Lesesaal Inhalt || BuB BuB Foyer Politik Bibliotheken nicht ausreichend berücksichtigt / Stellungnahme des dbv-Landesverbands Schleswig-Holstein zum Konzept »Kulturperspektiven für SchleswigHolstein« _________________________ 660 Bau Philologicum als attraktiver und moderner Lernort / Nach Architektenwettbewerb können Planungen für neue Fachbibliothek der Universitätsbibliothek München beginnen (André SchüllerZwierlein) _________________________ 661 Öffentliche Bibliothek Beziehungspflege mit ruhiger Hand und langem Atem / Erstes Arbeitstreffen der Bibliotheks-Freundeskreise in NRW (Ronald Schneider)__________________ 663 73 neue Bündnisse für die lokale Leseförderung / Nachhaltige Vernetzung – Weitere Ausschreibungstermine _______ 664 Von Auswanderung, Friedhofsregistern, Kirchenbüchern und anderen Quellen / Ahnenforschung im Informationszentrum der Stadt- und Regionalbibliothek Gera (Lilia Uslowa) ____________ 666 Wenn die Bibliothek ins Klassenzimmer kommt / Das Angebot »BibliothekMobil« der Stadtbibliothek Berlin-Mitte stößt auf großes Interesse (Sarah Wildeisen) __ 667 Eine Jubilarin feiert doppelt / Stadtbücherei Suhl wird 110 Jahre alt – »Suhler Lesewürfel« gibt es seit 10 Jahren (Christina Kummer-Bolz) _____________ 668 Lernen macht Spaß und bereichert das Leben / Buntes Programm beim ersten Bayreuther Lernfest – Viele Kooperationspartner (Claudia Dostler) _____________ 669 Fahrbücherei Mit großer Unterstützung aus der Sparliste gefahren / Flensburg hat einen neuen Bücherbus – 80 000 Euro spenden eingeworben (Petra Herzig) __________ 670 Karriere Abschied von einem »Local Hero« / Ende Oktober geht Ulrich Moeske als Direktor der Stadt- und Landesbibliothek Dortmund in den Ruhestand (Jan-Pieter Barbian) _________________ 672 Ausbildung Bau Mehr als 1 600 FaMI-Auszubildende im Öffentlichen Dienst / Jahrestagung der Zuständigen Stellen für den Ausbildungsberuf in Hamburg – Teilweise bereits Mangel an Nachwuchskräften (Karin Holste-Flinspach) _____________ 675 Mit doppelter Fläche an prominentem Standort / Die Stadtbücherei Kornwestheim ist Teil des neuen Kultur- und Kongresszentrums – Besuchermagnet in der Stadtmitte (Sabine Stemmler) ______ 704 Nachrichten _______________________ 677 Auszeichnung für Gemeindebibliothek Grünwald _____________________ 678 Termine ___________________________ 679 Ausschreibung: Call for Papers zum Innovationsforum 2015______________ 679 Symposium: HdM weiht neues Gebäude mit Fachsymposium ein ______ 680 4. DGI-Praxistage: Compliance in der Unternehmenspraxis _____________ 681 Markt ____________________________ 683 Gutes Umsatzergebnis und viele neue Ideen / ekz-Gruppe gestaltet gemeinsam mit ihren Kunden die Bibliotheksrollen der Zukunft _________ 684 BuB | 66 (2014) 10 Praxis Von der »Learning Library« zum nutzerzentrierten Lernen / Ein Praxisbericht aus der Bibliothek für Sozialwissenschaften und Osteuropastudien der Freien Universität Berlin (Gabriele Leschke) __________________ 710 Grenzüberschreitendes Lernen / Das europäische Partnerprojekt »Crosswise Learning« – Stadt- und Regionalbibliothek Erfurt profitiert (Julia Borries) ______________________ 713 Deakquisition des Sachbuchbereichs mithilfe der Portfolio-Analyse / Praktische Tipps aus der Stadtbücherei Traunstein für die Handhabung eines komplexen Instruments (Tanja Fecht)___ 717 Lesesaal SCHWERPUNKT: Social Reading Gemeinsames Leseglück statt einsamer Lektüre / Social Reading bietet interessante Ansatzpunkte für Bibliotheken – Hemmschwelle für Auseinandersetzung mit Literatur sinkt (Bernd Schmid-Ruhe) _______________ 685 Mit Senioren oder für den Deutschunterricht / Social Reading birgt Potenzial für die Bibliotheksarbeit – Überlegungen aus einem studentischen Seminar (Tom Becker) _______________ 689 Sind Wissenschaftler überhaupt sozial? / Ein kritischer Blick auf die Wissenschaftskommunikation im digitalen Zeitalter: Impact Factor statt sozialer Technologien (Björn Brembs) _____________________ 694 Magazin Fachliteratur Jürgen Babendreier: Nationalsozialismus und bibliothekarische Erinnerungskultur (Peter Vodosek) ____________________ 720 Sanford Berman: Not in My Library!: »Berman’s Bag«; Columns from The Unabashed Librarian, 2000 – 2013 (Oliver Dienelt)_____________________ 722 Neue Fachliteratur __________________ 721 Aus dem Berufsverband Große Vorteile – aber noch größere Vorbehalte / Social Reading als Plattform des wissenschaftlichen Austauschs (Hanna Weber) ___________________________ 697 Aus den Landesgruppen: Open Access und Urheberrecht (Saarland) –Service: Mitgliedernachrichten – VorgeMERKT _______ 723 Frankfurter Buchmesse Editorial __________________________ 660 Lyrik rechnet sich nicht – bietet aber Lebensqualität / Gedichte als Herausforderung für Öffentliche Bibliotheken (Dirk Wissen) ______________________ 698 Impressum ________________________ 716 Tagung Chansons, Champagner und neue Chancen für Bibliotheken / Zu Gast beim französischen Bibliothekskongress in Paris – 100 Vorträge und 800 Besucher (Christelle Lazarevic, Petra Staab) ______ 674 »Kulturdurchbruch« in Siegburg spricht alle Sinne an / Stadtbibliothek und Stadtmuseum fusionieren zum Kulturhaus – Erfolgreiche Wochenendöffnung (Christiane Bonse) __________________ 706 Summary · Résumé _________________ 725 Stellenmarkt _______________________ 727 659 659 660 BuB | Foyer Politik Politik Editorial Lesen bringt Lebensqualität Lesen ist die Schlüsselkompetenz und Voraussetzung für beruflichen Erfolg und gesellschaftliche Teilhabe. Dies belegt der aktuelle internationale Bildungsbericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) einmal mehr auf eindrucksvolle Weise: Er identifiziert Lesekompetenz nicht zuletzt als entscheidenden Faktor für Beschäftigung und Einkommen. Die konkreten Ergebnisse der Studie zeigen, dass das Risiko der Arbeitslosigkeit mit einem Mangel an Lesekompetenz steigt – selbst bei vergleichbarem Bildungsniveau. Dasselbe gilt für das Einkommen: Im Durchschnitt verdient ein Erwachsener mit Hochschulabschluss und ausgeprägter Lesekompetenz rund 45 Prozent mehr als ein Erwachsener mit ähnlichem Bildungsstand, aber nur schwacher Lesekompetenz. Mangelnde Lesekompetenz hat freilich schon vor dem Erwerbsleben gravierende Auswirkungen. Für Kinder und Jugendliche wird der Zugang zu Bildung und damit auch zu Ausbildungsplätzen massiv erschwert. Hinzu kommt: Die Wahrscheinlichkeit einer hohen Qualifikation hängt in Deutschland nach wie vor stark vom familiären Hintergrund ab. Niedrigschwellige und breitenwirksame Leseförderungsangebote sind deshalb wichtiger denn je. Sie bieten Kindern eine Basis für Chancengleichheit und eröffnen Zugänge zu Lesen und Bildung. Im Bereich Leseförderung sind Bibliotheken die zentralen Einrichtungen in Deutschland. Sie arbeiten professionell, flächendeckend und mit anerkannten Kooperationspartnern wie der Stiftung Lesen. Das Angebot ihrer Lesefördermaßnahmen ist bunt und phantasievoll und passt sich immer wieder an Veränderungen an. Ein Beispiel ist auf Seite 667 zu finden. Dort besucht die Stadtbibliothek Berlin-Mitte mit ihrem Programm »BibliothekMobil« Berliner Schulklassen und gestaltet den Unterricht mit. Ganz neue Möglichkeiten der Leseförderung für alle Altersstufen bietet das sogenannte Social Reading, der Online-Austausch über Bücher, dem BuB den Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe widmet. Die Autoren, die sich intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt haben, kommen zum eindeutigen Schluss: »Social Reading birgt Potenzial für Bibliotheken«. Inwiefern, das erläutern sie ab Seite 685. Und noch ein BuB-Beitrag beschäftigt sich mit dem Thema Lesen: Gedichte als Herausforderung für Öffentliche Bibliotheken auf Seite 698. Gehört Lyrik in die Bibliothek, auch wenn sie kaum ausgeliehen wird? Autor Dirk Wissen wägt die Vor- und Nachteile sorgfältig ab und kommt zum Ergebnis: »Lyrik rechnet sich nicht – bietet aber Lebensqualität«. Wer nach der BuB-Lektüre noch mehr Lust auf das Thema Lesen hat, sollte sich zur Frankfurter Buchmesse aufmachen, die vom 8. bis 12. Oktober stattfindet und auch in diesem Jahr zeigen wird: Das gedruckte Buch steht beim Lesen längst nicht mehr im Vordergrund, auf dem Vormarsch sind weiter digitale Leseangebote. Unbedingt empfehlenswert ist für Bibliothekare, die bereits zu den ruhigeren Fachbesuchertagen von Mittwoch bis Freitag Zugang haben, ein Besuch im Internationalen Bibliothekszentrum (ILC) in Halle 4.2. Dort ist auch der Stand des Berufsverbandes Information Bibliothek (BIB) zu finden. BIB-Mitglieder erhalten übrigens einen 30-prozentigen Rabatt auf die Eintrittsgebühr. Weitere Informationen dazu unter: www.bib-info.de/verband/ projekte/frankfurter-buchmesse/buch messe-2014.html Bernd Schleh (BuB-Redakteur) Bibliotheken nicht ausreichend berücksichtigt Stellungnahme des dbv-Landesverbands Schleswig-Holstein zum Konzept »Kulturperspektiven für Schleswig-Holstein« Der Landesverband SchleswigHolstein im Deutschen Bibliotheksverband (dbv) begrüßt die erstmalige Erstellung eines Kulturkonzepts für SchleswigHolstein. Für eine produktive, zukunftsfähige Zusammenarbeit verschiedener Kultur- und Bildungseinrichtungen sind die »Kulturperspektiven für Schleswig-Holstein« ein wertvoller Wegweiser. Die Lage und Bedeutung der Öffentlichen Bibliotheken Schleswig-Holsteins sind darin allerdings trotz mehrmaligen Hinweises nicht genügend berücksichtigt. Ausdrücklich zu befürworten an den »Kulturperspektiven« ist, dass die Bibliotheken im Konzept wiederholt als wichtige Bildungseinrichtung aufgezählt werden. Ihre Bedeutung wird also grundlegend anerkannt. Doch werden im Papier keine Aussagen dazu getroffen, wie die Arbeit der Büchereien auf Dauer gesichert und weiterentwickelt werden kann. Im Abschlussbericht der Enquete-Kommission des deutschen Bundestages »Kultur in Deutschland« wurde darauf hingewiesen, dass das Betreiben von Bibliotheken zu einer »Pflichtaufgabe« für Kommunen werden muss, die in einem Bibliotheksgesetz festzuhalten sei. Im Koalitionsvertrag hat sich die schleswig-holsteinische Landesregierung dazu verpflichtet, in der ersten Hälfte der Legislaturperiode einen Entwurf eines Bibliotheksgesetzes einzubringen, mit dem die Förderung der Büchereien und wissenschaftlichen Bibliotheken im Land und deren Arbeit erstmals auf eine eigenständige, solide Grundlage gestellt werden. Dies findet sich im Kulturkonzept für Schleswig-Holstein nicht wieder. Auf dieses gravierende Defizit weist der Bibliothekenverband in Schleswig-Holstein nachdrücklich hin. Solange das Vorhalten von Bibliotheken als freiwillige Aufgabe aufgefasst wird, müssen diese wichtigen Kultur- und Bildungseinrichtungen um ihre Existenz bangen. An eine zeitgemäße Entwicklung oder gar langfristige Planung ist nicht zu denken. Um ihrer gesellschaftlichen Rolle mit vielfältigen Funktionen in den Bereichen Bildung, Kultur und soziale Aufgaben gerecht zu werden, sind aber eine Perspektive und Planungssicherheit unerlässlich. Deshalb hofft der dbv-Landesverband sehr, dass der Koalitionsvertrag eingehalten wird und ein erster Gesetzesentwurf, wie darin versprochen, bis Ende des Jahres vorliegen wird. Teilhabe an Kultur und Bildung Ebenfalls betont der Landesverband, dass die Büchereien bei den Knotenpunkten eine entscheidende Rolle einnehmen könnten und sollten. Die Struktur des Büchereiwesens prädestiniert die Öffentlichen Bibliotheken im Land dazu. Oberstes Ziel des Konzeptpapiers ist es, die Teilhabe der gesamten Bevölkerung auch an Kultur und kultureller Bildung zu ermöglichen. Büchereien tun dies bereits in vielfältiger Weise. Sie sind niedrigschwellige Einrichtungen – sowohl was die geografische als auch die finanzielle Zugänglichkeit anbelangt. Büchereien bieten Medien, Informationen, Räume und Beratung. Sie zählen etwa sieben Millionen Besuche pro Jahr in BuB | 66 (2014) 10 Bau Schleswig-Holstein – und das auch von Menschen mit Migrationshintergrund und aus bildungsfernen Familien. Die Büchereien sind im ganzen Land vor Ort, sie sind bekannt und sie sind vernetzt. In gewisser Weise sind sie bereits kulturelle Knotenpunkte. Warum werden diese Strukturen nicht genutzt für die Umsetzung der »Kulturperspektiven für SchleswigHolstein« und Bibliotheken zu lokalen Kulturvernetzungszentren erweitert, wie es im Ausland schon so beispielhaft geschieht? Die Büchereien stehen den kulturpolitischen Herausforderungen aufgeschlossen gegenüber. Zunächst gilt es allerdings, die vorhandenen Büchereien zu schützen und durch ein Bibliotheksgesetz zu verhindern, dass Büchereien gerade im ländlichen Raum, wo Angebote der kulturellen Bildung viel zu selten sind, aufgrund von Etatkürzungen handlungs-, betriebs- und zukunftsunfähig werden. dbv Mitglieder des BIB werden gebeten, alle Änderungen ihrer personenbezogenen Angaben, insbesondere des Namens, der Anschrift und der Beitragsgruppe, nicht dem Verlag von BuB, sondern der Geschäftsstelle des BIB mitzuteilen. BIB-Geschäftsstelle Postfach 13 24 72703 Reutlingen Telefon 0 71 21/34 91-0 Telefax 0 71 21/34 91 34 [email protected] www.bib-info.de BuB | 66 (2014) 10 Der Architektenentwurf setzt in das historische Gebäude einen Bibliothekskern ein, der durch eine neue Fassade zum Innenhof hin abschließt. Foto: Architekten Fink Thurnher Bau Philologicum als attraktiver und moderner Lernort Nach Architektenwettbewerb können Planungen für neue Fachbibliothek der Universitätsbibliothek der LMU München beginnen »Die Ampel steht auf Grün!« – mit diesen Worten hat der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer den Bauplanungsprozess für die größte Fachbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) bereits im April 2013 in Gang gesetzt. »Das lange erhoffte Philologicum«, so LMUPräsident Bernd Huber, »wird sowohl die Arbeits- als auch die Studienbedingungen für unsere Geisteswissenschaften deutlich verbessern.« Ein gutes Jahr nach diesem offiziellen Startschuss konnte im Juni 2014 der Architektenwettbewerb abgeschlossen werden: Der Siegerentwurf stammt von den Bregenzer Büros Fink Thurnher und Cukrowicz Nachbaur – letztere haben unter anderem mit dem beeindruckenden Bau des Vorarlberg Museums Bregenz überregional Schlagzeilen gemacht. Neuer Standort des Philologicums wird das Gebäude Ludwigstraße 25 sein, das 1833 bis 1835 in der Ära Ludwigs I. von Friedrich von Gärtner erbaut wurde und ein wesentlicher Bestandteil einer der bedeutendsten Straßenzüge Münchens ist. Der Entwurf setzt in das historische Gebäude einen neuen Bib- liothekskern ein, der durch eine neue Fassade zum Innenhof hin abschließt. Hier wird sich auch der neue Haupteingang befinden. Innen gliedert sich das Gebäude zukünftig in insgesamt vier Doppelstockwerke: Das Erdgeschoss und die drei Studienebenen bestehen jeweils aus einer zweigeschossigen Hauptebene mit zentraler Galerieebene. Hinzu kommt ein Kellergeschoss mit Anlieferung und Magazin. Der geschossweise geschlossene Schnitt garantiert guten Schallschutz, gleichzeitig ermöglichen die doppelstöckigen Geschosse ein luftiges Raumgefühl. Entsprechend dem Schwerpunkt der Architektenbüros werden größere Teile der Böden und der Ausstattung des Gebäudes in Holz ausgeführt. Der Entwurf besticht insbesondere durch hohe Funktionalität, niedrige Betriebskosten, vielfältige Nutzungsmöglichkeiten und unterschiedliche Raumatmosphären. Jahrzehntelange Bemühungen Den aktuellen Planungen zum Philologicum gingen jahrzehntelange Bemühungen voraus: Schon in den 1980er-Jahren war in den sprach- und literaturwissenschaftlichen Bibliotheken der LMU eine Erschöpfung der Stellkapazität absehbar. Ende der 1990er wurde deutlich, dass zukünftiger Zuwachs kaum mehr unterzubringen sein würde, und dementsprechend begannen die Diskussionen, wie aus den ehemals mehr als 15 Bibliotheken eine gemeinsame Fachbibliothek geschaffen werden könne. Im Jahre 2002 stellte dann die sprach- und literaturwissenschaftliche Fakultät einen Antrag an die Universitätsleitung auf Errichtung einer Fachbereichsbibliothek, und im gleichen Jahr wurde eine Planungskommission unter Beteiligung der Universitätsbibliothek gegründet. Schließlich wurde am 7. November 2003 der Bauantrag inklusive Raumbedarfsplan an das Ministerium gestellt. Im gleichen Monat begannen seitens der Universitätsbibliothek bereits die ersten Vorbereitungen für die gemeinsame Bibliothek. Hatte Wissenschaftsminister Thomas Goppel im Jahre 2008 das Philologicum noch als »mittelfristige« Planung bezeichnet, reagierte sein Nachfolger Wolfgang Heubisch 2009 bereits sehr positiv auf die Eingabe der Fachschaft Germanistik an den Bayerischen Landtag zur Realisierung des Projekts Philologicum. Im Jahr 2011 wurde dann das Projekt als Leertitel in den Staatshaushalt eingestellt, ebenso für den Doppelhaushalt 2013/14. Nach dem Startschuss des Ministerpräsidenten konnte schließlich 2013 der Planungsauftrag erteilt werden. Gleichzeitig wurde der nun erfolgreich beendete internationale Architektenwettbewerb ausgelobt 662 BuB | Foyer und eine fakultäre Bibliothekskommission gebildet. Das historische Gebäude war nicht von Beginn an Teil der Universität. Nach Fertigstellung des Innenausbaus im Jahre 1837 bezog das Münchner Blindeninstitut den Neubau. Das im Zweiten Weltkrieg nur wenig beschädigte Gebäude beherbergte die Landesblindenanstalt bis zu ihrer Verlegung nach Nymphenburg. In den Jahren 1968 bis 71 wurde es dann durch das Universitätsbauamt völlig entkernt und für Institute und Bibliotheken der LMU innen baulich erneuert. Die historischen Außenwände wurden erhalten und stehen heute unter Denkmalschutz; der zwischen die Eckrisalite eingespannte Mittelteil der Rückseite wurde als moderne Fassade mit vermehrter Geschosszahl neu ausgeführt. In diesem Gebäude werden nun die bislang auf sechs Gebäude verteilten zehn Bibliotheken der Fakultät für Sprachund Literaturwissenschaften Bau – der gemessen an der Zahl ihrer Studierenden größten Fakultät der LMU – zusammengeführt (Fachbibliothek Germanistik und Komparatistik, Slavische Philologie, Finnougristik/Uralistik, Lateinische Philologie des Mittelalters, Klassische Philologie/Vergleichende und Indogermanische Sprachwissenschaft, Englische Philologie, Romanische und Italienische Philologie, Phonetik und Sprachliche Kommunikation, Nordische Philologie, Amerika-Institut). Hiermit verbinden sich eine Reihe zentraler Ziele: die Schaffung einer einheitlichen Fachbibliothek für die sprach- und literaturwissenschaftlichen Fächer und damit die Stärkung der Geisteswissenschaften an der LMU entsprechend ihrer internationalen wissenschaftlichen Bedeutung, die Einrichtung eines attraktiven und modernen Lernortes zur Gewährleistung eines modernen Hochschul- und Bibliotheksbetriebs, die Ausweitung des wissen- Das Gebäude Ludwigstraße 25 – neuer Standort des Philologicums – wurde 1833 bis 1835 in der Ära Ludwigs I. von Friedrich von Gärtner erbaut und ist ein wesentlicher Bestandteil einer der bedeutendsten Straßenzüge Münchens. Foto: UB der LMU München schaftsnahen Dienstleistungsspektrums: Ausbau eines funktional differenzierten Arbeitsplatzangebots, Konzentration des umfassenden Medienbestands, verlängerte Öffnungszeiten, die Beseitigung erheblicher statischer und brandschutztechnischer Mängel, die Verbesserung der Barrierefreiheit sowie die denkmalgerechte Sanierung der historischen Außenwände. Einheitliches Serviceangebot Das Philologicum passt sich hervorragend in die bestehende Wissenschaftsinfrastruktur ein: Aus einer traditionell zersplitterten Struktur heraus baut die Universitätsbibliothek ein modernes Bibliothekssystem mit einem einheitlichen Serviceangebot auf, das neben den zentralen Standorten derzeit zwölf dezentrale Fachbibliotheken umfasst. Die neue Fachbibliothek wird ein integraler Bestandteil dieses Bibliothekssystems sein und die philologischen Medienbestände in zeitgemäßer Form nutzbar machen. Für Nutzerinnen und Nutzer des Philologicums wird der gesamte Ausleihbestand der Zentralbibliothek in die eigene Bibliothek bestellbar und dort ausleihbar sein. Damit etabliert sich die Bibliothek als echtes Fachzentrum und als zentraler Lern-, Arbeits- und Identifikationsort für die Studierenden und Lehrenden der Fakultät. Die Universitätsbibliothek erlebt wie fast alle Bibliotheken trotz Ausweitung des digitalen Angebotes eine ungeminderte, gar gestiegene Nachfrage. Sie wird genutzt als Raum zum Arbeiten, Lernen, Lesen, Kommunizieren, Begegnen und Verweilen. Daraus ergeben sich neue Anforderungen. Für die konzentrierte Einzelarbeit ebenso wie für das Lernen und Austauschen in unterschiedlich großen Gruppen wird ein differenziertes Angebot an Arbeitsplatzsituationen geschaffen – insgesamt etwa 700 Leseplätze. Die Verfügbar- Dr. André SchüllerZwierlein, geboren 1972, hat Anglistik, Romanistik und Publizistik studiert und in Anglistik promoviert. Nach Tätigkeiten beim Handbuch der historischen Buchbestände und bei einem Projekt der Bertelsmann Stiftung absolvierte er von 2001 bis 2003 das Bibliothekreferendariat an der PLB Speyer und der Bibliotheksschule Frankfurt am Main. Seit 2003 arbeitet er an der Universitätsbibliothek der LMU München, zunächst als Fachreferent für Europäische Philologien, seit 2009 als Leiter der Abteilung Dezentrale Bibliotheken. Er ist Stellvertretender Vorsitzender des VDB-Landesverbands Bayern und Herausgeber der interdisziplinären Buchreihe »Age of Access? Grundfragen der Informationsgesellschaft« (de Gruyter). – Kontakt: andre. [email protected] keit von WLAN in der gesamten Bibliothek wird die flexible Nutzung von Notebooks und mobilen Geräten ermöglichen. Die Fachbibliothek wird circa 420 000 Medien anbieten, die fast alle frei zugänglich sein werden. Der Einsatz von RFIDTechnologie im Ausleihbereich wird die Selbstverbuchung der Medien durch die Nutzerinnen und Nutzer ermöglichen. Und schließlich soll die Bibliothek am neuen Standort täglich – auch sonntags – bis in den späten Abend hinein geöffnet werden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universitätsbibliothek der LMU freuen sich darauf, mit der geplanten Eröffnung 2018 die Studierenden und Wissenschaftler der Sprachund Literaturwissenschaften in ihrem neuen Bibliotheksbau begrüßen zu dürfen. André Schüller-Zwierlein BuB | 66 (2014) 10 Foyer | BuB Öffentliche Bibliothek Öffentliche Bibliothek Beziehungspflege mit ruhiger Hand und langem Atem Erstes Arbeitstreffen der Bibliotheks-Freundeskreise in NRW Fast 50 Vertreter von Freundeskreisen, also mehr als ein Drittel der rund 120 Bibliotheks-Freundeskreise in Nordrhein-Westfalen (NRW), trafen sich im Juni in der Stadt- und Landesbibliothek Dortmund, um Erfahrungen auszutauschen und neue Ideen und neue Impulse für ihre Arbeit vor Ort mitzunehmen. Die vom Verband der Bibliotheken Nordrhein-Westfalens und der »Arbeitsgemeinschaft der Freundeskreise im dbv« organisierte Veranstaltung setzte auf einen Mix aus Impulsreferaten, unterschiedlichen Diskussionsforen und durchgängiger Moderation – und lag damit offenbar genau richtig. Für den Gastgeber, die Stadtund Landesbibliothek Dortmund, begrüßte Petra Grübner, stellvertretende Direktorin, die Teilnehmer. Anschließend ging Walter Aden, der Vorsitzende des Freundeskreises der Stadtund Landesbibliothek, in seinem Grußwort auf die aktuelle Situation der Bibliotheken ein und forderte die anwesenden Vertreter der NRW-Freundeskreise auf, sich in die Diskussion um die Zukunft der Bibliotheken aktiv mit einzubringen. Das erste Impulsreferat von Prof. Hartmut Holzmüller von der TU Dortmund über »Marketing-Strategien für Bibliotheken und ihre Unterstützer« führte bereits zu einer lebhaften Diskussion, vorrangig um ungenutzte Potenziale der Marktorientierung und der Kundengewinnung und Kundenbindung. Bibliotheken müssen, so Prof. Holzmüller, für ihre Kunden und für ihre Unterhaltsträger attraktiver werden, und Freundeskreise müssen sich hier als kritische Partner der BibliotheBuB | 66 (2014) 10 ken verstehen und Bibliotheken helfen, sich markt- und kundenorientiert weiterzuentwickeln. Dazu formulierte Prof. Holzmüller strategische Eckpunkte (»Was wollen wir erreichen?«), einen Marketingplan, der nach »Leitidee«, »Zielen« und »Zielgruppen« aufgegliedert ist und – darauf aufbauend – eine Serviceplanung, die Potenziale analysiert, Prozesse der Umsetzung beschreibt und Ergebnisziele festschreibt. Freundeskreise müssen, so Prof. Holzmüller, für ihr Engagement Multiplikatoren gewinnen (»Promis«, »Sympathieträger« in der Kommune), was umso wichtiger ist, als »Promis« in aller Regel nicht zu den regelmäßigen Nutzern der Bibliotheken gehören (anders als zum Beispiel bei Museen oder Theatern). Um erfolgreich Sponsoren einzuwerben – da waren sich alle Teilnehmer einig –, bedürfe es eines persönlichen Netzwerkes, das systematisch auf- und auszubauen sei. Abschließend definierte Prof. Holzmüller Marketing für BibliotheksFreundeskreise als »Beziehungspflege mir ruhiger Hand und langem Atem«. Das zweite, ebenfalls intensiv diskutierte Impulsreferat von Ronald Schneider, dem dbv-Koordinator für die »AG der Freundeskreise«, stellte die »besten Ideen zur Bibliotheksförderung aus dem Wettbewerb zum Freundeskreis des Jahres 2014« vor. Der Referent stellte zunächst die Kriterien der Preisvergabe, die Teilnehmer und die Preisträger des Wettbewerbs vor und dankte dem Sponsor, der Firma datronic, für die Ausstattung des Preises mit 2 000 Euro (die dankenswerter Weise auch schon für 2015 zugesagt sind). ` 663 664 BuB | Foyer Erfolgreiche Strategien Er stellte dann erfolgreiche Strategien bei der Mitgliederwerbung vor sowie bei der Mitgliederaktivierung und der Mitgliederbindung (was beides eng zusammenhängt). Nach der Dortmunder Devise »Erst eine hohe Mitgliedszahl verleiht dem Freundeskreis politisches Gewicht« seien dreistellige Mitgliederzahlen (wie bei den Wettbewerbern) die Pflichtvorgabe, zu erreichen vor allem durch persönliche Ansprache auf Veranstaltungen und ein attraktives, vielseitiges und kommunikatives Jahresprogramm. Beispiele für eine attraktive Ausgestaltung des Jahresprogramms finden sich in dem Tagungsbericht auf der Website der »AG der Freundeskreise«: www.biblio theksverband.de/fachgruppen/ arbeitsgemeinschaft-der-freundeskreise/aktivitaeten/protokol le.html. Bei der politischen Lobbyarbeit gebe es, so Schneider, einen grundlegenden Dissens unter den Wettbewerbern: Sollen Entscheidungsträger wie Politiker in den Vorstand, ja oder nein? Für das Ja sprechen die kurzen Wege der Einflussnahme, für das Nein die Einbindung von Politikern und der Verwaltungsspitze (auch der Bibliotheksleitung!) in die Loyalitätszwänge in Partei wie Verwaltungshierarchie. Dieses Problem wurde in den sich anschließenden Gruppendiskussionen dann weiter vertieft. Beim Thema Sponsoring wurden zwei erfolgreiche Methoden genannt: die projektbezogene Sponsoreneinwerbung und die Professionalisierung der gängigen Bücherflohmärkte durch eine breitgefächerte Akquise (Nachlässe, Remittenden und so weiter) und den regelmäßigem Verkauf in einem Shop (weiterer Vorteil: Aktivierung von Mitgliedern). Bei der organisatorischen und personellen Unterstützung der Bibliothek gebe es schließlich ganz unterschiedliche Wege: die Bereitstellung ehrenamtlicher Helfer, die Betreibung einer Bib- Öffentliche Bibliothek liothek durch den Freundeskreis auf Vertragsbasis, die Finanzierung zusätzlicher Bibliotheksmitarbeiter durch den Freundeskreis (zum Beispiel bei Erweiterung der Öffnungszeiten) oder die Organisation zusätzlicher Service-Angebote (zum Beispiel einen Medien-Bring-Service). Die wichtigsten Ideen und Konzepte aus den beiden Vorträge und der Diskussion wurden von der Moderatorin, Dagmar Callenius-Meuß vom Vorstand der AG der Freundeskreise, auf Flip Charts festgehalten und in den dann folgenden Gruppendiskussionen wieder aufgegriffen und vertieft. Den drei Diskussionsgruppen waren drei unterschiedliche Fragestellungen vorgegeben: 1. Wie gewinne ich (mehr) Mitglieder? 2. Wie gewinne ich Multiplikatoren? 3. Wie gewinne ich Sponsoren? Intensive Diskussionen Die Ergebnisse der intensiv geführten Gruppendiskussionen wurden dann im Plenum vorgestellt und noch einmal in ihrer Wertigkeit und Praktikabilität kritisch durchleuchtet. Das Ergebnis ist ein »Ideenpool« für die praktische Arbeit der Freundeskreise, der in aller Ausführlichkeit ebenso im Tagungsbericht auf der Website der »AG der Freundeskreise« nachlesbar ist. Es bestand am Ende Einmütigkeit, dass diese Tagung den Teilnehmern eine Fülle von Anregungen und Impulsen gebracht habe und darüber hinaus einen Motivationsschub für ihr weiteres Engagement vor Ort. In einem einstimmigen Votum plädierten die Teilnehmer der ersten Arbeitstagung der NRWFreundeskreise nachdrücklich für eine Wiederholung dieses Treffens und einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch. Die Stadt- und Landesbibliothek Dortmund und ihr Freundeskreis signalisierten bereits ihre Bereitschaft, ein zweites Mal Gastgeber der Freundeskreise NRWs zu sein. Dr. Ronald Schneider Öffentliche Bibliothek 73 neue Bündnisse für die lokale Leseförderung Nachhaltige Vernetzung / Weitere Ausschreibungstermine Weitere 73 lokale Bündnisse für Bildung aus 13 Bundesländern haben die Förderungszusage für Aktionen im Rahmen von »Lesen macht stark: Lesen und digitale Medien« erhalten, einem Projekt des Deutschen Bibliotheksverbands (dbv) in Kooperation mit der Stiftung Digitale Chancen. Gemeinsam Kompetenzen bündeln: Bibliotheken setzen auf eine nachhaltige Vernetzung lokaler Einrichtungen und initiierten mit mindestens zwei weiteren Partnern lokale »Bündnisse für Bildung«. Gemeinsam mit Jugend- und Integrationszentren, Stadtteilbüros, Naturschutzvereinen, Medienzentren und vielen anderen Trägern der kulturellen Bildung widmen sie sich bundesweit der Leseförderung mit digitalen Medien und Somit sind seit November 2013 insgesamt 160 Bündnisse in 15 Bundesländern aktiv. etablieren so lokale Partnerschaften und Bildungsnetzwerke. Die Bündnisse werden noch in diesem Jahr erste Aktionen in den Bundesländern BadenWürttemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, SchleswigHolstein und Thüringen durchführen. Somit sind seit November 2013 insgesamt 160 Bündnisse in 15 Bundesländern aktiv. Die neuen »Bündnisse für Bildung« überzeugten eine unabhängige Jury durch die kreati- ve Ausgestaltung der fünf altersgerechten Angebote im Projekt »Lesen macht stark: Lesen und digitale Medien«. Diese richten Ehrenamtliche unterstützen die Bündnispartner vor Ort bei der Leseförderung mit digitalen Medien. sich an bildungsbenachteiligte Kinder und Jugendliche im Alter von 3 bis 18 Jahren. Ehrenamtliche unterstützen die Bündnispartner vor Ort bei der Leseförderung mit digitalen Medien. Die Stiftung Digitale Chancen führt hierzu eine bundesweite, für die Teilnehmenden kostenlose Qualifizierungskampagne im Umgang mit neuen Medien durch. Detaillierte Informationen zum Projekt sowie weitere Ausschreibungstermine für das auf fünf Jahre angelegte Programm gibt es unter www.lesen-unddigitale-medien.de. dbv Viele Wege führen zu BuB Forum Bibliothek und Information Gartenstraße 18 72764 Reutlingen Postfach 13 24 72703 Reutlingen Telefon 0 71 21/34 91-0 Telefax 0 71 21/34 91 34 E-Mail [email protected] Internet www.b-u-b.de BuB | 66 (2014) 10 666 BuB | Foyer Öffentliche Bibliothek Öffentliche Bibliothek mit dem entsprechenden Nachschlagewerk, mit Wörterbuch und Landkarten bei der individuellen Orts- und Sprachforschung zu helfen (besonders bei Forschung in den ehemaligen deutschen Ostgebieten und Siedlungsregionen); Ahnenforschung im Informationszentrum mit Fachliteratur zur Familiengeschichtsforschung und der Stadt- und Regionalbibliothek Gera Hilfsmitteln zum Quellenstudium; Es ist eher ungewöhnlich und Grundstücksverzeichnisse und Zusammenarbeit mit andeselten, dass Genealogen das so weiter) und die eigenen Vor- ren Institutionen (Archive, Kirbreite Spektrum der Recherche- stellungen von Sachverhalten, möglichkeiten einer Stadt- und die das Familienleben im Lauf Regionalbibliothek kennen der Geschichte entweder rekonIn Gesprächsrunden oder und für ihre Forschung nutzen. struieren oder geprägt haben bei persönlichen Treffen in Die Bibliotheken als Dienstsollen. der Bibliothek werden diese leistungseinrichtungen sind Themen auf regionaler für Ahnenforscher, vor allem Zeitraubende Arbeit Ebene, sprich Ostthüringen, mit Informationssammlungen, erforscht, Ergebnisse ausgeAdressbüchern und historischer Bei den thematischen Rechertauscht und ausgewertet. Karten, unabdingbar. chen kann eine Bibliothek der Familienforschung mit ihren Die Suche nach den eigenen ungeahnten Möglichkeiten, chenarchive, Zentralstelle für Wurzeln und Vorfahren bedeu- nicht nur mit Fachliteratur, viel- Genealogie, Bibliotheken, Getet nicht nur private Recherche seitig helfen. nealogische Forschungsstellen in Archiven und im Internet, Ein Beispiel für die ausge- der Mormonen und anderes) sondern auch Kontaktaufnahme zeichnet funktionierende Sym- Kontaktaufnahme mit andezu anderen Genealogen, Hei- biose zwischen Genealogen und ren Familienforschern; matforschern oder Forschungs- Bibliothek ist das Projekt »Ah- Erfahrungsaustausch in Gegruppen. nenforschung in der Bibliothek«, sprächsrunden oder individuelle Die moderne Bibliothek seit 2008 in Gera. Das Ziel des Beratung. erleichtert die Informations- Projekts ist, den FamilienforDie Vorstellung, dass Archivbeschaffung, koordiniert die güter (Adressbücher, LokalzeiForschungsarbeit und den Austungen, Ortsfamilienbücher), tausch von Daten. In dieser Gedie sich in einer Bibliothek beEine enorm große Herausdankenfolge versteht sich die forderung an den Familien- finden, kirchliche Unterlagen Bibliothek als eine »Drehscheibe (Kirchenbücher) oder Personenforscher stellt die Suche in der genealogischen Forschung«, den ehemaligen deutschen standsregister ersetzen können, die im etwas übertragenen Sin- Ostgebieten und den frühe- ist falsch. Als Arbeitsexemplare ne, als historische Methode ansind Kirchenbuch- und Persoren deutschen Siedlungsgewendet wird. nenstandsregisterverzeichnisse gebieten in Ost- und SüdIm Mittelpunkt steht die hisvorhanden, in denen nach dem osteuropa dar. torische Genese einer Familie Verbleib des bestimmten Archivguts recherchiert werden kann. (muss nicht immer die eigene Hierzu tragen nicht zuletzt die Familie sein), aber wenn die Beschreibung der Zusammenhän- scher bei seiner mühevollen und Digitalisierung der Archivbegen über die Darstellung der Ab- zeitraubenden Arbeit vielseitig stände und die Internetrecherche bei, welche der Genealogie stammung geht, redet man von zu unterstützen: bei Zusammenstellung und in ihrer Vielseitigkeit und Breite Familiengeschichtsforschung. Dabei werden die Recherche in Bearbeitung von Familiendaten unwahrscheinlich große Mögder Bibliothek und die Proble- (Fachliteratur, CD-ROM und lichkeiten eröffnet haben. matik individuell bearbeitet und anderes); Selbstverständlich sind in die Arbeit in allen Richtungen, durch Fernleihe, wenn mög- diesem Fall die Mitarbeit und sprich Zusammenarbeit mit an- lich, Benutzergebühren, Kopier- die Hilfe einer Bibliothek underen Institutionen, gesteuert. kosten oder Reisekosten sparen; entbehrlich. Besonders bei FraIm Vordergrund der Forschung Unterstützung bei Schwie- gen wie »An welche Adressen stehen verschiedene Quellen rigkeiten mit der Frakturschrift kann ich mich wenden, welchen (Kirchenbücher, Steuerlisten, oder beim Lesen der alten deut- Internetseiten kann ich trauen Friedhofsregister, Grabregister, schen Schreibschrift (Sütterlin- oder in welchen Internetportalen suchen?« ist die indiviAdressbücher, Bürgerbücher, schrift); Von Auswanderung, Friedhofsregistern, Kirchenbüchern und anderen Quellen duelle Beratung von großem Nutzen. Eine enorm große Herausforderung an die Familienforscher stellt die Suche in den ehemaligen deutschen Ostgebieten und den früheren deutschen Siedlungsgebieten in Ost- und Südosteuropa dar. Sie müssen mit Sprachproblemen, oftmals mit Unfreundlichkeit der Einheimischen (nicht selten werden Rückübertragungsansprüche vermutet), Entfernungen (hohe Reisekosten) und nicht zuletzt mit »Kriegsverlusten« (Unterlagen, die während des Krieges verlorengegangen sind) rechnen. Ein weiteres Kapitel sind die Migration und die Auswanderung. In Gesprächsrunden oder bei persönlichen Treffen in der Bibliothek werden diese Themen auf regionaler Ebene, sprich Ostthüringen, erforscht, Ergebnisse ausgetauscht und ausgewertet. Fazit Durch das Projekt »Ahnenforschung in der Bibliothek« und das Engagement der Mitarbeiter der Stadt- und Regionalbibliothek ist es schon längst bewiesen, dass das breite Spektrum der Recherchemöglichkeiten einer Bibliothek und die individuelle Betreuung die Arbeit des Ahnenforschers sehr erleichtern und unterstützen. Die Bibliotheken sind vor allem mit Quellen- und Die Bibliotheken sind vor allem mit Quellen- und Nachschlagewerkssammlungen für die Familienforschung von großer Bedeutung. Nachschlagewerkssammlungen für die Familienforschung von großer Bedeutung. Sie ermöglichen die Kontaktaufnahme zu anderen Personen, Forschungsgruppen und koordinieren den Austausch von Daten. Dr. Lilia Uslowa BuB | 66 (2014) 10 Foyer | BuB Öffentliche Bibliothek Öffentliche Bibliothek Danach arbeiten jeweils vier bis fünf Schüler zusammen, um Aufgaben zu lösen. Fragen wie »Wie und wo lernten Jungen im alten Ägypten lesen und schreiben?« lassen sich nur lösen, wenn man in den von Birgit Thomsmeier aus ihrem Rollkoffer hervorgeholten Büchern die richtige Seite findet und den Text liest. Dazu müssen die Kinder im InDas Angebot »BibliothekMobil« der Stadtbib- haltsverzeichnis oder Register liothek Berlin-Mitte stößt suchen und lernen, wozu ein Glossar nützlich ist. Nachdem auf großes Interesse die Aufgaben von allen Gruppen gelöst wurden, stellen die BibliothekMobil heißt das Schüler ihre Ergebnisse vor. Wenn die Bibliothek ins Klassenzimmer kommt Angebot der Stadtbibliothek Berlin-Mitte, bei dem Mitarbeiterinnen der Bibliothek in die Grundschulklassen kommen und 90 Minuten Unterricht gestalten. Schülerinnen und Schüler lernen dabei auf spielerische Weise, wie man Sachbüchern Informationen entlockt und was es mit Inhaltsverzeichnissen, Registern und Glossaren auf sich hat. Es ist kurz vor acht Uhr morgens: Birgit Thomsmeier rattert mit ihrem Rollkoffer den Flur der Gesundbrunnen-Grundschule in Berlin Wedding entlang. Entgegenkommende Schülerinnen fragen aufgeregt: »Kommen Sie zu uns? Gibt es heute Rätsel?« Die Schüler wissen: Wenn Frau Thomsmeier von der Bibliothek am Luisenbad kommt, findet kein normaler Unterricht statt. Heute ist sie von der Lehrerin einer altersgemischten Klasse zum Thema »Gestern + Heute« eingeladen. »Wenn ich das erste Mal in einer Klasse bin, frage ich die Kinder, ob sie schon mal in der Bibliothek waren, einen Ausweis haben oder den Bücherbus kennen«, erklärt Thomsmeier. Die Dritt- und Viertklässler, die sie heute besucht, wissen schon Bescheid über die Bibliothek, viele von ihnen sieht sie dort nachmittags sitzen. Um über die Vergangenheit zu informieren, hat Thomsmeier eine Klassenordnung von vor 100 Jahren mitgebracht. Sie bittet die Schüler, alles so zu machen, wie sie es ihnen vorliest, was zur Erheiterung beiträgt. BuB | 66 (2014) 10 Abwechlsung im Klassenzimmer Dass die Schüler BibliothekMobil nicht als Unterricht wahrnehmen, liegt zum einen daran, dass eine außerschulische Person im Schulalltag einfach eine Abwechslung darstellt. Zum anderen sind Ulrike Wahlich und Birgit Thomsmeier sehr zugewandte und präsente Persönlichkeiten. Keine Nebensächlichkeit, denn das erleichert nicht nur den Kontakt zu Lehrern und Schülern, es erzeugt auch ein lebendiges und sympathisches Bild von Bibliotheken. Die Idee, mobile Bibliotheksarbeit anzubieten, entstand, da einerseits die Nachfrage nach Bibliothekseinführungen der Klassen 1 bis 3 zu groß wurde, während andererseits den Klassen 4 bis 6 durch die Umstellung der Schulen auf den Ganztagsbetrieb kaum Zeit für Ausflüge blieben. Die Museumspädagogin Ulrike Wahlich und die Bibliotheksleiterin Heidrun Hübner-Gepp entwickelten zunächst einen Prototyp zur mobilen Bibliotheksarbeit. Obwohl der Bezirk mit drei Bücherbussen fast jede Grundschule alle ein bis zwei Wochen anfährt und zwischen einigen Schulbibliotheken und der Bibliothek Kooperationsvereinbarungen bestehen, wurde deutlich: Lehrer begrüßten die Idee, dass jemand von der Bibliothek zu ihnen in die Klasse kommt und den Kindern etwas über Bibliotheken und Medien vermittelt. Die mobile Bibliothek auf dem Weg ins Klassenzimmer: Für die Schüler ist der Besuch eine willkommene Abwechslung. Foto: Stadtbibliothek Berlin-Mitte Seit Januar 2013 wird BibliothekMobil mit Unterstützung aus Mitteln des EFREProgramms »Bibliotheken im Stadtteil« gefördert und richtet sich an Grundschulen und Kindertagesstätten im »Aktions- raumplus« Wedding/Moabit. Wedding und Moabit befinden sich im 333 000 Einwohner starken Bezirk Mitte – dem Bezirk der Gegensätze unter den zwölf Berliner Bezirken. Auf der einen Seite ist Mitte der zentrale Be- 667 668 BuB | Foyer zirk Berlins, der das Regierungsviertel, die Museumsinsel und das Brandenburger Tor beherbergt, aber auch der Bezirk, in dem mehr als jedes zweite Kind von ALG II lebt. Hier leben berlinweit die meisten Menschen nichtdeutscher Herkunftssprachen, nämlich 45,8 Prozent. Innerhalb des Bezirks ist deren Verteilung jedoch äußerst heterogen: Während im Umfeld der Bezirkszentralbibliothek Philipp-Schaeffer 8,2 Prozent der Kinder ALGII beziehen, sind es im Umfeld der Bibliothek am Luisenbad 68,2 Prozent. Dass BibliothekMobil hier von den Schulen gut angenommen wird, ist deshalb besonders erfreulich, denn so erreicht die Bibliothek gerade die Kinder, die vom Angebot der Bibliothek besonders profitieren können. In ihrem früheren Beruf war Birgit Thomsmeier im Marketing tätig, ein Beruf, der wenig Ähnlichkeiten mit ihrer jetztigen Tätigkeit hat. »Es ist so, als sei ich im Außendienst tätig«, sagt Thomsmeier und lacht. Wenn sie von ihren Begegnungen vor Ort in den Schulen erzählt, wird einem bewusst, dass es eine bessere Werbung für die Öffentlichen Bibliotheken als eine persönliche vor Ort kaum geben kann. »Dass die Leute ein verschrobenes Bild von Bibliotheken haben, liegt daran, dass viele gar nicht in Bibliotheken gehen. Das zeigt, wie wichtig es ist, dass die Bibliotheken nach außen gehen«, erklärt Heidrun Hübner-Gepp, die Leiterin der Bibliothek am Luisenbad. Einen weiteren Vorteil hat die mobile Bibliotheksarbeit für die Bibliotheken am Standort: Nachdem die Mitarbeiterinnen von BibliothekMobil die Klassen in den Schulen besucht haben, bekommen Lehrer wieder Mut und fragen: »Können wir mit unserer Klasse eigentlich mal die Bibliothek besuchen kommen? Für eine Führung oder so?« Davon profitieren am Ende beide Seiten. Sarah Wildeisen, Stadtbibliothek Berlin-Mitte Öffentliche Bibliothek Öffentliche Bibliothek Eine Jubilarin feiert doppelt Stadtbücherei Suhl wird 110 Jahre alt / »Suhler Lesewürfel« gibt es seit 10 Jahren In der Woche vom 31. Mai bis 6. Juni hat es in der Stadtbücherei Suhl allen Grund zum Feiern gegeben. In dieser Zeit veranstaltete die Bibliothek eine Festwoche anlässlich ihres Doppeljubiläums: 110 Jahre Stadtbücherei Suhl und 10 Jahre »Suhler Lesewürfel«. Die im Jahr 1904 vom Gewerbeverein gegründete Städtische Volksbücherei besaß bereits einen stattlichen Bestand: circa 1 000 Bände schöngeistiger und Sachliteratur. In den 110 Jahren ihres Bestehens durchlebte die Bücherei Höhen und Tiefen. Sie öffnete in diesen Jahrzehnten nicht nur an acht verschiedenen Standorten ihre Türen. Auch die Funktionen und der Status der Bibliothek änderten sich im Wandel der Zeit; von der Städtischen Volksbücherei über Bezirksbibliothek, Stadt- und Bezirksbibliothek, Wissenschaftliche Allgemeinbibliothek des Bezirkes gung der städtischen Bibliothek zu lösen. Einen besonderen Höhepunkt seit der Existenz der Bücherei war die Realisierung der Idee eines Neubaus mit der Grundsteinlegung der Bibliothek im August 2002 bis zur Neueröffnung der Stadtbücherei am 4. Juni 2004. In dieser Zeit bewegte das Für und Wider des Neubaus der Stadtbücherei die Suhler Gemüter immer wieder, so bot doch die moderne, aufsehenerregende Architektur des bunten Würfels aus Glas, Stahl und Beton genügend Gesprächsstoff für Bürger, Fachleute und Medien. Suhl, Stadt- und Regionalbibliothek bis hin zur »Stadtbücherei Suhl«, deren Namen sie 1998 erhielt. Nach Schließung der bis 1998 gesondert untergebrachten Kinderbibliothek, die damals einem Wasserschaden zum Opfer fiel, boten die nun vorhandenen räumlichen und technischen Gegebenheiten für die Zukunft Spektakuläre Eröffnung keine Lösung mehr. Ein Meilenstein in der Geschichte der Bücherei war der Zweifelsohne hat man die Eröffnung der Stadtbücherei heute noch als spektakulär in Erinnerung. Spektakulär in mehrerlei Immer wieder warteten Hinsicht: Dass in der heutigen, die MitarbeiterInnen der Einrichtung mit neuen Ideen von finanziellen Engpässen geprägten Zeit ein Bibliotheksbau und Projekten auf nicht nur geplant, sondern auch ausgeführt und vollendet werden Ende der 90er-Jahre aufkom- konnte, dass die offizielle Übermende Planungsgedanke eines gabe des Hauses zu einem außerNeubaus für die Bibliothek. gewöhnlichen Termin mit einer Ausgangspunkt war die Aus- beeindruckenden Show erfolgte schreibung eines Architekten- und dass die Stadtbücherei Suhl wettbewerbes mit der Idee, so- der erste Bibliotheksneubau in mit das Problem der Unterbrin- kommunaler Trägerschaft nach der Wende in Thüringen war, der seiner Bestimmung übergeben wurde. Ereignisreich kann man auch die vergangenen zehn Jahre Besonders hervorzuheben ist ein Kooperationsprojekt mit der Thüringer Universitätsund Landesbibliothek Jena. Die aufsehenerregende Architektur der neuen Bibliothek aus Glas, Stahl und Beton sorgte in Suhl lange Zeit für Gesprächsstoff. Foto: Stadtbücherei Suhl nennen. Immer wieder warteten die MitarbeiterInnen der Einrichtung mit neuen Ideen und Projekten auf, um den hohen Standard der Bibliothek zu halten und trotz der schnelllebigen Entwicklung im heutigen Informationszeitalter stets eine moderne, attraktive und unverzichtbare Einrichtung des Wissens, der Kultur, der Bildung und des Lernens zu sein. BuB | 66 (2014) 10 Foyer | BuB Öffentliche Bibliothek Öffentliche Bibliothek Lernen macht Spaß und bereichert das Leben Buntes Programm beim ersten Bayreuther Lernfest / Viele Kooperationspartner Weithin sichtbar: Die Stadtbücherei Suhl feiert zehn Jahre »Lesewürfel«. Foto: Stadtbücherei Suhl Besonders hervorzuheben ist ein Kooperationsprojekt mit der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB), bei dem im Herbst 2005 eine Nutzungsvereinbarung zugrunde gelegt wurde, um die originalen historischen Zeitungen »Henneberger Zeitung« und »Suhler Zeitung« des regionalkundigen Bestandes der Stadtbücherei sowie des Stadtarchivs zu digitalisieren und in der von der ThULB betriebenen University Multimedia Electronic Library of Jena (UrMEL) zu publizieren, zu speichern und zu verbreiten, um diese somit einer Vielzahl von geschichtlich interessierten Nutzern zugänglich zu machen. Dies ist ein erster Schritt in Richtung elektronische Medien in der Angebotspalette der Bibliothek für die Nutzer vorzuhalten. Einen weiteren und weitaus bedeutenderen Schritt, die Teilnahme am Onleihe-Verbund – dem Thüringer Bibliotheksnetz (ThueBIBnet) –, hofft die Stadtbücherei Suhl im Jahr 2015 realisieren zu können. Christina Kummer-Bolz der 3-D-Drucker des fabLab. In der Stadtbibliothek präsentierte die Volkshochschule (vhs) Ausschnitte aus ihren Gesundheitskursen: Von Qi Gong über Smovey bis hin zu Tanz & Fitness. »Leichte Sprache« war das Thema des Agenturwerks der Diakonie. Tipps zu Nutzung des Smartphones gab es bei der Firma Navitel. Wahlweise soMenschen aus allen Bevölke- largetriebene Rennautos oder rungs- und Altersgruppen, insbesondere Familien, konnten auf dem Lernfest ihren indiviAuch die Stadtbibliothek duellen Interessen nachgehen, steuerte eigene Programmmit Spaß genießen oder auf punkte bei. Entdeckungstour Neues kennenlernen und eigene Stärken Bürstenroboter konnte man erkunden. »Robotic zum Ausprobieren« beim VdIni-Club bauen. »Schubot das Staatsinstitut zur Aus- le im Aufbruch« informierte bildung von Fachlehrern, in Ko- über neue Bildungsinitiativen operation mit dem Kunstmuse- und lud zum Nachdenken über um auch »Kunst zum Anfassen«. das aktuelle Bildungssystem Gleich nebenan beeindruckte ein. Wie sich »Kreativ mit Re»Vorhang auf für das erste Bayreuther Lernfest« hieß es am 28. Juni in der RichardWagner-Straße. Unter der Schirmherrschaft von Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe präsentierten rund ums RW21 um die 40 Aussteller Stände und Mitmachangebote zum Thema »Lernen mit Spaß und Spiel«. Mit Susanne Will passierten seit der Eröffnung im Februar 2011 eine Million Besucher die Schwelle zum RW2: Kundinnen und Kunden der Stadtbibliothek, Teilnehmerinnen und Teilnehmer der vhs-Kurse und Gäste des Café Samocca. Es gratulierten Bianka Hoffmann (links), Leiterin des Lernstudios im RW21, und Claudia Dostler (rechts), stellvertretende Leiterin der Stadtbibliothek. Foto: Stadtbibliothek Bayreuth BuB | 66 (2014) 10 669 670 BuB | Foyer cycling-Material« basteln lässt, zeigte sich am Stand der Familienbildungsstätte. Das Jobcenter informierte über TeilzeitBerufsausbildung. Das Forum Hochbegabung lud zum Intelligenztest ein, der Blinden- und Sehbehindertenverbund zur Selbsterfahrung mit der Dunkelbrille. Recycling-Basteln und Intelligenztest Auch die Stadtbibliothek steuerte eigene Programmpunkte bei: eine Sonderveranstaltung der Bücherminis, ein Studio zur Porträtfotografie und diverse Vorträge, zum Beispiel zur digitalen Selbstverteidigung und Visualisierung sowie zu Gedächtnistechniken. Das umfang- und abwechslungsreiche Programm des Lernfests wurde ergänzt durch das parallel stattfindende Fest »Wundersam anders« im Evangelischen Gemeindehaus, nur ein paar Schritte vom RW21 entfernt. Der Tag des Lernfestes war gleichzeitig die Finissage der Ausstellung »Lernschwärmen. Heute schon gelernt?«, die das RW21 im Juni in Kooperation mit dem Finnischen Kulturinstitut Berlin zeigte: Freude am Lernen, lebenslanges Lernen, neue Lernumgebungen und -modelle sowie die Schule der Der Tag des Lernfestes war gleichzeitig die Finissage der Ausstellung »Lernschwärmen. Heute schon gelernt?«, die das RW21 im Juni in Kooperation mit dem Finnischen Kulturinstitut Berlin zeigte. Zukunft bildeten die Themen dieser Ausstellung. Vorgestellt wurden unter anderem Lernund Lehrmaterialien aus Finnland, MoViE oder Mobile Video Experience − ein Werkzeug zum Integrieren von Videos in den Unterricht −, das Lern-Festival KOULUSCHOOL aus Helsinki sowie Porträts deutscher und Fahrbücherei finnischer Persönlichkeiten, die zu ihrer Vision des Lernens befragt wurden. Bereits 2006, im ersten Konzept zum RW21, damals noch unter dem Arbeitstitel »Haus des lebenslangen Lernens«, fand sich die Idee zum Lernfest unter der Rubrik »Perspektiven«. 2013 wurde dieses Projekt beim Challenge Day der Hochschule der Medien/Stuttgart präsentiert, stieß dort auf Interesse und entwickelte sich zur Master-Arbeit. Nach dem Akquise-Treffen im Herbst 2013 übernahm die Steuerungsgruppe mit den Initiatoren RW21 Stadtbibliothek Das Lernfest war – mit Tausenden von Besuchern aller Altersschichten – ein voller Erfolg! Volkshochschule, Zukunftscoach Region Bayreuth, Wirtschaftsförderung der Stadt Bayreuth, Bildungsregion Bayreuth, Evangelisches Bildungswerk und Lokales Bündnis für Familie die heiße Phase der Planungsarbeit. Die Mühe und Ausdauer haben sich gelohnt: Das Lernfest war – mit Tausenden von Besuchern aller Altersschichten – ein voller Erfolg! Denn Lernen ist nicht nur Pauken, sondern kann auch Spaß machen und das Leben bereichern. Claudia Dostler Ein echter Hingucker: der Flensburger Bücherbus auf dem Interkulturellen Stadtfest im Juni 2014 Foto: Petra Herzig Fahrbüchereien Mit großer Unterstützung aus der Sparliste gefahren Flensburg hat einen neuen Bücherbus / 80 000 Euro spenden eingeworben Seit 5. Mai ist er auf Tour, am 17. Mai wurde er im Rahmen eines Bürgerfestes feierlich und fröhlich eingeweiht: der neue Bücherbus der Stadt Flensburg. Er löst den fast 28 Jahre alten bisherigen Bus der Stadtbibliothek ab. 2012 gelangte der Bücherbus der Stadtbibliothek Flensburg auf die Liste der Sparvorschläge der Unternehmensberatung Rödl & Partner, die von der Stadt Flensburg beauftragt wurde, eine Liste möglicher Einsparpotenziale zu erstellen. Die Fahrbücherei sollte zum 1. Januar 2013 eingestellt werden. Begründung war unter anderem, dass es zumutbar sei, die Hauptbibliothek aufzusuchen; andere Städte mit vergleichbaren Einwohnerzahlen hätten auch keine Fahrbücherei (als Beispiel wurde Gütersloh genannt). Was nicht berücksichtigt wurde, war die Tatsache, dass Flensburg keine weiteren Zweigstellen besitzt und der Bücherbus auch fast alle Grundschulen anfährt, weil es keine Schulbibliotheken gibt. Auf ihrer Homepage richtete die Stadtverwaltung Flensburg die Möglichkeit einer Meinungsabgabe zum Gutachten ein. In den nachfolgenden Monaten nahmen viele Einwohner die Gelegenheit wahr, Kommentare zu den Einsparvorschlägen abzugeben. Außerdem wurden zahlreiche Briefe geschrieben und Unterschriften gesammelt. Infolgedessen beschloss die Politik, an die Bibliothek einen Prüfauftrag »Alternative Möglichkeiten zur Fahrbücherei« zu vergeben. In diesem Prüfauftrag Eindeutig stellte sich die Fahrbibliothek als kosteneffizienteste Lösung heraus. wurden sämtliche alternative Möglichkeiten von der Wiedereinführung von Zweigstellen (1973 wurden die letzten drei Zweigstellen in den Stadtteilen Mürwik, Weiche und Fruerlund geschlossen, weil man die Einführung einer Fahrbücherei für effizienter hielt) über AutoBuB | 66 (2014) 10 Foyer | BuB Fahrbücherei maten, alternative Fahrzeuge bis zur Bücherkiste im Klassenraum umfassend und kritisch geprüft. Eindeutig stellte sich die Fahrbibliothek als kosteneffizienteste Lösung heraus. Beschluss in Eilsitzung Kurz vor den Kommunalwahlen wurde der Grundsatzbeschluss pro Fahrbücherei einstimmig in der Ratsversammlung Flensburg gefasst. Und dann ging es rasant weiter: In einer Eilsitzung wurde die Ausschreibung des Bücherbusses veranlasst. Eine Bedingung wurde jedoch gestellt: 50 000 Euro sollten aus bürgerschaftlichem Engagement als Eigenanteil geleistet werden. Die Stadtwerke-Tochter Aktiv-Bus führte ein Bieterverfahren durch. Wichtig war in Flensburg, dass der neue Bücherbus noch die Abgasnorm Euro 5 haben sollte und eine Ladeluke passend zu den baulichen Gegebenheiten im Fahrbüchereimagazin. Schließlich entschied man sich als flexibelste Lösung für einen individuellen Aufbau auf einem Buschassis. Unter der Federführung des Fördervereins der Stadtbibliothek Flensburg bildete sich ein Runder Tisch aus Interessierten; zum Beispiel eine Schülergruppe, die das Thema Bücherbus als Projekt in der 12. Klasse durchführte (und auch eine FacebookSeite »Rettet den Flensburger Bücherbus« initiierte), Schulleitern, Kindergartenleitern, Freundeskreis der Stadtbibliothek, Lesern und Politikern. In der Zeit von August 2013 bis März 2014 wurden zahlreiche Veranstaltungen zugunsten des neuen Bücherbusses durch- geführt, wie Lesungen, Konzerte, Flohmärkte, ein Bücherbuszirkus an der Hafenspitze, Sponsorenläufe von zwei Schulen und vieles mehr. Ein besonderes Engagement bewies auch die Stadtpräsidentin Swetlana Krätzschmar: Sie schrieb Siegfried Lenz an und erhielt die Erlaubnis, eine selten gelesene Geschichte über die Flensburger Förde als Sonderdruck im Bild zu veröffentlichen. In einer kleinen Auflage wurden diese Schriftbilder an ortsansässige Unternehmen verkauft und der Erlös für den Bücherbus gespendet. Insgesamt wurde das geforderte Spendenziel weit übertroffen, fast 80 000 Euro kamen zusammen. Downloadbereich http://stadt bibliothek.flensburg.de/buecher bus/ findet. Petra Herzig, Stadtbibliothek Flensburg Viele aktive Förderer Doch nicht nur die finanzielle Seite war wichtig. Entscheidend war die Einbindung von Unternehmen, Institutionen, Bürgerinnen und Bürger – als aktive Förderer, die sich mit Politik, Verwaltung und den Bibliothekskollegen für einen neuen Bücherbus verbündeten. »Ein Beispiel für vorbildliche kommunale Mitgestaltung«, wie es der Bürgermeister Henning Brüggemann formulierte. Der neue Bücherbus kann sich sehen lassen, denn er ist nicht nur äußerlich von dem Comic-Zeichner Kim Schmidt bunt gestaltet, sondern auch mit einigen Extras wie einem Lift für Rollstuhlfahrer und Gehbehinderte, Beamer und Leinwand sowie WLAN für die Leser ausgestattet. Zur Würdigung der Spender veranlasste der Runde Tisch Chassis Volvo BR7 Aufbau Kiitokori Special Vehicles, Kausala, Finnland Design Kim Schmidt Medien im Bus circa 3 500 Haltestellen zurzeit 46 im wöchentlichen Rhythmus in den Flensburger Stadtteilen, davon neun Grundschulen, zwei freie Schulen und eine Schule für geistig Behinderte Der neue Flensburger Bücherbus in Kennzahlen BuB | 66 (2014) 10 die Erstellung eines »Goldenen Spenderbuches«, das neben dem Spenderverzeichnis auch eine detaillierte Darstellung, wie Flensburg zu einem neuen Bücherbus kam, enthält und das man auf der Homepage der Stadtbibliothek Flensburg im Der neue Bücherbus ist mit einigen Extras wie einem Lift für Rollstuhlfahrer und Gehbehinderte ausgestattet. Foto: Petra Herzig 671 672 BuB | Foyer Karriere Karriere Abschied von einem »Local Hero« Ende Oktober geht Ulrich Moeske als Direktor der Stadt- und Landesbibliothek Dortmund in den Ruhestand Im Rahmen der Kulturhauptstadt Ruhr.2010 konnten sich die 53 Städte der Metropole Ruhr abwechselnd jeweils eine Woche lang mit besonderen Kulturveranstaltungen als »Local Hero« präsentieren. Über solchen öffentlich inszenierten Spektakeln – so gut und anregend sie auch sein mögen – wird meistens vergessen, dass es vor allem die Menschen waren, die das Gesicht des Ruhrgebiets mit seinem besonderen Flair geprägt haben. Das hat Heinrich Böll einfühlsam erkannt, als er 1957/58 zusammen mit dem Kölner Fotografen Chargesheimer durch das Ruhrgebiet fuhr und das Vorwort zu einem beeindruckenden Bildband schrieb (die damaligen Fotos sind bis zum 18. Januar 2015 im Ruhr Museum auf Zeche Zollverein in Essen zu sehen). Nach wie vor sind immer noch die Menschen das Wichtigste in dieser alten Industrieregion, die sich seit mehr als 40 Jahren im permanenten »Strukturwandel« befindet. Ulrich Moeske zählt zu diesem bemerkenswerten Menschenschlag – mit Körper, Geist und Seele. Während seines Zweitstudiums sammelte Moeske erste praktische Erfahrungen in der Universitätsbibliothek Bochum und in der Stadtbücherei Dortmund. Nach seinem erfolgreichen Studienabschluss wurde er im April 1977 als Städtischer Bibliotheksrat bei der Stadt Dortmund eingestellt. In der Stadtbücherei war er zunächst zuständig für die Koordinierung des großen Zweigstellensystems mit damals 18 festen Einrichtungen und 4 Bücherbussen. In der Folge engagierte sich Moeske auch Für Ulrich Moeske gehört zur Kultur seiner Heimat selbstverständlich auch der Fußball. in Fragen der konzeptionellen Gesamtplanung, der Aus- und Fortbildung für das Personal, des Informations- und Auskunftsdienstes in der Zentralbücherei und als Lektor für die Sachgebiete Politik, Soziologie und neueste Geschichte. Seine hohe Fachkompetenz, seine wache Intelligenz, sein unermüdlicher Elan, sein großes Durchsetzungsvermögen und seine ausgezeichnete politische Vernetzung mit der in Dortmund regierenden SPD förderten seine rasche Karriere in der Stadtbücherei Dortmund: Bereits im April 1979 wurde Moeske zum stellvertretenden Direktor und mit 31 Jahren am 1. Januar 1981 zum Direktor ernannt. In den wilden politischen Zeiten, von 1968/69 bis 1974, hat er an der wenige Jahre zuvor gegründeten Ruhr-Universität in Bochum studiert: Geschichte und Sozialwissenschaften. Nach seinem ersten Staatsexamen für das höhere Lehramt entschied sich Moeske dann aber nicht für den Schuldienst, sondern für die Bibliothekswelt. Am 1. April 1975 wurde er Bibliotheksrefe- Mühsames Alltagsgeschäft rendar für den höheren Bibliotheksdienst am damaligen Bib- Das Alltagsgeschäft ist auch für liothekar-Lehrinstitut in Köln. Bibliotheksdirektoren mühsam. Geht Ende Oktober in den Ruhestand: der Direktor der Stadt- und Landesbibliothek Dortmund, Ulrich Moeske Foto: Markus Steur Es erfordert ein hohes Maß an Selbstdisziplin, die prinzipielle Offenheit für Veränderungen, ein dickes Fell angesichts von regelmäßig wiederkehrenden Anfeindungen und Zumutungen aus der Verwaltung, der Politik oder der Öffentlichkeit und einen langen Atem bei der Verfolgung von Zielen. Solche Tugenden werden meistens übersehen, wenn man nur auf die eher seltenen »Highlights« einer Berufskarriere blickt. Ulrich Moeske hat beides aufzuweisen: die genannten Tugenden im Alltag und die großen Erfolge, die richtungweisend für seine Stadt, das Land Nordrhein-Westfalen und die Bundesrepublik Deutschland wurden. Dazu zählen die im Juni 1987 vom Rat der Stadt Dortmund beschlossene Zusammenlegung der Stadt- und Landesbibliothek mit der Stadtbücherei, mit der das traditionsreiche Konzept einer wissenschaftlichen und öffentlichen Einheitsbibliothek revitalisiert wurde. Seit Februar 1988 war Moeske Direktor der neuen Stadt- und Landesbibliothek. Es folgte 1995 die Eingliederung seiner Bibliothek in die neu gegründeten »Kulturbetriebe Dortmund«, deren stellvertretender Geschäftsführer er 2006 wurde. Das damit verbundene innovative Verwaltungskonzept, das einerseits die Eigenverantwortung in der Ressourcenverwaltung stärkte, andererseits aber auch zu einer Mitverantwortung für die finanziellen Fehlkalkulationen anderer Eigenbetriebe (zum Beispiel der Museen) führt, brachte die Stadt- und Landesbibliothek mit elektronischen Techniken für die Bewirtschaftung und das Controlling in Verbindung und öffnete die Bibliothek damit früh für die zukunftsweisenden neuen Informations- und Kommunikationstechnologien. Die damit eingeleitete Entwicklung wurde in den vergangenen zwei Jahrzehnten konsequent vorangetrieben und hat die Stadt- und Landesbibliothek Dortmund zu einer der führenden Bibliotheken bei den elektronischen Dienstleistungen werden lassen – mit der Digitalen Bibliothek als einem hochwertigen Ausrufezeichen. In den 1990er-Jahren wurden in Dortmund nicht nur die Verwaltungsstrukturen modernisiert, sondern auch das Stadtbild einer grundlegenden Neuplanung unterzogen. Die nördliche City in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs, die noch den altmodischen Stil der 1950er-Jahre repräsentierte, wurde zu einem »Kulturwall« Seine Reden in dieser Funktion waren, auch wenn der Redefluss bisweilen ins Stocken geriet, immer präzise, anregend und den jeweiligen Adressaten freundlich zugewandt. umgestaltet: mit dem Museum für Kunst- und Kulturgeschichte, der Volkshochschule, dem Konzerthaus und einem Neubau für die Stadt- und Landesbibliothek. Niemand außer Ulrich Moeske selbst wird das Ausmaß der Kraftanstrengung, der Sorgen und des Ärgers kennen, die vom Auszug aus dem 1958 errichteten »Haus der Bibliotheken« am Hansaplatz und dessen Abriss im Juli 1997 über die dezentraBuB | 66 (2014) 10 Foyer | BuB Karriere le Zwischenlagerung als »1000 Tage-Bibliothek« in den Jahren 1995/96 bis zur Eröffnung des neuen Gebäudes am Max-vonder-Grün-Platz 1-3 auszuhalten waren. Doch die Mühen haben sich gelohnt. Die Eröffnung des von dem Schweizer Stararchitekten Mario Botta entworfenen zweiteiligen Komplexes am 19. Mai 1999 wurde zu einem Meilenstein für die Entwicklung des Bibliothekswesens in Deutschland. In der markanten schwarzen »Rotunde« mit einer transparenten Glasfassade für die Medien- Darüber hinaus wirkte Moeske auch auf der Bundesebene: Er war Vorsitzender der Rechtskommission des Deutschen Bibliotheksverbands und viele Jahre auch der Sektion 1. präsentation und Mediennutzung auf 4 000 Quadratmeter und dem langgezogenen Riegel des Hauptgebäudes mit einer eleganten Steinfassade stehen den Nutzern insgesamt eine Million physische Medien zur Verfügung. Zum Haus gehören auch die Handschriften- und Nachlasssammlung, die Artothek, die Dortmunder Autorendokumentation, das 1926 gegründete Institut für Zeitungsforschung und das Fritz-Hüser-Institut für Literatur und Kultur der Arbeitswelt, das seit 1958 von dem langjährigen Dortmunder Stadtbüchereidirektor Fritz Hüser (1908–1979) als Archiv aufgebaut wurde und seit 2007 im Industriemuseum Zeche Zollern II/IV in DortmundBövinghausen beheimatet ist. »Verbundwirtschaft« gibt es eben nicht nur in der Industrie des Ruhrgebiets. Eigene Lesungen und Vorträge Das Spektrum der Aktivitäten und des ehrenamtlichen Engagements von Ulrich Moeske ist damit noch keineswegs vollständig gewürdigt. In die VeranstalBuB | 66 (2014) 10 tungsarbeit des eigenen Hauses bringt er sich regelmäßig mit eigenen Lesungen, Vorträgen, Buchempfehlungen und Moderationen ein. Seit 1988 ist er Geschäftsführer des Vereins der Freunde der Stadt- und Landesbibliothek Dortmund, der schon seit 1913 die Öffentliche Bibliothek finanziell und ideell fördert. Von 1987 bis 1989 und noch einmal von 2000 bis 2002 war Moeske Vorsitzender des Verbandes der Bibliotheken des Landes Nordrhein-Westfalen. Seine Reden in dieser Funktion waren, auch wenn der Redefluss bisweilen ins Stocken geriet, immer präzise, anregend und den jeweiligen Adressaten freundlich zugewandt. Für den 1947 gegründeten Landesverband mit seinen rund 350 Mitgliedern leitete er zudem über einen langen Zeitraum die Arbeitsgemeinschaft der Großstadtbibliotheken. Reisen in alle Welt Darüber hinaus wirkte Moeske auch auf der Bundesebene: Er war Vorsitzender der Rechtskommission des Deutschen Bibliotheksverbands und viele Jahre auch der Sektion 1. Dabei kam ein weiteres Talent zum Tragen: Moeske erkundet nicht nur selbst gerne die Welt, sondern er vermittelte den Bibliotheksdirektoren der 21 größten Städte aus Deutschland, Österreich (Wien) und der Schweiz (Zürich) im Rahmen von Reisen die Vielfalt der bibliothekarischen Welt in Europa und Übersee. Ob Frankreich, New York, Kanada, Amsterdam, Österreich oder London – überall konnten die Mitreisenden wertvolle Erfahrungen sammeln und interessanten Berufskollegen begegnen, weil der »Reiseführer« die Exkursionen sorgfältig vorbereitet und organisiert hatte, einschließlich der Grundlagen für die Finanzierung. Für Ulrich Moeske gehört zur Kultur seiner Heimat selbstverständlich auch der Fußball. Daher besitzt er als treuer Fan seit Langem eine Dauerkarte für die Heimspiele von Borus- sia Dortmund. Während hier auf international höchstem Niveau gespielt wird, lassen die wirtschaftlichen, sozialen und finanziellen Probleme Dortmunds ebenso wie des gesamten Ruhrgebiets einen seit Jahrzehnten schleichenden Niedergang und eine bedauerliche intellekDiese beachtliche Lebensleistung verdient Anerkennung und Respekt, allerdings auch die hoffnungsvolle Erwartung, dass man den hinterlassenen Bibliotheksschatz in Dortmund weiterhin pflegt. tuelle Provinzialisierung erkennen (wobei Letzteres keineswegs auf diese Region begrenzt ist). Die Kultur und die Bibliotheken bleiben davon leider nicht verschont: Sie waren und sind aufgrund der hohen Verschuldung aller Ruhrgebietskommunen und der »Freiwilligkeit« ihrer Dienstleistungen von einem kontinuierlichen Rückbau der Infrastruktur bedroht. Die Wehmut, den Schmerz, die Wut und die sanfte Resignation, die so etwas bei einem leidenschaftlichen Bibliothekar wie Ulrich Moeske auslösen, sind sehr gut nachvollziehbar. An der positiven Bilanz nach 37 Berufsjahren ändert dies überhaupt nichts. Diese beachtliche Lebensleistung verdient Anerkennung und Respekt, allerdings auch die hoffnungsvolle Erwartung, dass man den hinterlassenen Bibliotheksschatz in Dortmund weiterhin pflegt. Wir werden den fachlich kompetenten, politisch versierten und mit viel Humor ausgestatteten Kollegen in unserem Kreis in jedem Fall sehr vermissen. Dr. Jan-Pieter Barbian 673 674 BuB | Foyer Tagung Tagung Chansons, Champagner und neue Chancen für Bibliotheken Zu Gast beim französischen Bibliothekskongress in Paris / 100 Vorträge und 800 Besucher Der 60. Kongress des französischen Berufsverbands der Bibliothekare (Association des Bibliothécaires de France – ABF) hat vom 19. bis 21. Juni im Pariser Kongresszentrum an der Porte de Versailles stattgefunden und stand unter dem Motto »Bibliotheken, neue Berufsbilder, neue Kompetenzen«. Parallel zum umfangreichen Kongressprogramm mit mehr als 100 Vorträgen und Workshops präsentierten circa 70 Firmen der Bibliotheks-, Buchhandels- und IT-Branche den rund 800 Besucherinnen und Besuchern ihre innovativen Produkte und Dienstleistungen. Auf Einladung der ABF und mit finanzieller Unterstützung des Berufsverbands Information Bibliothek (BIB) besuchten Petra Staab (SULB Saarbrücken) und Christelle Lazarevic (Stadtbibliothek Saarbrücken) das internationale Kolloquium und berichten im Folgenden. Seit vielen Jahren ist der Kongress der ABF ein wichtiger Bestandteil der beruflichen Fortbildung von Bibliothekaren in Frankreich. Der Verband wurde 1906 ins Leben gerufen und umfasst mittlerweile rund 3 000 Mitglieder. In ihrer Eröffnungsrede erinnerte die französische Ministerin für Kultur und Kommunikation Aurélie Filippetti daran, dass 2014 das »Jahr der Bibliotheken« in Frankreich ist. In diesem Zusammenhang stellte sie konkrete Maßnahmen zur Bewältigung der neuen Herausforderungen für Bibliotheken vor. ABF-Präsidentin Anne Verneuil griff in ihrer Begrüßung Filippettis Äußerung auf und erklärte 2014 ebenfalls zum Jahr der Bibliothekare, da diese die Hauptakteure seien, die den neuen Entwicklungen und Anforderungen Rechnung tragen müssten. Die drei Themenstränge »Nouveaux profils, nouvelles représentations« (Neue Profile, neue Darstellungen), »Frontières du métier« (Grenzen des Berufs) und »Compétences et formations« (Kompetenzen und Ausbildung) machen die Bandbreite der Inhalte deutlich, die für die Teilnehmer von Interesse waren. Allerdings lag der Schwerpunkt eindeutig auf Themen der Öffentlichen Bibliotheken. Aspekte aus dem wissenschaftlichen Bereich wurden meist nur im Themenkreis Aus- und Weiterbildung angesprochen. Neue Profile und Kompetenzen Aus den Vorträgen und Diskussionen ging hervor, dass an Bibliothekare heutzutage mehr Anforderungen gestellt werden und der Bibliothekar des 21. Jahrhunderts immer mehr als Informationsvermittler auf vielen Ebenen wahrgenommen wird. Die öffentlichen Träger in Frankreich sehen Bibliothekare zunehmend als kulturelle Akteure und erwarten von ihnen Managerqualitäten. So ist es in Frankreich zum Beispiel keine Seltenheit, dass Bibliotheksleiter in Kommunen auch noch andere Leitungsfunktionen im kulturellen Bereich übernehmen. Zudem stehen Bibliotheken heutzutage in einer neuen Art von Wettbewerb mit kommerziellen digitalen Diensten wie Wikipedia oder Amazon. Darauf müssen die Bibliotheken reagieren und sich neu positionieren. So sollte die Bibliothek der Zukunft in E-Learning, aber An der Eröffnungsveranstaltung nahm unter anderen auch die französische Ministerin für Kultur und Kommunikation Aurélie Filippetti teil. auch in Lernangebote vor Ort investieren. Der Slogan »LebensLangesLernen« ist in französischen Bibliotheken schon längst kein Fremdwort mehr. Bibliotheken müssen sich auch immer mehr als soziale Orte sehen, offen für Diskussionen und Vorträge, aber auch offen für alle Generationen und Gesellschaftsschichten. Obwohl ein Bibliotheksgesetz in Frankreich Kommunen verpflichtet, Öffentliche Bibliotheken zu unterhalten, kämpfen diese heutzutage doch um ihre Attraktivität und müsDie anstehende Gebietsreform wird ebenfalls Auswirkungen auf die Bibliothekslandschaft Frankreichs haben. sen versuchen, ihre Reichweite auszudehnen. Die wachsende Zusammenarbeit von Öffentlichen Bibliotheken mit anderen kulturellen Institutionen und Schulen bietet die Möglichkeit, daraus resultierende Synergien zu nutzen und so beispielsweise den Benutzerkreis zu erweitern. Das Integrieren von Ehrenamtlichen und Berufsfremden wie etwa Pädagogen oder Künstlern stellt eine weitere Chance dar. Neben ihren klassischen bibliothekarischen Funktionen müssen sich Bibliotheksmitarbeiter außerdem in neuen Aufgaben versuchen, so zum Beispiel als Webmaster oder Grafiker. Weitere Vorträge haben das Thema »Kompetenzen und Ausbildung« anhand von Erfahrungsberichten zu beleuchten versucht. Neben den sozialen, wissenschaftlichen, methodisch-fachlichen oder kulturellen Kompetenzen müssen sich Bibliotheksmitarbeiter heutzutage auch technologisches, betriebswirtschaftliches und IT-Wissen aneignen. Teilweise sind auch pädagogische Grundkenntnisse für die Arbeit mit Schülern erforderlich. Deshalb wurde verstärkt an die Teilnehmer appelliert, neben fachlicher Weiterbildung auch fachübergreifende Bildungsmaßnahmen wahrzunehmen. Begrüßung mit Chansons Neben dem reinen Fachprogramm gab es weitere Höhepunkte: Gleich zu Beginn wurden die Teilnehmer mit Akkordeonklängen bekannter französischer Chansons begrüßt. Der französische Bestsellerautor David Foenkinos stellte seine neueste Publikation vor. Darin beschäftigt er sich mit dem tragischen Schicksal der Berliner Malerin Charlotte SaBuB | 66 (2014) 10 Foyer | BuB Ausbildung lomon, die 1943 nach Auschwitz deportiert wurde. Die Geschichte der Künstlerin ist schon seit acht Jahren Thema seiner Recherchen. Zwischen den Vorträgen hat die Pariser Improvisationstruppe »Ligue Majeure d’improvisation« mit besonders Aufgrund der – verglichen mit dem Deutschen Bibliothekartag – relativ geringen Teilnehmerzahl herrschte eine besonders familiäre Atmosphäre auf dem Kongress. ausgefallenen und auf Bibliotheken zugeschnittenen Sketchen für Unterhaltung gesorgt. Erwähnenswert im fachlichen Bereich ist auch die Debatte rund um den Verleih elektronischer Medien. Leider sperren sich immer noch viele Verlage in Frankreich gegen die Ausleihe von E-Books an Bibliotheken. Dadurch und obwohl der Staat die Kommunen mit Fördermitteln für den Ausbau der ITSysteme und den elektronischen Ressourcen in Bibliotheken unterstützt, ist das Angebot an digitalen Medien in Öffentlichen Bibliothek derzeit noch relativ begrenzt – und stellt lediglich ein Zehntel des Bestandes dar. Hinzu kommt, dass die Budgets der Kommunen immer knapper werden. Außerdem sind der aktuelle rechtliche Rahmen und die damit verbundenen Bedingungen der Bereitstellung elektronischer Medien in Bibliotheken unbefriedigend. In diesem Zusammenhang hat der Direktor des europäischen Bibliotheksverbands EBLIDA (European Bureau of Library, Information and Documentation) Vincent Bonnet die Kampagne »The Right to E-Read« auf dem Kongress präsentiert. Ein weiteres umstrittenes Thema betrifft die geänderten Schulzeiten in Frankreich und ihren Einfluss auf die Öffentlichen Bibliotheken. Seit September ist der schulfreie Mittwoch abgeschafft und die Fünf-TageWoche wieder eingeführt. Dadurch wird für die Betreuung der Kinder mehr Personal gebraucht. Dies kann dazu führen, dass die Mitarbeiter der Öffentlichen Bibliotheken Nachmittagsbetreuungen übernehmen müssen. DieanstehendeGebietsreform wird ebenfalls Auswirkungen auf die Bibliothekslandschaft Frankreichs haben. Im Zuge der geplanten Gebietsreform wird unter anderem die Zahl der französischen Regionen von bisher 22 auf 14 verringert. Die Der 60. Kongress des französischen Berufsverbands der Bibliothekare ABF fand im Pariser Kongresszentrum an der Porte de Versailles statt. Fotos: Christelle Lazarevic BuB | 66 (2014) 10 Reduzierung der vielschichtigen Verwaltungsebenen soll einen Wachstumsschub für das ganze Land bewirken. Die Verlagerung der Zuständigkeiten von Kommunen zur Region geht mit weitreichenden Konsequenzen für Bibliotheken einher. Die Reform kündigt unter anderem das baldige Ende der Départements an, was auch die Schließung der Département-Leihbibliotheken (Bibliothèques départementales de prêt) – die die Anlaufstellen (Points de lecture) in den Gemeinden versorgen – bedeuten würde (siehe hierzu auch den Beitrag in BuB-Heft 7/8-2014, Seite 560). Ausbildung Mehr als 1 600 FaMI-Auszubildende im Öffentlichen Dienst Jahrestagung der Zuständigen Stellen für den Ausbildungsberuf in Hamburg / Teilweise bereits Mangel an Nachwuchskräften Gemeinsames Mittagessen Aufgrund der – verglichen mit dem Deutschen Bibliothekartag – relativ geringen Teilnehmerzahl herrschte eine besonders familiäre Atmosphäre auf dem Kongress. Fast alle versammelten sich zum gemeinsamen Mittagessen, das vorher gebucht werden musste. Am Tisch mit anderen Gästen bestand so die Möglichkeit, über Erfahrungen in den eigenen Einrichtungen Zur Feier des 60. Kongresses wurde am Festabend eine Torte aus Macarons angeschnitten und zur Verkostung angeboten. und über spezifische Probleme zu diskutieren. Zur Feier des 60. Kongresses wurde am Festabend eine Torte aus Macarons angeschnitten und zur Verkostung angeboten. Ein Buffet mit Fingerfood und diversen Getränken rundete den Abend ab, an dem eine SwingSoul-Band aus Paris für die musikalische Umrahmung sorgte. Die Gastfreundschaft der Aussteller war besonders daran zu erkennen, dass nahezu an jedem Stand Champagner, Wein und kleine regionale Spezialitäten gereicht wurden. Christelle Lazarevic, Petra Staab 2014 fand die Tagung der Zuständigen Stellen für die Fachangestelltenausbildung im Öffentlichen Dienst vom 5. bis 7. Mai in Hamburg statt. Die Konferenz begann bereits am Nachmittag des Anreisetages mit einem Workshop zum Thema Zwischenprüfung. Zu diesem Zweck standen den Teilnehmern die im Jahr 2013 gestellten Aufgabensätze in den Ländern zum Teilbereich »Beschaffen und Erschließen« zur Verfügung. Ziel des Schwerpunktthemas war nicht die Verabschiedung konkreter Handlungsempfehlungen, sondern vielmehr ein Zusammentragen von Problematiken und die Öffnung eines Weges nicht in Richtung einer bundeseinheitlichen, aber zu besser vergleichbaren Prüfungen. Dies auch, da bisher bundeslandübergreifende Kooperationen zwischen Prüfungsausschüssen nur sehr vereinzelt stattfinden. Regionale Unterschiede zeigen sich schon im Vorfeld, bei der Erstellung der Aufgaben für die Zwischenprüfung, vor allem in Bezug auf die Art und Intensität der Einbeziehung von Lehrkräften der beruflichen Schulen, zudem sind die Arbeiten nicht in allen Bundesländern fachrichtungsübergreifend angelegt. Als pädagogische Prüfung soll die Zwischenprüfung den 675 676 BuB | Foyer Ausbildungsstand zum Prüfungstermin feststellen, Defizite erkennen lassen und damit gegebenenfalls auch Einfluss auf den weiteren Ausbildungsverlauf nehmen. Abgeprüft werden die laut Ausbildungsrahmenplan innerhalb der ersten anderthalb Jahre zu vermittelnden Kenntnisse und Fertigkeiten. Die der Zwischenprüfung zugrundliegende Ausbildungsordnung und der Ausbildungsrahmenplan sind bundesweit einheitlich, die Lehrpläne der berufsbildenden Schule aufgrund der Kulturhoheit der Länder nicht unbedingt vergleichbar. Eine prüfungsrelevante Bevorzugung der Berufsschule bei der Erstellung der Prüfungsaufgaben innerhalb der dualen Ausbildung ist auch deshalb weder vom Verordnungsgeber geplant gewesen noch zielführend, darüber hinaus sollte sich das Abprüfen schulischer Inhalte auf ausbildungsrelevante Kenntnisse beschränken. Nun erwarten Auszubildende zu Recht eine Vorbereitung auf die Zwischenprüfung. In verschiedenartiger Ausprägung findet diese in Abhängigkeit von Ausbildungsquantitäten und regionalen Begebenheiten statt, in erster Linie durch die Ausbildungseinrichtungen, teilweise auch in der Berufsschule beziehungsweise durch die Zuständigen Stellen. Schwierigkeiten bei der Bearbeitung ergeben sich für die Nachwuchskräfte vor allem bei Fragestellungen, die offene Erläuterungen erfordern. Ein Feedback nach Abschluss des Prüfungsverfahrens ist unabdingbar auch bei zufriedenstellenden Resultaten. Allerdings liegen die Ergebnisse der Zwischenprüfungen in mehreren Bundesländern im Bereich der Note ausreichend. Wenn die Zwischenprüfungsarbeiten wie in der Mehrzahl der Bundesländer den Auszubildenden nicht zurückgegeben werden, sondern bei der Zuständigen Stelle/durchführenden Berufsschule verbleiben, empfehlen sich zentrale Einsichtstermine für die Auszubildenden, bei denen die gestellten Prü- Ausbildung fungsfragen besprochen werden. Selbstredend wäre es hilfreich, wenn auch die Ausbilder in die Arbeiten Einsicht nehmen könnten, und schlussendlich sollte eine Rückkoppelung auch an die Aufgabenersteller gehen. Ungeachtet der Gefahr des »Verbrennens« von Prüfungsaufgaben, wenn diese in irgendeiner Form öffentlich gemacht werden, sollten sowohl Nachwuchskräfte als auch Ausbilder wissen, was in den Prüfungen erwartet wird. Dies könnte geschehen, indem als Minimum Musterprüfungen auf die Homepage von Zuständiger Stelle/Berufsschule gestellt werden und auf diese dann auch die Ausbildungsverantwortlichen hingewiesen werden. Diskussionsbedarf in Sachen Prüfungswesen gab es wegen der zunehmend schwierigeren Gewinnung von neuen ehrenamtlichen Prüfungsausschussmitgliedern und des möglichen Nachteilsausgleichs für Prüflinge, der aufgrund ärztlich attestierter Einschränkungen gewährt werden kann und bei gleichbleibenden Inhalten vorrangig aus Zeitverlängerungen oder Inanspruchnahme von Hilfsmitteln/ Hilfspersonen besteht. Auch wurden Fragen zur Überstellung von Prüflingen und das dann praktizierte Verfahren der Entscheidung über die Zulassung zur Prüfung behandelt. Ausbildung in allen Ländern möglich Nächste Tagungsordnungspunkte waren die Sachstandsberichte, Neuigkeiten, Erfahrungsberichte und Fragen aus der Ausbildungsberatung der aus Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern, Baden- Abbildung 2. Zahl der Ausbildungsanfänger bundesweit (FaMI-Öffentlicher Dienst) Abbildung 1. Zahl der im Öffentlichen Dienst ausgebildeten FaMIs Württemberg, Brandenburg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Schleswig-Holstein angereisten Vertreter der Zuständigen Stellen, ergänzt durch die Verantwortlichen vom Bundesverwaltungsamt und natürlich durch die Gastgeber. Nachqualifizierungsangebote (zur Vorbereitung auf die Externenprüfung zum FaMI) für langjährig im ABD-Bereich Beschäftigte gibt es in Berlin, Niedersachsen und Hessen; für den Archivsektor läuft seit Herbst 2013 der 5. Lehrgang in Cottbus. Eine Ausbildungsmöglichkeit zu Fachkräften für Medien- und Informationsdienste der Fachrichtung Archiv bietet das Berufsbildungswerk des Oberlinhauses in Potsdam weiterhin für Körper- und Mehrfachbehinderte nach Paragraf 66 Berufsbildungsgesetz (BBiG) an. Umschulungsträger bieten für die Fachrichtung Medizinische Dokumentation unter anderem in Essen Qualifizierungsmaßnahmen an, in Leipzig findet eine in Fachkreisen nicht unumstrittene Umschulung für die Fachrichtung Bibliothek seitens eines privaten Anbieters statt. Die Ausbildungslandschaft insgesamt hat sich zwischenzeitlich gewandelt. Zunächst einmal ist in allen Bundesländern die Ausbildung zum Fachangestellten möglich, auch im tabellarisch nicht erfassten Saarland gibt es vereinzelte Ausbildungsstellen. 37 Prozent aller Auszubildenden kommen dabei aus Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Die einzelnen Fachrichtungen sind in der bereits vertrauten Weise so verteilt, dass die Bibliotheksausrichtung mit fast 80 Prozent an der Spitze liegt. Die Schlusslichter bilden die Fachrichtungen Bildagentur und Medizinische Dokumentation, hier bietet auch nicht jedes Bundesland Ausbildungsmöglichkeiten. Allgemein haben die Ausbildungseinrichtungen vielerorts zunehmend Schwierigkeiten bei der Besetzung der Ausbildungsplätze mit geeigneten Kandidaten, auf der anderen Seite ziehen sich vor allem kleinere Kommunen aufgrund einer angespannten finanziellen Lage aus der Ausbildung zurück. Zum Teil beteiligen sich die Zuständigen Stellen auch an Promotionstouren und Ausbildungsbörsen. Bisher spiegeln sich auf den ersten Blick jedoch weder der demografische Wandel noch BuB | 66 (2014) 10 Foyer | BuB Nachrichten der Rückzug einzelner Ausbildungsträger in den hier nivellierend wirkenden bundesweiten Anfängerzahlen wieder. Zu beachten ist allerdings, dass hier insgesamt vermehrt gemeldete Rückgänge nicht auftauchen, da bei den erhobenen Zahlen der Bereich der Privatwirtschaft außenvorbleibt. In Summe befanden sich im Mai dieses Jahres 1 633 Nachwuchskräfte in einer FaMI-Ausbildung bei einem Ausbildungsträger des Öffentlichen Dienstes. Vor sieben Jahren wurden auf der damaligen Jahrestagung der Zuständigen Stellen 1 659 Auszubildende ermittelt. Beim Vergleich mit den 2007 erhobenen Zahlenwerten für den Öffentlichen Dienst * ist dabei der zunächst marginal erscheinende Rückgang von 1,5 Prozent bemerkenswert aufgrund der Tatsache, dass zwischenzeitlich Bayern und Schleswig-Holstein ihre Ausbildung für den mittleren Bibliotheksdienst beendet haben und zur dualen Fachangestelltenausbildung gewechselt sind. Der prozentuale Verlust erhöht sich beim Herausnehmen der Zahlenwerte der beiden Bundesländer auf immerhin 7,5 Prozent. Prognosen für die weitere Entwicklung der Auszubildendenzahlen lassen sich daraus nur sehr bedingt herleiten. Ob es zu weiteren Rückgängen kommen wird, hängt hauptsächlich von politischen Entscheidungen der Verantwortlichen vor Ort ab. Denn bereits jetzt zeigt sich vielerorts ein Nachwuchskräftebedarf, auch wenn sich die Beschäftigungssituation nach Ausbildungsende je nach Region höchst unterschiedlich darstellt. Immerhin: Die Übernahmequote hat sich insgesamt leicht verbessert. * Vgl. Karin Holste-Flinspach, Bernd Willershausen: Zahl der Lehrverträge steigt: Bundestagung der zuständigen Stellen für Aus- und Fortbildungsangelegenheiten im Bereich Medien- und Informationsdienste. In: BuB 59(2007)7/8, S. 506–508 BuB | 66 (2014) 10 Niveau des Unterrichts steigt Bei den eingestellten Bewerbern ist nicht nur in NordrheinWestfalen ein Ansteigen der Schulabschlüsse zu beobachten – mit Auswirkungen auch auf das Niveaus des Berufsschulunterrichts und mehr Anträgen auf Abkürzung der Ausbildungszeit. Zudem gibt es vielfach ältere Bewerber, die gegebenenfalls auch an einer Teilzeitausbildung Interesse zeigen. Auch sind vermehrt Ausbildungsabbrüche festzustellen. Weitere Themen der Jahrestagung waren die Begabtenförderung und das Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz (»Anerkennungsgesetz«) mit bisher nur wenigen Anträgen. Das Niveau des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR) wird für die Absolventen einer dualen Erstausbildung in den meisten Bundesländern nicht vor 2015 auf den Abschlusszeugnissen eingetragen. Für die Einordnung der Fortbildungsberufe wird demnächst eine allgemeine Festlegung des Bundesinstituts für Berufsbildung erwartet, ziemlich wahrscheinlich wird den Fachwirten das Niveau DQR 6 zugewiesen. Von Interesse waren auch Hinweise zur speziellen Qualifizierung und Weiterbildung der Ausbilder neben den von allgemeinen Trägern angebotenen allgemeinen AEVO-Prüfungen. Hier werden in Hamburg sogenannte zweitägige RefresherKurse angeboten, bei der Bundesverwaltung gibt es Trainthe-trainer-Seminare und in Bayern verschiedene Angebote der Qualitätszirkel für Ausbildung sowie in Rheinland-Pfalz ein Kurs aufbauend auf den AEVO-Lehrgang für Auszubildende mit Behinderungen/Beeinträchtigungen. Und da es auch künftig viele wichtige Themen zu besprechen geben wird, findet die Jahrestagung 2015 ihre Fortsetzung in Potsdam, wiederum im Tagungsformat mit einem vorgeschalteten Workshop. Karin Holste-Flinspach, Frankfurt am Main Nachrichten Neue Website für »Lesen macht stark« Berlin. Seit Juli ist der neue Kampagne »Netzwerk Bibliothek« gestartet Berlin. »Netzwerk Bibliothek« ist eine Kampagne, die digitale Services, Angebote und Veranstaltungen der Bibliotheken für die nächsten drei Jahre sichtbar macht. W-Lan, E-Learning, EBook-Ausleihe, Internetführerscheine, Gamelounges, OnlineDatenbanken, Open Access, Science 2.0, Apps, Netzwerke, Lernplattformen und soziale Medien: Diese und viele weitere Angebote sind es, über die die Öffentlichkeit noch mehr erfahren soll. Die neue KampagnenWebseite ist mit einer Betaversion am 1. Oktober gestartet, die Vollversion geht am 23. April 2015 online. Weitere Informationen unter: www.bibliotheks verband.de/dbv/kampagnen/ netzwerk-bibliothek.html Dossier zu TTIP Berlin. Die täglich erscheinen- den Hintergrundinformationen und die seit Sommer vergangenen Jahres in der Zeitung des Deutschen Kulturrates »Politik & Kultur« erschienen Beiträge zu den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) sind ab sofort in einem Dossier des Deutschen Kulturrats (www.kulturrat.de/dossiers/ttip-dossier.pdf) gesammelt. Die Beiträge spiegeln die verschiedenen Diskussionsphasen zu TTIP wider und geben damit einen Einblick in die politische Debatte zu diesem Abkommen. Das Freihandelsabkommen würde auch für Bibliotheken gravierende Änderungen mit sich bringen. Einzelheiten und Hintergründe zu TTIP wird BuB deshalb in einem eigenen Themenschwerpunkt in der kommenden Ausgabe vorstellen. Internetauftritt zum Projekt »Lesen macht stark: Lesen und digitale Medien« online: www. lesen-und-digitale-medien.de. Auf der Website finden sich übersichtlich aufbereitet die wichtigsten Informationen zum Projekt, zur Antragsstellung und zur Durchführung. Zahlreiche Praxisbeispiele verschaffen einen Überblick über die vielfältigen Aktionen und bieten Anreiz und Inspiration für eigene Projektumsetzungen. Zusätzlich werden Tipps, Handreichungen und Links rund um das Thema »Leseförderung mit digitalen Medien« zur Verfügung gestellt. Nachlass von Fischer-Dieskau Berlin. Der Nachlass des vor zwei Jahren verstorbenen Sängers, Dirigenten und Schriftstellers Dietrich Fischer-Dieskau wurde der Staatsbibliothek zu Berlin von seiner Witwe Julia Varady als Geschenk übergeben. Noch zu Lebzeiten hatte Fischer-Dieskau (1925–2012) verfügt, dass sein Nachlass in seiner Heimatstadt Berlin, wo er viele Höhepunkte seines Schaffens erlebt hatte, verbleiben und dort der Forschung zur Verfügung stehen soll. Fischer-Dieskau wurde auf den großen Bühnen der westlichen Welt als herausragender Lied- und Opernsänger gefeiert. Als Schriftsteller befasste er sich vielfach mit Musiktheorie und -geschichte. Seit 1983 hatte er eine Professur an der Hochschule der Künste Berlin inne. Der Inhalt von über 100 Nachlasskisten wird jetzt gesichtet und für die Erfassung in der Datenbank der Nachlässe vorbereitet. Neues Bibliotheksgesetz Den Haag (Niederlande). Das niederländische Parlament hat ein neues Gesetz für Öffentliche Bibliotheken verabschiedet. Kernpunkt ist die Anpassung der bisherigen gesetzlichen Re- 677 678 BuB | Foyer gelungen im Bibliotheksbereich an die digitale Realität. Unter anderem werden der Umfang der künftigen digitalen Bibliothek in den Niederlanden und ihre Finanzierung geregelt. Darüber hinaus soll mit dem neuen Gesetz die Zusammenarbeit aller Beteiligten im nationalen Bibliotheksnetz verbessert und vor allem die Abstimmung mit der Nationalbibliothek erleichtert werden. Wenn der niederländische Senat im Herbst dem Gesetz zustimmt, dann wird es zum 1. Januar 2015 in Kraft treten. Protestbrief an Elsevier Den Haag (Niederlande). Be- Nachrichten Öffentliche Bibliothek Auszeichnung für Gemeindebibliothek Grünwald Die Landesfachstelle für öffentliche Bibliotheken/Bayerische Staatsbibliothek hat – wie auch in den Jahren zuvor – einen Leistungsvergleich bayerischer Öffentlicher Bibliotheken erstellt. In der Kategorie der Kommunen von 10 000 bis 20 000 Einwohnern belegt die Gemeindebibliothek Grünwald wieder den Spitzenplatz und punktet vor allem bei den entliehenen Medien. 22,4 Medien hat jeder Grünwalder Bürger 2013 durchschnittlich ausgeliehen. Das wird von keiner Öffentlichen Bibliothek in Bayern übertroffen und zeigt, dass die Gemeindebibliothek mit ihrem aktuellen und kundenorientierten Bestand richtig liegt. Acht Euro Erwerbungsetat investiert die Gemeinde Grünwald pro Einwohner. Auch die veröffentlichten BIX-Ergebnisse 2014 bestätigen die Leistungen der Grünwalder Gemeindebibliothek: Es gab dreimal Gold – für die Kategorien »Angebote«, »Nutzung« und »Entwicklung«. reits Anfang Juli hat LIBER zusammen mit 17 weiteren Organisationen aus Forschung und Bibliothekswesen in Europa mit einem offenen Brief die Elsevier-Verlagsgruppe zur Revision ihrer aktuellen Strategie zu Text and Data Mining (TDM) aufgefordert. Mittlerweile wird dieses Anliegen von mehr als 30 weiteren UnterzeichnerInnen unterstützt, darunter 33 Fachgruppen sowie Einzelpersonen aus Forschung, Lehre und Bibliothek in 18 europäischen Ländern. Elsevier reagierte schon im Juli mit einem Antwortschreiben. Dennoch ist es Institutionen und Fachleuten Das Team der Gemeindebibliothek Grünwald mit Bürgermeister Jan weiterhin möglich, die Initiative Neusiedl (Mitte) und Bibliotheksleiterin Gabriele Oswald (Zweite durch ihre Unterschrift mitzuvon rechts) Foto: Gemeinde Grünwald tragen. Weitere Informationen: www.bibliotheksportal.de/ser vice/nachrichten/einzelansicht/ article/text-and-data-mininginternationaler-protestbrief-an- im höchsten Grade demonst- Metadaten über Periodika riert, die sich auszeichnet durch unter CC0 1.0 verfügbar elsevier.html Kreativität und Innovation bei der Entwicklung spezieller Ge- Frankfurt am Main. Bereits Bibliothek meinschaftsprogramme und seit Juni ist der größte Teil der des Jahres 2014 vor allem auch durch einen Metadaten der ZeitschriftendaEdmonton (Kanada). Die Pub- dramatischen Anstieg der Bib- tenbank (ZDB) unter den Belic Library in Edmonton ist von liotheksbenutzung sowie die dingungen »Creative Commons der Zeitschrift »Library Journal« hohe Anzahl von Programmen, Zero (CC0 1.0)« verfügbar. Daund dem Verlag Gale Cenga- die von anderen Bibliotheken mit sind rund 1,7 Millionen Tige Learning zur »Library of the übernommen werden können. teldaten in allen Sprachen und Year 2014« ernannt worden. Es Das Bibliotheksdesign und die ohne zeitliche Einschränkung ist das erste Mal, dass eine Bib- Innenausstattung der Sieger- mit über 13 Millionen Besitzliothek außerhalb der USA diese Bibliothek ist wesentlich vom nachweisen für die WeiterverAuszeichnung erhält. Der Preis deutschen Bibliothekszulieferer wendung freigegeben. Die Freiehrt eine Bibliothek, die den Schulz Speyer entworfen wor- gabe bezieht sich ausdrücklich Dienst an der Gemeinschaft den. auch auf die kommerzielle Nut- zung. Durch diesen Schritt wird die Nachnutzung der qualitativ hochwertigen Metadaten der weltweit größten Datenbank für Titel- und Besitznachweise fortlaufender Sammelwerke, also von Zeitschriften, Zeitungen, Schriftenreihen und anderen periodisch erscheinenden Veröffentlichungen in gedruckter und elektronischer Form, für jedermann möglich. Betrieb und Weiterentwicklung der ZDB erfolgt in gemeinsamer Verantwortung durch die Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz und die Deutsche Nationalbibliothek. Tochtermann berufen Kiel/Hamburg. Professor Klaus Tochtermann, Direktor der Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften (ZBW) und Professor für Neue Medientechnologien am Institut für Informatik an der Universität Kiel, ist von der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) in den Rat für Informationsinfrastrukturen berufen worden. Tochtermann ist bereits aktiv im Ausschuss für wissenschaftliche Bibliotheken und Informationssysteme (AWBI) der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Mit der Berufung durch die GWK ist die ZBW nun in relevanten nationalen Gremien vertreten, um in den nächsten Jahren deutsche Forschungspolitik mitzugestalten. Kostbarer Atlas erworben München. Mit Unterstützung durch die Kulturstiftung der Länder und weitere Förderer konnte die Bayerische Staatsbibliothek für rund 1,4 Millionen Euro einen kostbaren Sammelatlas aus Privatbesitz erwerben. Dieser sogenannte Lafreri-Atlas enthält 191 Karten von den namhaftesten italienischen Kartenstechern, vor allem aus dem Haus Bertelli. Durch den Ankauf wurden die Zerlegung und der Einzelverkauf verhindert. Antonio Lafreri (1512–1577) war ein italienischer Verleger und Kartenhändler, der erstmals BuB | 66 (2014) 10 Foyer | BuB Termine Atlanten in einem einheitlichen Format herausgab. Im Gegensatz zu neueren Verlagsatlanten sind solche Sammelatlanten fast durchweg Unikate. Das Kartenwerk beinhaltet unter anderem die erste gedruckte großmaßstäbige Karte Südamerikas und die Oktober erste Karte Nordamerikas, die erstmals auch die NordwestpasVon Hashtag-Usern, Nerds sage zeigt. Fortbildung Neue Zensurfälle in Singapur Singapur. Die staatlichen Behörden haben im Juli zwei Kinderbücher über gleichgeschlechtliche Paare aus den Büchereien verbannt. Das Vorgehen des nationalen Bibliotheksamtes löste eine Welle des Protests aus, wie die »taz« am 11. Juli berichtete. Homosexualität ist in dem konservativ-autoritären Stadtstaat verboten. Eines der beiden Bilderbücher erzählt von zwei männlichen Pinguinen, die gemeinsam ein Junges aufziehen. Das Bibliotheksamt begründete sein Vorgehen mit einem »familienfreundlichen« Ansatz bei der Auswahl der Kinderbücher. Im vergangenen Jahr hatte der größte internationale Kongress der Bibliothekare, der IFLAWeltkongress, in Singapur stattgefunden. Zentrale Themen der IFLA-Beratungen sind in jedem Jahr die Meinungs- und Informationsfreiheit. und Gamern – Twitterlesung, Gaming-Events Co. 6. Oktober – Hannover, Akademie des Sports · BuB 9/2014 Gut geplant ist halb gewonnen: Projektmanagement light 7. Oktober – Lüneburg, Büchereizentrale Niedersachsen · BuB 9/2014 Gut geplant ist halb gewonnen: Projektmanagement light 8. Oktober – Leer, Stadtbibliothek · BuB 9/2014 Kamishibai – Der praktische Umgang mit Kamishibai 9. Oktober – Halle (Saale), Landesverwaltungsamt · BuB 9/2014 ZBIW-Seminar: Open Educational Resources 9. Oktober – Köln, Fachhochschule, GWZ · BuB 9/2014 Auswahlkriterien und Neue Romane 2014 in und für Öffentliche Bibliotheken 13. Oktober – Kassel, Hessische Fachstelle · BuB 9/2014 Aufbauseminar zu »Lese Start« – Leseförderung (Arbeitstitel) 13. Oktober – Bad Homburg, Stadtbibliothek · BuB 9/2014 Phantastisches Programm Die Programmbroschüre für das zweite Halbjahr 2014 der Phantastischen Bibliothek in Wetzlar ist erschienen. Die Broschüre kann ab sofort unter www.phantastik.eu abgerufen werden. BuB | 66 (2014) 10 Ausschreibung Call for Papers zum Innovationsforum 2015 Die Kommission für Ausbildung und Berufsbilder des Berufsverbands Information Bibliothek (BIB) lädt in Zusammenarbeit mit der Zeitschrift »B.I.T. online« ein, Studienprojekte oder Bachelor- und Masterarbeiten aus dem Bereich Bibliothek, Information und Dokumentation auf dem nächsten Bibliothekartag vom 26. bis 29. Mai 2015 in Nürnberg persönlich vorzustellen. Von den eingereichten Arbeiten werden drei für die Präsentation in Nürnberg ausgewählt. Jede präsentierte Bachelor-, Master- beziehungsweise Projektarbeit erhält den B.I.T.-online-Innovationspreis und wird mit 500 Euro prämiiert. Geeignete Arbeiten werden in der Buchreihe »B.I.T. online innovativ« veröffentlicht. Lebenslange Leselust: Vorlesen für Senioren 15. Oktober – Lüneburg, Büchereizentrale Niedersachsen · BuB 9/2014 Ehrenamt – Wie kann ehrenamtliches Engagement in Bibliotheken gelingen? 16. Oktober – Magdeburg, Stadtbibliothek · BuB 9/2014 Lesen macht Spaß – Lesestart Grundlagenseminare 16. Oktober – Fulda, Bibliothek des Priesterseminars · BuB 9/2014 Gut geplant ist halb gewonnen: Projektmanagement light 14. Oktober – Diepholz, Mediothek · BuB 9/2014 Fit fürs E-Book 20. Oktober – ClausthalZellerfeld, Stadtbibliothek · BuB 9/2014 E-Books in Wissenschaftlichen Bibliotheken – erwerben, erschließen, präsentieren 14.–15. Oktober – Berlin, FU · BuB 9/2014 Bibliotheksmanagement – Modul 3: Markt- und Nutzerforschung für Praktiker 20.–21. Oktober – Berlin, FU · BuB 9/2014 Die Preisträger erhalten darüber hinaus eine einjährige kostenlose Mitgliedschaft im BIB. Nutzen Sie diese Chance, sich und Ihre Arbeit der Fachwelt bekannt zu machen. Bitte senden Sie schon jetzt, aber spätestens bis zum 15. Dezember eine Kurzfassung (circa zehn Seiten) Ihrer Arbeit beziehungsweise Ihres Projektes und deren Bewertung sowie das Inhalts- und das Literaturverzeichnis, außerdem Ihren Lebenslauf vorzugsweise per E-Mail an die Kommissionsadresse: BIB-Kommission für Ausbildung und Berufsbilder, c/o Karin Holste-Flinspach, Stauffenbergschule Frankfurt am Main, Arnsburger Straße 44, 60385 Frankfurt am Main, [email protected] Effektiv recherchieren 21. Oktober – Oldenburg, Landesbibliothek · BuB 9/2014 ZBIW-Seminar: Schreiben für das Web 22.–23. Oktober – BergischGladbach, Kardinal Schulte Haus · BuB 9/2014 Kann denn Lesen männlich sein? Leseförderung für Jungen 23. Oktober – Lüneburg, Büchereizentrale Niedersachsen · BuB 9/2014 BIBBarCamp 2014: »Es gibt keine BesucherInnen, nur TeilnehmerInnen« 25. Oktober – München, Stadtbibliothek Hasenbergl · BuB 9/2014 ZBIW-Seminar: Datensicherheit und Datenhaltung in Bibliotheken 679 680 BuB | Foyer 27. Oktober – Köln, Fachhochschule, GWZ · BuB 9/2014 Workshop: Practice your English 27.–28. Oktober – Berlin, FU · BuB 9/2014 ZBIW-Seminar: Suchportale und Discovery Services 29. Oktober – Köln, Fachhochschule, GWZ · BuB 9/2014 Basiskurs allegro-OEB: Das Ausleihmodul 29. Oktober – Lüneburg, Büchereizentrale Niedersachsen · BuB 9/2014 ZBIW-Seminar: Effective communication for teaching librarians: presenting, telling, and explaining 30. Oktober – Köln, Fachhochschule, GWZ · BuB 9/2014 ZBIW-Seminar: Laterale Führung 30.–31. Oktober – BergischGladbach, Kardinal Schulte Haus · BuB 9/2014 November Englisch für Bibliothekare 4. November – Erfurt, Stadtund Regionalbibliothek · BuB 9/2014 Workshop für die Musikbibliothekar/innen der öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken in Thüringen 5. November – Jena, ErnstAbbe-Bücherei · BuB 9/2014 Neues vom Buchmarkt: Belletristik und Kinder- und Jugendliteratur 10. November – Langenhagen, Stadtbibliothek · BuB 9/2014 Zukunft der Bibliotheken – Baustelle der Zukunft 10. November – Frankfurt, Regionalverband RheinMain · BuB 9/2014 Termine Neues vom Buchmarkt: Belletristik und Kinder- und Jugendliteratur 11. November – Lüneburg, Büchereizentrale Niedersachsen · BuB 9/2014 Fernleihe in Thüringer Bibliotheken 12. November – Jena, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek · BuB 9/2014 Hybrid – Interaktive Spiele und Bücher mit Mehrwert 14. November – Oldenburg, Kulturzentrum PFL · BuB 9/2014 Zielgerichtet führen ohne Vorgesetztenfunktion 17. November – Fellbach, Stadtbücherei Veranstalter: BIB-Landesgruppe Baden-Württemberg in Kooperation mit der Stadtbücherei Fellbach Gebühr: 40 Euro für Mitglieder des BIB, 80 Euro für Nichtmitglieder Anmeldung: Mail: [email protected], Telefon: 07 11/8 82 75 44 Weitere Informationen: http://www.bib-info.de/lan desgruppen/baden-wuert temberg/veranstaltungen. html Symposium HdM weiht neues Gebäude mit Fachsymposium ein Die Hochschule der Medien (HdM) feiert am 5. und 6. Dezember die Einweihung ihres neuen Gebäudes auf dem Hochschulcampus in StuttgartVaihingen. Der Studiengang Bibliotheks- und Informationsmanagement richtet dazu am Freitag, dem 5. Dezember, ein hochkarätig besetztes Fachsymposium aus. Metadatenmanagement, Informations- und Wissensräume der Zukunft, Vermittlung von Medienkompetenz, Marketing und Nutzungsmessung elektronischer Dienstleistungen und Medien, Qualitätsmanagement und Organisationsentwicklung – diese Stichworte umreißen das Themenspektrum, das das Symposium abdecken wird. HdM-Professorinnen und Professoren präsentieren in sechs Themenblöcken aktuelle Arbeits- und Forschungsergebnisse und laden zur Diskussion darüber ein. In jedem Themenblock wurden nationale und internationale Experten als Keynote-Speaker gewonnen, die die Vernetzung mit der Fach- community sichtbar machen, etwa Rob Bruijnzeels (Ministry of Imagination, Niederlande), Jens Mittelbach (SLUB Dresden), Barbara Schneider-Kempf (Staatsbibliothek zu Berlin) oder Raphaela Müller und Astrid Meckl von der Stadtbibliothek München. »Das Symposium verbindet eine spartenübergreifende Fachtagung zu aktuellen Themen mit der Gelegenheit zum fachlichen Austausch«, freut sich Organisatorin Prof. Cornelia Vonhof. Außerdem besteht die Möglichkeit, das architektonisch attraktive Hochschulgebäude kennenzulernen, in dem auch die neue Hochschulbibliothek untergebracht ist. Der CAMPUS-KICK-OFF wird mit einem »Tag der offenen Tür« am 6. Dezember ab 10 Uhr fortgesetzt. Das ausführliche Programm sowie die Möglichkeit zur Online-Anmeldung ist seit Anfang Oktober auf der Website der HdM zu finden: www.hdmstuttgart.de/bi oder www.hdmstuttgart.de/campuskickoff Internet-Recherche – Aufbaukurs: Schwerpunkt »Offene Formate« und Multimedia 18. November – Hannover, Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek · BuB 9/2014 Allegro-OEB Workshop Erwerbung 19. November – Lüneburg, Büchereizentrale Niedersachsen · BuB 9/2014 Effektiv recherchieren im Internet 19.–20. November – Hannover, Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek · BuB 9/2014 Neues vom Buchmarkt: Belletristik und Kinder- und Jugendliteratur 24. November – Bad Zwischenahn, Haus Brandstätter · BuB 9/2014 Der demographische Wandel und die Bibliotheken: Bibliotheksangebote für die Generation 55plus 24. November – Wolfenbüttel, Stadtbücherei im Kulturbahnhof · BuB 9/2014 WEGA-PraxisSeminar: Stärken kennen, Stärken nutzen … mit dem ProfilPASS®System für Berufsrückkehrer/ innen, die berufliche Neuorientierung und in Bewerbungssituationen 24. November – Bamberg · BuB 9/2014 Gestern Kollege – heute Vorgesetzte/r. Managementseminar für (zukünftige) Führungskräfte in Bibliotheken 24.–26. November – Berlin, FU · BuB 9/2014 Der demographische Wandel und die Bibliotheken: Bibliotheksangebote für die Generation 55plus 25. November – Lüneburg, Büchereizentrale Niedersachsen · BuB 9/2014 Einführungskurs bibliothekarisches Grundwissen für Neuund Seiteneinsteiger 25.–27. November – Erfurt, BuB | 66 (2014) 10 Foyer | BuB Termine 4. DGI-Praxistage Compliance in der Unternehmenspraxis Am 20. und 21. November finden in Frankfurt am Main die 4. DGI-Praxistage zum Thema »Compliance in der Unternehmenspraxis« statt. Für die meisten Unternehmen ist es eine Verpfl ichtung, Compliance, die Einhaltung von Regeln, Kodizes, Grundsätzen, durch entsprechende Maßnahmen im Unternehmen zu managen. Dabei ist es nicht immer einfach, alle Regeln zu kennen, die einen betreffen könnten. Die Veranstaltung beginnt mit einem Kamingespräch am 20. November zum Thema »Zau- berwort Compliance – kommt jetzt die moralische Wende?« das von Reinhard Karger, dem Präsidenten der DGI und Unternehmenssprecher des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI), moderiert wird. In den Vorträgen am 21. November präsentieren Praktiker aus den Bereichen Produkt-Compliance, IT, Datenschutz und dem Informationssektor neue Ideen und Perspektiven für die Branche. Weitere Informationen gibt es unter: www.dgi-info.de (Veranstaltungen) Landesfachstelle für Öffentliche Bibliotheken · BuB 9/2014 Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek Veranstalter: Zentrum für Aus- und Fortbildung der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek Referentin: Julia Bergmann, Bremen Anmeldung: (bis 4. November) Matthias Prüfer, Niedersächsische Landesbibliothek, Zentrum für Aus- und Fortbildung, Waterloostr. 8, 30169 Hannover, Telefon: 05 11/12 67-383, Fax: -208 Dezember Alle Jahre wieder: Deutsche Bibliotheksstatistik 2014 1. Dezember – Wiesbaden, Hessische Fachstelle Veranstalter: Hessische Fachstelle für Öffentliche Bibliotheken Referent: Alexander Budjan, Hessische Fachstelle Anmeldung: Hessische Fachstelle, Standort Wiesbaden, Jens Krauß, Telefon: 06 11/94 95-18 72, Mail: [email protected] oder Standort Kassel, Veronika Bruckner, Telefon: 05 61/10611 87, Mail: [email protected] Fachtagung für Bibliotheksleiter in Öffentlichen Bibliotheken: Was Zahlen sagen – Auswertungshinweise und –tipps zur Arbeit mit der Statistik 3. Dezember – Erfurt, Landesfachstelle für Öffentliche Bibliotheken Veranstalter: Landesfachstelle für Öffentliche Bibliotheken in Effektiv recherchieren – Thüringen Update Leitung: Sabine Brunner, LeiZielgruppe: Teilnehmer des Kurses »Effektiv recherchieren terin der Fachstelle im Internet«, die an einem der Anmeldung: (bis 5. NovemSeminare vor 18 Monaten teil- ber) Landesfachstelle für Öffentliche Bibliotheken in genommen haben Thüringen, Sabine Brunner, 2. Dezember – Hannover, BuB | 66 (2014) 10 Schillerstr. 40, 99096 Erfurt, Telefon: 03 61/26 28 93 70, Fax: 03 61/26 28 93 79, EMail: [email protected] Digitales Recht: Spielregeln für den Umgang mit E-Book, Social Media und WLAN 3. Dezember – Lüneburg, Büchereizentrale Niedersachsen Veranstalter: Büchereizentrale Niedersachsen Referent: Dr. Harald Müller Anmeldung: (bis 12. November) Büchereizentrale Niedersachsen, Lüner Weg 20, 21337 Lüneburg, Telefon: 0 41 31/95 01-0, Fax: 95 0124, E-Mail: info@bz-nieder sachsen.de Umgang mit »schwierigen« Bibliotheksnutzerinnen und –nutzern 8. Dezember – Hamburg, ZBW Veranstalter: BIB-Landesgruppe Hamburg gemeinsam mit der BIB-Landesgruppe Schleswig-Holstein Referent: Dr. Martin Eichhorn, selbstständiger zertifizierter Trainer Gebühr: 70 Euro für BIB-Mitglieder, 140 Euro für Nichtmitglieder Anmeldung: (bis 3. November) BIB-Landesgruppe Hamburg, Ines Wanke, E-Mail: lv_ [email protected], http:// www.bib-info.de/ausfortbil dung/fortbildung/fortbildungs kalender.html Everyday English for librarians 8.–9. Dezember – Berlin, FU Veranstalter: FU-Weiterbildungszentrum Referent: Mark Edwards Gebühr: 120 Euro Anmeldung: FU Berlin, Weiterbildungszentrum, Telefon: 030/83 85 14 58, E-Mail: bib [email protected], www.fu-berlin.de/ wbz/bib Bibliotheksmanagement – Modul 4: Personalentwicklung und Changemanagement 11.–12. Dezember – Berlin, FU Veranstalter: FU-Weiterbildungszentrum Referent/innen: Prof. Dr. Konrad Umlauf, Stefanie Kunz, Pascale Meyer, Dr. Carola Schele-Wolff Gebühr: 260 Euro Anmeldung: FU Berlin, Weiterbildungszentrum, Telefon: 030/83 85 14 58, E-Mail: bib [email protected], www.fu-berlin.de/ wbz/bib 681 682 BuB | Foyer Anzeige Firmenselbstporträt Missing Link Handeln im Wandel 1991 hätte wohl kaum jemand gedacht, dass eine Buchhandlung, die Bibliotheken beliefert, eine eigene umfangreiche ITAbteilung braucht und mehr Server im Rechenzentrum hat als PCs in ihren Büros. Zum Zeitpunkt der Gründung von Missing Link wurden gerade die ersten Emails versendet, elektronische Daten gelangten durch wild piepende Modems zum Empfänger und silberne Scheiben mit digitalen Inhalten waren der letzte Schrei. »Handel ist ein wenig wie Fußball«, sagt Klaus Tapken, einer der Gründer des BiblioMissing Link baut sein weitverzweigtes Netz von Vertriebspartnern und Verlagen ständig aus. theklieferantens, »über den Erfolg auf dem Feld entscheiden Auf- und Einstellung der Spieler.« Daher wurde von Beginn an nicht an der Aufstellung gespart, um Zuverlässigkeit und Schnelligkeit bei der Belieferung der wissenschaftlichen Bibliotheken zu gewährleisten und die Produkte – verpackt in einem Rundum-Sorglos-Paket – zu maßgeschneiderten Konditionen anbieten zu können. Das Wichtigste im Handel ist partnerschaftlicher Umgang und die Selbstverständlichkeit, durch die Augen des Partners schauen zu können. Alle Innovationen werden auf die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden ausgerichtet. Den Bibliotheken die Arbeit und das Wirtschaften zu erleichtern, stand immer im besonderen Fokus bei Missing Link. Dafür war und ist es notwendig, sich so flexibel aufzustellen, dass schnell und adäquat nicht nur auf die neuesten Entwicklungen reagiert werden kann, sondern dass solche Entwicklungen selbst angestoßen werden können. Bibliographiedaten sind kein Geheimnis Ein großer Schritt für die Umsetzung der Servicewünsche der Kunden war 1995 auch der Start der Vertriebspartnerschaft mit Book Data, heute Nielsen Book. Sie versetzte Missing Link in die Lage, nicht allein Bücher, Fortsetzungen und Zeitschriften und deren digitale Ausgaben zu liefern, sondern auch die Bibliographiedaten zu vertreiben. Diese 25 Millionen Titel-Daten sind heute zum Beispiel für eine nutzergesteuerte Erwerbung mit Tiefgang im Bereich der englischsprachigen Printbücher unverzichtbar. Im Missing Link-Portal eBiml stehen sie den Kunden zum Bibliographieren umsonst zur Verfügung. Services für das gedruckte Buch Da der Handel mit gedruckten Büchern den Hauptanteil des Kerngeschäftes ausmacht und Missing Link sein weitverzweigtes Netz von Vertriebspartnern und Verlagen ständig ausbaut, sind und waren Innovationen auch darauf ausgerichtet, die Buchbestellung und -berechnung sowie die technische Buchbearbeitung für alle Seiten so komfortabel wie möglich zu gestalten. Schon 1999 wurde ein elektronisches Bestell- und Alerting © Tobias Keppler System zusammen mit einem großen Bibliothekskunden entwickelt, das seit seiner Überführung ins Online-Portal eBiml enorme Nutzung erfährt und vielfach kopiert wurde. Sie eignet sich auch als Erwerbungsplattform und kann die Bestelldaten für einen Reimport in das Kundensystem zur Verfügung stellen. Durch die Freihandeingabe können Bestellwünsche von Titeln, die nicht in den den großen internationalen und nationalen Bibliographien nachgewiesen werden, ebenfalls digital übermittelt werden. BuB | 66 (2014) 10 Foyer | BuB Anzeige Das eBook Elektronische Bücher für die Nutzung in Bibliotheken starteten zunächst 2002 mit einem Pilotprojekt bei Taylor & Francis. Aber erst das Springer Paket-Angebot 2006 ermöglichte ihnen in den deutschsprachigen Länder den umfänglichen Einzug in die Kataloge. Missing Link hat deshalb bereits 2006 den Bremer eBook-Tag ins Leben gerufen, um für Bibliotheken und Verlage eine Plattform für den Austausch von Informationen und Entwicklungen im eBook-Markt zu schaffen. Diese mittlerweile zu einer festen Institution gewordene Veranstaltung findet alle 14–17 Monate statt und bietet an zwei bis drei Tagen die Möglichkeit, sich über aktuelle Fragen zu informieren und auszutauschen. Der nächste Bremer eBook-Tag ist Anfang März 2015. finden und dienen dabei auch als Auswahlgrundlage für sowohl nutzergesteuerte (PDA) als auch zugriffsgesteuerte (Evidence-based Selection) eBookErwerbung. Auch öffentliche Bibliotheken haben die MyiLibrary-eBooks für Ihre Nutzer bereits entdeckt. Elektronische Zeitschriften Und gerade für die öffentlichen Bibliotheken ist auch der neue Partner von Missing Link eine Bereicherung. Zinio ist eine Plattform für die Ausleihe von zur Zeit etwa 1000 populären Zeitschriften wie National Geographic, Economist und Rolling Stone. Die Einzelhefte bleiben auf dem Nutzer-Device ständig zur Verfügung. Nachdem Dänemark bereits ein landesweites Konsortium abgeschlossen hat, wird Zinio nun von Missing Link auch im deutschsprachigen Raum vorgestellt. eBook-Portal Missing Link Die Eigenentwicklung des miliBib-Portals, das sowohl ein Online-Opac als auch eine Bibliographie für eBooks ist, war Pilot in den DACH-Ländern und wurde auf dem ersten eBook-Tag aus der Taufe gehoben. Es hat mit über 725 000 Nachweisen von campusfähigen eBooks den größten Bestand von vergleichbaren Händlerplattformen und wird auch besonders in Fachhochschulen als eOpac für die Nutzer eingesetzt. Bei allen Innovationen und Produktentwicklungen bleibt der Fokus von Missing Link stets darauf gerichtet, den Kunden Buch, eBook und Zeitschriften mit dem größtmöglichen Service und den besten Konditionen zu beschaffen. Die unabhängige Bremer Buchhandlung mit Ihren 43 fast ausschließlich langjährigen Mitarbeitern versteht sich als partnerschaftlicher Dienstleister für alle, die wissenschaftliche Inhalte zugänglich machen und verbreiten wollen. Einzelne eBooks von MyiLibrary Zeitgleich mit dem Start der miliBib begann 2006 die Kooperation mit der Aggregator-Plattform MyiLibrary. Auslöser war die Nachfrage nach eBooks, die einzeln erworben werden sollten aber von manchen Verlagsplattformen so nicht angeboten werden. Heute sind die weit über eine halbe Million eBooks von MyiLibrary in mehr als hundert Bibliotheken in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu BuB | 66 (2014) 10 Markt In der Rubrik »Markt« werden Pressemitteilungen von Unternehmen und Dienstleistern – ohne redaktionelle Bearbeitung – veröffentlicht. Die Redaktion behält sich vor, Beiträge auszuwählen und zu kürzen. Nomos: Enzyklopädie Europarecht bis Anfang 2015 abgeschlossen pr. – Die Enzyklopädie Europarecht – EnzEuR – des Nomos Verlags legt in zehn aufeinander abgestimmten Bänden eine in dieser Form einmalige Gesamtdarstellung des Europarechts vor. Nomos reagiert damit auf den zunehmenden Einfluss des europäischen Rechts auf die nationalen Rechtsordnungen und untermauert zugleich seine führende verlegerische Position im Europarecht. Die Edition wird bis Anfang 2015 abgeschlossen sein. Nahezu 200 herausragende Autorinnen und Autoren aus Wissenschaft und Praxis stellen den gesamten Bestand des Europarechts unter dem Postulat der Einheit systematisch dar. In der Behandlung ihrer Gegenstände schreitet das Werk von den positiven konzeptionellen Grundlagen über die sich daraus ableitenden allgemeinen Regeln zu den Einzelfragen fort. Ausgehend von einem organisatorischen und rechtskategorialen Kristallisationskern der europäischen Integration (Bände 1–3) fächert die Enzyklopädie sodann die Kernbereiche des materiellen europäischen Gemeinschaftsbeziehungsweise Unionsrechts auf (Bände 4–8) und behandelt schließlich die Auswirkungen im Recht der inneren Sicherheit und der Außenbeziehungen (Band 9–10). Jeder Einzelband ist dabei selbstständig nutz- und beziehbar. Die auf über 12 000 Seiten angelegte Gesamtdarstellung nahm zu Beginn 2013 mit dem Band »Europäisches Sektorales Wirtschaftsrecht« (Band 5) ihren Anfang. In Abfolge sind die Bände »Europäisches Organisations- und Verfassungsrecht« (Band 1), »Europäischer Grundrechteschutz« (Band 2), »Europäisches Rechtsschutzund Verfahrensrecht« (Band 3), »Europäisches WirtschaftsordNahezu 200 herausragende Autorinnen und Autoren aus Wissenschaft und Praxis stellen den gesamten Bestand des Europarechts unter dem Postulat der Einheit systematisch dar. nungsrecht« (Band 4), »Europäische Querschnittpolitiken« (Band 8), »Europäisches Strafrecht mit polizeilicher Zusammenarbeit« (Band 9) und »Europäische Außenbeziehungen« (Band 10) erschienen. Band 6, das »Europäische Privat- und Unternehmensrecht«, sowie Band 7, das »Europäische Arbeits- und Sozialrecht«, beschließen dann nach nur zwei Editionsjahren die erste Auflage eines großen Gesamtwerkes, herausgegeben von Prof. Armin Hatje (Universität Hamburg) und Prof. Peter-Christian Müller-Graff (Ruprecht-KarlsUniversität Heidelberg). Die Gesamtredaktion liegt bei Prof. Jörg Philipp Terhechte (Leuphana Universität Lüneburg). www.enzyklopaedieeuroparecht.de/ 683 684 BuB | Foyer Markt ekz Gutes Umsatzergebnis und viele neue Ideen ekz-Gruppe gestaltet gemeinsam mit ihren Kunden die Bibliotheksrollen der Zukunft Aufeinander abgestimmte Konzepte und ganzheitliche Bibliotheksplanung – darauf hat sich die ekz-Gruppe spezialisiert. »Mit dem diesjährigen Motto ›Bibliothekswelten gemeinsam gestalten‹ wollen wir unterstreichen, dass die Unternehmen der ekz-Gruppe zusammen mit den Bibliotheken an deren Zukunft arbeiten«, betonte ekzGeschäftsführer Jörg Meyer bei einer Pressekonferenz im August in Reutlingen. Die ekz und ihre Tochterunternehmen divibib, EasyCheck und NORIS haben die Erwartungen ihrer Kunden bereits im vergangenen Jahr nicht nur erfüllt, sondern immer wieder übertroffen. Dies zeigt das hervorragende Unternehmensergebnis für 2013. »Mit 53 Millionen Euro Gesamtumsatz reiht sich das Vorjahr in die erfolgreichsten Jahre der Firmengeschichte ein«, freut sich Meyer. Zum Gruppenergebnis trägt die ekz.bibliotheksservice GmbH rund 44 Millionen Euro bei. Einen besonderen Schwerpunkt setzte die ekz in den letzten Wochen mit der Frage nach den wichtigsten »Zukunftsrollen der Bibliotheken im Jahr 2020«. Sowohl auf dem Deutschen Bibliothekartag in Bremen im Juni 2014 als auch bei der diesjährigen Kundenbefragung stellte die ekz den Bibliothekarinnen und Bibliothekaren mehrere Zukunftsmodelle zur Wahl. Favoriten bei der Kundenbefragung waren »Haus der Bücher und der Medienvielfalt«, »Zentrum für Wissen, Information und Beratung« sowie »Öffentlicher Raum für Begegnung und Aufenthalt«. Beim Voting in Bremen stand das »Wissens- und Beratungszentrum« bei den 641 Befragten an erster Stelle. »Die Zukunftsdiskussion ist für die ekz-Gruppe besonders wichtig, um sich auf die künftigen Erwartungen Öffnungszeiten eine große Bedeutung. Daher bietet die ekzTochter EasyCheck GmbH & Co. KG seit Juni das innovative technikgestützte Zutrittskontrollsystem »Die Offene Bibliothek« an. Dieses macht es möglich, dass Bibliotheken auch an Sonn- und Feiertagen, in den Abend- und Nachtstunden oder frühmorgens ihren Service anbieten können – ohne zusätzlichen Personalaufwand. Dabei kooperiert das Technologieunternehmen exklusiv mit dem dänischen Softwarehaus Cordura A/S, das in Skandinavien mit seiner Lösung Markt- Komplettpaket für die Stadtbibliothek Sindelfingen: Ausstattung, Zubehör, Onleihe, RFID und Medien sind von der ekz-Gruppe. Foto: ekz der Bibliotheken und ihrer Nutzer einzustellen«, erläuterte Andreas Mittrowann, Bibliothekarischer Direktor der ekz. Ein Blick in die Zukunft wagte die ekz auch mit ihrem Ideenwettbewerb 2014 »LERN_RAUM_ATMOSPHÄRE«, der nach innovativen Lernräumen fragte. Bereits seit einigen Jahren ist der Lernort Bibliothek ein deutlicher Trend. Die kreativen Entwürfe der Innenarchitekten, Designer, Planer und Studenten reichten dementsprechend vom Sitzkreisel mit eigenem Kommunikationsraum über eine bewegliche »Medienlandschaft« bis hin zu Abenteuer- und Märchenwelten. Für die Zukunft der Bibliotheken hat der Wunsch der Bürgerinnen und Bürger nach längeren führer ist. Bereits unabhängig von den Öffnungszeiten sind die derzeit rund 1 900 Bibliotheken mit ihren »Onleihen«, den von der ekzTochter divibib GmbH bereitgestellten Portalen für die Nut- Auf den digitalen Onleihe-Service weist erstmals ein Kinderbuch hin, das Bibliotheken als zukunftsgerichtete Einrichtungen zeigt. zung elektronischer Medien. Der Trend zur digitalen Ausleihe von E-Books, E-Papers und E- Audios ist ungebrochen – auch dank der rasanten Verbreitung der Onleihe. Dies belegt die Verdoppelung der Onleihe-Downloads im Jahr 2013 im Vergleich zum Vorjahr auf über acht Millionen. Um dem Wunsch nach englischsprachiger Lektüre nachzukommen und interkulturelles lebenslanges Lernen zu fördern, stellt die divibib sukzessive circa eine Million aktuelle englischsprachige E-Books von Verlagen aus England, Australien und den USA für die Onleihen zur Verfügung. Möglich ist dies durch die im Juni 2014 geschlossene exklusive Kooperation mit dem führenden US-Medien-Distributor Baker & Taylor Inc. Auf den digitalen OnleiheService weist erstmals ein Kinderbuch hin, das Bibliotheken als zukunftsgerichtete Einrichtungen zeigt. Die ekz hat das PixiBuch »Komm, wir gehen in die Bibliothek« gemeinsam mit dem bekannten Autor Thomas Feibel und dem Carlsen-Verlag entwickelt. Das Bändchen gibt es ausschließlich bei der ekz und nur für Bibliotheken – es ist nicht im Handel erhältlich. Es beantwortet kindgerecht Fragen wie »Wo fi nde ich Material zu Themen, die mich interessieren?«, »Wie geht das mit der Ausleihe?« oder »Gibt es in der Bibliothek nur Bücher?«. Wie Bibliotheken heute aussehen und was sie vor Ort bieten, zeigen die von der ekz in den vergangenen Monaten verwirklichten Neueinrichtungen in Wiesbaden, Sindelfi ngen, Neustetten-Remmingsheim, Biberach und Vohburg. Den Wandel der Bibliothekswelt begleitet die ekz jedoch nicht nur mit innovativer Ausstattung, sondern auch mit einem ständig aktualisierten Fort- und Weiterbildungsprogramm. Jüngste Schwerpunkte lagen bei den Themen Filialsysteme, Bibliotheksangebote für Ältere und natürlich E-Books. Dabei bringen die zahlreichen Veranstaltungen in der Firmenzentrale in der Bismarckstraße Gäste nach Reutlingen und sind damit ein Wirtschaftsfaktor. www.ekz.de BuB | 66 (2014) 10 685 Social Reading Bernd Schmid-Ruhe Gemeinsames Leseglück statt einsamer Lektüre Social Reading bietet interessante Ansatzpunkte für Bibliotheken / Hemmschwelle für Auseinandersetzung mit Literatur sinkt Das sogenannte Social Web zeitigt nicht nur Effekte, die auf der sozialen Ebene stattfinden und bei denen die öffentliche Diskussion hauptsächlich auf die negativen Aspekte fokussiert. In vielen ausgewählten Bereichen, so zum Beispiel für die Literatur und die Literaturvermittlung, ergeben sich interessante Ansätze, die Bibliotheken nutzen sollten. Im Social Web waren es bisher die Fan-Fiction, die populäre Genres und Titel weiterspinnt, und Foren, die es erlauben, Gelesenes zu kommentieren, die mit Literatur in Verbindung standen. Zunehmend verbreitet sich nun aber auch eine Form von Literatur, die vor allem von Kollaboration im Netz geprägt ist. Während in der herkömmlichen Literatur das Buch als Produkt eines Schöpfungsprozesses steht, verschiebt sich dies bei Phänomenen des Social Readings ins Prozessuale. Es entstehen unterschiedliche Vertriebsplattformen, die es erlauben, gemeinsam mit anderen Lesern die gelesenen Texte zu annotieren und zu kommentieren. Bernd SchmidRuhe gibt im Folgenden einen allgemeinen Überblick über die unterschiedlichen Aspekte des Social Readings. 1 Zum Beispiel alt.books.* oder rec.arts.prose BuB | 66 (2014) 10 Social Reading auf Basis moderner Lesegeräte ist fokussiert: Im Gegensatz zu anderen Plattformen kreisen die Diskussionen meist um einen Buchtitel. Foto: Frankfurter Buchmesse / Alexander Heimann L esen, so könnte man zunächst behaupten, ist in der Regel – spätestens seit der Individualisierung des Lesens im ausgehenden 18. Jahrhundert – eine einsame Angelegenheit. Dennoch: Lesen wird immer dann interessant und eröffnet Horizonte, wenn die persönlich gemachte Leseerfahrung in die Öffentlichkeit getragen wird – wie groß auch immer sie, die Erfahrung oder die Öffentlichkeit, jeweils sein mögen. Leseanfänger werden ab dem ersten Moment mit der Frage konfrontiert, wie und ob sie den Sinn des Textes erfasst haben, und ihre Leseerfahrung wird in Beziehung gesetzt zu der anderer Erstleser. Später machen wir immer wieder die Erfahrung, dass gerade das Lesen in der Schule um den einen Sinn kreist, der im Unterricht synchronisiert wird, dem Metaphern, Symbole und Bilder zugeordnet werden, um jenseits der Syntax eine Semantik zu erkunden und um letztlich Welterfahrung und Exegese miteinander zu verknüpfen. Am Ende nennen wir es Kultur. Die Leseerfahrungen der Erwachsenen fußen in diesen ersten Erlebnissen der Lesesozialisation und setzen sich in Synchronisierungshandlungen auch jenseits des Jugendalters fort. Menschen sprechen über Lektüren, verbreiten ihre Erfahrungen zunächst in Rezensionsorganen, wie zum Beispiel den Literaturzeitschriften des 17. Jahrhunderts. Bald übernehmen die Zeitungen und ihre Feuilletons diese Funktion; gelehrte Diskussionen über die neueste, interessanteste, angesagteste, spannendste Literatur folgen den Moden der Zeit. Geschmacksurteile gipfeln damals wie heute irgendwann in Kanondebatten, die in den 80er- und 90er-Jahren geradezu erbittert geführt wurden. Festzu- halten ist: Lesen tun wir alleine, aber niemals einsam. Mit der Einführung der so genannten »social media« hat sich ein zumindest gefühlter grundlegender Wandel in der alltäglichen Kommunikation ergeben. Wo das »herkömmliche« Internet zwar auf Kommunikation ausgerichtet war, ist das den sozialen Diensten des Internets inhärente Geschäftsmodell auf Bildung von dauerhaften Netzwerken ausgerichtet. Seien es Freunde, Buddies, Follower oder Bekannte: Immer geht es um eine Kommunikation, die nicht nur auf den Augenblick ausgerichtet ist, sondern auf Beständigkeit im Sinne einer wiederkehrenden Kommunikation. Diese wird vor allem über Selbstaussagen gesteuert, also über freiwillige Äußerungen, meist über Befindlichkeiten, Ereignisse und Erlebnisse (und das merkwürdige Verhalten von Katzen). Spätestens seit das Social Reading inzwischen in dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten und dem Deutschen Bibliotheksverband (dbv) durchgeführten Projekt »Lesen macht stark« angekommen ist, ist die Thematik nun auch für Bibliotheken virulent. Social Reading ist dabei zunächst nichts anderes als die Organisation eines »Lesezirkels« mithilfe einer Internetplattform, die sich an der Machart von sozialen Netzwerken orientiert und den Austausch von Literaturerfahrungen zum Gegenstand hat. Dabei muss es sich nicht einmal um neue Plattformen handeln – gerade in Facebook und auf der Geek-Plattform reddit sind Diskussionen und der Austausch über Literatur nichts Neues. Diese Tradition der Literaturdiskussion reicht mindestens bis in die Zeiten des Usenets zurück1. Social Reading ist von daher selbst für das 686 BuB | Lesesaal Internet nichts Neues, was es aber grundsätzlich unterscheidet ist die Einrichtung von technischen Plattformen, die einzig für die Diskussion über Literatur geschaffen wurden und nicht für andere Produkte verwendet werden wie zum Beispiel klassische Foren und Mailinglisten. Leseverhalten wird analysiert Daher kommt den technischen Plattformen, auf denen der Austausch stattfindet, ein besonderer Stellenwert zu. Ihre technischen Möglichkeiten bestimmen zum einen maßgeblich die Attraktivität des Angebots, aber auch die Mehrwerte, die zum Beispiel für die Vermarktung der Plattform selbst generiert werden. So entstehen nämlich auf den Plattformen nicht wenige Metadaten, die als solches schon einen gewissen Wert haben. Darüber werden aber auch Daten über Geschmäcker und Vorlieben generiert, wie sie in anderen Recommender-Diensten, zum Beispiel Amazons »Kunden, die dieses Produkt kauften…«, anfallen. Für die Verlage ergeben sich hier wertvolle Erkenntnisse über das Lese- und Mediennutzungsverhalten. Mit einer großen Menge an Daten (»big data«) lässt sich hier nicht nur das Leseverhalten analysieren, sondern mehr oder weniger kommende Bestseller generieren. Wer weiß, was die Kunden mögen, kann entsprechend reagieren und bestimmte Genres, Handlungen, Zielgruppen und Themen bedienen. Gleichzeitig wächst der Wert der Plattform mit dem »user generated content«, und was in bibliothekarischen Kreisen als Kataloganreicherung gelten kann, wird Teil der Plattform. Deutlich wird hierbei, dass das eigentliche Geschäftsmodell für den Betrieb der Plattformen in der Marktforschung durch die Verlage liegt, die in ihrem Umfang, ihrer Detailgenauigkeit und Tiefe kaum durch andere Instrumente abgebildet werden könnte. Markierte Passagen und »Unterstreichungen« können ausgewertet werden, genauso wie das Lesetempo und somit ausgelassene Seiten, Annotationen sowie Links auf andere Titel oder Texte. Eine direkte Monetarisierung findet durch den Verkauf von Anzeigenplätzen auf den Plattformen statt, aber auch durch die Möglichkeit »Leserunden« zu finanzieren, die sich dann um ein Buch des finanzierenden Verlags drehen und somit Aufmerksamkeit für die entsprechenden Titel generieren. Der unmittelbare Mehrwert der SocialReading-Plattformen auf der Rezipientenseite leuchtet gerade für eine Generation Schwerpunkt Social Reading ein, die es gelernt hat, mit diesen umzugehen und soziale Kontakte in ihnen zu pflegen. Social-Reading-Plattformen bringen dabei nicht nur Gleichgesinnte zusammen, sondern erlauben den Kontakt, der sowohl Raum als auch Zeit überbrückt. Im Gegensatz zu einem Leseclub müssen hier keine festen Termine eingehalten werden. Die technische Plattform sorgt für eine Synchronisierung der Leseerlebnisse. Wie alle Social-Media-Plattformen kommen auch die des Social Readings einem gewissen Mitteilungsbedürfnis entgegen. Sie alle zielen auf die Publikation von Leseerlebnissen im Sinne von Ich-Botschaften, die unmittelbar mit dem Benutzer verknüpft sind. Meist zielen diese auf Aussagen wie: »Ich habe gelesen« (Lese- beziehungsweise Titellisten) »Ich finde (nicht) gut« (Bewertungen beziehungsweise Meinungen) »Ich will/werde lesen« (Wunschlisten) »Du sollst lesen« (Leseempfehlungen) Die wichtigsten Akteure im Bereich des Social Reading sind Amazon und die Holzbrinck-Gruppe mit ihren Plattformen goodreads2 beziehungsweise lovelybooks. Lovelybooks hat derzeit laut Selbstaussage 105 000 Nutzer und 2 200 000 Rezensi- onen zu unterschiedlichen Medien3. Die eher international ausgerichtete Plattform Goodreads spielt hingegen in einer anderen Liga. Hier sollen es 25 Millionen Nutzer sein, die insgesamt 29 Millionen Rezensionen verfasst haben. Sie ist (bisher) hauptsächlich auf den englischsprachigen Mark fi xiert, plant allerdings laut Branchenkenntnissen den Start in Deutschland. Implementierte Vertriebskanäle Andere, spezialisiertere Plattformen wollen bei ihren Angeboten zudem auch noch Vertriebskanäle implementieren. So 2 Eine Kuriosität am Rande: Nutzer mit besonderen Rechten und Aufgaben bei Goodreads heißen Bibliothekare (»librarians«). Ihre Aufgaben sind es, zum Beispiel Ausgaben zusammenzuführen und die Personennormdatenbank der Plattform zu pflegen. »How to become a librarian? In order to become a librarian on Goodreads you must have at least 50 books in your profile, then just apply.« – www.goodreads.com/help/show/15-how-tobecome-a-librarian 3 http://media.lovelybooks.de.s3.amazonaws. com/LB_Mediadaten_201312.pdf (Stand: 3. August 2014) Die eher international ausgerichtete Plattform Goodreads soll 25 Millionen Nutzer zählen, die insgesamt 29 Millionen Rezensionen verfasst haben. BuB | 66 (2014) 10 Schwerpunkt Social Reading verspricht die von Sascha Lobo gegründete Plattform sobooks (»die Zukunft des Buchstabenverkaufs«4) noch in diesem Jahr mit wenigen Titeln an den Start zu gehen und sich grundlegend von den anderen Social-Reading-Plattformen zu unterscheiden: Im Grunde handelt es sich um einen E-Book-Shop, dem eine Austauschplattform angegliedert ist. Gleichzeitig sollen im hauseigenen Verlag dann Titel selbst produziert und über die Plattform vertrieben werden. Spezialisiertere Plattformen bieten neben den üblichen Funktionen solche, die besonderen Interessen einer bestimmten Zielgruppe entgegenkommen. Vor allem LibraryThing sei hier erwähnt, das einem bibliotheksaffinen Publikum gefallen will. Per Import können hier Titeldatensätze aus Bibliothekskatalogen in das eigene Profil geladen werden. Zudem gibt es mit LibraryThing for Libraries ein kostenpflichtiges Angebot, das Bibliotheken direkt ansprechen will und auf eine mögliche Kataloganreicherung des OPACs mit einem Recommender-Dienst abzielt. Andere Startups im Bereich der Social-Reading-Apps wurden inzwischen auch schon wieder nach der Übernahme geschlossen, wie zum Beispiel im Falle von Readmill. Dabei sollte es auf der Plattform möglich sein, den Primärtext mit den Sekundärtexten der Nutzer direkt auf der Wortebene zu verknüpfen und so eine Interaktion zu ermöglichen, die bis in die kleinsten Teile des Buches reichen. Was macht Social Reading also so besonders und warum sollten sich Bibliotheken, Dr. Bernd SchmidRuhe, Jahrgang 1971, ist seit 2010 Leiter der Stadtbibliothek Mannheim. Er hat Deutsche Literatur und Geschichte studiert und in der Medienwissenschaft promoviert. In Projekten zur Vermittlung von Informationskompetenz für Fortgeschrittene und der Koordination von unterschiedlichen IT-Einrichtungen in einer Universität beschäftigte er sich intensiv mit den Zukunftsfragen von Bibliotheken. Sein derzeitiger Schwerpunkt liegt in der Umsetzung und Erprobung bibliothekspädagogischer Konzepte in einer Stadtbibliothek mit den unterschiedlichsten kommunalen und staatlichen Bildungspartnern. – Kontakt: bernd. [email protected] BuB | 66 (2014) 10 Lesesaal | BuB 687 Die Plattform LibraryThing will einem bibliotheksaffinen Publikum gefallen; per Import können hier Titeldatensätze aus Bibliothekskatalogen in das eigene Profil geladen werden. trotz oder gerade wegen der möglicherweise als unsympathisch empfundenen Nutzung der Daten durch die Verlage, damit auseinandersetzen? Zum einen spricht es besonders Jugendliche an, die ohnehin eine hohe Affinität zu den sozialen Netzwerken besitzen. Hier wirken die SocialReading-Plattformen als Katalysatoren, die einer bereits lesesozialisierten Klientel ein weiteres Instrument an die Hand gibt, um ihre Interessen zu vernetzen. Während Buchclubs und Lesezirkel sehr stark an Räume und die Verabredung zu bestimmten Terminen gebunden sind, entsteht im Netz eine wesentlich größere Freiheit. Dies ist nicht nur bequem, sondern erlaubt auch einer größeren Zahl an Personen die Teilhabe an sozialen Interaktionen, an denen sie sonst zum Beispiel aufgrund anderer Verpflichtungen nicht teilhaben könnten. Zeitliche und räumliche Ungebundenheit führt hingegen dazu, dass die Teilhabe an diesen Diskussionen auch anonym möglich ist; auch wenn diese Anonymität im Internet derzeit eher negativ bewertet wird, erlaubt sie es doch Menschen teilzuhaben, die ansonsten aufgrund bestimmter Ausschlussfaktoren nicht teilhaben könnten (dies gilt zum Beispiel für ein nonkonformes Auftreten genauso wie für körperliche Einschränkungen). Darüber hinaus ist Social Reading fokussiert. Im Gegensatz zu anderen Plattformen kreisen die Diskussionen meist um einen Titel. Selbstverständlich mag es auch Diskussionen zu Autoren oder Genres geben, aber der kleinste gemeinsame Nenner ist die einzelne Monografie, die als Datensatz angelegt wurde. Die einzelnen Diskussionen lassen sich meist untereinander verlinken, und es ergibt sich somit ein Netz an Leseerfahrungen und Lese- biografien, das aufgrund der besseren Darstellbarkeit weit über das hinausgeht, was in einer analogen Form illustriert werden könnte. Gerade in literaturwissenschaftlichen Kontexten ergeben sich daher für Bibliotheken weitere Betätigungsfelder. Nicht nur der Betrieb einer Social-ReadingPlattform für die Diskussion von wissenschaftlichen Texten kann interessant sein, sondern die Rezeptionsforschung bekäme ganz neue Impulse, wenn die Daten der Leser den Wissenschaftlern für die Auswertung des Mediennutzungsverhaltens zur Verfügung stünden. Lustvolle Lektüre Wesentlich gewichtiger scheinen aber die Mehrwerte für die Leseförderung zu sein. Es ist davon auszugehen, dass die Social-Reading-Plattformen die Hemmschwellen für die Auseinandersetzung mit Literatur senken. Vor allem die Tatsache, dass Kinder und Jugendliche freiwillig ihre Lektüreerfahrungen kommentieren, bewerten und in Relation zu anderen Lektüren setzen, ist ein Gewinn. Gleichzeitig werden die Beschreibungsmöglichkeiten von Literaturerfahrungen durch das Lesen der Beiträge anderer Benutzer eingeübt. Im Spannungsfeld von privater, lustvoller Lektüre und schulisch angeleiteter Analyse von Texten, kann es gelingen, sonst eher lesefremden Jugendlichen einen Einstieg in die Welt der Texte zu ermöglichen. Da pädagogische Konzepte zurzeit noch zu kurz kommen, könnten Bibliotheken mit 4 Lobo über sobooks: http://saschalobo.com/ portfolio/sobooks/ 688 BuB | Lesesaal ihrer Arbeit auch hier diese Lücken schließen. Es muss aber nicht bei der reinen Rezeption und der Beschreibung der Lektüreerfahrung bleiben. Ungemein produktiv – auch hinsichtlich möglicher Lerneffekte – wird es immer dann, wenn das Social Reading mit dem Digital Storytelling verknüpft wird. Hier wird das, was beim Social Reading noch reine Rezeption ist, zu einem Wechselspiel mit der literarischen Produktion. An dieser Stelle überkreuzen sich schließlich rezeptions- und produktionsästhetische Prozesse auf eine besondere Weise: Während beim Social Reading der Leser nur »Testleser« ist, der einen mehr oder weniger fertigen Text kommentiert, wird hier nun die Reaktion unmittelbar in den kreativen Prozess des Schreibenden umgesetzt. Dies kann sogar so weit gehen, dass der Rezipient selbst zum Produzenten wird und in einer Art Kettengeschichte in den kreativen Prozess eingreift. Die Rückkopplungsschleife zum Autor kann hier unmittelbar zu einer Reaktion führen; Autor und Leser kommen ins Gespräch und zwar – und das ist das Neue – noch während der jeweilige Text produziert wird. Der Text entsteht so in einem Spannungsfeld unterschiedlicher Geschmacksurteile über ihn; der Text ist nicht mehr lediglich Produkt eines kreativen Prozesses, sondern der Prozess an sich rückt in den Vordergrund. Dieses direkte Feedback ist dann nicht nur für Verlage interessant, sondern wird gerade für den wachsenden Markt des Self-Publishings wichtiger. Auch die FanGleichzeitig wird nicht nur das Leseverstehen trainiert, sondern auch die Ausdrucksfähigkeit durch den selbstreflexiven Prozess der gemeinsamen Evaluierung von Texten. Fiction und andere Formen der epigonalen Nachdichtung können im Spannungsfeld zwischen Originaltreue und Innovationswunsch einer Fan-Communitiy bestehen. Bei der Verknüpfung von Social Reading mit dem Digital Storytelling ergeben sich erhebliche Mehrwerte für die Leseförderung. Schon Kinder können spielerisch (»gamification«) an Formen der Textproduktion herangeführt werden und mit technischen Hilfsmitteln sich und eine erzählte Geschichte in Beziehung setzen. Schwerpunkt Social Reading den technischen Plattformen gestärkt. Am schwersten aber wiegt der positive Effekt der Selbstertüchtigung; wer das Schreiben als selbstverständlichen Prozess erfährt und lernt, sich mit Kritik auseinanderzusetzen, wird den produktiven Umgang mit Texten schätzen lernen. Es ist nicht neu, dass Menschen ihre Leseerfahrungen teilen; auch nicht neu ist, Es ist nicht neu, dass Menschen ihre Leseerfahrungen teilen; auch nicht neu ist, dass sie gemeinsam an der Verfertigung von Texten arbeiten. Lesen – wie hier in der Stadtbibliothek Mannheim – muss keine einsame Angelegenheit sein: Zahlreiche Social Reading-Plattformen bieten Raum für Austausch und Kommentierungen. Foto: Stadtbibliothek Mannheim Feedback von Gleichgesinnten Während Erstleser und Grundschüler mit geführten Methoden (zum Beispiel mittels eines Choosatron oder dem Adventure-Kit twine) relativ wenig Text selbst produzieren und dennoch eine Geschichte erzählen können, können Jugendliche mittels einer Social-Reading-Plattform in einen Prozess des Schreibens, Kommentierens und Bewertens eintreten, der unmittelbar ein Feedback von Gleichaltrigen und Gleichgesinnten ermöglicht. Die kollektive Schreiberfahrung wird durch die technische Plattform (zum Beispiel Wattpad) unterstützt. Auch für Szenarien des biografischen Schreibens könnten solche Plattformen genutzt werden, um kollektive Erfahrungen aufzuarbeiten. Damit würde die Zielgruppenspannbreite nicht nur Kinder und Jugendliche umfassen, sondern auch Senioren ansprechen können. Die positiven Effekte einer solchen Methode, die rezeptions- und produktionstheoretische Prozesse kurzschließt, liegen auf der Hand: Kinder und Jugendliche erlernen in der Selbst- und Fremdevaluation kritische und meist konstruktive Denkweisen. Gleichzeitig wird nicht nur das Leseverstehen trainiert, sondern auch die Ausdrucksfähigkeit durch den selbstreflexiven Prozess der gemeinsamen Evaluierung von Texten. Ganz »nebenbei« wird die Medienkompetenz im Umgang mit dass sie gemeinsam an der Verfertigung von Texten arbeiten. Was aber die SocialReading-Plattformen und die des Digital Storytelling leisten, ist, dass sie auf das Interesse einer Generation stoßen, die schon besonders internetaffin ist. Bibliotheken sollten sich hier engagieren; die Chance, ihren Wirkungskreis in diese Medien zu erweitern ist nicht purer Selbstzweck oder ein Trick, um neue Nutzerschichten zu erschließen, sondern kann helfen, eine vollkommen neue Form der Literaturerfahrung zu begleiten und letztlich die neuen Formen der interaktiven Texte für die Leseförderung zu erschließen. Schwerpunkt Themenschwerpunkte in BuB Heft 6/2014: Gutes Geld für gute Arbeit Heft 7-8/2014: Kinder- und Jugendbibliotheken Heft 9/2014: Frankfurter Buchmesse Heft 10/2014: Social Reading Heft 11-12/2014: Freihandelsabkommen TTIP Heft 01/2015: Blick in die Zukunft BuB | 66 (2014) 10 Schwerpunkt Social Reading Tom Becker1 Mit Senioren oder für den Deutschunterricht Social Reading birgt Potenzial für die Bibliotheksarbeit / Überlegungen aus einem studentischen Seminar Nachdem Jürgen Plieninger bereits in der Aprilausgabe 2012 von BuB in seiner Kolumne »Blickpunkt Internet« Social Reading thematisierte und das Thema – sowohl für Öffentliche wie auch für wissenschaftliche Bibliotheken – in einem Symposium im vergangenen Herbst auf der Frankfurter Buchmesse behandelt wurde2, werden im folgenden Artikel basierend auf Arbeiten von Studierenden, die auch an dem Buchmessen-Symposium teilgenommen haben, Ideen skizziert, wie vor allem Öffentliche Bibliotheken den Anforderungen an die Hybridität ihrer Rolle als Anbieter, Ermöglicher und Unterstützer in diesem Themenfeld erfolgreich gerecht werden.3 S ocial Reading ist eigentlich nichts anderes als der mündliche oder schriftliche Austausch über Geschriebenes – in Öffentlichen Bibliotheken eine bereits in den Lesezirkeln und Buchclubs tradierte Veranstaltungsform, die nicht nur von älteren LeserInnen wahrgenommen wird. Die soziale Funktion besteht in dem Face2Face-Austausch, dem Zusammenkommen, bei dem oft über gemeinsam Ausgewähltes, dann Gelesenes diskutiert wird. Dabei bleibt der Prozess des Lesens in der Regel ein singulärer Prozess, den jeder für sich wo immer auch wahrnimmt. Social Reading geht hier in den gängigsten Definitionen weiter – es beschreibt einen »online geführten, intensiven und dauerhaften Austausch über Texte«4, und dieser Austausch erfolgt nun meistens schriftlich, orts- und zeitunabhängig und in einigen eigens dafür geschaffenen Leser-Communities. Leser-Communities in digitalen Welten5 In der digitalen Welt gibt es bereits vielseitige Leser-Communities, wie sie nicht nur in den USA schon lange im realen Raum populär sind. Hier wird Privates öffentlich gemacht: Bücherfreunde zeigen, was sie bereits gelesen haben und was sie noch lesen möchten. Man berät sich gegenseitig, diskutiert die aktuelle Lektüre oder folgt den aktuellsten Neuigkeiten über die Lieblingsautorin. Der Community-Gedanke steht im Vordergrund – kommerzielle Interessen, wie sie Amazon und andere Online-Buchhändler verfolgen, sind wenig relevant: In Foren wird drüber diskutiert, was dem Leser während oder nach seiner Lektüre am Herzen liegt. Sei es nun ein Satz, der ihn besonders berührt, oder der Umgang mit einem Thema in einem Buch, den er kritisch sieht. Außerdem bieten viele der Leser-Communities die Möglichkeit, eigene Rezensionen zu Büchern zu verfassen und zu veröffentlichen, sowie sie über ein einfaches Rating-System zu bewerten (siehe hierzu Tabelle 1 und 2). BuB | 66 (2014) 10 Lesesaal | BuB 689 690 Schwerpunkt BuB | Lesesaal Social Reading Goodreads1 LibraryThing2 Shelfari3 Gründer Otis Chandler Tim Spalding Josh Hug, Kevin Beukelman Gründungsjahr 2007 2005 2006 Anzahl Mitglieder ca. 25 Mio. ca. 1,8 Mio.4 ca. 88 000 (2006) Anzahl katalogisierte Bücher ca. 750 Mio. ca. 87,5 Mio. ca. 6,2 Mio. (2006) Anmeldung kostenlos kostenlos; zusätzlich kostenpflichtige Accounts mit erweiterten Möglichkeiten kostenlos Sprache Englisch, teilweise Spanisch, Französisch, Deutsch und Italienisch über 50 Sprachen, unter anderen Englisch, Spanisch, Italienisch, Chinesisch und – tatsächlich – »Piratisch« Englisch Funktionen eigene digitale Bibliothek; Rezensionen schreiben; automatische personalisierte Buchvorschläge; Austausch mit Freunden, Interessengruppen; Werbeplattform für Autoren eigene digitale Bibliothek; Austausch im Dialog oder in Gruppen; automatische Buchvorschläge; Werbeplattform für Autoren eigene digitale Bibliothek; Rezensionen schreiben; Austausch im Dialog oder mit Gruppen; automatische Buchvorschläge; Werbeplattform für Autoren; Interessenlisten5 Zugang Website; App im App Store und bei Website Google play und für manche E-Reader Verbindung zu Facebook, Twitter, Amazon, WordPress und Blogger möglich6 Website; spezielle Website für Moblitelefone; Verbindung zu Kindle, Amazon, Twitter 1 vgl. About Goodreads. URL: www.goodreads.com/about/us [Stand: 2014; Abruf: 03.02.2014] 2 vgl. About LibraryThing. URL: www.librarything.com/about [Abruf: 03.02.2014] 3 vgl. Cook, John: Shelfari an online meeting place for bibliophiles, 2006. URL: www.seattlepi.com/business/article/Shelfari-an-online-meeting-place-for-bibliophi les-1216875.php 4 vgl. [o.Verf.]: Zeitgeist by Language. Online im WWW: www.librarything.com/zeitgeist/language [Abruf: 03.02.2014] 5 vgl. [o.Verf.]: Shelfari Help 6 vgl. [o.Verf.]: eReaders. Online im WWW: www.goodreads.com/ereaders [Stand: 2014; Abruf: 03.02.2014] Tabelle 1. Internationale Leser-Communities Social Reading »inside the book« Der neuste Trend des Social Reading ist die Möglichkeit, sich mit anderen austauschen zu können, ohne dafür das E-Book aus der Hand legen zu müssen. Der Leser fügt an Passagen, die ihn besonders interessieren, Kommentare ein, die nach Veröffentlichung allen anderen Lesern des Werkes, die die gleichen technischen Lösungen benutzen, zur Verfügung stehen. Diese können dann darauf reagieren, und so kann sich noch während des Lesens eine Diskussion entwickeln, die als sogenannten »Paratexte« eigenständig abrufbar sein können. Um Social Reading »inside the book« zu ermöglichen, muss der Leser jedoch extra Software herunterladen. Kritiker befürchten außerdem, die Privatsphäre der Nutzer könne eingeschränkt werden, wenn kommerzielle Anbieter ständig Zugriff auf die Nutzerdaten haben.6 So werden beispielsweise (und dies nicht nur bei Social Reading »inside the Book«) die Lesedauer, übersprungene Kapitel, gesuchte Begriffe und Ähnliches genauestens protokolliert und vom Leser unbemerkt an den Anbieter geschickt. Auf diesem Wege entstehen ganze Leserprofile, welche nur einem Zweck dienen: den Kunden besser kennen zu lernen, eine genauere Vorstellung der anvisierten Ziel- gruppe zu bekommen und diesem damit letztendlich genauere Angebote und Werbung zu unterbreiten und so den Umsatz zu steigern.7 LovelyBooks1 Gründer aboutbooks GmbH Gründungsjahr 2006 BuecherTreff.de2 2003 3 Anzahl Mitglieder 2008: ca. 10 000 Anmeldung kostenlos ca. 17 600 kostenlos Funktionen virtuelles Bücherregal; Rezensionen schreiben; Buchvorschläge; Austausch zwischen Lesern, Autoren, Verlagen und Buchhändlern virtuelles Bücherregal; Rezensionen schreiben; Austausch im Forum und mit Freunden; gleichgesinnte Bücherfans finden; Kalender für Autorenlesungen Zugang Website; App für Smartphones und E-Reader; Verbindung zu Facebook und eigenem Blog möglich 1 vgl. LovelyBooks – Wir lieben Bücher. URL: www.lovelybooks.de/info/ueberuns/ [Stand: 2014; Abruf: 03.02.2014] 2 vgl. Über BuecherTreff.de. URL: www.buechertreff.de/index.php?page=AboutUs&subpage=AboutUs [Abruf: 03.02.2014] 3 vgl. Roebke, Julia: Wer hat das längste Regal. URL: www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/buch-com munities-wer-hat-das-laengste-regal-1548830.html [Stand: 20.06.2008; Abruf: 03.02.2014] Tabelle 2. Deutsche Leser-Communities BuB | 66 (2014) 10 691 Social Reading Das genaue Beobachten des Nutzers und seines Leseverhaltens führt aber auch bei Verlagen zu neuen Entwicklungen. Nachdem festgestellt wurde, dass Sachbücher nur äußerst selten zu Ende gelesen werden, wurden sogenannte »nook snaps« entwickelt. Das sind Mini-E-Books zu bestimmten aktuellen Themen.8 Doch zurück zu Social Reading »inside the book«: Die vielfältigen technische Lösungen hierzu werden in Tabelle 3 vorgestellt. Die technischen Entwicklungen machen es für Öffentliche Bibliotheken schwierig, sich dem Phänomen »Social Reading« erfolgreich anzunähern. Zwar kann man als Kunde in einzelnen Katalogen bereits Wertungen abgeben und Literatur kommentieren, aber eine kritische Masse erreicht man kaum: Was nützt ein Eintrag zu einem Lyrik-Band im Katalog der Stadt- und Regionalbibliothek Frankfurt an der Oder, wenn man in Mannheim oder Würzburg Kunde ist? Und ist der Kommentar in einem Web-Katalog überhaupt »Social Reading« – es findet doch kein dauerhafter Austausch statt, sondern nur eine singuläre Kommentierung? Rechtliche Hürden Den »dauerhaften Austausch« »inside the (e)-Book« kann die Bibliothek bisher weder technisch noch rechtlich umsetzen: Rechtlich ist eine parallele Nutzung von gleichen Titeln nur möglich bei entsprechendem Lizenzerwerb (finanziell gerade für kleinere Bibliotheken schwierig), und auch dann bleiben die Medien jeweils nur den Kunden der einzelnen Bibliothek zugänglich – erstellte Kommentierungen einzelner oder mehrerer Kunden kann die einzelne Öffentliche Bibliothek bisher nicht integrieren; zu Paratexten heterogener AutorInnen kommt es somit auf den bisherigen technischen E-Book-Portalen nicht.9 Die rechtlich-technischen Rahmenbedingungen (Wer kann welchen Kommentar wann löschen? Wie kann sichergestellt werden, dass gegebenenfalls Anonymität gewahrt bleibt?) sind nicht einmal angedacht. Nicht nur in Bibliotheken – generell fehlt es gerade auch bei den unterschiedlichen Anbietern von E-Book-Systemen, die teilweise bewusst Mitwerber aus ihrem Nutzerkreis aussperren, an einer Standardisierung von Social Reading. Aufgrund der geschlossenen Systeme ist ein Austausch zwischen ihnen nicht möglich.10 Kommentare können somit nicht zusammengeführt werden, was eine stärkere Verbreitung und Vernetzung verhindert. BuB | 66 (2014) 10 Der neuste Trend des Social Reading ist die Möglichkeit, sich mit anderen austauschen zu können, ohne dafür das E-Book aus der Hand legen zu müssen. Foto: Frankfurter Buchmesse / Peter Hirth Die Stärke von Bibliotheken jedoch ist es, Informationen zusammenzuführen und einheitliche Standards zu entwickeln. Diese Stärke muss sich die Bibliothek zu Nutzen machen und ein einheitliches Angebot zur Verfügung stellen. Eine einzelne Bibliothek, die ihr eigenes Social Reading Angebot umsetzt, würde der Masse an privaten Anbietern und den geschilderten Schwierigkeiten hilflos gegenüberstehen. Es muss vielmehr eine gemeinsame Plattform zur Verfügung gestellt werden, die über die Landesgrenzen hinausgeht. Diese Plattform benötigt eine einheitliche Kommunikation, bietet jedoch als Vorteil eine gleichzeitige Arbeitsteilung für jede einzelne Bibliothek. Weiter darf nicht vergessen werden, dass eine schweigende Mehrheit der Leser derzeit nicht an Social Reading interessiert ist. Diejenigen aber, welche die Portale nutzen, werden durch die starke Vernetzung zu einer beachtenswerten Interessensgemeinschaft. Die Finanzierung gestaltet sich bei öffentlichen Trägern immer schwierig, deswegen sind Kooperationspartner unerlässlich. Wenn es daher nicht möglich ist, die genannten Schwierigkeiten zu bewältigen, sollten sich Bibliotheken überlegen, erfolgreiche Konzepte von realen Book Groups stärker zu übernehmen.11 Die Bibliothek sollte dabei als Vermittler auftreten und die benötigte Literatur zur Verfügung stellen. Der Vorteil der Bibliotheken ist der zur Verfügung stehende Raum, der sie zu einem geeigneten Treffpunkt macht. Denkbar wäre auch die Kooperation mit 692 Schwerpunkt BuB | Lesesaal örtlichen Cafés, in denen Treffen abgehalten werden können, um das nähere Umfeld und die Community zu stärken. Um die Verbindung zum digitalen Raum zu schaffen, kann die Gruppe andere Möglichkeiten des Social Web nutzen, um Organisatorisches zu regeln oder die Veranstaltungen zu bewerben.12 Social Reading für ausgewählte Zielgruppen Die beiden in den folgenden Unterkapiteln aufgeführten Beispiele, wie und unter welchen Rahmenbedingungen Social Reading für ausgewählte Zielgruppen dennoch eine gute Idee sein kann, zeigen, dass das Themenfeld immer noch sehr zurückhaltend von Öffentlichen Bibliotheken bespielt wird – hier ist für alle Akteure noch reichlich Luft nach oben. Die Öffentliche Bibliothek sollte sich ihrer Funktion als Ermöglicher und als nonkommerzieller Gastgeber – gerade auch für digitale Kommunikation – bewusster werden. Ein hybrides Arbeiten mit Texten – ob mit Sachliteratur oder Belletristik, ob lesend, schreibend oder als »Oral History« aufgezeichnet und in die Website und das Veranstaltungsprogramm der einzelnen Bibliothek integriert – Ideen gibt es viele, häufig sind sie (noch nicht?) mit Social Reading überschrieben: Im Portfolio der meisten Öffentlichen Bibliotheken ist Social Reading unter anderen Stichworten verankert und wird durchaus spannend bespielt. Tun wir Gutes und reden wir da- Social Reading rüber – integrieren wir die Buzzwords der Welt um uns herum in unsere Programme und werden wir so zu aktiveren Partnern einer sich suchend verändernden Medienund Verlagswelt! Social Reading für SeniorInnen13 Geschichtswerkstätten werden digital, Geschichten werden erzählt und als »Oral History« auf der Website zugänglich gemacht, SeniorInnen produzieren, schreiben, entwickeln miteinander und unterstützt von ihrer Öffentlichen Bibliothek (gerne in Zusammenarbeit mit weiteren externen Partnern) neuen Content – eine schöne Vision, wie auch in Zukunft diese Zielgruppe an Social Reading/Social Writing aktiv partizipieren kann.14 Der erste, grundlegende Schritt, der von Bibliotheken gemacht werden muss, um diese Vision realisieren zu können, ist die Vermittlung von technischer Kompetenz, ist das Anbieten von Social-ReadingKursen im weiteren Sinne. Hier können bereits existierende Angebote wie EReader-Sprechstunden ebenso eine Rolle spielen wie (in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Medienzentrum oder der Volkshochschule) Kurse in Podcasting und Script-Writing. Weniger ambitioniert, aber auch möglich ist es, Social-Reading-Portale vorzustellen und die LeserInnen bei der Nutzung zu unterstützen – Social Reading hybrid, die Bibliothek als realer Treffpunkt, um erfolgreich digital zu kommunizieren. Amazon Public Notes1 Hardware neuste Kindle E-Reader oder Kindle 3G mit Softwareversion 3.1 oder neuer Download Funktionen Notizen (bis zu 100 Zeichen) und Markierungen veröffentlichen; anderen Nutzern folgen Hier punktet die Bibliothek mit ihrem eigentlichen Kapital: Bibliotheken gelten als sicher, und eine von der Bibliothek empfohlene Seite gilt den Nutzern als vertrauenswürdig – gerade wenn sie Bedenken im Bereich des Datenschutzes haben. Zentraler Punkt ist es, den Kunden einen gut ausgebildeten Ansprechpartner im Fall von eventuellen Benutzungsschwierigkeiten und Fragen zur Verfügung zu stellen. Social Reading in der Schule 15 Im Bereich Schule ist Social Reading insofern interessant, als dass man in der heutigen Zeit davon ausgehen kann, dass ein Großteil der Schüler ab der fünften Klasse Subtext Kobo iPhone, iPad; Android-Geräte; PC; Mac2 iPad kostenlos kostenlos Umfunktionierung des Smartphones zum E-Reader; virtuelles Bücherregal; Zitate und Notizen austauschen; Bücher bewerten3 für Nutzung im Klassenraum entwickelt4; Markierungen und Notizen anderer Nutzer kommentieren; geschlossene Gruppen für den Austausch5 unter anderen Englisch, Deutsch, Niederländisch und Japanisch Sprache Kritik Tom Becker hat nach Tätigkeiten in der Münchner Stadtbibliothek Am Gasteig und seiner Funktion als Leiter der Mannheimer Zentralbibliothek seit 2011 eine Professur zum Themenkomplex »Medienvermittlung und Medienmanagement in Bibliotheken« an der Fachhochschule Köln inne. Im gleichen Jahr wurde er in den Vorstand des Berufsverbandes Information Bibliothek (BIB) gewählt und vertritt den BIB seitdem in der Lektoratskooperation (www. bib-info.de/verband/leko.html). – Kontakt: [email protected] mangelhafter Datenschutz6 1 vgl. Frequently Asked Questions: Public Notes. URL: https://kindle.amazon.com/faq#PublicNotes0 [Stand: 2013; Abruf: 03.02.2014] 2 vgl. eReading Apps. URL: http://de.kobo.com/apps [Abruf: 03.02.2014] 3 vgl. Scherch, Christiane: Kobo – Der fast perfekte eBook-Reader. URL: www.androidpit.de/kobo-der-fast-perfekte-ebook-reader [Stand: 06.08.2013; Abruf: 03.02.2014] 4 vgl. We’re a chapter ahead. URL: www.subtext.com/the-subtext-difference [Stand: 2014; Abruf: 03.02.2014] 5 vgl. What can I do with my class in Subtext? URL: www.subtext.com/q-a#what-can-i-do-subtext [Stand: 2014; Abruf: 03.02.2014] 6 vgl. Mennella, Allison: What is »Social Reading« and why should Libraries care? – A TTW Guest Post by Allison Mennella. URL: http://tametheweb.com/2011/06/14/ what-is-”social-reading”-and-why-should-libraries-care-a-ttw-guest-post-by-allison-mennella/ [Stand: 14.06.2011; Abruf: 03.02.2014] Tabelle 3. Technische Lösungen BuB | 66 (2014) 10 Schwerpunkt Lesesaal | BuB Social Reading Zugang zu Social Networks über die entsprechenden Endgeräte hat – wenn nicht früher. Damit ist die Voraussetzung zur Nutzung von Social Reading gegeben. Zusammen mit den Leselisten der einzelnen Klassenstufen ergibt sich daraus ein wertvolles Potenzial, um den Schülern mehr Spaß am Lesen und größeres Interesse an den behandelten Werken zu eröffnen. Dabei wird das bereits vorhandene informationstechnische Wissen zusammen mit der ebenfalls gegebenen hohen Nutzung von Social Networks mit dem schulischen Lernstoff verknüpft. Dies fördert die Bereitschaft der Schüler, sich mit der oft ungeliebten Schullektüre intensiv zu befassen. Vorteile dabei sind beispielsweise, dass sich kein Schüler mehr gänzlich allein zu Hause durch schwer verständliche Texte quälen muss, sondern über Social Networking mit der ganzen Schulklasse Probleme besprechen, Lösungen erarbeiten und damit den Stoff vertiefen kann. Optimal wäre bei einer solch aktiven Nutzung eines Social Networks, wenn auch der Lehrer teilnehmen würde. Dieser könnte in der Gruppe eine moderierende Rolle einnehmen und die diskutierenden Schüler bei Bedarf in die richtige Richtung leiten. Ein weiterer Vorteil bei dieser Methode ist, dass der Diskussionsverlauf schriftlich vorliegt und deshalb gut nachvollziehbar ist und weiter bearbeitet werden kann. Sicherlich sind neben diesem Anwendungsbeispiel auch andere Lehrmethoden denkbar, die die Möglichkeiten von Social Reading sinnvoll zur Unterstützung von Lernprozessen nutzen; geltende rechtliche Rahmenbedingungen, die diese Anwendungsmöglichkeiten stark beeinträchtigen, sind dabei zu beachten.16 Auch der Aspekt »Social Writing« ist zu betrachten, denn wenn Menschen über ein Thema diskutieren, kommen unweigerlich neue Aspekte auf den Tisch. Daraus lassen sich neue Werke schaffen, die aus dem Gedankengut der Gruppe entstehen. Gemeinsames Lesen führt folglich zu gemeinsamem Schreiben und ist in Schulen in Form von Aufsätzen, Hausarbeiten und Ähnlichem nicht fehl am Platz. Sollte eine Bibliothek ein solches Kooperationsangebot im Blick haben und anbieten wollen, empfiehlt es sich, dies zunächst in Form eines Projektes auszuprobieren. 1 In Zusammenarbeit mit Maria Gey, Nicolas Hunstein, Sarah Krecké, Mathilde Linnenberg, Tracy Riemer, Kai Rüddenklau und Dana Ruther BuB | 66 (2014) 10 693 Social Reading ist mehr, als in der Öffentlichkeit zu lesen: Im Zentrum steht der regelmäßige Austausch über Bücher und Literatur. Foto: Frankfurter Buchmesse / Peter Hirth 2 Vgl. www.bib-info.de/fileadmin/media/Do kumente/Projekte/Buchmesse_Frankfurt/ Buchmessenflyer.pdf und hier vor allem die Artikel von Maximilian Lowisch in dieser BuB-Buchmesse-Beilage unter der Überschrift »Bibliotheken und Social Reading – Eine fruchtbare Kombination?« 3 Ausgewählte Studierende haben sich gemeinsam mit dem Hauptautor des vorliegenden Artikels am Social Writing versucht – Passagen aus einzelnen Hausarbeiten wurden hochgeladen, und alle Mitwirkenden waren aufgefordert, aus den über 30 unzusammenhängenden Seiten ein gemeinsames Werk zu bilden. Dieser Prozess hat (anders, als es die Erfahrung des Autors in anderen Kontexten vermuten ließ) bis auf wenige Ausnahmen nicht funktioniert. Dennoch – die Impulse zu dieser Publikation speisen sich aus den Ideen der Studierenden, entsprechend wird auf deren Arbeiten verwiesen. 4 Pleimling, Dominique: Social Reading im digitalen Zeitalter. In: www.bpb.de/apuz/14 5378/social-reading-lesen-im-digitalen-zeital ter?p=all 5 Für diesen Tel zeichnen maßgeblich Mathilde Linnenberg und Sarah Krecké verantwortlich, die auch die tabellarische Aufbereitung der Leser-Communities getätigt haben. 6 vgl. Richards, Neil M.: Chose Privacy Week 2012: The Perils of Social Reading. URL: www.oif.ala.org/oif/?p=3720 [Stand: 02.05.2012; Abruf: 03.02.2014] 7 Unter der Überschrift »Your ebook is reading you« hat diese Gedanken Kai Rüddenklau beigetragen. Er schreibt darüber hinaus: »Meisterhaft in dieser Disziplin ist mittlerweile der weltweit führende Online-Versandhändler Amazon geworden, welcher dem Kunden nicht nur bei seinem Webverhalten mithilfe von Cookies und Algorithmen genau auf die Finger schaut, sondern auch sein Leseverhalten penibel beobachtet. So wurde bei dem von Amazon entwickelten E-Book Rea- 8 9 10 11 12 der ›Kindle‹, welcher mittlerweile sowohl mit aggressivem Marketing als auch zu absoluten Kampfpreisen in Umlauf gebracht wird, seit circa drei Jahren durch ein Software-Update eine Feedback-Schleife aktiviert. Durch diese Feedback-Funktion, welche unbemerkt vom Nutzer abläuft, wird jedes Anstreichen einer Textstelle, aber auch jede gemachte Notiz auf einem Server von Amazon gespeichert. Diese dienen somit als Stimme in einem öffentlichem Referendum für die wichtigsten Passagen eines Buches, welche anschließend als ›Popular Highlights‹ auf der AmazonWebseite erscheinen, sollten mindestens drei weitere Nutzer diese Stelle ebenfalls markiert haben. Des Weiteren ist es auch möglich, sich beim Kauf eines neuen E-Books schon anonymisierte Notizen und Markierungen früherer Nutzer anzeigen zu lassen. Damit werden eigentlich neu erworbene Medien zu einem Gebrauchsgegenstand, bei dem der Leser sich mit den Gedanken seiner Vorleser auseinandersetzen kann.« Aktuelle Beispiele sind E-Books zur Ukraine oder dem europäischen Parlament. … damit bleibt dann (noch!) die Problematik einer Archivierung solcher Paratexte den Bibliotheken bisher erspart – womit sicher niemand unglücklich ist! Dieser Passus ist angelehnt an die Ausführungen von Tracy Riemer, die in ihrer Hausarbeit einen Schwerpunkt auf »Chancen und Alternativen zu Social Reading« legte. Riemer verweist hier unter anderem auf Koch, Marcel: Social Reading und seine zunehmende Bedeutung für die Buchbranche. 2012. Börsenverein des Deutschen Buchhandels: 26 S. Zitiert nach: www.boersenverein.de/de/528029 [Abruf: 05.02.2014] Wie einleitend ausgeführt, gibt es bereits seit Jahren Lesezirkel, Buchclubs und Book Groups. Beispiele: Es könnten über Facebook Treffen mit Fotos illustriert beworben oder nachberei- 694 13 14 15 16 Schwerpunkt BuB | Lesesaal tet werden, über Ethernet könnten Ergebnisse mitprotokolliert und ergänzt werden (auch von abwesenden Teilnehmern), über Doodle könnten Termine bestimmt und zu besprechende Buchtitel gerankt werden et cetera. Die Ausführungen stammen aus stark gekürzten Überlegungen von Mireille Maas im Rahmen ihrer Hausarbeit zu Social Reading für SeniorInnen. Auch im Bereich des Social Writing können Bibliotheken Senioren zur Hand gehen. Es können zum Beispiel gezielte Veranstaltungen organisiert werden, die sich auf die von den Nutzern verfassten Texte konzentrieren. Eine Möglichkeit wäre es, während jeder Veranstaltung abwechselnd einen Nutzer auszuwählen, der seinen Text vorstellen beziehungsweise ein paar Abschnitte vorlesen möchte und dann im Verlauf der Veranstaltung Feedback zu sammeln. Die anderen Teilnehmer könnten im Weiteren konstruktive Kritik üben, Vorschläge machen oder mit dem Verfasser über Ideen diskutieren. So könnten die Bibliotheken Teil des Schreibprozesses eines Autors sein und diesem beim Verfassen seines Werkes über die Schulter schauen – vor allem, wenn der vom Nutzer verfasste Text einem bestimmten Genre angehört oder falls es sich um persönliche Memoiren oder Kindheitserinnerungen an eine bestimmte Zeit beziehungsweise Region handelt. Die Ausführungen stammen aus stark gekürzten Überlegungen von Maria Gey im Rahmen ihrer Hausarbeit zu Social Reading in der Schule, in Teilen ergänzt um Aspekte aus der Arbeit zu dem gleichen Themenkomplex von Dana Ruther. Gemäß Paragraf 52a Abs. 1 Nr. 1 UrhG ist die Veröffentlichung kleiner Teile, maximal 10 Prozent (vgl. Otto, Philipp: »Urheberrecht in Schule und Ausbildung«. Online: www.bpb.de/gesellschaft/medien/urheberre cht/63412/urheberrecht-in-schule-und-aus bildung?p=all; Stand: 15.11.2007) eines Werkes oder einzelner Aufsätze aus Zeitungen und Zeitschriften zu Unterrichtszwecken erlaubt. Dies gilt nur für »Schulen, Hochschulen, nichtgewerbliche Einrichtungen der Aus- und Weiterbildung sowie an Einrichtungen der Berufsbildung« (Paragraf 52a Abs. 1 Nr. 1 UrhG), außerdem darf das Material nur den Unterrichtsteilnehmern zur Verfügung stehen, also als Kopie ausgegeben oder online in einem passwortgeschützten Bereich einsehbar sein. Das bedeutet für den Einsatz von Social Reading, dass es in einer Moodleähnlichen Umgebung (Moodle ist eine Open Source-Lernplattform) angeboten werden muss, in der es passwortgeschützte Bereiche für die jeweiligen Klassen oder Kurse gibt. Jahrgangs- oder schulübergreifende Diskussionen zu einem Text sind damit nicht möglich, solange man keine Gebühren für die betreffenden Texte mit entsprechend vielen Zugriffslizenzen zahlt. Dies gilt natürlich nicht für Unterrichtsmaterialien, die von den Lehrern selbst erarbeitet wurden oder Werke, bei denen der Urheber der freien Nutzung, zum Beispiel über eine »Creative Commons«Lizenz, zugestimmt hat. Social Reading Björn Brembs Sind Wissenschaftler überhaupt sozial? Ein kritischer Blick auf die Wissenschaftskommunikation im digitalen Zeitalter: Impact Factor statt sozialer Technologien Social Reading in den Wissenschaften? Fehlanzeige, sagt Neurobiologe Björn Brembs. Der erfolgreiche Jungwissenschaftler aus Regensburg beklagt in seinem Kommentar das Fehlen jeglicher sozialer Technologie in der wissenschaftlichen Literatur. Eine gefährliche Entwicklung, die seiner Meinung nach dringend korrigiert werden muss. N ein, ich rede nicht vom sozial inkompetenten Forscher-Klischee (neudeutsch »Nerds«), sondern von real-existierenden Kollegen. Wenn man sich die vergangenen zehn Jahre an Online-Entwicklung außerhalb der Institutionen höherer Bildung ansieht, könnte man meinen, die Forscherinnen und Forscher haben die Dekade der sozialen Medien genutzt, um einen eisernen Vorhang um ihren Elfenbeinturm zu bauen. Es wirkt, als wäre das Ziel gewesen, nach der Erfindung des Netzes jeden Fortschritt zu verhindern. Man muss sich nur unsere Literatur ansehen um zu erkennen, dass dieses Vorhaben, wenn es denn so geplant war, hervorragend funktioniert hat. Zurzeit bezahlen wir (laut Outsell Inc.) durchschnittlich 5 000 US-Dollar pro Fachjournal-Artikel, damit wir sicher gehen, dass so gut wie niemand den Artikel lesen kann. Man muss annehmen, dass es vor allem die Aussperrung der Leserschaft ist, in das die Verlage investieren, denn Schreiben und Begutachtung übernehmen ja wir, und die Scientific Electronic Library Online (SciELO) veröffentlicht seit über 15 Jahren in nunmehr knapp 900 Journalen für jedermann lesbare Artikel für schlappe 90 US-Dollar das Stück. Da die Verlage nur circa 35 Prozent der 5 000 US-Dollar als Gewinn abschöpfen, muss die verbleibende Differenz von über 3 000 US-Dollar wohl in die Komponente fließen, die SciELO nicht hat: die »Paywalls«. Die Verlage blockieren Aber wir beließen es nicht dabei, diejenigen auszuschließen, die uns für unsere Arbeit bezahlen. Nein, wir haben anscheinend auch gleich beschlossen, dass wir noch viel zu viel Zeit mit dem tatsächlichen Lesen unserer Literatur verschwenden, und haben die Nutzung unserer Literatur möglichst kompliziert gemacht, damit schließlich keine Zeit mehr bleibt, die mühsam gesuchte Literatur dann auch tatsächlich sinnvoll einsetzen zu können: Je nach Fachbereich müssen vier oder mehr Suchmaschinen verwendet werden, um eine ausreichende Abdeckung der Literatur zu gewährleisten (in meinem Fall BuB | 66 (2014) 10 Schwerpunkt Social Reading der Neurobiologie: Google Scholar, PubMed, Scopus und Web of Science). Obwohl Hyperlinks bereits 1968 von der Stanford University zum ersten Mal vorgestellt wurden, haben sie auch nach fast 50 Jahren in unserer Literatur noch immer keinen Einzug gehalten – oder haben Sie schon einmal eine genaue Beschreibung der experimentellen Vorgänge bekommen, wenn Sie auf »the experiments were performed as previously described« geklickt haben? Wir schicken den Journalen immer noch Bilder mit Kurven, Graphen und Diagrammen, wenn die Verlage doch nur unsere Daten und einige Befehle zur Erstellung der Diagramme bräuchten. Nebenbei würde das den Gutachtern und später den Lesern erlauben, andere Aspekte der Daten in Augenschein zu nehmen, als die von den Autoren ausgewählten. Wir müssen immer noch nach jeder Ablehnung unsere Artikel zum Teil radikal umschreiben, weil jedes Journal unsere Texte gerne in einer anderen Form hätte. Erst jetzt beginnen einige wenige Journale mit einer Technologie, die jeder Student sich schon in den 1990-ern in seine BuB | 66 (2014) 10 Lesesaal | BuB 695 Die Lage für wissenschaftliche Forschungsdaten ist katastrophal: Neurobiologe Björn Brembs im Labor. Foto: david-oliveira.com Webseiten baute: Zähler für die Anzahl an Zugriffen. Immerhin ist diese Technologie nur etwas über 20 Jahre alt und nicht fast 50 wie Hyperlinks. Die Verlage blockieren aktiv und aus reinem Gewinninteresse den Zugang für moderne Forschungsmethoden wie Content-Mining. ` 696 BuB | Lesesaal Obwohl Online-Händler wie Ama- zon schon seit über einem Jahrzehnt Produkte anbieten, die mit bereits gekauften Produkten zusammenhängen, gibt es vergleichbare Technologie nur in sehr begrenztem Rahmen – Pilotprojekte zumeist – für wissenschaftliche Artikel. Es gibt nicht ein einziges digitales Werkzeug, das es einem Wissenschaftler erleichtert, die neu publizierte Literatur individuell und vom Nutzerverhalten lernend zu fi ltern, zu sortieren und zu entdecken, obwohl diese Technologien bereits seit vielen Jahren auch von Wissenschaftlern in nicht-wissenschaftlichen Bereichen im Grunde täglich genutzt werden. Es gibt keine wissenschaftlichen Bewertungsmöglichkeiten. Der vielzitierte »Impact Factor« ist ungefähr so wissenschaftlich wie Wünschelrutengehen oder Pendeln. Die Daten der letzten 20 Jahre legen sogar nahe, dass Würfeln geeigneter ist, einen guten Artikel in einer Auswahl zu finden, als diese verhandelbare, nichtreproduzierbare und mathematisch falsch berechnete Zahl. Wir haben keine Möglichkeiten, die neuen Technologien der sozialen Medien auf unsere Literatur anzuwenden. Zwar wird so langsam eine Disambiguierung der Autoren über ORCID entwickelt, doch bevor diese Implementierung auf breiter Front etabliert ist, werden noch viele Jahre vergehen. Diese zehn Beispiele sind natürlich nur eine kleine Auswahl aus der stetig wachsenden Anzahl an Funktionalitäten, die Der Eindruck »Top-Journale« publizierten »Top-Wissenschaft« ist in etwa so wissenschaftlich begründet, wie der Eindruck, dass der Ausschlag der Wünschelrute tatsächlich mit der »Erdstrahlung« in Ihrem Haus zusammenhängt. wir heutzutage von digitalen Objekten als selbstverständlich erwarten, die sich jedoch nicht in der wissenschaftlichen Literatur wiederfinden. Wir könnten unsere Arbeiten genauso gut auch in Stein meißeln, mit den Digitalkameras in unseren Mobiltelefonen ablichten und die Bilder dann ins Netz stellten – unsere Literatur verlöre nur unwesentlich an Funktionalität. »Social Reading« beschränkt sich für Wissenschaftler folglich weitestgehend auf die außerinstitutionellen Kanäle wie Facebook oder Twitter. Rein von den Schwerpunkt Social Reading Zahlen der Teilnehmer her, ist das natürlich vernachlässigbar. An dieser Situation wird sich vermutlich so bald auch nichts ändern, solange selbst Koryphäen wie Jonathan Eisen von einem Gutachter vorgeworfen bekommen, sie würden zu viel Zeit in sozialen Netzen verbringen, um sich effektiv in das beantragte Projekt einbringen zu können. Infrastruktur-Katastrophe Doch das Thema sozialer Technologien in der Wissenschaft ist nur die Spitze des Eisbergs einer mittlerweile völlig unzureichenden Infrastruktur. Wenn die Situation für die wissenschaftliche Literatur, wie oben beschrieben, schon schlecht aussieht, so ist sie katastrophal für unsere Daten oder gar unseren Quellcode. Doch die Infrastruktur-Katastrophe, die da auf uns zurollt, macht nicht bei den Früchten unserer wissenschaftlichen Arbeit halt. Die Entwicklung des Netzes hat alles an hergebrachter Verfahrensweise auf den Kopf gestellt. Neben der Funktionalität ist die Anreizstruktur eine wesentliche Komponente unserer institutionellen Infrastruktur. Waren vor der Exzellenzinitiative 2005 noch circa 50 Prozent aller Vollzeitstellen unbefristet, sind es mittlerweile nur noch knapp über 40 Prozent. Laut Statistischem Bundesamt wurden in diesem Zeitraum zwar gut 3 000 neue Dauerstellen für Wissenschaftler geschaffen, jedoch auch über 20 000 befristete Stellen. Durch diese enorme Überproduktion an Wissenschaftlern entsteht eine krankhafte Konkurrenzsituation, die dem Nachwuchs suggeriert, man könne nur noch mit Star-Status eine der raren unbefristeten Stellen ergattern. Einen solchen Star-Status, daran wird kein Zweifel gelassen, kann man nur mit Publikationen in den »Top-Journalen« erlangen. Das Fatale ist nur, dass kaum jemand wahrzunehmen scheint, dass dieser Kaiser völlig nackt dasteht: Der Status der Journale entbehrt jeglicher empirischen Grundlage. Im Gegenteil, die Studien, die sich mit der Journal-Hierarchie beschäftigen, zeigen nicht nur, dass es in den meisten Fällen keinen Zusammenhang zwischen der methodische Qualität der Arbeiten mit der Höhe in der Journalhierarchie gibt, sondern auch dass diese Relation in manchen Fällen sogar sinkt statt steigt. Es ist mir keine einzige Untersuchung bekannt, in der die »TopJournale« in solchen Untersuchungen nicht sang- und klanglos durchgefallen wären. Die momentane Datenlage ist eindeu- tig: Der Eindruck »Top-Journale« publizierten »Top-Wissenschaft« ist in etwa so wissenschaftlich begründet, wie der Eindruck, dass der Ausschlag der Wünschelrute tatsächlich mit der »Erdstrahlung« in Ihrem Haus zusammenhängt. Sensationsgier und niedrige Qualitätsansprüche in den »Top-Journalen«, gepaart mit der Verzweiflung, eine Publikation in einem genau dieser karriereentscheidenden Journale unterbringen zu müssen, ist das perfekte Rezept, um die am wenigsten zuverlässige Wissenschaft in den am meisten beachteten Journalen unterzubringen. Diesem System haben wir nicht nur Jan-Hendrik Schön, Woo-Suk Whang oder Diderik Stapel zu verdanken, sonDie Inexistenz von sozialer Technologie in der wissenschaftlichen Literatur ist daher nur ein winziges Symptom einer Krankheit, die ohne Gegenmaßnahmen mit Sicherheit tödlich für den Patienten »öffentlich geförderte Wissenschaft« verlaufen wird. dern auch die Titelseite des Economist »How Science Goes Wrong« oder den Titel von Ranga Yogeshwars WDR-Sendung »Pfusch in der Wissenschaft«. Die Inexistenz von sozialer Technologie in der wissenschaftlichen Literatur ist daher nur ein winziges Symptom einer Krankheit, die ohne Gegenmaßnahmen mit Sicherheit tödlich für den Patienten »öffentlich geförderte Wissenschaft« verlaufen wird: Welcher Steuerzahler oder Politiker wird noch für ein System zahlen wollen, in dem aus Steuergeldern Wissenschaftsskandale gemacht werden und klinische Ergebnisse nicht reproduziert, geschweige denn zu Therapien entwickelt werden können. Jetzt ist die Zeit gegenzusteuern und eine radikale Modernisierung unserer Infrastruktur zu betreiben. Die Mittel dafür sind in den Subskriptionen der Journale zu suchen: Zieht man Verlagsgewinne und »Paywall«-Kosten von den Abonnement-Gebühren ab, so bleiben den wissenschaftlichen Institutionen weltweit pro Jahr circa 9,8 Milliarden US-Dollar für dieses Vorhaben – das sollte mehr als genügen. Björn Brembs: Promotion in Würzburg (2000), PostDoc in Houston, Texas (bis 2003), Gruppenleiter in Berlin (bis 2012), Professor in Regensburg. – Kontakt: [email protected] BuB | 66 (2014) 10 Schwerpunkt Social Reading Hanna Weber Große Vorteile – aber noch größere Vorbehalte Social Reading als Plattform des wissenschaftlichen Austausches Social Reading ist eine neue Entwicklung, die sich in wissenschaftlichen Bibliotheken in verschiedene Kontexte einordnen lässt. Hanna Weber hat sich im Rahmen ihres Studiums intensiv mit dem Thema befasst und stellt im Folgenden die wichtigsten Aspekte vor. mentieren könnte, ergäben sich weitreichende Möglichkeiten bis hin zu einer möglichen Veränderung des Publikationsverhaltens. Da wichtige Aussagen direkt am Original-Text angemerkt werden können, müssen sie gegebenenfalls nicht mehr in separaten Aufsätzen publiziert werden. Lernmanagementsysteme, die in Hochschulen Anwendung finden, könnten mit wenig Aufwand zu Social Reading-Projekten erweitert werden: Häufig werden von Professoren Skripte oder kurze Texte, manchmal auch ganze Buchkapitel hochgeladen, um diese den Studierenden zur Verfügung zu stellen. Eine Form des Social Reading wäre es, diese Texte in ein Format zu bringen, in dem die Studierenden diese offen kommentieren können. So wären alle Nutzer des Textes in der Lage, den Kommentar zu lesen und diesen wiederum zu kommentieren. Das Lernmanagementsystem würde Mehrere Hindernisse Eine weitere Problematik ist das Format der erstellten Dokumente. somit als gemeinsamer Ort für eine Lerngruppe fungieren. Fragen können mit diesem Instrument direkt im Text beantwortet werden und so ganze Diskussionen am Text selbst entstehen. Das Lernen wird auf diese Weise unmittelbar unterstützt. Durch Speicherung auf den Servern können die Diskussionen sogar von nachfolgenden Semestern wiederaufgenommen und weitergeführt werden. Eine weitere Möglichkeit zur Einbindung von Social Reading ist im Bereich der virtuellen Forschungsumgebungen zu sehen. Diese spielen eine immer größere Rolle in der deutschen Forschungslandschaft. Der Vorteil: In virtuellen Umgebungen können Wissenschaftler in kleinen Gruppen oder mit der ganzen Wissenschaftscommunity Dokumente bearbeiten und sich gegenseitig zur Verfügung stellen. Wenn man auch hier, wie bei den Lernmanagementsystemen, direkt im Text kom- BuB | 66 (2014) 10 Im Moment stehen diesen Visionen des Arbeitens mithilfe von Social Reading allerdings verschiedene Hindernisse im Wege. Zu nennen ist dabei zunächst die geringe Verbreitung wissenschaftlicher Texte auf dem Open Access-Weg. Da die meisten Wissenschaftler ihre Veröffentlichungen nach wie vor über einen Verlag publizieren und diese deswegen selten frei zur Verfügung stehen, kann eine Nutzung auf Plattformen nur unter besonderen Umständen erfolgen. Zu beachten ist dabei die Sonderbestimmung zur öffentlichen Zugänglichmachung für Unterricht und Forschung (Paragraf 52, UrhG), die besagt, dass Texte und Veröffentlichungen, die dem Urheberrechtsgesetz unterliegen, in Teilen zur Forschung und Lehre veröffentlicht werden dürfen. Die Bestimmung gilt aber nur, wenn die Unterlagen ausschließlich einem begrenzten Personenkreis zugänglich gemacht werden.* Diese Eingrenzung erfolgt bei Lernmanagementsystemen und virtuellen Forschungsumgebungen durch einen passwortgeschützten Bereich. Dabei muss auch eine Kontrolle dahingehend erfolgen, ob der Hanna Weber, geb. Mühlenjost (1989), studiert nach Beendigung ihrer Ausbildung an der ULB Münster zur FaMI (Fachrichtung Bibliothek) momentan an der Fachhochschule Köln Bibliothekswesen. – Kontakt: hanna.muehlenjost@gmail. net Lesesaal | BuB Nutzer berechtigt ist, diese Plattform überhaupt zu nutzen. Unklar ist allerdings, in welchem Rahmen Teile einer Arbeit dort hinterlegt werden können. Im Urheberrechtsgesetz werden keine klaren Definitionen getroffen, sodass dabei aktuelle Rechtsprechungen und verbreitete Argumentationen berücksichtigt werden müssen. Sollten Dokumente unter Open Access publiziert sein, besteht dieses Problem nicht, damit können auch öffentliche Diskussionen (vielleicht auf einem fachlichen Repositorium) geführt werden. Eine weitere Problematik ist das Format der erstellten Dokumente. Das weit verbreitete Portable Document Format (PDF) ermöglicht ohne teure Zusatz-Software keinen flexiblen Umgang mit Kommentierungen. Im Bereich der virtuellen Forschungsumgebung spielt auch die Langzeitarchivierung eine wichtige Rolle: Es muss gewährleistet werden, dass die Kommentare auch zu spä- Im Bereich der virtuellen Forschungsumgebung spielt auch die Langzeitarchivierung eine wichtige Rolle. teren Zeitpunkten zur Verfügung stehen. Dies ist insbesondere für die Authentizität der Quellen wichtig. Abgesehen von den oben genannten Fragen ergibt sich gerade bei der forschungswissenschaftlichen Nutzung von Dokumenten noch ein ganz anderes Problem: Viele Wissenschaftler sind derzeit nicht bereit, sich mit Open Access, seinen Möglichkeiten und Vorteilen auseinanderzusetzen. Sie werden somit auch wenig Interesse daran haben, sich auf offenen Forschungsplattformen über Dokumente auszutauschen und Textdiskussionen so weit voranzubringen, dass sich eine Publikation der Ergebnisse auf üblichem Wege vielleicht erübrigt. Die erläuterten Möglichkeiten von Social Reading sind daher heute noch nicht voll umsetzbar. Aber die Auseinandersetzung mit dem Thema Social Reading hat gezeigt, welche ungenutzten Möglichkeiten der Zusammenarbeit bestehen. Diese Entwicklungen müssen weiter vorangetrieben werden und sollten von den Bibliothekaren genau beobachtet werden. * Vgl. Urheberrechtsgesetz, Paragraf 52, Absatz 1 & 2 697 698 698 BuB | Lesesaal Frankfurter Buchmesse Dirk Wissen Lyrik rechnet sich nicht – bietet aber Lebensqualität Gedichte als Herausforderung für Öffentliche Bibliotheken Lyrik gehört in jede Bibliothek, davon ist der Direktor der Stadt- und Regionalbibliothek Frankfurt (Oder), Dirk Wissen, fest überzeugt. In seinem folgenden Beitrag hat der Literaturexperte interessante Stimmen aus dem Lyrik-Umfeld gesammelt – und außerdem jede Menge Argumente, warum Gedicht-Bände, auch wenn sie wenig ausgeliehen werden, in Bibliotheken für Aufenthaltsqualität sorgen können. E rnst Jandl, den ich in den 1990er-Jahren mal in der Theatergarderobe der Volksbühne Wien traf, vermutete, dass ich ebenfalls schriftstellerisch tätig sei und erklärte mir eindringlich, dass selbst er, der in Österreich ein weltbekannter Lyriker sei, vom Verkauf seiner Bücher nicht leben könne. Wären da nicht viele Auftritte, die Honorare einbringen, dann müsste er neben dem Schriftstellerberuf einem weiteren Broterwerb nachgehen. Nun, circa 20 Jahre später, frage ich mich: Wie stehen die »Aktien« heute um die Lyrik? Mit meiner Frage richtete ich mich an die vielfach ausgezeichnete Lyrikerin Ulrike Almut Sandig. Von ihr bekam ich die Antwort: »Wenn man hauptamtlich dichten will, hat das Konsequenzen, auch auf das eigene Schreiben. Denn da man vom Verkauf der eigenen Gedichte auf keinen Fall leben kann, selbst wenn sie sich verhältnismäßig hervorragend verkaufen, ist man angewiesen auf a) Bühnenhonorare, b) Preisgelder und Stipendien und c) Abdruckhonorare für andere Veröffentlichungen. Was Punkt c betrifft, gibt es viele Dichter und Dichterinnen, die auch Romane, Erzählungen, Drehbücher et cetera veröffentlichen; sie sind in der glücklichen Lage, sich ihre dichterischen Eskapaden querfinanzieren zu können. Wer Essays oder Übersetzungen verfasst, ist genauso dran, als wenn er es nicht täte, denn solche Literatur kauft auch keiner. Gut, aber was ist mit Punkt b, den Auszeichnungen und Förderungen? Ganz einfach: Manche bekommen sie, andere nicht. Schlechte Dichter werden selten ausgezeichnet. Aber es gibt auch verdammt gute Dichter, die nie ausgezeichnet werden. Das schlägt sich dann in Punkt a nieder. Denn wer nicht ausgezeichnet wurde, wird auch nicht in Literaturhäuser oder auf Lesefestivals eingeladen. Aber selbst wer eingeladen wird, kann noch immer nicht von sich behaupten, seine Lyrik rechne sich marktwirtschaftlich. Denn die Honorare für diese Lesungen werden aus dem Kulturhaushalt der Städte, Bundesländer oder verschiedener Stiftungen gezahlt, andernfalls geht man mit 15 Euro und einem feuchten Händedruck nach Hause.«1 Die finanzielle Situation hat sich in den 20 Jahren seit meiner Begegnung mit Jandl scheinbar nicht verändert. Doch spiegelt sich dies auch im Umsatz auf dem aktuellen Medienmarkt wider? Verkauft sich Lyrik? Auf meine Frage antwortete Detlef Bluhm vom Börsenverein des deutschen Buchhandels: »Lyrik rechnet sich nicht? Lyrik verkauft sich nicht? Lyrik braucht der Markt nicht? Seit über zwei Jahrzehnten wird von der hoffnungslosen Situation lyrischer Produktion auf dem Buchmarkt geredet – falls sich überhaupt jemand zu diesem Thema äußert. Dennoch ist in dieser Zeit eine höchst lebendige Lyrik-Szene entstanden, mit neuen Verlagen, Autorinnen und Autoren, alternativen Veranstaltungsorten, jungen Festivals, Homepages und Social-Media-Kommunikation. Und der traditionelle Buchmarkt ist dabei, diese Entwicklungen für sich zu entdecken. Dabei wird es nicht um das ›große Geschäft‹ gehen – das war mit Lyrik nur sehr selten zu machen –, sondern um die Entdeckung neuer Autorinnen und Autoren, junger Leserinnen und Leser, neuer Formen poetischer Artikulation und darum, eine Verbindung zwischen traditioneller und experimenteller Lyrik zu schaffen.«2 Experimental- statt Konsumliteratur Poetik ist für Bluhm also Experimentalliteratur und keine »Konsumliteratur«, auch wenn hier eine »neue, lebendige Szene« entstanden ist. Doch wenn Lyrik keine »Konsumliteratur« ist, ist sie dann »Alltagsliteratur« und dient der informationellen Grundversorgung? Diese Frage müssen sich Bibliothekslektoren stellen, wenn sie Lyrik in ihren Medienbestand aufnehmen. Unter aktuellen Gesichtspunkten des Bestandsmanagements ist zu hinterfragen, ob mit einem bestimmten Bestand die fachlich angestrebte Grundversorgung an Information und Medien bedient wird oder ob bei kaum erzielten Ausleihumsätzen in Öffentlichen Bibliotheken ganz verzichtet werden sollte? Diese Überlegung führt zu der Frage: »Wozu Lyrik heute?«3 Diese Frage muss in Bezug auf die Praxis des Bestandsmanagements gestellt werden. Die Professorin für Informationsmarketing, PR und Bestandsmanagement, Frauke Schade, plädiert für den 1 E-Mail der Autorin Ulrike Almut Sandig: Lyrikerin, Berlin 2 E-Mail von Detlef Bluhm: Geschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels – Landesverband Berlin-Brandenburg, Berlin 3 Vgl. Hilde Domin: Wozu Lyrik heute, Piper, Frankfurt am Main, 1971 BuB | 66 (2014) 10 Frankfurter Buchmesse Lyrikbestand und begründet dies folgendermaßen: »Die Freiheit und Vielfalt von Kultur ist ein grundlegender Wert unserer demokratischen Gesellschaft, der durch das Grundgesetz geschützt ist. Eine gesetzliche Gewährleistung für die Einlösung des Kulturauftrags gibt es dafür auf kommunaler Ebene jedoch nicht. Die Ermöglichung von Kultur gehört weitgehend zu den freiwilligen Aufgaben von Kommunen. Die Kulturpolitik in den 1970er-Jahren sah die Chance, ›Kultur für alle‹ auch in ihren Nischen und vor kleinem Publikum zu ermöglichen. Durch die Verwaltungsmodernisierung und finanzielle Krise der öffentlichen Hand seit Mitte der 1990er-Jahre wird eine Kulturpolitik befördert, die eine stärkere Professionalisierung des Kulturbetriebs und eine höhere Kundenorientierung anstrebt. Der Paradigmenwechsel drückt sich vor allem dadurch aus, dass sich Kultur heute stärker als früher über ihre Nachfrage legitimieren muss. Auf der anderen Seite ist ein Kulturangebot, das ausschließlich den Massengeschmack bedient und schnelllebigen Moden und Trends folgt, kaum akzeptabel. Die öffentliche Subventionierung des Kulturguts wird vielmehr gerade erst dadurch BuB | 66 (2014) 10 Lyrik gehört in die Bibliothek: Sie bietet Qualität – Lebens- und Lesequalität! Foto: Dirk Wissen möglich, dass ein Angebot als gesellschaftlich so relevant eingeschätzt wird, dass von staatlicher Seite in den Markt eingegriffen und die fehlende Nachfrage ausgeglichen wird. Bibliotheken können diesem Spannungsfeld nicht entrinnen. Dies erfordert das strategische Kalkül, das Angebotsportfolio von Bibliotheken zwischen Marktorientierung und Kulturauftrag auszutarieren. Dies be- deutet einerseits, sich immer wieder mutig in die Nischen des Unpopulären zu wagen und vielleicht gerade daraus ein Alleinstellungsmerkmal zu entwickeln; andererseits die Potenz der Bibliothek und ihre Relevanz für die Gesellschaft stetig auch über die Nachfrage zu legitimieren. Das Ganze ist mehr als die Summe der Einzelteile. Im günstigsten Fall resultiert daraus ein Bibliotheksprofil, 700 700 BuB | Lesesaal das durch Einzigartigkeit und Relevanz seinen spezifischen Mehrwert für die Kommune nachhaltig kommuniziert.«4 Viele Bibliotheken streben an, effizient zu agieren, auf einen guten Umsatz bedacht zu sein und sich an Nutzerwünschen zu orientieren, um die Ausleihzahlen zu optimieren. Propagiert wird von Bibliotheken, dass sie nachfrageorientierte Medienbestände haben, die den Nutzerwünschen entsprechen, aktuell sind und sich am Buchmarkt ausrichten – all dies bietet ein subventionierter Lyrikbestand nicht: also raus damit und Platz schaffen für zum Beispiel Konsolenspiele und 3-DDrucker, die marketingstrategisch ein modernes Image bieten. Die Fernleihe bietet doch ausreichend Möglichkeit, auf seltene Leserwünsche zu reagieren. Eine Frage bleibt dennoch: Sollten Bibliotheken einen Lyrikbestand als Beitrag zur kulturellen Vielfalt anbieten, auch wenn sich auf den Bestsellerlisten des Buchmarkts keine Lyriktitel finden? Denn selbst als der schwedisches Lyriker Tomas Tranströmer 2011 mit dem Nobelpreis für Literatur gewürdigt wurde, gab es keinen Eintrag in den Bestsellerlisten. Was ist also das Oeuvre Tranströmers für den Medienbestand einer Bibliothek wert? Unwirtschaftlicher Mut Und es gibt Verlage, die den unwirtschaftlichen Mut haben, Lyrik zu verlegen. So zum Beispiel Verlage wie Edition Azur, hochroth, kookbooks oder Voland & Quist. Leif Greinus, Verlagsleiter bei Voland & Quist, berichtet: »›Lyrik nervt‹ las ich auf einem Aufkleber vor acht, neun Jahren in einem Kulturzentrum. Da hatten wir mit Nora Gomringer und Bas Böttcher zwei Lyriker frisch ins Verlagsprogramm genommen. Ob sich das Verlegen von Lyrik refinanzieren würde, war schwer zu schätzen, aber auch nicht das Kriterium. Wir waren begeistert von den Autoren und ihren Texten und wollten sie bekannt machen.«5 Solche Verlage sind nicht nur mutig – sondern, wenn sie Lyrik verlegen, wirtschaftlich betrachtet fast schon wahnsinnig, da sich die Verlage unter anderem von Fördermitteln abhängig machen, um Lyrik verlegen zu können. Doch gegenüber Verlegern, die keine Lyrik in ihr Verlagsprogramm nehmen, antwortet der Verleger Klaus Schöffling: »Ihr verlegt keine Lyrik? Ihr seid wahnsinnig! Wer sich als Verleger vor den Gedichten drückt, kommt nimmermehr in den Verlegerhimmel, verpasst die schönsten und intensivsten Lesestunden, schaut nie die klaren Frankfurter Buchmesse »Für Gedichtbände erhalten Autoren meist keinen Vorschuss«: Tanja Dückers bei der Gesprächsreihe »Wissen trifft … – das Kulturgespräch« in der Stadt- und Regionalbibliothek Frankfurt (Oder). Foto: Thomas Ritter Augen der Lyrikdebutantin, vermisst nie das Gewicht der Ausgabe der ›Sämtlichen Gedichte‹, ist überhaupt ein armer Wicht, der vielleicht eine feine Bilanz hochhält, aber doch die entscheidenden Momente des Verlegens verpasst. Wer Lyrikreihen einstellt, ist nicht von unserer Art.«6 Doch wer sind die Kunden und sind dies die gleichen Kunden wie die, die in den Bibliotheken Lyrik entleihen? Es ist zu unterscheiden zwischen der Bibliothek als Käufer, dem Bibliophilen als Käufer und dem Entleiher von Poesie aus der Bibliothek, den es kaum gibt. Denn es verhält sich bei Lyrik wohl so, dass ein schönes Lyrikbändchen einen ein Leben lang begleiten kann. Entgegen allen Nutzungstrends digitaler und mobiler Möglichkeiten bedeutet der Besitz hier oftmals mehr als der Besitz eines Sachbuches mit schnellem Verfallsdatum. Somit raus damit, Lyrikbestände raus aus den Bibliotheken! Diese Bestände finden keine Nutzung, keinen Nutzer! Die paar wenigen sind Schüler, um Lyrik für den Unterricht zu entleihen. Jedoch haben viele Schüler bereits erkannt, dass sich einzelne Gedichte wunderbar aus dem Internet zusammenstellen und bearbeiten lassen, und es ist nicht zu verstehen, weshalb die ekz.bibliotheksservice GmbH beispielsweise Lyrik als Standing Order anbietet? ekz-Lektorin Regine Mitternacht, zuständig für Belletristik, entgegnet hierauf: »Betriebswirtschaftlich betrachtet könnte man sagen, der Verkauf von Lyrik lohne sich nicht. Das wäre aber zu kurz gedacht. Klar machen die Umsatzzahlen eines modernen Lyrikbandes nur den Bruchteil der Zahlen eines Bestsellers à la ›Nele Neuhaus‹ oder ›Ken Follett‹ aus. Dennoch können Bibliotheken zu Recht erwarten, dass die ekz als Bibliotheksdienstleister das ganze Spektrum eines möglichen Bestandes im Portfolio hat. So ist es für die ekz selbstverständlich, neu erscheinende Lyrik in einem gewissen Umfang in ihrem Informationsdienst (ID) anzubieten. Aus der (immer noch erstaunlich großen) Fülle der Lyrik-Neuerscheinungen wird im Lektorat eine Vorauswahl getroffen, kompetente Rezensenten begutachten diese und geben Bibliotheken so wertvolle Hinweise für ihre Kaufentscheidung. Auf diese Weise finden pro Jahr circa 50 Titel ihren Weg in den ID. Ergänzend hierzu bietet die ekz in unregelmäßigen Abständen weitere Lyriktitel in Medienaktionen an.«7 Es sind also circa 50 Titel von insgesamt 2 800 Belletristik-Titeln im Jahr, die die ekz anbietet – hierbei von einem Portfolio zu sprechen, ist doch ein Witz – raus damit! Und neben dieser Sichtweise des Bestandsmanagements gibt es für Öffentliche Bibliothek zudem eine zweite: die des Veranstaltungsmanagements. Lyrik rechnet sich nicht Der Bestandsmanager muss den Einkauf eines Lyrikbändchens kritisch sehen – der Veranstaltungsmanager sollte keine Lyrikveranstaltung durchführen, wenn diese Gefahr läuft, kaum Publikum zu ziehen. Lyrik rechnet sich auch hier nicht! Doch BuB | 66 (2014) 10 Lesesaal | BuB701 701 Frankfurter Buchmesse wieso gibt es einerseits einen Lyrikbestand innerhalb der Belletristik in den Bibliotheken und nicht im gleichen prozentualen Verhältnis entsprechend viele Lyrikveranstaltungen? Die Schriftstellerin Tanja Dückers äußert sich zu Veranstaltungen folgendermaßen: »Für Gedichtbände erhält man meist keinen Vorschuss, vielmehr freut man sich, dass die Gedichte überhaupt verlegt werden. Mit den Büchern verdient man wenig, das ist zu vernachlässigen. Unserer heutigen Eventkultur entsprechend, die die Arbeit am Schreibtisch wenig würdigt, den (glanzvollen) Augenblick auf der Bühne aber honoriert, verdient man mit Abstand am meisten auf der Bühne: also mit der Teilnahme an Lyrikfestivals, Lyriklesungen, Poesienächten und dergleichen. Das ist nicht jedermanns Sache und kann sehr unterschiedlich aussehen: Es gibt die klassische Literaturcafé-Lesung oder ›Wasserglas-Lesung‹ in einer Bibliothek, aber 4 E-Mail von Frauke Schade: Professorin für Informationsmarketing, PR und Bestandsmanagement am Department Information der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg 5 E-Mail von Leif Greinus: Geschäftsführer des Verlags Voland & Quist, Dresden 6 E-Mail von Klaus Schöffling: Geschäftsführer des Schöffling & Co. Verlags, Frankfurt am Main 7 E-Mail von Regine Mitternacht: Bibliothekarische Dienste bei der ekz.bibliotheksservice GmbH, Reutlingen 8 E-Mail von Tanja Dückers: Schriftstellerin und Journalistin, Berlin auch merkwürdige Poetry-Events, wo man in Kaufhäusern, in U-Bahnen, auf Flughäfen und mitten auf der Straße liest. Da ist vom Lyriker heute viel Wandlungsfähigkeit, Flexibilität gefordert: Eben noch saß man versunken am häuslichen Schreibtisch und erfand Worte, im nächsten Moment steht man auf einem lauten U-Bahnhof und soll ›das Publikum fesseln‹. Dieser Spagat kann anstrengend, aber auch reizvoll sein. Immerhin kann man konstatieren, dass es unter anderem durch das Aufkommen der Poetry Slams in den 90er-Jahren insgesamt eine größere Bereitschaft des Publikums gibt, Lyrik wieder als öffentliche Vortragsform zu genießen. Hier schließt sich der Kreis zwischen tradierter Kulturvermittlung und zeitgenössisch-modischer Eventkultur.«8 Fassen wir also nochmals zusammen, dass aus Sicht der Bibliotheken zwei Aspekte zu beachten sind, um die Frage nach der Relevanz der Lyrik zu verdeutlichen: Lyrik als Bestandsangebot und als Veranstaltungsangebot rechnet sich nicht! Das folgende Beispiel verdeutlicht diesen Ansatz: Vor wenigen Wochen trat die Lyrikerin Karin Kiwus in einer Brandenburger Bibliothek auf, um ihren neuen Gedichtband vorzustellen. Hierzu wurde ein Honorar vereinbart, Marketing durchgeführt und die Lesung vom Verlag und vom Veranstalter organisiert. Man sollte wissen, dass die Lyrikerin keine PoetrySlamerin ist, sondern im Alter von um die 60 Jahre gesellschaftskritische und zum Nachdenken anregende Poesie veröffentlicht. ` Autorentreffen in der Stadt- und Regionalbibliothek Frankfurt (Oder) – unter anderem mit dem im Text zitierten Lyriker Lothar Ruhlig (hinten rechts). Foto: Dirk Wissen BuB | 66 (2014) 10 702 702 BuB | Lesesaal Es erschienen 18 Personen, hiervon zahlten 11 Personen Eintritt. Die weiteren Anwesenden waren Personal, Ehrenamtliche, Kooperationspartner und Medienvertreter. Am Veranstaltungsabend wurden drei Bücher verkauft. Der Aufwand für die Organisation und das Marketing stehen in keinem Verhältnis zum Ergebnis, außer es wird vielleicht in 300 Jahren an dieser Bibliothek eine Plakette hängen, auf der dann stehen wird: »Hier las anno 2014…« Denn nur am Rande bemerkt, Heinrich von Kleist besuchte einmal Würzburg und nächtigte dort. Heute hängt an dem Haus eine Bronzeplakette, die auf seine Übernachtung hinweist – und kein KleistForscher weiß, weshalb er in Würzburg verweilte. Vielleicht gab es eine Lesung in der viel zitierten Lesebibliothek9 – doch mit welcher Publikumsbeteiligung? Lyrik benötigt Publikum und Präsentation in Form von Regalpräsentation und durch Veranstaltungen. Doch können Bibliotheken dies professionell, wie zum Beispiel Werbeagenturen oder Eventveranstalter, bieten? Lothar Ruhlig, Lyriker des Autorentreffens aus Frankfurt (Oder), meint hierzu: »Ein Gedicht braucht mehr als das Buch zur Präsentation. Gedichte bewegen sich seit jeher im Spannungsfeld zwischen Wort, Sprachtheater und Musik. Sie benötigen das gesprochene Wort, die Präsentation des Vortragenden, aber auch die Untermalung mit Musik oder Geräuschen. Lyrik muss deshalb multimedial sein beziehungsweise werden. Lediglich die nur auf Wortkonstruktionen beruhenden Gedichte bedürfen vor allem des Buches.«10 Kaum Publikum Wenn also der Buchbestand alleine nicht ausreicht und Veranstaltungen kaum Publikum erreichen – raus mit diesem Genre aus Bibliotheken! Kaum eine Bibliothek besitzt eine Gitarre, geschweige denn ein Klavier im Fundus, um den Vortragenden mit Musik zu untermalen. Und welche Bühne kann eine Bibliothek einer unbekannten Lyrikdebütantin bieten, die sich inhaltlich beispielsweise mit dem Tod beschäftigt? Vielleicht ist die Bestandspräsentation in Buchform bezüglich Lyrik ebenfalls tot? Autoren und Verlage sollten modernere Präsentations- und Publikationsformen finden, wie zum Beispiel öffentlich mit Postkarten oder auf den Straßen durch Plakate – gern auch digital über Websites, SMS oder getwittert. Lyrik als Buch ist in unserer heutigen connectedmobilen Welt nicht mehr zeitgemäß und sind Bibliotheken Event-Veranstalter? Frankfurter Buchmesse Insgesamt erschien die erste Auflage des Buches, das vor 18 Personen vorgestellt wurde, in einer Auflage von 2 500 Exemplaren. Es ist zu vermuten, dass hiervon ein Großteil an Bibliotheken verkauft wurde und ein sehr geringer Teil an Bibliophile. Schon bald wird der Rest auf dem Buchmarkt, trotz Buchpreisbindung, verramscht, und Öffentliche Bibliotheken werden routinemäßig dieses Buch, wenn es zwei bis fünf Jahre nicht entliehen wurde, entsorgen – wohl möglich, dass kurz drauf wieder eine Neuauflage eingekauft wird. Bezüglich der Entleihungen liegt der Umsatz von Lyrik im Jahr in vielen Bibliotheken durchschnittlich bei circa 0,5. Dies ist im Vergleich zu den anderen Bestandsgruppen ein ausgesprochen niedriger Umsatz. So hat der Bereich Schöne Literatur (in der die Lyrik enthalten ist) einen Umsatz von rund 3,5 und die Sachliteratur einen Umsatz von 2,5 – bitte prüfen Sie dies in Ihrer Bibliothek und entfernen Sie daraufhin ihren Lyrikbestand! Mag die Lyrik gesellschaftlich gesehen auch hoch angesehen sein, gibt es für Öffentliche Bibliotheken letztlich nur die zwei genannten Betrachtungswinkel gegenüber der Nutzung: erstens der Umsatz beim Bestand und zweitens die Veranstaltungsteilnehmer. Poesie bietet zwar keinen Kontoauszug, der belegt, wie viel ein Wort im Gedicht wert ist, doch wird hier schließlich jedes Wort auf die sprichwörtliche Goldwaage gelegt. Folglich muss sich die Lyrik die Frage gefallen lassen, ob sie in das Bibliotheksprogramm gehört. Die Lyrikerin Ingeburg Schirrmacher weiß zu bestätigen, dass Poesie gesellschaftlich zwar hoch angesehen ist, sie aber kaum gelesen oder beachtet wird: »Hochgerühmt und ungelesen. So könnte man den Stellenwert – Lyrik – im Zeitalter der Hochgeschwindigkeitstechnik und Spaßkultur bestimmen. Verfasser dieser brotlosen Kunst werden heute von Liebhabern der schrillen Comedy-Szene bestenfalls mitleidig belächelt. Ihre Produkte sind kaum zu vermarkten. Es sei denn, sie bedienen den Trend zur seichten, kurzlebigen Unterhaltung. Die moderne Umgangssprache dominiert das flotte Kürzel, die aggressive Werbeformel mit Reimschrott und Sinnverdrehungen, die originell zu sein vorgeben. Sprache wird nicht mehr als Brücke, sondern als Code im Internet verstanden. Am besten in Pidgin-english, das die Sprachsubstanz zuverlässig aufweicht, ihre in Jahrhunderten gewachsene Schönheit. Das Gedicht, das Kunstgedicht, ist immer ein Wagnis, ein Versuch, an die Grenzen des Sagbaren zu gelangen, den Brunnen der Muttersprache tiefer auszuloten. So sucht es Zwiesprache Dr. phil. Dirk Wissen (Foto: Thomas Ritter), geboren 1972 in Münster (Westfalen), ist seit 2008 Direktor der Stadt- und Regionalbibliothek Frankfurt (Oder). Er studierte in Berlin, Hamburg und Wien. Seine Dissertation »Zukunft der Bibliographie – Bibliographie der Zukunft« schrieb Wissen an der Wiener Universität. Er ist Autor von Artikeln des »Lexikon der Bibliotheksund Informationswissenschaft«. Seine mehrjährige Berufspraxis als Bibliothekar, zunächst in Berlin, dann Würzburg und heute in Frankfurt (Oder) konzentriert sich auf die Öffentlichkeitsarbeit. Schwerpunkt hierbei ist die Konzeption von Projekten im Veranstaltungsbereich und die Kooperation mit Bildungsund Kultureinrichtungen. Er koordiniert zahlreiche Veranstaltungen zur Leseförderung, Literaturvermittlung sowie Schulungen zur Informations- und Medienkompetenz. Mit bereits mehr als 50 Autorinnen und Autoren führt er monatlich die Gesprächsreihe »Wissen trifft… – das Kulturgespräch« durch – zuletzt, während der Fußball-Weltmeisterschaft mit der polnischen und deutschen Autorennationalmannschaft. – Kontakt: [email protected] mit den Lesern, nistet sich ein mit einem unerwarteten Bild, einem überraschenden Gedanken.«11 Strategiewechsel notwendig Es bedarf speziell für die Lyrik also eines Strategiewechsels und einer Neupositionierung in Öffentlichen Bibliotheken, da diese als zeitloses Genre nur in die wissenschaftlichen Bibliotheken gehört. Öffentliche Bibliotheken könnten statt umfangreicher Buchbestände kurze Texte über eine Lyrik-App anbieten. Oder welchen Lösungsansatz schlägt Tom Becker, Professor für Bestandsmanagement an der FH Köln, für den Buchbestand vor? »Als kennzahlenorientierter Bestandsmanager sage ich, dass Lyrik, bis auf wenige klassische Autoren, die wohl vorrangig auch Schullektüre sind, nicht nur als ›toter Hund‹ gelten kann, sondern dass diese Bände weitestgehend ein mumifiziertes Dasein führen, verstaubend und selten entliehen in den meisten (Öffentlichen) Bibliotheken. Hieraus folgt die Normstrategie nach Portfolio: Lyrik sollte schon lange entsorgt sein, da auch durch eine ›putzige‹ Präsentation diese GatBuB | 66 (2014) 10 Lesesaal | BuB703 703 Frankfurter Buchmesse tung nicht zum Ausleihrenner wird. Als jemand, der im Bestandsmanagement die informationslogistischen Rollen schätzt, kann ich aber einen ausgewählten, zu meinem Profil passenden Lyrikbestand auch rechtfertigen (und komme um die Kennzahlen rum, indem ich das als Präsenz führe, mit Ausleihmöglichkeit auf Anfrage). Dann muss ich aber diese Rolle auch mit bestandsübergreifenden Aktionen (Marketing ganzheitlich sehend) begleiten – durch Lesungen, mit Poetry-Slams und Handy-Haikus, mit Schreibwerkstätten und entsprechenden Social-Reading Angeboten, die verzahnt anzubieten sind. Doch das wird Lyrik nicht zur ›Milchkuh‹ oder zum ›Star‹ machen, es wird wahrscheinlich sogar im Feld ›Arme Hunde‹ bleiben – aber nicht mumifiziert, sondern zumindest hin und wieder bellend und im richtigen Moment kräftig zubeißend.«12 Es ist zu schließen, dass Öffentliche Bibliotheken als Event-Veranstalter fungieren müssten, doch haben diese vielmehr den Auftrag der Leseförderung, Literaturvermittlung und Schulung von Medienkompetenz. Bezüglich der Lyrik als Eventmanager (mit hohem Personal- und Etataufwand) zu agieren, um für »coolen Spaß« auf der Bühne zu sorgen und darüber hinaus für den Lyrikbuchbestand Werbung und Regalpräsentation wie im Buchhandel zu betreiben, ist nicht Aufgabe einer Öffentlichen Bibliothek. Lyrik, so wie sie heute in Bibliotheken präsentiert wird, ist imageschädigend und nicht ansprechend für ein junges Publikum. Sollte der Bestand nach massiver 9 Vgl. Heinrich von Kleist: Brief an Wilhelmine von Zenge, 14. September 1800 10 E-Mail von Lothar Ruhlig: Lyriker, Frankfurt (Oder) 11 Brief von Ingeburg Schirrmacher: Lyrikerin, Woltersdorf 12 E-Mail von Tom Becker: Professor für Medienmanagement und Medienvermittlung in Bibliotheken an der Fachhochschule Köln 13 Ernst Jandl: Dingfest, 1994, Hamburg, S. 113 14 E-Mail von Helmut Böttiger: Essayist und Literaturkritiker, Berlin BuB | 66 (2014) 10 Werbung und Vermarktung immer noch keine Nutzung finden, ist es keine Lösung, diesen dann als Präsenzbestand zu deklarieren! Bibliotheken müssen sich an der Qualität messen lassen, und diese liegt in ihren Angeboten bezüglich der genannten Leseförderung, Literaturvermittlung und Schulung der Medienkompetenz und dem sich hieraus ergebenden gesellschaftlichen Beitrag zur Demokratie in Form von informationeller und medialer Grundversorgung für alle! Aber nicht, indem unbenutzte Lyrikbestände durch Präsenz einstauben. Schauen Sie nach, ob sich im Bestand ihrer Bibliothek das Buch »Dingfest« von Ernst Jandl befindet und wie oft es in den vergangenen fünf Jahren entliehen wurde? Bestimmt gar nicht bis kaum! Es liegt dingfest im Regal bis Sie es nun wegen des Ihnen hier vorliegenden BuB-Beitrags hervorkramen und verbuchen. Ansonsten wird es auf dem nächsten Bücherflohmarkt landen. Aufgrund Ihrer Verbuchung benötigt dieser Vorgang nun noch einmal zwei bis fünf Jahre bis zur Löschung und zum Bücherflohmarkt: »auf einem stuhl / liegt ein hut. / beide / wissen voneinander / nichts. / beide / sind / so dingfest«.13 Zum Vergleich: Museen, Theater und andere Kultureinrichtungen werden vor allem an den Besucherzahlen gemessen. Oder kennen Sie ein Museum, in dem ein Gemälde ausrangiert wird (beziehungsweise in den Flohmarkt gegeben wird), weil am Ende des Jahres die Messung der Verweildauer einzelner Besucher nicht hoch genug war? Auch ein Theaterstück wird wegen mangelnder Besucherzahlen abgesetzt und nicht wegen der zu wenig verkauften Programmhefte nach einer Aufführung. Lyrik bietet Qualität! Die Besuchszahlen können vielleicht ein Bild über die Quantität einer Bibliothek widerspiegeln, erst an zweiter Stelle sollten Statistiken über Entleihungen, Neuanmeldungen und Teilnehmerzahlen bei Veranstaltungen stehen. Diese Zahlen sind intern wichtig, um ein nutzungsorientiertes Angebot zu schaffen und Orientierung gegenüber Trends, gesellschaftlichen Entwicklungen und die sich hieraus ergebenden Bedürfnisse stellen zu können. Die Qualität einer Bibliothek stellt sich in ihren Angeboten und durch die Mitarbeiterkompetenz, Kundenfreundlichkeit und Serviceangebote dar – die Besucherzahl ist ein entscheidendes Quantitätskriterium. Und vor diesem Hintergrund kann man eindeutig feststellen: Lyrik bietet Qualität! – Lebens- und Lesequalität! Ob ältere Menschen, Studierende, Grundschulkinder oder Auszubildende – alle können in die Bibliothek kommen, um diese als Treffpunkt wie ein Wohnzimmer der Stadt zu besuchen. Nicht nur, um etwas auszuleihen. Die Aufenthaltsqualität ist wichtig! Sie alle kommen, und das Lyrikregal und die Lyrikveranstaltung bieten hierzu eine qualitativ positive Grundvoraussetzung für eine gute räumliche Atmosphäre im physischen und sprachlichen Raum, wie es der Literaturkritiker Helmut Böttiger beschreibt: »In der Lyrik wird am deutlichsten, was Literatur ausmacht: einen sprachlichen Raum jenseits der Alltagssprache zu schaffen.«14 Und durch die qualitativ-räumliche Atmosphäre einer Bibliothek wird am deutlichsten, was diese als Begegnungsstätte im Alltag für die Öffentlichkeit ausmacht. Eine Bibliothek sollte sich nicht nur als raumgebendes Wohnzimmer der Stadt verstehen, sondern auch als eine offene und selbstlernende Bildungs- und Kultureinrichtung, die sich ständig weiterentwickelt. Die Bibliothek ist ein Ort der Bildung und Kultur, der Gemeinschafts- und Glücksgefühle ausstrahlt und in der es sich entspannen lässt. Lyrik bietet hierzu gute Grundvoraussetzungen. Als fester Bestandteil der Bildungs-, Kultur- und Literaturszene bietet sie Platz für jede Altersklasse, von schwatzenden Teenies über lernende Schüler, sich bildende Studierende bis hin zu leseerprobten Großeltern. Die Bibliothek ist Treff- 704 punkt für Literaturbegeisterte, bietet Gesellschaft und Rückzugsmöglichkeiten gleichermaßen sowie den Austausch von Erlebtem oder Gelesenem. Und wo die Medienkompetenz der Bibliotheksnutzer nicht ausreicht, um sich selbst zurechtzufinden, bietet das Bibliothekspersonal eine freundliche und fachkundige Beratung und Schulung. Die Öffentliche Bibliothek soll für die schulische, studentische und berufliche Bildung, für den modernen Lebensalltag und die sinnvoll gestaltete Freizeit nutzbar sein. Bibliotheken verschließen sich hierbei nicht den kulturellen und technischen Entwicklungen. Im Gegenteil, mit ihren Informations- und Medienangeboten und der dazugehörigen Öffentlichkeits- und Programmarbeit passen sie sich kontinuierlich dem Fortschritt und den gesellschaftlichen Bedürfnissen an. Doch die Beliebtheit der Bibliothek, die Individualität der Kundenwünsche und das Wohlfühlvermögen einzelner Besucher lassen sich nicht berechnen. Die Bibliothek ist begehrter denn je, und da dürfen zwecks Literaturvermittlung in guter Atmosphäre auch ein paar Lyrikbändchen stehen und Lyrikveranstaltungen stattfinden, wie auch der Buchhändler Jörg Englbrecht zu berichten weiß: »Lyrik wird sich selten rechnen und vielleicht muss sie das auch gar nicht. Sie muss sichtbar sein. In den Verlagsprogrammen und den Regalen der Buchhandlungen und Bibliotheken. Wie bei uns – ein Regal an ausgesuchter Stelle, das zum Schmökern, Verweilen und Innehalten einlädt. Lyrik ist auch Entschleunigung.«15 Ob mit oder ohne Wertschöpfung – Lyrik ist Kulturgut und bleibt in Öffentlichen Bibliotheken ein unverzichtbares Angebot. Deshalb bin ich allen LyrikerInnen, Verlagen, dem Buchhandel, der ekz und den LiteraturkritikerInnen dankbar, dass Sie Lyrik vermitteln, denn Lyrik dient der Bildung und Kultur, und Bibliotheken müssen sich ins Spannungsfeld zwischen öffentlichem Auftrag und öffentlicher Nachfrage stellen. Lyrik sollte für den Medienbestand und als Veranstaltungsangebot mehr Aufmerksamkeit erhalten. Lyrik ist es Wert, als meritorisches Gut durch Bibliotheken öffentlich zugänglich zu sein – ein Gedicht ist kein Wertpapier, sondern Kulturgut. Lyrik rechnet sich nicht und ist unberechenbar – ihre Sprache lässt sich statistisch nicht aufrechnen. Lyrik lässt sich nicht dingfest machen. 15 E-Mail von Jörg Englbrecht: Buchhändler bei der Tucholsky-Buchhandlung, Berlin Die markante Freitreppe hat sich inzwischen als Wahrzeichen der Stadtbücherei erwiesen: Sie wird gerne als Fotomotiv verwendet. Foto: Stadt Kornwestheim Sabine Stemmler Mit doppelter Fläche an prominentem Standort Die Stadtbücherei Kornwestheim ist Teil des neuen Kultur- und Kongresszentrums / Besuchermagnet in der Stadtmitte Die Große Kreisstadt Kornwestheim zwischen Ludwigsburg und Stuttgart hat genau vor einem Jahr das neue Kulturund Kongresszentrum »Das K« mit integrierter Stadtbücherei eröffnet. An den drei Eröffnungstagen drängten Tausende von Besuchern durch das neue Haus. S eit Jahren war das alte Bibliotheksgebäude mit seinen 900 Quadratmetern in der Kantstraße am Rand des Stadtparks zu klein geworden und bot keine Möglichkeiten zur Weiterentwicklung. Nach der Asbesthavarie des benachbarten Kulturhauses im Jahr 2006 wurde diskutiert, was mit diesem Gebäude geschehen sollte. Die Idee des Kombibaus, das heißt die Sanierung und der Umbau des alten Kulturhauses mit integriertem Neubau der Stadtbücherei, kam auf. Das war die Chance für die Stadtbücherei, mit verdoppelter Fläche an einem neuen, prominenten Standort für die zukünftigen Aufgaben gerüstet zu sein. Nach einem Architektenwettbewerb, den das Stuttgarter Architekturbüro applan mit seinem Entwurf gewann, entstand das neue Kultur- und Kongresszentrum »Das K« im Herzen der Stadt Kornwestheim. Seit der Eröffnung im September 2013 ergänzt »Das K« das Kulturkarree um einen Ort der generations- und kulturübergreifenden Begegnung, der Bildung und der Kultur. Mit den umliegenden Schulen, der Galerie im Kleihues-Bau und dem Haus der Musik ist nun rund um den Marktplatz mit dem »K« die kulturelle Mitte vollständig. Der moderne Kombibau verfügt neben der Stadtbücherei über multifunktionale Räume für KulturverBuB | 66 (2014) 10 Bau anstaltungen, private Feierlichkeiten, Tagungen oder Seminare. Für die Stadtbücherei bedeutet der neue Standort eine große Herausforderung, aber auch eine Chance: Sie ist jetzt »mitten in der Stadt« und wird entsprechend frequentiert. Die neue Stadtbücherei im »K« beherbergt auf insgesamt 1 800 Quadratmetern rund 52 000 Romane, Sachbücher, Kinder- und Jugendbücher, Musik-CDs, Hörbücher, Konsolenspiele, DVDs, Spiele, Landkarten, Stadtpläne, Zeitschriften und Zeitungen. Der Zielbestand soll 60 000 Medien betragen. Zudem ist die Stadtbücherei seit 2008 Mitglied in der OnlineBibliothek LB, dem Verbund der Bibliotheken im Landkreis Ludwigsburg. Die lichtdurchfluteten Räume bieten mehr Platz und mehr Aufenthaltsqualität. Zahlreiche Arbeitsplätze, gemütliche Sitzmöbel und viele Ausblicke auf den Marktplatz und das Rathaus, einem Bau von Paul Bonatz, machen das Verweilen angenehm. Die Öffnungszeiten sind erweitert worden: Von Dienstag bis Freitag ist durchgehend von 10 bis 19 Uhr, am Samstag von 10 bis 13 Uhr geöffnet. So können auch Schüler aus den benachbarten Schulen über Mittag die Stadtbücherei nutzen. Zentrale Anlaufstelle im Erdgeschoss ist die Infotheke. Dort findet auch der Kartenvorverkauf für die Veranstaltungen im »K« statt. In unmittelbarer Nähe zur Infotheke sind eine Ausleih- und eine Rückgabestation für die Selbstverbuchung untergebracht. Eine weitere Rückgabestation, die 24 Stunden zugänglich ist, befindet sich außen an der Eingangsseite zum Moderner Kombibau in Kornwestheims Stadtmitte: das neue Kultur- und Kongresszentrum »Das K« mit integrierter Stadtbücherei Foto: Stadt Kornwestheim Marktplatz. Beide Rückgabestationen münden in eine moderne Sortieranlage. Das Lesecafé mit Tageszeitungen und einem Kaffeeautomat vervollständigt den Eingangsbereich. Eine spektakuläre rote Treppe führt in die oberen Geschosse. Im ersten Stock erschließt sich dem Besucher die von den Architekten konstruierte Blickachse: Treppe – Atrium – Panoramafenster – Rathausturm. Diese markante Freitreppe hat sich inzwischen als Wahrzeichen der Stadtbücherei erwiesen: Sie wird gerne als Fotomotiv verwendet. Beliebter Treffpunkt Im ersten Obergeschoss befindet sich der gesamte Ausleihbereich. In der Kinderbücherei sorgen eine Lesetreppe und eine aufgelockerte bunte Möblierung für eine Die schlicht-eleganten Regale fügen sich in die geradlinige Architektur perfekt ein. Foto: Stadt Kornwestheim BuB | 66 (2014) 10 kindgerechte Atmosphäre. Kinderveranstaltungen während der Öffnungszeiten finden im zweiten Obergeschoss in den Veranstaltungsräumen des »K« statt. Die von der Kinderbücherei abgetrennte Jugendabteilung mit dem roten Sofa und den stabilen Sitzsäcken wurde schon kurz nach der Eröffnung ein beliebter Treffpunkt für die Schüler nach Schulschluss. Sachbücher, Romane, Zeitschriften, Spiele und AV-Medien sind rund um das Atrium untergebracht, das sich über zwei Stockwerke erstreckt und von einem Sheddach gekrönt wird. Das Atrium dient tagsüber als Lern- und Arbeitsbereich hauptsächlich für die Schüler, die meist in Gruppen die vielen Tische in Beschlag nehmen. Abends kann das Atrium in einen repräsentativen Veranstaltungsraum für Lesungen und Vorträge umgewandelt werden. Dort haben bis zu 120 Personen Platz. An der Fensterfront mit Blick auf den Marktplatz befinden sich weitere Arbeitsplätze. In die Infotheke im ersten Obergeschoss sind eine Selbstverbuchungsstation und zwei OPACs integriert. So ist die Auskunftsbibliothekarin immer in der Nähe, wenn die Kunden Unterstützung brauchen. Weitere drei OPACs sind bei den Internet-Plätzen und in der Kinderbücherei angesiedelt. Den Besuchern stehen sieben Internet-Arbeitsplätze mit OfficeProgrammen zur Verfügung. WLAN ist im ganzen Haus nutzbar. Die schlicht-eleganten Regale der Firma Borgeaud Bibliothèques fügen sich in die geradlinige Architektur perfekt ein. Das rötlich schimmernde Erlenholzfurnier wurde im gesamten Haus für Wandverkleidungen, Theken und Garderoben verwendet. Die Innenausstattung der Stadtbücherei besteht aus einer hellgrauen Akustikverkleidung, Sichtbetonwänden und einem anthrazitfarbenen Teppichbo- 706 706 BuB | Lesesaal den, der mit einem gleichfarbigen Fliesenboden kombiniert wurde. Bei schönem Wetter ist die Leseterrasse im ersten Obergeschoss geöffnet. Sie ist mit Tischen und Stühlen ausgestattet und lädt zum Lesen und Arbeiten ein. Besonders die Schülergruppen nehmen dieses »Open-Air«-Angebot gerne an. Für Besucherinnen und Besucher, die in Ruhe arbeiten möchten, steht ein kleines Studienkabinett mit PC-Arbeitsplätzen im zweiten Obergeschoss zur Verfügung. Der Zugang zum »K« ist ebenerdig, auch von der Tiefgarage unter dem Marktplatz kann das Haus über einen Verbindungstunnel betreten werden. Das gesamte Haus ist mit Aufzügen erschlossen und kann somit auch von Menschen mit Handicap und Eltern mit Kinderwagen gut genutzt werden. Die Bau- und Planungskosten für den Kombibau belaufen sich auf 21 633 000 Euro. Davon entfallen auf den Neubau der Stadtbücherei 7 355 000 Euro und für die Geräteausstattung und Möblierung 500 000 Euro. Zusätzlich zur traditionellen Programmarbeit sind Einführungen in die Nutzung von E-Book-Readern und des Internets, Veranstaltungen für besondere Zielgruppen wie Senioren und Migranten sowie generationsübergreifende Projekte geplant. Die erfolgreiche Schreibwerkstatt, die bereits im alten Haus ins Leben gerufen wurde, findet nun ihre Fortführung im Neubau. Im Bürobereich des zweiten Obergeschosses sind neben den Bibliotheksmitarbeiterinnen auch die Mitarbeiterinnen des Fachbereichs Kultur und Sport untergebracht. Die erhofften Synergieeffekte durch die räumliche Nähe haben sich bestätigt: Eine enge Kooperation und Vernetzung nicht nur im Veranstaltungsbereich ist entstanden. Die neue Stadtbücherei im »K« zieht die Besucher an: Trotz der einmonatigen Schließung wegen des Umzugs haben die Ausleihzahlen im Jahr 2013 um 2 Prozent zugelegt. Die Neuanmeldungen sind um 20 Prozent gestiegen. Dieser Trend wird sich auch bei den Besucherzahlen fortsetzen: Die Hochrechnungen deuten eine Verdoppelung für das Jahr 2014 gegenüber dem Vorjahr an. Sabine Stemmler ist Leiterin der Stadtbücherei Kornwestheim. – Kontakt: Sabine_Stemmler@korn westheim.de Bau Christiane Bonse »Kulturdurchbruch« in Siegburg spricht alle Sinne an Stadtbibliothek und Stadtmuseum fusionieren zum Kulturhaus / Erfolgreiche Wochenendöffnung Am 10. Mai 2014 ist es so weit: Siegburg realisiert den »Kulturdurchbruch«, indem die Stadtbibliothek und das Stadtmuseum zu einem Kulturhaus zusammengeführt werden. Beide Häuser wurden im Jahr 1989 kurz nacheinander eröffnet, grenzten seitdem aneinander, sind aber erst 2014 durch eine großzügige Portalöffnung miteinander verbunden worden. Ab sofort bietet jedes Haus großzügige Einblicke in das jeweils andere Haus. Der Architekt Hartmut de Corné, der 1989 für das Museum verantwortlich zeichnete, hat den Gestaltungsauftrag für die Bibliothek übernommen und damit die Harmonisierung der Innengestaltung beider Häuser garantiert. S eit dem Durchbruch haben die Kunden zwei Eingänge: von der Marktseite durch das Museum in die Bibliothek oder von der Griesgasse durch die Bibliothek in das Museum – und können damit problemlos zwischen beiden Häusern hin und her »flanieren«. In beiden Häusern gibt es Verbuchungsplätze, sodass es auch keine Rolle spielt, durch welchen Ein- beziehungsweise Ausgang der Kunde das Haus wieder verlässt. Die Fusion bedingt gemeinsame Öffnungszeiten. Die Bibliothek hat sich den Öffnungszeiten des Museums angeschlossen und ist seitdem auch samstags und sonntags ganztags geöffnet und etabliert sich als der Ort für Freizeitgestaltung im Mittelpunkt der Kreisstadt. Die Wochenendöffnungszeiten werden ab Samstagmittag durch Honorarkräfte abgedeckt, die Orientierungsfragen beantworten und bei technischen Problemen helfen können. Es findet keine Beratung statt, und die Verbuchung läuft über die Selbstver- Über dem massiven Zeitungslesetisch prangt in Krakenform die Leuchte »Dear Dingo« und macht das ganze Ensemble zu einem Hingucker. Foto: Stadtbibliothek Siegburg BuB | 66 (2014) 10 Lesesaal | BuB707 707 Bau buchungsterminals und die Buchrückgabestation der Firma EasyCheck. Die Serviceeinschränkung am Wochenende tut dem Besucheransturm keinen Abbruch: Besonders Familien, Schüler und Studenten wissen das Angebot zu schätzen und entdecken die Bibliothek als Aufenthaltsort und Lebensraum, zumal das angegliederte, verpachtete Literaturcafé ganztags kulinarische Köstlichkeiten auf hohem Niveau und zu fairen Preisen anbietet. Neben den gemeinsamen Öffnungszeiten werden auch generationsübergreifende Veranstaltungsmodule angeboten, die das Historische in Wert setzen, das Aktuelle entdecken helfen und beides miteinander vergleichbar und erfahrbar machen. Die Bibliothek, 1989 eröffnet, zeigte deutliche bauliche, technische und gestalterische Mängel und präsentierte sich nicht mehr zeitgemäß. Der Umbau erfolgte im Wesentlichen im Bestand, mit der Hinzufügung eines dreiseitig losgelösten Baukörpers – einem Kubus, in dem die neue 24-StundenRückgabestation für innen und außen untergebracht ist. Mit dem Umbau und der neuen Konzeption stellt sich die Bibliothek der EContent-Herausforderung und dem digitalen Zeitalter. Fragebogenaktionen und die Kundenmitteilungen an den Kommunikationswänden machen deutlich, dass die Kunden ausgedehnte Öffnungszeiten und einen realen, nicht kommerziellen Treffpunkt wünschen, der ein soziales Miteinander ermöglicht, aber auch alle technischen Möglichkeit bietet, um optimal lernen und arbeiten zu können. BuB | 66 (2014) 10 Blick vom Romanbereich im Obergeschoss ins darunter liegende Literaturcafé: das Herz der Bibliothek Foto: Albert Gehret Hohe Aufenthaltsqualität Das Thema Aufenthaltsqualität/Wohlfühlatmosphäre bekommt dadurch einen immer höheren Stellenwert, dem der Ar- chitekt im Rahmen der Innenausstattung Rechnung getragen hat. Es dominieren die Farben Weiß, Schwarz und Weinrot. In weißen Regalen treten die bunten Medien in den Vordergrund; der Sachbuchbereich ist mit einem Vinylboden ausgestattet, dessen Design aus einer Foto-Reproduktion eines alten Druckereibodens entwickelt wurde. Der Romanbereich besticht mit einem hochwertigen weinroten Teppichboden, der die Farbe der Fensterrahmen aufnimmt. Als »einladende Mischung aus Design und gehobener Wohnqualität erweisen sich die Verweilzonen und Sitzecken. Stoff- beziehungsweise lederbezogene klassische Sitzelemente, Ton in Ton, von Rot bis Violett verlaufend abgestimmt, betonen die individuelle Atmosphäre innerhalb der Bibliotheksräume«, so Architekt de Corné. Dort findet der Besucher Ruhe, um zu entspannen oder sich zu konzentrieren. Da das ganze Haus mit W-LAN ausgestattet ist, kann der Laptop auch hier und nicht nur an den Arbeitsplätzen genutzt werden. Eine besondere Bedeutung hat das Café, das das Herzstück der Bibliothek ist. Die Gastro-Tische ziehen sich aus dem Café bis in die Räume der Bibliothek und beleben den Sachbuchbereich. Der Kunde soll die Bibliothek als Lebensraum wahrnehmen, deshalb sind Essen und Trinken dort auch ausdrücklich erlaubt – und das Angebot wird gerne angenommen. Schon nach kurzer Zeit haben die Kunden ihre Bibliothek als Wohlfühlraum wahrgenommen, und sie nehmen die Tasse Kaffee und das Stück Kuchen immer öfter mit an ihre Lieblingsplätze. ` 708 708 BuB | Lesesaal Bau Hell und freundlich ist das Erdgeschoss der Bibliothek, mit dem Literaturcafé links und dem Rampenaufgang mit Zeitschriftenauslage rechts. Foto: Albert Gehret Das Café verfügt über einen eigenen Eingang und im Sommer auch über eine Außengastronomie. Damit die vor Ort untergebrachten aktuellen Zeitschriften (100 Abos) »keine Beine bekommen«, sind sie mit RFID-Etiketten versehen und der Ein-/Ausgang entsprechend durch ein Gate gesichert. Vom Literaturcafé hat man durch Deckenausschnitte Einblick in den Romanbereich und vom Romanbereich Einblicke auf die Zeitschriftenwand des Cafés und die Gastro-Tische. Das Literaturcafé »entwickelt sich im Wechselspiel zwischen Lichtdecke und großen von Glas umrandeten Ausschnitten mit Tageslichteinfall optisch über zwei Ebenen. Es entsteht eine einzigartige Kaffeehaussituation mit kulinarischer Anregung. Die Außenterrasse, die mit Markisen variabel überdeckt wird, lädt auch Laufpublikum zur Einkehr und damit zum Kennenler- Stadtbibliothek Siegburg Einwohnerzahl Siegburg 42 800 Anschrift Griesgasse 11, 53721 Siegburg www.stadtbibliothek-Siegburg.de Leitung Christiane Bonse Ausstattung ekz.bibliotheksservice GmbH, Reutlingen (Regale) Magazin Wolter, Köln (Sondermöbel) Kosten 2,5 Millionen Euro (netto) nen des umfassenden Bibliotheksangebotes ein«, so beschreibt der Architekt seine Plan - und Zielsetzung. Sachbuch- (Untergeschoss) und Romanbereich (Obergeschoss) sind räumlich voneinander getrennt. Während der Romanbereich durch seine Wohnzimmeratmosphäre und die Blickbeziehung zu dem im Erdgeschoss liegenden Literaturcafé besticht, prägt den Sachbuchbereich der große, schon im Eingangsbereich sichtbare, mit einer massiven, naturbelassenen und sehr dicken Eichenplatte versehene Zeitungstisch. Mitten über ihm prangt in Krakenform die Leuchte »Dear Dingo« und macht das ganze Ensemble zu einem Hingucker. Der Tisch ermöglicht gleich mehreren Lesern auch das Ausbreiten großformatiger Wochenzeitungen. Links und rechts vom Tisch befinden sich die Regale mit den »Spiegel«-Bestsellern und den »Wunschbüchern«. Die Rampenaufgänge beidseitig führen hin zur neu eingerichteten Literaturbühne und dem Museumsdurchgang. Um eine inhaltliche Verbindung zum räumlichen Durchbruch zu schaffen, ist die Sachgruppe Geschichte am Durchgang zum Museum platziert, die Sachgruppen Kunst und Heimatkunde haben im angrenzenden Museumsbereich ihre neuen Standort. Die Sachgruppe Heimatkunde wird von einem großen Stadtmodell, das die Stadt 1910 zeigt, sinnvoll ergänzt. Am rechten Rampenaufgang, der auch zum Café führt, befinden sich die Zeitschriftenregale mit den Ausleihexemplaren, die von der Höhe so ausgerichtet sind, dass sie auch für Menschen im Rollstuhl gut bedienbar sind. ne der Stadtbibliothek und der Bühne des Museumforums stattfinden. Die Bühne der Stadtbibliothek vermittelt eine Zimmertheateratmosphäre, die des Stadtmuseums die eines kleinen Amphitheaters. Die Zusammenlegung der Häuser und der Bühnen ermöglicht der Bibliothek auch erstmals, größere Veranstaltungen mit bis zu 200 Besuchern zu planen. Neu konzipiert wurden zwei Bereiche: der Mixed Media Raum und der NonBook-Bereich. Neu für Siegburg ist, dass in diesen Bereichen Jugend- und Erwachsenenmedien gleichwertig nebeneinander präsentiert werden, sodass das Nachfrageverhalten der Kunden ausschlaggebend für die Aufstellung der Medien ist. Im Mixed-Media-Raum findet der Planung/Gestaltung Architekt Hartmut de Corné Öffnungszeiten Di–Sa von 10–17 Uhr (jeden letzten Samstag im Monat bis 14 Uhr) So von 10–18 Uhr Amphitheater und Kleinbühne 2014 ist die Bibliothek erstmals Ausrichter der Siegburger Literaturwochen und des Rheinischen Literaturpreises. Diese Events werden wechselseitig auf der Literaturbüh- Der Umbau erfolgte im Wesentlichen im Bestand, mit der Hinzufügung eines dreiseitig losgelösten Baukörpers – einem Kubus, in dem die neue 24-Stunden-Rückgabestation für innen und außen untergebracht ist. Foto: Albert Gehret BuB | 66 (2014) 10 Lesesaal | BuB709 709 Bau Kunde Comics, Mangas, Spiele (traditionelle und PC-Spiele), Software und Minithekbestände. Das Besondere: Ein großer runder Spieletisch animiert dazu, nicht nur Spiele zu entleihen, sondern sie vor Ort auszuprobieren. Oftmals lässt sich beobachten, dass der Tisch für mehrere Stunden »blockiert« ist. Die Attraktivität des Raumes wird durch drei frei zugängliche Internetplätze erhöht. Im gegenüberliegenden Non-BookBereich werden alle Hörbücher, CDs und DVD/Blueray-Scheiben präsentiert, lediglich die reinen Kindermedien sind nach wie vor in der Kinderbibliothek zu finden. Die Frontalpräsentation der Medien, die runden Ausstellungstische und die im Fenster stehenden Sitzgruppen prägen den offenen und einladenden Charakter dieses Raumes. Da die höhenverstellbare Verbuchungstheke, der Kinder- und Jugendbereich und die Schulothek erst 2009 mit Landesmitteln erneuert wurden, hat man diese Bereiche nur »aufgehübscht«. Die Theke wurde vom Hersteller (Firma Lenk) umgebaut, in Weiß eingefasst und mit einer rundumlaufenden Bodenbeleuchtung versehen. Die Regale der Kinder- und Jugendbibliothek sind durch farbige Plexiglasstirnseitenverkleidungen (ekz) aufgepeppt, der Teppichboden in Meeresoptik ist erneuert und das sonstige Inventar durch einen Strandkorb, Sitzsäcke und Filzsitzsteine ergänzt. Die Anzahl der Arbeitsplätze in der Schulothek wurde verdoppelt und durch fest installierte Internetarbeitsplätze erweitert. Während hier auf individuelles Lernen Wert gelegt wird, bieten die Schulungsräume (»work and surf«) im Eingangsbereich der Bibliothek Platz für Gruppenarbeit. Eine qualitativ anspruchsvolle Technikausstattung (interaktives Whiteboard, Flipcharts, leihbare Laptops et cetera) und die Catering-Möglichkeit durch das Café machen die Räume auch für Nichtkunden interessant. Deshalb können BuB | 66 (2014) 10 Christiane Bonse, 1979 Beendigung des Studiums an der Fachhochschule für Bibliothekswesen Bonn, Wittelsbacherring; im unmittelbaren Anschluss Arbeit in einer Universitätsbuchhandlung; 1980 stellvertretende Bibliotheksleiterin in Siegburg; seit 1982 Bibliotheksleiterin in Siegburg – Kontakt: [email protected] die Räume von außen über ein Buchungstablet vorterminiert werden (für Firmen, Institutionen et cetera kostenpflichtig), in den buchungsfreien Zeiten stehen sie allen Bibliothekskunden offen. Die Bibliothek selbst nutzt die Räume für Rechercheschulungen mit den weiterführenden Schulen im Rahmen des »learning libraryProjektes« sowie für ein wöchentliches Jour fixe mit Kollegen der anderen Fachbereiche. Positives Fazit Die Besucher der Siegburger Bibliothek sollen sich willkommen, wertgeschätzt und auf der emotionalen Ebene angesprochen fühlen. Auf dieser Idee basieren die Fusion der Stadtbibliothek mit dem Stadtmuseum, die damit verbundenen Wochenendöffnungszeiten, die freie Wahl des Kunden, ob er eine individuelle Betreuung möchte oder sich lieber autark mithilfe der Technik im Haus bewegt, die hochwertige Innen- und Technikausstattung, die Verlagerung des Cafés in das Herz der Bibliothek und die Öffnung der Bibliothek als Lebensraum – und damit die Ansprache aller Sinne: Das Sehen durch die klare Formensprache und einfache einprägsame Linienführung, das stimmige auf Naturfarben beruhende Farbkonzept und die harmonisierende Innenausstattung beider Häuser. Das Schmecken durch das Angebot hochwertiger, kulinarischer Köstlichkeiten zu fairen Preisen und das Fühlen durch die haptische Erfahrung, die man macht, wenn man die unterschiedlichen Medien in die Hand nimmt. Da das Kulturhaus, von Jugendlichen auch KuHa 14 getauft, im ersten Monat nach der Eröffnung über 43 000 Besucher verzeichnen konnte, scheint das Konzept aufgegangen zu sein. Ob der Andrang anhält oder aber nur der anfänglichen Neugierde geschuldet ist, wird sich erst im Verlauf des Jahres zeigen. Aber im Augenblick sind alle Verantwortlichen zuversichtlich, die Bibliothek zukunftsfähig aufgestellt zu haben. _ 710 710 BuB | Lesesaal Praxis Gabriele Leschke Von der »Learning Library« zum nutzerzentrierten Lernen Ein Praxisbericht aus der Bibliothek für Sozialwissenschaften und Osteuropastudien der Freien Universität Berlin Im Mittelpunkt der traditionellen Form der Nutzerschulung steht die Schulungsbibliothekarin, die den Teilnehmern ihr Expertenwissen vorträgt (»Teaching Library«).1 Die Teilnehmerinnen erhalten bestenfalls die Gelegenheit, sich dieses Wissen durch nachvollziehendes Üben einzuprägen. Als Gegenmodell dazu ist das Konzept der »Learning Library« entstanden, in der die Teilnehmer selbst aktiv werden, sich anhand von vorbereiteten Aufgabenblättern mit der Bibliothek und ihren Ressourcen vertraut machen und sich ihre Arbeitsergebnisse gegenseitig vorstellen. Der Schulungsbibliothekar initiiert und moderiert ihre Lernprozesse nur noch. Er versteht sich als Lernpartner, der die Teilnehmerinnen beim Lernen unterstützt und dabei von ihnen lernt, wie sie mit den Bibliotheksangeboten umgehen.2 Trotz dieser positiven Entwicklung hin zur Aktivierung und stärkeren Einbeziehung der Schulungsteilnehmer ist auch die »Learning Library« noch kein Schulungskonzept, das konsequent auf das individuelle Lernen der Nutzerinnen ausgerichtet ist. Im folgenden Erfahrungsbericht stellt Gabriele Leschke dar, wie in der Bibliothek für Sozialwissenschaften und Osteuropastudien der Freien Universität Berlin3 ausgehend von der »Learning Library« und unter Verwendung von kostenfreien Webtools ein solches nutzerzentriertes Schulungskonzept entwickelt worden ist. I m Oktober 2009 wurde erstmals die 90-minütige Erstsemesterschulung bei den Einführungstagen des Otto-SuhrInstituts für Politikwissenschaft4 mit circa 150 Teilnehmenden nach der Methode der »Learning Library« durchgeführt. Das Schulungsteam bestand aus acht Bibliothekarinnen5 und einer studentischen Hilfskraft. In einem Hörsaal wurde den Studierenden in einer kurzen Präsentation6 der Verlauf der Schulung erläutert. Abweichend vom Prinzip der »Learning Library« wurden dabei nicht nur organisatorische, sondern auch einige wenige inhaltliche Informationen vermittelt. Dann wurden 14 verschiedene Aufgabenblätter ausgeteilt, die in insgesamt 32 Gruppen von vier bis fünf Studierenden an den Internetarbeitsplätzen in den beiden benachbarten Häusern der Bibliothek und in zwei Computerarbeitsräumen selbstständig bearbeitet wurden. Dabei wurden die Gruppen je nach Größe der Schulungsräume von bis zu zwei Mitgliedern des Schulungsteams betreut. Nach 45 Minuten trafen sich alle Gruppen im Hörsaal wieder. Dort präsentierten sie einander ihre Arbeitsergebnisse. Der Erfolg dieser Veranstaltung lag darin, dass die Studierenden 45 Minuten lang aktiv waren, erste Kenntnisse in der Bibliotheksbenutzung erwarben und die Bibliothek als lebendigen Kommunikations- und Lernort kennenlernten. Durch diesen Praxistest zeigten sich jedoch auch zwei Schwächen des Konzepts der »Learning Library«: Erstens waren Vorbereitung und Durchführung sehr aufwendig und personalintensiv.7 Wegen der großen Anzahl der Teilnehmer und der räumlichen Situation der Bibliothek wurden die Arbeitsgruppen auf mehrere Räume aufgeteilt, sodass entsprechend viele bibliothekarische Ansprechpartnerinnen eingesetzt werden mussten. Damit die Teilnehmenden einander im Plenum über die Nutzung der Bibliotheksangebote informieren konnten, mussten zudem die Aufgabenblätter sorgfältig aufeinander abgestimmt sein. Die Rechercheübungen sollten die klassischen Inhalte einer Nutzerschulung vermitteln, nämlich den Zugang zu den gedruckten und elektronischen Ressourcen der Bibliothek über das Discovery-System Primo. Die Konzeption von 14 aufeinander bezogenen Aufgabenblättern nahm sehr viel Zeit in Anspruch. Zweitens gab es Schwierigkeiten bei der Präsentation der Arbeitsergebnisse im Plenum. Einige Teilnehmende mussten die Veranstaltung frühzeitig verlassen, sodass sie nichts über die Aufgaben der anderen Gruppen erfahren und die von ihnen selbst erarbeiteten Themen nicht im Plenum vorstellen konnten. Zudem waren im Plenum nur wenige Studierende dazu bereit, ihre Ergebnisse vor den anderen zu präsentieren, was vermutlich der Größe der Gruppe geschuldet war. Daher musste das Schulungsteam insistieren beziehungsweise teilweise sogar selbst präsentieren, sodass diese Phase genau den schulischen Charakter annahm, der eigentlich vermieden werden sollte. Selbst wenn dieser Teil der Schulung wie geplant mit engagierter Beteiligung der Studierenden verlaufen würde, wären immer noch nur ein bis fünf Personen beim Präsentieren aktiv (je nachdem, ob die Arbeitsgruppe einen oder mehrere Sprecher bestimmt oder gemeinsam ihre Ergebnisse vorträgt), während die restlichen 145 Teilnehmerinnen 40 Minuten lang nur rezipieren können. Präsentation am Flipchart Das Konzept wurde daher in den folgenden Jahren modifiziert. Dabei flossen auch die Ergebnisse aus der Auswertung von Fragebögen ein, mit denen die Veranstaltungen durch die Teilnehmenden evaluiert wurden. Dort wurde unter anderem angeregt, eine Führung durch die Bibliotheksräume in die Schulung zu integrieren. Bei kleineren Gruppen, die meistens im Rahmen von Seminaren eine Bibliotheksschulung erhalten, wird die 90minütige Veranstaltung jetzt nicht mehr in den Computerarbeitsräumen, sondern ausschließlich in den Bibliotheksräumen durchgeführt. Die Präsentation zu Beginn wurde zunächst durch kurze Erläuterungen an einem Flipchart ersetzt, sodass der aufwendige Aufbau von Leinwand, Beamer und Laptop entfiel. Dieser Kurzvortrag informierte nicht nur über den Ablauf der Schulung, sondern stellte auch die Besonderheiten von Primo sowie einige grundlegende Recherchetechniken vor. Da die Teilnehmerinnen jedoch über heterogene Vorkenntnisse verfügten, erhielten dabei einige von ihnen Informationen, die sie nicht mehr beBuB | 66 (2014) 10 Lesesaal | BuB711 711 Praxis Videos für das Mikrolernen Abbildung 1. Zu den einzelnen Recherchetechniken wurden mit dem Webtool PowToon kurze, unterhaltsame Tutorials erstellt. nötigten. Zudem beobachteten die Schulungsbibliothekare, dass bei den Rechercheübungen trotz des Kurzvortrags und eventuellen Vorwissens die erläuterten Recherchestrategien nur selten angewendet wurden. Daher findet jetzt nur noch eine kurze Begrüßung mit organisatorischen Erläuterungen statt. Zu den einzelnen Recherchetechniken wurden mit dem Webtool PowToon kurze, unterhaltsame Tutorials erstellt (siehe Abbildung 1). Das Programm PowToon arbeitet browserbasiert und ist in einer kostenfreien Version zugänglich.8 Es werden keine Kenntnisse in der Videoproduktion und keine weiteren Geräte benötigt. PowToon bietet Vorlagen für verschiedene Anwendungsmöglichkeiten. Die Sequenzen der kurzen Videos setzen sich aus Textelementen, für die verschiedene Effekte ausgewählt werden können, sowie cartoonartigen Figuren – darunter auch animierte – und Bildern von Requisiten zusammen. Neben den vom Programm angebotenen Bildern können auch eigene, zum Beispiel Screenshots, verwendet werden. Auf einer Zeitschiene wird festgelegt, wann die einzelnen Elemente in der Sequenz erscheinen. Je nach gewählter Vorlage wird das Video automatisch mit Hintergrundmusik versehen. Eine Sprachvertonung wäre zusätzlich möglich, wurde aber für unsere Tutorials nicht als notwendig erachtet. Da die Videos dupliziert werden können, konnten mit geringem Aufwand Übersetzungen der deutschsprachigen Texte ins Englische, Polnische und Russische angefertigt werden. Diese Sprachversionen sollen der internationalen Ausrichtung der Freien Universität BuB | 66 (2014) 10 Berlin Rechnung tragen. Zudem ist aus der Benutzerforschung bekannt, dass ausländische Studierende Materialien in ihrer Muttersprache bevorzugen.9 Die Tutorials werden zunächst auf Youtube hochgeladen. Von dort ist es möglich, sie auf einen universitätseigenen Server zu laden und so direkt auf die Webseite der Bibliothek zu stellen.10 Damit ist sichergestellt, dass keine datenschutzrelevanten Angaben über die Rechner oder Personen, die die Videos aufrufen, an den Betreiber des Tools gelangen. Während der Schulungen ist der Datenschutz ohnehin gewahrt, da über die Internetarbeitsplätze in der Bibliothek auf die Tutorials zugegriffen wird. Über die Webseite können jedoch alle interessierten Nutzer die Kurzfilme anklicken, wenn sie sich bei Bedarf über Recherchestrategien informieren möchten. Gabriele Leschke, Diplom-Bibliothekarin, M.A. in Neuerer deutscher Literatur, Linguistik und Anglistik; von 2006 bis Mai 2014 stellvertretende Bibliotheksleiterin und Leiterin der Benutzungsabteilung der Bibliothek für Sozialwissenschaften und Osteuropastudien der Freien Universität Berlin, seit Juni 2014 Leiterin des Referats Benutzung und Magazinmanagement der Zentral- und Landesbibliothek Berlin. – Kontakt: [email protected] Die Videos eignen sich also auch für das Mikrolernen, und daher ist die Möglichkeit für die erstellende Bibliothek, sie auf Umwegen vom Server des Anbieters auf einen eigenen Server zu laden,11 aus Datenschutzgesichtspunkten sehr vorteilhaft. Ein Nachteil des Tools ist dagegen das etwas aufdringliche »PowToon branding«, mit dem die Filme in der kostenfreien Version versehen werden. Dies wird von uns aus Kostengründen in Kauf genommen. Bei den Nutzerschulungen wird jetzt als Ersatz für den einführenden Kurzvortrag in den Arbeitsblättern bei den entsprechenden Aufgaben auf die Videos hingewiesen. Die Bearbeiter können so selbst entscheiden, ob sie zu ihrem Thema weitere Informationen aufrufen möchten oder ob sie die Aufgabe mit ihrem bereits vorhandenen Wissen lösen können. Unabhängig von der Gruppengröße werden die Teilnehmenden in zwei große Gruppen aufgeteilt. Zwei Drittel der Teilnehmerinnen bearbeiten zu zweit oder zu dritt ein Aufgabenblatt an einem Internetarbeitsplatz in der Bibliothek. Das Arbeitsblatt ist stark vereinfacht worden und enthält nun dieselben Aufgaben zu allen Themen der Bibliotheksschulung für alle Gruppen. Es wird für jede Veranstaltung thematisch an die jeweilige Schulungsgruppe angepasst.12 Bei der Bearbeitung der Aufgaben steht den Recherchegruppen ein Schulungsbibliothekar für Fragen zur Verfügung. Dabei handelt es sich um eine weitere Modifikation der »Learning Library«, die in ihrer ursprünglichen Form keinerlei bibliothekarischen Input vorsieht. Dieser ist jedoch notwendig, weil die Recherchegruppen aufgrund des unterschiedlichen Kenntnisstands ihrer Mitglieder nicht immer alle Aufgaben selbstständig lösen können. Die eventuellen Hilfestellungen und Erläuterungen der Bibliothekarin können gezielt an das Wissen des einzelnen Nutzers anknüpfen. Währenddessen nimmt das restliche Drittel der Teilnehmerinnen an einer 20minütigen Bibliotheksführung durch einen weiteren Bibliothekar teil. Auch hier wird das vermittelte Wissen individuell auf die Nutzerinnen abgestimmt. Bei größeren Schulungsgruppen werden entsprechend mehr Bibliothekare eingesetzt, sodass auf jeden Fall eine persönliche Betreuung möglich ist. Die Schlusspräsentation wurde ebenfalls stark verändert. Jetzt setzt sich jede Teilnehmerin an der Führung nach dem Rundgang durch die Bibliothek zu einer 712 Praxis Abbildung 2. Die Zahl der Kommentare variiert; manchmal schreibt jede Teilnehmerin eine persönliche Bewertung. der Recherchegruppen. Die Rechercheexperten präsentieren den Führungsteilnehmerinnen nun an den Internetarbeitsplätzen ihre Arbeitsergebnisse. Anschließend führen die Teilnehmer an der Bibliotheksführung ihre Arbeitsgruppe selbstständig durch die Bibliothek. Dafür haben sie ein Handout mit den wichtigsten Nutzungsinformationen erhalten. Weil die Teilnehmenden einander ihre (neu erworbenen oder bereits vorhandenen) Kenntnisse in Kleingruppen vermitteln, bleiben sie auch in der Präsentationsphase durchgängig aktiv. Da die Gruppen unterschiedlich schnell arbeiten, treffen sie zu verschiedenen Zeiten wieder am Ausgangspunkt in der Bibliothek ein. Dort besteht noch einmal die Gelegenheit, Fragen an die Bibliothekarinnen zu stellen und die Veranstaltung zu evaluieren. Anschließend werden die Kleingruppen freundlich verabschiedet. So ist niemand dazu gezwungen, auf Teilnehmer mit einem langsameren Arbeitstempo zu warten. Dieses scheinbar unwichtige Detail hat großen Anteil daran, dass sich die Nutzerinnen als selbstständige Individuen (mit eventuellem studienbedingten Zeitdruck) wahrgenommen fühlen und die Bibliothek als Institution erleben, in der sie respektvoll und partnerschaftlich behandelt werden. Virtuelle Pinnwand Da die Evaluation durch Fragebögen aufwendig ausgewertet werden musste, wurde sie durch ein weiteres Webtool ausgetauscht. Pro Veranstaltung wird eine virtuelle Pinnwand (Padlet) angelegt (früher bekannt unter dem Namen Wallwisher).13 Die Pinnwände können zum Beispiel durch das Einbinden von Fotos ansprechend gestaltet werden. Die Adresse des Padlets wird auf dem Aufgabenblatt mitgeteilt, und die Teilnehmenden werden darum gebeten, sie zum Abschluss der Schulung aufzurufen und freies Feedback zu geben. Da die Eingabe an den Internetarbeitsplätzen in der Bibliothek erfolgt, werden keine Daten über die einzelnen Nutzer an den Internetdienst gemeldet, sodass auch hier der Datenschutz gewahrt bleibt. Die Zahl der Kommentare variiert; manchmal schreibt jede Teilnehmerin eine persönliche Bewertung (vergleiche Abbildung 2), manchmal setzt sich das Arbeitsgruppenprinzip hier fort, und die Kleingruppen verfassen die Kommentare gemeinsam. Uns ist beides willkommen, denn obwohl sich dieses Evaluationsverfahren nicht für eine wissenschaftliche Auswertung eignet, zeigt es genügend verbesserungswürdige Punkte auf, um das Schulungskonzept weiterhin zu modifizieren und an die Bedürfnisse der Nutzerinnen anzupassen. Wenn es sich bei den Teilnehmenden um eine Seminargruppe Die Verantwortung für die Qualität der Arbeitsergebnisse liegt ausschließlich bei den Teilnehmerinnen. handelt, kann die Adresse des Padlets als Rückmeldung an den Dozenten des Seminars geschickt werden. Anders als die »Learning Library«, die sich auf das Wecken von »Neugier und Zweifel«14 beschränkt, möchten wir weiterhin Wissen vermitteln und nennen unsere Veranstaltung bewusst immer noch »Nutzerschulung«. Was wir jedoch zugunsten des nutzerzentrierten Lernens aufgeben, ist der belehrende Gestus der herkömmlichen Schulung, der den Nutzerinnen nur eine rezipierende Rolle einräumt. Bei unserer Methode sind dagegen alle Teilnehmer während der gesamten Veranstaltung aktiv. Durch den Einsatz von attraktiven Webtools wird ihre Aufmerksamkeit für die vermittelten Informati- onen gesteigert. Die Verantwortung für die Qualität der Arbeitsergebnisse liegt ausschließlich bei den Teilnehmerinnen. Während die Schulungsbibliothekare der »Learning Library« bei der Schlusspräsentation Missverständnisse der Vortragenden korrigieren können (und sollen)15 und damit doch wieder belehren, basiert unser Konzept voll und ganz auf dem Vorwissen, dem Engagement, den Arbeitsergebnissen und den Kommentaren der Teilnehmerinnen. Wir erstellen als Schulungsbibliothekare nur noch interessante und informative Schulungsmaterialien, sorgen für eine angenehme Arbeitsatmosphäre und stehen für Fragen zur Verfügung. Die Nutzerinnen erarbeiten sich basierend auf ihren jeweiligen Vorkenntnissen den Zugang zu den Bibliotheksressourcen selbst und unterstützen sich dabei gegenseitig. Im Zentrum unserer Nutzerschulungen stehen also nicht mehr wir und unsere Angebote, sondern unsere Nutzerinnen und Nutzer mit ihren Zielen und Fragen. 1 Zur »Teaching Library« vgl. Wilfried SühlStrohmenger: Teaching Library. Förderung von Informationskompetenz durch Hochschulbibliotheken. Berlin [u.a.]: de Gruyter, 2012 (Bibliothek; 1) 2 Zur »Learning Library« vgl. Susanne Rockenbach: Neugier und Zweifel – Informationskompetenz anders! In: Marlies Ockenfeld [Hrsg.]: Informationskompetenz 2.0. Zukunft von qualifizierter Informationsvermittlung. Frankfurt a.M.: DGI, 2008 (Oberhofer Kolloquium zur Praxis der Informationsvermittlung; 24), S. 81–85. – Zu weiteren Bibliotheken, die mit der »Learning Library« arbeiten, vgl. Dirk Eisengräber-Pabst: Learning Library in der Praxis: Konzeption einer Einführungsveranstaltung für Studienanfänger an der FH Köln. In: MALIS-Praxisprojekte 2012: Projektberichte aus dem berufsbegleitenden Masterstudiengang Bibliotheks- und Informationswissenschaft an der Fachhochschule Köln. Wiesbaden: Dinges & Frick, 2012 (B.I.T. online innovativ), S. 48–62, S. 53 3 Die Bibliothek für Sozialwissenschaften und Osteuropastudien der Freien Universität Berlin ist für die Literaturversorgung des Fachbereichs Politik- und Sozialwissenschaften und des Osteuropa-Instituts zuständig und bildet mit einem Bestand von gut einer Million Medieneinheiten – der größte Teil davon ausleihbar – die größte Fachbibliothek der Freien Universität. Weitere Informationen zur Bibliothek unter www.polsoz.fu-berlin. BuB | 66 (2014) 10 Lesesaal | BuB713 713 Praxis 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 de/bibliothek/index.html, zuletzt aufgerufen am 20. Mai 2014 Das Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft ist das größte der vier Institute, die den Fachbereich für Politik- und Sozialwissenschaften der Freien Universität Berlin bilden. Als »Bibliothekare« bezeichne ich zusammenfassend Personen mit einer bibliothekarischen oder verwandten Ausbildung beziehungsweise Personen, die sich in einer solchen Ausbildung befinden, also wissenschaftliche Bibliothekarinnen, Diplom-Bibliothekare, FaMIs, Referendarinnen, Praktikanten und Auszubildende. Eine modifizierte Version der Präsentation (Stand Oktober 2011) kann aufgerufen werden unter http://prezi.com/4ryr9m5pcuf/?utm_campaign=share&utm_medium= copy&rc=ex0share, zuletzt aufgerufen am 20. Mai 2014 Dagegen nimmt Rockenbach für ihre Methode in Anspruch, sie schone Personal. Vgl. Rockenbach (Anm. 2) S. 82. – Auch Eisengräber-Pabst stellt fest, dass durch die »Teaching Library« »auf Seiten der Lehrenden […] spürbar Ressourcen gespart« werden. EisengräberPabst (Anm. 2) S. 58. – Die Personalersparnis erzielt Eisengräber-Pabst dadurch, dass die Studierenden nicht von Bibliothekaren betreut werden, sondern von Tutorinnen, deren einzige Bibliotheksausbildung in einmaligem Lesen des von Bibliothekaren verfassten Leitfadens für die Schulung besteht. Vgl. Eisengräber-Pabst (Anm.2) S. 57 www.powtoon.com/, zuletzt aufgerufen am 20. Mai 2014 Vgl. Beata Wilczewska: Vermittlung von Informationskompetenz an Studierende aus Osteuropa an der Freien Universität Berlin (am Beispiel polnischer Studierender). Fachhochschule Potsdam, Fachbereich Informationswissenschaften, Diplomarbeit 2010, S. 84 Zurzeit gibt es Tutorials zu den Themen Maskierung, Phrasensuche, Trunkierung und Verknüpfung sowie zur Fernleihbestellung. Sie sind zu finden unter www.polsoz.fu-ber lin.de/bibliothek/recherche/index.html, zuletzt aufgerufen am 20. Mai 2014 In den kostenpflichtigen Versionen von PowToon ist das direkte Hochladen der Videos auf einen eigenen Server möglich. Vgl. www. powtoon.com/pricing/, zuletzt aufgerufen am 20. Mai 2014 Rockenbach schlägt vor, zur Arbeitserleichterung für das Schulungsteam und zur Erhöhung der Motivation der Teilnehmenden Aufgaben wie zum Beispiel »Bitte suchen Sie eine Monografie zu Ihrem Thema, die nicht älter als zwei Jahre ist.« (Rockenbach (Anm. 2) S. 84, Anm. 4) zu stellen. Sie setzt dabei voraus, dass die Teilnehmenden bereits ein Recherchethema parat haben. Dies ist gerade bei Erstsemestern nicht der Fall. Selbst fortgeschrittene B.A.-Studierende können nach unserer Erfahrung häufig noch kein Recherchethema formulieren. Es lohnt sich daher, die Aufgaben so zu gestalten, dass das Seminar- oder Arbeitsthema der Schulungsgruppe aufgegriffen wird. de.padlet.com, zuletzt aufgerufen am 20. Mai 2014 Vgl. Rockenbach (Anm. 2) Vgl. Rockenbach (Anm. 2) S. 84 BuB | 66 (2014) 10 Julia Borries Grenzüberschreitendes Lernen Das europäische Partnerprojekt »Crosswise Learning« / Stadt- und Regionalbibliothek Erfurt profitiert Europaweit »Gute Praxis« austauschen und Herausforderungen gemeinsam meistern – das wird Bibliotheken im EUBildungsprogramm »Erasmus+« geboten. Die Chance zum europäischen Austausch hat auch Eberhard Kusber, Direktor der Stadt- und Regionalbibliothek Erfurt, genutzt und eine EU-finanzierte Reise nach Norwegen unternommen. Aus dieser Reise entstand die Beteiligung an einem sechsköpfigen Partnerprojekt mit Einrichtungen aus Norwegen, Dänemark, den Niederlanden, Polen und Deutschland. I n Norwegens Bibliotheken geht es paradiesisch zu! So mag die These nach einem ersten Blick auf die norwegische Bibliothekslandschaft klingen. Seit 1935 gibt es dort ein nationales Bibliotheksgesetz, das jeder Kommune eine Öffentliche Bibliothek vorschreibt, deren Nutzung kostenfrei sein muss. Norwegens guter Ruf weckte das Interesse von Eberhard Kusber, Direktor der Stadt- und Regionalbibliothek in Erfurt: »Ich wollte wissen, ob das positive Image stimmt und wenn ja, was Erfurt daraus lernen kann.« Von einer Mitarbeiterin des EU-Büros in Thüringen erfuhr Kusber von der Möglichkeit, im Rahmen des EU-Bildungsprogramms für Lebenslanges Lernen (PLL)1 ins europäische Ausland zu reisen und bei einer lokalen Bibliothek Einblicke in deren Arbeit und Strukturen zu bekommen – 100 Prozent finanziert von der Europäischen Union. Das Nachfolgeprogramm vom PLL ist das Bildungsprogramm Erasmus+, das seit dem 1. Januar 2014 die nächsten sieben Jahre Kompetenzen und Beschäftigungsfähigkeit verbessern und die Modernisierung der Bildungssysteme voranbringen soll. Erasmus+ vereint alle ehemaligen EU- Gemeinsames Arbeitstreffen in der Stadtbibliothek von Wolsztyn in Polen Foto: Eberhard Kusber 714 714 BuB | Lesesaal Programme für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport, darunter auch das Programm für lebenslanges Lernen. Über einen lokalen Projektträger beantragte der Erfurter Bibliotheksdirektor das Stipendium für einen organisierten Lernaufenthalt bei einer gastgebenden Einrichtung im Rahmen von LEONARDO DA VINCI, dem Unterprogramm für Berufsbildung im PLL. Da das Land Thüringen seit über 20 Jahren eine regionale Partnerschaft zur Provinz Hordaland pflegte, war Zielort und der für eine Bewerbung zwingend erforderliche Gastgeber schnell ausgemacht: die Hordaland Fylkesbibliotek. Diese Untereinrichtung der Hordaland Fykleskommune ist mit einer deutschen Landesfachstelle vergleichbar und organisierte das einwöchige Besuchsprogramm im August 2012. Kusber besuchte während seines Aufenthaltes verschiedene Bibliotheken in Voss, Bergen und Umgebung und lernte die Arbeitsweisen der norwegischen Kolleginnen und Kollegen und deren Bibliothekssystem genauer kennen. Dabei stellten Kusber und die Leiterin der Bergens Bibliotek, Leikny Haga Indergaard, fest, dass Erfurt und Bergen, und im weiteren Sinne Deutschland und Norwegen, doch vor mehr ähnlichen Herausforderungen stehen als erwartet. So macht auch Norwegen der Abbau der physischen Bestände zu schaffen, Investitionen in digitale Medien und Inventar müssen bei gleichzeitigen gravierenden Kürzungen des Budgets getätigt werden und auch für Außenpräsentation und Marketing müssen zunehmend mehr Ressourcen aufgewendet werden. Nicht zuletzt gilt es, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf dem Weg in eine Zukunft mitzunehmen, die das Überleben der Bibliotheken nicht nur sichern, sondern ausbauen soll. Kusber fasst zusammen: »Trotz Bibliotheksgesetz stehen auch unsere Kolleginnen und Kollegen in Norwegen stetig vor der Aufgabe, Bibliotheken im öffentlichen Raum konzeptionell neu zu verankern, um nutzerorientiert zu bleiben und Dienstleistungen anzubieten, die über die Bücherausleihe hinausgehen.« Angesichts dieser gemeinsamen Herausforderungen seien sich alle Beteiligten im Abschlussgespräch des deutschen Besuches einig gewesen, die Erkenntnisse und den Austausch in einem weiterführenden Projekt vertiefen zu wollen, so Kusber. Die norwegischen Vertreterinnen und Vertreter signalisierten ihre Bereitschaft, dieses Vorhaben unter Nutzung ihrer Beziehungen nach Brüssel und ihrer Infrastruktur aktiv anzugehen. Neben den vielen neuen Erkenntnissen im Gepäck konnte Praxis Werbewand für E-Medien in einem Freizeitareal von Køge, Dänemark der Bibliotheksdirektor zunächst seine Auszubildenden in Erfurt überraschen. Die Voss Bibliotek ermöglichte einer der Auszubildenden ein sechswöchiges Praktikum, ebenfalls finanziert durch das EUBerufsbildungsprogramm LEONARDO DA VINCI im PLL. Die GRUNDTVIG-Lernpartnerschaft Auch bei der Zusammenarbeit der bibliothekarischen Einrichtungen blieb es nicht bei leeren Worten. Norwegen übernahm 2013 die Federführung bei der Konzeption eines Antrages unter dem Titel »Crosswise Julia Borries (Foto: dbv/KNB – Tristan Vankann) ist seit April Referentin für EU-und Drittmittelberatung im Kompetenznetzwerk für Bibliotheken (knb) beim Deutschen Bibliotheksverband (dbv). Ihr Studium in Erfurt, Tampere, Frankfurt (Oder) und Straßburg schloss sie mit einem deutschfranzösischen Doppelmaster in European Studies ab. Anschließend war sie als Trainerin und Referentin in EU-Projekten in der politischen Jugend- und Erwachsenenbildung tätig. – Kontakt: [email protected] Foto: Eberhard Kusber Learning« – für die Förderung einer sechsköpfigen GRUNDTVIG-Lernpartnerschaft mit Einrichtungen aus Dänemark, den Niederlanden, Polen und Deutschland, vertreten durch die Stadt- und Regionalbibliothek Erfurt und die kooptierte Stadtbibliothek Apolda. GRUNDTVIG-Lernpartnerschaften2 haben das Ziel, durch die Entwicklung und den Transfer von Innovationen und vorbildlichen Verfahren zu Verbesserungen in den Erwachsenenbildungssystemen beizutragen. In regelmäßigen Treffen mit mindestens drei teilnehmenden Institutionen aus verschiedenen europäischen Mitgliedsstaaten werden über zwei bis drei Jahre geeignete Lösungen oder Informationstools konzipiert, die dann in Form von Publikationen oder Best-Practice-Ergebnissen auch der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Schwerpunktziel bei »Crosswise Learning« ist es, die Chancen und Möglichkeiten für die Integration von Einwanderern und Minderheitengruppen zu verbessern. Über Länder- und Institutionengrenzen hinweg kooperieren im Projekt seit August 2013 und noch bis Juli 2015 insgesamt sechs Lernzentren und Bibliotheken aus fünf europäischen Staaten miteinander. Zu der norwegischen Initiative stellt Kusber bewundernd fest: »Obwohl Norwegen nicht Mitglied der EU ist3, bringen sich die Norweger auf der europäischen Ebene überall ein und sind direkt am Puls der EU. Hier herrscht eine ganz andere BuB | 66 (2014) 10 Lesesaal | BuB715 715 Praxis Philosophie und Denkweise als bei uns in Deutschland, wo die Möglichkeiten der EU-Fördermittel eher stiefmütterlich behandelt werden, aus Angst vor seitenlangen Anträgen.« Neben zahlreichen Kontakten Norwegens zu anderen europäischen Ländern und Regionen unterhält auch die Region Hordaland ein Büro in Brüssel. Hier werden Kontakte gepflegt und intensiviert, um die EU-Förderprogramme zur Entwicklung des Landes bestmöglich in Anspruch zu nehmen. »In unserem Projekt geht es darum: Welche Rolle können Bibliotheken bei der Integration von Immigranten spielen?« erklärt Kusber. Norwegen, Dänemark und die Niederlande seien schon seit Langem Einwanderungsländer und auf ausländische Fachkräfte angewiesen. »Deutschland hat zwar nach wie vor seine Probleme mit dem Begriff ›Einwanderungsland‹, wir brauchen jedoch die ausländischen Fachkräfte – und das in Zukunft noch viel mehr«, so Kusbers Ansicht. Dass nicht nur Bibliotheken Partner im Projekt sind, sondern auch ein dänisches Integrationszentrum und ein norwegi- sches Lern- und Sprachenzentrum für Erwachsene erweitere die Perspektiven der Projektteilnehmer. Selbstbewusst stellt Kusber fest: »Wir als Bibliothek wollen uns ein neues Standbein erarbeiten und zeigen, dass wir in Sachen Integrationsarbeit einen professionellen Beitrag leisten.« Und das wird vor Ort bereits sichtbar: Die Einbindung des Erfurter Zentrums für Migration und Integration und der lokalen Volkshochschule in das Projekt zeigt, wie die Bibliothek zum stadtinternen Netzwerk beiträgt. Best-Practices der Partnereinrichtungen Welche Rolle können nun Bibliotheken im Integrationsprozess spielen? Und in welcher Weise können sie gemeinsam mit Lern- und Integrationszentren Zugewanderte im neuen Land unterstützen? Wertvolle Anregungen erhielt Kusber von der dänischen Partnereinrichtung. Sie bietet nicht nur Medien in zahlreichen Sprachen an (zum Beispiel Paschtu, Arabisch oder Persisch), es findet auch an jedem Wochentag eine Beratungsstunde statt – in der Bibliothek, durchgeführt von Mitbürgern Beratung und Information zu den EU-Programmen Durch den Start des neuen EU-Bildungsprogramms Erasmus+ finden sich die Projektformen und alle weiteren Bildungsformate in einem neuen Gewand wieder. Sie werden nun in drei Leitaktionen – 1. Mobilität von Einzelpersonen, 2. Strategische Partnerschaften und 3. Maßnahmen zur Unterstützung politischer Reformen – umgesetzt. Die Einzelmobilitäten in der Berufsbildung (ehemaliges LEONARDO DA VINCI-Programm) finden sich in der Leitaktion 1 »Lernmobilität von Einzelpersonen« wieder. Die ehemaligen GRUNDTVIG-Lernpartnerschaften werden als »Strategische Partnerschaften« im Rahmen der Leitaktion 2 »Zusammenarbeit zur Förderung von Innovation und bewährten Verfahren« fortgeführt. Die nächsten Antragsfristen für beide Projektformen im Bereich der Berufs- und Erwachsenenbildung sind voraussichtlich im Februar 2015, Projektstart ist im Herbst 2015. Ausführliche Informationen und Beratung (auch bei der Erstellung von Projektskizzen) bietet die Nationale Agentur beim Bundes- BuB | 66 (2014) 10 institut für Berufsbildung (NA-BIBB), die das Erasmus+-Programm in Deutschland in der Berufs- und Erwachsenenbildung betreut und umsetzt. Bei Interesse an einer der dargestellten Maßnahmen aus dem Erasmus+-Programm oder an weiteren EU-Programmen sowie zu allgemeinen Fragen des Projektmanagements und der Beantragung von Fördermitteln können zudem die Beratungsdienstleistungen der EU-und Drittmittelberatung des Kompetenznetzwerks für Bibliotheken (knb) in Anspruch genommen werden. Weitere Informationen zum Erasmus+-Programm: Erasmus+-Programmleifaden: www.na-bi bb.de/fileadmin/user_upload/Dokumen te/Erasmus_Plus/Dokumente_uebergrei fend/av_Programmleitfaden_de_27_02. pdf www.erasmusplus.de/ www.na-bibb.de/ Der Beratungsplatz »Mitbürgerservice« in der Bibliothek von Køge, Dänemark Foto: Eberhard Kusber unterschiedlicher kultureller Herkunft, die bereits länger in Dänemark wohnen. Welche Papiere brauche ich wann und wo, wie kann ich mein Kind zur Schule oder beim Kindergarten anmelden, wie funktioniert das örtliche Bussystem? Alle Alltagsfragen können hier geklärt werden. Die Bibliothek wird zum Treffpunkt und zum Beratungsort. Der einzige osteuropäische Partner, Polen, zeigte Kusber Integrationsarbeit von einer anderen Seite. Denn anders als seine Projektpartner muss das Land viele Ressourcen aufwenden, seine qualifizierten polnischen Fachkräfte nicht an das Ausland zu verlieren. So bietet die Stadt1 Das Programm für Lebenslanges Lernen (PLL) ist ein Bildungsprogramm der Europäischen Union (EU) und unterstützte im Zeitraum 2007 bis 2013 die bildungspolitische Zusammenarbeit in Europa. Die verschiedenen Bildungsbereiche finden sich in den vier Einzelprogrammen Comenius (Schule), Leonardo da Vinci (Berufsbildung), Erasmus (Hochschule) und Grundtvig (Erwachsenenbildung) wieder. 2 Das Unterprogramm GRUNDTVIG des ehemaligen Programms für Lebenslanges Lernen (PLL) richtete sich an Akteure der Erwachsenenbildung. 3 Norwegen gehört zur European Free Trade Association (EFTA) und ist durch die Teilnahme am Schengen-Raum und dem Europäischen Wirtschaftsraum eng mit der Europäischen Union verbunden. Norwegen kann an allen EU-Förderprogrammen teilnehmen und ist (mit eigener finanzieller Beteiligung an den Programmen) ebenfalls antragsberechtigt. 716 716 BuB | Lesesaal bibliothek in Wolsztyn unter anderem das Konzept der »Bibliotherapie« an. »Bibliotheken sind mehr als nur Ausleihstationen für Bücher«, betont Kusber. »Der europäische Austausch verdeutlicht mir, wie viel Potenzial Bibliotheken haben, um Menschen zu unterstützen.« Auch in Erfurt wird in einer Zweigstelle bereits erprobt, wie integrativ die Bibliothek wirken kann. Kinder aus 22 Nationen suchen in der Pause und nach der Schule die Bibliothek, die in einer Grundschule untergebracht ist, als Freizeitort auf – der ebenso die Eltern anzieht. Neben Vorleseprojekten wird dort auch ein Modul aus dem dbv-Projekt »Lesen macht stark: Lesen und digitale Medien« geboten. Treffen in ganz Europa Der Austausch im Lernprojekt »Crosswise Learning« findet bei den Partnereinrichtungen vor Ort statt. Neben dem Kickoff-Treffen in Norwegen, in dem Ablauf und Zeitplan beschlossen wurden, fanden bereits zwei- bis dreitägige Treffen in Dänemark und Polen statt. Im Herbst reist eine Delegation aus Kolleginnen und Kollegen der Erfurter Bibliothek, der Volkshochschule und dem Zentrum für IntegDer europäische Austausch stößt laut Kusber einen reflexiven Moment an, der neue Ideen für das Tun vor Ort mitbringt – dies sei ein unbezahlbarer Mehrwert. ration und Migration in die Niederlande. Insgesamt müssen zwölf »Mobilitäten«, also Reisen von Einzelpersonen, absolviert werden. Das ist in den Konditionen des Projekts festgelegt. Und das ist wichtig. »Der Input vor Ort ist ein ganz anderer, als wenn man ihn nur erzählt bekommt«, berichtet Kusber. Im Frühjahr 2015 wird Erfurt Gastgeber sein. Auf dem Programm stehen neben den Bibliotheken insbesondere Einrichtungen, in denen Projekte und Angebote für Migranten und Migrantinnen existieren – wie die Volkshochschule und das Zentrum für Integration und Migration. Viel wird auch über Mail und Telefon kommuniziert. Da das geschlossene IT-System der Stadt keine der im Projekt vorgesehenen Skype-Konferenzen zulässt, hat sich Kusber bereits Notfalllösungen überlegt: »Dann suche ich eben das EUBüro auf, um wirklich auf dem Laufenden bleiben zu können.« Praxis Eine Bibliothek als EU-Projektpartner Dass die Bibliothek an einem EU-Projekt beteiligt ist, hat in Erfurt viele überrascht. »Da fragen sich so einige: Was hat die Bibliothek mit der EU zu tun? Es ist sicher noch ein weiter Weg. Aber wenn sich aus dem Projekt nun Synergien und Netzwerke weiter festigen und ausbauen Eine Kompetenz sei für den Erfolg allerdings notwendig: englische Sprachkenntnisse. lassen, dann haben wir als Bibliothek ein deutlich breiteres Standing in der Stadt«, hofft Kusber und ermutigt Bibliotheken in Deutschland, sich an EU-Projekten zu beteiligen. Er weiß, dass viele Kolleginnen und Kollegen zurückschrecken, weil sie den Aufwand vor EU-Projekten und Anträgen fürchten. Aber er beruhigt: »Sicher bedeutet es einen gewissen Einsatz, in ein Projekt involviert zu sein: zu den Treffen zu fahren, mal einen Bericht zu schreiben und sich auch mental damit auseinanderzusetzen. Doch das ist überschaubar, denn ich will ja auch etwas – und was ich dafür zurückkriege, das ist es mir allemal wert!« Der europäische Austausch stößt laut Kusber einen reflexiven Moment an, der neue Ideen für das Tun vor Ort mitbringt – dies sei ein unbezahlbarer Mehrwert. Eine Kompetenz sei für den Erfolg allerdings notwendig: englische Sprachkenntnisse. »Es ist wichtig, eine Unterhaltung führen zu können, für den Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen und den fachlichen Austausch.« Und selbst diese Hürde kann genommen werden: Eine polnische Kollegin habe eine Dolmetscherin zur Seite gestellt bekommen, was die Kommunikation zumindest im Rahmen ermöglicht habe. (www.b-u-b.de) (Bis 2000: »Buch und Bibliothek«) Fachzeitschrift des BIB . Berufsverband Information Bibliothek e.V. (www.bib-info.de) 66. Jahrgang, Nr. 10, Oktober 2014 ISSN 1869 -1137 Herausgeber: Olaf Eigenbrodt, Hamburg Kirsten Marschall, Hamburg Dr. Carola Schelle-Wolff, Hannover Redaktionsbeirat: Dale S. Askey, Mc Master University Library, Hamilton, Ontario . Dr. Jürgen Lodemann, Schriftsteller, Freiburg im Breisgau und Essen . Dr. Gerhard W. Matter, Kantonsbibliothek Baselland, Liestal . Prof. Dr. Elmar Mittler, Göttingen . Walburgis Fehners, Bibliothek der FH Oldenburg/Ostfriesland/Wilhelmshaven . Dr. Georg Ruppelt, Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek/Niedersächsische Landesbibliothek, Hannover . Barbara Schleihagen, Deutscher Bibliotheksverband, Berlin . Dr. Harald Weigel, Vorarlberger Landesbibliothek, Bregenz Redaktion: BuB Postfach 13 24 . 72703 Reutlingen Gartenstraße 18 . 72764 Reutlingen Telefon (0 71 21) 34 91-0 Telefax (0 71 21) 34 91 34 E-Mail: [email protected] Redaktion: Susanne Richt (ric) und Bernd Schleh (verantwortlich, slh); Rezensionen: Dr. Jürgen Plieninger Verlag und Anzeigenverwaltung: BOCK + HERCHEN Verlag Postfach 11 45 . 53581 Bad Honnef Reichenbergerstraße 11 e . 53604 Bad Honnef Telefon (0 22 24) 57 75 Telefax (0 22 24) 7 83 10 E-Mail: [email protected] Anzeigenverwaltung: Gabi Bott Herstellung: Satz: Punkt & Pixel, Bad Honnef Druck: Strube OHG, Felsberg Erscheinungsweise: zehn Hefte jährlich (Doppelhefte: Juli/August und November/Dezember) Preis: je Heft e 14, jährlich e 94,– Studierende sowie Mitglieder des VDB jährlich e 47,– Preise einschließlich Mehrwertsteuer und zuzüglich Versandgebühr. Für Mitglieder des BIB ist der Bezug im Mitgliedsbeitrag enthalten. BuB ist kündbar bis jeweils 15. November. Bezug durch den Verlag Redaktionsschluss für Heft 01/2015: 7. November Anzeigenschluss für Heft 01/2015: 7. November BuB | 66 (2014) 10 Lesesaal | BuB717 717 Praxis Tanja Fecht Deakquisition des Sachbuchbereichs mithilfe der Portfolio-Analyse Praktische Tipps aus der Stadtbücherei Traunstein für die Handhabung eines komplexen Instruments Während die Sachbuchportfolio-Analyse in den vergangenen Ausgaben von BuB mehrfach kontrovers diskutiert wurde,1 ist sie zwischenzeitlich erfolgreich in der Stadtbücherei Traunstein als Hilfsmittel für eine umfangreiche Deakquisition der Sachmedienbestände eingesetzt worden. In diesem Artikel werden die Vorteile der Portfolio-Analyse für Projekte dieser Art dargestellt und ihr Nutzen erörtert. BuB | 66 (2014) 10 D ie Reduzierung von ungenutzten Beständen ist ein wichtiger Schritt, um im Angesicht geringer Etats Raum für andere Investitionen zu schaffen und mit der Entwicklung neuer Angebote einen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit von Öffentlichen Bibliotheken zu leisten. Aufgrund dessen entschied sich die Stadtbücherei Traunstein2 im Jahr 2013, ihren Sachbuchbestand im Rahmen einer Bachelor-Arbeit analysieren zu lassen. Die Zielsetzung für dieses Projekt lautete, in den nächsten fünf Jahren den Bestand von 13 500 Medieneinheiten (ME) auf 10 000 ME zu reduzieren und den freiwerdenden Etat in andere Bereiche, wie den Ausbau des Angebotes für Kinder- und Jugendliche, zu investieren. Neben einer umfangreichen und kennzahlengestützten Deakquisition sollten Aspekte der allgemeinen Optimierung des Bestandes eine ebenso zentrale Rolle spielen wie die Rahmenbedingungen vor Ort: Bestände, die für Kernzielgruppen der Traunsteiner Bücherei von besonderem Interesse sind, wurden besonders gewichtet, das heißt, es wurden erweiterte Lösungsansätze, unabhängig von der geforderten Bestandsreduzierung, entwickelt. Insgesamt stand so nicht nur der reine Bestandsabbau im Vordergrund, sondern auch der Nutzen, den Besucher aus einem gut gepflegten, attraktiven Bestand gewinnen können.3 Die vorgenommene erweiterte Portfolio-Bestandsanalyse für den Sachmedienbereich betrachtete die gegenwärtige Situation des Bestandes und prognostizierte, unter Beachtung der Kennzahlen der letzten Jahre, die wahrscheinliche zukünftige Entwicklung. Unter Berücksichtigung des Bibliothekskonzepts4 wurden für die untersuchten Sachgruppen Handlungsempfehlungen entwickelt und, im Hinblick auf Bestandsverringerung und -optimierung, ein Richtwert für zu makulierende Medien erarbeitet. Dafür wurden die unterschiedlichen Normstrategien auf Grundlage der Untersuchung der Sachbuchportfolio-Analyse mit allgemeinen Bestandskennzahlen, hier vor allem der Effizienz, des Umsatzes, des Aktivierungsgrads, der Ausleih- und Bestandszahlen sowie der Erneuerungsquote, in Bezug gesetzt. Des Weiteren wurden das Bibliothekskonzept und die Ergebnisse einer auf Traunsteiner Verhältnisse abgeleiteten Sinus-Milieus-Betrachtung5 herangezogen, um den Bestand an den Informationsbedarf der Besucher anzupassen. Die Analyse selbst gliederte sich in drei Abschnitte: Status Quo: Darstellung der gegenwärtigen Situation des Bestandes. Entwicklung: Prognose für die zukünftige Tendenz des Bestandssegmentes, sofern keine neuen oder erweiterten Maßnahmen zur Bestandsoptimierung eingesetzt werden. Handlungsempfehlung: Konkrete Maßnahmen für die Bestandsreduzierung und Umstrukturierung wurden aus dem Status Quo und der Entwicklung der einzelnen Sachgruppen abgeleitet. Der Fokus der Arbeit lag dabei vor allem auf der Entwicklung von umsetzbaren Handlungsempfehlungen, die neben der detaillierten Auseinandersetzung mit Bestand und Bibliothekskonzept auch das Erfahrungswissen und die Ziele der Büchereileitung einbezogen haben. Die Ergebnisse dienen der Stadtbibliothek Traunstein zur Orientierung und Überprüfung des Sachbuchbestandes, unterstützen die zielgerichtete Bestandsdeakquisition ebenso wie einen zukunftsfähigen Bestandsaufbau nach neuen Kriterien. Drei Vorteile beim Einsatz der Portfolio-Analyse Die Portfolio-Analyse wurde gezielt zur Analyse des Sachbuchbestandes im Hin1 Siehe BuB-Hefte 10/2013, 1/2014 und 3/2014 2 Die Stadt Traunstein ist mit ungefähr 20 000 Einwohnern eines der bedeutendsten Zentren im Chiemgau. Die dortige Stadtbücherei bietet den Bürgern Traunsteins auf 600 Quadratmeter ein umfangreiches Angebot an Veranstaltungen, Literatur- und Informationsversorgung. Von den 36 000 Medien zählt über ein Drittel zum Sachbuchbestand und wird nach der Systematik der Stadtbücherei Duisburg (SSD) erschlossen, die Aufstellung erfolgt jedoch seit 2006 nach Themenbereichen, um den Kunden die Orientierung innerhalb der Bücherei zu erleichtern. – Vgl. Hagenau, Anette (2008), S. 3, 14 und 54; Fecht, Tanja (2014), S. 23–26 3 Vgl. Fecht, Tanja (2014) 4 Vgl. Hagenau, Anette (2008) 5 Vgl. ebd., S. 42–51 718 Praxis Raus aus den Regalen: Die Stadtbücherei Traunstein hat mithilfe der Portfolio-Analyse ihren Sachbuchbestand durchforstet. Foto: Angelika Lindhuber blick auf die Bestandsumstrukturierung und der umfangreichen Deakquisition als Werkzeug ausgewählt und eingesetzt. Dabei wurden die Ergebnisse der Untersuchung immer in den Kontext der Stadtbücherei Traunstein – Konzept, Besonderheiten und Ziele – eingeordnet. An dieser Stelle sollen jedoch nicht bereits die in der Literatur6 und von Frauke Schade in BuB-Heft 3/2014 sowie von Roman Rabe in BuB-Heft 1/2014 vorgebrachten Argumente wiederholt, sondern der Ansatz vorgestellt werden, wie die Sachbuchportfolio-Analyse in der Untersuchung Anwendung gefunden hat: Eines der ausschlaggebenden Argumente mit der Sachbuchportfolio-Analyse zu arbeiten, war die Möglichkeit, den Status Durch eine ausreichende Effizienz, die einem unzureichenden Umsatz gegenüber steht, ergeben sich daher häufig Probleme bei der Auswertung der Portfolio-Analyse. Quo der einzelnen Sachgruppen im gesamten Sachbuchbestand zu visualisieren und einen Eindruck ihrer Positionsveränderung innerhalb der analysierten Jahre zu gewinnen. Wie bereits von Roman Rabe angeführt, ist es fraglich, ob alle Sachgruppen stringent die einzelnen Phasen des Produktlebenszyklus durchlaufen.7 Jedoch können anhand der PortfolioMatrix, durch die Gegenüberstellung von Effizienz und Umsatzentwicklung, erste Erkenntnisse darüber gewonnen werden, wie intensiv die einzelnen Sachgruppen im Verhältnis zum gesamten Angebot an Sachliteratur genutzt werden. Dies ist im Hinblick auf den Einsatz von Strategien im Bestandsmanagement von Bedeutung, da Veränderungen schnell bemerkt werden und entsprechend Steuerungsmaßnahmen eingeleitet werden können. Zum einen können rückwirkend auffällige Schwankungen einzelner Sachgruppen erfasst werden, zum anderen können diese mit ähnlichen Entwicklungen anderer Sachgruppen verglichen werden. So ist es beispielsweise möglich herauszufinden, ob thematisch verwandte Sachgruppen, beziehungsweise im Fall der Stadtbücherei Traunstein gesamte Themenkreise, von einer Entwicklung betroffen sind, wie es, so ein Ergebnis der Analyse, beispielsweise bei den Gruppen SSD-K (Religion) und SSD-L (Philosophie) des Themenbereichs »Leichter durchs Leben« der Fall ist.8 Im nächsten Schritt können die relevanten Bestandskennzahlen sowie bibliotheksspezifische Besonderheiten, wie Veränderung des Bestandsmanagements oder Präsentation der Sachgruppe, zur Analyse herangezogen werden, um mögliche Gründe für die Entwicklungen herauszuarbeiten. Ein weiterer Vorteil, der sich durch den Einsatz der Sachbuchportfolio-Analyse in diesem Projekt ergab, war die Möglichkeit, zukünftige Entwicklungen innerhalb der Sachliteratur abschätzen zu können. Durch die Positionsveränderung im Betrachtungszeitraum und unter Berücksichtigung der Kennzahlen wurde auf die zukünftige Entwicklung der Sachgruppen geschlossen und auf Grundlage dessen wurden Trends abgeleitet. In diesem Zusammenhang lag der Fokus nicht primär auf dem Lebenszyklus, der davon ausgeht, dass jedes Produkt einem bestimmten Verlauf folgt, sondern auf der Positionsverschiebung der einzelnen Sachgruppen, also auf der Darstellung des veränderten Nutzungsverhaltens der angebotenen Sachliteratur. Dabei ist ausschlaggebend, wie intensiv die Sachgruppen im Verhältnis zum gesamten Sachbuchbestand in den vergangenen Jahren genutzt wurden und ob sich Entwicklungen, wie ein kontinuierliches Nachlassen des Nutzerinteresses, abzeichnen. Der Einsatz des Sachbuchportfolios wird auch weiterhin in der Stadtbücherei Traunstein beibehalten, aber mit dem Ziel, die Ergebnisse der Bestandsumstrukturierung zu überprüfen, die Entwicklung zu beobachten und, wenn notwendig, auf Veränderungen zu reagieren zu können. Die Portfolio-Analyse dient hierbei der Bewertung der eingesetzten Maßnahmen. Auch an dieser Stelle bietet dieses Instrument nur eine erste Orientierung, die durch weitere Analysen bestätigt werden muss: Ein Beispiel ist die Sachgruppe Wirtschaft (SSD-H). Die Analyse ergab, dass nur Teile des Bestandes intensiv genutzt wurden und dass der Ausbau des Angebotes zu Lasten des Umsatzes ging, während die Ausleihzahlen konstant blieben.9 Daher wurde eine Bestandsreduzierung um 35 Prozent empfohlen.10 Mit der Sachbuchportfolio-Analyse kann an dieser Stelle beobachtet werden, ob dieser Schritt eine veränderte Nutzung zur Folge hat und ob die Entwicklung in die erstrebte Richtung geht. Probleme und Grenzen Es muss betont werden, dass die Sachbuchportfolio-Analyse als alleiniges Instrument zur Bewertung des Bestandes sowie seiner Nutzung nicht ausreicht, da die von Frauke Schade11 entwickelten Normstrategien als Handlungsempfehlungen der einzelnen Matrix-Felder keine passgenauen Maßnahmen liefern. Das Sachbuchportfolio berücksichtigt weder die Besonderheiten der einzelnen Sachgruppen noch deren Relevanz innerhalb der Bestandskonzeption der einzelnen Bibliothek. Gerade unter dem Aspekt der Bestandsreduzierung wurde deutlich, dass aufgrund ihrer unspezifischen Formulierung selten die allgemeinen Handlungsempfehlungen für die einzelnen Matrix-Felder greifen und so als alleiniges Ergebnis nicht auf jedes Bestandssegment anwendbar waren. 6 Vgl. Schade, Frauke; Umlauf, Konrad (2012), S.117–203 7 Vgl. Rabe, Roman (2013), S. 53–56 8 Die Sachgruppen SSD-K und SSD-L positionieren sich beide innerhalb des Betrachtungszeitraums entweder im Segment »Arme Hunde« oder »Fragezeichen«. – Vgl. Fecht, Tanja (2014), S. 47–55 9 Daten 2012: Medienbestand: 306; Entleihungen: 545; Aktivierungsgrad: 56 Prozent; Null-Liste: 135 Medieneinheiten – vgl. Fecht, Tanja (2014), S. 58 10 Primär Medien, die auf der Null-Liste des Jahres 2012 verzeichnet sind 11 Vgl. Schade, Frauke (2010), S. 111–132 BuB | 66 (2014) 10 Lesesaal | BuB719 719 Praxis Jede Bibliothek weist individuelle Besonderheiten auf, die eine Erstellung von allgemeingültigen Handlungsempfehlungen unmöglich macht. Die Normstrategien der Portfolio-Analyse müssen immer mit anderen Kennzahlen und Grundsätzen des Bestandsmanagements in Verbindung gesetzt werden. Im Fall der vorliegenden Arbeit begründeten sich Abweichungen beispielsweise oft damit, dass dem Umsatz eine erhöhte Gewichtung gegenüber der Effizienz beigemessen wurde. Der Umsatz des Sachbuchbestandes der Stadtbücherei Traunstein soll durch die umfassende Bestandsumstrukturierung und die verstärkte Ausrichtung auf die Interessen der Zielgruppen langfristig gesteigert werden.12 So ergab sich in der Analyse oftmals der Fall, dass für Sachgruppen, deren Effizienz gute bis optimale Werte zwischen 0,7 und 1,313 für den Sachbuchbestand aufwiesen, die aber gleichzeitig nicht den geforderten Mindestumsatz erreichten, individuelle Maßnahmen erarbeitet werden mussten. Durch eine ausreichende Effizienz, die einem unzureichenden Umsatz gegenüber steht, ergeben sich daher häufig Probleme bei der Auswertung der Portfolio-Analyse. Ein Beispiel dafür ist die Sachgruppe Wirtschaft (SSD-H) mit einem Umsatz von 1,78 und einer Effizienz von 1,00 im Jahr 2012. Die Sachbuchportfolio-Analyse bestätigt die gute Nutzung dieses Themengebietes im Verhältnis zum restlichen Sachbuchbestand, indem ihre Position sich in den vergangenen Jahren in den Feldern »Milchkühe« oder »Stars« befand. Die allgemeine Handlungsempfehlung würde daher lauten: die Bestandsgröße mit einer angemessenen Erneuerungsquote beizubehalten. Betrachtet man jedoch die Umsatzkennzahl mit einem Wert von nur 1,78 wird deutlich, dass der Umsatz für eine, im Verhältnis zum restlichen Sachbuchbestand, intensiv genutzte Sachgruppe nicht ausreichend ist. Das belegt auch die Aktivierungsquote von circa 56 Prozent. Die in diesem Kontext erarbeitete Handlungsempfehlung sieht daher eine Bestandsreduzierung um 35 Prozent vor, unter Berücksichtigung der Null-Listen der letzten zwei Jahre. Dieses Ergebnis widerspricht deutlich der ursprünglichen Handlungsempfehlung, die aus den Normstrategien der Portfolio-Analyse folgen würde. 12 Vgl. Fecht, Tanja (2014), S. 36 13 Vgl. Umlauf, Konrad (1997), S. 365 BuB | 66 (2014) 10 Was also bleibt? Die Portfolio-Analyse ist, besonders wenn die Gegebenheiten vor Ort miteinbezogen werden, weit komplexer als es zuerst scheint. Das hat zur Folge, dass sich die Verantwortlichen sehr intensiv mit der Funktionsweise und den Einsatzmöglichkeiten auseinandersetzen müssen. Die Handlungsempfehlungen der Matrixfelder bieten einen guten Ansatzpunkt für eine weitergehende Bestandsanalyse. Ausgehend von den Positionen der einzelnen Sachgruppen innerhalb der Matrix können die vorgeschlagenen Handlungsempfehlungen dahingehend geprüft werden, ob sie in das Konzept der Bibliothek passen und ob deren zielgruppenspezifische Schwerpunktsetzung unterstützt wird. Diese Vorüberlegungen bilden eine erste Grundlage, auf deren Basis dann tatsächlich notwendige Maßnahmen entwickelt werden können. Damit ist die ursprüngliche einfache Handhabung dieses Hilfsmittels unverkennbar beeinträchtigt, da weder die im Vorfeld entwickelten Handlungsempfehlungen ohne intensive Beschäftigung mit den vorliegenden Werten eingesetzt noch die Gewichtungen und Besonderheiten berücksichtigt werden können. Die genannten Faktoren erhöhen den zeitlichen Aufwand beim Einsatz der Portfolio-Analyse erheblich, den sich viele, besonders Bibliotheken mit wenig Personal, nicht leisten können. Daraus könnte folglich geschlossen werden, vollständig auf den Einsatz der Portfolio-Analyse zu verzichten. Das ist jedoch eine vorschnelle Entscheidung. Gerade für umfangreichere Projekte, wie im Fall der Stadtbücherei Traunstein, in der außerhalb des alltäglichen Bestandsmanagements ein großer Teil des Bestandes makuliert werden soll, ist die Einarbeitung in das Sachbuchportfolio sinnvoll. Denn beim Einsatz in der Stadtbücherei Traunstein ist deutlich hervorgetreten, dass die Sachbuchportfolio-Analyse unschätzbar für eine erste Orientierung innerhalb des Bestandes ist, besonders wenn das Bestandsmanagement nicht durch eine regelmäßige Analyse der Bestandskennzahlen ausgewertet wird. Die Methode bietet die Möglichkeit, einen ersten Eindruck von Nutzungsintensität der einzelnen Sachgruppen im Verhältnis untereinander zu gewinnen, stellt die vergangene und die aktuelle Entwicklung einzelner Bestandssegmente dar und unterstützt bei der Prognostizierung ihrer zukünftigen Entwicklung. Im weiteren Verlauf dient sie zur Überprüfung auf die Wirksamkeit der durchgeführten Maßnahmen. Der Einsatz der Portfolio-Analyse ist dann sinnvoll und liefert befriedigende Ergebnisse, wenn diese kontextbasiert, das heißt das gesamte Bestandsmanagement und das Bibliotheksprofil berücksichtigend, eingesetzt wird. Quellenverzeichnis Fecht, Tanja (2014): Strategien zur Optimierung des Sachbuchbestandes anhand des Beispiels der Stadtbücherei Traunstein. Status Quo – Entwicklungen – Handlungsempfehlungen [Bachelor-Arbeit]. Hagenau, Anette (2008): Bibliothekskonzeption der Stadtbücherei Traunstein. Lesen, leben, lernen. Stadtbücherei Traunstein 2008–2012. Online verfügbar unter: www.oebib.de/fileadmin/redaktion/mana gement/Materialien/Bibliothekskonzepti onen/Traunstein_Bibliothekskonzeption. pdf [Zuletzt geprüft am 22. Juli 2014]. Rabe, Roman (2013): Wie sinnvoll ist die Portfolio-Analyse für den Bestandaufbau? Eine Replik zum Artikel von Tom Becker in BuB-Heft 10/2013. In BuB 3/2014. Schade, Frauke (2010): Die PortfolioAnalyse als Methode zur Profilierung von Bibliotheksbeständen. In: Tom Becker und Cornelia Vonhof (Hrsg.): Gut ist uns nie gut genug!. Wiesbaden: Dinges & Frick (B.I.T. online: Innovativ, 30). Schade, Frauke; Umlauf, Konrad (2012): Bestandsmanagement im Rahmen von Marketing-Management Öffentlicher Bibliotheken. In: Frauke Schade und Konrad Umlauf (Hrsg.): Handbuch Bestandsmanagement in Öffentlichen Bibliotheken. Berlin: de Gruyter Saur (Bibliotheks- und Informationspraxis, 46). Umlauf, Konrad (1997): Bestandsaufbau an öffentlichen Bibliotheken. Frankfurt am Main: Klostermann (Das Bibliothekswesen in Einzeldarstellungen). Tanja Sabrina Fecht (Jahrgang 1988) ist Absolventin der Fachhochschule Köln des Studiengangs Bibliothekswesen – Kontakt: tanja.fecht @web.de 720 720 720 BuB BuB || Magazin Lesesaal »Stimme eines Rufers in der Wüste« Notwendige bibliothekarische Erinnerungskultur Babendreier, Jürgen: Nationalsozialismus und bibliothekarische Erinnerungskultur / Herausgegeben von Michael Knoche und Sven Kuttner. Wiesbaden: Harrassowitz, 2013. VIII, 152 Seiten. (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen; 58) 978-3447-10001-4 – fest gebunden 39,80 Euro Fachliteratur D er Rezensent ist sich nicht sicher, ob Jürgen Babendreier die biblische Anspielung im Titel der Rezension goutieren wird. Aber die Wirkung seiner Stimme ist vergleichbar: Die eines notwendigen, einigen vielleicht auch heute noch unbequemen Mahners. Es war wohl die Restitutionsproblematik und in der Folge die Provenienzforschung, die ihn zu »seinem« Thema geführt haben.1 Der anlässlich seines 70. Geburtstags von Michael Knoche und Sven Kuttner herausgegebene Sammelband vereinigt sieben seiner zwischen 2004 und 2010 an verschiedenen Stellen erschienenen Arbeiten zur bibliothekarischen Erinnerungskultur, die zusammengenommen fast schon eine Art Monografie ergeben. Kollektives Schweigen statt Aufarbeitung Der erste Beitrag setzt sich mit den »Positionen zur Bücherverbrennung« auseinander. Exemplarisch greift er drei Protagonisten heraus: Wolfgang Herrmann (1904–1945), »das schwärzeste aller schwarzen Schafe unter den damaligen Volksbibliothekaren« (S. 11), den Haupturheber der Schwarzen Listen; Joachim Ostdeutsche Erinnerungen an »braune Zeiten« wurden als »antifaschistischer Diskurs« geführt. Privatanschrift des Rezensenten: Prof. Dr. Peter Vodosek, Seestraße 89, 70174 Stuttgart; vodosek@ hdm-stuttgart.de Kirchner (1890–1978), Direktor der Freiherrlich Carl von Rothschildschen Bibliothek in Frankfurt am Main, der sich 1933 auf dem Bibliothekartag in Darmstadt ereiferte, »dass noch viel zu wenig verbrannt worden sei« (S. 12, Anm. 63) und schließlich Hugo Andres Krüss (1897–1945), Generaldirektor der Preußischen Staatsbibliothek, der 1933 in den USA kalmierend gegenüber der Presse sagte: »That bookburning in Germany was nothing more than ›an isolated instance to demonstrate public feeling‹« (S. 15). Ein weiterer Beitrag beleuchtet die »Aufarbeitung der NS-Geschichte im deutschen Bibliothekswesen«, auf die Jahrzehnte hindurch zugunsten eines »Kollektiven Schweigens« verzichtet wurde. Freilich nicht im philosophischen Verständnis eines Ludwig Wittgenstein in seinem Tractatus logico-philosophicus: »Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen«. Es darf daran erinnert werden, dass die seit 1985 laufenden Vorbereitungen zu den beiden legendären Wolfenbütteler Tagungen »Bibliotheken während des Nationalsozialismus« von 1988 und 1989, die ein Durchbrechen dieses Schweigens provozieren wollten, für erhebliche Turbulenzen gesorgt haben.2 Dieser Beitrag verdient es auch deshalb hervorgehoben zu werden, weil sein methodischer Ansatz in gewisser Weise innovativ ist. Er untersucht »Narrative« der ersten beiden bibliothekarischen Nachkriegsgenerationen (von denen er die erste als »Erlebnisgeneration« bezeichnet) anhand von Begriffen wie »Inszenierungen«, »Mythologisierungen«, »Tabuisierungen«, »Derealisierungen«, »Politisierungen«, »Modernisierungen« und so weiter. Von dem »apologetischen Distanzierungsnarrativ«, dass »Urgewalten«, quasi eine Naturkatastrophe das deutsche Bibliothekswesen mitgerissen hätten, bis zum zaghaften Anerkennen zumindest einer (Teil) Schuld war es ein weiter Weg. Biografische Studien in Ost und West Die »Ostdeutschen Erinnerungen an braune Zeiten« hingegen wurden in der SBZ und der späteren DDR als »antifaschistischer Diskurs« geführt, vom Autor mit dem Schicksal der Berliner Bibliothekarin Lotte Bergtel(-Schleif, 1903–1965) unterlegt. Was sie erlebte und was sie erduldete, wurde als spezielle Form der Erinnerung in das »kollektive Gedächtnis im Parteiauftrag« aufgenommen. Ebenfalls mit biografischem Bezug widmet sich Babendreier der Schrift Die Bildung des Bibliothekars des Tübinger Bibliotheksdirektors Georg Leyh, hervorgegangen aus dessen Stockholmer Vortrag von 1949, in welcher er der Frage nach dem bibliothekarischen Selbstverständnis nachgeht, eine Schrift, die nahezu zwei Jahrzehnte lang für Diskurse sorgte und eigentlich dafür noch sorgen könnte, wenn …, ja, wenn die Leyhsche Unterscheidung von Bildungswissen und Arbeitswissen noch irgendeine Rolle spielen würde. Bibliothekarisches Gedächtnis verharrt auf der Oberfläche Babendreier versteht sich als »Bibliothekarchäologe«, dessen Aufgabe im Ausgraben und Erinnern besteht, die stets auch eine Gedächtnisreise bedeuten. Diese »ist immer […] auch ein Abstieg in die Tiefe« im Danteschen Sinn. Dem steht das moderne bibliothekarische Gedächtnis gegenüber, das »vorzugsweise auf der (Benutzer-)Oberfläche verharrt« (S. 92). Dass sich beides verbinden ließe und sich gegenseitig ergänzen könnte, hat Babendreier mit zahlreichen Arbeiten zu erwerbungspolitischen Themen in personam bewieBuB | 66 (2014) 10 Magazin Lesesaal || BuB BuB 721 721 721 Neue Fachliteratur sen. Umso ernster muss man nehmen, wenn er sich auf Schopenhauer beruft, der wie viele andere auch Bibliotheken als das »sichere und bleibende Gedächtnis des menschlichen Geschlechts« gerühmt hat. Das einleitende Unterkapitel zum Beitrag »Kollektives Schweigen« überschreibt Babendreier mit »Lethe«. Er formuliert ebenso brillant wie provokativ: »Das Gegenteil von Bibliothek heißt heute Information, ist befallen mit dem Virus des digitalen Vergessens und war früher ein Fluss und nannte sich Lethe« (S. 93). Peter Vodosek Neue Fachliteratur group_public/download.php/13388/rp-192014_ODI.pdf Benutzungsdienste in Bibliotheken: Bestandsund Informationsvermittlung / Wilhelm Hilpert... Berlin (u.a.): De Gruyter Saur, 2014. XIX, 318 Seiten 978-3-11-030144-1 – Hardcover 59,95 Euro. Auch als E-Book erschienen The Personal Librarian: Enhancing the Student Experience. Chicago, IL: American Library Association Publishing / ACRL, 2014. 176 Seiten. 978-0-8389-1239-3 – Softcover USD 58,–. Auch als E-Book erschienen Crawford, Walt: Big-deal serial purchasing: tracking the damage. Chicago, IL: ALA TechSource, 2014. 53 Seiten. (Library Technology Reports: 50; 4) 978-0-8389-5926-8 – Softcover USD 43,–. Auch als E-Book erschienen Schnapp, Jeffrey T.; Battles, Matthew: The library beyond the book. Cambridge, MA: Harvard University Press, 2014. 176 Seiten: zahlreiche Illustrationen. (MetaLABprojects) 9780674725034 – Paperback 21,50 Euro Die Digitale Bibliothek und ihr Recht – ein Stiefkind der Informationsgesellschaft?: Kulturwissenschaftliche Aspekte, technische Hintergründe und rechtliche Herausforderungen des digitalen kulturellen Speichergedächtnisses / Herausgegeben von Oliver Hinte und Eric Steinhauer. Münster: Monsenstein und Vannerdat, 2014. 200 Seiten: Illustrationen und grafische Darstellungen. (MV Wissenschaft) 978-3-95645-161-4 – Paperback 14,40 Euro. Online frei verfügbar unter: http:// kups.ub.uni-koeln.de/id/eprint/5720 Griffey, Jason: 3-D printers for libraries. Chicago, IL: ALA TechSource, 2014. 53 Seiten. (Library Technology Reports: 50; 5) 978-0-83895930-5 – Softcover USD 43, –. Auch als EBook erschienen Handbuch der Bibliotheken 2014: Deutschland, Österreich, Schweiz. Berlin (u.a.): de Gruyter Saur, 2014. XVI, 635 Seiten. (Bibliotheks- und Informationspraxis; 52) 978-3-11033617-7 – fest gebunden 319,- Euro. Auch als E-Book erschienen McDonald, Courtney Greene: Putting the user first: 30 strategies for transforming library services. Chicago, IL: American Library Association Publishing, 2014. 104 Seiten. 978-08389-8732-2 – broschiert USD 30,– 1 Babendreier, Jürgen: Wie finde ich NS-verfolgungsbedingt entzogenes Bibliotheksgut? In: Bibliotheksdienst 35 (2001), S. 1138–1150 2 Die beiden Tagungen sind dokumentiert in: Peter Vodosek und Manfred Komorowski (Hrsg.): Bibliotheken während des Nationalsozialismus. Wiesbaden: Harrassowitz; Teil 1 (1989) und Teil 2 (1992) (Wolfenbütteler Schriften zur Geschichte des Buchwesens; 16). Dazu auch Werner Arnold: Bibliothekare und Bibliotheken im Nationalsozialismus. In: Wissenschaftliche Bibliothekare im Nationalsozialismus. Handlungsspielräume, Kontinuitäten, Deutungsmuster. Wiesbaden: Harrassowitz, 2011 (Wolfenbütteler Schriften zur Geschichte des Buchwesens; 46), S. 13–26 BuB | 66 (2014) 10 Neeser, Ruth: Leistungsmessung einer Spezialbibliothek. Berlin: Institut für Bibliotheksund Informationswissenschaft der HumboldtUniversität zu Berlin, 2014. 83 Seiten: grafische Darstellungen. (Berliner Handreichungen zur Bibliotheks- und Informationswissenschaft; 360) – Online verfügbar unter: http://nbn-re solving.de/urn:nbn:de:kobv:11-100214963 Open discovery initiative: promoting transparency in discovery: A recommended practice of the National Information Standards Organization / Prepared by the Open Discovery Initiative Working Group. Baltimore, MD: National Information Standards Organization (NISO), 2014. VIII, 38 Seiten. – Online frei verfügbar unter: http://www.niso.org/apps/ Steinhauer, Eric: Büchergrüfte: Warum Büchersammeln morbide ist und Lesen gefährlich. Darmstadt: Schneider, 2014. 144 Seiten: Illustrationen. 978-3-650-40021-5 – broschiert 16,95 Euro Stielow, Frederick: Reinventing the library for online-education. Chicago, IL: ALA Editions, 2014. 328 Seiten. 978-0-8389-1208-9 – Paperback USD 77, –. Auch als E-Book erhältlich Teaching Gender with Libraries and Archives: The Power of Information / Edited by Sara de Jong; Sanne Koevoets. Budapest (u.a.): At Gender; Central European University Press, 2013. 179 Seiten. (Teaching with gender: European women’s studies in international and interdisciplinary classrooms; 10) ISBN: 978-6155225-60-4 – broschiert 27,95 Euro. Online verfügbar unter: http://www.atgender.eu/ index.php/initiativesmenu/teachingwgen/ twgvolumes/volume-10-teaching-genderwith-libraries-and-archives The top technologies every librarian needs to know: A LITA guide / Edited by Kenneth J. Varnum. Chicago, IL: ALA TechSource, 2014. 144 Seiten. 978-0-8389-1228-7 – broschiert USD 70,– . Auch als E-Book erhältlich VanHooland, Seth; Verborth, Ruben: Linked data for libraries, archives and museums: How to clean, link and publish your metadata. London: Facet Publishing, 2014. 224 Seiten. 9781-85604-964-1 – broschiert GBP 49,95. Auch als E-Book erschienen Vanscheid, Philipp; Philippi, Sabine: Digitale Rekonstruktionen mittelalterlicher Bibliotheken. Wiesbaden: Reichert, 2014. 155 Seiten: Illustrationen. 9783895009952 – gebunden 49, – Euro Zschau, Gerhard; Jobmann, Peter: Auf dem Weg zur demokratischen Bibliothek: aktuelle Perspektiven, Gefahren und Chancen. Berlin, Freie Universität, Masterarbeit, 2013. – Online unter: http://demokratische-bibliothek. de/ 722 722 722 BuB BuB || Magazin Lesesaal Über einen unbequemen Kolumnisten Ein anderer Blickwinkel Berman, Sanford: Not in My Library!: »Berman´s Bag«; Columns from The Unabashed Librarian, 2000 – 2013. Foreword by Maurice J. Freedman. Jefferson, NC (u.a.): McFarland, 2013. 208 Seiten. 9780-7864-7822-4 – Softcover USD 35,–. Auch als E-Book erhältlich. Anschrift des Rezensenten: Oliver Dienelt, Bibliothek des Instituts für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz, Beethovenstr. 52, D-38106 Braunschweig. E-Mail: [email protected]. Fachliteratur S anford Berman, geboren 1933, war von 1972 bis 1999 Leiter der Katalogisierungsabteilung der Hennepin County Library (Minneapolis, Minnesota). Er war vorher unter anderem von 1962 bis 1966 als Bibliothekar in der US-Armee im Rhein-Main-Gebiet tätig. Berman studierte Politische Wissenschaften, Englisch und Anthropologie und erwarb dann einen MSLS. Im Newsletter »The Unabashed [unerschrocken, unverfroren] Librarian« verfasste er zahlreiche Beiträge und hielt dabei mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg. Seine sehr deutlichen Meinungsäußerungen kosteten ihn 1999 seinen Job. Der Verfasser des Vorworts sagt über ihn: »He also has been a pain in the ass«. Das kann vielleicht als Lob verstanden werden, denn Berman setzte sich mit großem Nachdruck und viel Ausdauer immer für eine umfangreichere Sach- als auch Formalkatalogisierung ein und schlug der Library of Congress in unzähligen Briefen (seiner Meinung nach) neue oder bessere Subject-Headings vor, oft mit Belegen aus Wikipedia oder Google, bemängelnd, dass etliche Schlagwörter nicht zutreffend seien, sich der Sprachgebrauch geändert habe oder einen Sachverhalt schlichtweg falsch beschrieben und dadurch Bücher nicht gefunden würden. Oft erhielt er keine Antwort, und seine Vorschläge wurden selten übernommen. Einer seiner weiteren Kritikpunkte bezüglich Büchern ist das Fehlen von Registern beziehungsweise das Vorhandensein schlechter Register. Dieser Mangel hat einen schlechteren Zugang zum Inhalt eines Buches zur Folge als auch einen Zeitverlust beim Lesen. Das Thema »Zugang verschaffen« liegt ihm sehr am Herzen. Er würde Mahnoder Verzugsgebühren abschaffen, weil diese für manche Benutzer ein finanzielles Hindernis darstellen können. Diese Gebühren, vermutet er, werden auch erhoben, um für die jeweilige Stadtkasse Geld zu generieren. Berman spricht sich stark für ein Bereitstellen von Büchern aus, die in einer Bibliothek nicht unbedingt von allen gern gesehen werden, für die es aber Nachfrage gibt (zum Beispiel Erotic Graphic Novels). Seine Position ist die, dass gerade »schräge« und außergewöhnliche Literatur angeboten werden muss und kritisiert, dass (Öffentliche) Bibliotheken zu sehr Mainstream-Literatur wie »Harry Potter« anbieten. Äußerst kritisch sieht er die von Bibliotheken veranstalteten Bücherflohmärkte, durch die er manches Buch verschwinden sieht – wobei er nichts gegen das Wegge- ben von wirklich beschädigten und unbrauchbaren Büchern hat. Die politisch linke Position, aus der Berman die Welt sieht, wird unschwer deutlich. An zwei Stellen im Buch beruft er sich auf Rosa Luxemburg und ihre Äußerung, dass einem Andersdenkenden selbstverständlich Freiheit für dessen Meinung einzuräumen sei. Dass Bibliotheksarbeit auch politische Arbeit bedeutet, machte Berman durch Briefe an seinen Kongressabgeordneten und auch an Präsident Obama klar, wenn er dort mehr Engagement für Krisenregionen wie zum Beispiel Darfour fordert. Er unterstreicht, dass ein Schlagwort wie »Armenian Massacres« nicht das gleiche wie »Armenian Genocide« aussagt. Dass politische Rücksichten eine Umbenennung bisher verhinderten, ist Berman ein Dorn im Auge. Es ist nicht überraschend, dass er für einen Whistleblower wie Bradley Manning Unterstützung fordert, weil er selbst für große Offenheit und freie Meinungsäußerung, auch am Arbeitsplatz, eintritt. Es ist leicht vorstellbar, dass dieser Ansatz für einigen Gegenwind in seinem privaten und beruflichen Leben sorgte. Warum kann dieses Buch von Interesse sein? Es ist der völlig ungewohnte andere Blickwinkel und es ist die Vehemenz, mit der er die Position vertritt, dass Bibliotheken und Bibliothekare den Leser, Benutzer, Kunden mit allem Gewünschten versorgen und mit hoher Bereitschaft und Offenheit begegnen sollten. Ob die von Berman vorgelebte große Konfliktbereitschaft immer nützlich ist und ob man seinen Einsatz als Vorbild nehmen sollte, das muss jeder für sich entscheiden. Sie ist immerhin etwas, worüber man nachdenken kann, weil Bescheidenheit und Zurückhaltung oft ebenfalls nicht hilfreich sind. Mehrere der älteren Beiträge hinsichtlich »undercataloging« sind wohl überholt, da mittlerweile durch die Anreicherung der Kataloge durch Inhaltsverzeichnisse, Coverabbildungen, Discovery Systeme und verschiedene Klassifikationen (LoC, Basisklassifi kation, RVK) und Inhaltsangaben vieles besser geworden ist. Man kann an Bermans Buch gut erkennen, dass Bibliotheken und ihre Angestellten stark im gesellschaftlichen Kontext eingebettet sind und dass dienstlich und privat ein Eintreten für abweichende Meinungen nicht einfach ist. Das Buch bietet ein hervorragendes Register, dessen Ersteller namentlich erwähnt wird. Das ist eine Seltenheit in der Welt der Buchhersteller. Oliver Dienelt BuB | 66 (2014) 10 Aus dem Berufsverband | BuB 723 723 723 Aus den Landesgruppen Aus den Landesgruppen Saarland: Open Access und Urheberrecht Er ist jung, motiviert und dynamisch; er promoviert und publiziert mit viel Elan, muss Lehraufträge stemmen und Projekte erfolgreich durchführen und hat einen ungeheuren Bedarf an Aufklärung über mögliche Publikationsformen, Urheberrecht und Sichtbarmachung seiner Forschungsleistung. Und diese Aufklärung erhofft sich der Jungwissenschaftler nun von der Bibliothekarin seines Vertrauens. So beschrieb Eric Wetzlaff in seinem Vortrag über »Open Access und Urheberrechte als proaktive Bibliotheksdienstleistungen« den neuen Typ Bibliothekskunden, mit dem besonders die wissenschaftlichen Einrichtungen immer mehr zu tun haben. Zu diesem hatte das INM – Leibniz-Institut für neue Materialien in Kooperation mit der BIB-Landesgruppe Saarland im Juli alle Interessierten aus Bibliothek und Wissenschaft geladen. Die Organisatorin Elke Bubel, leitende Bibliothekarin am INM und Vorsitzende des BIB-Landesverbandes Saarland, hatte mit Eric Retzlaff einen ausgewiesenen Experten zum Thema Urheberrecht und Digitale Literatur gefunden. Der Referent ließ außer Zweifel, dass bei dem immens angestiegenen Beratungsbedarf seitens der Nutzer was digitales Publizieren und die Neuerungen im Urheberrecht angeht, die Dienstleistungen der Bibliotheken dahingehend ausgebaut werden müssen; zusätzlich zu dem Angebot zur Informationskompetenz. In der Fortbildungsveranstaltung referierte Retzlaff über die Gründe und Argumentation für Open Access, seine wirtschaftliche Perspektive und das Thema Open Access als Förderkriterium der EU. Ein weiterer Schwerpunkt war die Neuregelung des Urheberrechts in Deutschland. Dabei ging es unter anderem auch um die öffentliche Zugänglichmachung für Unterricht und Forschung (§52a) und Wiedergabe von Werken auf elektronischen Leseplätzen in öffentlichen Bibliotheken (§52b). Außerdem berichtete der Leiter der Bibliothek des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) über die Beratungsmöglichkeiten in Bibliotheken und die sogenannten »Cost of Knowledge«. Zu der Veranstaltung fanden sich 30 Interessierte aus dem saarländischen Bibliothekswesen als auch Wissenschaftler aus Forschung und Universität im INM an der Universität des Saarlandes ein. Nach dem spannenden und sehr lehrreichen Vortrag konnten Teilnehmer beim anschließenden Umtrunk das eben Gehörte eruieren und vertiefen. Katrin Lück (Europa-Institut / Bibliothek, Europäisches Dokumentationszentrum), Landesgruppe Saarland »Unshelved« by Gene Ambaum & Bill Barnes (www.unshelved.com) BuB | 66 (2014) 10 Mitglieder Neue Mitglieder Änderungen ` abgedruckt mit Erlaubnis der Overdue Media LLC 724 724 724 BuB | Aus dem Berufsverband Mitglieder VorgeMERKT Giftschränke adé? Das sollte man doch eigentlich annehmen. Als mein erstes Grundpraktikum im Studium mich 1987 in eine Bibliothek der ersten Stufe in einer mittelrheinischen Stadt führte, wurde ich jedoch schnell einer tresorartigen Einrichtung gewahr, die sich Giftschrank nannte. Und Sie können sich vorstellen, dass mein Interesse geweckt war, zu entdecken, welche Bücherschätze sich darin verbergen sollten. Anais Nin, Henri Miller und Charles Bukowski. Hmmm, wer ist das denn? Ich war schon ein wenig erstaunt, dass man auch einen in der eigenen Stadt geborenen Schriftsteller (wenn Sie nun den Geburtsort von Bukowski ermitteln, wissen Sie durch welche bibliothekarische Schule ich gegangen bin) in den Giftschrank verbannte. Das wäre ja so, wie wenn Düsseldorf den Heine verbannen würde. Vielleicht habe ich in meinem jugendlichen Leichtsinn aber auch verkannt, dass die Sache mit der sekretierten Literatur im Grunde genommen der Sicherung für die Zukunft und weniger dem Jugendschutz diente. Auch heute ließen sich die Giftschränke noch füllen, widersprechen würde dies jedoch dem allgemeinen freiheitlichen und demokratischen Geiste und dem Anspruch nach Open Access. »Na, Charlotte Roche, da hast Du aber noch mal Glück gehabt.« Aber nicht in allen Ländern dieser Erde besteht ein freier Zugang zur Literatur. In zahlreichen Staaten wird im Entstehungsprozess schon Zensur geübt und dies wirkt natürlich in die Zusammensetzung der Bibliotheksbestände hinein. Und so war es auch nicht wirklich verwunderlich, in diesem Jahr wieder einmal von den »schwulen Pinguinen« zu lesen, dieses Mal ging es jedoch nicht um die Bestände in US-Bibliotheken, sondern um Bibliotheken im fernöstlichen Singapur. Mit der Begründung, solche Bücher seien nicht alterskonform und widersprächen der offiziellen Familienpolitik, sollen die Bücher aus den Bibibliotheksbeständen entfernt werden. Das war für mich schon ein wenig verwunderlich, wurde 2013 doch noch eine zukunftsorientierte IFLA in Singapur durchgeführt. A propos IFLA – schauen wir mal nach Frankreich. Auch dort war zu lesen »Ein Gender-Gespenst geht um«, fordern dort doch katholische und muslimische Extremisten Bücher, die ihren moralischen Vorstellungen nicht entsprechen aus den Kinderbibliotheken zu verbannen. Solch eine restriktive und bornierte Vorgehensweise will ich nicht nachvollziehen und es freut mich einmal mehr in einem freiheitlich demokratischen Staat zu leben, wo es mir doch vollkommen egal ist, ob zwei schwule Pinguine ihr gemeinsames Glück finden, mal ganz davon abgesehen, dass dieses wunderschöne Bilderbuch auch in meiner privaten Büchersammlung zu finden ist, selbstverständlich in korrekter systematischer Nachbarschaft zu den erstklassigen Ralf-König-Comics. Und ich will hoffen, dass dieser offene Umgang mit Literatur und Weltbildern auch noch weiterhin Bestandteil unserer multikulturellen Gesellschaft bleibt. Und dass nicht eines Tages Alice Schwarzer und Castaneda sich im Giftschrank wieder finden oder gar nicht mehr in Bibliotheksbeständen vorkommen. Frank Merken (Stadtbücherei Wipperfürth), Vorsitzender Landesgruppe Nordrhein-Westfalen Mitglieder des BIB werden gebeten, alle Änderungen ihrer personenbezogenen Angaben, insbesondere des Namens, der Anschrift und der Beitragsgruppe, nicht dem Verlag von BuB, sondern der Geschäftsstelle des BIB mitzuteilen: BIB-Geschäftsstelle Postfach 13 24 72703 Reutlingen Telefon 0 71 21/34 91-0 Telefax 0 71 21/34 91 34 [email protected] Impressum »Aus dem Berufsverband« Herausgeber: BIB . Berufsverband Information Bibliothek e.V., Postfach 13 24 72703 Reutlingen www.bib-info.de Redaktion: Katrin Lück Europa-Institut / Bibliothek Universität des Saarlandes Postfach 15 11 50 66041 Saarbrücken Telefon 06 81/302-25 43 [email protected] Redaktionsschluss für Verbandsmitteilungen BuB Heft 01/2015: 7. November BuB | 66 (2014) 10 BuB | Summary Are Scholars Socially Competent? A Critical Look at Scholarly Communication in the Digital Age: Impact Factor Vs. Social Technology (Björn Brembs) (pp. 694–696) Social reading in the academic world? Negative! says neurobiologist Björn Brembs. The successful young scientist from Regensburg bemoans the lack of any kind of social technology in scientific writing. In his opinion this is a dangerous development that urgently needs to be corrected. In this article he elaborates on a number of problems facing academic communication today. Depending upon the subject field, four or more search engines must be used in order to guarantee sufficient coverage of a discipline’s relevant literature (in his field of neurobiology this involves Google Scholar, PubMed, Scopus and Web of Science). Although hyperlinks were first introduced in 1968 at Stanford University, they have not yet found their way into our written publications fifty years later. We continue to send journal publishers images of curves, graphs and diagrams, although they only need our data and several commands to create them. This would also allow, incidentally, the referees and then the readers to take note of other aspects of the data than those selected by the authors. We continue to be expected to make radical changes before re-submitting articles which have been declined by one journal, because each publisher would like to have the article in a different format. Only now are journal publishers beginning to use a technology which every student has been employing on his or her website since the 1990s: counters for the number of visitors. But this technology is only about 20, not already 50 years old. Publishers continue to block access – actively and purely in interest of profits – to modern research methodology, such as content mining. Although online stores such as amazon have been making suggestions of products which are related to previously purchased products for over a decade, a comparable technology is only available to a limited extent – usually as a pilot project – for scholarly articles. There are no academic rating systems. The much cited »impact factor« is about as scientific as divining rods or pendulum dowsing. BuB | 66 (2014) 10 Summary Lesesaal || BuB BuB From the »Learning Library« to User-Centered Learning / Practical Experiences from the Library for Social Sciences and East European Studies at the Freie Universität in Berlin (Gabriele Leschke) (pp. 710–712) At the core of the traditional form of user education is the teaching librarian who passes on his or her expertise in lectures (Teaching Library). At best, participants will have a chance to inculcate this knowledge with a few exercises. The so-called »Learning Library« has been developed as an alternative model in which participants must become active themselves. They become acquainted with the library and its resources using practice exercises and then present their results to the rest of the group. The role of the librarian is merely the initiator and moderator of the learning process, acting as a learning partner who can support the learning process while also learning how the users interact with the library’s offerings. Despite the positive trend toward activation and integration of the participants, the »Learning Library« is still not a pedagogical method that is systematically directed to individualized learning. In her report, Gabriele Leschke elaborates how the Library for Social Sciences and East European Studies at the Freie Universität in Berlin has made use of free web-based tools to develop a user-oriented training program. »Unlike the ›Learning Library‹, which is limited to arousing ›curiosity and doubt‹, we want to continue to facilitate knowledge and have consciously retained the term ›user training‹ for these events. What we no longer have, however, is the instructional attitude of traditional classes in which the user is only allowed to play the role of recipient. In our system the participants remain active during the entire session. By using attractive web-based tools their attentiveness to the information being convey is higher. Responsibility for the quality of the training results lies exclusively with the participants.« 725 725 De-acquisition of Non-Fiction Using Portfolio Analysis / Practical Suggestions for Using a Complex Instrument from the Traunstein City Library (Tanja Fecht) (pp. 717–719) While non-fiction portfolio analysis has been the subject of controversial discussions in recent issues of BuB, it has now been successfully implemented at the City Library of Traunstein as an aid for extensive de-acquisition of the non-fiction collections. In this article Tanja Fecht elaborates on the advantages of portfolio analysis and demonstrates its benefits. In times of smaller budgets, the reduction of unused collections is an important step toward creating room for other investments and developing new offerings which contribute to the sustainability of public libraries. For this reason the Traunstein City Library decided in 2013 to have its non-fiction sections analyzed as part of a student’s bachelor thesis. The goal of the project was to reduce the collection over a period of five years from 13,500 to 10,000 items and invest the newly available funds in other areas, such as the expansion of services to children and young adults. Along with an extensive and index-based de-acquisition, a general optimization of the collection was to play just as central a role as the local parameters: items which are of particular interest to the core target groups of the Traunstein library were give more weight by expanding the index formulas. Hence, primary attention was given not to a pure collection reduction, but also to the benefits which users will gain from a well-managed, attractive collection. This expanded form of portfolio analysis for the non-fiction collections took into account the current situation and gave a prognosis – with reference to the index values of past years – of probable future developments. After considering the library’s mission statement, recommendations for action in the subject areas studied were developed and, in terms of collection reduction and optimization, a benchmark value for items to be discarded was prepared. Translated by Martha Baker 726 726 BuB BuB || Résumé Lesesaal Résumé | BuB Les scientifiques savent-ils communiquer?/ Les facteurs d’impact en lieu et place des technologies de réseaux sociaux: Un aperçu critique sur la communication scientifique à l’heure numérique (Björn Brembs) (pp. 694–696) De la »learning library« à l’apprentissage élaboré en fonction des usagers / Une étude professionnelle de la Bibliothèque de sciences sociales et d’étude d’Europe orientale à la Freie Universität de Berlin (Gabriele Leschke) (pp. 710–712) Désherbage dans le domaine des ouvrages pratiques à l’aide de l’analyse Portfolio / Quelques conseils de la bibliothèque municipale de Traunstein pour le maniement d’un instrument complexe (Tanja Fecht) (pp. 717–719) A la question »quelle place pour les réseaux sociaux dans les sciences?«, le neurobiologiste Björn Brembs répond »néant!«. Ce brillant et jeune scientifique de Regensburg déplore l’absence des technologies numériques dans la littérature scientifique. Selon lui, c’est là une évolution dangereuse qui doit faire l’objet d’une rapide correction. Dans cette contribution, il fait d’ailleurs part des nombreuses faiblesses de la communication scientifique contemporaine. Ainsi, et selon le domaine, ce sont au minimum quatre moteurs de recherche qui doivent être employés pour permettre de couvrir la totalité d’un champ bibliographique. Pour ce qui concerne la neurobiologie, à titre d’exemple, il cite l’emploi de Google Scholar, PubMed, Scopus et Web of Science. Bien que le fonctionnement des hyperliens ait été présenté pour la première fois dès 1968 par l’Université Stanford, ceux-ci n’ont pas pénétré, dans leur principe, la littérature scientifique. Lorsque les maisons d’édition expriment le besoin de données et de recommandations pour la production de diagrammes, les auteurs adressent aux revues graphiques et illustrations. Incidemment, cela conduit à ce que les évaluateurs tout autant que les lecteurs, par la suite, aient à juger de données dont la présentation avait été voulue différemment par les auteurs. Le souhait des revues scientifiques de présenter les articles sous une autre forme que celle soumise par les auteurs entraîne la réécriture radicale de tout ou partie des articles. Ce n’est que depuis peu que quelquesunes de ces revues exploitent une technologie dont chaque étudiant dans les années 1990 était pourtant familier pour la tenue d’un site Internet: le compteur permettant d’estimer le nombre d’accès [au contenu]. Il n’en demeure pas moins que cette technologie n’a qu’une vingtaine d’années, fort peu en comparaison des hyperliens quinquagénaires. Motivées par la cupidité, les maisons d’éditions bloquent activement l’accès aux méthodes de recherche contemporaine comme le »Content-Mining«. Bien que des commerces en ligne du type d’Amazon proposent depuis plus d’une décennie des produits liés aux produits déjà achetés par le client, il ne se trouve que dans des cadres très resserrés – principalement des projets pilote – des technologies comparables pour les articles scientifiques. Il n’existe aucune possibilité scientifique d’évaluation. Les facteurs d’impact auxquels il est si souvent fait référence sont approximativement aussi scientifiques que la radiesthésie ou l’usage du pendule. Le bibliothécaire qui apporte son expertise se trouve au cœur de la forme traditionnelle de la formation des usagers (c’est la forme dite de »teaching library«). Au mieux, les participants à la formation ont l’opportunité de mémoriser ce savoir en s’exerçant. Le contre-modèle de cette démarche s’impose dans le concept de »learning library«, selon lequel les participants prennent une part active à l’apprentissage de ce que sont la bibliothèque et ses ressources par des cahiers pédagogiques préalablement élaborés. Le bibliothécaire en charge de la formation se borne à initier et coordonner le processus d’apprentissage. Sa mission se définit en tant que partenaire soutenant les participants dans leur découverte et qui apprend d’eux de quelle manière ils appréhendent les offres de la bibliothèque. Malgré les développements positifs de la capitalisation et d’une plus forte inclusion des participants à la formation, la »learning library« n’est toujours pas un concept de formation, prenant comme base l’apprentissage individuel des utilisateurs. Dans le compte-rendu qu’elle dresse, Gabriele Leschke présente la manière selon laquelle la Bibliothèque de sciences sociales et d’études d’Europe orientale de la Freie Universität de Berlin est parvenue à développer ce modèle fondé sur l’usager grâce à l’utilisation d’outils numériques gratuits: »Différemment à la ›learning library‹ qui se limite à susciter la curiosité et le doute, nous souhaitons partager la connaissance et intitulons volontairement notre enseignement ›apprentissage de l’usager‹. Ce que nous abandonnons au profit de l’apprentissage centré sur l’usager, c’est le geste de l’enseignant dans l’enseignement traditionnel, qui place l’usager dans un rôle passif. Dans le cadre de notre méthode, tous les participants sont actifs au cours de l’apprentissage. Par l’introduction d’outils Internet séduisants, leur attention pour les informations données s’en voit accrue. En ce qui concerne la qualité des résultats obtenus, la responsabilité en revient pleinement aux participants.« Alors que l’analyse dite »Portfolio« des ouvrages pratiques a été à maintes reprises un sujet à controverse dans les précédents numéros de BuB, elle a été introduite entre temps avec succès à la bibliothèque municipale de Traunstein comme outil d’accompagnement d’un vaste désherbage des collections spécialisées. Dans son article, Tanja Fecht souligne les avantages de l’analyse »Portfolio« pour des projets de ce type et expose la manière dont elle s’en est servie. La diminution de fonds documentaires non utilisés constitue une étape importante pour disposer d’espaces supplémentaires destinés à d’autres projets et pour contribuer à l’introduction d’une nouvelle offre de services au sein de la bibliothèque publique. C’est la raison pour laquelle la bibliothèque municipale de Traunstein a décidé de procéder à l’étude de ses fonds spécialisés dans le cadre d’un mémoire de bachelor. L’objectif de ce projet était de ramener les collections de 13 500 unités documentaires à 10 000 et de consacrer l’espace ainsi gagné à la création d’une offre destinée aux enfants et aux adolescents. Conjointement à un vaste désherbage bâti sur la base de ratios, certains aspects de l’optimisation des collections, comme par exemple le cadre général de l’opération, doivent avoir tout autant un rôle central: les collections qui présentent un intérêt particulier pour des groupes de lecteurs de la bibliothèque sont tout particulièrement évalués, c’està-dire qu’elles font l’objet de propositions formulées indépendamment de l’ambition de réduction des collections. Globalement, en toile de fond, ce n’est pas la seule refonte des collections qui prévaut mais bien plus l’usage et l’usager avec une volonté de parvenir à des collections davantage en adéquation et mieux conservées. L’analyse des collections »Portfolio« pour les collections spécialisées a permis de considérer la situation actuelle des fonds et d’estimer, en respectant les ratios des années passées, l’évolution probable. En considération de ce qu’est la bibliothèque, et en prenant en compte des groupes-cible d’usagers, des recommandations de bonnes pratiques ont été développées, ce à quoi s’est ajouté, au regard du resserrement et de l’optimisation des collections, l’établissement de valeurs de référence. Traduit par David-Georges Picard BuB | 66 (2014) 10
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