2015-03-31 Schallimmissionsanalyse 230.F[...]

31.03.2015 Whitepaper -­‐ Bürgerinitiative Windrad Jöllenbeck Schallimmissionsanalyse zur geplanten Einrichtung von Konzentrationszonen für Windenergieanlagen (WEA) in Bielefeld Jöllenbeck-­‐West im Rahmen der 230. Änderung des Flächennutzungsplans (FNP), Teilflächen A1, A2 und A4 in Jöllenbeck Vorbemerkung 10 Im Folgenden geht es ausschließlich um die Frage, ob die Aussicht auf Einhaltung der Immissions-­‐
schutzwerte der TA Lärm für die benannten Teilflächen besteht, und zwar auf Basis der anerkannten Regeln DIN ISO 9613-­‐2 und TA Lärm. Im Umweltbericht [2] und Zwischenbericht [1] von Kortemeier und Brokmann Landschaftsarchitekten GmbH wird dieser Punkt im Rahmen der FNP-­‐Änderung nur überschlägig und unzureichend sowie widersprüchlich behandelt. Der Verweis auf nachfolgende Ge-­‐
nehmigungsverfahren kann in dem Kontext nicht ausreichen. Hinzu kommt, 1. dass auf der Teilfläche A1/A2 bereits eine WEA steht, die bei Schallprognosen zusätzlich be-­‐
rücksichtigt werden muss. In der großräumigen FNP Planung mag das untergeordnet sein, wenn es aber dazu führt, dass die ganze Teilfläche in Frage gestellt werden muss, dann ist es nicht vernachlässigbar. 2. dass gutachterlich übliche Sicherheitszuschläge nicht berücksichtigt wurden. Nach dem Windenergie-­‐Erlass NRW ist die Unsicherheit, mit der die Prognosewerte behaftet sind, beim Vergleich mit den Immissionsrichtwerten zu berücksichtigen. 3. dass eine nicht näher spezifizierten Nachtabsenkung dazu führen soll, dass im Zweifel die Werte eingehalten werden, mit Verweis auf ein OVG Urteil von 1999. 4. Eine neue Anlage mit Sicherheit eine höhere Nabenhöhe aufweisen wird als die der Refe-­‐
renzanlage. 20 Zusammenfassung/Ergebnis 30 Wenn man in dem Prognoseverfahren die o.g. Punkte berücksichtigt und die tatsächlichen Daten der bestehenden WEA und einer wahrscheinlichen, zweiten WEA einsetzt, lässt sich eindeutig nachwei-­‐
sen, dass die in [1] und [2] benannten Mindestabstände nicht ausreichen, um die Immissionsschutz-­‐
werte nach TA Lärm einzuhalten, und zwar auch nicht bei Nachtabsenkung mit reduzierter Drehzahl. Insofern stellt sich die Frage, warum die Teilstücke A1/A2 in den FNP als Konzentrationszone aufge-­‐
nommen werden sollten, wenn in einem nachrangigen Genehmigungsverfahren keine Aussicht auf Erteilung besteht. Diese Aussage soll im Folgenden noch begründet werden. Auch für Teilfläche A4 ist die verbleibende Grundfläche zu klein. Anforderungen Die Immissionsrichtwerte sind unstrittig (Tab.1). 1 31.03.2015 Whitepaper -­‐ Bürgerinitiative Windrad Jöllenbeck Tab.1: Immissionsrichtwerte nach TA Lärm Kritisch sind die nächtlichen Werte, daher sollen im Folgenden nur noch diese berücksichtigt werden. Für Wohnung im Außenbereich (Höfe) gilt also 45 dB(A). Für reine Wohngebiete (z.B. Glauchauer Strasse in Jöllenbeck) 35 dB(A). Es gibt Gerichtsurteile, dass für Grundstücke, die direkt am Außenbe-­‐
reich liegen, 40 dB(A) ansetzbar ist. Dies gilt jedoch nicht für die dahinterliegenden Bebauungen im reinen Wohngebiet – das wird im Folgenden zu berücksichtigen sein. Zu prüfen ist also, ob die 300m resp. 500/600m, die sich eigentlich (als Mindestmaß!) aus dem Kriterium der optischen Bedrängung heraus ergaben ([1], S. 20), bestand haben. Aus dem Zwischenbericht [1]: S. 20: Mit Verweis auf die Referenzanlage (Schallleistung 106 dB(A)) ergeben sich folgende Abstände: Die Rechnung ist mit DIN ISO 9613-­‐2 ohne weiteres nachvollziehbar (Nabenhöhe 99m, keine Sicher-­‐
heitszuschläge, s. auch Anlage 2a): Prognose Schallimmission Referenzanlage 99m Turmhöhe Schalldruck [dB(A)] 10 Schallleistung WEA: dB(A)re1pW
106 60 55 50 45 40 35 30 25 20 200 300 400 500 600 700 800 900 1000 1100 1200 1300 1400 1500 Abstand [m] Bild 1: Nachrechnung der im Zwischenbericht, S.21 aufgeführten Werte. 2 31.03.2015 Whitepaper -­‐ Bürgerinitiative Windrad Jöllenbeck Mit Berücksichtigung der Abstandssituation um Teilflächen A1/A2 und A4 zeigt sich schon jetzt, dass ohne Drehzahlabsenkung kein nächtlicher Betrieb möglich ist, da weder der Wert 45 dB(A) in 300m Abstand noch 35 dB(A) in 600m Abstand mit der Referenzanlage einzuhalten ist – wie die Autoren richtigerweise einräumen. Damit ist aber die Aussage im Umweltbericht [2], S. 21 „Aus diesen Schutzansprüchen leiten sich die im Rahmen der Potenzialanalyse berücksichtigten Schutzabstände von 300 m zu Wohnnutzungen im Außenbereich sowie 500 m zu Wohnsiedlungsbereichen ab.“ schlichtweg falsch, zumal der Wert 35 dB(A) für reine Wohngebiete im Umweltbericht nicht einmal erwähnt wird. 10 Es stellt sich nun die Frage, ob die Zielwerte mit Nachtabsenkung erreichbar sind. Hierzu sind jedoch die 4 Kritikpunkte (s.o.) zu berücksichtigen. 1. Berücksichtigung der bereits bestehenden Anlage E-­‐66 Bei 2 oder mehr Schallquellen muss deren Überlagerung am Immissionsort berücksichtigt werden. Das Verfahren hierzu ist bekannt [3]-­‐[5]. Bei 2 gleichen Anlagen führt das etwa zu einer Zunahme von 2-­‐3 dB(A) Schalldruck am Immissionsort. Der Abstand der WEAs zueinan-­‐
der ist relevant, wenn sich dadurch verschiedene Abstände zum Immissionsort ergeben. Um eine negative Beeinflussung der WEA-­‐Standorte untereinander auszuschließen, muss ein Ab-­‐
stand von 300 m untereinander eingehalten werden ([1], [3] S.9 ). Mit einem Radius von 300 m um die bestehende WEA am Bargholz schließen sich damit bereits die meisten Standorte im nördlichen Gebiet der Teilflächen A1/A2 aus. Die verbleibenden Standorte nordöstlich, südlich und westlich von dieser Zone sind immissionsschutzrechtlich kritisch zu untersuchen. 2. Sicherheitszuschläge Nach Empfehlung des LAI [6] müssen bei WEA-­‐Anlagen, von denen noch keine 3 gesicherten Messprotokolle verfügbar sind, 2 dB(A)re1pW Sicherheitszuschlag bei der Schallleistung ad-­‐
diert werden. Für die Referenzanlage bedeutet das 108 dB(A)re1pW1. Für die bestehende An-­‐
lage am Bargholz ist kein Zuschlag erforderlich, da bereits 3 Messprotokolle existieren und ein Wert von 103 dB(A)re1pW bei Nennleistung messtechnisch abgesichert ist. Bodendämpfung: In einem aktuellen Gutachten eines akkreditierten Sachverständigen Büros im Auftrag des LANUV NRW ([7], Nov. 2014, S.7) wurde bestätigt, dass die Prognoserechnung – insbesondere für Abstände größer 500m -­‐ zu geringe Werte liefert, da die Bodendämp-­‐
fung überschätzt wird. Daher ist ein weiterer Sicherheitszuschlag von 1.9 dB(A) anzusetzen. In einer Vergleichsrechnung wird dieser Wert wieder weggelassen, um zu zeigen, dass auch ohne diesen Sicherheitszuschlag die Mindestabstände nicht ausreichen. 3. Nachtabsenkung Realistisch kann man von maximal 4 dB(A)re1pW Reduktion ausgehen [3], dann wird aber die erzeugte elektr. Leistung bereits um 50% reduziert. Das entspricht schon einer jährlichen Er-­‐
trags-­‐Einbuße von mindestens 17% (zzgl. Abschaltungen wg. Fledermausschutz, Sturm und Wartungen…). 4. Wahl der Referenzanlage ENERCON E-­‐101 ([1], S.8 ) Die Auswahl der Referenzanlage ENERCON E-­‐101 mit 99m Nabenhöhe ist für den Standort A1/A2 kaum sinnvoll. Die bereits bestehende WEA ENERCON E-­‐66 am Bargholz hat eine Na-­‐
benhöhe von 98m und arbeitet bereits an der Grenze zur Wirtschaftlichkeit. Wie die Autoren 20 30 40 1
dB(A)re1pW = A-­‐bewerteter Schallleistungspegel mit Bezugsleistung 1 PicoWatt 3 31.03.2015 Whitepaper -­‐ Bürgerinitiative Windrad Jöllenbeck selbst angeben, gibt es lt. DEWI einen Trend zu größeren und effizienteren Rotordurchmes-­‐
sern und damit letztlich auch Turmhöhen, denn die größeren Rotordurchmesser lassen sich aufgrund der Geschwindigkeitsverteilung in der bodennahen Wind-­‐Grenzschicht nur nutzen, wenn auch die Nabenhöhe erhöht wird. Die Autoren selbst geben an, dass die erforderliche Turmhöhe im Rahmen des FNP nicht bewertet werden kann. Insofern ist zur Ermittlung der Schutzabstände und Immissionswirkungen nicht von 99 m sondern 138 m, noch wahrschein-­‐
licher aber von 149 m der ausgewählten Referenzanlage auszugehen. Mit einem Rotor-­‐
durchmesser von 101 m beträgt damit die Gesamthöhe ca. 200 m. Das hat ebenfalls Einfluss auf die Mindestflächengröße, die größer als die auf S.12 angegebene Kreisfläche mit 0,8 ha ist. Bezüglich der Schallimmissionsprognose wird hier davon ausgegangen, dass die Schallleis-­‐
tung gleich bleibt, aber der Emissionsort 50m höher liegt, was u.a. Einfluss auf die Boden-­‐
dämpfung hat. 10 Schallimmissionsprognosen mit Berücksichtigung der o.g. Punkte 1-­‐4 für Teilfläche A1/A2 Bild 2 zeigt die Prognose für 2 Anlagen mit gleichem Abstand zum Immissionsort mit Nachtabsenkung und Sicherheitszuschlägen. Wenn die WEAs in Nord/Süd Richtung positioniert sind, ist der Abstand z.B. zur Glauchauer Strasse etwa gleich (s. Anlage 2b). Für in Nord-­‐ oder Südrichtung liegende Höfe müssen die Abstandswerte separat gerechnet werden. Hier wird der Einfachheit halber darauf ver-­‐
zichtet, da der Fehler nur ca. 1-­‐2 dB ausmacht bei Annahme eines gleichen, mittleren Abstands. 20 Es ist ersichtlich, dass trotz Nachtabsenkung 35 dB(A) erst mit 1000m Abstand erreicht werden, 40 dB(A) mit 690m, 45 dB(A) mit 450m. Bild 2 Schallleistung Nabenhöhe Sicherheitszuschlag dendämpfung Bo-­‐
E-­‐66 E-­‐101 [db(A)re1pW] [m] [dB] 99 98 1,9 106 + 2 – 4 =104 149 1,9 4 31.03.2015 Whitepaper -­‐ Bürgerinitiative Windrad Jöllenbeck Schallimmissionsprognose ohne Berücksichtigung des Sicherheitszuschlags für die Bodendämpfung Selbst ohne Berücksichtigung der Sicherheitszuschläge für die Bodendämpfung ergibt sich 35 dB(A) erst mit 850m Abstand, 40 dB(A) mit 600m, 45 dB(A) mit 380m (Bild 3). Bild 3 Schallleistung Nabenhöhe Sicherheitszuschlag dendämpfung Bo-­‐
E-­‐66 E-­‐101 [db(A)re1pW] [m] [dB] 99 98 0 106 + 2 – 4 =104 149 0 10 Es ist nun anhand von Abstandsmessungen in der topografischen Karte leicht nachzuvollziehen, dass selbst in der optimistischeren Variante ohne Sicherheitszuschlag 1,9 dB und bei geringeren Abstän-­‐
den als 300m der WEAs zueinander, keine Fläche mehr für eine 2. WEA am Standort A1/A2 übrig bleibt. Für Teilfläche A4 (Radius um die Höfe Döpke, Dreekmann und Rosendahl) mit einer WEA ist aus im-­‐
missionsrechtlicher Sicht der Sicherheitszuschlag 1,9 dB entscheidend (45 dB(A) in ca. 400m versus ca. 500m). Bei Nichtberücksichtigung verbleibt eine kleine, denkbare Fläche, die jedoch selbst für die kleinere Referenzanlage als Grundfläche zu klein ist (< 0,8 ha) und direkt am Waldrand liegt. 5 31.03.2015 Whitepaper -­‐ Bürgerinitiative Windrad Jöllenbeck Schon allein aus Schallimmissionsgründen hinsichtlich des Schutzgutes Mensch (Gesundheit) schlie-­‐
ßen sich damit die Teilflächen A1-­‐A4 aus; wenn dann noch artenschutzrechtliche Einschränkungen (Abstände wg. Uhu und Fledermäusen) und Umweltschutz-­‐Einschränkungen (Naturschutzgebiete) hinzukommen, wird die Ausweisung von Konzentrationszonen in diesem Gebiet unsinnig. Die seitens Bundesimmissionsschutzgesetz -­‐ § 50 BImSchG -­‐ definierten Anforderungen an das Ver-­‐
fahren bei der Ausweisung von Flächen für die Windenergienutzung werden -­‐ evtl. sogar bewusst -­‐ verletzt. 6 31.03.2015 Whitepaper -­‐ Bürgerinitiative Windrad Jöllenbeck Anlage 1 Referenzen [1] Kortemeier, Brokmann: „Potentialflächenanalyse Windenergie für die Stadt Bielefeld“, Anlage C.1, Zwischenbericht zum gesamträumlichen Planungskonzept, 24.02.2015 [2] Kortemeier, Brokmann: „Ausweisung von Konzentrationszonen im Stadtgebiet“, Anlage B.3, Um-­‐
weltbericht, 04.02.2015 [3] LUA NRW: Sachinformationen zu Geräuschemissionen und –immissionen von Windenergieanla-­‐
gen http://www.lanuv.nrw.de/geraeusche/sachinformationen.pdf [4] LUA NRW: Windenergieanlagen und Immissionsschutz, Essen, 2002 10 [5] N. Leiner, Plan-­‐Gis GmbH, Geo-­‐Net GmbH, „Schallimmissionsprognose für zwei WEA-­‐Parklayouts im Stadtgebiet Hilden, Kreis Mettmann, NRW“, 03.04.2013 [6] AKGerWEA, Hinweise zum Schallimmissionsschutz bei Windenergieanlagen, 109. Sitzung des LAI am 08./09.03.2005 [7] LANUV NRW: Engelen, Wenzel; Schalltechnischer Bericht der erweiterten Hauptuntersuchung zur messtechnischen Ermittlung der Ausbreitungsbedingungen für die Geräusche von hohen Windener-­‐
gieanlagen zur Nachtzeit und Vergleich der Messergebnissen mit Ausbreitungsberechnungen nach DIN ISO 9613-­‐2, Nov. 2014 http://www.lanuv.nrw.de/geraeusche/pdf/14144611-­‐
2_Erweiterung_Hauptuntersuchung_20141111.pdf 20 [8] R.A. Dietrich,“Ist die DIN ISO 9613-2 zur Durchführung einer Schallprognose für Windenergieanlagen geeignet ?“, Bericht ISBNM-05/W/01-X, Ing.-Büro f. Systemanalyse und Numerische Modellierung, 2005 http://www.wolfgang-neumann-gmm.de/upload/ANLAGE-2.pdf
[9] http://www.zeven.de/v2/uploads/Bauleitplanung/BPlan/B25Hees/Schalltechnisches_Gutachten.pdf 7 31.03.2015 Whitepaper -­‐ Bürgerinitiative Windrad Jöllenbeck Anlage 2a Rechenblatt zu Bild 1 (dient nur als Verfahrensnachweis)
Anlage 2b 8 31.03.2015 Whitepaper -­‐ Bürgerinitiative Windrad Jöllenbeck Anlage 3 Eignung der Beurteilungsnorm DIN ISO 9613-­‐2 Die Norm DIN ISO 9613-­‐2 wird hier nicht in Zweifel gezogen, da es derzeit keine anerkannten Alter-­‐
nativen gibt. Dennoch sei darauf hingewiesen, dass es in Fachkreisen berechtigte Zweifel an der An-­‐
wendbarkeit der Norm für WEA gibt, da u.a. die Voraussetzungen 1. Bodennahe Schallquelle, 2. Punkt-­‐ bzw. kugelförmige Schallquelle mit konstanter Verteilung der Schallabstrahlung an der Oberfläche, 3. Nur Bodennahe Dämpfungseffekte, 10 nicht erfüllt sind. Ferner ist die geschätzte Genauigkeit von +/-­‐ 3dB nur für die mittleren Höhen zwi-­‐
schen Quelle und Empfänger von 5m bis 30m bei einem Abstand zwischen 100 und 1000 m definiert. Die zu erwartenden Werte dürften in der Praxis höher sein [8]. Gestützt wird diese Erwartung auch dadurch, dass die Geräuschimmission der schon bestehenden WEA am Bargholz seinerzeit ebenfalls planerisch unterschätzt wurden und heute zur Belastung der Anwohner führt. 9