotheken
helfen, sich markt- und kundenorientiert weiterzuentwickeln.
Dazu formulierte Prof. Holzmüller strategische Eckpunkte
(»Was wollen wir erreichen?«),
einen Marketingplan, der nach
»Leitidee«, »Zielen« und »Zielgruppen« aufgegliedert ist und
– darauf aufbauend – eine Serviceplanung, die Potenziale analysiert, Prozesse der Umsetzung
beschreibt und Ergebnisziele
festschreibt.
Freundeskreise müssen, so
Prof. Holzmüller, für ihr Engagement Multiplikatoren gewinnen (»Promis«, »Sympathieträger« in der Kommune), was
umso wichtiger ist, als »Promis«
in aller Regel nicht zu den regelmäßigen Nutzern der Bibliotheken gehören (anders als zum
Beispiel bei Museen oder Theatern). Um erfolgreich Sponsoren einzuwerben – da waren sich
alle Teilnehmer einig –, bedürfe
es eines persönlichen Netzwerkes, das systematisch auf- und
auszubauen sei. Abschließend
definierte Prof. Holzmüller
Marketing für BibliotheksFreundeskreise als »Beziehungspflege mir ruhiger Hand und
langem Atem«.
Das zweite, ebenfalls intensiv diskutierte Impulsreferat
von Ronald Schneider, dem
dbv-Koordinator für die »AG
der Freundeskreise«, stellte die
»besten Ideen zur Bibliotheksförderung aus dem Wettbewerb
zum Freundeskreis des Jahres
2014« vor. Der Referent stellte
zunächst die Kriterien der Preisvergabe, die Teilnehmer und die
Preisträger des Wettbewerbs vor
und dankte dem Sponsor, der
Firma datronic, für die Ausstattung des Preises mit 2 000 Euro
(die dankenswerter Weise auch
schon für 2015 zugesagt sind).
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Erfolgreiche Strategien
Er stellte dann erfolgreiche
Strategien bei der Mitgliederwerbung vor sowie bei der
Mitgliederaktivierung und der
Mitgliederbindung (was beides
eng zusammenhängt). Nach der
Dortmunder Devise »Erst eine
hohe Mitgliedszahl verleiht dem
Freundeskreis politisches Gewicht« seien dreistellige Mitgliederzahlen (wie bei den Wettbewerbern) die Pflichtvorgabe, zu
erreichen vor allem durch persönliche Ansprache auf Veranstaltungen und ein attraktives,
vielseitiges und kommunikatives Jahresprogramm. Beispiele
für eine attraktive Ausgestaltung des Jahresprogramms finden sich in dem Tagungsbericht
auf der Website der »AG der
Freundeskreise«: www.biblio
theksverband.de/fachgruppen/
arbeitsgemeinschaft-der-freundeskreise/aktivitaeten/protokol
le.html.
Bei der politischen Lobbyarbeit gebe es, so Schneider, einen
grundlegenden Dissens unter
den Wettbewerbern: Sollen Entscheidungsträger wie Politiker
in den Vorstand, ja oder nein?
Für das Ja sprechen die kurzen
Wege der Einflussnahme, für
das Nein die Einbindung von
Politikern und der Verwaltungsspitze (auch der Bibliotheksleitung!) in die Loyalitätszwänge
in Partei wie Verwaltungshierarchie. Dieses Problem wurde in
den sich anschließenden Gruppendiskussionen dann weiter
vertieft.
Beim Thema Sponsoring
wurden zwei erfolgreiche Methoden genannt: die projektbezogene Sponsoreneinwerbung
und die Professionalisierung
der gängigen Bücherflohmärkte
durch eine breitgefächerte Akquise (Nachlässe, Remittenden
und so weiter) und den regelmäßigem Verkauf in einem Shop
(weiterer Vorteil: Aktivierung
von Mitgliedern).
Bei der organisatorischen und
personellen Unterstützung der
Bibliothek gebe es schließlich
ganz unterschiedliche Wege: die
Bereitstellung ehrenamtlicher
Helfer, die Betreibung einer Bib-
Öffentliche Bibliothek
liothek durch den Freundeskreis
auf Vertragsbasis, die Finanzierung zusätzlicher Bibliotheksmitarbeiter durch den Freundeskreis (zum Beispiel bei Erweiterung der Öffnungszeiten) oder
die Organisation zusätzlicher
Service-Angebote (zum Beispiel
einen Medien-Bring-Service).
Die wichtigsten Ideen und
Konzepte aus den beiden Vorträge und der Diskussion wurden
von der Moderatorin, Dagmar
Callenius-Meuß vom Vorstand
der AG der Freundeskreise, auf
Flip Charts festgehalten und
in den dann folgenden Gruppendiskussionen wieder aufgegriffen und vertieft. Den drei
Diskussionsgruppen waren drei
unterschiedliche Fragestellungen vorgegeben: 1. Wie gewinne
ich (mehr) Mitglieder? 2. Wie
gewinne ich Multiplikatoren? 3.
Wie gewinne ich Sponsoren?
Intensive Diskussionen
Die Ergebnisse der intensiv geführten Gruppendiskussionen
wurden dann im Plenum vorgestellt und noch einmal in ihrer
Wertigkeit und Praktikabilität
kritisch durchleuchtet. Das Ergebnis ist ein »Ideenpool« für
die praktische Arbeit der Freundeskreise, der in aller Ausführlichkeit ebenso im Tagungsbericht auf der Website der »AG
der Freundeskreise« nachlesbar
ist.
Es bestand am Ende Einmütigkeit, dass diese Tagung den
Teilnehmern eine Fülle von
Anregungen und Impulsen gebracht habe und darüber hinaus
einen Motivationsschub für ihr
weiteres Engagement vor Ort.
In einem einstimmigen Votum
plädierten die Teilnehmer der
ersten Arbeitstagung der NRWFreundeskreise nachdrücklich
für eine Wiederholung dieses
Treffens und einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch.
Die Stadt- und Landesbibliothek Dortmund und ihr Freundeskreis signalisierten bereits
ihre Bereitschaft, ein zweites
Mal Gastgeber der Freundeskreise NRWs zu sein.
Dr. Ronald Schneider
Öffentliche Bibliothek
73 neue Bündnisse für
die lokale Leseförderung
Nachhaltige Vernetzung /
Weitere Ausschreibungstermine
Weitere 73 lokale Bündnisse für
Bildung aus 13 Bundesländern
haben die Förderungszusage
für Aktionen im Rahmen von
»Lesen macht stark: Lesen und
digitale Medien« erhalten,
einem Projekt des Deutschen
Bibliotheksverbands (dbv) in
Kooperation mit der Stiftung
Digitale Chancen.
Gemeinsam Kompetenzen bündeln: Bibliotheken setzen auf
eine nachhaltige Vernetzung
lokaler Einrichtungen und initiierten mit mindestens zwei
weiteren Partnern lokale »Bündnisse für Bildung«. Gemeinsam
mit Jugend- und Integrationszentren, Stadtteilbüros, Naturschutzvereinen, Medienzentren
und vielen anderen Trägern der
kulturellen Bildung widmen sie
sich bundesweit der Leseförderung mit digitalen Medien und
Somit sind seit November
2013 insgesamt 160
Bündnisse in 15 Bundesländern aktiv.
etablieren so lokale Partnerschaften und Bildungsnetzwerke.
Die Bündnisse werden noch
in diesem Jahr erste Aktionen
in den Bundesländern BadenWürttemberg, Bayern, Berlin,
Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen,
Nordrhein-Westfalen, Sachsen,
Sachsen-Anhalt,
SchleswigHolstein und Thüringen durchführen.
Somit sind seit November
2013 insgesamt 160 Bündnisse
in 15 Bundesländern aktiv.
Die neuen »Bündnisse für
Bildung« überzeugten eine unabhängige Jury durch die kreati-
ve Ausgestaltung der fünf altersgerechten Angebote im Projekt
»Lesen macht stark: Lesen und
digitale Medien«. Diese richten
Ehrenamtliche unterstützen
die Bündnispartner vor Ort
bei der Leseförderung mit
digitalen Medien.
sich an bildungsbenachteiligte
Kinder und Jugendliche im Alter von 3 bis 18 Jahren.
Ehrenamtliche unterstützen
die Bündnispartner vor Ort bei
der Leseförderung mit digitalen
Medien. Die Stiftung Digitale
Chancen führt hierzu eine bundesweite, für die Teilnehmenden
kostenlose Qualifizierungskampagne im Umgang mit neuen
Medien durch.
Detaillierte Informationen
zum Projekt sowie weitere Ausschreibungstermine für das auf
fünf Jahre angelegte Programm
gibt es unter www.lesen-unddigitale-medien.de.
dbv
Viele Wege führen zu
BuB
Forum
Bibliothek und
Information
Gartenstraße 18
72764 Reutlingen
Postfach 13 24
72703 Reutlingen
Telefon 0 71 21/34 91-0
Telefax 0 71 21/34 91 34
E-Mail [email protected]
Internet www.b-u-b.de
BuB | 66 (2014) 10
666
BuB | Foyer
Öffentliche Bibliothek
Öffentliche Bibliothek
„ mit
dem entsprechenden
Nachschlagewerk, mit Wörterbuch und Landkarten bei der
individuellen Orts- und Sprachforschung zu helfen (besonders
bei Forschung in den ehemaligen deutschen Ostgebieten und
Siedlungsregionen);
Ahnenforschung im Informationszentrum
„ mit Fachliteratur zur Familiengeschichtsforschung
und
der Stadt- und Regionalbibliothek Gera
Hilfsmitteln zum Quellenstudium;
Es ist eher ungewöhnlich und
Grundstücksverzeichnisse und „ Zusammenarbeit mit andeselten, dass Genealogen das
so weiter) und die eigenen Vor- ren Institutionen (Archive, Kirbreite Spektrum der Recherche- stellungen von Sachverhalten,
möglichkeiten einer Stadt- und
die das Familienleben im Lauf
Regionalbibliothek kennen
der Geschichte entweder rekonIn Gesprächsrunden oder
und für ihre Forschung nutzen. struieren oder geprägt haben
bei persönlichen Treffen in
Die Bibliotheken als Dienstsollen.
der Bibliothek werden diese
leistungseinrichtungen sind
Themen auf regionaler
für Ahnenforscher, vor allem
Zeitraubende Arbeit
Ebene, sprich Ostthüringen,
mit Informationssammlungen,
erforscht, Ergebnisse ausgeAdressbüchern und historischer Bei den thematischen Rechertauscht und ausgewertet.
Karten, unabdingbar.
chen kann eine Bibliothek der
Familienforschung mit ihren
Die Suche nach den eigenen ungeahnten
Möglichkeiten, chenarchive, Zentralstelle für
Wurzeln und Vorfahren bedeu- nicht nur mit Fachliteratur, viel- Genealogie, Bibliotheken, Getet nicht nur private Recherche seitig helfen.
nealogische Forschungsstellen
in Archiven und im Internet,
Ein Beispiel für die ausge- der Mormonen und anderes)
sondern auch Kontaktaufnahme zeichnet funktionierende Sym- „ Kontaktaufnahme mit andezu anderen Genealogen, Hei- biose zwischen Genealogen und ren Familienforschern;
matforschern oder Forschungs- Bibliothek ist das Projekt »Ah- „ Erfahrungsaustausch in Gegruppen.
nenforschung in der Bibliothek«, sprächsrunden oder individuelle
Die moderne Bibliothek seit 2008 in Gera. Das Ziel des Beratung.
erleichtert die Informations- Projekts ist, den FamilienforDie Vorstellung, dass Archivbeschaffung, koordiniert die
güter (Adressbücher, LokalzeiForschungsarbeit und den Austungen, Ortsfamilienbücher),
tausch von Daten. In dieser Gedie sich in einer Bibliothek beEine enorm große Herausdankenfolge versteht sich die forderung an den Familien- finden, kirchliche Unterlagen
Bibliothek als eine »Drehscheibe
(Kirchenbücher) oder Personenforscher stellt die Suche in
der genealogischen Forschung«, den ehemaligen deutschen standsregister ersetzen können,
die im etwas übertragenen Sin- Ostgebieten und den frühe- ist falsch. Als Arbeitsexemplare
ne, als historische Methode ansind Kirchenbuch- und Persoren deutschen Siedlungsgewendet wird.
nenstandsregisterverzeichnisse
gebieten in Ost- und SüdIm Mittelpunkt steht die hisvorhanden, in denen nach dem
osteuropa dar.
torische Genese einer Familie
Verbleib des bestimmten Archivguts recherchiert werden kann.
(muss nicht immer die eigene
Hierzu tragen nicht zuletzt die
Familie sein), aber wenn die Beschreibung der Zusammenhän- scher bei seiner mühevollen und Digitalisierung der Archivbegen über die Darstellung der Ab- zeitraubenden Arbeit vielseitig stände und die Internetrecherche bei, welche der Genealogie
stammung geht, redet man von zu unterstützen:
„ bei Zusammenstellung und in ihrer Vielseitigkeit und Breite
Familiengeschichtsforschung.
Dabei werden die Recherche in Bearbeitung von Familiendaten unwahrscheinlich große Mögder Bibliothek und die Proble- (Fachliteratur, CD-ROM und lichkeiten eröffnet haben.
matik individuell bearbeitet und anderes);
Selbstverständlich sind in
die Arbeit in allen Richtungen, „ durch Fernleihe, wenn mög- diesem Fall die Mitarbeit und
sprich Zusammenarbeit mit an- lich, Benutzergebühren, Kopier- die Hilfe einer Bibliothek underen Institutionen, gesteuert. kosten oder Reisekosten sparen; entbehrlich. Besonders bei FraIm Vordergrund der Forschung „ Unterstützung bei Schwie- gen wie »An welche Adressen
stehen verschiedene Quellen rigkeiten mit der Frakturschrift kann ich mich wenden, welchen
(Kirchenbücher, Steuerlisten, oder beim Lesen der alten deut- Internetseiten kann ich trauen
Friedhofsregister, Grabregister, schen Schreibschrift (Sütterlin- oder in welchen Internetportalen suchen?« ist die indiviAdressbücher, Bürgerbücher, schrift);
Von Auswanderung,
Friedhofsregistern, Kirchenbüchern und anderen Quellen
duelle Beratung von großem
Nutzen.
Eine enorm große Herausforderung an die Familienforscher
stellt die Suche in den ehemaligen deutschen Ostgebieten
und den früheren deutschen
Siedlungsgebieten in Ost- und
Südosteuropa dar. Sie müssen
mit Sprachproblemen, oftmals mit Unfreundlichkeit der
Einheimischen (nicht selten
werden Rückübertragungsansprüche vermutet), Entfernungen (hohe Reisekosten) und
nicht zuletzt mit »Kriegsverlusten« (Unterlagen, die während
des Krieges verlorengegangen
sind) rechnen. Ein weiteres Kapitel sind die Migration und die
Auswanderung.
In Gesprächsrunden oder bei
persönlichen Treffen in der Bibliothek werden diese Themen
auf regionaler Ebene, sprich Ostthüringen, erforscht, Ergebnisse
ausgetauscht und ausgewertet.
Fazit
Durch das Projekt »Ahnenforschung in der Bibliothek« und
das Engagement der Mitarbeiter
der Stadt- und Regionalbibliothek ist es schon längst bewiesen,
dass das breite Spektrum der Recherchemöglichkeiten einer Bibliothek und die individuelle Betreuung die Arbeit des Ahnenforschers sehr erleichtern und
unterstützen. Die Bibliotheken
sind vor allem mit Quellen- und
Die Bibliotheken sind
vor allem mit Quellen- und
Nachschlagewerkssammlungen für die Familienforschung von großer
Bedeutung.
Nachschlagewerkssammlungen
für die Familienforschung von
großer Bedeutung. Sie ermöglichen die Kontaktaufnahme zu
anderen Personen, Forschungsgruppen und koordinieren den
Austausch von Daten.
Dr. Lilia Uslowa
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Foyer | BuB
Öffentliche Bibliothek
Öffentliche Bibliothek
Danach arbeiten jeweils vier
bis fünf Schüler zusammen, um
Aufgaben zu lösen. Fragen wie
»Wie und wo lernten Jungen im
alten Ägypten lesen und schreiben?« lassen sich nur lösen, wenn
man in den von Birgit Thomsmeier aus ihrem Rollkoffer hervorgeholten Büchern die richtige
Seite findet und den Text liest.
Dazu müssen die Kinder im InDas Angebot »BibliothekMobil« der Stadtbib- haltsverzeichnis oder Register
liothek Berlin-Mitte stößt suchen und lernen, wozu ein
Glossar nützlich ist. Nachdem
auf großes Interesse
die Aufgaben von allen Gruppen gelöst wurden, stellen die
BibliothekMobil heißt das
Schüler ihre Ergebnisse vor.
Wenn die
Bibliothek ins
Klassenzimmer
kommt
Angebot der Stadtbibliothek
Berlin-Mitte, bei dem Mitarbeiterinnen der Bibliothek in die
Grundschulklassen kommen
und 90 Minuten Unterricht gestalten. Schülerinnen und Schüler lernen dabei auf spielerische
Weise, wie man Sachbüchern
Informationen entlockt und was
es mit Inhaltsverzeichnissen,
Registern und Glossaren auf
sich hat.
Es ist kurz vor acht Uhr morgens:
Birgit Thomsmeier rattert mit
ihrem Rollkoffer den Flur der
Gesundbrunnen-Grundschule
in Berlin Wedding entlang. Entgegenkommende Schülerinnen
fragen aufgeregt: »Kommen Sie
zu uns? Gibt es heute Rätsel?«
Die Schüler wissen: Wenn Frau
Thomsmeier von der Bibliothek
am Luisenbad kommt, findet
kein normaler Unterricht statt.
Heute ist sie von der Lehrerin
einer altersgemischten Klasse
zum Thema »Gestern + Heute«
eingeladen. »Wenn ich das erste
Mal in einer Klasse bin, frage
ich die Kinder, ob sie schon mal
in der Bibliothek waren, einen
Ausweis haben oder den Bücherbus kennen«, erklärt Thomsmeier. Die Dritt- und Viertklässler, die sie heute besucht,
wissen schon Bescheid über die
Bibliothek, viele von ihnen sieht
sie dort nachmittags sitzen. Um
über die Vergangenheit zu informieren, hat Thomsmeier eine
Klassenordnung von vor 100
Jahren mitgebracht. Sie bittet
die Schüler, alles so zu machen,
wie sie es ihnen vorliest, was zur
Erheiterung beiträgt.
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Abwechlsung
im Klassenzimmer
Dass die Schüler BibliothekMobil nicht als Unterricht wahrnehmen, liegt zum einen daran,
dass eine außerschulische Person im Schulalltag einfach eine
Abwechslung darstellt. Zum
anderen sind Ulrike Wahlich
und Birgit Thomsmeier sehr
zugewandte und präsente Persönlichkeiten. Keine Nebensächlichkeit, denn das erleichert
nicht nur den Kontakt zu Lehrern und Schülern, es erzeugt
auch ein lebendiges und sympathisches Bild von Bibliotheken.
Die Idee, mobile Bibliotheksarbeit anzubieten, entstand, da
einerseits die Nachfrage nach
Bibliothekseinführungen der
Klassen 1 bis 3 zu groß wurde,
während andererseits den Klassen 4 bis 6 durch die Umstellung
der Schulen auf den Ganztagsbetrieb kaum Zeit für Ausflüge blieben. Die Museumspädagogin Ulrike Wahlich und
die Bibliotheksleiterin Heidrun
Hübner-Gepp entwickelten zunächst einen Prototyp zur mobilen Bibliotheksarbeit. Obwohl
der Bezirk mit drei Bücherbussen fast jede Grundschule alle
ein bis zwei Wochen anfährt
und zwischen einigen Schulbibliotheken und der Bibliothek
Kooperationsvereinbarungen
bestehen, wurde deutlich: Lehrer begrüßten die Idee, dass
jemand von der Bibliothek zu
ihnen in die Klasse kommt und
den Kindern etwas über Bibliotheken und Medien vermittelt.
Die mobile Bibliothek auf dem Weg ins Klassenzimmer: Für die Schüler
ist der Besuch eine willkommene Abwechslung.
Foto: Stadtbibliothek Berlin-Mitte
Seit Januar 2013 wird BibliothekMobil mit Unterstützung aus Mitteln des EFREProgramms »Bibliotheken im
Stadtteil« gefördert und richtet
sich an Grundschulen und Kindertagesstätten im »Aktions-
raumplus« Wedding/Moabit.
Wedding und Moabit befinden
sich im 333 000 Einwohner starken Bezirk Mitte – dem Bezirk
der Gegensätze unter den zwölf
Berliner Bezirken. Auf der einen
Seite ist Mitte der zentrale Be-
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BuB | Foyer
zirk Berlins, der das Regierungsviertel, die Museumsinsel und
das Brandenburger Tor beherbergt, aber auch der Bezirk, in
dem mehr als jedes zweite Kind
von ALG II lebt.
Hier leben berlinweit die
meisten Menschen nichtdeutscher Herkunftssprachen, nämlich 45,8 Prozent. Innerhalb
des Bezirks ist deren Verteilung
jedoch äußerst heterogen: Während im Umfeld der Bezirkszentralbibliothek Philipp-Schaeffer
8,2 Prozent der Kinder ALGII
beziehen, sind es im Umfeld der
Bibliothek am Luisenbad 68,2
Prozent.
Dass BibliothekMobil hier
von den Schulen gut angenommen wird, ist deshalb besonders
erfreulich, denn so erreicht die
Bibliothek gerade die Kinder,
die vom Angebot der Bibliothek
besonders profitieren können.
In ihrem früheren Beruf war
Birgit Thomsmeier im Marketing tätig, ein Beruf, der wenig
Ähnlichkeiten mit ihrer jetztigen Tätigkeit hat. »Es ist so, als
sei ich im Außendienst tätig«,
sagt Thomsmeier und lacht.
Wenn sie von ihren Begegnungen vor Ort in den Schulen erzählt, wird einem bewusst, dass
es eine bessere Werbung für die
Öffentlichen Bibliotheken als
eine persönliche vor Ort kaum
geben kann.
»Dass die Leute ein verschrobenes Bild von Bibliotheken
haben, liegt daran, dass viele
gar nicht in Bibliotheken gehen. Das zeigt, wie wichtig es
ist, dass die Bibliotheken nach
außen gehen«, erklärt Heidrun
Hübner-Gepp, die Leiterin der
Bibliothek am Luisenbad.
Einen weiteren Vorteil hat
die mobile Bibliotheksarbeit für
die Bibliotheken am Standort:
Nachdem die Mitarbeiterinnen
von BibliothekMobil die Klassen in den Schulen besucht haben, bekommen Lehrer wieder
Mut und fragen: »Können wir
mit unserer Klasse eigentlich
mal die Bibliothek besuchen
kommen? Für eine Führung
oder so?« Davon profitieren am
Ende beide Seiten.
Sarah Wildeisen,
Stadtbibliothek Berlin-Mitte
Öffentliche Bibliothek
Öffentliche Bibliothek
Eine Jubilarin feiert doppelt
Stadtbücherei Suhl wird 110 Jahre alt /
»Suhler Lesewürfel« gibt es seit 10 Jahren
In der Woche vom 31. Mai bis
6. Juni hat es in der Stadtbücherei Suhl allen Grund zum
Feiern gegeben. In dieser Zeit
veranstaltete die Bibliothek
eine Festwoche anlässlich ihres
Doppeljubiläums: 110 Jahre
Stadtbücherei Suhl und 10 Jahre
»Suhler Lesewürfel«.
Die im Jahr 1904 vom Gewerbeverein gegründete Städtische
Volksbücherei besaß bereits einen stattlichen Bestand: circa
1 000 Bände schöngeistiger und
Sachliteratur.
In den 110 Jahren ihres Bestehens durchlebte die Bücherei
Höhen und Tiefen. Sie öffnete
in diesen Jahrzehnten nicht nur
an acht verschiedenen Standorten ihre Türen. Auch die Funktionen und der Status der Bibliothek änderten sich im Wandel
der Zeit; von der Städtischen
Volksbücherei über Bezirksbibliothek, Stadt- und Bezirksbibliothek, Wissenschaftliche Allgemeinbibliothek des Bezirkes
gung der städtischen Bibliothek
zu lösen.
Einen besonderen Höhepunkt seit der Existenz der
Bücherei war die Realisierung
der Idee eines Neubaus mit der
Grundsteinlegung der Bibliothek im August 2002 bis zur
Neueröffnung der Stadtbücherei am 4. Juni 2004. In dieser
Zeit bewegte das Für und Wider
des Neubaus der Stadtbücherei
die Suhler Gemüter immer wieder, so bot doch die moderne,
aufsehenerregende Architektur
des bunten Würfels aus Glas,
Stahl und Beton genügend Gesprächsstoff für Bürger, Fachleute und Medien.
Suhl, Stadt- und Regionalbibliothek bis hin zur »Stadtbücherei
Suhl«, deren Namen sie 1998
erhielt.
Nach Schließung der bis
1998 gesondert untergebrachten
Kinderbibliothek, die damals einem Wasserschaden zum Opfer
fiel, boten die nun vorhandenen
räumlichen und technischen
Gegebenheiten für die Zukunft
Spektakuläre Eröffnung
keine Lösung mehr.
Ein Meilenstein in der Geschichte der Bücherei war der Zweifelsohne hat man die Eröffnung der Stadtbücherei heute
noch als spektakulär in Erinnerung. Spektakulär in mehrerlei
Immer wieder warteten
Hinsicht: Dass in der heutigen,
die MitarbeiterInnen der
Einrichtung mit neuen Ideen von finanziellen Engpässen geprägten Zeit ein Bibliotheksbau
und Projekten auf
nicht nur geplant, sondern auch
ausgeführt und vollendet werden
Ende der 90er-Jahre aufkom- konnte, dass die offizielle Übermende Planungsgedanke eines gabe des Hauses zu einem außerNeubaus für die Bibliothek. gewöhnlichen Termin mit einer
Ausgangspunkt war die Aus- beeindruckenden Show erfolgte
schreibung eines Architekten- und dass die Stadtbücherei Suhl
wettbewerbes mit der Idee, so- der erste Bibliotheksneubau in
mit das Problem der Unterbrin- kommunaler Trägerschaft nach
der Wende in Thüringen war,
der seiner Bestimmung übergeben wurde.
Ereignisreich kann man auch
die vergangenen zehn Jahre
Besonders hervorzuheben ist
ein Kooperationsprojekt mit
der Thüringer Universitätsund Landesbibliothek Jena.
Die aufsehenerregende Architektur der neuen Bibliothek aus Glas, Stahl
und Beton sorgte in Suhl lange Zeit für Gesprächsstoff.
Foto: Stadtbücherei Suhl
nennen. Immer wieder warteten die MitarbeiterInnen der
Einrichtung mit neuen Ideen
und Projekten auf, um den hohen Standard der Bibliothek zu
halten und trotz der schnelllebigen Entwicklung im heutigen
Informationszeitalter stets eine
moderne, attraktive und unverzichtbare Einrichtung des Wissens, der Kultur, der Bildung
und des Lernens zu sein.
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Foyer | BuB
Öffentliche Bibliothek
Öffentliche Bibliothek
Lernen macht Spaß und
bereichert das Leben
Buntes Programm beim ersten Bayreuther
Lernfest / Viele Kooperationspartner
Weithin sichtbar: Die Stadtbücherei Suhl feiert zehn Jahre »Lesewürfel«. Foto: Stadtbücherei Suhl
Besonders
hervorzuheben
ist ein Kooperationsprojekt
mit der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena
(ThULB), bei dem im Herbst
2005 eine Nutzungsvereinbarung zugrunde gelegt wurde,
um die originalen historischen
Zeitungen »Henneberger Zeitung« und »Suhler Zeitung« des
regionalkundigen Bestandes der
Stadtbücherei sowie des Stadtarchivs zu digitalisieren und in
der von der ThULB betriebenen
University Multimedia Electronic Library of Jena (UrMEL) zu
publizieren, zu speichern und zu
verbreiten, um diese somit einer
Vielzahl von geschichtlich interessierten Nutzern zugänglich zu
machen.
Dies ist ein erster Schritt in
Richtung elektronische Medien
in der Angebotspalette der Bibliothek für die Nutzer vorzuhalten. Einen weiteren und weitaus
bedeutenderen Schritt, die Teilnahme am Onleihe-Verbund
– dem Thüringer Bibliotheksnetz (ThueBIBnet) –, hofft die
Stadtbücherei Suhl im Jahr 2015
realisieren zu können.
Christina Kummer-Bolz
der 3-D-Drucker des fabLab. In
der Stadtbibliothek präsentierte
die Volkshochschule (vhs) Ausschnitte aus ihren Gesundheitskursen: Von Qi Gong über Smovey bis hin zu Tanz & Fitness.
»Leichte Sprache« war das
Thema des Agenturwerks der
Diakonie. Tipps zu Nutzung
des Smartphones gab es bei der
Firma Navitel. Wahlweise soMenschen aus allen Bevölke- largetriebene Rennautos oder
rungs- und Altersgruppen, insbesondere Familien, konnten
auf dem Lernfest ihren indiviAuch die Stadtbibliothek
duellen Interessen nachgehen, steuerte eigene Programmmit Spaß genießen oder auf
punkte bei.
Entdeckungstour Neues kennenlernen und eigene Stärken
Bürstenroboter konnte man
erkunden.
»Robotic zum Ausprobieren« beim VdIni-Club bauen. »Schubot das Staatsinstitut zur Aus- le im Aufbruch« informierte
bildung von Fachlehrern, in Ko- über neue Bildungsinitiativen
operation mit dem Kunstmuse- und lud zum Nachdenken über
um auch »Kunst zum Anfassen«. das aktuelle Bildungssystem
Gleich nebenan beeindruckte ein. Wie sich »Kreativ mit Re»Vorhang auf für das erste
Bayreuther Lernfest« hieß es
am 28. Juni in der RichardWagner-Straße. Unter der
Schirmherrschaft von Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe
präsentierten rund ums RW21
um die 40 Aussteller Stände und
Mitmachangebote zum Thema
»Lernen mit Spaß und Spiel«.
Mit Susanne Will passierten seit der Eröffnung im Februar 2011 eine Million Besucher die Schwelle zum RW2: Kundinnen und Kunden der Stadtbibliothek, Teilnehmerinnen und Teilnehmer der vhs-Kurse und Gäste
des Café Samocca. Es gratulierten Bianka Hoffmann (links), Leiterin des
Lernstudios im RW21, und Claudia Dostler (rechts), stellvertretende Leiterin der Stadtbibliothek.
Foto: Stadtbibliothek Bayreuth
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cycling-Material« basteln lässt,
zeigte sich am Stand der Familienbildungsstätte. Das Jobcenter informierte über TeilzeitBerufsausbildung. Das Forum
Hochbegabung lud zum Intelligenztest ein, der Blinden- und
Sehbehindertenverbund
zur
Selbsterfahrung mit der Dunkelbrille.
Recycling-Basteln
und Intelligenztest
Auch die Stadtbibliothek steuerte eigene Programmpunkte
bei: eine Sonderveranstaltung
der Bücherminis, ein Studio zur
Porträtfotografie und diverse
Vorträge, zum Beispiel zur digitalen Selbstverteidigung und
Visualisierung sowie zu Gedächtnistechniken.
Das umfang- und abwechslungsreiche Programm des
Lernfests wurde ergänzt durch
das parallel stattfindende Fest
»Wundersam anders« im Evangelischen Gemeindehaus, nur
ein paar Schritte vom RW21
entfernt.
Der Tag des Lernfestes war
gleichzeitig die Finissage der
Ausstellung »Lernschwärmen.
Heute schon gelernt?«, die das
RW21 im Juni in Kooperation
mit dem Finnischen Kulturinstitut Berlin zeigte: Freude am
Lernen, lebenslanges Lernen,
neue Lernumgebungen und
-modelle sowie die Schule der
Der Tag des Lernfestes
war gleichzeitig die Finissage
der Ausstellung »Lernschwärmen. Heute schon
gelernt?«, die das RW21 im
Juni in Kooperation mit dem
Finnischen Kulturinstitut
Berlin zeigte.
Zukunft bildeten die Themen
dieser Ausstellung. Vorgestellt
wurden unter anderem Lernund Lehrmaterialien aus Finnland, MoViE oder Mobile Video
Experience − ein Werkzeug zum
Integrieren von Videos in den
Unterricht −, das Lern-Festival
KOULUSCHOOL aus Helsinki sowie Porträts deutscher und
Fahrbücherei
finnischer Persönlichkeiten, die
zu ihrer Vision des Lernens befragt wurden.
Bereits 2006, im ersten Konzept zum RW21, damals noch
unter dem Arbeitstitel »Haus
des lebenslangen Lernens«, fand
sich die Idee zum Lernfest unter
der Rubrik »Perspektiven«. 2013
wurde dieses Projekt beim Challenge Day der Hochschule der
Medien/Stuttgart präsentiert,
stieß dort auf Interesse und entwickelte sich zur Master-Arbeit.
Nach dem Akquise-Treffen
im Herbst 2013 übernahm die
Steuerungsgruppe mit den Initiatoren RW21 Stadtbibliothek
Das Lernfest war – mit
Tausenden von Besuchern
aller Altersschichten –
ein voller Erfolg!
Volkshochschule,
Zukunftscoach Region Bayreuth, Wirtschaftsförderung der Stadt Bayreuth, Bildungsregion Bayreuth,
Evangelisches
Bildungswerk
und Lokales Bündnis für Familie die heiße Phase der Planungsarbeit.
Die Mühe und Ausdauer haben sich gelohnt: Das Lernfest
war – mit Tausenden von Besuchern aller Altersschichten – ein
voller Erfolg! Denn Lernen ist
nicht nur Pauken, sondern kann
auch Spaß machen und das Leben bereichern.
Claudia Dostler
Ein echter Hingucker: der Flensburger Bücherbus auf dem Interkulturellen Stadtfest im Juni 2014
Foto: Petra Herzig
Fahrbüchereien
Mit großer Unterstützung aus
der Sparliste gefahren
Flensburg hat einen neuen Bücherbus /
80 000 Euro spenden eingeworben
Seit 5. Mai ist er auf Tour, am
17. Mai wurde er im Rahmen
eines Bürgerfestes feierlich und
fröhlich eingeweiht: der neue
Bücherbus der Stadt Flensburg.
Er löst den fast 28 Jahre alten
bisherigen Bus der Stadtbibliothek ab.
2012 gelangte der Bücherbus
der Stadtbibliothek Flensburg
auf die Liste der Sparvorschläge der Unternehmensberatung
Rödl & Partner, die von der
Stadt Flensburg beauftragt
wurde, eine Liste möglicher
Einsparpotenziale zu erstellen.
Die Fahrbücherei sollte zum 1.
Januar 2013 eingestellt werden.
Begründung war unter anderem, dass es zumutbar sei, die
Hauptbibliothek aufzusuchen;
andere Städte mit vergleichbaren
Einwohnerzahlen hätten auch
keine Fahrbücherei (als Beispiel
wurde Gütersloh genannt). Was
nicht berücksichtigt wurde, war
die Tatsache, dass Flensburg keine weiteren Zweigstellen besitzt
und der Bücherbus auch fast alle
Grundschulen anfährt, weil es
keine Schulbibliotheken gibt.
Auf ihrer Homepage richtete
die Stadtverwaltung Flensburg
die Möglichkeit einer Meinungsabgabe zum Gutachten
ein. In den nachfolgenden Monaten nahmen viele Einwohner
die Gelegenheit wahr, Kommentare zu den Einsparvorschlägen
abzugeben. Außerdem wurden
zahlreiche Briefe geschrieben
und Unterschriften gesammelt.
Infolgedessen beschloss die
Politik, an die Bibliothek einen
Prüfauftrag »Alternative Möglichkeiten zur Fahrbücherei« zu
vergeben. In diesem Prüfauftrag
Eindeutig stellte sich die
Fahrbibliothek als kosteneffizienteste Lösung heraus.
wurden sämtliche alternative
Möglichkeiten von der Wiedereinführung von Zweigstellen
(1973 wurden die letzten drei
Zweigstellen in den Stadtteilen
Mürwik, Weiche und Fruerlund geschlossen, weil man die
Einführung einer Fahrbücherei
für effizienter hielt) über AutoBuB | 66 (2014) 10
Foyer | BuB
Fahrbücherei
maten, alternative Fahrzeuge bis
zur Bücherkiste im Klassenraum
umfassend und kritisch geprüft.
Eindeutig stellte sich die Fahrbibliothek als kosteneffizienteste
Lösung heraus.
Beschluss in Eilsitzung
Kurz vor den Kommunalwahlen
wurde der Grundsatzbeschluss
pro Fahrbücherei einstimmig in
der Ratsversammlung Flensburg
gefasst. Und dann ging es rasant
weiter: In einer Eilsitzung wurde die Ausschreibung des Bücherbusses veranlasst. Eine Bedingung wurde jedoch gestellt:
50 000 Euro sollten aus bürgerschaftlichem Engagement als
Eigenanteil geleistet werden.
Die Stadtwerke-Tochter Aktiv-Bus führte ein Bieterverfahren durch. Wichtig war in Flensburg, dass der neue Bücherbus
noch die Abgasnorm Euro 5
haben sollte und eine Ladeluke
passend zu den baulichen Gegebenheiten im Fahrbüchereimagazin. Schließlich entschied
man sich als flexibelste Lösung
für einen individuellen Aufbau
auf einem Buschassis.
Unter der Federführung des
Fördervereins der Stadtbibliothek Flensburg bildete sich ein
Runder Tisch aus Interessierten;
zum Beispiel eine Schülergruppe, die das Thema Bücherbus als
Projekt in der 12. Klasse durchführte (und auch eine FacebookSeite »Rettet den Flensburger
Bücherbus« initiierte), Schulleitern,
Kindergartenleitern,
Freundeskreis der Stadtbibliothek, Lesern und Politikern.
In der Zeit von August 2013
bis März 2014 wurden zahlreiche Veranstaltungen zugunsten
des neuen Bücherbusses durch-
geführt, wie Lesungen, Konzerte, Flohmärkte, ein Bücherbuszirkus an der Hafenspitze,
Sponsorenläufe von zwei Schulen und vieles mehr.
Ein besonderes Engagement
bewies auch die Stadtpräsidentin Swetlana Krätzschmar: Sie
schrieb Siegfried Lenz an und
erhielt die Erlaubnis, eine selten gelesene Geschichte über
die Flensburger Förde als Sonderdruck im Bild zu veröffentlichen. In einer kleinen Auflage
wurden diese Schriftbilder an
ortsansässige Unternehmen verkauft und der Erlös für den Bücherbus gespendet.
Insgesamt wurde das geforderte Spendenziel weit übertroffen, fast 80 000 Euro kamen
zusammen.
Downloadbereich http://stadt
bibliothek.flensburg.de/buecher
bus/ findet.
Petra Herzig,
Stadtbibliothek
Flensburg
Viele aktive Förderer
Doch nicht nur die finanzielle
Seite war wichtig. Entscheidend
war die Einbindung von Unternehmen, Institutionen, Bürgerinnen und Bürger – als aktive
Förderer, die sich mit Politik,
Verwaltung und den Bibliothekskollegen für einen neuen
Bücherbus verbündeten. »Ein
Beispiel für vorbildliche kommunale Mitgestaltung«, wie
es der Bürgermeister Henning
Brüggemann formulierte.
Der neue Bücherbus kann
sich sehen lassen, denn er ist
nicht nur äußerlich von dem
Comic-Zeichner Kim Schmidt
bunt gestaltet, sondern auch mit
einigen Extras wie einem Lift
für Rollstuhlfahrer und Gehbehinderte, Beamer und Leinwand
sowie WLAN für die Leser ausgestattet.
Zur Würdigung der Spender
veranlasste der Runde Tisch
Chassis
Volvo BR7
Aufbau
Kiitokori Special Vehicles, Kausala, Finnland
Design
Kim Schmidt
Medien im Bus
circa 3 500
Haltestellen
zurzeit 46 im wöchentlichen Rhythmus
in den Flensburger Stadtteilen, davon neun
Grundschulen, zwei freie Schulen und eine
Schule für geistig Behinderte
Der neue Flensburger Bücherbus in Kennzahlen
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die Erstellung eines »Goldenen Spenderbuches«, das neben
dem Spenderverzeichnis auch
eine detaillierte Darstellung,
wie Flensburg zu einem neuen
Bücherbus kam, enthält und
das man auf der Homepage der
Stadtbibliothek Flensburg im
Der neue Bücherbus ist mit einigen Extras wie einem Lift für Rollstuhlfahrer und Gehbehinderte ausgestattet.
Foto: Petra Herzig
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Karriere
Karriere
Abschied von einem
»Local Hero«
Ende Oktober geht Ulrich Moeske als Direktor
der Stadt- und Landesbibliothek Dortmund in den
Ruhestand
Im Rahmen der Kulturhauptstadt Ruhr.2010 konnten sich
die 53 Städte der Metropole
Ruhr abwechselnd jeweils eine
Woche lang mit besonderen
Kulturveranstaltungen als »Local Hero« präsentieren. Über
solchen öffentlich inszenierten
Spektakeln – so gut und anregend sie auch sein mögen – wird
meistens vergessen, dass es vor
allem die Menschen waren, die
das Gesicht des Ruhrgebiets
mit seinem besonderen Flair
geprägt haben. Das hat Heinrich Böll einfühlsam erkannt,
als er 1957/58 zusammen mit
dem Kölner Fotografen Chargesheimer durch das Ruhrgebiet
fuhr und das Vorwort zu einem
beeindruckenden Bildband
schrieb (die damaligen Fotos
sind bis zum 18. Januar 2015
im Ruhr Museum auf Zeche
Zollverein in Essen zu sehen).
Nach wie vor sind immer noch
die Menschen das Wichtigste in
dieser alten Industrieregion, die
sich seit mehr als 40 Jahren im
permanenten »Strukturwandel«
befindet. Ulrich Moeske zählt
zu diesem bemerkenswerten
Menschenschlag – mit Körper,
Geist und Seele.
Während seines Zweitstudiums
sammelte Moeske erste praktische Erfahrungen in der Universitätsbibliothek Bochum und in
der Stadtbücherei Dortmund.
Nach seinem erfolgreichen
Studienabschluss wurde er im
April 1977 als Städtischer Bibliotheksrat bei der Stadt Dortmund eingestellt. In der Stadtbücherei war er zunächst zuständig für die Koordinierung des
großen Zweigstellensystems mit
damals 18 festen Einrichtungen
und 4 Bücherbussen. In der Folge engagierte sich Moeske auch
Für Ulrich Moeske gehört zur Kultur seiner Heimat
selbstverständlich auch der
Fußball.
in Fragen der konzeptionellen
Gesamtplanung, der Aus- und
Fortbildung für das Personal,
des Informations- und Auskunftsdienstes in der Zentralbücherei und als Lektor für die
Sachgebiete Politik, Soziologie
und neueste Geschichte. Seine
hohe Fachkompetenz, seine wache Intelligenz, sein unermüdlicher Elan, sein großes Durchsetzungsvermögen und seine
ausgezeichnete politische Vernetzung mit der in Dortmund
regierenden SPD förderten seine
rasche Karriere in der Stadtbücherei Dortmund: Bereits im
April 1979 wurde Moeske zum
stellvertretenden Direktor und
mit 31 Jahren am 1. Januar 1981
zum Direktor ernannt.
In den wilden politischen Zeiten, von 1968/69 bis 1974, hat
er an der wenige Jahre zuvor
gegründeten Ruhr-Universität
in Bochum studiert: Geschichte
und Sozialwissenschaften. Nach
seinem ersten Staatsexamen für
das höhere Lehramt entschied
sich Moeske dann aber nicht für
den Schuldienst, sondern für die
Bibliothekswelt. Am 1. April
1975 wurde er Bibliotheksrefe- Mühsames Alltagsgeschäft
rendar für den höheren Bibliotheksdienst am damaligen Bib- Das Alltagsgeschäft ist auch für
liothekar-Lehrinstitut in Köln. Bibliotheksdirektoren mühsam.
Geht Ende Oktober in den Ruhestand: der Direktor der Stadt- und
Landesbibliothek Dortmund, Ulrich Moeske Foto: Markus Steur
Es erfordert ein hohes Maß an
Selbstdisziplin, die prinzipielle
Offenheit für Veränderungen,
ein dickes Fell angesichts von
regelmäßig wiederkehrenden
Anfeindungen und Zumutungen aus der Verwaltung, der Politik oder der Öffentlichkeit und
einen langen Atem bei der Verfolgung von Zielen. Solche Tugenden werden meistens übersehen, wenn man nur auf die eher
seltenen »Highlights« einer Berufskarriere blickt. Ulrich Moeske hat beides aufzuweisen: die
genannten Tugenden im Alltag
und die großen Erfolge, die richtungweisend für seine Stadt, das
Land Nordrhein-Westfalen und
die Bundesrepublik Deutschland wurden.
Dazu zählen die im Juni 1987
vom Rat der Stadt Dortmund
beschlossene Zusammenlegung
der Stadt- und Landesbibliothek
mit der Stadtbücherei, mit der
das traditionsreiche Konzept
einer wissenschaftlichen und
öffentlichen Einheitsbibliothek
revitalisiert wurde. Seit Februar 1988 war Moeske Direktor
der neuen Stadt- und Landesbibliothek. Es folgte 1995 die
Eingliederung seiner Bibliothek
in die neu gegründeten »Kulturbetriebe Dortmund«, deren
stellvertretender Geschäftsführer er 2006 wurde. Das damit
verbundene innovative Verwaltungskonzept, das einerseits
die Eigenverantwortung in der
Ressourcenverwaltung stärkte,
andererseits aber auch zu einer
Mitverantwortung für die finanziellen Fehlkalkulationen
anderer Eigenbetriebe (zum Beispiel der Museen) führt, brachte
die Stadt- und Landesbibliothek
mit elektronischen Techniken
für die Bewirtschaftung und das
Controlling in Verbindung und
öffnete die Bibliothek damit
früh für die zukunftsweisenden
neuen Informations- und Kommunikationstechnologien.
Die damit eingeleitete Entwicklung wurde in den vergangenen zwei Jahrzehnten
konsequent
vorangetrieben
und hat die Stadt- und Landesbibliothek Dortmund zu einer
der führenden Bibliotheken
bei den elektronischen Dienstleistungen werden lassen – mit
der Digitalen Bibliothek als einem hochwertigen Ausrufezeichen.
In den 1990er-Jahren wurden in Dortmund nicht nur
die
Verwaltungsstrukturen
modernisiert, sondern auch das
Stadtbild einer grundlegenden
Neuplanung unterzogen. Die
nördliche City in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs,
die noch den altmodischen Stil
der 1950er-Jahre repräsentierte,
wurde zu einem »Kulturwall«
Seine Reden in dieser Funktion waren, auch wenn der
Redefluss bisweilen ins
Stocken geriet, immer
präzise, anregend und den
jeweiligen Adressaten
freundlich zugewandt.
umgestaltet: mit dem Museum
für Kunst- und Kulturgeschichte, der Volkshochschule, dem
Konzerthaus und einem Neubau für die Stadt- und Landesbibliothek.
Niemand außer Ulrich Moeske selbst wird das Ausmaß der
Kraftanstrengung, der Sorgen
und des Ärgers kennen, die vom
Auszug aus dem 1958 errichteten »Haus der Bibliotheken« am
Hansaplatz und dessen Abriss
im Juli 1997 über die dezentraBuB | 66 (2014) 10
Foyer | BuB
Karriere
le Zwischenlagerung als »1000
Tage-Bibliothek« in den Jahren
1995/96 bis zur Eröffnung des
neuen Gebäudes am Max-vonder-Grün-Platz 1-3 auszuhalten
waren. Doch die Mühen haben
sich gelohnt. Die Eröffnung des
von dem Schweizer Stararchitekten Mario Botta entworfenen
zweiteiligen Komplexes am 19.
Mai 1999 wurde zu einem Meilenstein für die Entwicklung des
Bibliothekswesens in Deutschland.
In der markanten schwarzen
»Rotunde« mit einer transparenten Glasfassade für die Medien-
Darüber hinaus wirkte
Moeske auch auf der Bundesebene: Er war Vorsitzender der Rechtskommission
des Deutschen Bibliotheksverbands und viele Jahre
auch der Sektion 1.
präsentation und Mediennutzung auf 4 000 Quadratmeter
und dem langgezogenen Riegel
des Hauptgebäudes mit einer
eleganten Steinfassade stehen
den Nutzern insgesamt eine
Million physische Medien zur
Verfügung.
Zum Haus gehören auch die
Handschriften- und Nachlasssammlung, die Artothek, die
Dortmunder
Autorendokumentation, das 1926 gegründete
Institut für Zeitungsforschung
und das Fritz-Hüser-Institut
für Literatur und Kultur der
Arbeitswelt, das seit 1958 von
dem langjährigen Dortmunder Stadtbüchereidirektor Fritz
Hüser (1908–1979) als Archiv
aufgebaut wurde und seit 2007
im Industriemuseum Zeche
Zollern II/IV in DortmundBövinghausen beheimatet ist.
»Verbundwirtschaft« gibt es
eben nicht nur in der Industrie
des Ruhrgebiets.
Eigene Lesungen und Vorträge
Das Spektrum der Aktivitäten
und des ehrenamtlichen Engagements von Ulrich Moeske ist
damit noch keineswegs vollständig gewürdigt. In die VeranstalBuB | 66 (2014) 10
tungsarbeit des eigenen Hauses
bringt er sich regelmäßig mit
eigenen Lesungen, Vorträgen,
Buchempfehlungen und Moderationen ein. Seit 1988 ist er
Geschäftsführer des Vereins der
Freunde der Stadt- und Landesbibliothek Dortmund, der
schon seit 1913 die Öffentliche
Bibliothek finanziell und ideell
fördert. Von 1987 bis 1989 und
noch einmal von 2000 bis 2002
war Moeske Vorsitzender des
Verbandes der Bibliotheken des
Landes Nordrhein-Westfalen.
Seine Reden in dieser Funktion
waren, auch wenn der Redefluss
bisweilen ins Stocken geriet, immer präzise, anregend und den
jeweiligen Adressaten freundlich zugewandt. Für den 1947
gegründeten
Landesverband
mit seinen rund 350 Mitgliedern leitete er zudem über einen
langen Zeitraum die Arbeitsgemeinschaft der Großstadtbibliotheken.
Reisen in alle Welt
Darüber hinaus wirkte Moeske
auch auf der Bundesebene: Er
war Vorsitzender der Rechtskommission des Deutschen Bibliotheksverbands und viele Jahre
auch der Sektion 1. Dabei kam
ein weiteres Talent zum Tragen:
Moeske erkundet nicht nur
selbst gerne die Welt, sondern er
vermittelte den Bibliotheksdirektoren der 21 größten Städte
aus Deutschland, Österreich
(Wien) und der Schweiz (Zürich) im Rahmen von Reisen die
Vielfalt der bibliothekarischen
Welt in Europa und Übersee.
Ob Frankreich, New York, Kanada, Amsterdam, Österreich
oder London – überall konnten die Mitreisenden wertvolle
Erfahrungen sammeln und interessanten Berufskollegen begegnen, weil der »Reiseführer«
die Exkursionen sorgfältig vorbereitet und organisiert hatte,
einschließlich der Grundlagen
für die Finanzierung.
Für Ulrich Moeske gehört
zur Kultur seiner Heimat selbstverständlich auch der Fußball.
Daher besitzt er als treuer Fan
seit Langem eine Dauerkarte
für die Heimspiele von Borus-
sia Dortmund. Während hier
auf international höchstem Niveau gespielt wird, lassen die
wirtschaftlichen, sozialen und
finanziellen Probleme Dortmunds ebenso wie des gesamten
Ruhrgebiets einen seit Jahrzehnten schleichenden Niedergang
und eine bedauerliche intellekDiese beachtliche Lebensleistung verdient Anerkennung
und Respekt, allerdings auch
die hoffnungsvolle Erwartung, dass man den hinterlassenen Bibliotheksschatz in
Dortmund weiterhin pflegt.
tuelle Provinzialisierung erkennen (wobei Letzteres keineswegs auf diese Region begrenzt
ist).
Die Kultur und die Bibliotheken bleiben davon leider nicht
verschont: Sie waren und sind
aufgrund der hohen Verschuldung aller Ruhrgebietskommunen und der »Freiwilligkeit«
ihrer Dienstleistungen von einem kontinuierlichen Rückbau
der Infrastruktur bedroht. Die
Wehmut, den Schmerz, die Wut
und die sanfte Resignation, die
so etwas bei einem leidenschaftlichen Bibliothekar wie Ulrich
Moeske auslösen, sind sehr gut
nachvollziehbar. An der positiven Bilanz nach 37 Berufsjahren
ändert dies überhaupt nichts.
Diese beachtliche Lebensleistung verdient Anerkennung
und Respekt, allerdings auch die
hoffnungsvolle Erwartung, dass
man den hinterlassenen Bibliotheksschatz in Dortmund weiterhin pflegt. Wir werden den
fachlich kompetenten, politisch
versierten und mit viel Humor
ausgestatteten Kollegen in unserem Kreis in jedem Fall sehr
vermissen.
Dr. Jan-Pieter Barbian
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674
BuB | Foyer
Tagung
Tagung
Chansons, Champagner und
neue Chancen für Bibliotheken
Zu Gast beim französischen Bibliothekskongress in
Paris / 100 Vorträge und 800 Besucher
Der 60. Kongress des französischen Berufsverbands der
Bibliothekare (Association des
Bibliothécaires de France – ABF)
hat vom 19. bis 21. Juni im
Pariser Kongresszentrum an
der Porte de Versailles stattgefunden und stand unter dem
Motto »Bibliotheken, neue
Berufsbilder, neue Kompetenzen«. Parallel zum umfangreichen Kongressprogramm mit
mehr als 100 Vorträgen und
Workshops präsentierten circa
70 Firmen der Bibliotheks-,
Buchhandels- und IT-Branche
den rund 800 Besucherinnen
und Besuchern ihre innovativen
Produkte und Dienstleistungen.
Auf Einladung der ABF und mit
finanzieller Unterstützung des
Berufsverbands Information
Bibliothek (BIB) besuchten Petra
Staab (SULB Saarbrücken) und
Christelle Lazarevic (Stadtbibliothek Saarbrücken) das
internationale Kolloquium und
berichten im Folgenden.
Seit vielen Jahren ist der Kongress der ABF ein wichtiger Bestandteil der beruflichen Fortbildung von Bibliothekaren in
Frankreich. Der Verband wurde 1906 ins Leben gerufen und
umfasst mittlerweile rund 3 000
Mitglieder.
In ihrer Eröffnungsrede erinnerte die französische Ministerin für Kultur und Kommunikation Aurélie Filippetti
daran, dass 2014 das »Jahr der
Bibliotheken« in Frankreich
ist. In diesem Zusammenhang
stellte sie konkrete Maßnahmen
zur Bewältigung der neuen Herausforderungen für Bibliotheken vor. ABF-Präsidentin Anne
Verneuil griff in ihrer Begrüßung Filippettis Äußerung auf
und erklärte 2014 ebenfalls zum
Jahr der Bibliothekare, da diese
die Hauptakteure seien, die den
neuen Entwicklungen und Anforderungen Rechnung tragen
müssten.
Die drei Themenstränge
»Nouveaux profils, nouvelles
représentations« (Neue Profile,
neue Darstellungen), »Frontières
du métier« (Grenzen des Berufs)
und »Compétences et formations« (Kompetenzen und Ausbildung) machen die Bandbreite
der Inhalte deutlich, die für die
Teilnehmer von Interesse waren.
Allerdings lag der Schwerpunkt
eindeutig auf Themen der Öffentlichen Bibliotheken. Aspekte aus dem wissenschaftlichen
Bereich wurden meist nur im
Themenkreis Aus- und Weiterbildung angesprochen.
Neue Profile und Kompetenzen
Aus den Vorträgen und Diskussionen ging hervor, dass an
Bibliothekare heutzutage mehr
Anforderungen gestellt werden und der Bibliothekar des
21. Jahrhunderts immer mehr
als Informationsvermittler auf
vielen Ebenen wahrgenommen
wird. Die öffentlichen Träger in
Frankreich sehen Bibliothekare
zunehmend als kulturelle Akteure und erwarten von ihnen
Managerqualitäten.
So ist es in Frankreich zum
Beispiel keine Seltenheit, dass
Bibliotheksleiter in Kommunen
auch noch andere Leitungsfunktionen im kulturellen Bereich
übernehmen. Zudem stehen
Bibliotheken heutzutage in einer neuen Art von Wettbewerb
mit kommerziellen digitalen
Diensten wie Wikipedia oder
Amazon. Darauf müssen die
Bibliotheken reagieren und sich
neu positionieren.
So sollte die Bibliothek der
Zukunft in E-Learning, aber
An der Eröffnungsveranstaltung nahm unter anderen auch die französische Ministerin für Kultur und Kommunikation Aurélie Filippetti teil.
auch in Lernangebote vor Ort
investieren. Der Slogan »LebensLangesLernen« ist in französischen Bibliotheken schon
längst kein Fremdwort mehr.
Bibliotheken müssen sich auch
immer mehr als soziale Orte sehen, offen für Diskussionen und
Vorträge, aber auch offen für
alle Generationen und Gesellschaftsschichten.
Obwohl ein Bibliotheksgesetz in Frankreich Kommunen verpflichtet, Öffentliche
Bibliotheken zu unterhalten,
kämpfen diese heutzutage doch
um ihre Attraktivität und müsDie anstehende Gebietsreform wird ebenfalls Auswirkungen auf die Bibliothekslandschaft Frankreichs
haben.
sen versuchen, ihre Reichweite
auszudehnen. Die wachsende
Zusammenarbeit von Öffentlichen Bibliotheken mit anderen
kulturellen Institutionen und
Schulen bietet die Möglichkeit,
daraus resultierende Synergien
zu nutzen und so beispielsweise
den Benutzerkreis zu erweitern.
Das Integrieren von Ehrenamtlichen und
Berufsfremden wie etwa Pädagogen oder
Künstlern stellt eine weitere Chance dar. Neben ihren
klassischen bibliothekarischen
Funktionen müssen sich Bibliotheksmitarbeiter außerdem
in neuen Aufgaben versuchen,
so zum Beispiel als Webmaster
oder Grafiker.
Weitere Vorträge haben das
Thema »Kompetenzen und
Ausbildung« anhand von Erfahrungsberichten zu beleuchten
versucht. Neben den sozialen,
wissenschaftlichen,
methodisch-fachlichen oder kulturellen Kompetenzen müssen sich
Bibliotheksmitarbeiter
heutzutage auch technologisches,
betriebswirtschaftliches
und
IT-Wissen aneignen. Teilweise
sind auch pädagogische Grundkenntnisse für die Arbeit mit
Schülern erforderlich. Deshalb
wurde verstärkt an die Teilnehmer appelliert, neben fachlicher
Weiterbildung auch fachübergreifende Bildungsmaßnahmen
wahrzunehmen.
Begrüßung mit Chansons
Neben dem reinen Fachprogramm gab es weitere Höhepunkte: Gleich zu Beginn
wurden die Teilnehmer mit
Akkordeonklängen bekannter
französischer Chansons begrüßt.
Der französische Bestsellerautor David Foenkinos stellte
seine neueste Publikation vor.
Darin beschäftigt er sich mit
dem tragischen Schicksal der
Berliner Malerin Charlotte SaBuB | 66 (2014) 10
Foyer | BuB
Ausbildung
lomon, die 1943 nach Auschwitz deportiert wurde. Die Geschichte der Künstlerin ist schon
seit acht Jahren Thema seiner
Recherchen.
Zwischen den Vorträgen
hat die Pariser Improvisationstruppe »Ligue Majeure
d’improvisation« mit besonders
Aufgrund der – verglichen mit dem Deutschen
Bibliothekartag – relativ
geringen Teilnehmerzahl
herrschte eine besonders
familiäre Atmosphäre auf
dem Kongress.
ausgefallenen und auf Bibliotheken zugeschnittenen Sketchen
für Unterhaltung gesorgt.
Erwähnenswert im fachlichen Bereich ist auch die Debatte rund um den Verleih elektronischer Medien. Leider sperren
sich immer noch viele Verlage in
Frankreich gegen die Ausleihe
von E-Books an Bibliotheken.
Dadurch und obwohl der Staat
die Kommunen mit Fördermitteln für den Ausbau der ITSysteme und den elektronischen
Ressourcen in Bibliotheken unterstützt, ist das Angebot an digitalen Medien in Öffentlichen
Bibliothek derzeit noch relativ
begrenzt – und stellt lediglich
ein Zehntel des Bestandes dar.
Hinzu kommt, dass die Budgets
der Kommunen immer knapper
werden.
Außerdem sind der aktuelle
rechtliche Rahmen und die damit verbundenen Bedingungen
der Bereitstellung elektronischer
Medien in Bibliotheken unbefriedigend. In diesem Zusammenhang hat der Direktor des
europäischen Bibliotheksverbands EBLIDA (European Bureau of Library, Information and
Documentation) Vincent Bonnet die Kampagne »The Right
to E-Read« auf dem Kongress
präsentiert.
Ein weiteres umstrittenes
Thema betrifft die geänderten
Schulzeiten in Frankreich und
ihren Einfluss auf die Öffentlichen Bibliotheken. Seit September ist der schulfreie Mittwoch
abgeschafft und die Fünf-TageWoche wieder eingeführt. Dadurch wird für die Betreuung
der Kinder mehr Personal gebraucht. Dies kann dazu führen,
dass die Mitarbeiter der Öffentlichen Bibliotheken Nachmittagsbetreuungen übernehmen
müssen.
DieanstehendeGebietsreform
wird ebenfalls Auswirkungen
auf die Bibliothekslandschaft
Frankreichs haben. Im Zuge
der geplanten Gebietsreform
wird unter anderem die Zahl
der französischen Regionen von
bisher 22 auf 14 verringert. Die
Der 60. Kongress des französischen Berufsverbands der Bibliothekare
ABF fand im Pariser Kongresszentrum an der Porte de Versailles statt.
Fotos: Christelle Lazarevic
BuB | 66 (2014) 10
Reduzierung der vielschichtigen
Verwaltungsebenen soll einen
Wachstumsschub für das ganze
Land bewirken. Die Verlagerung der Zuständigkeiten von
Kommunen zur Region geht mit
weitreichenden Konsequenzen
für Bibliotheken einher. Die Reform kündigt unter anderem das
baldige Ende der Départements
an, was auch die Schließung der
Département-Leihbibliotheken
(Bibliothèques départementales
de prêt) – die die Anlaufstellen
(Points de lecture) in den Gemeinden versorgen – bedeuten
würde (siehe hierzu auch den
Beitrag in BuB-Heft 7/8-2014,
Seite 560).
Ausbildung
Mehr als 1 600
FaMI-Auszubildende im
Öffentlichen
Dienst
Jahrestagung der Zuständigen Stellen für
den Ausbildungsberuf
in Hamburg / Teilweise
bereits Mangel an Nachwuchskräften
Gemeinsames Mittagessen
Aufgrund der – verglichen mit
dem Deutschen Bibliothekartag
– relativ geringen Teilnehmerzahl herrschte eine besonders
familiäre Atmosphäre auf dem
Kongress. Fast alle versammelten sich zum gemeinsamen
Mittagessen, das vorher gebucht
werden musste. Am Tisch mit
anderen Gästen bestand so die
Möglichkeit, über Erfahrungen
in den eigenen Einrichtungen
Zur Feier des
60. Kongresses wurde
am Festabend eine Torte aus
Macarons angeschnitten und
zur Verkostung angeboten.
und über spezifische Probleme
zu diskutieren.
Zur Feier des 60. Kongresses
wurde am Festabend eine Torte aus Macarons angeschnitten
und zur Verkostung angeboten.
Ein Buffet mit Fingerfood und
diversen Getränken rundete den
Abend ab, an dem eine SwingSoul-Band aus Paris für die musikalische Umrahmung sorgte.
Die Gastfreundschaft der Aussteller war besonders daran zu
erkennen, dass nahezu an jedem
Stand Champagner, Wein und
kleine regionale Spezialitäten
gereicht wurden.
Christelle Lazarevic,
Petra Staab
2014 fand die Tagung der
Zuständigen Stellen für die
Fachangestelltenausbildung
im Öffentlichen Dienst vom
5. bis 7. Mai in Hamburg statt.
Die Konferenz begann bereits
am Nachmittag des Anreisetages mit einem Workshop zum
Thema Zwischenprüfung. Zu
diesem Zweck standen den
Teilnehmern die im Jahr 2013
gestellten Aufgabensätze in
den Ländern zum Teilbereich
»Beschaffen und Erschließen«
zur Verfügung.
Ziel des Schwerpunktthemas
war nicht die Verabschiedung
konkreter Handlungsempfehlungen, sondern vielmehr ein
Zusammentragen von Problematiken und die Öffnung eines
Weges nicht in Richtung einer
bundeseinheitlichen, aber zu
besser vergleichbaren Prüfungen. Dies auch, da bisher bundeslandübergreifende Kooperationen zwischen Prüfungsausschüssen nur sehr vereinzelt
stattfinden.
Regionale Unterschiede zeigen sich schon im Vorfeld, bei
der Erstellung der Aufgaben für
die Zwischenprüfung, vor allem
in Bezug auf die Art und Intensität der Einbeziehung von Lehrkräften der beruflichen Schulen,
zudem sind die Arbeiten nicht in
allen Bundesländern fachrichtungsübergreifend angelegt.
Als pädagogische Prüfung
soll die Zwischenprüfung den
675
676
BuB | Foyer
Ausbildungsstand zum Prüfungstermin feststellen, Defizite
erkennen lassen und damit gegebenenfalls auch Einfluss auf den
weiteren
Ausbildungsverlauf
nehmen. Abgeprüft werden die
laut Ausbildungsrahmenplan
innerhalb der ersten anderthalb
Jahre zu vermittelnden Kenntnisse und Fertigkeiten.
Die der Zwischenprüfung
zugrundliegende Ausbildungsordnung und der Ausbildungsrahmenplan sind bundesweit
einheitlich, die Lehrpläne der
berufsbildenden Schule aufgrund der Kulturhoheit der Länder nicht unbedingt vergleichbar. Eine prüfungsrelevante
Bevorzugung der Berufsschule
bei der Erstellung der Prüfungsaufgaben innerhalb der dualen
Ausbildung ist auch deshalb
weder vom Verordnungsgeber
geplant gewesen noch zielführend, darüber hinaus sollte sich
das Abprüfen schulischer Inhalte auf ausbildungsrelevante
Kenntnisse beschränken.
Nun erwarten Auszubildende zu Recht eine Vorbereitung
auf die Zwischenprüfung. In
verschiedenartiger Ausprägung
findet diese in Abhängigkeit von
Ausbildungsquantitäten
und
regionalen Begebenheiten statt,
in erster Linie durch die Ausbildungseinrichtungen, teilweise
auch in der Berufsschule beziehungsweise durch die Zuständigen Stellen. Schwierigkeiten bei
der Bearbeitung ergeben sich für
die Nachwuchskräfte vor allem
bei Fragestellungen, die offene
Erläuterungen erfordern.
Ein Feedback nach Abschluss
des Prüfungsverfahrens ist unabdingbar auch bei zufriedenstellenden Resultaten. Allerdings liegen die Ergebnisse der
Zwischenprüfungen in mehreren Bundesländern im Bereich
der Note ausreichend.
Wenn die Zwischenprüfungsarbeiten wie in der Mehrzahl
der Bundesländer den Auszubildenden nicht zurückgegeben
werden, sondern bei der Zuständigen Stelle/durchführenden
Berufsschule verbleiben, empfehlen sich zentrale Einsichtstermine für die Auszubildenden,
bei denen die gestellten Prü-
Ausbildung
fungsfragen besprochen werden. Selbstredend wäre es hilfreich, wenn auch die Ausbilder
in die Arbeiten Einsicht nehmen
könnten, und schlussendlich
sollte eine Rückkoppelung auch
an die Aufgabenersteller gehen.
Ungeachtet der Gefahr des
»Verbrennens« von Prüfungsaufgaben, wenn diese in irgendeiner Form öffentlich gemacht
werden, sollten sowohl Nachwuchskräfte als auch Ausbilder
wissen, was in den Prüfungen
erwartet wird. Dies könnte
geschehen, indem als Minimum Musterprüfungen auf die
Homepage von Zuständiger
Stelle/Berufsschule gestellt werden und auf diese dann auch die
Ausbildungsverantwortlichen
hingewiesen werden.
Diskussionsbedarf in Sachen
Prüfungswesen gab es wegen der
zunehmend schwierigeren Gewinnung von neuen ehrenamtlichen Prüfungsausschussmitgliedern und des möglichen Nachteilsausgleichs für Prüflinge, der
aufgrund ärztlich attestierter
Einschränkungen gewährt werden kann und bei gleichbleibenden Inhalten vorrangig aus
Zeitverlängerungen oder Inanspruchnahme von Hilfsmitteln/
Hilfspersonen besteht.
Auch wurden Fragen zur
Überstellung von Prüflingen
und das dann praktizierte Verfahren der Entscheidung über
die Zulassung zur Prüfung behandelt.
Ausbildung in allen Ländern
möglich
Nächste
Tagungsordnungspunkte waren die Sachstandsberichte, Neuigkeiten, Erfahrungsberichte und Fragen aus
der Ausbildungsberatung der
aus Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern, Baden-
Abbildung 2. Zahl der Ausbildungsanfänger bundesweit (FaMI-Öffentlicher Dienst)
Abbildung 1. Zahl der im Öffentlichen Dienst ausgebildeten FaMIs
Württemberg, Brandenburg,
Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen und
Schleswig-Holstein angereisten
Vertreter der Zuständigen Stellen, ergänzt durch die Verantwortlichen vom Bundesverwaltungsamt und natürlich durch
die Gastgeber.
Nachqualifizierungsangebote (zur Vorbereitung auf die
Externenprüfung zum FaMI)
für langjährig im ABD-Bereich
Beschäftigte gibt es in Berlin,
Niedersachsen und Hessen;
für den Archivsektor läuft seit
Herbst 2013 der 5. Lehrgang in
Cottbus.
Eine Ausbildungsmöglichkeit zu Fachkräften für Medien- und Informationsdienste der
Fachrichtung Archiv bietet das
Berufsbildungswerk des Oberlinhauses in Potsdam weiterhin
für Körper- und Mehrfachbehinderte nach Paragraf 66 Berufsbildungsgesetz (BBiG) an.
Umschulungsträger bieten für
die Fachrichtung Medizinische
Dokumentation unter anderem
in Essen Qualifizierungsmaßnahmen an, in Leipzig findet
eine in Fachkreisen nicht unumstrittene Umschulung für die
Fachrichtung Bibliothek seitens
eines privaten Anbieters statt.
Die Ausbildungslandschaft
insgesamt hat sich zwischenzeitlich gewandelt. Zunächst
einmal ist in allen Bundesländern die Ausbildung zum
Fachangestellten möglich, auch
im tabellarisch nicht erfassten
Saarland gibt es vereinzelte Ausbildungsstellen. 37 Prozent aller
Auszubildenden kommen dabei
aus Nordrhein-Westfalen und
Baden-Württemberg. Die einzelnen Fachrichtungen sind in
der bereits vertrauten Weise so
verteilt, dass die Bibliotheksausrichtung mit fast 80 Prozent an
der Spitze liegt. Die Schlusslichter bilden die Fachrichtungen
Bildagentur und Medizinische
Dokumentation, hier bietet
auch nicht jedes Bundesland
Ausbildungsmöglichkeiten.
Allgemein haben die Ausbildungseinrichtungen vielerorts
zunehmend Schwierigkeiten bei
der Besetzung der Ausbildungsplätze mit geeigneten Kandidaten, auf der anderen Seite ziehen
sich vor allem kleinere Kommunen aufgrund einer angespannten finanziellen Lage aus der
Ausbildung zurück. Zum Teil
beteiligen sich die Zuständigen
Stellen auch an Promotionstouren und Ausbildungsbörsen.
Bisher spiegeln sich auf den
ersten Blick jedoch weder der
demografische Wandel noch
BuB | 66 (2014) 10
Foyer | BuB
Nachrichten
der Rückzug einzelner Ausbildungsträger in den hier nivellierend wirkenden bundesweiten Anfängerzahlen wieder. Zu
beachten ist allerdings, dass hier
insgesamt vermehrt gemeldete
Rückgänge nicht auftauchen, da
bei den erhobenen Zahlen der
Bereich der Privatwirtschaft außenvorbleibt.
In Summe befanden sich im
Mai dieses Jahres 1 633 Nachwuchskräfte in einer FaMI-Ausbildung bei einem Ausbildungsträger des Öffentlichen Dienstes. Vor sieben Jahren wurden
auf der damaligen Jahrestagung
der Zuständigen Stellen 1 659
Auszubildende ermittelt.
Beim Vergleich mit den 2007
erhobenen Zahlenwerten für den
Öffentlichen Dienst * ist dabei
der zunächst marginal erscheinende Rückgang von 1,5 Prozent
bemerkenswert aufgrund der
Tatsache, dass zwischenzeitlich
Bayern und Schleswig-Holstein
ihre Ausbildung für den mittleren Bibliotheksdienst beendet
haben und zur dualen Fachangestelltenausbildung gewechselt
sind. Der prozentuale Verlust
erhöht sich beim Herausnehmen der Zahlenwerte der beiden
Bundesländer auf immerhin 7,5
Prozent.
Prognosen für die weitere
Entwicklung der Auszubildendenzahlen lassen sich daraus nur
sehr bedingt herleiten. Ob es
zu weiteren Rückgängen kommen wird, hängt hauptsächlich
von politischen Entscheidungen der Verantwortlichen vor
Ort ab. Denn bereits jetzt zeigt
sich vielerorts ein Nachwuchskräftebedarf, auch wenn sich
die
Beschäftigungssituation
nach Ausbildungsende je nach
Region höchst unterschiedlich
darstellt. Immerhin: Die Übernahmequote hat sich insgesamt
leicht verbessert.
*
Vgl. Karin Holste-Flinspach,
Bernd Willershausen: Zahl der
Lehrverträge steigt: Bundestagung der zuständigen Stellen für
Aus- und Fortbildungsangelegenheiten im Bereich Medien- und
Informationsdienste. In: BuB
59(2007)7/8, S. 506–508
BuB | 66 (2014) 10
Niveau des Unterrichts steigt
Bei den eingestellten Bewerbern ist nicht nur in NordrheinWestfalen ein Ansteigen der
Schulabschlüsse zu beobachten
– mit Auswirkungen auch auf
das Niveaus des Berufsschulunterrichts und mehr Anträgen auf
Abkürzung der Ausbildungszeit. Zudem gibt es vielfach ältere Bewerber, die gegebenenfalls
auch an einer Teilzeitausbildung
Interesse zeigen. Auch sind vermehrt
Ausbildungsabbrüche
festzustellen.
Weitere Themen der Jahrestagung waren die Begabtenförderung und das Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz (»Anerkennungsgesetz«) mit bisher
nur wenigen Anträgen.
Das Niveau des Deutschen
Qualifikationsrahmens (DQR)
wird für die Absolventen einer
dualen Erstausbildung in den
meisten Bundesländern nicht
vor 2015 auf den Abschlusszeugnissen eingetragen. Für die Einordnung der Fortbildungsberufe
wird demnächst eine allgemeine
Festlegung des Bundesinstituts
für Berufsbildung erwartet,
ziemlich wahrscheinlich wird
den Fachwirten das Niveau
DQR 6 zugewiesen.
Von Interesse waren auch
Hinweise zur speziellen Qualifizierung und Weiterbildung der
Ausbilder neben den von allgemeinen Trägern angebotenen
allgemeinen AEVO-Prüfungen.
Hier werden in Hamburg sogenannte zweitägige RefresherKurse angeboten, bei der Bundesverwaltung gibt es Trainthe-trainer-Seminare und in
Bayern verschiedene Angebote
der Qualitätszirkel für Ausbildung sowie in Rheinland-Pfalz
ein Kurs aufbauend auf den
AEVO-Lehrgang für Auszubildende mit Behinderungen/Beeinträchtigungen.
Und da es auch künftig viele
wichtige Themen zu besprechen
geben wird, findet die Jahrestagung 2015 ihre Fortsetzung
in Potsdam, wiederum im Tagungsformat mit einem vorgeschalteten Workshop.
Karin Holste-Flinspach,
Frankfurt am Main
Nachrichten
Neue Website für
»Lesen macht stark«
Berlin. Seit Juli ist der neue
Kampagne »Netzwerk
Bibliothek« gestartet
Berlin. »Netzwerk Bibliothek«
ist eine Kampagne, die digitale
Services, Angebote und Veranstaltungen der Bibliotheken für
die nächsten drei Jahre sichtbar
macht. W-Lan, E-Learning, EBook-Ausleihe, Internetführerscheine, Gamelounges, OnlineDatenbanken, Open Access,
Science 2.0, Apps, Netzwerke,
Lernplattformen und soziale
Medien: Diese und viele weitere
Angebote sind es, über die die
Öffentlichkeit noch mehr erfahren soll. Die neue KampagnenWebseite ist mit einer Betaversion am 1. Oktober gestartet, die
Vollversion geht am 23. April
2015 online. Weitere Informationen unter: www.bibliotheks
verband.de/dbv/kampagnen/
netzwerk-bibliothek.html
Dossier zu TTIP
Berlin. Die täglich erscheinen-
den Hintergrundinformationen
und die seit Sommer vergangenen Jahres in der Zeitung des
Deutschen Kulturrates »Politik
& Kultur« erschienen Beiträge zu den Verhandlungen über
das
Freihandelsabkommen
zwischen der EU und den USA
(TTIP) sind ab sofort in einem
Dossier des Deutschen Kulturrats (www.kulturrat.de/dossiers/ttip-dossier.pdf) gesammelt.
Die Beiträge spiegeln die verschiedenen Diskussionsphasen
zu TTIP wider und geben damit
einen Einblick in die politische
Debatte zu diesem Abkommen.
Das
Freihandelsabkommen
würde auch für Bibliotheken
gravierende Änderungen mit
sich bringen. Einzelheiten und
Hintergründe zu TTIP wird
BuB deshalb in einem eigenen
Themenschwerpunkt in der
kommenden Ausgabe vorstellen.
Internetauftritt zum Projekt
»Lesen macht stark: Lesen und
digitale Medien« online: www.
lesen-und-digitale-medien.de.
Auf der Website finden sich
übersichtlich aufbereitet die
wichtigsten Informationen zum
Projekt, zur Antragsstellung und
zur Durchführung. Zahlreiche
Praxisbeispiele verschaffen einen Überblick über die vielfältigen Aktionen und bieten Anreiz
und Inspiration für eigene Projektumsetzungen. Zusätzlich
werden Tipps, Handreichungen
und Links rund um das Thema
»Leseförderung mit digitalen
Medien« zur Verfügung gestellt.
Nachlass von
Fischer-Dieskau
Berlin. Der Nachlass des vor
zwei Jahren verstorbenen Sängers, Dirigenten und Schriftstellers Dietrich Fischer-Dieskau
wurde der Staatsbibliothek zu
Berlin von seiner Witwe Julia
Varady als Geschenk übergeben.
Noch zu Lebzeiten hatte Fischer-Dieskau (1925–2012) verfügt, dass sein Nachlass in seiner
Heimatstadt Berlin, wo er viele
Höhepunkte seines Schaffens
erlebt hatte, verbleiben und dort
der Forschung zur Verfügung
stehen soll. Fischer-Dieskau
wurde auf den großen Bühnen
der westlichen Welt als herausragender Lied- und Opernsänger gefeiert. Als Schriftsteller
befasste er sich vielfach mit
Musiktheorie und -geschichte.
Seit 1983 hatte er eine Professur
an der Hochschule der Künste
Berlin inne. Der Inhalt von über
100 Nachlasskisten wird jetzt
gesichtet und für die Erfassung
in der Datenbank der Nachlässe
vorbereitet.
Neues Bibliotheksgesetz
Den Haag (Niederlande). Das
niederländische Parlament hat
ein neues Gesetz für Öffentliche Bibliotheken verabschiedet.
Kernpunkt ist die Anpassung
der bisherigen gesetzlichen Re-
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BuB | Foyer
gelungen im Bibliotheksbereich
an die digitale Realität. Unter
anderem werden der Umfang
der künftigen digitalen Bibliothek in den Niederlanden und
ihre Finanzierung geregelt. Darüber hinaus soll mit dem neuen Gesetz die Zusammenarbeit
aller Beteiligten im nationalen
Bibliotheksnetz verbessert und
vor allem die Abstimmung mit
der Nationalbibliothek erleichtert werden. Wenn der niederländische Senat im Herbst dem
Gesetz zustimmt, dann wird es
zum 1. Januar 2015 in Kraft treten.
Protestbrief an Elsevier
Den Haag (Niederlande). Be-
Nachrichten
Öffentliche Bibliothek
Auszeichnung für Gemeindebibliothek Grünwald
Die Landesfachstelle für öffentliche Bibliotheken/Bayerische
Staatsbibliothek hat – wie auch
in den Jahren zuvor – einen Leistungsvergleich bayerischer Öffentlicher Bibliotheken erstellt.
In der Kategorie der Kommunen von 10 000 bis 20 000 Einwohnern belegt die Gemeindebibliothek Grünwald wieder
den Spitzenplatz und punktet vor allem bei den entliehenen Medien. 22,4 Medien hat
jeder Grünwalder Bürger 2013
durchschnittlich ausgeliehen.
Das wird von keiner Öffentlichen Bibliothek in Bayern übertroffen und zeigt, dass die Gemeindebibliothek mit ihrem aktuellen und kundenorientierten
Bestand richtig liegt. Acht Euro
Erwerbungsetat investiert die
Gemeinde Grünwald pro Einwohner. Auch die veröffentlichten BIX-Ergebnisse 2014 bestätigen die Leistungen der Grünwalder Gemeindebibliothek: Es
gab dreimal Gold – für die Kategorien »Angebote«, »Nutzung«
und »Entwicklung«.
reits Anfang Juli hat LIBER
zusammen mit 17 weiteren
Organisationen aus Forschung
und Bibliothekswesen in Europa mit einem offenen Brief
die Elsevier-Verlagsgruppe zur
Revision ihrer aktuellen Strategie zu Text and Data Mining
(TDM) aufgefordert. Mittlerweile wird dieses Anliegen von
mehr als 30 weiteren UnterzeichnerInnen unterstützt, darunter 33 Fachgruppen sowie
Einzelpersonen aus Forschung,
Lehre und Bibliothek in 18 europäischen Ländern. Elsevier reagierte schon im Juli mit einem
Antwortschreiben. Dennoch ist
es Institutionen und Fachleuten
Das Team der Gemeindebibliothek Grünwald mit Bürgermeister Jan
weiterhin möglich, die Initiative
Neusiedl (Mitte) und Bibliotheksleiterin Gabriele Oswald (Zweite
durch ihre Unterschrift mitzuvon rechts)
Foto: Gemeinde Grünwald
tragen. Weitere Informationen:
www.bibliotheksportal.de/ser
vice/nachrichten/einzelansicht/
article/text-and-data-mininginternationaler-protestbrief-an- im höchsten Grade demonst- Metadaten über Periodika
riert, die sich auszeichnet durch unter CC0 1.0 verfügbar
elsevier.html
Kreativität und Innovation bei
der Entwicklung spezieller Ge- Frankfurt am Main. Bereits
Bibliothek
meinschaftsprogramme
und seit Juni ist der größte Teil der
des Jahres 2014
vor allem auch durch einen Metadaten der ZeitschriftendaEdmonton (Kanada). Die Pub- dramatischen Anstieg der Bib- tenbank (ZDB) unter den Belic Library in Edmonton ist von liotheksbenutzung sowie die dingungen »Creative Commons
der Zeitschrift »Library Journal« hohe Anzahl von Programmen, Zero (CC0 1.0)« verfügbar. Daund dem Verlag Gale Cenga- die von anderen Bibliotheken mit sind rund 1,7 Millionen Tige Learning zur »Library of the übernommen werden können. teldaten in allen Sprachen und
Year 2014« ernannt worden. Es Das Bibliotheksdesign und die ohne zeitliche Einschränkung
ist das erste Mal, dass eine Bib- Innenausstattung der Sieger- mit über 13 Millionen Besitzliothek außerhalb der USA diese Bibliothek ist wesentlich vom nachweisen für die WeiterverAuszeichnung erhält. Der Preis deutschen Bibliothekszulieferer wendung freigegeben. Die Freiehrt eine Bibliothek, die den Schulz Speyer entworfen wor- gabe bezieht sich ausdrücklich
Dienst an der Gemeinschaft den.
auch auf die kommerzielle Nut-
zung. Durch diesen Schritt wird
die Nachnutzung der qualitativ
hochwertigen Metadaten der
weltweit größten Datenbank für
Titel- und Besitznachweise fortlaufender Sammelwerke, also
von Zeitschriften, Zeitungen,
Schriftenreihen und anderen
periodisch erscheinenden Veröffentlichungen in gedruckter
und elektronischer Form, für jedermann möglich. Betrieb und
Weiterentwicklung der ZDB
erfolgt in gemeinsamer Verantwortung durch die Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer
Kulturbesitz und die Deutsche
Nationalbibliothek.
Tochtermann berufen
Kiel/Hamburg. Professor Klaus
Tochtermann, Direktor der
Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften (ZBW)
und Professor für Neue Medientechnologien am Institut für Informatik an der Universität Kiel,
ist von der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK)
in den Rat für Informationsinfrastrukturen berufen worden.
Tochtermann ist bereits aktiv im
Ausschuss für wissenschaftliche
Bibliotheken und Informationssysteme (AWBI) der Deutschen Forschungsgemeinschaft
(DFG). Mit der Berufung durch
die GWK ist die ZBW nun in
relevanten nationalen Gremien
vertreten, um in den nächsten
Jahren deutsche Forschungspolitik mitzugestalten.
Kostbarer Atlas erworben
München. Mit Unterstützung
durch die Kulturstiftung der
Länder und weitere Förderer
konnte die Bayerische Staatsbibliothek für rund 1,4 Millionen
Euro einen kostbaren Sammelatlas aus Privatbesitz erwerben.
Dieser sogenannte Lafreri-Atlas
enthält 191 Karten von den
namhaftesten italienischen Kartenstechern, vor allem aus dem
Haus Bertelli. Durch den Ankauf wurden die Zerlegung und
der Einzelverkauf verhindert.
Antonio Lafreri (1512–1577)
war ein italienischer Verleger
und Kartenhändler, der erstmals
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Atlanten in einem einheitlichen
Format herausgab. Im Gegensatz zu neueren Verlagsatlanten
sind solche Sammelatlanten fast
durchweg Unikate. Das Kartenwerk beinhaltet unter anderem
die erste gedruckte großmaßstäbige Karte Südamerikas und die Oktober
erste Karte Nordamerikas, die
erstmals auch die NordwestpasVon Hashtag-Usern, Nerds
sage zeigt.
Fortbildung
Neue Zensurfälle
in Singapur
Singapur. Die staatlichen Behörden haben im Juli zwei Kinderbücher über gleichgeschlechtliche Paare aus den Büchereien
verbannt. Das Vorgehen des
nationalen
Bibliotheksamtes
löste eine Welle des Protests aus,
wie die »taz« am 11. Juli berichtete. Homosexualität ist in dem
konservativ-autoritären Stadtstaat verboten. Eines der beiden
Bilderbücher erzählt von zwei
männlichen Pinguinen, die gemeinsam ein Junges aufziehen.
Das Bibliotheksamt begründete
sein Vorgehen mit einem »familienfreundlichen« Ansatz bei
der Auswahl der Kinderbücher.
Im vergangenen Jahr hatte der
größte internationale Kongress
der Bibliothekare, der IFLAWeltkongress, in Singapur stattgefunden. Zentrale Themen der
IFLA-Beratungen sind in jedem
Jahr die Meinungs- und Informationsfreiheit.
und Gamern – Twitterlesung,
Gaming-Events Co.
6. Oktober – Hannover, Akademie des Sports · BuB 9/2014
Gut geplant ist halb gewonnen: Projektmanagement
light
7. Oktober – Lüneburg, Büchereizentrale Niedersachsen ·
BuB 9/2014
Gut geplant ist halb gewonnen: Projektmanagement
light
8. Oktober – Leer, Stadtbibliothek · BuB 9/2014
Kamishibai – Der praktische
Umgang mit Kamishibai
9. Oktober – Halle (Saale),
Landesverwaltungsamt ·
BuB 9/2014
ZBIW-Seminar:
Open Educational Resources
9. Oktober – Köln, Fachhochschule, GWZ · BuB 9/2014
Auswahlkriterien und Neue
Romane 2014 in und für Öffentliche Bibliotheken
13. Oktober – Kassel, Hessische Fachstelle · BuB 9/2014
Aufbauseminar zu
»Lese Start« – Leseförderung
(Arbeitstitel)
13. Oktober – Bad Homburg,
Stadtbibliothek · BuB 9/2014
Phantastisches
Programm
Die Programmbroschüre für
das zweite Halbjahr 2014 der
Phantastischen Bibliothek in
Wetzlar ist erschienen. Die
Broschüre kann ab sofort unter www.phantastik.eu abgerufen werden.
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Ausschreibung
Call for Papers zum
Innovationsforum 2015
Die Kommission für Ausbildung
und Berufsbilder des Berufsverbands Information Bibliothek
(BIB) lädt in Zusammenarbeit
mit der Zeitschrift »B.I.T. online«
ein, Studienprojekte oder Bachelor- und Masterarbeiten aus
dem Bereich Bibliothek, Information und Dokumentation
auf dem nächsten Bibliothekartag vom 26. bis 29. Mai 2015
in Nürnberg persönlich vorzustellen. Von den eingereichten
Arbeiten werden drei für die
Präsentation in Nürnberg ausgewählt. Jede präsentierte Bachelor-, Master- beziehungsweise Projektarbeit erhält den
B.I.T.-online-Innovationspreis
und wird mit 500 Euro prämiiert. Geeignete Arbeiten werden in der Buchreihe »B.I.T. online innovativ« veröffentlicht.
Lebenslange Leselust:
Vorlesen für Senioren
15. Oktober – Lüneburg, Büchereizentrale Niedersachsen ·
BuB 9/2014
Ehrenamt – Wie kann
ehrenamtliches Engagement
in Bibliotheken gelingen?
16. Oktober – Magdeburg,
Stadtbibliothek · BuB 9/2014
Lesen macht Spaß – Lesestart
Grundlagenseminare
16. Oktober – Fulda, Bibliothek des Priesterseminars ·
BuB 9/2014
Gut geplant ist halb gewonnen: Projektmanagement
light
14. Oktober – Diepholz,
Mediothek · BuB 9/2014
Fit fürs E-Book
20. Oktober – ClausthalZellerfeld, Stadtbibliothek ·
BuB 9/2014
E-Books in Wissenschaftlichen Bibliotheken – erwerben, erschließen, präsentieren
14.–15. Oktober – Berlin, FU ·
BuB 9/2014
Bibliotheksmanagement –
Modul 3: Markt- und Nutzerforschung für Praktiker
20.–21. Oktober – Berlin, FU ·
BuB 9/2014
Die Preisträger erhalten darüber
hinaus eine einjährige kostenlose Mitgliedschaft im BIB.
Nutzen Sie diese Chance, sich
und Ihre Arbeit der Fachwelt bekannt zu machen. Bitte senden
Sie schon jetzt, aber spätestens bis zum 15. Dezember eine
Kurzfassung (circa zehn Seiten)
Ihrer Arbeit beziehungsweise
Ihres Projektes und deren Bewertung sowie das Inhalts- und
das Literaturverzeichnis, außerdem Ihren Lebenslauf vorzugsweise per E-Mail an die Kommissionsadresse:
BIB-Kommission für Ausbildung und Berufsbilder, c/o Karin Holste-Flinspach, Stauffenbergschule Frankfurt am Main,
Arnsburger Straße 44, 60385
Frankfurt am Main, [email protected]
Effektiv recherchieren
21. Oktober – Oldenburg,
Landesbibliothek ·
BuB 9/2014
ZBIW-Seminar:
Schreiben für das Web
22.–23. Oktober – BergischGladbach, Kardinal Schulte
Haus · BuB 9/2014
Kann denn Lesen männlich
sein? Leseförderung für
Jungen
23. Oktober – Lüneburg, Büchereizentrale Niedersachsen ·
BuB 9/2014
BIBBarCamp 2014:
»Es gibt keine BesucherInnen,
nur TeilnehmerInnen«
25. Oktober – München,
Stadtbibliothek Hasenbergl ·
BuB 9/2014
ZBIW-Seminar: Datensicherheit und Datenhaltung in
Bibliotheken
679
680
BuB | Foyer
27. Oktober – Köln,
Fachhochschule, GWZ ·
BuB 9/2014
Workshop:
Practice your English
27.–28. Oktober – Berlin, FU ·
BuB 9/2014
ZBIW-Seminar: Suchportale
und Discovery Services
29. Oktober – Köln,
Fachhochschule, GWZ ·
BuB 9/2014
Basiskurs allegro-OEB:
Das Ausleihmodul
29. Oktober – Lüneburg, Büchereizentrale Niedersachsen ·
BuB 9/2014
ZBIW-Seminar: Effective
communication for teaching
librarians: presenting, telling,
and explaining
30. Oktober – Köln,
Fachhochschule, GWZ ·
BuB 9/2014
ZBIW-Seminar:
Laterale Führung
30.–31. Oktober – BergischGladbach, Kardinal Schulte
Haus · BuB 9/2014
November
Englisch für Bibliothekare
4. November – Erfurt, Stadtund Regionalbibliothek ·
BuB 9/2014
Workshop für die Musikbibliothekar/innen der öffentlichen und wissenschaftlichen
Bibliotheken in Thüringen
5. November – Jena, ErnstAbbe-Bücherei · BuB 9/2014
Neues vom Buchmarkt:
Belletristik und Kinder- und
Jugendliteratur
10. November – Langenhagen, Stadtbibliothek ·
BuB 9/2014
Zukunft der Bibliotheken –
Baustelle der Zukunft
10. November – Frankfurt,
Regionalverband RheinMain ·
BuB 9/2014
Termine
Neues vom Buchmarkt:
Belletristik und Kinder- und
Jugendliteratur
11. November – Lüneburg,
Büchereizentrale Niedersachsen · BuB 9/2014
Fernleihe in Thüringer
Bibliotheken
12. November – Jena, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek · BuB 9/2014
Hybrid –
Interaktive Spiele und
Bücher mit Mehrwert
14. November – Oldenburg,
Kulturzentrum PFL ·
BuB 9/2014
Zielgerichtet führen ohne
Vorgesetztenfunktion
17. November – Fellbach,
Stadtbücherei
Veranstalter: BIB-Landesgruppe Baden-Württemberg in Kooperation mit der Stadtbücherei Fellbach
Gebühr: 40 Euro für Mitglieder des BIB, 80 Euro für Nichtmitglieder
Anmeldung: Mail: [email protected], Telefon:
07 11/8 82 75 44
Weitere Informationen:
http://www.bib-info.de/lan
desgruppen/baden-wuert
temberg/veranstaltungen.
html
Symposium
HdM weiht neues Gebäude
mit Fachsymposium ein
Die Hochschule der Medien
(HdM) feiert am 5. und 6. Dezember die Einweihung ihres neuen Gebäudes auf dem
Hochschulcampus in StuttgartVaihingen. Der Studiengang Bibliotheks- und Informationsmanagement richtet dazu am
Freitag, dem 5. Dezember, ein
hochkarätig besetztes Fachsymposium aus.
Metadatenmanagement, Informations- und Wissensräume
der Zukunft, Vermittlung von
Medienkompetenz, Marketing
und Nutzungsmessung elektronischer Dienstleistungen und
Medien, Qualitätsmanagement
und Organisationsentwicklung
– diese Stichworte umreißen das
Themenspektrum, das das Symposium abdecken wird.
HdM-Professorinnen
und
Professoren präsentieren in
sechs Themenblöcken aktuelle
Arbeits- und Forschungsergebnisse und laden zur Diskussion
darüber ein. In jedem Themenblock wurden nationale und internationale Experten als Keynote-Speaker gewonnen, die
die Vernetzung mit der Fach-
community sichtbar machen,
etwa Rob Bruijnzeels (Ministry
of Imagination, Niederlande),
Jens Mittelbach (SLUB Dresden), Barbara Schneider-Kempf
(Staatsbibliothek zu Berlin) oder
Raphaela Müller und Astrid
Meckl von der Stadtbibliothek
München.
»Das Symposium verbindet eine spartenübergreifende
Fachtagung zu aktuellen Themen mit der Gelegenheit zum
fachlichen Austausch«, freut
sich Organisatorin Prof. Cornelia Vonhof. Außerdem besteht
die Möglichkeit, das architektonisch attraktive Hochschulgebäude kennenzulernen, in dem
auch die neue Hochschulbibliothek untergebracht ist.
Der
CAMPUS-KICK-OFF
wird mit einem »Tag der offenen Tür« am 6. Dezember ab 10
Uhr fortgesetzt.
Das ausführliche Programm
sowie die Möglichkeit zur Online-Anmeldung ist seit Anfang Oktober auf der Website
der HdM zu finden: www.hdmstuttgart.de/bi oder www.hdmstuttgart.de/campuskickoff
Internet-Recherche – Aufbaukurs: Schwerpunkt »Offene
Formate« und Multimedia
18. November – Hannover,
Gottfried Wilhelm Leibniz
Bibliothek · BuB 9/2014
Allegro-OEB Workshop
Erwerbung
19. November – Lüneburg,
Büchereizentrale Niedersachsen · BuB 9/2014
Effektiv recherchieren
im Internet
19.–20. November – Hannover, Gottfried Wilhelm Leibniz
Bibliothek · BuB 9/2014
Neues vom Buchmarkt:
Belletristik und Kinder- und
Jugendliteratur
24. November – Bad Zwischenahn, Haus Brandstätter ·
BuB 9/2014
Der demographische
Wandel und die Bibliotheken:
Bibliotheksangebote für die
Generation 55plus
24. November – Wolfenbüttel,
Stadtbücherei im Kulturbahnhof · BuB 9/2014
WEGA-PraxisSeminar:
Stärken kennen, Stärken nutzen … mit dem ProfilPASS®System für Berufsrückkehrer/
innen, die berufliche Neuorientierung und in Bewerbungssituationen
24. November – Bamberg ·
BuB 9/2014
Gestern Kollege – heute
Vorgesetzte/r. Managementseminar für (zukünftige) Führungskräfte in Bibliotheken
24.–26. November – Berlin,
FU · BuB 9/2014
Der demographische
Wandel und die Bibliotheken:
Bibliotheksangebote für die
Generation 55plus
25. November – Lüneburg,
Büchereizentrale Niedersachsen · BuB 9/2014
Einführungskurs bibliothekarisches Grundwissen für Neuund Seiteneinsteiger
25.–27. November – Erfurt,
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Termine
4. DGI-Praxistage
Compliance in der
Unternehmenspraxis
Am 20. und 21. November finden in Frankfurt am Main die
4. DGI-Praxistage zum Thema
»Compliance in der Unternehmenspraxis« statt.
Für die meisten Unternehmen ist es eine Verpfl ichtung,
Compliance, die Einhaltung von
Regeln, Kodizes, Grundsätzen,
durch entsprechende Maßnahmen im Unternehmen zu managen. Dabei ist es nicht immer
einfach, alle Regeln zu kennen,
die einen betreffen könnten.
Die Veranstaltung beginnt mit
einem Kamingespräch am 20.
November zum Thema »Zau-
berwort Compliance – kommt
jetzt die moralische Wende?«
das von Reinhard Karger, dem
Präsidenten der DGI und Unternehmenssprecher des Deutschen Forschungszentrums für
Künstliche Intelligenz (DFKI),
moderiert wird. In den Vorträgen am 21. November präsentieren Praktiker aus den Bereichen Produkt-Compliance, IT,
Datenschutz und dem Informationssektor neue Ideen und Perspektiven für die Branche.
Weitere Informationen gibt
es unter: www.dgi-info.de (Veranstaltungen)
Landesfachstelle für Öffentliche Bibliotheken · BuB 9/2014
Gottfried Wilhelm Leibniz
Bibliothek
Veranstalter: Zentrum für
Aus- und Fortbildung der
Gottfried Wilhelm Leibniz
Bibliothek
Referentin: Julia Bergmann,
Bremen
Anmeldung: (bis 4. November) Matthias Prüfer, Niedersächsische Landesbibliothek, Zentrum für Aus- und
Fortbildung, Waterloostr. 8,
30169 Hannover, Telefon:
05 11/12 67-383, Fax: -208
Dezember
Alle Jahre wieder: Deutsche
Bibliotheksstatistik 2014
1. Dezember – Wiesbaden,
Hessische Fachstelle
Veranstalter: Hessische Fachstelle für Öffentliche Bibliotheken
Referent: Alexander Budjan,
Hessische Fachstelle
Anmeldung: Hessische Fachstelle, Standort Wiesbaden, Jens Krauß, Telefon:
06 11/94 95-18 72, Mail:
[email protected] oder
Standort Kassel, Veronika
Bruckner, Telefon: 05 61/10611 87, Mail: [email protected]
Fachtagung für Bibliotheksleiter in Öffentlichen Bibliotheken: Was Zahlen sagen
– Auswertungshinweise und
–tipps zur Arbeit mit der
Statistik
3. Dezember – Erfurt, Landesfachstelle für Öffentliche Bibliotheken
Veranstalter: Landesfachstelle
für Öffentliche Bibliotheken in
Effektiv recherchieren –
Thüringen
Update
Leitung: Sabine Brunner, LeiZielgruppe: Teilnehmer des
Kurses »Effektiv recherchieren terin der Fachstelle
im Internet«, die an einem der Anmeldung: (bis 5. NovemSeminare vor 18 Monaten teil- ber) Landesfachstelle für
Öffentliche Bibliotheken in
genommen haben
Thüringen, Sabine Brunner,
2. Dezember – Hannover,
BuB | 66 (2014) 10
Schillerstr. 40, 99096 Erfurt,
Telefon: 03 61/26 28 93 70,
Fax: 03 61/26 28 93 79, EMail: [email protected]
Digitales Recht: Spielregeln
für den Umgang mit E-Book,
Social Media und WLAN
3. Dezember – Lüneburg, Büchereizentrale Niedersachsen
Veranstalter: Büchereizentrale
Niedersachsen
Referent: Dr. Harald Müller
Anmeldung: (bis 12. November) Büchereizentrale Niedersachsen, Lüner Weg 20,
21337 Lüneburg, Telefon:
0 41 31/95 01-0, Fax: 95 0124, E-Mail: info@bz-nieder
sachsen.de
Umgang mit »schwierigen«
Bibliotheksnutzerinnen und
–nutzern
8. Dezember – Hamburg, ZBW
Veranstalter: BIB-Landesgruppe Hamburg gemeinsam mit
der BIB-Landesgruppe Schleswig-Holstein
Referent: Dr. Martin Eichhorn,
selbstständiger zertifizierter
Trainer
Gebühr: 70 Euro für BIB-Mitglieder, 140 Euro für Nichtmitglieder
Anmeldung: (bis 3. November) BIB-Landesgruppe Hamburg, Ines Wanke, E-Mail: lv_
[email protected], http://
www.bib-info.de/ausfortbil
dung/fortbildung/fortbildungs
kalender.html
Everyday English
for librarians
8.–9. Dezember – Berlin, FU
Veranstalter: FU-Weiterbildungszentrum
Referent: Mark Edwards
Gebühr: 120 Euro
Anmeldung: FU Berlin, Weiterbildungszentrum, Telefon:
030/83 85 14 58, E-Mail: bib
[email protected], www.fu-berlin.de/
wbz/bib
Bibliotheksmanagement –
Modul 4: Personalentwicklung und Changemanagement
11.–12. Dezember – Berlin, FU
Veranstalter: FU-Weiterbildungszentrum
Referent/innen: Prof. Dr.
Konrad Umlauf, Stefanie
Kunz, Pascale Meyer, Dr. Carola Schele-Wolff
Gebühr: 260 Euro
Anmeldung: FU Berlin, Weiterbildungszentrum, Telefon:
030/83 85 14 58, E-Mail: bib
[email protected], www.fu-berlin.de/
wbz/bib
681
682
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Firmenselbstporträt
Missing Link
Handeln im Wandel
1991 hätte wohl kaum jemand
gedacht, dass eine Buchhandlung, die Bibliotheken beliefert,
eine eigene umfangreiche ITAbteilung braucht und mehr
Server im Rechenzentrum hat
als PCs in ihren Büros. Zum
Zeitpunkt der Gründung von
Missing Link wurden gerade
die ersten Emails versendet,
elektronische Daten gelangten
durch wild piepende Modems
zum Empfänger und silberne
Scheiben mit digitalen Inhalten
waren der letzte Schrei.
»Handel ist ein wenig wie
Fußball«, sagt Klaus Tapken,
einer der Gründer des BiblioMissing Link baut sein
weitverzweigtes Netz von
Vertriebspartnern und
Verlagen ständig aus.
theklieferantens, ȟber den Erfolg auf dem Feld entscheiden
Auf- und Einstellung der Spieler.« Daher wurde von Beginn
an nicht an der Aufstellung
gespart, um Zuverlässigkeit
und Schnelligkeit bei der Belieferung der wissenschaftlichen
Bibliotheken zu gewährleisten
und die Produkte – verpackt in
einem Rundum-Sorglos-Paket –
zu maßgeschneiderten Konditionen anbieten zu können.
Das Wichtigste im Handel
ist partnerschaftlicher Umgang
und die Selbstverständlichkeit,
durch die Augen des Partners
schauen zu können. Alle Innovationen werden auf die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden
ausgerichtet. Den Bibliotheken
die Arbeit und das Wirtschaften
zu erleichtern, stand immer im
besonderen Fokus bei Missing
Link.
Dafür war und ist es notwendig, sich so flexibel aufzustellen,
dass schnell und adäquat nicht
nur auf die neuesten Entwicklungen reagiert werden kann,
sondern dass solche Entwicklungen selbst angestoßen werden können.
Bibliographiedaten sind
kein Geheimnis
Ein großer Schritt für die Umsetzung der Servicewünsche
der Kunden war 1995 auch der
Start der Vertriebspartnerschaft
mit Book Data, heute Nielsen
Book. Sie versetzte Missing
Link in die Lage, nicht allein
Bücher, Fortsetzungen und
Zeitschriften und deren digitale Ausgaben zu liefern, sondern
auch die Bibliographiedaten zu
vertreiben. Diese 25 Millionen
Titel-Daten sind heute zum
Beispiel für eine nutzergesteuerte Erwerbung mit Tiefgang
im Bereich der englischsprachigen Printbücher unverzichtbar.
Im Missing Link-Portal eBiml
stehen sie den Kunden zum Bibliographieren umsonst zur Verfügung.
Services für das gedruckte Buch
Da der Handel mit gedruckten
Büchern den Hauptanteil des
Kerngeschäftes ausmacht und
Missing Link sein weitverzweigtes Netz von Vertriebspartnern
und Verlagen ständig ausbaut,
sind und waren Innovationen auch darauf ausgerichtet,
die Buchbestellung und -berechnung sowie die technische
Buchbearbeitung für alle Seiten
so komfortabel wie möglich zu
gestalten.
Schon 1999 wurde ein elektronisches Bestell- und Alerting
© Tobias Keppler
System zusammen mit einem
großen Bibliothekskunden entwickelt, das seit seiner Überführung ins Online-Portal eBiml
enorme Nutzung erfährt und
vielfach kopiert wurde. Sie eignet sich auch als Erwerbungsplattform und kann die Bestelldaten für einen Reimport in das
Kundensystem zur Verfügung
stellen.
Durch die Freihandeingabe
können Bestellwünsche von Titeln, die nicht in den den großen
internationalen und nationalen
Bibliographien nachgewiesen
werden, ebenfalls digital übermittelt werden.
BuB | 66 (2014) 10
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Das eBook
Elektronische Bücher für die
Nutzung in Bibliotheken starteten zunächst 2002 mit einem Pilotprojekt bei Taylor &
Francis. Aber erst das Springer
Paket-Angebot 2006 ermöglichte ihnen in den deutschsprachigen Länder den umfänglichen
Einzug in die Kataloge. Missing Link hat deshalb bereits
2006 den Bremer eBook-Tag
ins Leben gerufen, um für Bibliotheken und Verlage eine
Plattform für den Austausch
von Informationen und Entwicklungen im eBook-Markt
zu schaffen. Diese mittlerweile
zu einer festen Institution gewordene Veranstaltung findet
alle 14–17 Monate statt und
bietet an zwei bis drei Tagen die
Möglichkeit, sich über aktuelle
Fragen zu informieren und auszutauschen. Der nächste Bremer eBook-Tag ist Anfang März
2015.
finden und dienen dabei auch
als Auswahlgrundlage für sowohl nutzergesteuerte (PDA)
als auch zugriffsgesteuerte (Evidence-based Selection) eBookErwerbung. Auch öffentliche
Bibliotheken haben die MyiLibrary-eBooks für Ihre Nutzer
bereits entdeckt.
Elektronische Zeitschriften
Und gerade für die öffentlichen
Bibliotheken ist auch der neue
Partner von Missing Link eine
Bereicherung. Zinio ist eine
Plattform für die Ausleihe von
zur Zeit etwa 1000 populären
Zeitschriften wie National Geographic, Economist und Rolling
Stone. Die Einzelhefte bleiben
auf dem Nutzer-Device ständig
zur Verfügung. Nachdem Dänemark bereits ein landesweites
Konsortium abgeschlossen hat,
wird Zinio nun von Missing
Link auch im deutschsprachigen Raum vorgestellt.
eBook-Portal
Missing Link
Die Eigenentwicklung des
miliBib-Portals, das sowohl ein
Online-Opac als auch eine Bibliographie für eBooks ist, war Pilot in den DACH-Ländern und
wurde auf dem ersten eBook-Tag
aus der Taufe gehoben.
Es hat mit über 725 000
Nachweisen von campusfähigen
eBooks den größten Bestand
von vergleichbaren Händlerplattformen und wird auch
besonders in Fachhochschulen
als eOpac für die Nutzer eingesetzt.
Bei allen Innovationen und Produktentwicklungen bleibt der
Fokus von Missing Link stets
darauf gerichtet, den Kunden
Buch, eBook und Zeitschriften mit dem größtmöglichen
Service und den besten Konditionen zu beschaffen. Die unabhängige Bremer Buchhandlung
mit Ihren 43 fast ausschließlich
langjährigen Mitarbeitern versteht sich als partnerschaftlicher Dienstleister für alle, die
wissenschaftliche Inhalte zugänglich machen und verbreiten
wollen.
Einzelne eBooks von
MyiLibrary
Zeitgleich mit dem Start der miliBib begann 2006 die Kooperation mit der Aggregator-Plattform MyiLibrary. Auslöser war
die Nachfrage nach eBooks, die
einzeln erworben werden sollten
aber von manchen Verlagsplattformen so nicht angeboten werden. Heute sind die weit über
eine halbe Million eBooks von
MyiLibrary in mehr als hundert
Bibliotheken in Deutschland,
Österreich und der Schweiz zu
BuB | 66 (2014) 10
Markt
In der Rubrik »Markt« werden Pressemitteilungen von
Unternehmen und Dienstleistern – ohne redaktionelle
Bearbeitung – veröffentlicht.
Die Redaktion behält sich vor,
Beiträge auszuwählen und zu
kürzen.
Nomos:
Enzyklopädie Europarecht bis Anfang 2015
abgeschlossen
pr. – Die Enzyklopädie Europarecht – EnzEuR – des Nomos
Verlags legt in zehn aufeinander
abgestimmten Bänden eine in
dieser Form einmalige Gesamtdarstellung des Europarechts
vor. Nomos reagiert damit auf
den zunehmenden Einfluss des
europäischen Rechts auf die
nationalen Rechtsordnungen
und untermauert zugleich seine
führende verlegerische Position
im Europarecht. Die Edition wird
bis Anfang 2015 abgeschlossen
sein.
Nahezu 200 herausragende
Autorinnen und Autoren aus
Wissenschaft und Praxis stellen
den gesamten Bestand des Europarechts unter dem Postulat
der Einheit systematisch dar. In
der Behandlung ihrer Gegenstände schreitet das Werk von
den positiven konzeptionellen
Grundlagen über die sich daraus
ableitenden allgemeinen Regeln
zu den Einzelfragen fort. Ausgehend von einem organisatorischen und rechtskategorialen
Kristallisationskern der europäischen Integration (Bände 1–3)
fächert die Enzyklopädie sodann
die Kernbereiche des materiellen
europäischen Gemeinschaftsbeziehungsweise Unionsrechts
auf (Bände 4–8) und behandelt
schließlich die Auswirkungen
im Recht der inneren Sicherheit und der Außenbeziehungen
(Band 9–10). Jeder Einzelband
ist dabei selbstständig nutz- und
beziehbar.
Die auf über 12 000 Seiten
angelegte Gesamtdarstellung
nahm zu Beginn 2013 mit dem
Band »Europäisches Sektorales Wirtschaftsrecht« (Band 5)
ihren Anfang. In Abfolge sind
die Bände »Europäisches Organisations- und Verfassungsrecht« (Band 1), »Europäischer
Grundrechteschutz« (Band 2),
»Europäisches Rechtsschutzund Verfahrensrecht« (Band 3),
»Europäisches WirtschaftsordNahezu 200 herausragende
Autorinnen und Autoren aus
Wissenschaft und Praxis
stellen den gesamten Bestand des Europarechts unter
dem Postulat der Einheit
systematisch dar.
nungsrecht« (Band 4), »Europäische Querschnittpolitiken«
(Band 8), »Europäisches Strafrecht mit polizeilicher Zusammenarbeit« (Band 9) und »Europäische Außenbeziehungen«
(Band 10) erschienen.
Band 6, das »Europäische Privat- und Unternehmensrecht«,
sowie Band 7, das »Europäische
Arbeits- und Sozialrecht«, beschließen dann nach nur zwei
Editionsjahren die erste Auflage eines großen Gesamtwerkes,
herausgegeben von Prof. Armin Hatje (Universität Hamburg) und Prof. Peter-Christian
Müller-Graff (Ruprecht-KarlsUniversität Heidelberg). Die
Gesamtredaktion liegt bei Prof.
Jörg Philipp Terhechte (Leuphana Universität Lüneburg).
www.enzyklopaedieeuroparecht.de/
683
684
BuB | Foyer
Markt
ekz
Gutes Umsatzergebnis
und viele neue Ideen
ekz-Gruppe gestaltet gemeinsam mit
ihren Kunden die Bibliotheksrollen der Zukunft
Aufeinander abgestimmte Konzepte und ganzheitliche Bibliotheksplanung – darauf hat sich
die ekz-Gruppe spezialisiert.
»Mit dem diesjährigen Motto ›Bibliothekswelten gemeinsam gestalten‹ wollen wir unterstreichen, dass die Unternehmen der ekz-Gruppe zusammen
mit den Bibliotheken an deren
Zukunft arbeiten«, betonte ekzGeschäftsführer Jörg Meyer bei
einer Pressekonferenz im August
in Reutlingen.
Die ekz und ihre Tochterunternehmen divibib, EasyCheck und
NORIS haben die Erwartungen
ihrer Kunden bereits im vergangenen Jahr nicht nur erfüllt, sondern immer wieder übertroffen. Dies zeigt das hervorragende Unternehmensergebnis für
2013. »Mit 53 Millionen Euro
Gesamtumsatz reiht sich das Vorjahr in die erfolgreichsten Jahre
der Firmengeschichte ein«, freut
sich Meyer. Zum Gruppenergebnis trägt die ekz.bibliotheksservice GmbH rund 44 Millionen
Euro bei.
Einen besonderen Schwerpunkt setzte die ekz in den letzten
Wochen mit der Frage nach den
wichtigsten »Zukunftsrollen der
Bibliotheken im Jahr 2020«. Sowohl auf dem Deutschen Bibliothekartag in Bremen im Juni 2014
als auch bei der diesjährigen Kundenbefragung stellte die ekz den
Bibliothekarinnen und Bibliothekaren mehrere Zukunftsmodelle
zur Wahl. Favoriten bei der Kundenbefragung waren »Haus der
Bücher und der Medienvielfalt«,
»Zentrum für Wissen, Information und Beratung« sowie »Öffentlicher Raum für Begegnung
und Aufenthalt«.
Beim Voting in Bremen stand
das »Wissens- und Beratungszentrum« bei den 641 Befragten
an erster Stelle. »Die Zukunftsdiskussion ist für die ekz-Gruppe besonders wichtig, um sich
auf die künftigen Erwartungen
Öffnungszeiten eine große Bedeutung. Daher bietet die ekzTochter EasyCheck GmbH & Co.
KG seit Juni das innovative technikgestützte Zutrittskontrollsystem »Die Offene Bibliothek« an.
Dieses macht es möglich, dass
Bibliotheken auch an Sonn- und
Feiertagen, in den Abend- und
Nachtstunden oder frühmorgens
ihren Service anbieten können
– ohne zusätzlichen Personalaufwand. Dabei kooperiert das
Technologieunternehmen exklusiv mit dem dänischen Softwarehaus Cordura A/S, das in Skandinavien mit seiner Lösung Markt-
Komplettpaket für die Stadtbibliothek Sindelfingen: Ausstattung, Zubehör, Onleihe, RFID und Medien sind von der ekz-Gruppe. Foto: ekz
der Bibliotheken und ihrer Nutzer
einzustellen«, erläuterte Andreas
Mittrowann, Bibliothekarischer
Direktor der ekz.
Ein Blick in die Zukunft wagte
die ekz auch mit ihrem Ideenwettbewerb 2014 »LERN_RAUM_ATMOSPHÄRE«, der nach innovativen Lernräumen fragte. Bereits
seit einigen Jahren ist der Lernort
Bibliothek ein deutlicher Trend.
Die kreativen Entwürfe der Innenarchitekten, Designer, Planer und Studenten reichten dementsprechend vom Sitzkreisel mit
eigenem Kommunikationsraum
über eine bewegliche »Medienlandschaft« bis hin zu Abenteuer- und Märchenwelten.
Für die Zukunft der Bibliotheken hat der Wunsch der Bürgerinnen und Bürger nach längeren
führer ist.
Bereits unabhängig von den
Öffnungszeiten sind die derzeit
rund 1 900 Bibliotheken mit ihren
»Onleihen«, den von der ekzTochter divibib GmbH bereitgestellten Portalen für die Nut-
Auf den digitalen
Onleihe-Service weist
erstmals ein Kinderbuch
hin, das Bibliotheken als
zukunftsgerichtete Einrichtungen zeigt.
zung elektronischer Medien. Der
Trend zur digitalen Ausleihe von
E-Books, E-Papers und E- Audios
ist ungebrochen – auch dank der
rasanten Verbreitung der Onleihe. Dies belegt die Verdoppelung
der Onleihe-Downloads im Jahr
2013 im Vergleich zum Vorjahr
auf über acht Millionen. Um dem
Wunsch nach englischsprachiger
Lektüre nachzukommen und interkulturelles lebenslanges Lernen zu fördern, stellt die divibib
sukzessive circa eine Million aktuelle englischsprachige E-Books
von Verlagen aus England, Australien und den USA für die Onleihen zur Verfügung. Möglich ist
dies durch die im Juni 2014 geschlossene exklusive Kooperation mit dem führenden US-Medien-Distributor Baker & Taylor
Inc.
Auf den digitalen OnleiheService weist erstmals ein Kinderbuch hin, das Bibliotheken als
zukunftsgerichtete Einrichtungen zeigt. Die ekz hat das PixiBuch »Komm, wir gehen in die
Bibliothek« gemeinsam mit dem
bekannten Autor Thomas Feibel
und dem Carlsen-Verlag entwickelt. Das Bändchen gibt es ausschließlich bei der ekz und nur
für Bibliotheken – es ist nicht im
Handel erhältlich. Es beantwortet kindgerecht Fragen wie »Wo
fi nde ich Material zu Themen,
die mich interessieren?«, »Wie
geht das mit der Ausleihe?« oder
»Gibt es in der Bibliothek nur Bücher?«.
Wie Bibliotheken heute aussehen und was sie vor Ort bieten, zeigen die von der ekz in
den vergangenen Monaten verwirklichten Neueinrichtungen in
Wiesbaden, Sindelfi ngen, Neustetten-Remmingsheim, Biberach und Vohburg. Den Wandel
der Bibliothekswelt begleitet die
ekz jedoch nicht nur mit innovativer Ausstattung, sondern auch
mit einem ständig aktualisierten
Fort- und Weiterbildungsprogramm. Jüngste Schwerpunkte
lagen bei den Themen Filialsysteme, Bibliotheksangebote für Ältere und natürlich E-Books. Dabei
bringen die zahlreichen Veranstaltungen in der Firmenzentrale
in der Bismarckstraße Gäste nach
Reutlingen und sind damit ein
Wirtschaftsfaktor.
www.ekz.de
BuB | 66 (2014) 10
685
Social Reading
Bernd Schmid-Ruhe
Gemeinsames
Leseglück statt
einsamer Lektüre
Social Reading bietet interessante
Ansatzpunkte für Bibliotheken /
Hemmschwelle für Auseinandersetzung mit Literatur sinkt
Das sogenannte Social Web zeitigt nicht
nur Effekte, die auf der sozialen Ebene
stattfinden und bei denen die öffentliche Diskussion hauptsächlich auf die
negativen Aspekte fokussiert. In vielen
ausgewählten Bereichen, so zum Beispiel
für die Literatur und die Literaturvermittlung, ergeben sich interessante Ansätze,
die Bibliotheken nutzen sollten. Im Social
Web waren es bisher die Fan-Fiction, die
populäre Genres und Titel weiterspinnt,
und Foren, die es erlauben, Gelesenes zu
kommentieren, die mit Literatur in Verbindung standen. Zunehmend verbreitet sich
nun aber auch eine Form von Literatur,
die vor allem von Kollaboration im Netz
geprägt ist. Während in der herkömmlichen Literatur das Buch als Produkt eines
Schöpfungsprozesses steht, verschiebt
sich dies bei Phänomenen des Social
Readings ins Prozessuale. Es entstehen
unterschiedliche Vertriebsplattformen,
die es erlauben, gemeinsam mit anderen
Lesern die gelesenen Texte zu annotieren
und zu kommentieren. Bernd SchmidRuhe gibt im Folgenden einen allgemeinen Überblick über die unterschiedlichen
Aspekte des Social Readings.
1 Zum Beispiel alt.books.* oder rec.arts.prose
BuB | 66 (2014) 10
Social Reading auf Basis moderner Lesegeräte ist fokussiert: Im Gegensatz zu anderen Plattformen kreisen die Diskussionen meist um einen Buchtitel.
Foto: Frankfurter Buchmesse / Alexander Heimann
L
esen, so könnte man zunächst behaupten, ist in der Regel – spätestens
seit der Individualisierung des Lesens
im ausgehenden 18. Jahrhundert – eine
einsame Angelegenheit. Dennoch: Lesen
wird immer dann interessant und eröffnet
Horizonte, wenn die persönlich gemachte
Leseerfahrung in die Öffentlichkeit getragen wird – wie groß auch immer sie, die
Erfahrung oder die Öffentlichkeit, jeweils
sein mögen. Leseanfänger werden ab dem
ersten Moment mit der Frage konfrontiert,
wie und ob sie den Sinn des Textes erfasst
haben, und ihre Leseerfahrung wird in
Beziehung gesetzt zu der anderer Erstleser. Später machen wir immer wieder die
Erfahrung, dass gerade das Lesen in der
Schule um den einen Sinn kreist, der im
Unterricht synchronisiert wird, dem Metaphern, Symbole und Bilder zugeordnet werden, um jenseits der Syntax eine
Semantik zu erkunden und um letztlich
Welterfahrung und Exegese miteinander
zu verknüpfen. Am Ende nennen wir es
Kultur.
Die Leseerfahrungen der Erwachsenen
fußen in diesen ersten Erlebnissen der
Lesesozialisation und setzen sich in Synchronisierungshandlungen auch jenseits
des Jugendalters fort. Menschen sprechen
über Lektüren, verbreiten ihre Erfahrungen zunächst in Rezensionsorganen, wie
zum Beispiel den Literaturzeitschriften
des 17. Jahrhunderts. Bald übernehmen
die Zeitungen und ihre Feuilletons diese Funktion; gelehrte Diskussionen über
die neueste, interessanteste, angesagteste,
spannendste Literatur folgen den Moden
der Zeit. Geschmacksurteile gipfeln damals wie heute irgendwann in Kanondebatten, die in den 80er- und 90er-Jahren
geradezu erbittert geführt wurden. Festzu-
halten ist: Lesen tun wir alleine, aber niemals einsam.
Mit der Einführung der so genannten
»social media« hat sich ein zumindest gefühlter grundlegender Wandel in der alltäglichen Kommunikation ergeben. Wo
das »herkömmliche« Internet zwar auf
Kommunikation ausgerichtet war, ist das
den sozialen Diensten des Internets inhärente Geschäftsmodell auf Bildung von
dauerhaften Netzwerken ausgerichtet. Seien es Freunde, Buddies, Follower oder Bekannte: Immer geht es um eine Kommunikation, die nicht nur auf den Augenblick
ausgerichtet ist, sondern auf Beständigkeit
im Sinne einer wiederkehrenden Kommunikation. Diese wird vor allem über Selbstaussagen gesteuert, also über freiwillige
Äußerungen, meist über Befindlichkeiten,
Ereignisse und Erlebnisse (und das merkwürdige Verhalten von Katzen). Spätestens seit das Social Reading inzwischen in
dem vom Bundesministerium für Bildung
und Forschung (BMBF) geförderten und
dem Deutschen Bibliotheksverband (dbv)
durchgeführten Projekt »Lesen macht
stark« angekommen ist, ist die Thematik
nun auch für Bibliotheken virulent.
Social Reading ist dabei zunächst nichts
anderes als die Organisation eines »Lesezirkels« mithilfe einer Internetplattform,
die sich an der Machart von sozialen Netzwerken orientiert und den Austausch von
Literaturerfahrungen zum Gegenstand
hat. Dabei muss es sich nicht einmal um
neue Plattformen handeln – gerade in Facebook und auf der Geek-Plattform reddit
sind Diskussionen und der Austausch über
Literatur nichts Neues. Diese Tradition
der Literaturdiskussion reicht mindestens
bis in die Zeiten des Usenets zurück1. Social Reading ist von daher selbst für das
686
BuB | Lesesaal
Internet nichts Neues, was es aber grundsätzlich unterscheidet ist die Einrichtung
von technischen Plattformen, die einzig
für die Diskussion über Literatur geschaffen wurden und nicht für andere Produkte
verwendet werden wie zum Beispiel klassische Foren und Mailinglisten.
Leseverhalten wird analysiert
Daher kommt den technischen Plattformen, auf denen der Austausch stattfindet, ein besonderer Stellenwert zu. Ihre
technischen Möglichkeiten bestimmen
zum einen maßgeblich die Attraktivität
des Angebots, aber auch die Mehrwerte,
die zum Beispiel für die Vermarktung der
Plattform selbst generiert werden. So entstehen nämlich auf den Plattformen nicht
wenige Metadaten, die als solches schon
einen gewissen Wert haben. Darüber werden aber auch Daten über Geschmäcker
und Vorlieben generiert, wie sie in anderen Recommender-Diensten, zum Beispiel
Amazons »Kunden, die dieses Produkt
kauften…«, anfallen.
Für die Verlage ergeben sich hier wertvolle Erkenntnisse über das Lese- und Mediennutzungsverhalten. Mit einer großen
Menge an Daten (»big data«) lässt sich hier
nicht nur das Leseverhalten analysieren,
sondern mehr oder weniger kommende
Bestseller generieren. Wer weiß, was die
Kunden mögen, kann entsprechend reagieren und bestimmte Genres, Handlungen, Zielgruppen und Themen bedienen.
Gleichzeitig wächst der Wert der Plattform
mit dem »user generated content«, und was
in bibliothekarischen Kreisen als Kataloganreicherung gelten kann, wird Teil der
Plattform.
Deutlich wird hierbei, dass das eigentliche Geschäftsmodell für den Betrieb der
Plattformen in der Marktforschung durch
die Verlage liegt, die in ihrem Umfang,
ihrer Detailgenauigkeit und Tiefe kaum
durch andere Instrumente abgebildet
werden könnte. Markierte Passagen und
»Unterstreichungen« können ausgewertet
werden, genauso wie das Lesetempo und
somit ausgelassene Seiten, Annotationen
sowie Links auf andere Titel oder Texte.
Eine direkte Monetarisierung findet durch
den Verkauf von Anzeigenplätzen auf den
Plattformen statt, aber auch durch die
Möglichkeit »Leserunden« zu finanzieren,
die sich dann um ein Buch des finanzierenden Verlags drehen und somit Aufmerksamkeit für die entsprechenden Titel
generieren.
Der unmittelbare Mehrwert der SocialReading-Plattformen auf der Rezipientenseite leuchtet gerade für eine Generation
Schwerpunkt
Social Reading
ein, die es gelernt hat, mit diesen umzugehen und soziale Kontakte in ihnen zu pflegen. Social-Reading-Plattformen bringen
dabei nicht nur Gleichgesinnte zusammen, sondern erlauben den Kontakt, der
sowohl Raum als auch Zeit überbrückt.
Im Gegensatz zu einem Leseclub müssen
hier keine festen Termine eingehalten werden. Die technische Plattform sorgt für
eine Synchronisierung der Leseerlebnisse.
Wie alle Social-Media-Plattformen kommen auch die des Social Readings einem
gewissen Mitteilungsbedürfnis entgegen.
Sie alle zielen auf die Publikation von Leseerlebnissen im Sinne von Ich-Botschaften, die unmittelbar mit dem Benutzer
verknüpft sind. Meist zielen diese auf Aussagen wie:
„ »Ich habe gelesen« (Lese- beziehungsweise Titellisten)
„ »Ich finde (nicht) gut« (Bewertungen
beziehungsweise Meinungen)
„ »Ich will/werde lesen« (Wunschlisten)
„ »Du sollst lesen« (Leseempfehlungen)
Die wichtigsten Akteure im Bereich des
Social Reading sind Amazon und die
Holzbrinck-Gruppe mit ihren Plattformen
goodreads2 beziehungsweise lovelybooks.
Lovelybooks hat derzeit laut Selbstaussage
105 000 Nutzer und 2 200 000 Rezensi-
onen zu unterschiedlichen Medien3. Die
eher international ausgerichtete Plattform
Goodreads spielt hingegen in einer anderen Liga. Hier sollen es 25 Millionen
Nutzer sein, die insgesamt 29 Millionen
Rezensionen verfasst haben. Sie ist (bisher)
hauptsächlich auf den englischsprachigen
Mark fi xiert, plant allerdings laut Branchenkenntnissen den Start in Deutschland.
Implementierte Vertriebskanäle
Andere, spezialisiertere Plattformen wollen bei ihren Angeboten zudem auch
noch Vertriebskanäle implementieren. So
2 Eine Kuriosität am Rande: Nutzer mit besonderen Rechten und Aufgaben bei Goodreads
heißen Bibliothekare (»librarians«). Ihre
Aufgaben sind es, zum Beispiel Ausgaben
zusammenzuführen und die Personennormdatenbank der Plattform zu pflegen. »How
to become a librarian? In order to become a
librarian on Goodreads you must have at least
50 books in your profile, then just apply.« –
www.goodreads.com/help/show/15-how-tobecome-a-librarian
3 http://media.lovelybooks.de.s3.amazonaws.
com/LB_Mediadaten_201312.pdf (Stand: 3.
August 2014)
Die eher international ausgerichtete Plattform Goodreads soll 25 Millionen Nutzer zählen, die
insgesamt 29 Millionen Rezensionen verfasst haben.
BuB | 66 (2014) 10
Schwerpunkt
Social Reading
verspricht die von Sascha Lobo gegründete Plattform sobooks (»die Zukunft des
Buchstabenverkaufs«4) noch in diesem
Jahr mit wenigen Titeln an den Start zu
gehen und sich grundlegend von den anderen Social-Reading-Plattformen zu unterscheiden: Im Grunde handelt es sich um
einen E-Book-Shop, dem eine Austauschplattform angegliedert ist. Gleichzeitig
sollen im hauseigenen Verlag dann Titel
selbst produziert und über die Plattform
vertrieben werden.
Spezialisiertere Plattformen bieten neben den üblichen Funktionen solche, die
besonderen Interessen einer bestimmten
Zielgruppe entgegenkommen. Vor allem
LibraryThing sei hier erwähnt, das einem
bibliotheksaffinen Publikum gefallen will.
Per Import können hier Titeldatensätze
aus Bibliothekskatalogen in das eigene
Profil geladen werden. Zudem gibt es mit
LibraryThing for Libraries ein kostenpflichtiges Angebot, das Bibliotheken direkt ansprechen will und auf eine mögliche Kataloganreicherung des OPACs mit
einem Recommender-Dienst abzielt. Andere Startups im Bereich der Social-Reading-Apps wurden inzwischen auch schon
wieder nach der Übernahme geschlossen,
wie zum Beispiel im Falle von Readmill.
Dabei sollte es auf der Plattform möglich
sein, den Primärtext mit den Sekundärtexten der Nutzer direkt auf der Wortebene
zu verknüpfen und so eine Interaktion zu
ermöglichen, die bis in die kleinsten Teile
des Buches reichen.
Was macht Social Reading also so besonders und warum sollten sich Bibliotheken,
Dr. Bernd SchmidRuhe, Jahrgang
1971, ist seit 2010
Leiter der Stadtbibliothek Mannheim.
Er hat Deutsche Literatur und Geschichte studiert und in der
Medienwissenschaft
promoviert. In Projekten zur Vermittlung
von Informationskompetenz für Fortgeschrittene und der Koordination von unterschiedlichen IT-Einrichtungen in einer
Universität beschäftigte er sich intensiv
mit den Zukunftsfragen von Bibliotheken. Sein derzeitiger Schwerpunkt liegt
in der Umsetzung und Erprobung bibliothekspädagogischer Konzepte in einer
Stadtbibliothek mit den unterschiedlichsten kommunalen und staatlichen
Bildungspartnern. – Kontakt: bernd.
[email protected]
BuB | 66 (2014) 10
Lesesaal | BuB
687
Die Plattform LibraryThing will einem bibliotheksaffinen Publikum gefallen; per Import können
hier Titeldatensätze aus Bibliothekskatalogen in das eigene Profil geladen werden.
trotz oder gerade wegen der möglicherweise als unsympathisch empfundenen Nutzung der Daten durch die Verlage, damit
auseinandersetzen? Zum einen spricht es
besonders Jugendliche an, die ohnehin
eine hohe Affinität zu den sozialen Netzwerken besitzen. Hier wirken die SocialReading-Plattformen als Katalysatoren,
die einer bereits lesesozialisierten Klientel
ein weiteres Instrument an die Hand gibt,
um ihre Interessen zu vernetzen.
Während Buchclubs und Lesezirkel
sehr stark an Räume und die Verabredung
zu bestimmten Terminen gebunden sind,
entsteht im Netz eine wesentlich größere
Freiheit. Dies ist nicht nur bequem, sondern erlaubt auch einer größeren Zahl an
Personen die Teilhabe an sozialen Interaktionen, an denen sie sonst zum Beispiel
aufgrund anderer Verpflichtungen nicht
teilhaben könnten. Zeitliche und räumliche Ungebundenheit führt hingegen dazu,
dass die Teilhabe an diesen Diskussionen
auch anonym möglich ist; auch wenn diese
Anonymität im Internet derzeit eher negativ bewertet wird, erlaubt sie es doch Menschen teilzuhaben, die ansonsten aufgrund
bestimmter Ausschlussfaktoren nicht teilhaben könnten (dies gilt zum Beispiel für
ein nonkonformes Auftreten genauso wie
für körperliche Einschränkungen).
Darüber hinaus ist Social Reading fokussiert. Im Gegensatz zu anderen Plattformen kreisen die Diskussionen meist
um einen Titel. Selbstverständlich mag es
auch Diskussionen zu Autoren oder Genres geben, aber der kleinste gemeinsame
Nenner ist die einzelne Monografie, die als
Datensatz angelegt wurde. Die einzelnen
Diskussionen lassen sich meist untereinander verlinken, und es ergibt sich somit
ein Netz an Leseerfahrungen und Lese-
biografien, das aufgrund der besseren Darstellbarkeit weit über das hinausgeht, was
in einer analogen Form illustriert werden
könnte.
Gerade in literaturwissenschaftlichen
Kontexten ergeben sich daher für Bibliotheken weitere Betätigungsfelder. Nicht
nur der Betrieb einer Social-ReadingPlattform für die Diskussion von wissenschaftlichen Texten kann interessant sein,
sondern die Rezeptionsforschung bekäme
ganz neue Impulse, wenn die Daten der
Leser den Wissenschaftlern für die Auswertung des Mediennutzungsverhaltens
zur Verfügung stünden.
Lustvolle Lektüre
Wesentlich gewichtiger scheinen aber
die Mehrwerte für die Leseförderung zu
sein. Es ist davon auszugehen, dass die
Social-Reading-Plattformen die Hemmschwellen für die Auseinandersetzung mit
Literatur senken. Vor allem die Tatsache,
dass Kinder und Jugendliche freiwillig
ihre Lektüreerfahrungen kommentieren,
bewerten und in Relation zu anderen Lektüren setzen, ist ein Gewinn. Gleichzeitig
werden die Beschreibungsmöglichkeiten
von Literaturerfahrungen durch das Lesen
der Beiträge anderer Benutzer eingeübt.
Im Spannungsfeld von privater, lustvoller
Lektüre und schulisch angeleiteter Analyse von Texten, kann es gelingen, sonst eher
lesefremden Jugendlichen einen Einstieg
in die Welt der Texte zu ermöglichen. Da
pädagogische Konzepte zurzeit noch zu
kurz kommen, könnten Bibliotheken mit
4 Lobo über sobooks: http://saschalobo.com/
portfolio/sobooks/
688
BuB | Lesesaal
ihrer Arbeit auch hier diese Lücken schließen.
Es muss aber nicht bei der reinen Rezeption und der Beschreibung der Lektüreerfahrung bleiben. Ungemein produktiv
– auch hinsichtlich möglicher Lerneffekte – wird es immer dann, wenn das Social
Reading mit dem Digital Storytelling verknüpft wird. Hier wird das, was beim Social Reading noch reine Rezeption ist, zu
einem Wechselspiel mit der literarischen
Produktion.
An dieser Stelle überkreuzen sich
schließlich rezeptions- und produktionsästhetische Prozesse auf eine besondere
Weise: Während beim Social Reading der
Leser nur »Testleser« ist, der einen mehr
oder weniger fertigen Text kommentiert,
wird hier nun die Reaktion unmittelbar
in den kreativen Prozess des Schreibenden
umgesetzt. Dies kann sogar so weit gehen,
dass der Rezipient selbst zum Produzenten
wird und in einer Art Kettengeschichte in
den kreativen Prozess eingreift. Die Rückkopplungsschleife zum Autor kann hier
unmittelbar zu einer Reaktion führen;
Autor und Leser kommen ins Gespräch
und zwar – und das ist das Neue – noch
während der jeweilige Text produziert
wird. Der Text entsteht so in einem Spannungsfeld unterschiedlicher Geschmacksurteile über ihn; der Text ist nicht mehr lediglich Produkt eines kreativen Prozesses,
sondern der Prozess an sich rückt in den
Vordergrund.
Dieses direkte Feedback ist dann nicht
nur für Verlage interessant, sondern wird
gerade für den wachsenden Markt des
Self-Publishings wichtiger. Auch die FanGleichzeitig wird nicht nur das
Leseverstehen trainiert, sondern auch
die Ausdrucksfähigkeit durch den
selbstreflexiven Prozess der gemeinsamen Evaluierung von Texten.
Fiction und andere Formen der epigonalen
Nachdichtung können im Spannungsfeld
zwischen Originaltreue und Innovationswunsch einer Fan-Communitiy bestehen.
Bei der Verknüpfung von Social Reading mit dem Digital Storytelling ergeben sich erhebliche Mehrwerte für die
Leseförderung. Schon Kinder können
spielerisch (»gamification«) an Formen
der Textproduktion herangeführt werden
und mit technischen Hilfsmitteln sich
und eine erzählte Geschichte in Beziehung
setzen.
Schwerpunkt
Social Reading
den technischen Plattformen gestärkt. Am
schwersten aber wiegt der positive Effekt
der Selbstertüchtigung; wer das Schreiben
als selbstverständlichen Prozess erfährt
und lernt, sich mit Kritik auseinanderzusetzen, wird den produktiven Umgang mit
Texten schätzen lernen.
Es ist nicht neu, dass Menschen ihre
Leseerfahrungen teilen; auch nicht neu ist,
Es ist nicht neu, dass Menschen ihre
Leseerfahrungen teilen; auch nicht
neu ist, dass sie gemeinsam an der
Verfertigung von Texten arbeiten.
Lesen – wie hier in der Stadtbibliothek Mannheim – muss keine einsame Angelegenheit
sein: Zahlreiche Social Reading-Plattformen
bieten Raum für Austausch und Kommentierungen.
Foto: Stadtbibliothek Mannheim
Feedback von Gleichgesinnten
Während Erstleser und Grundschüler mit
geführten Methoden (zum Beispiel mittels
eines Choosatron oder dem Adventure-Kit
twine) relativ wenig Text selbst produzieren und dennoch eine Geschichte erzählen können, können Jugendliche mittels
einer Social-Reading-Plattform in einen
Prozess des Schreibens, Kommentierens
und Bewertens eintreten, der unmittelbar ein Feedback von Gleichaltrigen und
Gleichgesinnten ermöglicht. Die kollektive Schreiberfahrung wird durch die
technische Plattform (zum Beispiel Wattpad) unterstützt. Auch für Szenarien des
biografischen Schreibens könnten solche
Plattformen genutzt werden, um kollektive Erfahrungen aufzuarbeiten. Damit
würde die Zielgruppenspannbreite nicht
nur Kinder und Jugendliche umfassen,
sondern auch Senioren ansprechen können.
Die positiven Effekte einer solchen Methode, die rezeptions- und produktionstheoretische Prozesse kurzschließt, liegen
auf der Hand: Kinder und Jugendliche erlernen in der Selbst- und Fremdevaluation
kritische und meist konstruktive Denkweisen. Gleichzeitig wird nicht nur das
Leseverstehen trainiert, sondern auch die
Ausdrucksfähigkeit durch den selbstreflexiven Prozess der gemeinsamen Evaluierung von Texten. Ganz »nebenbei« wird
die Medienkompetenz im Umgang mit
dass sie gemeinsam an der Verfertigung
von Texten arbeiten. Was aber die SocialReading-Plattformen und die des Digital
Storytelling leisten, ist, dass sie auf das Interesse einer Generation stoßen, die schon
besonders internetaffin ist. Bibliotheken
sollten sich hier engagieren; die Chance, ihren Wirkungskreis in diese Medien
zu erweitern ist nicht purer Selbstzweck
oder ein Trick, um neue Nutzerschichten
zu erschließen, sondern kann helfen, eine
vollkommen neue Form der Literaturerfahrung zu begleiten und letztlich die neuen Formen der interaktiven Texte für die
Leseförderung zu erschließen.
Schwerpunkt
Themenschwerpunkte in BuB
Heft 6/2014:
Gutes Geld für gute Arbeit
Heft 7-8/2014:
Kinder- und Jugendbibliotheken
Heft 9/2014:
Frankfurter Buchmesse
Heft 10/2014:
Social Reading
Heft 11-12/2014:
Freihandelsabkommen TTIP
Heft 01/2015:
Blick in die Zukunft
BuB | 66 (2014) 10
Schwerpunkt
Social Reading
Tom Becker1
Mit Senioren oder für den
Deutschunterricht
Social Reading birgt Potenzial für die Bibliotheksarbeit /
Überlegungen aus einem studentischen Seminar
Nachdem Jürgen Plieninger bereits in
der Aprilausgabe 2012 von BuB in seiner
Kolumne »Blickpunkt Internet« Social
Reading thematisierte und das Thema
– sowohl für Öffentliche wie auch für
wissenschaftliche Bibliotheken – in einem
Symposium im vergangenen Herbst auf
der Frankfurter Buchmesse behandelt
wurde2, werden im folgenden Artikel
basierend auf Arbeiten von Studierenden,
die auch an dem Buchmessen-Symposium
teilgenommen haben, Ideen skizziert, wie
vor allem Öffentliche Bibliotheken den
Anforderungen an die Hybridität ihrer
Rolle als Anbieter, Ermöglicher und Unterstützer in diesem Themenfeld erfolgreich
gerecht werden.3
S
ocial Reading ist eigentlich nichts anderes als der mündliche oder schriftliche Austausch über Geschriebenes
– in Öffentlichen Bibliotheken eine bereits
in den Lesezirkeln und Buchclubs tradierte Veranstaltungsform, die nicht nur
von älteren LeserInnen wahrgenommen
wird. Die soziale Funktion besteht in dem
Face2Face-Austausch, dem Zusammenkommen, bei dem oft über gemeinsam
Ausgewähltes, dann Gelesenes diskutiert
wird. Dabei bleibt der Prozess des Lesens
in der Regel ein singulärer Prozess, den jeder für sich wo immer auch wahrnimmt.
Social Reading geht hier in den gängigsten Definitionen weiter – es beschreibt
einen »online geführten, intensiven und
dauerhaften Austausch über Texte«4, und
dieser Austausch erfolgt nun meistens
schriftlich, orts- und zeitunabhängig und
in einigen eigens dafür geschaffenen Leser-Communities.
Leser-Communities in digitalen Welten5
In der digitalen Welt gibt es bereits vielseitige Leser-Communities, wie sie nicht nur
in den USA schon lange im realen Raum
populär sind.
Hier wird Privates öffentlich gemacht:
Bücherfreunde zeigen, was sie bereits gelesen haben und was sie noch lesen möchten.
Man berät sich gegenseitig, diskutiert die
aktuelle Lektüre oder folgt den aktuellsten
Neuigkeiten über die Lieblingsautorin.
Der Community-Gedanke steht im
Vordergrund – kommerzielle Interessen,
wie sie Amazon und andere Online-Buchhändler verfolgen, sind wenig relevant: In
Foren wird drüber diskutiert, was dem Leser während oder nach seiner Lektüre am
Herzen liegt. Sei es nun ein Satz, der ihn
besonders berührt, oder der Umgang mit
einem Thema in einem Buch, den er kritisch sieht.
Außerdem bieten viele der Leser-Communities die Möglichkeit, eigene Rezensionen zu Büchern zu verfassen und zu veröffentlichen, sowie sie über ein einfaches
Rating-System zu bewerten (siehe hierzu
Tabelle 1 und 2).
BuB | 66 (2014) 10
Lesesaal | BuB
689
690
Schwerpunkt
BuB | Lesesaal
Social Reading
Goodreads1
LibraryThing2
Shelfari3
Gründer
Otis Chandler
Tim Spalding
Josh Hug, Kevin Beukelman
Gründungsjahr
2007
2005
2006
Anzahl Mitglieder
ca. 25 Mio.
ca. 1,8 Mio.4
ca. 88 000 (2006)
Anzahl katalogisierte Bücher
ca. 750 Mio.
ca. 87,5 Mio.
ca. 6,2 Mio. (2006)
Anmeldung
kostenlos
kostenlos; zusätzlich kostenpflichtige
Accounts mit erweiterten Möglichkeiten
kostenlos
Sprache
Englisch, teilweise Spanisch, Französisch, Deutsch und Italienisch
über 50 Sprachen, unter anderen Englisch, Spanisch, Italienisch, Chinesisch
und – tatsächlich – »Piratisch«
Englisch
Funktionen
eigene digitale Bibliothek; Rezensionen
schreiben; automatische personalisierte
Buchvorschläge; Austausch mit Freunden, Interessengruppen; Werbeplattform für Autoren
eigene digitale Bibliothek; Austausch
im Dialog oder in Gruppen; automatische Buchvorschläge; Werbeplattform
für Autoren
eigene digitale Bibliothek; Rezensionen schreiben; Austausch im Dialog oder mit Gruppen; automatische
Buchvorschläge; Werbeplattform für
Autoren; Interessenlisten5
Zugang
Website; App im App Store und bei
Website
Google play und für manche E-Reader
Verbindung zu Facebook, Twitter, Amazon, WordPress und Blogger möglich6
Website; spezielle Website für Moblitelefone; Verbindung zu Kindle,
Amazon, Twitter
1 vgl. About Goodreads. URL: www.goodreads.com/about/us [Stand: 2014; Abruf: 03.02.2014]
2 vgl. About LibraryThing. URL: www.librarything.com/about [Abruf: 03.02.2014]
3 vgl. Cook, John: Shelfari an online meeting place for bibliophiles, 2006. URL: www.seattlepi.com/business/article/Shelfari-an-online-meeting-place-for-bibliophi
les-1216875.php
4 vgl. [o.Verf.]: Zeitgeist by Language. Online im WWW: www.librarything.com/zeitgeist/language [Abruf: 03.02.2014]
5 vgl. [o.Verf.]: Shelfari Help
6 vgl. [o.Verf.]: eReaders. Online im WWW: www.goodreads.com/ereaders [Stand: 2014; Abruf: 03.02.2014]
Tabelle 1. Internationale Leser-Communities
Social Reading »inside the book«
Der neuste Trend des Social Reading ist
die Möglichkeit, sich mit anderen austauschen zu können, ohne dafür das E-Book
aus der Hand legen zu müssen. Der Leser
fügt an Passagen, die ihn besonders interessieren, Kommentare ein, die nach Veröffentlichung allen anderen Lesern des
Werkes, die die gleichen technischen Lösungen benutzen, zur Verfügung stehen.
Diese können dann darauf reagieren, und
so kann sich noch während des Lesens eine
Diskussion entwickeln, die als sogenannten »Paratexte« eigenständig abrufbar sein
können.
Um Social Reading »inside the book« zu
ermöglichen, muss der Leser jedoch extra
Software herunterladen. Kritiker befürchten außerdem, die Privatsphäre der Nutzer
könne eingeschränkt werden, wenn kommerzielle Anbieter ständig Zugriff auf die
Nutzerdaten haben.6
So werden beispielsweise (und dies
nicht nur bei Social Reading »inside the
Book«) die Lesedauer, übersprungene
Kapitel, gesuchte Begriffe und Ähnliches
genauestens protokolliert und vom Leser
unbemerkt an den Anbieter geschickt.
Auf diesem Wege entstehen ganze Leserprofile, welche nur einem Zweck dienen:
den Kunden besser kennen zu lernen, eine
genauere Vorstellung der anvisierten Ziel-
gruppe zu bekommen und diesem damit
letztendlich genauere Angebote und Werbung zu unterbreiten und so den Umsatz
zu steigern.7
LovelyBooks1
Gründer
aboutbooks GmbH
Gründungsjahr
2006
BuecherTreff.de2
2003
3
Anzahl Mitglieder
2008: ca. 10 000
Anmeldung
kostenlos
ca. 17 600
kostenlos
Funktionen
virtuelles Bücherregal; Rezensionen
schreiben; Buchvorschläge;
Austausch zwischen Lesern, Autoren, Verlagen und Buchhändlern
virtuelles Bücherregal;
Rezensionen schreiben;
Austausch im Forum und
mit Freunden; gleichgesinnte
Bücherfans finden; Kalender
für Autorenlesungen
Zugang
Website; App für Smartphones und
E-Reader; Verbindung zu Facebook
und eigenem Blog möglich
1 vgl. LovelyBooks – Wir lieben Bücher. URL: www.lovelybooks.de/info/ueberuns/ [Stand: 2014; Abruf:
03.02.2014]
2 vgl. Über BuecherTreff.de. URL: www.buechertreff.de/index.php?page=AboutUs&subpage=AboutUs
[Abruf: 03.02.2014]
3 vgl. Roebke, Julia: Wer hat das längste Regal. URL: www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/buch-com
munities-wer-hat-das-laengste-regal-1548830.html [Stand: 20.06.2008; Abruf: 03.02.2014]
Tabelle 2. Deutsche Leser-Communities
BuB | 66 (2014) 10
691
Social Reading
Das genaue Beobachten des Nutzers
und seines Leseverhaltens führt aber auch
bei Verlagen zu neuen Entwicklungen.
Nachdem festgestellt wurde, dass Sachbücher nur äußerst selten zu Ende gelesen
werden, wurden sogenannte »nook snaps«
entwickelt. Das sind Mini-E-Books zu bestimmten aktuellen Themen.8
Doch zurück zu Social Reading »inside
the book«: Die vielfältigen technische Lösungen hierzu werden in Tabelle 3 vorgestellt.
Die technischen Entwicklungen machen es für Öffentliche Bibliotheken
schwierig, sich dem Phänomen »Social
Reading« erfolgreich anzunähern. Zwar
kann man als Kunde in einzelnen Katalogen bereits Wertungen abgeben und Literatur kommentieren, aber eine kritische
Masse erreicht man kaum: Was nützt ein
Eintrag zu einem Lyrik-Band im Katalog
der Stadt- und Regionalbibliothek Frankfurt an der Oder, wenn man in Mannheim
oder Würzburg Kunde ist? Und ist der
Kommentar in einem Web-Katalog überhaupt »Social Reading« – es findet doch
kein dauerhafter Austausch statt, sondern
nur eine singuläre Kommentierung?
Rechtliche Hürden
Den »dauerhaften Austausch« »inside the
(e)-Book« kann die Bibliothek bisher weder technisch noch rechtlich umsetzen:
Rechtlich ist eine parallele Nutzung von
gleichen Titeln nur möglich bei entsprechendem Lizenzerwerb (finanziell gerade
für kleinere Bibliotheken schwierig), und
auch dann bleiben die Medien jeweils nur
den Kunden der einzelnen Bibliothek zugänglich – erstellte Kommentierungen
einzelner oder mehrerer Kunden kann
die einzelne Öffentliche Bibliothek bisher
nicht integrieren; zu Paratexten heterogener AutorInnen kommt es somit auf den
bisherigen technischen E-Book-Portalen
nicht.9 Die rechtlich-technischen Rahmenbedingungen (Wer kann welchen
Kommentar wann löschen? Wie kann sichergestellt werden, dass gegebenenfalls
Anonymität gewahrt bleibt?) sind nicht
einmal angedacht.
Nicht nur in Bibliotheken – generell
fehlt es gerade auch bei den unterschiedlichen Anbietern von E-Book-Systemen,
die teilweise bewusst Mitwerber aus ihrem
Nutzerkreis aussperren, an einer Standardisierung von Social Reading. Aufgrund
der geschlossenen Systeme ist ein Austausch zwischen ihnen nicht möglich.10
Kommentare können somit nicht zusammengeführt werden, was eine stärkere Verbreitung und Vernetzung verhindert.
BuB | 66 (2014) 10
Der neuste Trend des Social Reading ist die Möglichkeit, sich mit anderen austauschen zu können, ohne dafür das E-Book aus der Hand legen zu müssen.
Foto: Frankfurter Buchmesse / Peter Hirth
Die Stärke von Bibliotheken jedoch ist
es, Informationen zusammenzuführen
und einheitliche Standards zu entwickeln.
Diese Stärke muss sich die Bibliothek zu
Nutzen machen und ein einheitliches Angebot zur Verfügung stellen. Eine einzelne
Bibliothek, die ihr eigenes Social Reading
Angebot umsetzt, würde der Masse an
privaten Anbietern und den geschilderten
Schwierigkeiten hilflos gegenüberstehen.
Es muss vielmehr eine gemeinsame
Plattform zur Verfügung gestellt werden,
die über die Landesgrenzen hinausgeht.
Diese Plattform benötigt eine einheitliche Kommunikation, bietet jedoch als
Vorteil eine gleichzeitige Arbeitsteilung
für jede einzelne Bibliothek. Weiter darf
nicht vergessen werden, dass eine schweigende Mehrheit der Leser derzeit nicht an
Social Reading interessiert ist. Diejenigen
aber, welche die Portale nutzen, werden
durch die starke Vernetzung zu einer beachtenswerten Interessensgemeinschaft.
Die Finanzierung gestaltet sich bei öffentlichen Trägern immer schwierig, deswegen
sind Kooperationspartner unerlässlich.
Wenn es daher nicht möglich ist, die
genannten Schwierigkeiten zu bewältigen,
sollten sich Bibliotheken überlegen, erfolgreiche Konzepte von realen Book Groups
stärker zu übernehmen.11 Die Bibliothek
sollte dabei als Vermittler auftreten und
die benötigte Literatur zur Verfügung
stellen. Der Vorteil der Bibliotheken ist
der zur Verfügung stehende Raum, der sie
zu einem geeigneten Treffpunkt macht.
Denkbar wäre auch die Kooperation mit
692
Schwerpunkt
BuB | Lesesaal
örtlichen Cafés, in denen Treffen abgehalten werden können, um das nähere Umfeld und die Community zu stärken. Um
die Verbindung zum digitalen Raum zu
schaffen, kann die Gruppe andere Möglichkeiten des Social Web nutzen, um Organisatorisches zu regeln oder die Veranstaltungen zu bewerben.12
Social Reading für
ausgewählte Zielgruppen
Die beiden in den folgenden Unterkapiteln aufgeführten Beispiele, wie und unter welchen Rahmenbedingungen Social
Reading für ausgewählte Zielgruppen
dennoch eine gute Idee sein kann, zeigen,
dass das Themenfeld immer noch sehr zurückhaltend von Öffentlichen Bibliotheken bespielt wird – hier ist für alle Akteure
noch reichlich Luft nach oben.
Die Öffentliche Bibliothek sollte sich
ihrer Funktion als Ermöglicher und als
nonkommerzieller Gastgeber – gerade
auch für digitale Kommunikation – bewusster werden. Ein hybrides Arbeiten mit
Texten – ob mit Sachliteratur oder Belletristik, ob lesend, schreibend oder als »Oral
History« aufgezeichnet und in die Website
und das Veranstaltungsprogramm der einzelnen Bibliothek integriert – Ideen gibt es
viele, häufig sind sie (noch nicht?) mit Social Reading überschrieben: Im Portfolio
der meisten Öffentlichen Bibliotheken ist
Social Reading unter anderen Stichworten
verankert und wird durchaus spannend
bespielt. Tun wir Gutes und reden wir da-
Social Reading
rüber – integrieren wir die Buzzwords der
Welt um uns herum in unsere Programme
und werden wir so zu aktiveren Partnern
einer sich suchend verändernden Medienund Verlagswelt!
Social Reading für SeniorInnen13
Geschichtswerkstätten werden digital,
Geschichten werden erzählt und als »Oral
History« auf der Website zugänglich gemacht, SeniorInnen produzieren, schreiben, entwickeln miteinander und unterstützt von ihrer Öffentlichen Bibliothek
(gerne in Zusammenarbeit mit weiteren
externen Partnern) neuen Content – eine
schöne Vision, wie auch in Zukunft diese
Zielgruppe an Social Reading/Social Writing aktiv partizipieren kann.14
Der erste, grundlegende Schritt, der
von Bibliotheken gemacht werden muss,
um diese Vision realisieren zu können, ist
die Vermittlung von technischer Kompetenz, ist das Anbieten von Social-ReadingKursen im weiteren Sinne. Hier können
bereits existierende Angebote wie EReader-Sprechstunden ebenso eine Rolle
spielen wie (in Zusammenarbeit mit dem
örtlichen Medienzentrum oder der Volkshochschule) Kurse in Podcasting und
Script-Writing.
Weniger ambitioniert, aber auch möglich ist es, Social-Reading-Portale vorzustellen und die LeserInnen bei der Nutzung zu unterstützen – Social Reading hybrid, die Bibliothek als realer Treffpunkt,
um erfolgreich digital zu kommunizieren.
Amazon Public Notes1
Hardware
neuste Kindle E-Reader oder
Kindle 3G mit Softwareversion
3.1 oder neuer
Download
Funktionen
Notizen (bis zu 100 Zeichen)
und Markierungen veröffentlichen; anderen Nutzern folgen
Hier punktet die Bibliothek mit ihrem eigentlichen Kapital: Bibliotheken gelten
als sicher, und eine von der Bibliothek
empfohlene Seite gilt den Nutzern als vertrauenswürdig – gerade wenn sie Bedenken im Bereich des Datenschutzes haben.
Zentraler Punkt ist es, den Kunden einen
gut ausgebildeten Ansprechpartner im Fall
von eventuellen Benutzungsschwierigkeiten und Fragen zur Verfügung zu stellen.
Social Reading in der Schule 15
Im Bereich Schule ist Social Reading insofern interessant, als dass man in der heutigen Zeit davon ausgehen kann, dass ein
Großteil der Schüler ab der fünften Klasse
Subtext
Kobo
iPhone, iPad; Android-Geräte; PC; Mac2
iPad
kostenlos
kostenlos
Umfunktionierung des Smartphones zum
E-Reader; virtuelles Bücherregal; Zitate und
Notizen austauschen; Bücher bewerten3
für Nutzung im Klassenraum entwickelt4;
Markierungen und Notizen anderer Nutzer
kommentieren; geschlossene Gruppen für den
Austausch5
unter anderen Englisch, Deutsch,
Niederländisch und Japanisch
Sprache
Kritik
Tom Becker hat nach
Tätigkeiten in der
Münchner Stadtbibliothek Am Gasteig
und seiner Funktion
als Leiter der Mannheimer Zentralbibliothek seit 2011 eine
Professur zum Themenkomplex »Medienvermittlung und
Medienmanagement in Bibliotheken« an
der Fachhochschule Köln inne. Im gleichen Jahr wurde er in den Vorstand des
Berufsverbandes Information Bibliothek
(BIB) gewählt und vertritt den BIB seitdem in der Lektoratskooperation (www.
bib-info.de/verband/leko.html).
– Kontakt: [email protected]
mangelhafter Datenschutz6
1 vgl. Frequently Asked Questions: Public Notes. URL: https://kindle.amazon.com/faq#PublicNotes0 [Stand: 2013; Abruf: 03.02.2014]
2 vgl. eReading Apps. URL: http://de.kobo.com/apps [Abruf: 03.02.2014]
3 vgl. Scherch, Christiane: Kobo – Der fast perfekte eBook-Reader. URL: www.androidpit.de/kobo-der-fast-perfekte-ebook-reader [Stand: 06.08.2013; Abruf:
03.02.2014]
4 vgl. We’re a chapter ahead. URL: www.subtext.com/the-subtext-difference [Stand: 2014; Abruf: 03.02.2014]
5 vgl. What can I do with my class in Subtext? URL: www.subtext.com/q-a#what-can-i-do-subtext [Stand: 2014; Abruf: 03.02.2014]
6 vgl. Mennella, Allison: What is »Social Reading« and why should Libraries care? – A TTW Guest Post by Allison Mennella. URL: http://tametheweb.com/2011/06/14/
what-is-”social-reading”-and-why-should-libraries-care-a-ttw-guest-post-by-allison-mennella/ [Stand: 14.06.2011; Abruf: 03.02.2014]
Tabelle 3. Technische Lösungen
BuB | 66 (2014) 10
Schwerpunkt
Lesesaal | BuB
Social Reading
Zugang zu Social Networks über die entsprechenden Endgeräte hat – wenn nicht
früher. Damit ist die Voraussetzung zur
Nutzung von Social Reading gegeben.
Zusammen mit den Leselisten der einzelnen Klassenstufen ergibt sich daraus
ein wertvolles Potenzial, um den Schülern
mehr Spaß am Lesen und größeres Interesse an den behandelten Werken zu eröffnen. Dabei wird das bereits vorhandene
informationstechnische Wissen zusammen mit der ebenfalls gegebenen hohen
Nutzung von Social Networks mit dem
schulischen Lernstoff verknüpft. Dies fördert die Bereitschaft der Schüler, sich mit
der oft ungeliebten Schullektüre intensiv
zu befassen.
Vorteile dabei sind beispielsweise, dass
sich kein Schüler mehr gänzlich allein zu
Hause durch schwer verständliche Texte
quälen muss, sondern über Social Networking mit der ganzen Schulklasse Probleme besprechen, Lösungen erarbeiten und
damit den Stoff vertiefen kann. Optimal
wäre bei einer solch aktiven Nutzung eines
Social Networks, wenn auch der Lehrer
teilnehmen würde. Dieser könnte in der
Gruppe eine moderierende Rolle einnehmen und die diskutierenden Schüler bei
Bedarf in die richtige Richtung leiten.
Ein weiterer Vorteil bei dieser Methode
ist, dass der Diskussionsverlauf schriftlich
vorliegt und deshalb gut nachvollziehbar
ist und weiter bearbeitet werden kann.
Sicherlich sind neben diesem Anwendungsbeispiel auch andere Lehrmethoden
denkbar, die die Möglichkeiten von Social
Reading sinnvoll zur Unterstützung von
Lernprozessen nutzen; geltende rechtliche
Rahmenbedingungen, die diese Anwendungsmöglichkeiten stark beeinträchtigen, sind dabei zu beachten.16
Auch der Aspekt »Social Writing« ist zu
betrachten, denn wenn Menschen über ein
Thema diskutieren, kommen unweigerlich neue Aspekte auf den Tisch. Daraus
lassen sich neue Werke schaffen, die aus
dem Gedankengut der Gruppe entstehen.
Gemeinsames Lesen führt folglich zu gemeinsamem Schreiben und ist in Schulen
in Form von Aufsätzen, Hausarbeiten und
Ähnlichem nicht fehl am Platz.
Sollte eine Bibliothek ein solches Kooperationsangebot im Blick haben und
anbieten wollen, empfiehlt es sich, dies
zunächst in Form eines Projektes auszuprobieren.
1 In Zusammenarbeit mit Maria Gey, Nicolas
Hunstein, Sarah Krecké, Mathilde Linnenberg, Tracy Riemer, Kai Rüddenklau und
Dana Ruther
BuB | 66 (2014) 10
693
Social Reading ist mehr, als in der Öffentlichkeit zu lesen: Im Zentrum steht der regelmäßige Austausch über Bücher und Literatur.
Foto: Frankfurter Buchmesse / Peter Hirth
2 Vgl. www.bib-info.de/fileadmin/media/Do
kumente/Projekte/Buchmesse_Frankfurt/
Buchmessenflyer.pdf und hier vor allem die
Artikel von Maximilian Lowisch in dieser
BuB-Buchmesse-Beilage unter der Überschrift »Bibliotheken und Social Reading –
Eine fruchtbare Kombination?«
3 Ausgewählte Studierende haben sich gemeinsam mit dem Hauptautor des vorliegenden
Artikels am Social Writing versucht – Passagen aus einzelnen Hausarbeiten wurden
hochgeladen, und alle Mitwirkenden waren
aufgefordert, aus den über 30 unzusammenhängenden Seiten ein gemeinsames Werk zu
bilden. Dieser Prozess hat (anders, als es die
Erfahrung des Autors in anderen Kontexten
vermuten ließ) bis auf wenige Ausnahmen
nicht funktioniert. Dennoch – die Impulse zu
dieser Publikation speisen sich aus den Ideen
der Studierenden, entsprechend wird auf deren Arbeiten verwiesen.
4 Pleimling, Dominique: Social Reading im
digitalen Zeitalter. In: www.bpb.de/apuz/14
5378/social-reading-lesen-im-digitalen-zeital
ter?p=all
5 Für diesen Tel zeichnen maßgeblich Mathilde
Linnenberg und Sarah Krecké verantwortlich, die auch die tabellarische Aufbereitung
der Leser-Communities getätigt haben.
6 vgl. Richards, Neil M.: Chose Privacy
Week 2012: The Perils of Social Reading.
URL: www.oif.ala.org/oif/?p=3720 [Stand:
02.05.2012; Abruf: 03.02.2014]
7 Unter der Überschrift »Your ebook is reading you« hat diese Gedanken Kai Rüddenklau beigetragen. Er schreibt darüber hinaus:
»Meisterhaft in dieser Disziplin ist mittlerweile der weltweit führende Online-Versandhändler Amazon geworden, welcher dem
Kunden nicht nur bei seinem Webverhalten
mithilfe von Cookies und Algorithmen genau
auf die Finger schaut, sondern auch sein Leseverhalten penibel beobachtet. So wurde bei
dem von Amazon entwickelten E-Book Rea-
8
9
10
11
12
der ›Kindle‹, welcher mittlerweile sowohl mit
aggressivem Marketing als auch zu absoluten
Kampfpreisen in Umlauf gebracht wird, seit
circa drei Jahren durch ein Software-Update
eine Feedback-Schleife aktiviert. Durch diese
Feedback-Funktion, welche unbemerkt vom
Nutzer abläuft, wird jedes Anstreichen einer
Textstelle, aber auch jede gemachte Notiz
auf einem Server von Amazon gespeichert.
Diese dienen somit als Stimme in einem öffentlichem Referendum für die wichtigsten
Passagen eines Buches, welche anschließend
als ›Popular Highlights‹ auf der AmazonWebseite erscheinen, sollten mindestens drei
weitere Nutzer diese Stelle ebenfalls markiert
haben. Des Weiteren ist es auch möglich, sich
beim Kauf eines neuen E-Books schon anonymisierte Notizen und Markierungen früherer
Nutzer anzeigen zu lassen. Damit werden
eigentlich neu erworbene Medien zu einem
Gebrauchsgegenstand, bei dem der Leser sich
mit den Gedanken seiner Vorleser auseinandersetzen kann.«
Aktuelle Beispiele sind E-Books zur Ukraine
oder dem europäischen Parlament.
… damit bleibt dann (noch!) die Problematik einer Archivierung solcher Paratexte den
Bibliotheken bisher erspart – womit sicher
niemand unglücklich ist!
Dieser Passus ist angelehnt an die Ausführungen von Tracy Riemer, die in ihrer Hausarbeit
einen Schwerpunkt auf »Chancen und Alternativen zu Social Reading« legte. Riemer verweist hier unter anderem auf Koch, Marcel:
Social Reading und seine zunehmende Bedeutung für die Buchbranche. 2012. Börsenverein des Deutschen Buchhandels: 26 S. Zitiert nach: www.boersenverein.de/de/528029
[Abruf: 05.02.2014]
Wie einleitend ausgeführt, gibt es bereits
seit Jahren Lesezirkel, Buchclubs und Book
Groups.
Beispiele: Es könnten über Facebook Treffen
mit Fotos illustriert beworben oder nachberei-
694
13
14
15
16
Schwerpunkt
BuB | Lesesaal
tet werden, über Ethernet könnten Ergebnisse
mitprotokolliert und ergänzt werden (auch
von abwesenden Teilnehmern), über Doodle
könnten Termine bestimmt und zu besprechende Buchtitel gerankt werden et cetera.
Die Ausführungen stammen aus stark gekürzten Überlegungen von Mireille Maas im
Rahmen ihrer Hausarbeit zu Social Reading
für SeniorInnen.
Auch im Bereich des Social Writing können
Bibliotheken Senioren zur Hand gehen. Es
können zum Beispiel gezielte Veranstaltungen organisiert werden, die sich auf die von
den Nutzern verfassten Texte konzentrieren.
Eine Möglichkeit wäre es, während jeder
Veranstaltung abwechselnd einen Nutzer
auszuwählen, der seinen Text vorstellen beziehungsweise ein paar Abschnitte vorlesen
möchte und dann im Verlauf der Veranstaltung Feedback zu sammeln. Die anderen
Teilnehmer könnten im Weiteren konstruktive Kritik üben, Vorschläge machen oder
mit dem Verfasser über Ideen diskutieren. So
könnten die Bibliotheken Teil des Schreibprozesses eines Autors sein und diesem beim Verfassen seines Werkes über die Schulter schauen – vor allem, wenn der vom Nutzer verfasste
Text einem bestimmten Genre angehört oder
falls es sich um persönliche Memoiren oder
Kindheitserinnerungen an eine bestimmte
Zeit beziehungsweise Region handelt.
Die Ausführungen stammen aus stark gekürzten Überlegungen von Maria Gey im
Rahmen ihrer Hausarbeit zu Social Reading
in der Schule, in Teilen ergänzt um Aspekte
aus der Arbeit zu dem gleichen Themenkomplex von Dana Ruther.
Gemäß Paragraf 52a Abs. 1 Nr. 1 UrhG ist
die Veröffentlichung kleiner Teile, maximal
10 Prozent (vgl. Otto, Philipp: »Urheberrecht in Schule und Ausbildung«. Online:
www.bpb.de/gesellschaft/medien/urheberre
cht/63412/urheberrecht-in-schule-und-aus
bildung?p=all; Stand: 15.11.2007) eines Werkes oder einzelner Aufsätze aus Zeitungen
und Zeitschriften zu Unterrichtszwecken
erlaubt. Dies gilt nur für »Schulen, Hochschulen, nichtgewerbliche Einrichtungen der
Aus- und Weiterbildung sowie an Einrichtungen der Berufsbildung« (Paragraf 52a Abs.
1 Nr. 1 UrhG), außerdem darf das Material
nur den Unterrichtsteilnehmern zur Verfügung stehen, also als Kopie ausgegeben oder
online in einem passwortgeschützten Bereich
einsehbar sein. Das bedeutet für den Einsatz
von Social Reading, dass es in einer Moodleähnlichen Umgebung (Moodle ist eine Open
Source-Lernplattform) angeboten werden
muss, in der es passwortgeschützte Bereiche
für die jeweiligen Klassen oder Kurse gibt.
Jahrgangs- oder schulübergreifende Diskussionen zu einem Text sind damit nicht möglich, solange man keine Gebühren für die
betreffenden Texte mit entsprechend vielen
Zugriffslizenzen zahlt. Dies gilt natürlich
nicht für Unterrichtsmaterialien, die von den
Lehrern selbst erarbeitet wurden oder Werke,
bei denen der Urheber der freien Nutzung,
zum Beispiel über eine »Creative Commons«Lizenz, zugestimmt hat.
Social Reading
Björn Brembs
Sind Wissenschaftler überhaupt sozial?
Ein kritischer Blick auf die Wissenschaftskommunikation
im digitalen Zeitalter: Impact Factor statt sozialer Technologien
Social Reading in den Wissenschaften?
Fehlanzeige, sagt Neurobiologe Björn
Brembs. Der erfolgreiche Jungwissenschaftler aus Regensburg beklagt in
seinem Kommentar das Fehlen jeglicher
sozialer Technologie in der wissenschaftlichen Literatur. Eine gefährliche Entwicklung, die seiner Meinung nach dringend
korrigiert werden muss.
N
ein, ich rede nicht vom sozial inkompetenten Forscher-Klischee
(neudeutsch »Nerds«), sondern
von real-existierenden Kollegen. Wenn
man sich die vergangenen zehn Jahre an
Online-Entwicklung außerhalb der Institutionen höherer Bildung ansieht, könnte man meinen, die Forscherinnen und
Forscher haben die Dekade der sozialen
Medien genutzt, um einen eisernen Vorhang um ihren Elfenbeinturm zu bauen.
Es wirkt, als wäre das Ziel gewesen, nach
der Erfindung des Netzes jeden Fortschritt
zu verhindern. Man muss sich nur unsere
Literatur ansehen um zu erkennen, dass
dieses Vorhaben, wenn es denn so geplant
war, hervorragend funktioniert hat.
Zurzeit bezahlen wir (laut Outsell Inc.)
durchschnittlich 5 000 US-Dollar pro
Fachjournal-Artikel, damit wir sicher gehen, dass so gut wie niemand den Artikel
lesen kann. Man muss annehmen, dass es
vor allem die Aussperrung der Leserschaft
ist, in das die Verlage investieren, denn
Schreiben und Begutachtung übernehmen ja wir, und die Scientific Electronic
Library Online (SciELO) veröffentlicht
seit über 15 Jahren in nunmehr knapp 900
Journalen für jedermann lesbare Artikel
für schlappe 90 US-Dollar das Stück. Da
die Verlage nur circa 35 Prozent der 5 000
US-Dollar als Gewinn abschöpfen, muss
die verbleibende Differenz von über 3 000
US-Dollar wohl in die Komponente fließen, die SciELO nicht hat: die »Paywalls«.
Die Verlage blockieren
Aber wir beließen es nicht dabei, diejenigen
auszuschließen, die uns für unsere Arbeit
bezahlen. Nein, wir haben anscheinend
auch gleich beschlossen, dass wir noch viel
zu viel Zeit mit dem tatsächlichen Lesen
unserer Literatur verschwenden, und haben die Nutzung unserer Literatur möglichst kompliziert gemacht, damit schließlich keine Zeit mehr bleibt, die mühsam
gesuchte Literatur dann auch tatsächlich
sinnvoll einsetzen zu können:
„ Je nach Fachbereich müssen vier oder
mehr Suchmaschinen verwendet werden,
um eine ausreichende Abdeckung der Literatur zu gewährleisten (in meinem Fall
BuB | 66 (2014) 10
Schwerpunkt
Social Reading
der Neurobiologie: Google Scholar, PubMed, Scopus und Web of Science).
„ Obwohl Hyperlinks bereits 1968 von
der Stanford University zum ersten Mal
vorgestellt wurden, haben sie auch nach
fast 50 Jahren in unserer Literatur noch
immer keinen Einzug gehalten – oder
haben Sie schon einmal eine genaue Beschreibung der experimentellen Vorgänge
bekommen, wenn Sie auf »the experiments
were performed as previously described«
geklickt haben?
„ Wir schicken den Journalen immer
noch Bilder mit Kurven, Graphen und
Diagrammen, wenn die Verlage doch nur
unsere Daten und einige Befehle zur Erstellung der Diagramme bräuchten. Nebenbei würde das den Gutachtern und
später den Lesern erlauben, andere Aspekte der Daten in Augenschein zu nehmen,
als die von den Autoren ausgewählten.
„ Wir müssen immer noch nach jeder
Ablehnung unsere Artikel zum Teil radikal umschreiben, weil jedes Journal unsere
Texte gerne in einer anderen Form hätte.
„ Erst jetzt beginnen einige wenige Journale mit einer Technologie, die jeder Student sich schon in den 1990-ern in seine
BuB | 66 (2014) 10
Lesesaal | BuB
695
Die Lage für wissenschaftliche Forschungsdaten ist katastrophal: Neurobiologe Björn Brembs im
Labor.
Foto: david-oliveira.com
Webseiten baute: Zähler für die Anzahl an
Zugriffen. Immerhin ist diese Technologie
nur etwas über 20 Jahre alt und nicht fast
50 wie Hyperlinks.
„ Die Verlage blockieren aktiv und aus
reinem Gewinninteresse den Zugang für
moderne Forschungsmethoden wie Content-Mining.
`
696
BuB | Lesesaal
„ Obwohl Online-Händler wie Ama-
zon schon seit über einem Jahrzehnt
Produkte anbieten, die mit bereits gekauften Produkten zusammenhängen,
gibt es vergleichbare Technologie nur in
sehr begrenztem Rahmen – Pilotprojekte zumeist – für wissenschaftliche Artikel. Es gibt nicht ein einziges digitales
Werkzeug, das es einem Wissenschaftler
erleichtert, die neu publizierte Literatur
individuell und vom Nutzerverhalten
lernend zu fi ltern, zu sortieren und zu
entdecken, obwohl diese Technologien
bereits seit vielen Jahren auch von Wissenschaftlern in nicht-wissenschaftlichen
Bereichen im Grunde täglich genutzt
werden.
„ Es gibt keine wissenschaftlichen Bewertungsmöglichkeiten. Der vielzitierte
»Impact Factor« ist ungefähr so wissenschaftlich wie Wünschelrutengehen oder
Pendeln. Die Daten der letzten 20 Jahre
legen sogar nahe, dass Würfeln geeigneter
ist, einen guten Artikel in einer Auswahl
zu finden, als diese verhandelbare, nichtreproduzierbare und mathematisch falsch
berechnete Zahl.
„ Wir haben keine Möglichkeiten, die
neuen Technologien der sozialen Medien
auf unsere Literatur anzuwenden. Zwar
wird so langsam eine Disambiguierung der
Autoren über ORCID entwickelt, doch
bevor diese Implementierung auf breiter
Front etabliert ist, werden noch viele Jahre
vergehen.
Diese zehn Beispiele sind natürlich nur
eine kleine Auswahl aus der stetig wachsenden Anzahl an Funktionalitäten, die
Der Eindruck »Top-Journale«
publizierten »Top-Wissenschaft« ist in
etwa so wissenschaftlich begründet,
wie der Eindruck, dass der Ausschlag
der Wünschelrute tatsächlich mit der
»Erdstrahlung« in Ihrem Haus
zusammenhängt.
wir heutzutage von digitalen Objekten
als selbstverständlich erwarten, die sich
jedoch nicht in der wissenschaftlichen Literatur wiederfinden. Wir könnten unsere
Arbeiten genauso gut auch in Stein meißeln, mit den Digitalkameras in unseren
Mobiltelefonen ablichten und die Bilder
dann ins Netz stellten – unsere Literatur
verlöre nur unwesentlich an Funktionalität.
»Social Reading« beschränkt sich für
Wissenschaftler folglich weitestgehend
auf die außerinstitutionellen Kanäle wie
Facebook oder Twitter. Rein von den
Schwerpunkt
Social Reading
Zahlen der Teilnehmer her, ist das natürlich vernachlässigbar. An dieser Situation
wird sich vermutlich so bald auch nichts
ändern, solange selbst Koryphäen wie Jonathan Eisen von einem Gutachter vorgeworfen bekommen, sie würden zu viel Zeit
in sozialen Netzen verbringen, um sich effektiv in das beantragte Projekt einbringen
zu können.
Infrastruktur-Katastrophe
Doch das Thema sozialer Technologien
in der Wissenschaft ist nur die Spitze des
Eisbergs einer mittlerweile völlig unzureichenden Infrastruktur. Wenn die Situation für die wissenschaftliche Literatur, wie
oben beschrieben, schon schlecht aussieht,
so ist sie katastrophal für unsere Daten
oder gar unseren Quellcode. Doch die
Infrastruktur-Katastrophe, die da auf uns
zurollt, macht nicht bei den Früchten unserer wissenschaftlichen Arbeit halt. Die
Entwicklung des Netzes hat alles an hergebrachter Verfahrensweise auf den Kopf
gestellt.
Neben der Funktionalität ist die Anreizstruktur eine wesentliche Komponente unserer institutionellen Infrastruktur.
Waren vor der Exzellenzinitiative 2005
noch circa 50 Prozent aller Vollzeitstellen
unbefristet, sind es mittlerweile nur noch
knapp über 40 Prozent. Laut Statistischem
Bundesamt wurden in diesem Zeitraum
zwar gut 3 000 neue Dauerstellen für
Wissenschaftler geschaffen, jedoch auch
über 20 000 befristete Stellen. Durch diese
enorme Überproduktion an Wissenschaftlern entsteht eine krankhafte Konkurrenzsituation, die dem Nachwuchs suggeriert,
man könne nur noch mit Star-Status eine
der raren unbefristeten Stellen ergattern.
Einen solchen Star-Status, daran wird
kein Zweifel gelassen, kann man nur mit
Publikationen in den »Top-Journalen«
erlangen. Das Fatale ist nur, dass kaum
jemand wahrzunehmen scheint, dass dieser Kaiser völlig nackt dasteht: Der Status
der Journale entbehrt jeglicher empirischen Grundlage. Im Gegenteil, die Studien, die sich mit der Journal-Hierarchie
beschäftigen, zeigen nicht nur, dass es in
den meisten Fällen keinen Zusammenhang zwischen der methodische Qualität
der Arbeiten mit der Höhe in der Journalhierarchie gibt, sondern auch dass
diese Relation in manchen Fällen sogar
sinkt statt steigt. Es ist mir keine einzige
Untersuchung bekannt, in der die »TopJournale« in solchen Untersuchungen
nicht sang- und klanglos durchgefallen
wären.
Die momentane Datenlage ist eindeu-
tig: Der Eindruck »Top-Journale« publizierten »Top-Wissenschaft« ist in etwa so
wissenschaftlich begründet, wie der Eindruck, dass der Ausschlag der Wünschelrute tatsächlich mit der »Erdstrahlung« in
Ihrem Haus zusammenhängt. Sensationsgier und niedrige Qualitätsansprüche in
den »Top-Journalen«, gepaart mit der Verzweiflung, eine Publikation in einem genau dieser karriereentscheidenden Journale unterbringen zu müssen, ist das perfekte
Rezept, um die am wenigsten zuverlässige
Wissenschaft in den am meisten beachteten Journalen unterzubringen.
Diesem System haben wir nicht nur
Jan-Hendrik Schön, Woo-Suk Whang
oder Diderik Stapel zu verdanken, sonDie Inexistenz von sozialer Technologie in der wissenschaftlichen Literatur
ist daher nur ein winziges Symptom
einer Krankheit, die ohne Gegenmaßnahmen mit Sicherheit tödlich für den
Patienten »öffentlich geförderte
Wissenschaft« verlaufen wird.
dern auch die Titelseite des Economist
»How Science Goes Wrong« oder den Titel
von Ranga Yogeshwars WDR-Sendung
»Pfusch in der Wissenschaft«.
Die Inexistenz von sozialer Technologie in der wissenschaftlichen Literatur ist
daher nur ein winziges Symptom einer
Krankheit, die ohne Gegenmaßnahmen
mit Sicherheit tödlich für den Patienten
»öffentlich geförderte Wissenschaft« verlaufen wird: Welcher Steuerzahler oder
Politiker wird noch für ein System zahlen
wollen, in dem aus Steuergeldern Wissenschaftsskandale gemacht werden und
klinische Ergebnisse nicht reproduziert,
geschweige denn zu Therapien entwickelt
werden können.
Jetzt ist die Zeit gegenzusteuern und
eine radikale Modernisierung unserer
Infrastruktur zu betreiben. Die Mittel
dafür sind in den Subskriptionen der
Journale zu suchen: Zieht man Verlagsgewinne und »Paywall«-Kosten von den
Abonnement-Gebühren ab, so bleiben den
wissenschaftlichen Institutionen weltweit
pro Jahr circa 9,8 Milliarden US-Dollar
für dieses Vorhaben – das sollte mehr als
genügen.
Björn Brembs: Promotion in Würzburg (2000),
PostDoc in Houston, Texas (bis 2003), Gruppenleiter in Berlin (bis 2012), Professor in Regensburg.
– Kontakt: [email protected]
BuB | 66 (2014) 10
Schwerpunkt
Social Reading
Hanna Weber
Große Vorteile –
aber noch größere Vorbehalte
Social Reading als Plattform des wissenschaftlichen Austausches
Social Reading ist eine neue Entwicklung,
die sich in wissenschaftlichen Bibliotheken
in verschiedene Kontexte einordnen lässt.
Hanna Weber hat sich im Rahmen ihres Studiums intensiv mit dem Thema befasst und
stellt im Folgenden die wichtigsten Aspekte vor.
mentieren könnte, ergäben sich weitreichende Möglichkeiten bis hin zu einer möglichen
Veränderung des Publikationsverhaltens. Da
wichtige Aussagen direkt am Original-Text
angemerkt werden können, müssen sie gegebenenfalls nicht mehr in separaten Aufsätzen publiziert werden.
Lernmanagementsysteme, die in Hochschulen Anwendung finden, könnten mit wenig Aufwand zu Social Reading-Projekten
erweitert werden: Häufig werden von Professoren Skripte oder kurze Texte, manchmal auch ganze Buchkapitel hochgeladen,
um diese den Studierenden zur Verfügung
zu stellen. Eine Form des Social Reading
wäre es, diese Texte in ein Format zu bringen, in dem die Studierenden diese offen
kommentieren können. So wären alle Nutzer des Textes in der Lage, den Kommentar
zu lesen und diesen wiederum zu kommentieren. Das Lernmanagementsystem würde
Mehrere Hindernisse
Eine weitere Problematik ist das
Format der erstellten Dokumente.
somit als gemeinsamer Ort für eine Lerngruppe fungieren.
Fragen können mit diesem Instrument
direkt im Text beantwortet werden und so
ganze Diskussionen am Text selbst entstehen. Das Lernen wird auf diese Weise unmittelbar unterstützt. Durch Speicherung auf
den Servern können die Diskussionen sogar
von nachfolgenden Semestern wiederaufgenommen und weitergeführt werden.
Eine weitere Möglichkeit zur Einbindung
von Social Reading ist im Bereich der virtuellen Forschungsumgebungen zu sehen. Diese spielen eine immer größere Rolle in der
deutschen Forschungslandschaft. Der Vorteil: In virtuellen Umgebungen können Wissenschaftler in kleinen Gruppen oder mit
der ganzen Wissenschaftscommunity Dokumente bearbeiten und sich gegenseitig
zur Verfügung stellen.
Wenn man auch hier, wie bei den Lernmanagementsystemen, direkt im Text kom-
BuB | 66 (2014) 10
Im Moment stehen diesen Visionen des Arbeitens mithilfe von Social Reading allerdings verschiedene Hindernisse im Wege.
Zu nennen ist dabei zunächst die geringe Verbreitung wissenschaftlicher Texte
auf dem Open Access-Weg. Da die meisten Wissenschaftler ihre Veröffentlichungen
nach wie vor über einen Verlag publizieren
und diese deswegen selten frei zur Verfügung stehen, kann eine Nutzung auf Plattformen nur unter besonderen Umständen
erfolgen.
Zu beachten ist dabei die Sonderbestimmung zur öffentlichen Zugänglichmachung
für Unterricht und Forschung (Paragraf 52,
UrhG), die besagt, dass Texte und Veröffentlichungen, die dem Urheberrechtsgesetz unterliegen, in Teilen zur Forschung
und Lehre veröffentlicht werden dürfen. Die
Bestimmung gilt aber nur, wenn die Unterlagen ausschließlich einem begrenzten Personenkreis zugänglich gemacht werden.*
Diese Eingrenzung erfolgt bei Lernmanagementsystemen und virtuellen Forschungsumgebungen durch einen passwortgeschützten Bereich. Dabei muss auch eine
Kontrolle dahingehend erfolgen, ob der
Hanna Weber, geb.
Mühlenjost (1989),
studiert nach Beendigung ihrer Ausbildung an der ULB
Münster zur FaMI
(Fachrichtung Bibliothek) momentan an
der Fachhochschule
Köln Bibliothekswesen. – Kontakt: hanna.muehlenjost@gmail.
net
Lesesaal | BuB
Nutzer berechtigt ist, diese Plattform überhaupt zu nutzen.
Unklar ist allerdings, in welchem Rahmen Teile einer Arbeit dort hinterlegt werden können. Im Urheberrechtsgesetz werden keine klaren Definitionen getroffen, sodass dabei aktuelle Rechtsprechungen und
verbreitete Argumentationen berücksichtigt werden müssen.
Sollten Dokumente unter Open Access publiziert sein, besteht dieses Problem
nicht, damit können auch öffentliche Diskussionen (vielleicht auf einem fachlichen
Repositorium) geführt werden.
Eine weitere Problematik ist das Format
der erstellten Dokumente. Das weit verbreitete Portable Document Format (PDF) ermöglicht ohne teure Zusatz-Software keinen
flexiblen Umgang mit Kommentierungen.
Im Bereich der virtuellen Forschungsumgebung spielt auch die Langzeitarchivierung
eine wichtige Rolle: Es muss gewährleistet
werden, dass die Kommentare auch zu spä-
Im Bereich der virtuellen Forschungsumgebung spielt auch die Langzeitarchivierung eine wichtige Rolle.
teren Zeitpunkten zur Verfügung stehen.
Dies ist insbesondere für die Authentizität
der Quellen wichtig.
Abgesehen von den oben genannten Fragen ergibt sich gerade bei der forschungswissenschaftlichen Nutzung von Dokumenten noch ein ganz anderes Problem: Viele
Wissenschaftler sind derzeit nicht bereit,
sich mit Open Access, seinen Möglichkeiten und Vorteilen auseinanderzusetzen. Sie
werden somit auch wenig Interesse daran
haben, sich auf offenen Forschungsplattformen über Dokumente auszutauschen
und Textdiskussionen so weit voranzubringen, dass sich eine Publikation der Ergebnisse auf üblichem Wege vielleicht erübrigt.
Die erläuterten Möglichkeiten von Social
Reading sind daher heute noch nicht voll
umsetzbar. Aber die Auseinandersetzung
mit dem Thema Social Reading hat gezeigt,
welche ungenutzten Möglichkeiten der Zusammenarbeit bestehen. Diese Entwicklungen müssen weiter vorangetrieben werden
und sollten von den Bibliothekaren genau
beobachtet werden.
* Vgl. Urheberrechtsgesetz, Paragraf 52, Absatz 1 & 2
697
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698
BuB
| Lesesaal
Frankfurter Buchmesse
Dirk Wissen
Lyrik rechnet sich nicht –
bietet aber Lebensqualität
Gedichte als Herausforderung für Öffentliche Bibliotheken
Lyrik gehört in jede Bibliothek, davon ist
der Direktor der Stadt- und Regionalbibliothek Frankfurt (Oder), Dirk Wissen,
fest überzeugt. In seinem folgenden
Beitrag hat der Literaturexperte interessante Stimmen aus dem Lyrik-Umfeld
gesammelt – und außerdem jede Menge
Argumente, warum Gedicht-Bände, auch
wenn sie wenig ausgeliehen werden,
in Bibliotheken für Aufenthaltsqualität
sorgen können.
E
rnst Jandl, den ich in den 1990er-Jahren mal in der Theatergarderobe der
Volksbühne Wien traf, vermutete,
dass ich ebenfalls schriftstellerisch tätig sei
und erklärte mir eindringlich, dass selbst
er, der in Österreich ein weltbekannter Lyriker sei, vom Verkauf seiner Bücher nicht
leben könne. Wären da nicht viele Auftritte, die Honorare einbringen, dann müsste
er neben dem Schriftstellerberuf einem
weiteren Broterwerb nachgehen.
Nun, circa 20 Jahre später, frage ich
mich: Wie stehen die »Aktien« heute um
die Lyrik? Mit meiner Frage richtete ich
mich an die vielfach ausgezeichnete Lyrikerin Ulrike Almut Sandig. Von ihr bekam ich die Antwort:
»Wenn man hauptamtlich dichten will,
hat das Konsequenzen, auch auf das eigene
Schreiben. Denn da man vom Verkauf der
eigenen Gedichte auf keinen Fall leben kann,
selbst wenn sie sich verhältnismäßig hervorragend verkaufen, ist man angewiesen auf
a) Bühnenhonorare, b) Preisgelder und Stipendien und c) Abdruckhonorare für andere
Veröffentlichungen. Was Punkt c betrifft,
gibt es viele Dichter und Dichterinnen, die
auch Romane, Erzählungen, Drehbücher et
cetera veröffentlichen; sie sind in der glücklichen Lage, sich ihre dichterischen Eskapaden
querfinanzieren zu können. Wer Essays oder
Übersetzungen verfasst, ist genauso dran, als
wenn er es nicht täte, denn solche Literatur
kauft auch keiner.
Gut, aber was ist mit Punkt b, den Auszeichnungen und Förderungen? Ganz einfach: Manche bekommen sie, andere nicht.
Schlechte Dichter werden selten ausgezeichnet. Aber es gibt auch verdammt gute Dichter, die nie ausgezeichnet werden. Das schlägt
sich dann in Punkt a nieder. Denn wer nicht
ausgezeichnet wurde, wird auch nicht in Literaturhäuser oder auf Lesefestivals eingeladen. Aber selbst wer eingeladen wird, kann
noch immer nicht von sich behaupten, seine
Lyrik rechne sich marktwirtschaftlich. Denn
die Honorare für diese Lesungen werden aus
dem Kulturhaushalt der Städte, Bundesländer oder verschiedener Stiftungen gezahlt,
andernfalls geht man mit 15 Euro und einem feuchten Händedruck nach Hause.«1
Die finanzielle Situation hat sich in den
20 Jahren seit meiner Begegnung mit Jandl
scheinbar nicht verändert. Doch spiegelt
sich dies auch im Umsatz auf dem aktuellen Medienmarkt wider? Verkauft sich
Lyrik? Auf meine Frage antwortete Detlef
Bluhm vom Börsenverein des deutschen
Buchhandels:
»Lyrik rechnet sich nicht? Lyrik verkauft
sich nicht? Lyrik braucht der Markt nicht?
Seit über zwei Jahrzehnten wird von der
hoffnungslosen Situation lyrischer Produktion auf dem Buchmarkt geredet – falls sich
überhaupt jemand zu diesem Thema äußert.
Dennoch ist in dieser Zeit eine höchst lebendige Lyrik-Szene entstanden, mit neuen Verlagen, Autorinnen und Autoren, alternativen Veranstaltungsorten, jungen Festivals,
Homepages und Social-Media-Kommunikation.
Und der traditionelle Buchmarkt ist
dabei, diese Entwicklungen für sich zu entdecken. Dabei wird es nicht um das ›große
Geschäft‹ gehen – das war mit Lyrik nur sehr
selten zu machen –, sondern um die Entdeckung neuer Autorinnen und Autoren,
junger Leserinnen und Leser, neuer Formen
poetischer Artikulation und darum, eine
Verbindung zwischen traditioneller und experimenteller Lyrik zu schaffen.«2
Experimental- statt Konsumliteratur
Poetik ist für Bluhm also Experimentalliteratur und keine »Konsumliteratur«,
auch wenn hier eine »neue, lebendige
Szene« entstanden ist. Doch wenn Lyrik
keine »Konsumliteratur« ist, ist sie dann
»Alltagsliteratur« und dient der informationellen Grundversorgung? Diese Frage
müssen sich Bibliothekslektoren stellen,
wenn sie Lyrik in ihren Medienbestand
aufnehmen. Unter aktuellen Gesichtspunkten des Bestandsmanagements ist zu
hinterfragen, ob mit einem bestimmten
Bestand die fachlich angestrebte Grundversorgung an Information und Medien
bedient wird oder ob bei kaum erzielten
Ausleihumsätzen in Öffentlichen Bibliotheken ganz verzichtet werden sollte? Diese Überlegung führt zu der Frage: »Wozu
Lyrik heute?«3 Diese Frage muss in Bezug
auf die Praxis des Bestandsmanagements
gestellt werden. Die Professorin für Informationsmarketing, PR und Bestandsmanagement, Frauke Schade, plädiert für den
1 E-Mail der Autorin Ulrike Almut Sandig: Lyrikerin, Berlin
2 E-Mail von Detlef Bluhm: Geschäftsführer
des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels – Landesverband Berlin-Brandenburg,
Berlin
3 Vgl. Hilde Domin: Wozu Lyrik heute, Piper,
Frankfurt am Main, 1971
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Frankfurter Buchmesse
Lyrikbestand und begründet dies folgendermaßen:
»Die Freiheit und Vielfalt von Kultur ist
ein grundlegender Wert unserer demokratischen Gesellschaft, der durch das Grundgesetz geschützt ist. Eine gesetzliche Gewährleistung für die Einlösung des Kulturauftrags
gibt es dafür auf kommunaler Ebene jedoch
nicht. Die Ermöglichung von Kultur gehört
weitgehend zu den freiwilligen Aufgaben
von Kommunen.
Die Kulturpolitik in den 1970er-Jahren
sah die Chance, ›Kultur für alle‹ auch in ihren Nischen und vor kleinem Publikum zu
ermöglichen. Durch die Verwaltungsmodernisierung und finanzielle Krise der öffentlichen Hand seit Mitte der 1990er-Jahre
wird eine Kulturpolitik befördert, die eine
stärkere Professionalisierung des Kulturbetriebs und eine höhere Kundenorientierung
anstrebt. Der Paradigmenwechsel drückt
sich vor allem dadurch aus, dass sich Kultur
heute stärker als früher über ihre Nachfrage
legitimieren muss. Auf der anderen Seite ist
ein Kulturangebot, das ausschließlich den
Massengeschmack bedient und schnelllebigen
Moden und Trends folgt, kaum akzeptabel.
Die öffentliche Subventionierung des Kulturguts wird vielmehr gerade erst dadurch
BuB | 66 (2014) 10
Lyrik gehört in die Bibliothek: Sie bietet Qualität – Lebens- und Lesequalität! Foto: Dirk Wissen
möglich, dass ein Angebot als gesellschaftlich
so relevant eingeschätzt wird, dass von staatlicher Seite in den Markt eingegriffen und
die fehlende Nachfrage ausgeglichen wird.
Bibliotheken können diesem Spannungsfeld nicht entrinnen. Dies erfordert das strategische Kalkül, das Angebotsportfolio von
Bibliotheken zwischen Marktorientierung
und Kulturauftrag auszutarieren. Dies be-
deutet einerseits, sich immer wieder mutig in
die Nischen des Unpopulären zu wagen und
vielleicht gerade daraus ein Alleinstellungsmerkmal zu entwickeln; andererseits die
Potenz der Bibliothek und ihre Relevanz für
die Gesellschaft stetig auch über die Nachfrage zu legitimieren. Das Ganze ist mehr als
die Summe der Einzelteile. Im günstigsten
Fall resultiert daraus ein Bibliotheksprofil,
700
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das durch Einzigartigkeit und Relevanz seinen spezifischen Mehrwert für die Kommune
nachhaltig kommuniziert.«4
Viele Bibliotheken streben an, effizient zu agieren, auf einen guten Umsatz
bedacht zu sein und sich an Nutzerwünschen zu orientieren, um die Ausleihzahlen zu optimieren. Propagiert wird von
Bibliotheken, dass sie nachfrageorientierte
Medienbestände haben, die den Nutzerwünschen entsprechen, aktuell sind und
sich am Buchmarkt ausrichten – all dies
bietet ein subventionierter Lyrikbestand
nicht: also raus damit und Platz schaffen
für zum Beispiel Konsolenspiele und 3-DDrucker, die marketingstrategisch ein modernes Image bieten. Die Fernleihe bietet
doch ausreichend Möglichkeit, auf seltene
Leserwünsche zu reagieren.
Eine Frage bleibt dennoch: Sollten Bibliotheken einen Lyrikbestand als Beitrag
zur kulturellen Vielfalt anbieten, auch
wenn sich auf den Bestsellerlisten des
Buchmarkts keine Lyriktitel finden? Denn
selbst als der schwedisches Lyriker Tomas
Tranströmer 2011 mit dem Nobelpreis für
Literatur gewürdigt wurde, gab es keinen
Eintrag in den Bestsellerlisten. Was ist also
das Oeuvre Tranströmers für den Medienbestand einer Bibliothek wert?
Unwirtschaftlicher Mut
Und es gibt Verlage, die den unwirtschaftlichen Mut haben, Lyrik zu verlegen. So
zum Beispiel Verlage wie Edition Azur,
hochroth, kookbooks oder Voland &
Quist. Leif Greinus, Verlagsleiter bei Voland & Quist, berichtet:
»›Lyrik nervt‹ las ich auf einem Aufkleber
vor acht, neun Jahren in einem Kulturzentrum. Da hatten wir mit Nora Gomringer
und Bas Böttcher zwei Lyriker frisch ins
Verlagsprogramm genommen. Ob sich das
Verlegen von Lyrik refinanzieren würde,
war schwer zu schätzen, aber auch nicht das
Kriterium. Wir waren begeistert von den
Autoren und ihren Texten und wollten sie
bekannt machen.«5
Solche Verlage sind nicht nur mutig
– sondern, wenn sie Lyrik verlegen, wirtschaftlich betrachtet fast schon wahnsinnig, da sich die Verlage unter anderem von
Fördermitteln abhängig machen, um Lyrik verlegen zu können. Doch gegenüber
Verlegern, die keine Lyrik in ihr Verlagsprogramm nehmen, antwortet der Verleger Klaus Schöffling:
»Ihr verlegt keine Lyrik? Ihr seid wahnsinnig! Wer sich als Verleger vor den Gedichten
drückt, kommt nimmermehr in den Verlegerhimmel, verpasst die schönsten und intensivsten Lesestunden, schaut nie die klaren
Frankfurter Buchmesse
»Für Gedichtbände erhalten Autoren meist keinen Vorschuss«: Tanja Dückers bei der Gesprächsreihe »Wissen trifft … – das Kulturgespräch« in der Stadt- und Regionalbibliothek Frankfurt
(Oder).
Foto: Thomas Ritter
Augen der Lyrikdebutantin, vermisst nie das
Gewicht der Ausgabe der ›Sämtlichen Gedichte‹, ist überhaupt ein armer Wicht, der
vielleicht eine feine Bilanz hochhält, aber
doch die entscheidenden Momente des Verlegens verpasst. Wer Lyrikreihen einstellt, ist
nicht von unserer Art.«6
Doch wer sind die Kunden und sind
dies die gleichen Kunden wie die, die in
den Bibliotheken Lyrik entleihen? Es ist zu
unterscheiden zwischen der Bibliothek als
Käufer, dem Bibliophilen als Käufer und
dem Entleiher von Poesie aus der Bibliothek, den es kaum gibt. Denn es verhält
sich bei Lyrik wohl so, dass ein schönes Lyrikbändchen einen ein Leben lang begleiten kann. Entgegen allen Nutzungstrends
digitaler und mobiler Möglichkeiten bedeutet der Besitz hier oftmals mehr als
der Besitz eines Sachbuches mit schnellem
Verfallsdatum. Somit raus damit, Lyrikbestände raus aus den Bibliotheken! Diese
Bestände finden keine Nutzung, keinen
Nutzer! Die paar wenigen sind Schüler,
um Lyrik für den Unterricht zu entleihen.
Jedoch haben viele Schüler bereits erkannt,
dass sich einzelne Gedichte wunderbar aus
dem Internet zusammenstellen und bearbeiten lassen, und es ist nicht zu verstehen,
weshalb die ekz.bibliotheksservice GmbH
beispielsweise Lyrik als Standing Order
anbietet? ekz-Lektorin Regine Mitternacht, zuständig für Belletristik, entgegnet hierauf:
»Betriebswirtschaftlich betrachtet könnte
man sagen, der Verkauf von Lyrik lohne sich
nicht. Das wäre aber zu kurz gedacht. Klar
machen die Umsatzzahlen eines modernen
Lyrikbandes nur den Bruchteil der Zahlen
eines Bestsellers à la ›Nele Neuhaus‹ oder
›Ken Follett‹ aus. Dennoch können Bibliotheken zu Recht erwarten, dass die ekz als
Bibliotheksdienstleister das ganze Spektrum
eines möglichen Bestandes im Portfolio hat.
So ist es für die ekz selbstverständlich, neu
erscheinende Lyrik in einem gewissen Umfang in ihrem Informationsdienst (ID) anzubieten. Aus der (immer noch erstaunlich
großen) Fülle der Lyrik-Neuerscheinungen
wird im Lektorat eine Vorauswahl getroffen,
kompetente Rezensenten begutachten diese
und geben Bibliotheken so wertvolle Hinweise für ihre Kaufentscheidung. Auf diese
Weise finden pro Jahr circa 50 Titel ihren
Weg in den ID. Ergänzend hierzu bietet die
ekz in unregelmäßigen Abständen weitere
Lyriktitel in Medienaktionen an.«7
Es sind also circa 50 Titel von insgesamt
2 800 Belletristik-Titeln im Jahr, die die
ekz anbietet – hierbei von einem Portfolio zu sprechen, ist doch ein Witz – raus
damit! Und neben dieser Sichtweise des
Bestandsmanagements gibt es für Öffentliche Bibliothek zudem eine zweite: die des
Veranstaltungsmanagements.
Lyrik rechnet sich nicht
Der Bestandsmanager muss den Einkauf
eines Lyrikbändchens kritisch sehen – der
Veranstaltungsmanager sollte keine Lyrikveranstaltung durchführen, wenn diese
Gefahr läuft, kaum Publikum zu ziehen.
Lyrik rechnet sich auch hier nicht! Doch
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Lesesaal | BuB701 701
Frankfurter Buchmesse
wieso gibt es einerseits einen Lyrikbestand
innerhalb der Belletristik in den Bibliotheken und nicht im gleichen prozentualen
Verhältnis entsprechend viele Lyrikveranstaltungen?
Die Schriftstellerin Tanja Dückers äußert sich zu Veranstaltungen folgendermaßen:
»Für Gedichtbände erhält man meist keinen Vorschuss, vielmehr freut man sich, dass
die Gedichte überhaupt verlegt werden. Mit
den Büchern verdient man wenig, das ist zu
vernachlässigen. Unserer heutigen Eventkultur entsprechend, die die Arbeit am Schreibtisch wenig würdigt, den (glanzvollen)
Augenblick auf der Bühne aber honoriert,
verdient man mit Abstand am meisten auf
der Bühne: also mit der Teilnahme an Lyrikfestivals, Lyriklesungen, Poesienächten und
dergleichen. Das ist nicht jedermanns Sache
und kann sehr unterschiedlich aussehen: Es
gibt die klassische Literaturcafé-Lesung oder
›Wasserglas-Lesung‹ in einer Bibliothek, aber
4 E-Mail von Frauke Schade: Professorin für
Informationsmarketing, PR und Bestandsmanagement am Department Information
der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg
5 E-Mail von Leif Greinus: Geschäftsführer
des Verlags Voland & Quist, Dresden
6 E-Mail von Klaus Schöffling: Geschäftsführer des Schöffling & Co. Verlags, Frankfurt
am Main
7 E-Mail von Regine Mitternacht: Bibliothekarische Dienste bei der ekz.bibliotheksservice
GmbH, Reutlingen
8 E-Mail von Tanja Dückers: Schriftstellerin
und Journalistin, Berlin
auch merkwürdige Poetry-Events, wo man
in Kaufhäusern, in U-Bahnen, auf Flughäfen und mitten auf der Straße liest.
Da ist vom Lyriker heute viel Wandlungsfähigkeit, Flexibilität gefordert: Eben noch
saß man versunken am häuslichen Schreibtisch und erfand Worte, im nächsten Moment steht man auf einem lauten U-Bahnhof und soll ›das Publikum fesseln‹. Dieser
Spagat kann anstrengend, aber auch reizvoll
sein. Immerhin kann man konstatieren, dass
es unter anderem durch das Aufkommen der
Poetry Slams in den 90er-Jahren insgesamt
eine größere Bereitschaft des Publikums gibt,
Lyrik wieder als öffentliche Vortragsform
zu genießen. Hier schließt sich der Kreis
zwischen tradierter Kulturvermittlung und
zeitgenössisch-modischer Eventkultur.«8
Fassen wir also nochmals zusammen,
dass aus Sicht der Bibliotheken zwei Aspekte zu beachten sind, um die Frage nach
der Relevanz der Lyrik zu verdeutlichen:
Lyrik als Bestandsangebot und als Veranstaltungsangebot rechnet sich nicht!
Das folgende Beispiel verdeutlicht diesen Ansatz: Vor wenigen Wochen trat die
Lyrikerin Karin Kiwus in einer Brandenburger Bibliothek auf, um ihren neuen
Gedichtband vorzustellen. Hierzu wurde
ein Honorar vereinbart, Marketing durchgeführt und die Lesung vom Verlag und
vom Veranstalter organisiert. Man sollte
wissen, dass die Lyrikerin keine PoetrySlamerin ist, sondern im Alter von um die
60 Jahre gesellschaftskritische und zum
Nachdenken anregende Poesie veröffentlicht.
`
Autorentreffen in der Stadt- und Regionalbibliothek Frankfurt (Oder) – unter anderem mit dem
im Text zitierten Lyriker Lothar Ruhlig (hinten rechts).
Foto: Dirk Wissen
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Es erschienen 18 Personen, hiervon
zahlten 11 Personen Eintritt. Die weiteren
Anwesenden waren Personal, Ehrenamtliche, Kooperationspartner und Medienvertreter. Am Veranstaltungsabend wurden
drei Bücher verkauft. Der Aufwand für die
Organisation und das Marketing stehen in
keinem Verhältnis zum Ergebnis, außer es
wird vielleicht in 300 Jahren an dieser Bibliothek eine Plakette hängen, auf der dann
stehen wird: »Hier las anno 2014…«
Denn nur am Rande bemerkt, Heinrich von Kleist besuchte einmal Würzburg
und nächtigte dort. Heute hängt an dem
Haus eine Bronzeplakette, die auf seine
Übernachtung hinweist – und kein KleistForscher weiß, weshalb er in Würzburg
verweilte. Vielleicht gab es eine Lesung in
der viel zitierten Lesebibliothek9 – doch
mit welcher Publikumsbeteiligung? Lyrik
benötigt Publikum und Präsentation in
Form von Regalpräsentation und durch
Veranstaltungen. Doch können Bibliotheken dies professionell, wie zum Beispiel
Werbeagenturen oder Eventveranstalter,
bieten? Lothar Ruhlig, Lyriker des Autorentreffens aus Frankfurt (Oder), meint
hierzu:
»Ein Gedicht braucht mehr als das Buch
zur Präsentation. Gedichte bewegen sich
seit jeher im Spannungsfeld zwischen Wort,
Sprachtheater und Musik. Sie benötigen das
gesprochene Wort, die Präsentation des Vortragenden, aber auch die Untermalung mit
Musik oder Geräuschen. Lyrik muss deshalb
multimedial sein beziehungsweise werden.
Lediglich die nur auf Wortkonstruktionen
beruhenden Gedichte bedürfen vor allem des
Buches.«10
Kaum Publikum
Wenn also der Buchbestand alleine nicht
ausreicht und Veranstaltungen kaum Publikum erreichen – raus mit diesem Genre
aus Bibliotheken! Kaum eine Bibliothek
besitzt eine Gitarre, geschweige denn ein
Klavier im Fundus, um den Vortragenden
mit Musik zu untermalen. Und welche
Bühne kann eine Bibliothek einer unbekannten Lyrikdebütantin bieten, die sich
inhaltlich beispielsweise mit dem Tod
beschäftigt? Vielleicht ist die Bestandspräsentation in Buchform bezüglich Lyrik
ebenfalls tot? Autoren und Verlage sollten
modernere Präsentations- und Publikationsformen finden, wie zum Beispiel öffentlich mit Postkarten oder auf den Straßen durch Plakate – gern auch digital über
Websites, SMS oder getwittert. Lyrik als
Buch ist in unserer heutigen connectedmobilen Welt nicht mehr zeitgemäß und
sind Bibliotheken Event-Veranstalter?
Frankfurter Buchmesse
Insgesamt erschien die erste Auflage des
Buches, das vor 18 Personen vorgestellt
wurde, in einer Auflage von 2 500 Exemplaren. Es ist zu vermuten, dass hiervon
ein Großteil an Bibliotheken verkauft
wurde und ein sehr geringer Teil an Bibliophile. Schon bald wird der Rest auf
dem Buchmarkt, trotz Buchpreisbindung,
verramscht, und Öffentliche Bibliotheken
werden routinemäßig dieses Buch, wenn es
zwei bis fünf Jahre nicht entliehen wurde,
entsorgen – wohl möglich, dass kurz drauf
wieder eine Neuauflage eingekauft wird.
Bezüglich der Entleihungen liegt der
Umsatz von Lyrik im Jahr in vielen Bibliotheken durchschnittlich bei circa 0,5. Dies
ist im Vergleich zu den anderen Bestandsgruppen ein ausgesprochen niedriger Umsatz. So hat der Bereich Schöne Literatur
(in der die Lyrik enthalten ist) einen Umsatz von rund 3,5 und die Sachliteratur
einen Umsatz von 2,5 – bitte prüfen Sie
dies in Ihrer Bibliothek und entfernen Sie
daraufhin ihren Lyrikbestand!
Mag die Lyrik gesellschaftlich gesehen
auch hoch angesehen sein, gibt es für Öffentliche Bibliotheken letztlich nur die
zwei genannten Betrachtungswinkel gegenüber der Nutzung: erstens der Umsatz
beim Bestand und zweitens die Veranstaltungsteilnehmer. Poesie bietet zwar keinen Kontoauszug, der belegt, wie viel ein
Wort im Gedicht wert ist, doch wird hier
schließlich jedes Wort auf die sprichwörtliche Goldwaage gelegt. Folglich muss sich
die Lyrik die Frage gefallen lassen, ob sie in
das Bibliotheksprogramm gehört. Die Lyrikerin Ingeburg Schirrmacher weiß zu bestätigen, dass Poesie gesellschaftlich zwar
hoch angesehen ist, sie aber kaum gelesen
oder beachtet wird:
»Hochgerühmt und ungelesen. So könnte
man den Stellenwert – Lyrik – im Zeitalter
der Hochgeschwindigkeitstechnik und Spaßkultur bestimmen. Verfasser dieser brotlosen
Kunst werden heute von Liebhabern der
schrillen Comedy-Szene bestenfalls mitleidig
belächelt. Ihre Produkte sind kaum zu vermarkten. Es sei denn, sie bedienen den Trend
zur seichten, kurzlebigen Unterhaltung. Die
moderne Umgangssprache dominiert das
flotte Kürzel, die aggressive Werbeformel mit
Reimschrott und Sinnverdrehungen, die originell zu sein vorgeben.
Sprache wird nicht mehr als Brücke, sondern als Code im Internet verstanden. Am
besten in Pidgin-english, das die Sprachsubstanz zuverlässig aufweicht, ihre in Jahrhunderten gewachsene Schönheit. Das Gedicht,
das Kunstgedicht, ist immer ein Wagnis, ein
Versuch, an die Grenzen des Sagbaren zu
gelangen, den Brunnen der Muttersprache
tiefer auszuloten. So sucht es Zwiesprache
Dr. phil. Dirk Wissen
(Foto: Thomas Ritter), geboren 1972
in Münster (Westfalen), ist seit 2008 Direktor der Stadt- und
Regionalbibliothek
Frankfurt (Oder). Er
studierte in Berlin,
Hamburg und Wien. Seine Dissertation »Zukunft der Bibliographie – Bibliographie der Zukunft« schrieb Wissen an
der Wiener Universität. Er ist Autor von
Artikeln des »Lexikon der Bibliotheksund Informationswissenschaft«. Seine
mehrjährige Berufspraxis als Bibliothekar, zunächst in Berlin, dann Würzburg
und heute in Frankfurt (Oder) konzentriert sich auf die Öffentlichkeitsarbeit.
Schwerpunkt hierbei ist die Konzeption von Projekten im Veranstaltungsbereich und die Kooperation mit Bildungsund Kultureinrichtungen. Er koordiniert
zahlreiche Veranstaltungen zur Leseförderung, Literaturvermittlung sowie
Schulungen zur Informations- und Medienkompetenz. Mit bereits mehr als 50
Autorinnen und Autoren führt er monatlich die Gesprächsreihe »Wissen trifft…
– das Kulturgespräch« durch – zuletzt,
während der Fußball-Weltmeisterschaft
mit der polnischen und deutschen Autorennationalmannschaft. – Kontakt:
[email protected]
mit den Lesern, nistet sich ein mit einem
unerwarteten Bild, einem überraschenden
Gedanken.«11
Strategiewechsel notwendig
Es bedarf speziell für die Lyrik also eines
Strategiewechsels und einer Neupositionierung in Öffentlichen Bibliotheken,
da diese als zeitloses Genre nur in die
wissenschaftlichen Bibliotheken gehört.
Öffentliche Bibliotheken könnten statt
umfangreicher Buchbestände kurze Texte
über eine Lyrik-App anbieten. Oder welchen Lösungsansatz schlägt Tom Becker,
Professor für Bestandsmanagement an der
FH Köln, für den Buchbestand vor?
»Als kennzahlenorientierter Bestandsmanager sage ich, dass Lyrik, bis auf wenige
klassische Autoren, die wohl vorrangig auch
Schullektüre sind, nicht nur als ›toter Hund‹
gelten kann, sondern dass diese Bände weitestgehend ein mumifiziertes Dasein führen,
verstaubend und selten entliehen in den
meisten (Öffentlichen) Bibliotheken. Hieraus folgt die Normstrategie nach Portfolio:
Lyrik sollte schon lange entsorgt sein, da auch
durch eine ›putzige‹ Präsentation diese GatBuB | 66 (2014) 10
Lesesaal | BuB703 703
Frankfurter Buchmesse
tung nicht zum Ausleihrenner wird.
Als jemand, der im Bestandsmanagement
die informationslogistischen Rollen schätzt,
kann ich aber einen ausgewählten, zu meinem Profil passenden Lyrikbestand auch
rechtfertigen (und komme um die Kennzahlen rum, indem ich das als Präsenz führe,
mit Ausleihmöglichkeit auf Anfrage). Dann
muss ich aber diese Rolle auch mit bestandsübergreifenden Aktionen (Marketing ganzheitlich sehend) begleiten – durch Lesungen,
mit Poetry-Slams und Handy-Haikus, mit
Schreibwerkstätten und entsprechenden
Social-Reading Angeboten, die verzahnt anzubieten sind.
Doch das wird Lyrik nicht zur ›Milchkuh‹
oder zum ›Star‹ machen, es wird wahrscheinlich sogar im Feld ›Arme Hunde‹ bleiben –
aber nicht mumifiziert, sondern zumindest
hin und wieder bellend und im richtigen
Moment kräftig zubeißend.«12
Es ist zu schließen, dass Öffentliche Bibliotheken als Event-Veranstalter fungieren müssten, doch haben diese vielmehr
den Auftrag der Leseförderung, Literaturvermittlung und Schulung von Medienkompetenz. Bezüglich der Lyrik als
Eventmanager (mit hohem Personal- und
Etataufwand) zu agieren, um für »coolen
Spaß« auf der Bühne zu sorgen und darüber hinaus für den Lyrikbuchbestand
Werbung und Regalpräsentation wie im
Buchhandel zu betreiben, ist nicht Aufgabe einer Öffentlichen Bibliothek.
Lyrik, so wie sie heute in Bibliotheken
präsentiert wird, ist imageschädigend und
nicht ansprechend für ein junges Publikum. Sollte der Bestand nach massiver
9 Vgl. Heinrich von Kleist: Brief an Wilhelmine von Zenge, 14. September 1800
10 E-Mail von Lothar Ruhlig: Lyriker, Frankfurt (Oder)
11 Brief von Ingeburg Schirrmacher: Lyrikerin,
Woltersdorf
12 E-Mail von Tom Becker: Professor für Medienmanagement und Medienvermittlung in
Bibliotheken an der Fachhochschule Köln
13 Ernst Jandl: Dingfest, 1994, Hamburg, S.
113
14 E-Mail von Helmut Böttiger: Essayist und
Literaturkritiker, Berlin
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Werbung und Vermarktung immer noch
keine Nutzung finden, ist es keine Lösung,
diesen dann als Präsenzbestand zu deklarieren! Bibliotheken müssen sich an der
Qualität messen lassen, und diese liegt in
ihren Angeboten bezüglich der genannten
Leseförderung, Literaturvermittlung und
Schulung der Medienkompetenz und dem
sich hieraus ergebenden gesellschaftlichen
Beitrag zur Demokratie in Form von informationeller und medialer Grundversorgung für alle! Aber nicht, indem unbenutzte Lyrikbestände durch Präsenz
einstauben.
Schauen Sie nach, ob sich im Bestand
ihrer Bibliothek das Buch »Dingfest« von
Ernst Jandl befindet und wie oft es in den
vergangenen fünf Jahren entliehen wurde? Bestimmt gar nicht bis kaum! Es liegt
dingfest im Regal bis Sie es nun wegen
des Ihnen hier vorliegenden BuB-Beitrags
hervorkramen und verbuchen. Ansonsten
wird es auf dem nächsten Bücherflohmarkt
landen. Aufgrund Ihrer Verbuchung benötigt dieser Vorgang nun noch einmal zwei
bis fünf Jahre bis zur Löschung und zum
Bücherflohmarkt:
»auf einem stuhl / liegt ein hut. / beide /
wissen voneinander / nichts. / beide / sind
/ so dingfest«.13
Zum Vergleich: Museen, Theater und
andere Kultureinrichtungen werden vor
allem an den Besucherzahlen gemessen.
Oder kennen Sie ein Museum, in dem ein
Gemälde ausrangiert wird (beziehungsweise in den Flohmarkt gegeben wird),
weil am Ende des Jahres die Messung der
Verweildauer einzelner Besucher nicht
hoch genug war? Auch ein Theaterstück
wird wegen mangelnder Besucherzahlen
abgesetzt und nicht wegen der zu wenig
verkauften Programmhefte nach einer
Aufführung.
Lyrik bietet Qualität!
Die Besuchszahlen können vielleicht ein
Bild über die Quantität einer Bibliothek
widerspiegeln, erst an zweiter Stelle sollten Statistiken über Entleihungen, Neuanmeldungen und Teilnehmerzahlen bei
Veranstaltungen stehen. Diese Zahlen
sind intern wichtig, um ein nutzungsorientiertes Angebot zu schaffen und Orientierung gegenüber Trends, gesellschaftlichen Entwicklungen und die sich hieraus
ergebenden Bedürfnisse stellen zu können.
Die Qualität einer Bibliothek stellt sich in
ihren Angeboten und durch die Mitarbeiterkompetenz, Kundenfreundlichkeit und
Serviceangebote dar – die Besucherzahl ist
ein entscheidendes Quantitätskriterium.
Und vor diesem Hintergrund kann man
eindeutig feststellen: Lyrik bietet Qualität!
– Lebens- und Lesequalität!
Ob ältere Menschen, Studierende,
Grundschulkinder oder Auszubildende –
alle können in die Bibliothek kommen, um
diese als Treffpunkt wie ein Wohnzimmer
der Stadt zu besuchen. Nicht nur, um etwas auszuleihen. Die Aufenthaltsqualität
ist wichtig! Sie alle kommen, und das Lyrikregal und die Lyrikveranstaltung bieten
hierzu eine qualitativ positive Grundvoraussetzung für eine gute räumliche Atmosphäre im physischen und sprachlichen
Raum, wie es der Literaturkritiker Helmut
Böttiger beschreibt:
»In der Lyrik wird am deutlichsten,
was Literatur ausmacht: einen sprachlichen Raum jenseits der Alltagssprache zu
schaffen.«14
Und durch die qualitativ-räumliche Atmosphäre einer Bibliothek wird am deutlichsten, was diese als Begegnungsstätte im
Alltag für die Öffentlichkeit ausmacht.
Eine Bibliothek sollte sich nicht nur als
raumgebendes Wohnzimmer der Stadt
verstehen, sondern auch als eine offene
und selbstlernende Bildungs- und Kultureinrichtung, die sich ständig weiterentwickelt. Die Bibliothek ist ein Ort der Bildung und Kultur, der Gemeinschafts- und
Glücksgefühle ausstrahlt und in der es sich
entspannen lässt. Lyrik bietet hierzu gute
Grundvoraussetzungen.
Als fester Bestandteil der Bildungs-,
Kultur- und Literaturszene bietet sie Platz
für jede Altersklasse, von schwatzenden
Teenies über lernende Schüler, sich bildende Studierende bis hin zu leseerprobten Großeltern. Die Bibliothek ist Treff-
704
punkt für Literaturbegeisterte, bietet
Gesellschaft und Rückzugsmöglichkeiten
gleichermaßen sowie den Austausch von
Erlebtem oder Gelesenem. Und wo die
Medienkompetenz der Bibliotheksnutzer
nicht ausreicht, um sich selbst zurechtzufinden, bietet das Bibliothekspersonal eine
freundliche und fachkundige Beratung
und Schulung.
Die Öffentliche Bibliothek soll für die
schulische, studentische und berufliche
Bildung, für den modernen Lebensalltag
und die sinnvoll gestaltete Freizeit nutzbar
sein. Bibliotheken verschließen sich hierbei nicht den kulturellen und technischen
Entwicklungen. Im Gegenteil, mit ihren
Informations- und Medienangeboten und
der dazugehörigen Öffentlichkeits- und
Programmarbeit passen sie sich kontinuierlich dem Fortschritt und den gesellschaftlichen Bedürfnissen an. Doch die
Beliebtheit der Bibliothek, die Individualität der Kundenwünsche und das Wohlfühlvermögen einzelner Besucher lassen
sich nicht berechnen. Die Bibliothek ist
begehrter denn je, und da dürfen zwecks
Literaturvermittlung in guter Atmosphäre
auch ein paar Lyrikbändchen stehen und
Lyrikveranstaltungen stattfinden, wie
auch der Buchhändler Jörg Englbrecht zu
berichten weiß:
»Lyrik wird sich selten rechnen und vielleicht muss sie das auch gar nicht. Sie muss
sichtbar sein. In den Verlagsprogrammen
und den Regalen der Buchhandlungen und
Bibliotheken. Wie bei uns – ein Regal an
ausgesuchter Stelle, das zum Schmökern,
Verweilen und Innehalten einlädt. Lyrik ist
auch Entschleunigung.«15
Ob mit oder ohne Wertschöpfung –
Lyrik ist Kulturgut und bleibt in Öffentlichen Bibliotheken ein unverzichtbares
Angebot. Deshalb bin ich allen LyrikerInnen, Verlagen, dem Buchhandel, der ekz
und den LiteraturkritikerInnen dankbar,
dass Sie Lyrik vermitteln, denn Lyrik dient
der Bildung und Kultur, und Bibliotheken
müssen sich ins Spannungsfeld zwischen
öffentlichem Auftrag und öffentlicher
Nachfrage stellen. Lyrik sollte für den Medienbestand und als Veranstaltungsangebot mehr Aufmerksamkeit erhalten. Lyrik
ist es Wert, als meritorisches Gut durch
Bibliotheken öffentlich zugänglich zu sein
– ein Gedicht ist kein Wertpapier, sondern
Kulturgut. Lyrik rechnet sich nicht und
ist unberechenbar – ihre Sprache lässt sich
statistisch nicht aufrechnen. Lyrik lässt
sich nicht dingfest machen.
15 E-Mail von Jörg Englbrecht: Buchhändler bei
der Tucholsky-Buchhandlung, Berlin
Die markante Freitreppe hat sich inzwischen als Wahrzeichen der Stadtbücherei erwiesen: Sie
wird gerne als Fotomotiv verwendet.
Foto: Stadt Kornwestheim
Sabine Stemmler
Mit doppelter Fläche
an prominentem Standort
Die Stadtbücherei Kornwestheim ist Teil des neuen Kultur- und
Kongresszentrums / Besuchermagnet in der Stadtmitte
Die Große Kreisstadt Kornwestheim
zwischen Ludwigsburg und Stuttgart hat
genau vor einem Jahr das neue Kulturund Kongresszentrum »Das K« mit integrierter Stadtbücherei eröffnet. An den drei
Eröffnungstagen drängten Tausende von
Besuchern durch das neue Haus.
S
eit Jahren war das alte Bibliotheksgebäude mit seinen 900 Quadratmetern in der Kantstraße am Rand des
Stadtparks zu klein geworden und bot keine Möglichkeiten zur Weiterentwicklung.
Nach der Asbesthavarie des benachbarten
Kulturhauses im Jahr 2006 wurde diskutiert, was mit diesem Gebäude geschehen
sollte. Die Idee des Kombibaus, das heißt
die Sanierung und der Umbau des alten
Kulturhauses mit integriertem Neubau
der Stadtbücherei, kam auf. Das war die
Chance für die Stadtbücherei, mit verdoppelter Fläche an einem neuen, prominenten Standort für die zukünftigen Aufgaben gerüstet zu sein.
Nach einem Architektenwettbewerb,
den das Stuttgarter Architekturbüro applan mit seinem Entwurf gewann, entstand
das neue Kultur- und Kongresszentrum
»Das K« im Herzen der Stadt Kornwestheim. Seit der Eröffnung im September
2013 ergänzt »Das K« das Kulturkarree
um einen Ort der generations- und kulturübergreifenden Begegnung, der Bildung
und der Kultur. Mit den umliegenden
Schulen, der Galerie im Kleihues-Bau und
dem Haus der Musik ist nun rund um den
Marktplatz mit dem »K« die kulturelle
Mitte vollständig. Der moderne Kombibau verfügt neben der Stadtbücherei über
multifunktionale Räume für KulturverBuB | 66 (2014) 10
Bau
anstaltungen, private Feierlichkeiten,
Tagungen oder Seminare. Für die Stadtbücherei bedeutet der neue Standort eine
große Herausforderung, aber auch eine
Chance: Sie ist jetzt »mitten in der Stadt«
und wird entsprechend frequentiert.
Die neue Stadtbücherei im »K« beherbergt auf insgesamt 1 800 Quadratmetern rund 52 000 Romane, Sachbücher,
Kinder- und Jugendbücher, Musik-CDs,
Hörbücher, Konsolenspiele, DVDs, Spiele, Landkarten, Stadtpläne, Zeitschriften und Zeitungen. Der Zielbestand soll
60 000 Medien betragen. Zudem ist die
Stadtbücherei seit 2008 Mitglied in der
OnlineBibliothek LB, dem Verbund der
Bibliotheken im Landkreis Ludwigsburg.
Die lichtdurchfluteten Räume bieten
mehr Platz und mehr Aufenthaltsqualität.
Zahlreiche Arbeitsplätze, gemütliche Sitzmöbel und viele Ausblicke auf den Marktplatz und das Rathaus, einem Bau von Paul
Bonatz, machen das Verweilen angenehm.
Die Öffnungszeiten sind erweitert worden:
Von Dienstag bis Freitag ist durchgehend
von 10 bis 19 Uhr, am Samstag von 10 bis
13 Uhr geöffnet. So können auch Schüler
aus den benachbarten Schulen über Mittag die Stadtbücherei nutzen.
Zentrale Anlaufstelle im Erdgeschoss
ist die Infotheke. Dort findet auch der
Kartenvorverkauf für die Veranstaltungen im »K« statt. In unmittelbarer Nähe
zur Infotheke sind eine Ausleih- und eine
Rückgabestation für die Selbstverbuchung
untergebracht. Eine weitere Rückgabestation, die 24 Stunden zugänglich ist, befindet sich außen an der Eingangsseite zum
Moderner Kombibau in Kornwestheims Stadtmitte: das neue Kultur- und Kongresszentrum »Das
K« mit integrierter Stadtbücherei
Foto: Stadt Kornwestheim
Marktplatz. Beide Rückgabestationen
münden in eine moderne Sortieranlage.
Das Lesecafé mit Tageszeitungen und einem Kaffeeautomat vervollständigt den
Eingangsbereich. Eine spektakuläre rote
Treppe führt in die oberen Geschosse.
Im ersten Stock erschließt sich dem Besucher die von den Architekten konstruierte
Blickachse: Treppe – Atrium – Panoramafenster – Rathausturm. Diese markante
Freitreppe hat sich inzwischen als Wahrzeichen der Stadtbücherei erwiesen: Sie
wird gerne als Fotomotiv verwendet.
Beliebter Treffpunkt
Im ersten Obergeschoss befindet sich der
gesamte Ausleihbereich. In der Kinderbücherei sorgen eine Lesetreppe und eine
aufgelockerte bunte Möblierung für eine
Die schlicht-eleganten Regale fügen sich in die geradlinige Architektur perfekt ein.
Foto: Stadt Kornwestheim
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kindgerechte Atmosphäre. Kinderveranstaltungen während der Öffnungszeiten
finden im zweiten Obergeschoss in den
Veranstaltungsräumen des »K« statt. Die
von der Kinderbücherei abgetrennte Jugendabteilung mit dem roten Sofa und den
stabilen Sitzsäcken wurde schon kurz nach
der Eröffnung ein beliebter Treffpunkt für
die Schüler nach Schulschluss.
Sachbücher, Romane, Zeitschriften,
Spiele und AV-Medien sind rund um
das Atrium untergebracht, das sich über
zwei Stockwerke erstreckt und von einem
Sheddach gekrönt wird. Das Atrium dient
tagsüber als Lern- und Arbeitsbereich
hauptsächlich für die Schüler, die meist
in Gruppen die vielen Tische in Beschlag
nehmen. Abends kann das Atrium in einen repräsentativen Veranstaltungsraum
für Lesungen und Vorträge umgewandelt
werden. Dort haben bis zu 120 Personen
Platz. An der Fensterfront mit Blick auf
den Marktplatz befinden sich weitere Arbeitsplätze.
In die Infotheke im ersten Obergeschoss sind eine Selbstverbuchungsstation und zwei OPACs integriert. So ist die
Auskunftsbibliothekarin immer in der
Nähe, wenn die Kunden Unterstützung
brauchen. Weitere drei OPACs sind bei
den Internet-Plätzen und in der Kinderbücherei angesiedelt. Den Besuchern stehen
sieben Internet-Arbeitsplätze mit OfficeProgrammen zur Verfügung. WLAN ist
im ganzen Haus nutzbar.
Die schlicht-eleganten Regale der Firma Borgeaud Bibliothèques fügen sich in
die geradlinige Architektur perfekt ein.
Das rötlich schimmernde Erlenholzfurnier wurde im gesamten Haus für Wandverkleidungen, Theken und Garderoben
verwendet. Die Innenausstattung der
Stadtbücherei besteht aus einer hellgrauen
Akustikverkleidung, Sichtbetonwänden
und einem anthrazitfarbenen Teppichbo-
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BuB
| Lesesaal
den, der mit einem gleichfarbigen Fliesenboden kombiniert wurde.
Bei schönem Wetter ist die Leseterrasse im ersten Obergeschoss geöffnet. Sie
ist mit Tischen und Stühlen ausgestattet
und lädt zum Lesen und Arbeiten ein.
Besonders die Schülergruppen nehmen
dieses »Open-Air«-Angebot gerne an. Für
Besucherinnen und Besucher, die in Ruhe
arbeiten möchten, steht ein kleines Studienkabinett mit PC-Arbeitsplätzen im
zweiten Obergeschoss zur Verfügung.
Der Zugang zum »K« ist ebenerdig,
auch von der Tiefgarage unter dem Marktplatz kann das Haus über einen Verbindungstunnel betreten werden. Das gesamte Haus ist mit Aufzügen erschlossen
und kann somit auch von Menschen mit
Handicap und Eltern mit Kinderwagen
gut genutzt werden.
Die Bau- und Planungskosten für den
Kombibau belaufen sich auf 21 633 000
Euro. Davon entfallen auf den Neubau
der Stadtbücherei 7 355 000 Euro und für
die Geräteausstattung und Möblierung
500 000 Euro.
Zusätzlich zur traditionellen Programmarbeit sind Einführungen in die
Nutzung von E-Book-Readern und des
Internets, Veranstaltungen für besondere
Zielgruppen wie Senioren und Migranten
sowie generationsübergreifende Projekte
geplant. Die erfolgreiche Schreibwerkstatt, die bereits im alten Haus ins Leben
gerufen wurde, findet nun ihre Fortführung im Neubau.
Im Bürobereich des zweiten Obergeschosses sind neben den Bibliotheksmitarbeiterinnen auch die Mitarbeiterinnen
des Fachbereichs Kultur und Sport untergebracht. Die erhofften Synergieeffekte durch die räumliche Nähe haben sich
bestätigt: Eine enge Kooperation und
Vernetzung nicht nur im Veranstaltungsbereich ist entstanden.
Die neue Stadtbücherei im »K« zieht
die Besucher an: Trotz der einmonatigen
Schließung wegen des Umzugs haben die
Ausleihzahlen im Jahr 2013 um 2 Prozent
zugelegt. Die Neuanmeldungen sind um
20 Prozent gestiegen. Dieser Trend wird
sich auch bei den Besucherzahlen fortsetzen: Die Hochrechnungen deuten eine
Verdoppelung für das Jahr 2014 gegenüber
dem Vorjahr an.
Sabine Stemmler ist Leiterin der Stadtbücherei
Kornwestheim. – Kontakt: Sabine_Stemmler@korn
westheim.de
Bau
Christiane Bonse
»Kulturdurchbruch« in Siegburg
spricht alle Sinne an
Stadtbibliothek und Stadtmuseum fusionieren zum Kulturhaus /
Erfolgreiche Wochenendöffnung
Am 10. Mai 2014 ist es so weit: Siegburg
realisiert den »Kulturdurchbruch«, indem
die Stadtbibliothek und das Stadtmuseum zu einem Kulturhaus zusammengeführt werden. Beide Häuser wurden im
Jahr 1989 kurz nacheinander eröffnet,
grenzten seitdem aneinander, sind aber
erst 2014 durch eine großzügige Portalöffnung miteinander verbunden worden.
Ab sofort bietet jedes Haus großzügige
Einblicke in das jeweils andere Haus. Der
Architekt Hartmut de Corné, der 1989 für
das Museum verantwortlich zeichnete,
hat den Gestaltungsauftrag für die Bibliothek übernommen und damit die Harmonisierung der Innengestaltung beider
Häuser garantiert.
S
eit dem Durchbruch haben die Kunden zwei Eingänge: von der Marktseite durch das Museum in die Bibliothek oder von der Griesgasse durch die
Bibliothek in das Museum – und können
damit problemlos zwischen beiden Häusern hin und her »flanieren«. In beiden
Häusern gibt es Verbuchungsplätze, sodass
es auch keine Rolle spielt, durch welchen
Ein- beziehungsweise Ausgang der Kunde
das Haus wieder verlässt.
Die Fusion bedingt gemeinsame Öffnungszeiten. Die Bibliothek hat sich den
Öffnungszeiten des Museums angeschlossen und ist seitdem auch samstags und
sonntags ganztags geöffnet und etabliert
sich als der Ort für Freizeitgestaltung im
Mittelpunkt der Kreisstadt. Die Wochenendöffnungszeiten werden ab Samstagmittag durch Honorarkräfte abgedeckt,
die Orientierungsfragen beantworten und
bei technischen Problemen helfen können. Es findet keine Beratung statt, und
die Verbuchung läuft über die Selbstver-
Über dem massiven Zeitungslesetisch prangt in Krakenform die Leuchte »Dear Dingo« und
macht das ganze Ensemble zu einem Hingucker.
Foto: Stadtbibliothek Siegburg
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Lesesaal | BuB707 707
Bau
buchungsterminals und die Buchrückgabestation der Firma EasyCheck. Die Serviceeinschränkung am Wochenende tut
dem Besucheransturm keinen Abbruch:
Besonders Familien, Schüler und Studenten wissen das Angebot zu schätzen und
entdecken die Bibliothek als Aufenthaltsort und Lebensraum, zumal das angegliederte, verpachtete Literaturcafé ganztags
kulinarische Köstlichkeiten auf hohem
Niveau und zu fairen Preisen anbietet.
Neben den gemeinsamen Öffnungszeiten werden auch generationsübergreifende
Veranstaltungsmodule angeboten, die das
Historische in Wert setzen, das Aktuelle
entdecken helfen und beides miteinander
vergleichbar und erfahrbar machen.
Die Bibliothek, 1989 eröffnet, zeigte
deutliche bauliche, technische und gestalterische Mängel und präsentierte sich
nicht mehr zeitgemäß.
Der Umbau erfolgte im Wesentlichen
im Bestand, mit der Hinzufügung eines
dreiseitig losgelösten Baukörpers – einem
Kubus, in dem die neue 24-StundenRückgabestation für innen und außen untergebracht ist.
Mit dem Umbau und der neuen Konzeption stellt sich die Bibliothek der EContent-Herausforderung und dem digitalen Zeitalter. Fragebogenaktionen und
die Kundenmitteilungen an den Kommunikationswänden machen deutlich, dass
die Kunden ausgedehnte Öffnungszeiten
und einen realen, nicht kommerziellen
Treffpunkt wünschen, der ein soziales
Miteinander ermöglicht, aber auch alle
technischen Möglichkeit bietet, um optimal lernen und arbeiten zu können.
BuB | 66 (2014) 10
Blick vom Romanbereich im Obergeschoss ins
darunter liegende Literaturcafé: das Herz der
Bibliothek
Foto: Albert Gehret
Hohe Aufenthaltsqualität
Das Thema Aufenthaltsqualität/Wohlfühlatmosphäre bekommt dadurch einen
immer höheren Stellenwert, dem der Ar-
chitekt im Rahmen der Innenausstattung
Rechnung getragen hat.
Es dominieren die Farben Weiß,
Schwarz und Weinrot. In weißen Regalen
treten die bunten Medien in den Vordergrund; der Sachbuchbereich ist mit einem
Vinylboden ausgestattet, dessen Design
aus einer Foto-Reproduktion eines alten
Druckereibodens entwickelt wurde. Der
Romanbereich besticht mit einem hochwertigen weinroten Teppichboden, der
die Farbe der Fensterrahmen aufnimmt.
Als »einladende Mischung aus Design und
gehobener Wohnqualität erweisen sich die
Verweilzonen und Sitzecken. Stoff- beziehungsweise lederbezogene klassische Sitzelemente, Ton in Ton, von Rot bis Violett
verlaufend abgestimmt, betonen die individuelle Atmosphäre innerhalb der Bibliotheksräume«, so Architekt de Corné. Dort
findet der Besucher Ruhe, um zu entspannen oder sich zu konzentrieren. Da das
ganze Haus mit W-LAN ausgestattet ist,
kann der Laptop auch hier und nicht nur
an den Arbeitsplätzen genutzt werden.
Eine besondere Bedeutung hat das
Café, das das Herzstück der Bibliothek
ist. Die Gastro-Tische ziehen sich aus dem
Café bis in die Räume der Bibliothek und
beleben den Sachbuchbereich. Der Kunde
soll die Bibliothek als Lebensraum wahrnehmen, deshalb sind Essen und Trinken
dort auch ausdrücklich erlaubt – und das
Angebot wird gerne angenommen. Schon
nach kurzer Zeit haben die Kunden ihre
Bibliothek als Wohlfühlraum wahrgenommen, und sie nehmen die Tasse Kaffee
und das Stück Kuchen immer öfter mit an
ihre Lieblingsplätze.
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Bau
Hell und freundlich ist das Erdgeschoss der Bibliothek, mit dem Literaturcafé links und dem Rampenaufgang mit Zeitschriftenauslage rechts.
Foto: Albert Gehret
Das Café verfügt über einen eigenen
Eingang und im Sommer auch über eine
Außengastronomie. Damit die vor Ort
untergebrachten aktuellen Zeitschriften
(100 Abos) »keine Beine bekommen«, sind
sie mit RFID-Etiketten versehen und der
Ein-/Ausgang entsprechend durch ein
Gate gesichert. Vom Literaturcafé hat man
durch Deckenausschnitte Einblick in den
Romanbereich und vom Romanbereich
Einblicke auf die Zeitschriftenwand des
Cafés und die Gastro-Tische. Das Literaturcafé »entwickelt sich im Wechselspiel
zwischen Lichtdecke und großen von
Glas umrandeten Ausschnitten mit Tageslichteinfall optisch über zwei Ebenen.
Es entsteht eine einzigartige Kaffeehaussituation mit kulinarischer Anregung. Die
Außenterrasse, die mit Markisen variabel
überdeckt wird, lädt auch Laufpublikum
zur Einkehr und damit zum Kennenler-
Stadtbibliothek Siegburg
Einwohnerzahl Siegburg
42 800
Anschrift
Griesgasse 11, 53721 Siegburg
www.stadtbibliothek-Siegburg.de
Leitung
Christiane Bonse
Ausstattung
ekz.bibliotheksservice GmbH, Reutlingen (Regale)
Magazin Wolter, Köln (Sondermöbel)
Kosten
2,5 Millionen Euro (netto)
nen des umfassenden Bibliotheksangebotes ein«, so beschreibt der Architekt seine
Plan - und Zielsetzung.
Sachbuch- (Untergeschoss) und Romanbereich (Obergeschoss) sind räumlich
voneinander getrennt. Während der Romanbereich durch seine Wohnzimmeratmosphäre und die Blickbeziehung zu dem
im Erdgeschoss liegenden Literaturcafé
besticht, prägt den Sachbuchbereich der
große, schon im Eingangsbereich sichtbare, mit einer massiven, naturbelassenen
und sehr dicken Eichenplatte versehene
Zeitungstisch.
Mitten über ihm prangt in Krakenform
die Leuchte »Dear Dingo« und macht
das ganze Ensemble zu einem Hingucker.
Der Tisch ermöglicht gleich mehreren Lesern auch das Ausbreiten großformatiger
Wochenzeitungen. Links und rechts vom
Tisch befinden sich die Regale mit den
»Spiegel«-Bestsellern und den »Wunschbüchern«. Die Rampenaufgänge beidseitig
führen hin zur neu eingerichteten Literaturbühne und dem Museumsdurchgang.
Um eine inhaltliche Verbindung zum
räumlichen Durchbruch zu schaffen, ist
die Sachgruppe Geschichte am Durchgang
zum Museum platziert, die Sachgruppen
Kunst und Heimatkunde haben im angrenzenden Museumsbereich ihre neuen
Standort. Die Sachgruppe Heimatkunde
wird von einem großen Stadtmodell, das
die Stadt 1910 zeigt, sinnvoll ergänzt.
Am rechten Rampenaufgang, der auch
zum Café führt, befinden sich die Zeitschriftenregale mit den Ausleihexemplaren, die von der Höhe so ausgerichtet sind,
dass sie auch für Menschen im Rollstuhl
gut bedienbar sind.
ne der Stadtbibliothek und der Bühne des
Museumforums stattfinden. Die Bühne
der Stadtbibliothek vermittelt eine Zimmertheateratmosphäre, die des Stadtmuseums die eines kleinen Amphitheaters.
Die Zusammenlegung der Häuser und der
Bühnen ermöglicht der Bibliothek auch
erstmals, größere Veranstaltungen mit bis
zu 200 Besuchern zu planen.
Neu konzipiert wurden zwei Bereiche:
der Mixed Media Raum und der NonBook-Bereich. Neu für Siegburg ist, dass
in diesen Bereichen Jugend- und Erwachsenenmedien gleichwertig nebeneinander
präsentiert werden, sodass das Nachfrageverhalten der Kunden ausschlaggebend
für die Aufstellung der Medien ist.
Im Mixed-Media-Raum findet der
Planung/Gestaltung
Architekt Hartmut de Corné
Öffnungszeiten
Di–Sa von 10–17 Uhr (jeden letzten
Samstag im Monat bis 14 Uhr)
So von 10–18 Uhr
Amphitheater und Kleinbühne
2014 ist die Bibliothek erstmals Ausrichter der Siegburger Literaturwochen und des
Rheinischen Literaturpreises. Diese Events
werden wechselseitig auf der Literaturbüh-
Der Umbau erfolgte im Wesentlichen im Bestand, mit der Hinzufügung eines dreiseitig
losgelösten Baukörpers – einem Kubus, in
dem die neue 24-Stunden-Rückgabestation
für innen und außen untergebracht ist.
Foto: Albert Gehret
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Bau
Kunde Comics, Mangas, Spiele (traditionelle und PC-Spiele), Software und
Minithekbestände. Das Besondere: Ein
großer runder Spieletisch animiert dazu,
nicht nur Spiele zu entleihen, sondern
sie vor Ort auszuprobieren. Oftmals
lässt sich beobachten, dass der Tisch für
mehrere Stunden »blockiert« ist. Die
Attraktivität des Raumes wird durch
drei frei zugängliche Internetplätze erhöht.
Im gegenüberliegenden Non-BookBereich werden alle Hörbücher, CDs
und DVD/Blueray-Scheiben präsentiert,
lediglich die reinen Kindermedien sind
nach wie vor in der Kinderbibliothek zu
finden. Die Frontalpräsentation der Medien, die runden Ausstellungstische und die
im Fenster stehenden Sitzgruppen prägen
den offenen und einladenden Charakter
dieses Raumes.
Da die
höhenverstellbare Verbuchungstheke, der Kinder- und Jugendbereich und die Schulothek erst 2009
mit Landesmitteln erneuert wurden, hat
man diese Bereiche nur »aufgehübscht«.
Die Theke wurde vom Hersteller (Firma
Lenk) umgebaut, in Weiß eingefasst und
mit einer rundumlaufenden Bodenbeleuchtung versehen. Die Regale der Kinder- und Jugendbibliothek sind durch
farbige Plexiglasstirnseitenverkleidungen
(ekz) aufgepeppt, der Teppichboden in
Meeresoptik ist erneuert und das sonstige
Inventar durch einen
Strandkorb, Sitzsäcke
und Filzsitzsteine ergänzt.
Die Anzahl der
Arbeitsplätze in der
Schulothek wurde verdoppelt und durch fest
installierte Internetarbeitsplätze erweitert.
Während hier auf individuelles Lernen Wert
gelegt wird, bieten
die Schulungsräume
(»work and surf«) im
Eingangsbereich der
Bibliothek Platz für
Gruppenarbeit. Eine
qualitativ anspruchsvolle Technikausstattung
(interaktives
Whiteboard,
Flipcharts, leihbare Laptops et cetera) und die
Catering-Möglichkeit
durch das Café machen
die Räume auch für
Nichtkunden interessant. Deshalb können
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Christiane Bonse,
1979 Beendigung
des Studiums an
der Fachhochschule für Bibliothekswesen Bonn, Wittelsbacherring; im unmittelbaren Anschluss
Arbeit in einer Universitätsbuchhandlung; 1980 stellvertretende Bibliotheksleiterin in Siegburg; seit
1982 Bibliotheksleiterin in Siegburg –
Kontakt: [email protected]
die Räume von außen über ein Buchungstablet vorterminiert werden (für Firmen,
Institutionen et cetera kostenpflichtig),
in den buchungsfreien Zeiten stehen sie
allen Bibliothekskunden offen. Die Bibliothek selbst nutzt die Räume für Rechercheschulungen mit den weiterführenden
Schulen im Rahmen des »learning libraryProjektes« sowie für ein wöchentliches
Jour fixe mit Kollegen der anderen Fachbereiche.
Positives Fazit
Die Besucher der Siegburger Bibliothek
sollen sich willkommen, wertgeschätzt
und auf der emotionalen Ebene angesprochen fühlen. Auf dieser Idee basieren die
Fusion der Stadtbibliothek mit dem Stadtmuseum, die damit verbundenen Wochenendöffnungszeiten, die freie Wahl des
Kunden, ob er eine individuelle Betreuung
möchte oder sich lieber autark mithilfe der
Technik im Haus bewegt, die hochwertige
Innen- und Technikausstattung, die Verlagerung des Cafés in das Herz der Bibliothek und die Öffnung der Bibliothek als
Lebensraum – und damit die Ansprache
aller Sinne:
Das Sehen durch die klare Formensprache und einfache einprägsame Linienführung, das stimmige auf Naturfarben
beruhende Farbkonzept und die harmonisierende Innenausstattung beider Häuser.
Das Schmecken durch das Angebot hochwertiger, kulinarischer Köstlichkeiten zu
fairen Preisen und das Fühlen durch die
haptische Erfahrung, die man macht,
wenn man die unterschiedlichen Medien
in die Hand nimmt.
Da das Kulturhaus, von Jugendlichen
auch KuHa 14 getauft, im ersten Monat
nach der Eröffnung über 43 000 Besucher
verzeichnen konnte, scheint das Konzept
aufgegangen zu sein. Ob der Andrang anhält oder aber nur der anfänglichen Neugierde geschuldet ist, wird sich erst im Verlauf des Jahres zeigen. Aber im Augenblick
sind alle Verantwortlichen zuversichtlich,
die Bibliothek zukunftsfähig aufgestellt zu
haben.
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Praxis
Gabriele Leschke
Von der »Learning Library« zum
nutzerzentrierten Lernen
Ein Praxisbericht aus der Bibliothek für Sozialwissenschaften
und Osteuropastudien der Freien Universität Berlin
Im Mittelpunkt der traditionellen Form
der Nutzerschulung steht die Schulungsbibliothekarin, die den Teilnehmern ihr
Expertenwissen vorträgt (»Teaching
Library«).1 Die Teilnehmerinnen erhalten
bestenfalls die Gelegenheit, sich dieses
Wissen durch nachvollziehendes Üben
einzuprägen. Als Gegenmodell dazu ist
das Konzept der »Learning Library« entstanden, in der die Teilnehmer selbst aktiv
werden, sich anhand von vorbereiteten
Aufgabenblättern mit der Bibliothek und
ihren Ressourcen vertraut machen und
sich ihre Arbeitsergebnisse gegenseitig
vorstellen. Der Schulungsbibliothekar initiiert und moderiert ihre Lernprozesse nur
noch. Er versteht sich als Lernpartner, der
die Teilnehmerinnen beim Lernen unterstützt und dabei von ihnen lernt, wie sie
mit den Bibliotheksangeboten umgehen.2
Trotz dieser positiven Entwicklung hin zur
Aktivierung und stärkeren Einbeziehung
der Schulungsteilnehmer ist auch die
»Learning Library« noch kein Schulungskonzept, das konsequent auf das individuelle Lernen der Nutzerinnen ausgerichtet
ist. Im folgenden Erfahrungsbericht stellt
Gabriele Leschke dar, wie in der Bibliothek
für Sozialwissenschaften und Osteuropastudien der Freien Universität Berlin3
ausgehend von der »Learning Library«
und unter Verwendung von kostenfreien
Webtools ein solches nutzerzentriertes
Schulungskonzept entwickelt worden ist.
I
m Oktober 2009 wurde erstmals die
90-minütige Erstsemesterschulung bei
den Einführungstagen des Otto-SuhrInstituts für Politikwissenschaft4 mit circa
150 Teilnehmenden nach der Methode
der »Learning Library« durchgeführt.
Das Schulungsteam bestand aus acht Bibliothekarinnen5 und einer studentischen
Hilfskraft. In einem Hörsaal wurde den
Studierenden in einer kurzen Präsentation6 der Verlauf der Schulung erläutert.
Abweichend vom Prinzip der »Learning
Library« wurden dabei nicht nur organisatorische, sondern auch einige wenige inhaltliche Informationen vermittelt. Dann
wurden 14 verschiedene Aufgabenblätter
ausgeteilt, die in insgesamt 32 Gruppen
von vier bis fünf Studierenden an den
Internetarbeitsplätzen in den beiden benachbarten Häusern der Bibliothek und in
zwei Computerarbeitsräumen selbstständig bearbeitet wurden. Dabei wurden die
Gruppen je nach Größe der Schulungsräume von bis zu zwei Mitgliedern des Schulungsteams betreut. Nach 45 Minuten
trafen sich alle Gruppen im Hörsaal wieder. Dort präsentierten sie einander ihre
Arbeitsergebnisse.
Der Erfolg dieser Veranstaltung lag
darin, dass die Studierenden 45 Minuten
lang aktiv waren, erste Kenntnisse in der
Bibliotheksbenutzung erwarben und die
Bibliothek als lebendigen Kommunikations- und Lernort kennenlernten. Durch
diesen Praxistest zeigten sich jedoch
auch zwei Schwächen des Konzepts der
»Learning Library«:
Erstens waren Vorbereitung und
Durchführung sehr aufwendig und personalintensiv.7 Wegen der großen Anzahl der
Teilnehmer und der räumlichen Situation
der Bibliothek wurden die Arbeitsgruppen auf mehrere Räume aufgeteilt, sodass entsprechend viele bibliothekarische
Ansprechpartnerinnen eingesetzt werden
mussten. Damit die Teilnehmenden einander im Plenum über die Nutzung der
Bibliotheksangebote informieren konnten,
mussten zudem die Aufgabenblätter sorgfältig aufeinander abgestimmt sein. Die
Rechercheübungen sollten die klassischen
Inhalte einer Nutzerschulung vermitteln,
nämlich den Zugang zu den gedruckten
und elektronischen Ressourcen der Bibliothek über das Discovery-System Primo.
Die Konzeption von 14 aufeinander bezogenen Aufgabenblättern nahm sehr viel
Zeit in Anspruch.
Zweitens gab es Schwierigkeiten bei
der Präsentation der Arbeitsergebnisse im
Plenum. Einige Teilnehmende mussten
die Veranstaltung frühzeitig verlassen,
sodass sie nichts über die Aufgaben der
anderen Gruppen erfahren und die von
ihnen selbst erarbeiteten Themen nicht im
Plenum vorstellen konnten. Zudem waren
im Plenum nur wenige Studierende dazu
bereit, ihre Ergebnisse vor den anderen zu
präsentieren, was vermutlich der Größe
der Gruppe geschuldet war. Daher musste
das Schulungsteam insistieren beziehungsweise teilweise sogar selbst präsentieren,
sodass diese Phase genau den schulischen
Charakter annahm, der eigentlich vermieden werden sollte. Selbst wenn dieser Teil
der Schulung wie geplant mit engagierter
Beteiligung der Studierenden verlaufen
würde, wären immer noch nur ein bis
fünf Personen beim Präsentieren aktiv (je
nachdem, ob die Arbeitsgruppe einen oder
mehrere Sprecher bestimmt oder gemeinsam ihre Ergebnisse vorträgt), während
die restlichen 145 Teilnehmerinnen 40
Minuten lang nur rezipieren können.
Präsentation am Flipchart
Das Konzept wurde daher in den folgenden
Jahren modifiziert. Dabei flossen auch die
Ergebnisse aus der Auswertung von Fragebögen ein, mit denen die Veranstaltungen
durch die Teilnehmenden evaluiert wurden. Dort wurde unter anderem angeregt,
eine Führung durch die Bibliotheksräume
in die Schulung zu integrieren.
Bei kleineren Gruppen, die meistens
im Rahmen von Seminaren eine Bibliotheksschulung erhalten, wird die 90minütige Veranstaltung jetzt nicht mehr
in den Computerarbeitsräumen, sondern
ausschließlich in den Bibliotheksräumen
durchgeführt. Die Präsentation zu Beginn
wurde zunächst durch kurze Erläuterungen an einem Flipchart ersetzt, sodass der
aufwendige Aufbau von Leinwand, Beamer und Laptop entfiel.
Dieser Kurzvortrag informierte nicht
nur über den Ablauf der Schulung, sondern stellte auch die Besonderheiten von
Primo sowie einige grundlegende Recherchetechniken vor. Da die Teilnehmerinnen jedoch über heterogene Vorkenntnisse
verfügten, erhielten dabei einige von ihnen Informationen, die sie nicht mehr beBuB | 66 (2014) 10
Lesesaal | BuB711 711
Praxis
Videos für das Mikrolernen
Abbildung 1. Zu den einzelnen Recherchetechniken wurden mit dem Webtool PowToon kurze,
unterhaltsame Tutorials erstellt.
nötigten. Zudem beobachteten die Schulungsbibliothekare, dass bei den Rechercheübungen trotz des Kurzvortrags und
eventuellen Vorwissens die erläuterten Recherchestrategien nur selten angewendet
wurden. Daher findet jetzt nur noch eine
kurze Begrüßung mit organisatorischen
Erläuterungen statt.
Zu den einzelnen Recherchetechniken
wurden mit dem Webtool PowToon kurze,
unterhaltsame Tutorials erstellt (siehe Abbildung 1). Das Programm PowToon arbeitet browserbasiert und ist in einer kostenfreien Version zugänglich.8 Es werden
keine Kenntnisse in der Videoproduktion
und keine weiteren Geräte benötigt. PowToon bietet Vorlagen für verschiedene Anwendungsmöglichkeiten. Die Sequenzen
der kurzen Videos setzen sich aus Textelementen, für die verschiedene Effekte ausgewählt werden können, sowie cartoonartigen Figuren – darunter auch animierte
– und Bildern von Requisiten zusammen.
Neben den vom Programm angebotenen
Bildern können auch eigene, zum Beispiel
Screenshots, verwendet werden.
Auf einer Zeitschiene wird festgelegt,
wann die einzelnen Elemente in der Sequenz erscheinen. Je nach gewählter Vorlage wird das Video automatisch mit Hintergrundmusik versehen. Eine Sprachvertonung wäre zusätzlich möglich, wurde
aber für unsere Tutorials nicht als notwendig erachtet. Da die Videos dupliziert
werden können, konnten mit geringem
Aufwand Übersetzungen der deutschsprachigen Texte ins Englische, Polnische
und Russische angefertigt werden. Diese
Sprachversionen sollen der internationalen Ausrichtung der Freien Universität
BuB | 66 (2014) 10
Berlin Rechnung tragen. Zudem ist aus
der Benutzerforschung bekannt, dass ausländische Studierende Materialien in ihrer
Muttersprache bevorzugen.9
Die Tutorials werden zunächst auf Youtube hochgeladen. Von dort ist es möglich,
sie auf einen universitätseigenen Server zu
laden und so direkt auf die Webseite der
Bibliothek zu stellen.10 Damit ist sichergestellt, dass keine datenschutzrelevanten
Angaben über die Rechner oder Personen, die die Videos aufrufen, an den Betreiber des Tools gelangen. Während der
Schulungen ist der Datenschutz ohnehin
gewahrt, da über die Internetarbeitsplätze
in der Bibliothek auf die Tutorials zugegriffen wird. Über die Webseite können
jedoch alle interessierten Nutzer die Kurzfilme anklicken, wenn sie sich bei Bedarf
über Recherchestrategien informieren
möchten.
Gabriele Leschke,
Diplom-Bibliothekarin, M.A. in Neuerer
deutscher Literatur,
Linguistik und Anglistik; von 2006 bis
Mai 2014 stellvertretende Bibliotheksleiterin und Leiterin
der Benutzungsabteilung der Bibliothek
für Sozialwissenschaften und Osteuropastudien der Freien Universität Berlin,
seit Juni 2014 Leiterin des Referats Benutzung und Magazinmanagement der
Zentral- und Landesbibliothek Berlin. –
Kontakt: [email protected]
Die Videos eignen sich also auch für das
Mikrolernen, und daher ist die Möglichkeit für die erstellende Bibliothek, sie auf
Umwegen vom Server des Anbieters auf
einen eigenen Server zu laden,11 aus Datenschutzgesichtspunkten sehr vorteilhaft.
Ein Nachteil des Tools ist dagegen das
etwas aufdringliche »PowToon branding«,
mit dem die Filme in der kostenfreien Version versehen werden. Dies wird von uns
aus Kostengründen in Kauf genommen.
Bei den Nutzerschulungen wird jetzt als
Ersatz für den einführenden Kurzvortrag
in den Arbeitsblättern bei den entsprechenden Aufgaben auf die Videos hingewiesen. Die Bearbeiter können so selbst
entscheiden, ob sie zu ihrem Thema weitere Informationen aufrufen möchten oder
ob sie die Aufgabe mit ihrem bereits vorhandenen Wissen lösen können.
Unabhängig von der Gruppengröße
werden die Teilnehmenden in zwei große
Gruppen aufgeteilt. Zwei Drittel der Teilnehmerinnen bearbeiten zu zweit oder zu
dritt ein Aufgabenblatt an einem Internetarbeitsplatz in der Bibliothek. Das Arbeitsblatt ist stark vereinfacht worden und
enthält nun dieselben Aufgaben zu allen
Themen der Bibliotheksschulung für alle
Gruppen. Es wird für jede Veranstaltung
thematisch an die jeweilige Schulungsgruppe angepasst.12
Bei der Bearbeitung der Aufgaben steht
den Recherchegruppen ein Schulungsbibliothekar für Fragen zur Verfügung. Dabei
handelt es sich um eine weitere Modifikation der »Learning Library«, die in ihrer
ursprünglichen Form keinerlei bibliothekarischen Input vorsieht. Dieser ist jedoch
notwendig, weil die Recherchegruppen
aufgrund des unterschiedlichen Kenntnisstands ihrer Mitglieder nicht immer alle
Aufgaben selbstständig lösen können. Die
eventuellen Hilfestellungen und Erläuterungen der Bibliothekarin können gezielt
an das Wissen des einzelnen Nutzers anknüpfen.
Währenddessen nimmt das restliche
Drittel der Teilnehmerinnen an einer 20minütigen Bibliotheksführung durch einen weiteren Bibliothekar teil. Auch hier
wird das vermittelte Wissen individuell
auf die Nutzerinnen abgestimmt. Bei
größeren Schulungsgruppen werden entsprechend mehr Bibliothekare eingesetzt,
sodass auf jeden Fall eine persönliche Betreuung möglich ist.
Die Schlusspräsentation wurde ebenfalls stark verändert. Jetzt setzt sich jede
Teilnehmerin an der Führung nach dem
Rundgang durch die Bibliothek zu einer
712
Praxis
Abbildung 2. Die Zahl der Kommentare variiert; manchmal schreibt jede Teilnehmerin eine persönliche Bewertung.
der Recherchegruppen. Die Rechercheexperten präsentieren den Führungsteilnehmerinnen nun an den Internetarbeitsplätzen ihre Arbeitsergebnisse. Anschließend
führen die Teilnehmer an der Bibliotheksführung ihre Arbeitsgruppe selbstständig
durch die Bibliothek. Dafür haben sie ein
Handout mit den wichtigsten Nutzungsinformationen erhalten. Weil die Teilnehmenden einander ihre (neu erworbenen
oder bereits vorhandenen) Kenntnisse in
Kleingruppen vermitteln, bleiben sie auch
in der Präsentationsphase durchgängig aktiv.
Da die Gruppen unterschiedlich schnell
arbeiten, treffen sie zu verschiedenen Zeiten wieder am Ausgangspunkt in der Bibliothek ein. Dort besteht noch einmal
die Gelegenheit, Fragen an die Bibliothekarinnen zu stellen und die Veranstaltung
zu evaluieren. Anschließend werden die
Kleingruppen freundlich verabschiedet. So
ist niemand dazu gezwungen, auf Teilnehmer mit einem langsameren Arbeitstempo
zu warten. Dieses scheinbar unwichtige
Detail hat großen Anteil daran, dass sich
die Nutzerinnen als selbstständige Individuen (mit eventuellem studienbedingten
Zeitdruck) wahrgenommen fühlen und
die Bibliothek als Institution erleben, in
der sie respektvoll und partnerschaftlich
behandelt werden.
Virtuelle Pinnwand
Da die Evaluation durch Fragebögen aufwendig ausgewertet werden musste, wurde sie durch ein weiteres Webtool ausgetauscht. Pro Veranstaltung wird eine virtuelle Pinnwand (Padlet) angelegt (früher
bekannt unter dem Namen Wallwisher).13
Die Pinnwände können zum Beispiel
durch das Einbinden von Fotos ansprechend gestaltet werden. Die Adresse des
Padlets wird auf dem Aufgabenblatt mitgeteilt, und die Teilnehmenden werden
darum gebeten, sie zum Abschluss der
Schulung aufzurufen und freies Feedback
zu geben. Da die Eingabe an den Internetarbeitsplätzen in der Bibliothek erfolgt,
werden keine Daten über die einzelnen
Nutzer an den Internetdienst gemeldet,
sodass auch hier der Datenschutz gewahrt
bleibt.
Die Zahl der Kommentare variiert;
manchmal schreibt jede Teilnehmerin
eine persönliche Bewertung (vergleiche
Abbildung 2), manchmal setzt sich das
Arbeitsgruppenprinzip hier fort, und die
Kleingruppen verfassen die Kommentare
gemeinsam. Uns ist beides willkommen,
denn obwohl sich dieses Evaluationsverfahren nicht für eine wissenschaftliche
Auswertung eignet, zeigt es genügend
verbesserungswürdige Punkte auf, um das
Schulungskonzept weiterhin zu modifizieren und an die Bedürfnisse der Nutzerinnen anzupassen. Wenn es sich bei den
Teilnehmenden um eine Seminargruppe
Die Verantwortung für die Qualität
der Arbeitsergebnisse liegt ausschließlich bei den Teilnehmerinnen.
handelt, kann die Adresse des Padlets als
Rückmeldung an den Dozenten des Seminars geschickt werden.
Anders als die »Learning Library«, die
sich auf das Wecken von »Neugier und
Zweifel«14 beschränkt, möchten wir weiterhin Wissen vermitteln und nennen unsere
Veranstaltung bewusst immer noch »Nutzerschulung«. Was wir jedoch zugunsten
des nutzerzentrierten Lernens aufgeben,
ist der belehrende Gestus der herkömmlichen Schulung, der den Nutzerinnen nur
eine rezipierende Rolle einräumt.
Bei unserer Methode sind dagegen alle
Teilnehmer während der gesamten Veranstaltung aktiv. Durch den Einsatz von
attraktiven Webtools wird ihre Aufmerksamkeit für die vermittelten Informati-
onen gesteigert. Die Verantwortung für
die Qualität der Arbeitsergebnisse liegt
ausschließlich bei den Teilnehmerinnen.
Während die Schulungsbibliothekare der
»Learning Library« bei der Schlusspräsentation Missverständnisse der Vortragenden korrigieren können (und sollen)15 und
damit doch wieder belehren, basiert unser
Konzept voll und ganz auf dem Vorwissen,
dem Engagement, den Arbeitsergebnissen
und den Kommentaren der Teilnehmerinnen.
Wir erstellen als Schulungsbibliothekare nur noch interessante und informative
Schulungsmaterialien, sorgen für eine angenehme Arbeitsatmosphäre und stehen
für Fragen zur Verfügung. Die Nutzerinnen erarbeiten sich basierend auf ihren
jeweiligen Vorkenntnissen den Zugang zu
den Bibliotheksressourcen selbst und unterstützen sich dabei gegenseitig. Im Zentrum unserer Nutzerschulungen stehen
also nicht mehr wir und unsere Angebote,
sondern unsere Nutzerinnen und Nutzer
mit ihren Zielen und Fragen.
1 Zur »Teaching Library« vgl. Wilfried SühlStrohmenger: Teaching Library. Förderung
von Informationskompetenz durch Hochschulbibliotheken. Berlin [u.a.]: de Gruyter,
2012 (Bibliothek; 1)
2 Zur »Learning Library« vgl. Susanne Rockenbach: Neugier und Zweifel – Informationskompetenz anders! In: Marlies Ockenfeld
[Hrsg.]: Informationskompetenz 2.0. Zukunft von qualifizierter Informationsvermittlung. Frankfurt a.M.: DGI, 2008 (Oberhofer
Kolloquium zur Praxis der Informationsvermittlung; 24), S. 81–85. – Zu weiteren Bibliotheken, die mit der »Learning Library« arbeiten, vgl. Dirk Eisengräber-Pabst: Learning
Library in der Praxis: Konzeption einer Einführungsveranstaltung für Studienanfänger
an der FH Köln. In: MALIS-Praxisprojekte
2012: Projektberichte aus dem berufsbegleitenden Masterstudiengang Bibliotheks- und
Informationswissenschaft an der Fachhochschule Köln. Wiesbaden: Dinges & Frick,
2012 (B.I.T. online innovativ), S. 48–62, S.
53
3 Die Bibliothek für Sozialwissenschaften und
Osteuropastudien der Freien Universität Berlin ist für die Literaturversorgung des Fachbereichs Politik- und Sozialwissenschaften
und des Osteuropa-Instituts zuständig und
bildet mit einem Bestand von gut einer Million Medieneinheiten – der größte Teil davon
ausleihbar – die größte Fachbibliothek der
Freien Universität. Weitere Informationen
zur Bibliothek unter www.polsoz.fu-berlin.
BuB | 66 (2014) 10
Lesesaal | BuB713 713
Praxis
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15
de/bibliothek/index.html, zuletzt aufgerufen
am 20. Mai 2014
Das Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft ist das größte der vier Institute, die den
Fachbereich für Politik- und Sozialwissenschaften der Freien Universität Berlin bilden.
Als »Bibliothekare« bezeichne ich zusammenfassend Personen mit einer bibliothekarischen
oder verwandten Ausbildung beziehungsweise Personen, die sich in einer solchen Ausbildung befinden, also wissenschaftliche Bibliothekarinnen, Diplom-Bibliothekare, FaMIs,
Referendarinnen, Praktikanten und Auszubildende.
Eine modifizierte Version der Präsentation (Stand Oktober 2011) kann aufgerufen
werden unter http://prezi.com/4ryr9m5pcuf/?utm_campaign=share&utm_medium=
copy&rc=ex0share, zuletzt aufgerufen am
20. Mai 2014
Dagegen nimmt Rockenbach für ihre Methode in Anspruch, sie schone Personal. Vgl. Rockenbach (Anm. 2) S. 82. – Auch Eisengräber-Pabst stellt fest, dass durch die »Teaching
Library« »auf Seiten der Lehrenden […] spürbar Ressourcen gespart« werden. EisengräberPabst (Anm. 2) S. 58. – Die Personalersparnis
erzielt Eisengräber-Pabst dadurch, dass die
Studierenden nicht von Bibliothekaren betreut werden, sondern von Tutorinnen, deren
einzige Bibliotheksausbildung in einmaligem
Lesen des von Bibliothekaren verfassten Leitfadens für die Schulung besteht. Vgl. Eisengräber-Pabst (Anm.2) S. 57
www.powtoon.com/, zuletzt aufgerufen am
20. Mai 2014
Vgl. Beata Wilczewska: Vermittlung von
Informationskompetenz an Studierende aus
Osteuropa an der Freien Universität Berlin
(am Beispiel polnischer Studierender). Fachhochschule Potsdam, Fachbereich Informationswissenschaften, Diplomarbeit 2010, S. 84
Zurzeit gibt es Tutorials zu den Themen Maskierung, Phrasensuche, Trunkierung und
Verknüpfung sowie zur Fernleihbestellung.
Sie sind zu finden unter www.polsoz.fu-ber
lin.de/bibliothek/recherche/index.html, zuletzt aufgerufen am 20. Mai 2014
In den kostenpflichtigen Versionen von PowToon ist das direkte Hochladen der Videos
auf einen eigenen Server möglich. Vgl. www.
powtoon.com/pricing/, zuletzt aufgerufen
am 20. Mai 2014
Rockenbach schlägt vor, zur Arbeitserleichterung für das Schulungsteam und zur Erhöhung der Motivation der Teilnehmenden
Aufgaben wie zum Beispiel »Bitte suchen Sie
eine Monografie zu Ihrem Thema, die nicht
älter als zwei Jahre ist.« (Rockenbach (Anm.
2) S. 84, Anm. 4) zu stellen. Sie setzt dabei
voraus, dass die Teilnehmenden bereits ein
Recherchethema parat haben. Dies ist gerade
bei Erstsemestern nicht der Fall. Selbst fortgeschrittene B.A.-Studierende können nach
unserer Erfahrung häufig noch kein Recherchethema formulieren. Es lohnt sich daher,
die Aufgaben so zu gestalten, dass das Seminar- oder Arbeitsthema der Schulungsgruppe
aufgegriffen wird.
de.padlet.com, zuletzt aufgerufen am 20. Mai
2014
Vgl. Rockenbach (Anm. 2)
Vgl. Rockenbach (Anm. 2) S. 84
BuB | 66 (2014) 10
Julia Borries
Grenzüberschreitendes Lernen
Das europäische Partnerprojekt »Crosswise Learning« /
Stadt- und Regionalbibliothek Erfurt profitiert
Europaweit »Gute Praxis« austauschen
und Herausforderungen gemeinsam
meistern – das wird Bibliotheken im EUBildungsprogramm »Erasmus+« geboten.
Die Chance zum europäischen Austausch
hat auch Eberhard Kusber, Direktor der
Stadt- und Regionalbibliothek Erfurt, genutzt und eine EU-finanzierte Reise nach
Norwegen unternommen. Aus dieser
Reise entstand die Beteiligung an einem
sechsköpfigen Partnerprojekt mit Einrichtungen aus Norwegen, Dänemark, den
Niederlanden, Polen und Deutschland.
I
n Norwegens Bibliotheken geht es paradiesisch zu! So mag die These nach
einem ersten Blick auf die norwegische
Bibliothekslandschaft klingen. Seit 1935
gibt es dort ein nationales Bibliotheksgesetz, das jeder Kommune eine Öffentliche
Bibliothek vorschreibt, deren Nutzung
kostenfrei sein muss. Norwegens guter
Ruf weckte das Interesse von Eberhard
Kusber, Direktor der Stadt- und Regionalbibliothek in Erfurt: »Ich wollte wissen, ob
das positive Image stimmt und wenn ja,
was Erfurt daraus lernen kann.« Von einer
Mitarbeiterin des EU-Büros in Thüringen erfuhr Kusber von der Möglichkeit,
im Rahmen des EU-Bildungsprogramms
für Lebenslanges Lernen (PLL)1 ins europäische Ausland zu reisen und bei einer
lokalen Bibliothek Einblicke in deren Arbeit und Strukturen zu bekommen – 100
Prozent finanziert von der Europäischen
Union.
Das Nachfolgeprogramm vom PLL ist
das Bildungsprogramm Erasmus+, das seit
dem 1. Januar 2014 die nächsten sieben
Jahre Kompetenzen und Beschäftigungsfähigkeit verbessern und die Modernisierung der Bildungssysteme voranbringen
soll. Erasmus+ vereint alle ehemaligen EU-
Gemeinsames Arbeitstreffen in der Stadtbibliothek von Wolsztyn in Polen
Foto: Eberhard Kusber
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BuB
| Lesesaal
Programme für allgemeine und berufliche
Bildung, Jugend und Sport, darunter auch
das Programm für lebenslanges Lernen.
Über einen lokalen Projektträger beantragte der Erfurter Bibliotheksdirektor das
Stipendium für einen organisierten Lernaufenthalt bei einer gastgebenden Einrichtung im Rahmen von LEONARDO DA
VINCI, dem Unterprogramm für Berufsbildung im PLL. Da das Land Thüringen
seit über 20 Jahren eine regionale Partnerschaft zur Provinz Hordaland pflegte, war
Zielort und der für eine Bewerbung zwingend erforderliche Gastgeber schnell ausgemacht: die Hordaland Fylkesbibliotek.
Diese Untereinrichtung der Hordaland
Fykleskommune ist mit einer deutschen
Landesfachstelle vergleichbar und organisierte das einwöchige Besuchsprogramm
im August 2012. Kusber besuchte während seines Aufenthaltes verschiedene Bibliotheken in Voss, Bergen und Umgebung
und lernte die Arbeitsweisen der norwegischen Kolleginnen und Kollegen und
deren Bibliothekssystem genauer kennen.
Dabei stellten Kusber und die Leiterin der
Bergens Bibliotek, Leikny Haga Indergaard, fest, dass Erfurt und Bergen, und
im weiteren Sinne Deutschland und Norwegen, doch vor mehr ähnlichen Herausforderungen stehen als erwartet.
So macht auch Norwegen der Abbau
der physischen Bestände zu schaffen,
Investitionen in digitale Medien und Inventar müssen bei gleichzeitigen gravierenden Kürzungen des Budgets getätigt
werden und auch für Außenpräsentation
und Marketing müssen zunehmend mehr
Ressourcen aufgewendet werden. Nicht
zuletzt gilt es, die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter auf dem Weg in eine Zukunft
mitzunehmen, die das Überleben der Bibliotheken nicht nur sichern, sondern ausbauen soll. Kusber fasst zusammen: »Trotz
Bibliotheksgesetz stehen auch unsere Kolleginnen und Kollegen in Norwegen stetig
vor der Aufgabe, Bibliotheken im öffentlichen Raum konzeptionell neu zu verankern, um nutzerorientiert zu bleiben und
Dienstleistungen anzubieten, die über die
Bücherausleihe hinausgehen.«
Angesichts dieser gemeinsamen Herausforderungen seien sich alle Beteiligten
im Abschlussgespräch des deutschen Besuches einig gewesen, die Erkenntnisse und
den Austausch in einem weiterführenden
Projekt vertiefen zu wollen, so Kusber. Die
norwegischen Vertreterinnen und Vertreter signalisierten ihre Bereitschaft, dieses
Vorhaben unter Nutzung ihrer Beziehungen nach Brüssel und ihrer Infrastruktur aktiv anzugehen. Neben den vielen
neuen Erkenntnissen im Gepäck konnte
Praxis
Werbewand für E-Medien in einem Freizeitareal von Køge, Dänemark
der Bibliotheksdirektor zunächst seine
Auszubildenden in Erfurt überraschen.
Die Voss Bibliotek ermöglichte einer der
Auszubildenden ein sechswöchiges Praktikum, ebenfalls finanziert durch das EUBerufsbildungsprogramm LEONARDO
DA VINCI im PLL.
Die GRUNDTVIG-Lernpartnerschaft
Auch bei der Zusammenarbeit der bibliothekarischen Einrichtungen blieb es nicht
bei leeren Worten. Norwegen übernahm
2013 die Federführung bei der Konzeption
eines Antrages unter dem Titel »Crosswise
Julia Borries (Foto:
dbv/KNB – Tristan
Vankann) ist seit
April Referentin für
EU-und Drittmittelberatung im Kompetenznetzwerk für
Bibliotheken (knb)
beim Deutschen Bibliotheksverband (dbv). Ihr Studium in
Erfurt, Tampere, Frankfurt (Oder) und
Straßburg schloss sie mit einem deutschfranzösischen Doppelmaster in European Studies ab. Anschließend war sie
als Trainerin und Referentin in EU-Projekten in der politischen Jugend- und
Erwachsenenbildung tätig. – Kontakt:
[email protected]
Foto: Eberhard Kusber
Learning« – für die Förderung einer sechsköpfigen GRUNDTVIG-Lernpartnerschaft mit Einrichtungen aus Dänemark,
den Niederlanden, Polen und Deutschland, vertreten durch die Stadt- und Regionalbibliothek Erfurt und die kooptierte
Stadtbibliothek Apolda.
GRUNDTVIG-Lernpartnerschaften2
haben das Ziel, durch die Entwicklung
und den Transfer von Innovationen und
vorbildlichen Verfahren zu Verbesserungen in den Erwachsenenbildungssystemen
beizutragen. In regelmäßigen Treffen mit
mindestens drei teilnehmenden Institutionen aus verschiedenen europäischen
Mitgliedsstaaten werden über zwei bis drei
Jahre geeignete Lösungen oder Informationstools konzipiert, die dann in Form von
Publikationen oder Best-Practice-Ergebnissen auch der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden.
Schwerpunktziel bei »Crosswise Learning« ist es, die Chancen und Möglichkeiten für die Integration von Einwanderern
und Minderheitengruppen zu verbessern.
Über Länder- und Institutionengrenzen
hinweg kooperieren im Projekt seit August
2013 und noch bis Juli 2015 insgesamt
sechs Lernzentren und Bibliotheken aus
fünf europäischen Staaten miteinander.
Zu der norwegischen Initiative stellt Kusber bewundernd fest: »Obwohl Norwegen
nicht Mitglied der EU ist3, bringen sich
die Norweger auf der europäischen Ebene überall ein und sind direkt am Puls
der EU. Hier herrscht eine ganz andere
BuB | 66 (2014) 10
Lesesaal | BuB715 715
Praxis
Philosophie und Denkweise als bei uns in
Deutschland, wo die Möglichkeiten der
EU-Fördermittel eher stiefmütterlich behandelt werden, aus Angst vor seitenlangen Anträgen.«
Neben zahlreichen Kontakten Norwegens zu anderen europäischen Ländern
und Regionen unterhält auch die Region
Hordaland ein Büro in Brüssel. Hier werden Kontakte gepflegt und intensiviert,
um die EU-Förderprogramme zur Entwicklung des Landes bestmöglich in Anspruch zu nehmen.
»In unserem Projekt geht es darum:
Welche Rolle können Bibliotheken bei der
Integration von Immigranten spielen?« erklärt Kusber. Norwegen, Dänemark und
die Niederlande seien schon seit Langem
Einwanderungsländer und auf ausländische Fachkräfte angewiesen. »Deutschland hat zwar nach wie vor seine Probleme
mit dem Begriff ›Einwanderungsland‹,
wir brauchen jedoch die ausländischen
Fachkräfte – und das in Zukunft noch viel
mehr«, so Kusbers Ansicht.
Dass nicht nur Bibliotheken Partner im
Projekt sind, sondern auch ein dänisches
Integrationszentrum und ein norwegi-
sches Lern- und Sprachenzentrum für
Erwachsene erweitere die Perspektiven
der Projektteilnehmer. Selbstbewusst stellt
Kusber fest: »Wir als Bibliothek wollen
uns ein neues Standbein erarbeiten und
zeigen, dass wir in Sachen Integrationsarbeit einen professionellen Beitrag leisten.«
Und das wird vor Ort bereits sichtbar: Die
Einbindung des Erfurter Zentrums für
Migration und Integration und der lokalen Volkshochschule in das Projekt zeigt,
wie die Bibliothek zum stadtinternen
Netzwerk beiträgt.
Best-Practices der Partnereinrichtungen
Welche Rolle können nun Bibliotheken
im Integrationsprozess spielen? Und in
welcher Weise können sie gemeinsam mit
Lern- und Integrationszentren Zugewanderte im neuen Land unterstützen? Wertvolle Anregungen erhielt Kusber von der
dänischen Partnereinrichtung. Sie bietet
nicht nur Medien in zahlreichen Sprachen
an (zum Beispiel Paschtu, Arabisch oder
Persisch), es findet auch an jedem Wochentag eine Beratungsstunde statt – in der
Bibliothek, durchgeführt von Mitbürgern
Beratung und Information
zu den EU-Programmen
Durch den Start des neuen EU-Bildungsprogramms Erasmus+ finden sich die Projektformen und alle weiteren Bildungsformate in einem neuen Gewand wieder. Sie werden nun
in drei Leitaktionen – 1. Mobilität von Einzelpersonen, 2. Strategische Partnerschaften und 3. Maßnahmen zur Unterstützung
politischer Reformen – umgesetzt. Die Einzelmobilitäten in der Berufsbildung (ehemaliges LEONARDO DA VINCI-Programm) finden sich in der Leitaktion 1 »Lernmobilität
von Einzelpersonen« wieder. Die ehemaligen
GRUNDTVIG-Lernpartnerschaften werden
als »Strategische Partnerschaften« im Rahmen der Leitaktion 2 »Zusammenarbeit zur
Förderung von Innovation und bewährten
Verfahren« fortgeführt. Die nächsten Antragsfristen für beide Projektformen im Bereich der Berufs- und Erwachsenenbildung
sind voraussichtlich im Februar 2015, Projektstart ist im Herbst 2015.
Ausführliche Informationen und Beratung
(auch bei der Erstellung von Projektskizzen)
bietet die Nationale Agentur beim Bundes-
BuB | 66 (2014) 10
institut für Berufsbildung (NA-BIBB), die das
Erasmus+-Programm in Deutschland in der
Berufs- und Erwachsenenbildung betreut
und umsetzt.
Bei Interesse an einer der dargestellten
Maßnahmen aus dem Erasmus+-Programm
oder an weiteren EU-Programmen sowie
zu allgemeinen Fragen des Projektmanagements und der Beantragung von Fördermitteln können zudem die Beratungsdienstleistungen der EU-und Drittmittelberatung des
Kompetenznetzwerks für Bibliotheken (knb)
in Anspruch genommen werden.
Weitere Informationen zum
Erasmus+-Programm:
„ Erasmus+-Programmleifaden: www.na-bi
bb.de/fileadmin/user_upload/Dokumen
te/Erasmus_Plus/Dokumente_uebergrei
fend/av_Programmleitfaden_de_27_02.
pdf
„ www.erasmusplus.de/
„ www.na-bibb.de/
Der Beratungsplatz »Mitbürgerservice« in der
Bibliothek von Køge, Dänemark
Foto: Eberhard Kusber
unterschiedlicher kultureller Herkunft,
die bereits länger in Dänemark wohnen.
Welche Papiere brauche ich wann und
wo, wie kann ich mein Kind zur Schule
oder beim Kindergarten anmelden, wie
funktioniert das örtliche Bussystem? Alle
Alltagsfragen können hier geklärt werden.
Die Bibliothek wird zum Treffpunkt und
zum Beratungsort.
Der einzige osteuropäische Partner,
Polen, zeigte Kusber Integrationsarbeit
von einer anderen Seite. Denn anders als
seine Projektpartner muss das Land viele
Ressourcen aufwenden, seine qualifizierten polnischen Fachkräfte nicht an das
Ausland zu verlieren. So bietet die Stadt1 Das Programm für Lebenslanges Lernen
(PLL) ist ein Bildungsprogramm der Europäischen Union (EU) und unterstützte im Zeitraum 2007 bis 2013 die bildungspolitische
Zusammenarbeit in Europa. Die verschiedenen Bildungsbereiche finden sich in den
vier Einzelprogrammen Comenius (Schule),
Leonardo da Vinci (Berufsbildung), Erasmus
(Hochschule) und Grundtvig (Erwachsenenbildung) wieder.
2 Das Unterprogramm GRUNDTVIG des
ehemaligen Programms für Lebenslanges
Lernen (PLL) richtete sich an Akteure der Erwachsenenbildung.
3 Norwegen gehört zur European Free Trade
Association (EFTA) und ist durch die Teilnahme am Schengen-Raum und dem Europäischen Wirtschaftsraum eng mit der Europäischen Union verbunden. Norwegen kann
an allen EU-Förderprogrammen teilnehmen
und ist (mit eigener finanzieller Beteiligung
an den Programmen) ebenfalls antragsberechtigt.
716
716
BuB
| Lesesaal
bibliothek in Wolsztyn unter anderem das
Konzept der »Bibliotherapie« an.
»Bibliotheken sind mehr als nur Ausleihstationen für Bücher«, betont Kusber.
»Der europäische Austausch verdeutlicht
mir, wie viel Potenzial Bibliotheken haben,
um Menschen zu unterstützen.« Auch in
Erfurt wird in einer Zweigstelle bereits erprobt, wie integrativ die Bibliothek wirken
kann.
Kinder aus 22 Nationen suchen in der
Pause und nach der Schule die Bibliothek,
die in einer Grundschule untergebracht
ist, als Freizeitort auf – der ebenso die Eltern anzieht. Neben Vorleseprojekten wird
dort auch ein Modul aus dem dbv-Projekt
»Lesen macht stark: Lesen und digitale
Medien« geboten.
Treffen in ganz Europa
Der Austausch im Lernprojekt »Crosswise
Learning« findet bei den Partnereinrichtungen vor Ort statt. Neben dem Kickoff-Treffen in Norwegen, in dem Ablauf
und Zeitplan beschlossen wurden, fanden
bereits zwei- bis dreitägige Treffen in Dänemark und Polen statt. Im Herbst reist
eine Delegation aus Kolleginnen und Kollegen der Erfurter Bibliothek, der Volkshochschule und dem Zentrum für IntegDer europäische Austausch stößt
laut Kusber einen reflexiven Moment
an, der neue Ideen für das Tun vor Ort
mitbringt – dies sei ein unbezahlbarer Mehrwert.
ration und Migration in die Niederlande.
Insgesamt müssen zwölf »Mobilitäten«,
also Reisen von Einzelpersonen, absolviert
werden. Das ist in den Konditionen des
Projekts festgelegt. Und das ist wichtig.
»Der Input vor Ort ist ein ganz anderer,
als wenn man ihn nur erzählt bekommt«,
berichtet Kusber.
Im Frühjahr 2015 wird Erfurt Gastgeber sein. Auf dem Programm stehen
neben den Bibliotheken insbesondere
Einrichtungen, in denen Projekte und Angebote für Migranten und Migrantinnen
existieren – wie die Volkshochschule und
das Zentrum für Integration und Migration. Viel wird auch über Mail und Telefon kommuniziert. Da das geschlossene
IT-System der Stadt keine der im Projekt
vorgesehenen Skype-Konferenzen zulässt,
hat sich Kusber bereits Notfalllösungen
überlegt: »Dann suche ich eben das EUBüro auf, um wirklich auf dem Laufenden
bleiben zu können.«
Praxis
Eine Bibliothek als EU-Projektpartner
Dass die Bibliothek an einem EU-Projekt beteiligt ist, hat in Erfurt viele überrascht. »Da fragen sich so einige: Was hat
die Bibliothek mit der EU zu tun? Es ist
sicher noch ein weiter Weg. Aber wenn
sich aus dem Projekt nun Synergien und
Netzwerke weiter festigen und ausbauen
Eine Kompetenz sei für den
Erfolg allerdings notwendig: englische
Sprachkenntnisse.
lassen, dann haben wir als Bibliothek ein
deutlich breiteres Standing in der Stadt«,
hofft Kusber und ermutigt Bibliotheken
in Deutschland, sich an EU-Projekten zu
beteiligen.
Er weiß, dass viele Kolleginnen und
Kollegen zurückschrecken, weil sie den
Aufwand vor EU-Projekten und Anträgen fürchten. Aber er beruhigt: »Sicher
bedeutet es einen gewissen Einsatz, in ein
Projekt involviert zu sein: zu den Treffen
zu fahren, mal einen Bericht zu schreiben
und sich auch mental damit auseinanderzusetzen. Doch das ist überschaubar, denn
ich will ja auch etwas – und was ich dafür
zurückkriege, das ist es mir allemal wert!«
Der europäische Austausch stößt laut Kusber einen reflexiven Moment an, der neue
Ideen für das Tun vor Ort mitbringt – dies
sei ein unbezahlbarer Mehrwert.
Eine Kompetenz sei für den Erfolg allerdings notwendig: englische Sprachkenntnisse. »Es ist wichtig, eine Unterhaltung
führen zu können, für den Kontakt zu den
Kolleginnen und Kollegen und den fachlichen Austausch.« Und selbst diese Hürde
kann genommen werden: Eine polnische
Kollegin habe eine Dolmetscherin zur Seite gestellt bekommen, was die Kommunikation zumindest im Rahmen ermöglicht
habe.
(www.b-u-b.de)
(Bis 2000: »Buch und Bibliothek«)
Fachzeitschrift des BIB . Berufsverband
Information Bibliothek e.V.
(www.bib-info.de)
66. Jahrgang,
Nr. 10, Oktober 2014
ISSN 1869 -1137
Herausgeber:
Olaf Eigenbrodt, Hamburg
Kirsten Marschall, Hamburg
Dr. Carola Schelle-Wolff, Hannover
Redaktionsbeirat:
Dale S. Askey, Mc Master University
Library, Hamilton, Ontario . Dr. Jürgen Lodemann, Schriftsteller, Freiburg im Breisgau
und Essen . Dr. Gerhard W. Matter,
Kantonsbibliothek Baselland, Liestal .
Prof. Dr. Elmar Mittler, Göttingen .
Walburgis Fehners, Bibliothek der FH Oldenburg/Ostfriesland/Wilhelmshaven . Dr.
Georg Ruppelt, Gottfried Wilhelm Leibniz
Bibliothek/Niedersächsische Landesbibliothek, Hannover . Barbara Schleihagen,
Deutscher Bibliotheksverband, Berlin .
Dr. Harald Weigel, Vorarlberger Landesbibliothek, Bregenz
Redaktion:
BuB
Postfach 13 24 . 72703 Reutlingen
Gartenstraße 18 . 72764 Reutlingen
Telefon (0 71 21) 34 91-0
Telefax (0 71 21) 34 91 34
E-Mail: [email protected]
Redaktion: Susanne Richt (ric) und
Bernd Schleh (verantwortlich, slh);
Rezensionen: Dr. Jürgen Plieninger
Verlag und Anzeigenverwaltung:
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Juli/August und November/Dezember)
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VDB jährlich e 47,–
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Bezug durch den Verlag
Redaktionsschluss
für Heft 01/2015: 7. November
Anzeigenschluss
für Heft 01/2015: 7. November
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Praxis
Tanja Fecht
Deakquisition des Sachbuchbereichs
mithilfe der Portfolio-Analyse
Praktische Tipps aus der Stadtbücherei Traunstein für die
Handhabung eines komplexen Instruments
Während die Sachbuchportfolio-Analyse
in den vergangenen Ausgaben von BuB
mehrfach kontrovers diskutiert wurde,1
ist sie zwischenzeitlich erfolgreich in der
Stadtbücherei Traunstein als Hilfsmittel
für eine umfangreiche Deakquisition der
Sachmedienbestände eingesetzt worden.
In diesem Artikel werden die Vorteile der
Portfolio-Analyse für Projekte dieser Art
dargestellt und ihr Nutzen erörtert.
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D
ie Reduzierung von ungenutzten Beständen ist ein wichtiger
Schritt, um im Angesicht geringer
Etats Raum für andere Investitionen zu
schaffen und mit der Entwicklung neuer
Angebote einen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit von Öffentlichen Bibliotheken zu
leisten. Aufgrund dessen entschied sich die
Stadtbücherei Traunstein2 im Jahr 2013,
ihren Sachbuchbestand im Rahmen einer
Bachelor-Arbeit analysieren zu lassen. Die
Zielsetzung für dieses Projekt lautete, in
den nächsten fünf Jahren den Bestand von
13 500 Medieneinheiten (ME) auf 10 000
ME zu reduzieren und den freiwerdenden
Etat in andere Bereiche, wie den Ausbau
des Angebotes für Kinder- und Jugendliche, zu investieren.
Neben einer umfangreichen und kennzahlengestützten Deakquisition sollten
Aspekte der allgemeinen Optimierung des
Bestandes eine ebenso zentrale Rolle spielen wie die Rahmenbedingungen vor Ort:
Bestände, die für Kernzielgruppen der
Traunsteiner Bücherei von besonderem
Interesse sind, wurden besonders gewichtet, das heißt, es wurden erweiterte Lösungsansätze, unabhängig von der geforderten Bestandsreduzierung, entwickelt.
Insgesamt stand so nicht nur der reine
Bestandsabbau im Vordergrund, sondern
auch der Nutzen, den Besucher aus einem
gut gepflegten, attraktiven Bestand gewinnen können.3
Die vorgenommene erweiterte Portfolio-Bestandsanalyse für den Sachmedienbereich betrachtete die gegenwärtige Situation des Bestandes und prognostizierte,
unter Beachtung der Kennzahlen der letzten Jahre, die wahrscheinliche zukünftige
Entwicklung. Unter Berücksichtigung des
Bibliothekskonzepts4 wurden für die untersuchten Sachgruppen Handlungsempfehlungen entwickelt und, im Hinblick
auf Bestandsverringerung und -optimierung, ein Richtwert für zu makulierende
Medien erarbeitet.
Dafür wurden die unterschiedlichen
Normstrategien auf Grundlage der Untersuchung der Sachbuchportfolio-Analyse
mit allgemeinen Bestandskennzahlen,
hier vor allem der Effizienz, des Umsatzes,
des Aktivierungsgrads, der Ausleih- und
Bestandszahlen sowie der Erneuerungsquote, in Bezug gesetzt. Des Weiteren
wurden das Bibliothekskonzept und die
Ergebnisse einer auf Traunsteiner Verhältnisse abgeleiteten Sinus-Milieus-Betrachtung5 herangezogen, um den Bestand an
den Informationsbedarf der Besucher anzupassen.
Die Analyse selbst gliederte sich in drei
Abschnitte:
„ Status Quo: Darstellung der gegenwärtigen Situation des Bestandes.
„ Entwicklung: Prognose für die zukünftige Tendenz des Bestandssegmentes,
sofern keine neuen oder erweiterten Maßnahmen zur Bestandsoptimierung eingesetzt werden.
„ Handlungsempfehlung:
Konkrete
Maßnahmen für die Bestandsreduzierung
und Umstrukturierung wurden aus dem
Status Quo und der Entwicklung der einzelnen Sachgruppen abgeleitet.
Der Fokus der Arbeit lag dabei vor allem auf der Entwicklung von umsetzbaren Handlungsempfehlungen, die neben
der detaillierten Auseinandersetzung mit
Bestand und Bibliothekskonzept auch das
Erfahrungswissen und die Ziele der Büchereileitung einbezogen haben.
Die Ergebnisse dienen der Stadtbibliothek Traunstein zur Orientierung und
Überprüfung des Sachbuchbestandes,
unterstützen die zielgerichtete Bestandsdeakquisition ebenso wie einen zukunftsfähigen Bestandsaufbau nach neuen Kriterien.
Drei Vorteile beim Einsatz
der Portfolio-Analyse
Die Portfolio-Analyse wurde gezielt zur
Analyse des Sachbuchbestandes im Hin1 Siehe BuB-Hefte 10/2013, 1/2014 und
3/2014
2 Die Stadt Traunstein ist mit ungefähr 20 000
Einwohnern eines der bedeutendsten Zentren im Chiemgau. Die dortige Stadtbücherei bietet den Bürgern Traunsteins auf 600
Quadratmeter ein umfangreiches Angebot an
Veranstaltungen, Literatur- und Informationsversorgung. Von den 36 000 Medien zählt
über ein Drittel zum Sachbuchbestand und
wird nach der Systematik der Stadtbücherei
Duisburg (SSD) erschlossen, die Aufstellung
erfolgt jedoch seit 2006 nach Themenbereichen, um den Kunden die Orientierung innerhalb der Bücherei zu erleichtern. – Vgl.
Hagenau, Anette (2008), S. 3, 14 und 54;
Fecht, Tanja (2014), S. 23–26
3 Vgl. Fecht, Tanja (2014)
4 Vgl. Hagenau, Anette (2008)
5 Vgl. ebd., S. 42–51
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Praxis
Raus aus den Regalen: Die Stadtbücherei Traunstein hat mithilfe der Portfolio-Analyse ihren
Sachbuchbestand durchforstet.
Foto: Angelika Lindhuber
blick auf die Bestandsumstrukturierung
und der umfangreichen Deakquisition
als Werkzeug ausgewählt und eingesetzt.
Dabei wurden die Ergebnisse der Untersuchung immer in den Kontext der
Stadtbücherei Traunstein – Konzept, Besonderheiten und Ziele – eingeordnet. An
dieser Stelle sollen jedoch nicht bereits die
in der Literatur6 und von Frauke Schade
in BuB-Heft 3/2014 sowie von Roman
Rabe in BuB-Heft 1/2014 vorgebrachten
Argumente wiederholt, sondern der Ansatz vorgestellt werden, wie die Sachbuchportfolio-Analyse in der Untersuchung
Anwendung gefunden hat:
Eines der ausschlaggebenden Argumente mit der Sachbuchportfolio-Analyse zu
arbeiten, war die Möglichkeit, den Status
Durch eine ausreichende Effizienz,
die einem unzureichenden Umsatz
gegenüber steht, ergeben sich daher
häufig Probleme bei der Auswertung
der Portfolio-Analyse.
Quo der einzelnen Sachgruppen im gesamten Sachbuchbestand zu visualisieren
und einen Eindruck ihrer Positionsveränderung innerhalb der analysierten Jahre zu
gewinnen. Wie bereits von Roman Rabe
angeführt, ist es fraglich, ob alle Sachgruppen stringent die einzelnen Phasen
des Produktlebenszyklus durchlaufen.7
Jedoch können anhand der PortfolioMatrix, durch die Gegenüberstellung von
Effizienz und Umsatzentwicklung, erste
Erkenntnisse darüber gewonnen werden,
wie intensiv die einzelnen Sachgruppen
im Verhältnis zum gesamten Angebot an
Sachliteratur genutzt werden. Dies ist im
Hinblick auf den Einsatz von Strategien
im Bestandsmanagement von Bedeutung,
da Veränderungen schnell bemerkt werden
und entsprechend Steuerungsmaßnahmen
eingeleitet werden können.
Zum einen können rückwirkend auffällige Schwankungen einzelner Sachgruppen erfasst werden, zum anderen können
diese mit ähnlichen Entwicklungen anderer Sachgruppen verglichen werden. So ist
es beispielsweise möglich herauszufinden,
ob thematisch verwandte Sachgruppen,
beziehungsweise im Fall der Stadtbücherei
Traunstein gesamte Themenkreise, von
einer Entwicklung betroffen sind, wie es,
so ein Ergebnis der Analyse, beispielsweise
bei den Gruppen SSD-K (Religion) und
SSD-L (Philosophie) des Themenbereichs
»Leichter durchs Leben« der Fall ist.8 Im
nächsten Schritt können die relevanten
Bestandskennzahlen sowie bibliotheksspezifische Besonderheiten, wie Veränderung des Bestandsmanagements oder
Präsentation der Sachgruppe, zur Analyse herangezogen werden, um mögliche
Gründe für die Entwicklungen herauszuarbeiten.
Ein weiterer Vorteil, der sich durch den
Einsatz der Sachbuchportfolio-Analyse in
diesem Projekt ergab, war die Möglichkeit, zukünftige Entwicklungen innerhalb
der Sachliteratur abschätzen zu können.
Durch die Positionsveränderung im Betrachtungszeitraum und unter Berücksichtigung der Kennzahlen wurde auf die
zukünftige Entwicklung der Sachgruppen
geschlossen und auf Grundlage dessen
wurden Trends abgeleitet. In diesem Zusammenhang lag der Fokus nicht primär
auf dem Lebenszyklus, der davon ausgeht,
dass jedes Produkt einem bestimmten
Verlauf folgt, sondern auf der Positionsverschiebung der einzelnen Sachgruppen,
also auf der Darstellung des veränderten
Nutzungsverhaltens der angebotenen
Sachliteratur. Dabei ist ausschlaggebend,
wie intensiv die Sachgruppen im Verhältnis zum gesamten Sachbuchbestand in den
vergangenen Jahren genutzt wurden und
ob sich Entwicklungen, wie ein kontinuierliches Nachlassen des Nutzerinteresses,
abzeichnen.
Der Einsatz des Sachbuchportfolios
wird auch weiterhin in der Stadtbücherei Traunstein beibehalten, aber mit dem
Ziel, die Ergebnisse der Bestandsumstrukturierung zu überprüfen, die Entwicklung
zu beobachten und, wenn notwendig, auf
Veränderungen zu reagieren zu können.
Die Portfolio-Analyse dient hierbei der
Bewertung der eingesetzten Maßnahmen.
Auch an dieser Stelle bietet dieses Instrument nur eine erste Orientierung, die
durch weitere Analysen bestätigt werden
muss: Ein Beispiel ist die Sachgruppe
Wirtschaft (SSD-H). Die Analyse ergab,
dass nur Teile des Bestandes intensiv genutzt wurden und dass der Ausbau des
Angebotes zu Lasten des Umsatzes ging,
während die Ausleihzahlen konstant blieben.9 Daher wurde eine Bestandsreduzierung um 35 Prozent empfohlen.10 Mit
der Sachbuchportfolio-Analyse kann an
dieser Stelle beobachtet werden, ob dieser
Schritt eine veränderte Nutzung zur Folge
hat und ob die Entwicklung in die erstrebte Richtung geht.
Probleme und Grenzen
Es muss betont werden, dass die Sachbuchportfolio-Analyse als alleiniges Instrument zur Bewertung des Bestandes sowie
seiner Nutzung nicht ausreicht, da die von
Frauke Schade11 entwickelten Normstrategien als Handlungsempfehlungen der einzelnen Matrix-Felder keine passgenauen
Maßnahmen liefern. Das Sachbuchportfolio berücksichtigt weder die Besonderheiten der einzelnen Sachgruppen noch
deren Relevanz innerhalb der Bestandskonzeption der einzelnen Bibliothek. Gerade unter dem Aspekt der Bestandsreduzierung wurde deutlich, dass aufgrund ihrer unspezifischen Formulierung selten die
allgemeinen Handlungsempfehlungen für
die einzelnen Matrix-Felder greifen und so
als alleiniges Ergebnis nicht auf jedes Bestandssegment anwendbar waren.
6 Vgl. Schade, Frauke; Umlauf, Konrad (2012),
S.117–203
7 Vgl. Rabe, Roman (2013), S. 53–56
8 Die Sachgruppen SSD-K und SSD-L positionieren sich beide innerhalb des Betrachtungszeitraums entweder im Segment »Arme Hunde« oder »Fragezeichen«. – Vgl. Fecht, Tanja
(2014), S. 47–55
9 Daten 2012: Medienbestand: 306; Entleihungen: 545; Aktivierungsgrad: 56 Prozent;
Null-Liste: 135 Medieneinheiten – vgl. Fecht,
Tanja (2014), S. 58
10 Primär Medien, die auf der Null-Liste des
Jahres 2012 verzeichnet sind
11 Vgl. Schade, Frauke (2010), S. 111–132
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Praxis
Jede Bibliothek weist individuelle Besonderheiten auf, die eine Erstellung von
allgemeingültigen Handlungsempfehlungen unmöglich macht. Die Normstrategien der Portfolio-Analyse müssen immer
mit anderen Kennzahlen und Grundsätzen des Bestandsmanagements in Verbindung gesetzt werden.
Im Fall der vorliegenden Arbeit begründeten sich Abweichungen beispielsweise oft damit, dass dem Umsatz eine
erhöhte Gewichtung gegenüber der Effizienz beigemessen wurde. Der Umsatz
des Sachbuchbestandes der Stadtbücherei Traunstein soll durch die umfassende Bestandsumstrukturierung und die
verstärkte Ausrichtung auf die Interessen
der Zielgruppen langfristig gesteigert werden.12 So ergab sich in der Analyse oftmals
der Fall, dass für Sachgruppen, deren Effizienz gute bis optimale Werte zwischen
0,7 und 1,313 für den Sachbuchbestand
aufwiesen, die aber gleichzeitig nicht den
geforderten Mindestumsatz erreichten, individuelle Maßnahmen erarbeitet werden
mussten.
Durch eine ausreichende Effizienz, die
einem unzureichenden Umsatz gegenüber
steht, ergeben sich daher häufig Probleme
bei der Auswertung der Portfolio-Analyse. Ein Beispiel dafür ist die Sachgruppe
Wirtschaft (SSD-H) mit einem Umsatz
von 1,78 und einer Effizienz von 1,00 im
Jahr 2012. Die Sachbuchportfolio-Analyse bestätigt die gute Nutzung dieses Themengebietes im Verhältnis zum restlichen
Sachbuchbestand, indem ihre Position
sich in den vergangenen Jahren in den
Feldern »Milchkühe« oder »Stars« befand.
Die allgemeine Handlungsempfehlung
würde daher lauten: die Bestandsgröße
mit einer angemessenen Erneuerungsquote beizubehalten.
Betrachtet man jedoch die Umsatzkennzahl mit einem Wert von nur 1,78
wird deutlich, dass der Umsatz für eine,
im Verhältnis zum restlichen Sachbuchbestand, intensiv genutzte Sachgruppe
nicht ausreichend ist. Das belegt auch die
Aktivierungsquote von circa 56 Prozent.
Die in diesem Kontext erarbeitete Handlungsempfehlung sieht daher eine Bestandsreduzierung um 35 Prozent vor, unter Berücksichtigung der Null-Listen der
letzten zwei Jahre. Dieses Ergebnis widerspricht deutlich der ursprünglichen Handlungsempfehlung, die aus den Normstrategien der Portfolio-Analyse folgen
würde.
12 Vgl. Fecht, Tanja (2014), S. 36
13 Vgl. Umlauf, Konrad (1997), S. 365
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Was also bleibt?
Die Portfolio-Analyse ist, besonders wenn
die Gegebenheiten vor Ort miteinbezogen werden, weit komplexer als es zuerst
scheint. Das hat zur Folge, dass sich die
Verantwortlichen sehr intensiv mit der
Funktionsweise und den Einsatzmöglichkeiten auseinandersetzen müssen.
Die Handlungsempfehlungen der Matrixfelder bieten einen guten Ansatzpunkt
für eine weitergehende Bestandsanalyse.
Ausgehend von den Positionen der einzelnen Sachgruppen innerhalb der Matrix
können die vorgeschlagenen Handlungsempfehlungen dahingehend geprüft werden, ob sie in das Konzept der Bibliothek
passen und ob deren zielgruppenspezifische Schwerpunktsetzung unterstützt
wird. Diese Vorüberlegungen bilden eine
erste Grundlage, auf deren Basis dann tatsächlich notwendige Maßnahmen entwickelt werden können.
Damit ist die ursprüngliche einfache
Handhabung dieses Hilfsmittels unverkennbar beeinträchtigt, da weder die im
Vorfeld entwickelten Handlungsempfehlungen ohne intensive Beschäftigung mit
den vorliegenden Werten eingesetzt noch
die Gewichtungen und Besonderheiten
berücksichtigt werden können. Die genannten Faktoren erhöhen den zeitlichen
Aufwand beim Einsatz der Portfolio-Analyse erheblich, den sich viele, besonders
Bibliotheken mit wenig Personal, nicht
leisten können.
Daraus könnte folglich geschlossen
werden, vollständig auf den Einsatz der
Portfolio-Analyse zu verzichten. Das ist
jedoch eine vorschnelle Entscheidung.
Gerade für umfangreichere Projekte, wie
im Fall der Stadtbücherei Traunstein, in
der außerhalb des alltäglichen Bestandsmanagements ein großer Teil des Bestandes makuliert werden soll, ist die Einarbeitung in das Sachbuchportfolio sinnvoll.
Denn beim Einsatz in der Stadtbücherei Traunstein ist deutlich hervorgetreten, dass die Sachbuchportfolio-Analyse
unschätzbar für eine erste Orientierung
innerhalb des Bestandes ist, besonders
wenn das Bestandsmanagement nicht
durch eine regelmäßige Analyse der Bestandskennzahlen ausgewertet wird. Die
Methode bietet die Möglichkeit, einen
ersten Eindruck von Nutzungsintensität
der einzelnen Sachgruppen im Verhältnis untereinander zu gewinnen, stellt die
vergangene und die aktuelle Entwicklung
einzelner Bestandssegmente dar und unterstützt bei der Prognostizierung ihrer
zukünftigen Entwicklung. Im weiteren
Verlauf dient sie zur Überprüfung auf die
Wirksamkeit der durchgeführten Maßnahmen.
Der Einsatz der Portfolio-Analyse ist
dann sinnvoll und liefert befriedigende
Ergebnisse, wenn diese kontextbasiert, das
heißt das gesamte Bestandsmanagement
und das Bibliotheksprofil berücksichtigend, eingesetzt wird.
Quellenverzeichnis
Fecht, Tanja (2014): Strategien zur Optimierung des Sachbuchbestandes anhand
des Beispiels der Stadtbücherei Traunstein.
Status Quo – Entwicklungen – Handlungsempfehlungen [Bachelor-Arbeit].
Hagenau, Anette (2008): Bibliothekskonzeption
der
Stadtbücherei Traunstein. Lesen, leben, lernen.
Stadtbücherei Traunstein 2008–2012.
Online verfügbar unter: www.oebib.de/fileadmin/redaktion/mana
gement/Materialien/Bibliothekskonzepti
onen/Traunstein_Bibliothekskonzeption.
pdf [Zuletzt geprüft am 22. Juli 2014].
Rabe, Roman (2013): Wie sinnvoll ist
die Portfolio-Analyse für den Bestandaufbau? Eine Replik zum Artikel von Tom
Becker in BuB-Heft 10/2013. In BuB
3/2014.
Schade, Frauke (2010): Die PortfolioAnalyse als Methode zur Profilierung von
Bibliotheksbeständen. In: Tom Becker
und Cornelia Vonhof (Hrsg.): Gut ist uns
nie gut genug!. Wiesbaden: Dinges &
Frick (B.I.T. online: Innovativ, 30).
Schade, Frauke; Umlauf, Konrad
(2012): Bestandsmanagement im Rahmen von Marketing-Management Öffentlicher Bibliotheken. In: Frauke Schade
und Konrad Umlauf (Hrsg.): Handbuch
Bestandsmanagement in Öffentlichen Bibliotheken. Berlin: de Gruyter Saur (Bibliotheks- und Informationspraxis, 46).
Umlauf, Konrad (1997): Bestandsaufbau an öffentlichen Bibliotheken. Frankfurt am Main: Klostermann (Das Bibliothekswesen in Einzeldarstellungen).
Tanja Sabrina Fecht
(Jahrgang 1988)
ist Absolventin der
Fachhochschule Köln
des Studiengangs
Bibliothekswesen –
Kontakt: tanja.fecht
@web.de
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BuB
BuB || Magazin
Lesesaal
»Stimme eines
Rufers in der Wüste«
Notwendige bibliothekarische
Erinnerungskultur
Babendreier, Jürgen: Nationalsozialismus
und bibliothekarische Erinnerungskultur / Herausgegeben von Michael Knoche
und Sven Kuttner. Wiesbaden: Harrassowitz, 2013. VIII, 152 Seiten. (Beiträge zum
Buch- und Bibliothekswesen; 58) 978-3447-10001-4 – fest gebunden 39,80 Euro
Fachliteratur
D
er Rezensent ist sich nicht sicher,
ob Jürgen Babendreier die biblische Anspielung im Titel der Rezension goutieren wird. Aber die Wirkung
seiner Stimme ist vergleichbar: Die eines
notwendigen, einigen vielleicht auch heute noch unbequemen Mahners.
Es war wohl die Restitutionsproblematik und in der Folge die Provenienzforschung, die ihn zu »seinem« Thema geführt haben.1 Der anlässlich seines 70. Geburtstags von Michael Knoche und Sven
Kuttner herausgegebene Sammelband
vereinigt sieben seiner zwischen 2004 und
2010 an verschiedenen Stellen erschienenen Arbeiten zur bibliothekarischen Erinnerungskultur, die zusammengenommen
fast schon eine Art Monografie ergeben.
Kollektives Schweigen statt Aufarbeitung
Der erste Beitrag setzt sich mit den »Positionen zur Bücherverbrennung« auseinander. Exemplarisch greift er drei Protagonisten heraus: Wolfgang Herrmann
(1904–1945), »das schwärzeste aller
schwarzen Schafe unter den damaligen
Volksbibliothekaren« (S. 11), den Haupturheber der Schwarzen Listen; Joachim
Ostdeutsche Erinnerungen an
»braune Zeiten« wurden als »antifaschistischer Diskurs« geführt.
Privatanschrift des Rezensenten: Prof. Dr. Peter
Vodosek, Seestraße 89, 70174 Stuttgart; vodosek@
hdm-stuttgart.de
Kirchner (1890–1978), Direktor der Freiherrlich Carl von Rothschildschen Bibliothek in Frankfurt am Main, der sich 1933
auf dem Bibliothekartag in Darmstadt ereiferte, »dass noch viel zu wenig verbrannt
worden sei« (S. 12, Anm. 63) und schließlich Hugo Andres Krüss (1897–1945),
Generaldirektor der Preußischen Staatsbibliothek, der 1933 in den USA kalmierend
gegenüber der Presse sagte: »That bookburning in Germany was nothing more
than ›an isolated instance to demonstrate
public feeling‹« (S. 15).
Ein weiterer Beitrag beleuchtet die
»Aufarbeitung der NS-Geschichte im
deutschen Bibliothekswesen«, auf die
Jahrzehnte hindurch zugunsten eines
»Kollektiven Schweigens« verzichtet wurde. Freilich nicht im philosophischen
Verständnis eines Ludwig Wittgenstein
in seinem Tractatus logico-philosophicus:
»Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen«. Es darf daran
erinnert werden, dass die seit 1985 laufenden Vorbereitungen zu den beiden legendären Wolfenbütteler Tagungen »Bibliotheken während des Nationalsozialismus«
von 1988 und 1989, die ein Durchbrechen
dieses Schweigens provozieren wollten, für
erhebliche Turbulenzen gesorgt haben.2
Dieser Beitrag verdient es auch deshalb
hervorgehoben zu werden, weil sein methodischer Ansatz in gewisser Weise innovativ ist. Er untersucht »Narrative« der
ersten beiden bibliothekarischen Nachkriegsgenerationen (von denen er die erste
als »Erlebnisgeneration« bezeichnet) anhand von Begriffen wie »Inszenierungen«,
»Mythologisierungen«, »Tabuisierungen«,
»Derealisierungen«,
»Politisierungen«,
»Modernisierungen« und so weiter. Von
dem »apologetischen Distanzierungsnarrativ«, dass »Urgewalten«, quasi eine Naturkatastrophe das deutsche Bibliothekswesen mitgerissen hätten, bis zum zaghaften Anerkennen zumindest einer (Teil)
Schuld war es ein weiter Weg.
Biografische Studien in Ost und West
Die »Ostdeutschen Erinnerungen an braune Zeiten« hingegen wurden in der SBZ
und der späteren DDR als »antifaschistischer Diskurs« geführt, vom Autor mit
dem Schicksal der Berliner Bibliothekarin
Lotte Bergtel(-Schleif, 1903–1965) unterlegt. Was sie erlebte und was sie erduldete,
wurde als spezielle Form der Erinnerung
in das »kollektive Gedächtnis im Parteiauftrag« aufgenommen.
Ebenfalls mit biografischem Bezug
widmet sich Babendreier der Schrift Die
Bildung des Bibliothekars des Tübinger
Bibliotheksdirektors Georg Leyh, hervorgegangen aus dessen Stockholmer Vortrag
von 1949, in welcher er der Frage nach
dem bibliothekarischen Selbstverständnis
nachgeht, eine Schrift, die nahezu zwei
Jahrzehnte lang für Diskurse sorgte und
eigentlich dafür noch sorgen könnte, wenn
…, ja, wenn die Leyhsche Unterscheidung
von Bildungswissen und Arbeitswissen
noch irgendeine Rolle spielen würde.
Bibliothekarisches Gedächtnis
verharrt auf der Oberfläche
Babendreier versteht sich als »Bibliothekarchäologe«, dessen Aufgabe im Ausgraben und Erinnern besteht, die stets auch
eine Gedächtnisreise bedeuten. Diese »ist
immer […] auch ein Abstieg in die Tiefe« im Danteschen Sinn. Dem steht das
moderne bibliothekarische Gedächtnis
gegenüber, das »vorzugsweise auf der (Benutzer-)Oberfläche verharrt« (S. 92). Dass
sich beides verbinden ließe und sich gegenseitig ergänzen könnte, hat Babendreier
mit zahlreichen Arbeiten zu erwerbungspolitischen Themen in personam bewieBuB | 66 (2014) 10
Magazin
Lesesaal || BuB
BuB
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Neue Fachliteratur
sen. Umso ernster muss man nehmen,
wenn er sich auf Schopenhauer beruft,
der wie viele andere auch Bibliotheken als
das »sichere und bleibende Gedächtnis des
menschlichen Geschlechts« gerühmt hat.
Das einleitende Unterkapitel zum Beitrag
»Kollektives Schweigen« überschreibt Babendreier mit »Lethe«. Er formuliert ebenso brillant wie provokativ: »Das Gegenteil
von Bibliothek heißt heute Information,
ist befallen mit dem Virus des digitalen
Vergessens und war früher ein Fluss und
nannte sich Lethe« (S. 93).
Peter Vodosek
Neue Fachliteratur
group_public/download.php/13388/rp-192014_ODI.pdf
Benutzungsdienste in Bibliotheken: Bestandsund Informationsvermittlung / Wilhelm Hilpert... Berlin (u.a.): De Gruyter Saur, 2014. XIX,
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Seiten. 978-0-8389-1239-3 – Softcover USD
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Crawford, Walt: Big-deal serial purchasing:
tracking the damage. Chicago, IL: ALA
TechSource, 2014. 53 Seiten. (Library Technology Reports: 50; 4) 978-0-8389-5926-8
– Softcover USD 43,–. Auch als E-Book erschienen
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library beyond the book. Cambridge, MA:
Harvard University Press, 2014. 176 Seiten:
zahlreiche Illustrationen. (MetaLABprojects)
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Hintergründe und rechtliche Herausforderungen des digitalen kulturellen Speichergedächtnisses / Herausgegeben von Oliver
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Gruyter Saur, 2014. XVI, 635 Seiten. (Bibliotheks- und Informationspraxis; 52) 978-3-11033617-7 – fest gebunden 319,- Euro. Auch
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services. Chicago, IL: American Library Association Publishing, 2014. 104 Seiten. 978-08389-8732-2 – broschiert USD 30,–
1 Babendreier, Jürgen: Wie finde ich NS-verfolgungsbedingt entzogenes Bibliotheksgut? In:
Bibliotheksdienst 35 (2001), S. 1138–1150
2 Die beiden Tagungen sind dokumentiert in:
Peter Vodosek und Manfred Komorowski
(Hrsg.): Bibliotheken während des Nationalsozialismus. Wiesbaden: Harrassowitz; Teil
1 (1989) und Teil 2 (1992) (Wolfenbütteler
Schriften zur Geschichte des Buchwesens;
16). Dazu auch Werner Arnold: Bibliothekare und Bibliotheken im Nationalsozialismus. In: Wissenschaftliche Bibliothekare im
Nationalsozialismus. Handlungsspielräume,
Kontinuitäten, Deutungsmuster. Wiesbaden:
Harrassowitz, 2011 (Wolfenbütteler Schriften zur Geschichte des Buchwesens; 46), S.
13–26
BuB | 66 (2014) 10
Neeser, Ruth: Leistungsmessung einer Spezialbibliothek. Berlin: Institut für Bibliotheksund Informationswissenschaft der HumboldtUniversität zu Berlin, 2014. 83 Seiten: grafische Darstellungen. (Berliner Handreichungen
zur Bibliotheks- und Informationswissenschaft;
360) – Online verfügbar unter: http://nbn-re
solving.de/urn:nbn:de:kobv:11-100214963
Open discovery initiative: promoting transparency in discovery: A recommended practice of the National Information Standards
Organization / Prepared by the Open Discovery Initiative Working Group. Baltimore, MD:
National Information Standards Organization
(NISO), 2014. VIII, 38 Seiten. – Online frei
verfügbar unter: http://www.niso.org/apps/
Steinhauer, Eric: Büchergrüfte: Warum Büchersammeln morbide ist und Lesen gefährlich. Darmstadt: Schneider, 2014. 144 Seiten: Illustrationen. 978-3-650-40021-5 – broschiert 16,95 Euro
Stielow, Frederick: Reinventing the library
for online-education. Chicago, IL: ALA Editions, 2014. 328 Seiten. 978-0-8389-1208-9
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Teaching Gender with Libraries and Archives:
The Power of Information / Edited by Sara
de Jong; Sanne Koevoets. Budapest (u.a.): At
Gender; Central European University Press,
2013. 179 Seiten. (Teaching with gender: European women’s studies in international and interdisciplinary classrooms; 10) ISBN: 978-6155225-60-4 – broschiert 27,95 Euro. Online
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index.php/initiativesmenu/teachingwgen/
twgvolumes/volume-10-teaching-genderwith-libraries-and-archives
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Varnum. Chicago, IL: ALA TechSource, 2014.
144 Seiten. 978-0-8389-1228-7 – broschiert
USD 70,– . Auch als E-Book erhältlich
VanHooland, Seth; Verborth, Ruben: Linked
data for libraries, archives and museums: How
to clean, link and publish your metadata. London: Facet Publishing, 2014. 224 Seiten. 9781-85604-964-1 – broschiert GBP 49,95. Auch
als E-Book erschienen
Vanscheid, Philipp; Philippi, Sabine: Digitale
Rekonstruktionen mittelalterlicher Bibliotheken. Wiesbaden: Reichert, 2014. 155 Seiten:
Illustrationen. 9783895009952 – gebunden
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Zschau, Gerhard; Jobmann, Peter: Auf dem
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Perspektiven, Gefahren und Chancen. Berlin,
Freie Universität, Masterarbeit, 2013. – Online unter: http://demokratische-bibliothek.
de/
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BuB
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Über einen
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Berman, Sanford: Not in My Library!:
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(u.a.): McFarland, 2013. 208 Seiten. 9780-7864-7822-4 – Softcover USD 35,–.
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Fachliteratur
S
anford Berman, geboren 1933, war
von 1972 bis 1999 Leiter der Katalogisierungsabteilung der Hennepin
County Library (Minneapolis, Minnesota). Er war vorher unter anderem von
1962 bis 1966 als Bibliothekar in der
US-Armee im Rhein-Main-Gebiet tätig.
Berman studierte Politische Wissenschaften, Englisch und Anthropologie und erwarb dann einen MSLS.
Im Newsletter »The Unabashed [unerschrocken, unverfroren] Librarian« verfasste er zahlreiche Beiträge und hielt dabei mit seiner Meinung nicht hinter dem
Berg. Seine sehr deutlichen Meinungsäußerungen kosteten ihn 1999 seinen Job.
Der Verfasser des Vorworts sagt über ihn:
»He also has been a pain in the ass«. Das
kann vielleicht als Lob verstanden werden, denn Berman setzte sich mit großem
Nachdruck und viel Ausdauer immer für
eine umfangreichere Sach- als auch Formalkatalogisierung ein und schlug der Library of Congress in unzähligen Briefen
(seiner Meinung nach) neue oder bessere
Subject-Headings vor, oft mit Belegen aus
Wikipedia oder Google, bemängelnd,
dass etliche Schlagwörter nicht zutreffend
seien, sich der Sprachgebrauch geändert
habe oder einen Sachverhalt schlichtweg
falsch beschrieben und dadurch Bücher
nicht gefunden würden. Oft erhielt er
keine Antwort, und seine Vorschläge
wurden selten übernommen. Einer seiner
weiteren Kritikpunkte bezüglich Büchern
ist das Fehlen von Registern beziehungsweise das Vorhandensein schlechter Register. Dieser Mangel hat einen schlechteren Zugang zum Inhalt eines Buches
zur Folge als auch einen Zeitverlust beim
Lesen.
Das Thema »Zugang verschaffen« liegt
ihm sehr am Herzen. Er würde Mahnoder Verzugsgebühren abschaffen, weil
diese für manche Benutzer ein finanzielles
Hindernis darstellen können. Diese Gebühren, vermutet er, werden auch erhoben, um für die jeweilige Stadtkasse Geld
zu generieren. Berman spricht sich stark
für ein Bereitstellen von Büchern aus, die
in einer Bibliothek nicht unbedingt von
allen gern gesehen werden, für die es aber
Nachfrage gibt (zum Beispiel Erotic Graphic Novels). Seine Position ist die, dass
gerade »schräge« und außergewöhnliche
Literatur angeboten werden muss und
kritisiert, dass (Öffentliche) Bibliotheken
zu sehr Mainstream-Literatur wie »Harry
Potter« anbieten.
Äußerst kritisch sieht er die von Bibliotheken veranstalteten Bücherflohmärkte,
durch die er manches Buch verschwinden
sieht – wobei er nichts gegen das Wegge-
ben von wirklich beschädigten und unbrauchbaren Büchern hat. Die politisch
linke Position, aus der Berman die Welt
sieht, wird unschwer deutlich. An zwei
Stellen im Buch beruft er sich auf Rosa
Luxemburg und ihre Äußerung, dass einem Andersdenkenden selbstverständlich
Freiheit für dessen Meinung einzuräumen
sei. Dass Bibliotheksarbeit auch politische
Arbeit bedeutet, machte Berman durch
Briefe an seinen Kongressabgeordneten
und auch an Präsident Obama klar, wenn
er dort mehr Engagement für Krisenregionen wie zum Beispiel Darfour fordert.
Er unterstreicht, dass ein Schlagwort wie
»Armenian Massacres« nicht das gleiche
wie »Armenian Genocide« aussagt. Dass
politische Rücksichten eine Umbenennung bisher verhinderten, ist Berman ein
Dorn im Auge. Es ist nicht überraschend,
dass er für einen Whistleblower wie Bradley Manning Unterstützung fordert, weil
er selbst für große Offenheit und freie
Meinungsäußerung, auch am Arbeitsplatz, eintritt. Es ist leicht vorstellbar, dass
dieser Ansatz für einigen Gegenwind in
seinem privaten und beruflichen Leben
sorgte.
Warum kann dieses Buch von Interesse
sein? Es ist der völlig ungewohnte andere Blickwinkel und es ist die Vehemenz,
mit der er die Position vertritt, dass Bibliotheken und Bibliothekare den Leser,
Benutzer, Kunden mit allem Gewünschten versorgen und mit hoher Bereitschaft
und Offenheit begegnen sollten. Ob die
von Berman vorgelebte große Konfliktbereitschaft immer nützlich ist und ob man
seinen Einsatz als Vorbild nehmen sollte,
das muss jeder für sich entscheiden. Sie
ist immerhin etwas, worüber man nachdenken kann, weil Bescheidenheit und
Zurückhaltung oft ebenfalls nicht hilfreich sind.
Mehrere der älteren Beiträge hinsichtlich »undercataloging« sind wohl überholt,
da mittlerweile durch die Anreicherung
der Kataloge durch Inhaltsverzeichnisse,
Coverabbildungen, Discovery Systeme
und verschiedene Klassifikationen (LoC,
Basisklassifi kation, RVK) und Inhaltsangaben vieles besser geworden ist. Man
kann an Bermans Buch gut erkennen,
dass Bibliotheken und ihre Angestellten
stark im gesellschaftlichen Kontext eingebettet sind und dass dienstlich und privat
ein Eintreten für abweichende Meinungen nicht einfach ist.
Das Buch bietet ein hervorragendes
Register, dessen Ersteller namentlich erwähnt wird. Das ist eine Seltenheit in der
Welt der Buchhersteller.
Oliver Dienelt
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Aus dem Berufsverband | BuB
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Aus den Landesgruppen
Aus den
Landesgruppen
Saarland:
Open Access und Urheberrecht
Er ist jung, motiviert und dynamisch; er
promoviert und publiziert mit viel Elan,
muss Lehraufträge stemmen und Projekte erfolgreich durchführen und hat einen
ungeheuren Bedarf an Aufklärung über
mögliche Publikationsformen, Urheberrecht und Sichtbarmachung seiner Forschungsleistung. Und diese Aufklärung
erhofft sich der Jungwissenschaftler nun
von der Bibliothekarin seines Vertrauens.
So beschrieb Eric Wetzlaff in seinem
Vortrag über »Open Access und Urheberrechte als proaktive Bibliotheksdienstleistungen« den neuen Typ Bibliothekskunden, mit dem besonders die wissenschaftlichen Einrichtungen immer mehr
zu tun haben. Zu diesem hatte das INM
– Leibniz-Institut für neue Materialien in
Kooperation mit der BIB-Landesgruppe
Saarland im Juli alle Interessierten aus Bibliothek und Wissenschaft geladen. Die
Organisatorin Elke Bubel, leitende Bibliothekarin am INM und Vorsitzende des
BIB-Landesverbandes Saarland, hatte mit
Eric Retzlaff einen ausgewiesenen Experten zum Thema Urheberrecht und Digitale Literatur gefunden.
Der Referent ließ außer Zweifel, dass bei
dem immens angestiegenen Beratungsbedarf seitens der Nutzer was digitales Publizieren und die Neuerungen im Urheberrecht angeht, die Dienstleistungen der
Bibliotheken dahingehend ausgebaut werden müssen; zusätzlich zu dem Angebot
zur Informationskompetenz.
In der Fortbildungsveranstaltung referierte Retzlaff über die Gründe und Argumentation für Open Access, seine wirtschaftliche Perspektive und das Thema
Open Access als Förderkriterium der EU.
Ein weiterer Schwerpunkt war die Neuregelung des Urheberrechts in Deutschland. Dabei ging es unter anderem auch
um die öffentliche Zugänglichmachung
für Unterricht und Forschung (§52a) und
Wiedergabe von Werken auf elektronischen Leseplätzen in öffentlichen Bibliotheken (§52b).
Außerdem berichtete der Leiter der Bibliothek des Zentrums für Europäische
Wirtschaftsforschung (ZEW) über die
Beratungsmöglichkeiten in Bibliotheken
und die sogenannten »Cost of Knowledge«.
Zu der Veranstaltung fanden sich 30 Interessierte aus dem saarländischen Bibliothekswesen als auch Wissenschaftler aus
Forschung und Universität im INM an der
Universität des Saarlandes ein. Nach dem
spannenden und sehr lehrreichen Vortrag
konnten Teilnehmer beim anschließenden
Umtrunk das eben Gehörte eruieren und
vertiefen.
Katrin Lück
(Europa-Institut / Bibliothek,
Europäisches Dokumentationszentrum),
Landesgruppe Saarland
»Unshelved« by Gene Ambaum & Bill Barnes (www.unshelved.com)
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Mitglieder
Neue Mitglieder
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abgedruckt mit Erlaubnis der Overdue Media LLC
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BuB
| Aus dem Berufsverband
Mitglieder
VorgeMERKT
Giftschränke adé?
Das sollte man doch eigentlich annehmen.
Als mein erstes Grundpraktikum im Studium mich 1987 in eine Bibliothek der ersten
Stufe in einer mittelrheinischen Stadt führte,
wurde ich jedoch schnell einer tresorartigen
Einrichtung gewahr, die sich Giftschrank
nannte. Und Sie können sich vorstellen, dass
mein Interesse geweckt war, zu entdecken,
welche Bücherschätze sich darin verbergen
sollten. Anais Nin, Henri Miller und Charles
Bukowski. Hmmm, wer ist das denn?
Ich war schon ein wenig erstaunt, dass
man auch einen in der eigenen Stadt geborenen Schriftsteller (wenn Sie nun den Geburtsort von Bukowski ermitteln, wissen Sie
durch welche bibliothekarische Schule ich
gegangen bin) in den Giftschrank verbannte. Das wäre ja so, wie wenn Düsseldorf den
Heine verbannen würde.
Vielleicht habe ich in meinem jugendlichen Leichtsinn aber auch verkannt, dass
die Sache mit der sekretierten Literatur im
Grunde genommen der Sicherung für die
Zukunft und weniger dem Jugendschutz
diente. Auch heute ließen sich die Giftschränke noch füllen, widersprechen würde
dies jedoch dem allgemeinen freiheitlichen
und demokratischen Geiste und dem Anspruch nach Open Access. »Na, Charlotte
Roche, da hast Du aber noch mal Glück gehabt.«
Aber nicht in allen Ländern dieser Erde
besteht ein freier Zugang zur Literatur. In
zahlreichen Staaten wird im Entstehungsprozess schon Zensur geübt und dies wirkt
natürlich in die Zusammensetzung der Bibliotheksbestände hinein. Und so war es auch
nicht wirklich verwunderlich, in diesem Jahr
wieder einmal von den »schwulen Pinguinen« zu lesen, dieses Mal ging es jedoch
nicht um die Bestände in US-Bibliotheken,
sondern um Bibliotheken im fernöstlichen
Singapur.
Mit der Begründung, solche Bücher seien
nicht alterskonform und widersprächen der
offiziellen Familienpolitik, sollen die Bücher
aus den Bibibliotheksbeständen entfernt
werden. Das war für mich schon ein wenig
verwunderlich, wurde 2013 doch noch eine
zukunftsorientierte IFLA in Singapur durchgeführt. A propos IFLA – schauen wir mal
nach Frankreich. Auch dort war zu lesen
»Ein Gender-Gespenst geht um«, fordern
dort doch katholische und muslimische Extremisten Bücher, die ihren moralischen Vorstellungen nicht entsprechen aus den Kinderbibliotheken zu verbannen.
Solch eine restriktive und bornierte Vorgehensweise will ich nicht nachvollziehen
und es freut mich einmal mehr in einem freiheitlich demokratischen Staat zu leben, wo
es mir doch vollkommen egal ist, ob zwei
schwule Pinguine ihr gemeinsames Glück
finden, mal ganz davon abgesehen, dass
dieses wunderschöne Bilderbuch auch in
meiner privaten Büchersammlung zu finden ist, selbstverständlich in korrekter systematischer Nachbarschaft zu den erstklassigen Ralf-König-Comics. Und ich will
hoffen, dass dieser offene Umgang mit Literatur und Weltbildern auch noch weiterhin Bestandteil unserer multikulturellen Gesellschaft bleibt. Und dass nicht eines Tages
Alice Schwarzer und Castaneda sich im Giftschrank wieder finden oder gar nicht mehr
in Bibliotheksbeständen vorkommen.
Frank Merken
(Stadtbücherei Wipperfürth),
Vorsitzender Landesgruppe
Nordrhein-Westfalen
Mitglieder des BIB
werden gebeten, alle Änderungen ihrer
personenbezogenen Angaben, insbesondere des Namens, der Anschrift und der
Beitragsgruppe, nicht dem Verlag von
BuB, sondern der Geschäftsstelle des BIB
mitzuteilen:
BIB-Geschäftsstelle
Postfach 13 24
72703 Reutlingen
Telefon 0 71 21/34 91-0
Telefax 0 71 21/34 91 34
[email protected]
Impressum »Aus dem Berufsverband«
Herausgeber:
BIB . Berufsverband Information
Bibliothek e.V., Postfach 13 24
72703 Reutlingen
www.bib-info.de
Redaktion:
Katrin Lück
Europa-Institut / Bibliothek
Universität des Saarlandes
Postfach 15 11 50
66041 Saarbrücken
Telefon 06 81/302-25 43
[email protected]
Redaktionsschluss für
Verbandsmitteilungen
BuB Heft 01/2015: 7. November
BuB | 66 (2014) 10
BuB | Summary
Are Scholars Socially Competent? A Critical
Look at Scholarly Communication in the Digital Age: Impact Factor Vs. Social Technology (Björn Brembs)
(pp. 694–696)
Social reading in the academic world? Negative! says neurobiologist Björn Brembs. The
successful young scientist from Regensburg
bemoans the lack of any kind of social technology in scientific writing. In his opinion this is a
dangerous development that urgently needs
to be corrected. In this article he elaborates on
a number of problems facing academic communication today.
Depending upon the subject field, four or
more search engines must be used in order to
guarantee sufficient coverage of a discipline’s
relevant literature (in his field of neurobiology
this involves Google Scholar, PubMed, Scopus and Web of Science).
Although hyperlinks were first introduced
in 1968 at Stanford University, they have not
yet found their way into our written publications fifty years later.
We continue to send journal publishers
images of curves, graphs and diagrams, although they only need our data and several
commands to create them. This would also
allow, incidentally, the referees and then the
readers to take note of other aspects of the
data than those selected by the authors.
We continue to be expected to make radical changes before re-submitting articles
which have been declined by one journal, because each publisher would like to have the
article in a different format. Only now are
journal publishers beginning to use a technology which every student has been employing on his or her website since the 1990s:
counters for the number of visitors. But this
technology is only about 20, not already 50
years old.
Publishers continue to block access – actively and purely in interest of profits – to modern research methodology, such as content
mining.
Although online stores such as amazon
have been making suggestions of products
which are related to previously purchased
products for over a decade, a comparable technology is only available to a limited
extent – usually as a pilot project – for scholarly articles.
There are no academic rating systems. The
much cited »impact factor« is about as scientific as divining rods or pendulum dowsing.
BuB | 66 (2014) 10
Summary
Lesesaal || BuB
BuB
From the »Learning Library« to User-Centered Learning / Practical Experiences from the
Library for Social Sciences and East European
Studies at the Freie Universität in Berlin (Gabriele Leschke)
(pp. 710–712)
At the core of the traditional form of user education is the teaching librarian who passes on
his or her expertise in lectures (Teaching Library). At best, participants will have a chance
to inculcate this knowledge with a few exercises. The so-called »Learning Library« has
been developed as an alternative model in
which participants must become active themselves. They become acquainted with the library and its resources using practice exercises and then present their results to the rest of
the group. The role of the librarian is merely
the initiator and moderator of the learning
process, acting as a learning partner who can
support the learning process while also learning how the users interact with the library’s
offerings. Despite the positive trend toward
activation and integration of the participants,
the »Learning Library« is still not a pedagogical method that is systematically directed to
individualized learning. In her report, Gabriele Leschke elaborates how the Library for Social Sciences and East European Studies at the
Freie Universität in Berlin has made use of free
web-based tools to develop a user-oriented
training program.
»Unlike the ›Learning Library‹, which is limited to arousing ›curiosity and doubt‹, we
want to continue to facilitate knowledge and
have consciously retained the term ›user training‹ for these events. What we no longer
have, however, is the instructional attitude
of traditional classes in which the user is only
allowed to play the role of recipient.
In our system the participants remain active during the entire session. By using attractive web-based tools their attentiveness to
the information being convey is higher. Responsibility for the quality of the training results lies exclusively with the participants.«
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De-acquisition of Non-Fiction Using Portfolio Analysis / Practical Suggestions for Using
a Complex Instrument from the Traunstein
City Library (Tanja Fecht)
(pp. 717–719)
While non-fiction portfolio analysis has been
the subject of controversial discussions in recent issues of BuB, it has now been successfully implemented at the City Library of Traunstein as an aid for extensive de-acquisition of
the non-fiction collections. In this article Tanja Fecht elaborates on the advantages of portfolio analysis and demonstrates its benefits.
In times of smaller budgets, the reduction
of unused collections is an important step toward creating room for other investments and
developing new offerings which contribute to
the sustainability of public libraries. For this
reason the Traunstein City Library decided in
2013 to have its non-fiction sections analyzed as part of a student’s bachelor thesis. The
goal of the project was to reduce the collection over a period of five years from 13,500 to
10,000 items and invest the newly available
funds in other areas, such as the expansion of
services to children and young adults.
Along with an extensive and index-based
de-acquisition, a general optimization of the
collection was to play just as central a role as
the local parameters: items which are of particular interest to the core target groups of the
Traunstein library were give more weight by
expanding the index formulas. Hence, primary attention was given not to a pure collection reduction, but also to the benefits which
users will gain from a well-managed, attractive collection.
This expanded form of portfolio analysis
for the non-fiction collections took into account the current situation and gave a prognosis – with reference to the index values
of past years – of probable future developments. After considering the library’s mission
statement, recommendations for action in the
subject areas studied were developed and, in
terms of collection reduction and optimization, a benchmark value for items to be discarded was prepared.
Translated by Martha Baker
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BuB
BuB || Résumé
Lesesaal
Résumé | BuB
Les scientifiques savent-ils communiquer?/
Les facteurs d’impact en lieu et place des
technologies de réseaux sociaux: Un aperçu
critique sur la communication scientifique à
l’heure numérique (Björn Brembs)
(pp. 694–696)
De la »learning library« à l’apprentissage
élaboré en fonction des usagers / Une étude professionnelle de la Bibliothèque de sciences sociales et d’étude d’Europe orientale à la Freie Universität de Berlin (Gabriele
Leschke)
(pp. 710–712)
Désherbage dans le domaine des ouvrages
pratiques à l’aide de l’analyse Portfolio /
Quelques conseils de la bibliothèque municipale de Traunstein pour le maniement d’un
instrument complexe (Tanja Fecht)
(pp. 717–719)
A la question »quelle place pour les réseaux
sociaux dans les sciences?«, le neurobiologiste Björn Brembs répond »néant!«. Ce brillant
et jeune scientifique de Regensburg déplore l’absence des technologies numériques
dans la littérature scientifique. Selon lui, c’est
là une évolution dangereuse qui doit faire
l’objet d’une rapide correction. Dans cette
contribution, il fait d’ailleurs part des nombreuses faiblesses de la communication scientifique contemporaine. Ainsi, et selon le domaine, ce sont au minimum quatre moteurs
de recherche qui doivent être employés pour
permettre de couvrir la totalité d’un champ
bibliographique. Pour ce qui concerne la neurobiologie, à titre d’exemple, il cite l’emploi
de Google Scholar, PubMed, Scopus et Web
of Science.
Bien que le fonctionnement des hyperliens ait été présenté pour la première fois dès
1968 par l’Université Stanford, ceux-ci n’ont
pas pénétré, dans leur principe, la littérature
scientifique.
Lorsque les maisons d’édition expriment
le besoin de données et de recommandations
pour la production de diagrammes, les auteurs
adressent aux revues graphiques et illustrations. Incidemment, cela conduit à ce que les
évaluateurs tout autant que les lecteurs, par la
suite, aient à juger de données dont la présentation avait été voulue différemment par les
auteurs. Le souhait des revues scientifiques
de présenter les articles sous une autre forme que celle soumise par les auteurs entraîne
la réécriture radicale de tout ou partie des articles. Ce n’est que depuis peu que quelquesunes de ces revues exploitent une technologie
dont chaque étudiant dans les années 1990
était pourtant familier pour la tenue d’un site
Internet: le compteur permettant d’estimer le
nombre d’accès [au contenu]. Il n’en demeure pas moins que cette technologie n’a qu’une
vingtaine d’années, fort peu en comparaison
des hyperliens quinquagénaires.
Motivées par la cupidité, les maisons
d’éditions bloquent activement l’accès aux
méthodes de recherche contemporaine comme le »Content-Mining«.
Bien que des commerces en ligne du type
d’Amazon proposent depuis plus d’une décennie des produits liés aux produits déjà
achetés par le client, il ne se trouve que dans
des cadres très resserrés – principalement des
projets pilote – des technologies comparables
pour les articles scientifiques. Il n’existe aucune possibilité scientifique d’évaluation. Les
facteurs d’impact auxquels il est si souvent
fait référence sont approximativement aussi
scientifiques que la radiesthésie ou l’usage du
pendule.
Le bibliothécaire qui apporte son expertise
se trouve au cœur de la forme traditionnelle de la formation des usagers (c’est la forme dite de »teaching library«). Au mieux, les
participants à la formation ont l’opportunité
de mémoriser ce savoir en s’exerçant. Le contre-modèle de cette démarche s’impose dans
le concept de »learning library«, selon lequel
les participants prennent une part active à
l’apprentissage de ce que sont la bibliothèque
et ses ressources par des cahiers pédagogiques
préalablement élaborés. Le bibliothécaire en
charge de la formation se borne à initier et
coordonner le processus d’apprentissage. Sa
mission se définit en tant que partenaire soutenant les participants dans leur découverte
et qui apprend d’eux de quelle manière ils appréhendent les offres de la bibliothèque.
Malgré les développements positifs de la
capitalisation et d’une plus forte inclusion des
participants à la formation, la »learning library« n’est toujours pas un concept de formation, prenant comme base l’apprentissage individuel des utilisateurs. Dans le compte-rendu
qu’elle dresse, Gabriele Leschke présente la
manière selon laquelle la Bibliothèque de sciences sociales et d’études d’Europe orientale
de la Freie Universität de Berlin est parvenue
à développer ce modèle fondé sur l’usager
grâce à l’utilisation d’outils numériques gratuits:
»Différemment à la ›learning library‹ qui se
limite à susciter la curiosité et le doute, nous
souhaitons partager la connaissance et intitulons volontairement notre enseignement ›apprentissage de l’usager‹. Ce que nous abandonnons au profit de l’apprentissage centré
sur l’usager, c’est le geste de l’enseignant
dans l’enseignement traditionnel, qui place
l’usager dans un rôle passif. Dans le cadre de notre méthode, tous les participants
sont actifs au cours de l’apprentissage. Par
l’introduction d’outils Internet séduisants,
leur attention pour les informations données
s’en voit accrue. En ce qui concerne la qualité
des résultats obtenus, la responsabilité en revient pleinement aux participants.«
Alors que l’analyse dite »Portfolio« des ouvrages pratiques a été à maintes reprises un sujet à controverse dans les précédents numéros
de BuB, elle a été introduite entre temps avec
succès à la bibliothèque municipale de Traunstein comme outil d’accompagnement d’un
vaste désherbage des collections spécialisées. Dans son article, Tanja Fecht souligne les
avantages de l’analyse »Portfolio« pour des
projets de ce type et expose la manière dont
elle s’en est servie.
La diminution de fonds documentaires
non utilisés constitue une étape importante
pour disposer d’espaces supplémentaires destinés à d’autres projets et pour contribuer à
l’introduction d’une nouvelle offre de services
au sein de la bibliothèque publique. C’est la
raison pour laquelle la bibliothèque municipale de Traunstein a décidé de procéder à l’étude
de ses fonds spécialisés dans le cadre d’un
mémoire de bachelor. L’objectif de ce projet
était de ramener les collections de 13 500 unités documentaires à 10 000 et de consacrer
l’espace ainsi gagné à la création d’une offre
destinée aux enfants et aux adolescents.
Conjointement à un vaste désherbage
bâti sur la base de ratios, certains aspects de
l’optimisation des collections, comme par exemple le cadre général de l’opération, doivent avoir tout autant un rôle central: les collections qui présentent un intérêt particulier
pour des groupes de lecteurs de la bibliothèque sont tout particulièrement évalués, c’està-dire qu’elles font l’objet de propositions
formulées indépendamment de l’ambition de
réduction des collections. Globalement, en
toile de fond, ce n’est pas la seule refonte des
collections qui prévaut mais bien plus l’usage
et l’usager avec une volonté de parvenir à des
collections davantage en adéquation et mieux conservées.
L’analyse des collections »Portfolio« pour
les collections spécialisées a permis de considérer la situation actuelle des fonds et
d’estimer, en respectant les ratios des années
passées, l’évolution probable. En considération de ce qu’est la bibliothèque, et en prenant
en compte des groupes-cible d’usagers, des
recommandations de bonnes pratiques ont
été développées, ce à quoi s’est ajouté, au regard du resserrement et de l’optimisation des
collections, l’établissement de valeurs de référence.
Traduit par David-Georges Picard
BuB | 66 (2014) 10