Sebastian Schreiter / Springer V Topic • Ovarialkarzinom Zunehmend bieten antiangiogene Substanzen neue Therapieoptionen für Krebspatienten best practice onkologie 2015 • 10 (2): 18-23 DOI 10.1007/s11654-015-0158-9 © Springer-Verlag 2015 Sven Mahner1, Linn Wölber1, Gunhild von Amsberg2, Felix Hilpert3, Klaus Baumann4, Stefan Kommoss5, Nikolaus de Gregorio6, Philipp Harter7, Fabian Trillsch1 Klinik und Poliklinik für Gynäkologie; Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg Klinik für Onkologie, Hämatologie und Knochenmarkstransplantation, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg 3 Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Kiel 4 Universitätsklinikum Gießen u. Marburg GmbH, Klinik für Gynäkologie, Gynäkologische Endokrinologie und Onkologie, Marburg 5 Universitätsklinikum Tübingen, Frauenklinik, Tübingen 6 Universitätsklinikum Ulm, Frauenklinik, Ulm 7 Kliniken Essen-Mitte, Klinik für Gynäkologische Onkologie, Essen 1 2 Aktuelle Studien zum Ovarialkarzinom Zusammenfassung Sowohl für die Primärtherapie als auch die Rezidivsituation des Ovarialkarzinoms wurden in den vergangenen Jahrzehnten Chemotherapeutika mit guter Wirksamkeit zur Verbesserung der Prognose identifiziert. Zur Ergänzung der Chemotherapie werden seit mehreren Jahren weitere interessante Therapieansätze mit zielgerichteten Medikamenten untersucht. Nach der antiangiogenen Substanz Bevacizumab im Dezember 2011 erfolgte nun mit dem Poly-ADP-Ribose-Polymerase(PARP)-Inhibitor Olaparib bereits die zweite Zulassung einer solchen zielgerichteten Substanz für die Therapie des Ovarialkarzinoms. Im folgenden Artikel sollen aktuelle Konzepte positiver Studien mit unterschiedlichen Therapeutika zum Ovarialkarzinom vorgestellt und diskutiert werden. 18 best practice onkologie 2 • 2015 Ovarialkarzinom • Topic Antiangiogene Substanzen Seit über 10 Jahren wird als Standardchemotherapie im Anschluss an die operative Therapie die Kombination von Carboplatin AUC 5 und Paclitaxel 175 mg/m 2 dreiwöchentlich für 6 Zyklen [1][2][3] empfohlen. Obwohl es aufgrund einer japanischen Phase-III-Studie aus dem Jahr 2009 zwischenzeitlich Hinweise auf eine Wirkungsverbesserung durch ein dosisdichtes, dosisintensiviertes Therapieschema, bestehend aus Carboplatin AUC 6 an Tag 1 und Paclitaxel 80 mg/m2 an Tag 1, 8 und 15 dreiwöchentlich, gegeben hatte, konnten diese vielversprechenden Ergebnisse in einer italienischen multizentrischen Phase-III-Studie (MITO-7) an einem kaukasischen Kollektiv nicht bestätigt werden [4][5]. Eine Änderung des bestehenden Therapiestandards blieb somit trotz eines günstigeren Toxizitätsprofi ls in der italienischen Studie aus. Aus diesem Grund wurden in den letzten Jahren zunehmend so genannte, zielgerichtete Substanzen („targeted therapies“) zur Ergänzung der etablierten Chemotherapie untersucht. Hierbei konnten die ersten relevanten Therapieerfolge in Phase-III-Studien mit Substanzen nachgewiesen werden, bei denen die Hemmung der Angiogenese im Vordergrund steht (Tab. 1). Bevacizumab Mit Bevacizumab steht für die Therapie des Ovarialkarzinoms ein monoklonaler VEGF-Antikörper zur Verfügung, der die Bindung an den VEGF-Rezeptor blockiert und somit die Signaltransduktion der Neoangiogenese entscheidend beeinflusst. Der klinische Einsatz dieser Substanz wurde dabei zunächst im Rahmen der Primärtherapie untersucht, zu der mittlerweile die Ergebnisse zweier prospektiv randomisierter Phase-III-Studien vorliegen [6][7]. Dabei zeigte sich eine signifikante Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (PFS) für die Applikation von Bevacizumab parallel zur Chemotherapie mit anschließender dreiwöchentlicher Erhaltungstherapie. In der amerikanischen GOG-218-Studie wurde dabei die Kombination Carboplatin AUC 6 und Paclitaxel 175 mg/m2 dreiwöchentlich mit Bevacizumab 15 mg/kg parallel zur Chemotherapie und als dreiwöchentliche Erhaltungstherapie nach Abschluss der Chemotherapie für insgesamt 15 Monate gegenüber dem StandardArm Carboplatin AUC 6 und Paclitaxel 175 mg/m2 dreiwöchentlich untersucht [7]. Hier zeigte sich eine signifikante Verlängerung des medianen PFS für Patientinnen mit Bevacizumab-Erhaltungstherapie (14,1 vs. 10,3 Monate) bei einer Hazard-Ratio von 0,72 (95%-Konfidenzintervall, 95%-KI: 0,63–0,82). Der in einem dritten Arm untersuchte Einsatz von Bevacizumab während der Chemotherapie ohne Erhaltungstherapie führte mit 11,2 Monaten nur zu einer nichtsignifikanten Verlängerung des PFS. Im Gesamtüberleben (OS, „overall survival“) fand sich mit 43,8 vs. 40,6 Monate ein nichtsignifikanter Vorteil (HR 0,87; 95%-KI: 0,74–1,03) für die Hinzunahme von Bevacizumab. In der zweiten Studie, der AGO-OVAR-11/ICON-7-Studie, wurde die geringere Dosis von 7,5 mg/kg Bevacizumab parallel zur Chemotherapie mit Carboplatin AUC 5 oder 6/Paclitaxel 175 mg/m2 sowie als anschließende Erhaltungstherapie über insgesamt 12 Monate eingesetzt [6]. Auch hier konnte eine signifi kante Verlängerung des PFS im experimentellen Arm (19,3 Monate) im Vergleich zum Standard-Arm (16,9 Monate) beobachtet werden – bei einer Hazard-Ratio von 0,87 (95%-KI: 0,75–0,98; p=0,019). In beiden Studien zeigten sich signifi kant erhöhte Raten an Hypertonie des Grads ≥2 sowie an thrombo- embolischen Ereignissen. Bezüglich gastrointestinaler Perforationen wurden jedoch keine signifi kant unterschiedlichen Toxizitätsraten nachgewiesen [6]. Die Analyse der Lebensqualität ergab, dass die antiangiogene Therapie während der Chemotherapiephase eine gering, aber signifi kant verschlechterte Lebensqualität hervorrief, diese in der anschließenden Erhaltungstherapie jedoch vergleichbar war [7]. Trotz bisher fehlendem Effekt auf das Gesamtüberleben wurde auf Basis der vorliegenden Daten in Deutschland im Dezember 2011 Bevacizumab in Kombination mit Carboplatin und Paclitaxel und als Erhaltungstherapie für insgesamt 15 Monate in der Dosierung 15 mg/kg bei Patientinnen mit primärem Ovarialkarzinom FIGO-Stadium IIIB bis IV zugelassen. Da die Fragen der Patientenselektion, der optimalen Dosierung und der Therapiedauer noch nicht eindeutig geklärt sind, wird von der AGO-Studiengruppe derzeit eine Phase-III-Studie zur verlängerten Erhaltungstherapie mit Bevacizumab durchgeführt (AGO-OVAR 17, Bevacizumab 15 mg/kg für 15 vs. 30 Monate Gesamttherapie). Die Rekrutierungsphase dieser Studie ist beendet, und die Ergebnisse werden hoffentlich in 1–2 Jahren zur Verfügung stehen. Auch für die Situation des platinsensiblen Rezidivs (Rezidiv > 6 Monate nach Abschluss der letzten platinhaltigen Chemotherapie) haben im November 2012 positive Phase-III-Daten (OCEANS-Studie) zur Zulassung von Bevacizumab geführt. In dieser Studie wurde die Hinzunahme von Bevacizumab 15 mg/ m2 zu der Kombination aus Carboplatin AUC 4 und Gemcitabin 1000 mg/m2 an Tag 1 und 8 bis zum Progress untersucht, was zu einer Steigerung des PFS um 4,0 Monate (12,4 Monate vs. 8,4 Monate; HR 0,48; 95%-KI: 0,38–0,60) bei tolerabler Toxizität führte [8], obwohl sich dieser Effekt nicht auf das OS übertragen ließ. Aktuell wird u. a. der Einsatz von Bevacizumab beim platinsensiblen Rezidiv mit alternativen Kombinationspartnern für die Chemotherapie untersucht (AGOOVAR 2.21; Phase-III-Studie zum Vergleich von Carboplatin/ Gemcitabin/Bevacizumab mit Carboplatin/pegyliertes liposomales Doxorubicin (PLD)/Bevacizumab). Durch die positiven Daten einer Phase-III-Studie (AURELIA) zum platinresistenten Rezidiv (Rezidiv <6 Monate nach Abschluss der letzten platinhaltigen Chemotherapie) mit konsekutiver Zulassung kann Bevacizumab mittlerweile in jeder der drei Therapiesituationen eingesetzt werden. Hier wurden 361 Patientinnen mit einem platinresistenten Rezidiv entweder zu einer Monochemotherapie mit Paclitaxel 80 mg/m2 an Tag 1, 8, 15 und 22 vierwöchentlich, Topotecan 4 mg/m2 an Tag 1, 8 und 15 vierwöchentlich (oder 1,25 mg/m2 an Tag 1–5 wöchentlich) oder PLD 40 mg/ m2 an Tag 1 vierwöchentlich allein oder in Kombination mit Bevacizumab 15 mg/kg dreiwöchentlich bis zur Progression randomisiert. Von Seiten der Toxizität fanden sich keine Nebenwirkungen, die über die bereits aus der Primärtherapie bekannten Nebenwirkungen hinausgingen. Es wurde eine Verbesserung des medianen PFS (primäres Studienziel) von 3,4 Monaten (Chemotherapie allein) auf 6,7 Monate (Chemotherapie plus Bevacizumab) erreicht, korrespondierend zu einer HR von 0,48 (95%KI: 0,38–0,60; [9]). Zusätzlich ergab eine prospektiv geplante Auswertung der Lebensqualitätsdaten einen signifikanten Vorteil für die Chemotherapie in Kombination mit Bevacizumab hinsichtlich abdominaler und gastrointestinaler Symptome, was unter palliativen Therapieaspekten beim platinresistenten Ovarialkarzinom besonders hervorzuheben ist. 2 • 2015 best practice onkologie 19 Topic • Ovarialkarzinom Tabelle 1: Studienkonzepte mit anti-angiogenen Therapieansätzen. Darstellung der wichtigsten Informationen zu abgeschlossenen Studien mit anti-angiogenen Substanzen für die unterschiedlichen Therapiesituationen. Studientitel Therapie(Autor) Situation VEGF-Inhibitor Bevacizumab Studiendesign n (Verh.) Ergebnisse PFS median Ergebnisse OS median GOG-218 (Burger et al., 2011) Primär-Therapie 1873 (1:1:1) 14,3 Monate HR 0,72 (95% KI 0,63-0,82; p<0,001) vs. 11,2 Monate HR 0,91 (95% KI, 0,801.04; p=0.16) vs. 10,3 Monate Kein Unterschied nur Patientinnen mit postoperativem Tumorrest AGO-OVAR-11/ ICON-7 (Perren et al., 2011) Primär-Therapie Carboplatin AUC5/6 + Paclitaxel 175mg/m² q3w und Bevacizumab 15mg/kg q3w für 15 Monate vs. Carboplatin AUC5/6 + Paclitaxel 175mg/m² q3w und Bevacizumab 15mg/kg während Chemotherapie vs.Carboplatin AUC5/6 + Paclitaxel 175mg/m² q3w Carboplatin AUC5/6 + Paclitaxel 175mg/m² q3w + Bevacizumab 7,5mg/kg q3w für 15 Monate vs. Carboplatin AUC5/6 + Paclitaxel 175mg/m² q3w 1528 (1:1) 19,3 Monate vs. 16,9 Monate HR 0,87 (95% KI 0,75-0,98; p=0,019) 484 (1:1) 12,4 Monate vs. 8,4 Monate, HR 0,48 (95% KI 0,30-0,61; p<0,001) Kein Unterschied auch Patientinnen mit optimalem OPErgebnis, also makroskopischer Tumorfreheit eingeschlossen Kein Unterschied keine GI-Perforationen unter der Studienmedik., 2 Fälle nach Abschluss der Studientherapie 361 (1:1) 6,7 Monate vs. 3,4 Monate HR 0,48 (95% KI 0,38-0,60; p<0,001) Kein Unterschied GI-Perforation in 2,2% der Fälle 919 (1:1) 7,2 Monate vs. 5,4 Monate HR 0,66 (95% KI 0,57-0,77; p<0,001) Kein Unterschied Eingeschlossene Patientinnen mit platinfreiem Intervall <12 Monate 17,9 Monate vs. 12,3 Monate HR 0,77 (95% KI 0,64-0,91; p=0,002) Daten unreif 17,3 Monate vs. 16,6 Monate HR 0,84 (95% KI 0,72-0,98; p=0,024) Daten unreif OCEANS (Agha- Platin-sensibles janian et al., Rezidiv 2012) Carboplatin AUC 4 + Gemcitabin 1000 mg/m2 d1+8 q3w und Bevacizumab 15mg/kg q3w vs. Carboplatin AUC 4 + Gemcitabin 1000 mg/m2 d1+8 q3w und Placebo q3w AURELIA (Puja- Platin-resistentes/ Standard-Monochemother. (PLD, de-Lauraine et -refraktäres Paclitaxel, Topotecan) + Bevacial. 2014) Rezidiv zumab 15mg/kg q3w vs. Standard-Monochemother. (PLD, Paclitaxel, Topotecan) + Placebo Bemerkungen Tie2-Rezeptor-Antagonist Trebananib TRINOVA-1 (Monk et al. 2014) Rezidiviertes Ovarialkarzinom Paclitaxel 80mg/m² q1w + Trebananib 15 mg/kg q1w vs. Paclitaxel 80mg/m² q1w + Placebo Multikinase-Inhibitoren AGO-OVAR 16 (du Bois et al., 2013)* Primär-Therapie Pazopanib 800mg oral tgl. vs. Pla- 940 (1:1) cebo im Anschluss an die firstline-Chemother. bis 24 Monate AGO-OVAR 12 (du Bois et al., 2013)* Primär-Therapie 911 (2:1) Carboplatin AUC5/6 + Paclitaxel 175mg/m² q3w und Nintedanib 2x200mg oral bis zu 120 Wochen vs. Carboplatin AUC5/6 + Paclitaxel 175mg/m² q3w *bisher nur als Kongresspräsentation vorliegend. Trebananib Einen anderen Mechanismus zur Hemmung der Neoangiogenese verfolgt dagegen die Substanz Trebananib, die die Bindung der Angiopoetine 1 und 2 an den Tie2-Rezeptor negativ beeinflusst. Hierbei liegen für die Rezidivsituation Daten einer positiven Phase-III-Studie vor, in der die Behandlung von Paclitaxel 80 mg/m² Körperoberfläche (KOF) wöchentlich in Kombination mit Trebananib 15 mg/kg Körpergewicht (KG) i.v. wöchentlich oder Placebo verglichen wurde [10]. In diese Studie wurden insgesamt 919 Patientinnen mit rezidiviertem Ovarialkarzinom und einem platinfreien Intervall von <12 Monaten eingeschlossen. Es zeigte sich in der experimentellen Gruppe eine Verbesserung des medianen PFS um 2,8 Monate (7,2 vs. 5,4 Monate; HR 0,66; 95%-KI: 0,57–0,77; <0,001; [10]). Im Vergleich zu Bevacizumab ergab sich ein anderes Nebenwirkungsprofi l, bei dem weniger die hypertensiven und thrombembolischen Ereignisse, sondern vornehmlich Ödeme im Vordergrund stehen. Während eine geplante Studie zum platinsensiblen Ovarialkarzinom-Rezidiv bisher noch nicht initiiert wurde, ist eine 20 best practice onkologie 2 • 2015 reine Erhaltungstherapie nach first line-Chemotherapie ausgeprägte gastrointestinale Nebenwirkungen Studie für die Primärsituation zum Vergleich des chemotherapeutischen Standards aus Carboplatin/Paclitaxel mit einer wöchentlichen Trebananib-Therapie parallel zur Chemotherapie und anschließend als wöchentliche i.v.-Erhaltungstherapie vs. Placebo (AGO-OVAR 18, TRINOVA 3) rekrutiert worden und befi ndet sich aktuell in der Nachbeobachtungsphase. Multikinaseinhibitoren Im Vergleich zu den bisher vorgestellten, primär extrazellulär wirkenden antiangiogenen Substanzen beruht das Wirkprinzip der Multikinaseinhibitoren auf einer intrazellulären Blockade von verschiedenen Signaltransduktionswegen. Pazopanib stellt dabei einen oralen Tyrosinkinaseinhibitor mit Wirkung auf verschiedene Proteinkinasen, wie VEGFR (vaskulärer endothelialer Wachstumsfaktor-Rezeptor, „vascular endothelial growth factor receptor“), PDGFR (PlättchenWachstumsfaktor, „platelet-derived growth factor receptor“) und c-KIT, dar. Durch dieses Medikament werden sowohl antiangiogene als auch antitumorale Wirkungen erzielt, wie es Anzeige vor allem beim Nierenzellkarzinom schon nachgewiesen wurde. In einer placebokontrollierten Phase-III-Studie (AGO OVAR 16) wurde nun für die Primärtherapie des Ovarialkarzinoms die Frage der reinen antiangiogenen Erhaltungstherapie adressiert, bei der Pazopanib vs. Placebo im Anschluss an die Erstlinien-Chemotherapie Carboplatin/Paclitaxel täglich eingenommen wurde. Es zeigte sich eine signifi kante Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (PFS, „progressionfree survival“) um 5,6 Monate für die Patientinnen im Pazopanib-Arm (median 17,9 vs. 12,3 Monate; HR 0,77; 95%-KI: 0,64– 0,91; p=0,002; [11]). Auch wenn eine höhere Rate an Nebenwirkungen in der Pazopanib-Gruppe berücksichtigt werden muss, liefert diese Studie weitere wichtige Erkenntnisse zur zukünftigen Optimierung der medikamentösen Therapie. Die Substanz wird zurzeit auch in einer laufenden Phase-II-Studie der NOGGO (Nord-ostdeutsche Gesellschaft für gynäkologiche Onkologie) für das platinresistente Rezidiv untersucht (TOPAZ: Pazopanib 400 mg/Tag oral vs. Placebo in Kombination mit Topotecan 4 mg/m2 KOF wöchentlich). Der ebenfalls orale, dreifache Angiokinaseinhibitor Nintedanib (BIBF 1120) mit Wirkung auf VEGFR, PDGFR und FGFR (Fibroblasten-Wachstumsfaktor, „fibroblast growth factor receptor“) wies ebenfalls in der Primärsituation einen statistisch signifi kanten Prognosevorteil bzgl. einen Vorteil beim PFS für den experimentellen Arm in einer placebokontrollierten Phase-III-Studie (AGO-OVAR 12) auf [12]. Hierbei wurde Nintedanib 2-mal 200 mg tgl. oder Placebo parallel zur Chemotherapie mit Carboplatin AUC 5 oder 6/Paclitaxel 175 mg/m2 und als Erhaltungstherapie für insgesamt 120 Wochen eingesetzt. Es wurde eine Verlängerung des medianen PFS von 16,6 auf 17,3 Monate (HR 0,84; 95%-KI: 0,72–0,98; p=0,024) beobachtet – dabei war jedoch die Toxizität signifi kant erhöht mit hämatologischen und ausgeprägten gastrointestinalen Nebenwirkungen (Grad ≥3: 22% vs. 2%). Eine Zulassung dieser beiden antiangiogenen Tyrosinkinaseinhibitoren ist derzeit allerdings nicht in Aussicht. PARP-Inhibitoren Ein weiterer, vielversprechender onkologischer Ansatz zur Beeinflussung des Tumorwachstums ist die Therapie mit PARP (Poly(ADP-Ribose)-Polymerase)-Inhibitoren (Tab. 2). Dadurch werden die Reparaturmechanismen der Tumorzellen (homologe Rekombination) negativ beeinflusst, und somit kann das Tumorwachstum eingeschränkt werden. Insbesondere bei Patientinnen mit nachgewiesener BRCA-1/2-Mutation hat sich eine gute Wirksamkeit beim Ovarialkarzinom gezeigt. In einer prospektiv randomisierten Phase-II-Studie zur Erhaltungstherapie mit dem PARP-Inhibitor Olaparib bei Patientinnen mit platinsensiblem Rezidiv eines schlecht differenzierten, serösen Ovarialkarzinoms konnte dieser Effekt bei insgesamt guter Verträglichkeit nachgewiesen werden. Für die Gesamtkohorte der 265 in die Studie eingeschlossenen Patientinnen zeigte sich ein signifikanter Prognosevorteil bzgl. PFS für die Olaparib-Erhaltungstherapie mit 2-mal 400 mg oral von 3,6 Monaten im Vergleich zur Placebogruppe (8,4 vs. 4,8 Monate; HR 0,35; 95%-KI: 0,25–0,49; p<0,001; [13]). Dieser Effekt des PARP-Inhibitors wurde bei einer bereits im Vorfeld geplanten Subgruppenanalyse gemäß dem BRCA-Mutationsstatus umso deutlicher. Hier verlängerte sich das PFS bei den Patientinnen mit nachgewiesener BRCA-Mutation auf 11,2 Monate im Vergleich zu 4,3 Mona- 2 • 2015 best practice onkologie 21 Topic • Ovarialkarzinom Aktuell Leben nach Brustkrebs - auch eine Gewichtsfrage Ob Brustkrebspatentinnen nach einer erfolgreichen Behandlung später an Bluthochdruck, Herzkreislauf-Erkrankungen oder Osteoporose erkranken, hängt entscheidend von Gewicht, Alter und Art der medikamentösen Rückfalltherapie ab. Das hat eine Studie des Bereichs Krebsepidemiologie/Klinisches Krebsregister des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg ergeben. Für die Untersuchungen wurden die Daten von 2542 Brustkrebs-Patientinnen zwischen 50 und 74 Jahren ausgewertet, die an der sogenannten Mammakarzinom-Risikofaktoren-Erhebung (MARIEplus) Nachfolgestudie teilgenommen hatten. Die Patientinnen wurden über ihren Gesundheitszustand vor und nach der Diagnose Brustkrebs befragt. Demographische Informationen, Lifestyle-Faktoren, die Art der medika- ten bei Patientinnen mit BRCA-Wildtyp (HR 0,18; 95%-KI: 0,11– 0,31; p<0,001; [14]). Diese Ergebnisse konnten kürzlich in einer weiteren Phase-II-Studie zum platinsensiblen Rezidiv bestätigt werden, bei der Olaparib zunächst parallel zur Chemotherapie und dann als Erhaltungstherapie 2-mal 400 mg tgl. mit einer Kontrollgruppe verglichen wurde [15]. Auch hier zeigte sich bereits für die Gesamtkohorte ein signifikanter PFS-Vorteil (12,2 vs. 9,6 Monate; HR 0,51; p=0,001), der umso größer bei den BRCA-1/2Mutationsträgerinnen war (medianes PFS nicht erreicht vs. 9,7 Monate; HR 0,21; p=0,002), auch wenn kein signifikanter Überlebensvorteil erzielt wurde [15]. Aktuell befinden sich in Deutschland zwei Phase-III-Studien zum Einsatz von PARP-Inhibitoren beim platinsensiblen Rezidiv in der Rekrutierungs- bzw. Nachbeobachtungsphase. Zum einen wird dabei der PARP-Inhibitor Niraparib für Patientinnen mit schlecht differenziertem Ovarialkarzinom mit oder ohne nachgewiesene BRCA-Mutation (AGO-OVAR 2.22) eingesetzt, zum anderen wurden Patientinnen mit nachgewiesener BRCA-Mutation zur Therapie mit Olaparib in die Studie eingeschlossen (AGO-OVAR 2.23) und nun nachbeobachtet. mentösen Rückfallvorbeugung sowie der Bildungsstatus der Patientinnen wurden ebenso erfasst. Die Ergebnisse, die jetzt in der Fachzeitschrift Journal of Cancer Survivorship veröffentlicht wurden, zeigen, dass es besonders für ältere oder übergewichtige Brustkrebspatentinnen wichtig ist, ihr Gewicht zu reduzieren und sich regelmäßig zu bewegen, denn es zeigte sich, dass Übergewicht die Entstehung von Bluthochdruck und Untergewicht die Osteoporose begünstigt Quelle: Obi, N. et al. (2014). Determinants of newly diagnosed comorbidities among breast cancer survivors, Journal of Cancer Survivorship: Research und Practice DOI 10.1007/s11764-013-0338-y Dennoch erfolgte auf Basis der überzeugenden Phase-II-Daten bereits im Dezember 2014 die Zulassung durch die EMA (Europäische Arzneimittel-Agentur) für Olaparib 2-mal 400 mg als Erhaltungstherapie bei Patientinnen mit platinsensiblem Rezidiv des serösen Ovarialkarzinoms und nachgewiesener BRCA-1/2-Mutation. Somit wird voraussichtlich ab Sommer 2015 erstmals ein Medikament dieser Substanzklasse in Deutschland verfügbar sein. MEK-Inhibitoren Aufbauend auf dem zunehmenden Verständnis der Tumorbiologie des Ovarialkarzinoms mit der Unterscheidung von niedrig differenzierten Karzinomen (meist serös-papilläre Histologie, fast immer p53-Mutationen nachweisbar) und gut differenzierten Karzinomen (langsame Entstehung über Vorläuferläsionen, häufig genetisch stabile Mutationen in ERBB2, KRAS, oder BRAF; [16]), sind zuletzt erstmals prospektive Studien initiiert worden, die sich ausschließlich auf gut differenzierte Karzinome konzentrieren (Tab. 2). Durch die beschriebenen stabilen genetischen Mutationen kommt es im gut differenzierten Ovarialkarzinom zu einer kon- Tabelle 2: Weitere Studienkonzepte mit zielgerichteten Substanzen. Darstellung der wichtigsten Informationen zu abgeschlossenen Studien mit PARP-Inhibitoren und MEK-Inhibitoren für die unterschiedlichen Therapiesituationen. Studientitel Therapie(Autor) Situation PARP-Inhibitor Olaparib Studiendesign n (Verh.) Ergebnisse PFS median Ergebnisse OS median Bemerkungen NCT00753545 Platin-sensibles (Lederman et al. Rezidiv 2012; Lederman et al. 2014) Olaparib 2x 400mg oral tgl. vs. Placebo im Anschluss an die platinhaltige Kombinationschemotherapie 265 (1:1) Kein Unterschied Phase-II- Studie NCT01081951 Platin-sensibles (Oza et al. 2014) Rezidiv Carboplatin AUC 4 + Paclitaxel 162 (1:1) 175mg/m² q3w und Olaparib 2x 200mg oral tgl., nach CTx 2x400mg tgl. vs. Carboplatin AUC6 + Paclitaxel 175mg/m² q3w 8,4 Monate vs. 4,8 Monate HR 0,35 (95% KI 0,25-0,49; p<0,001)(nur Pat.mit BRCA 1/2-Mutation)11,2 Monate vs. 4,2 Monate HR 0,18 (95% KI 0,11-0,31, p<0.001 12,2 Monate vs. 9,6 Monate HR 0,51 (95% KI 0,34-0,77; p=0,001) (nur Pat.mit BRCA 1/2-Mutation) medianes PFS nicht erreicht vs. 9,7 Monate HR 0,21 (95% KI 0,08–0,55; p=0,002) objektive Ansprechrate:15%, stable disease: 65%, medianes PFS: 11,0 Monate medianes OS noch nicht erreicht Kein Unterschied Phase-II- Studie, open-lable MEK-Inhibitor beim gut-differenzierten Ovarialkarzinom NCT00551070 (Farley et al. 2013) Rezidiviertes Ovarialkarzinom Selumetinib 2x50mg oral tgl. 22 best practice onkologie 2 • 2015 52 Phase-II-Studie, single arm, openlable Ovarialkarzinom • Topic tinuierlichen Aktivierung des MAP-Kinase-Signalwegs, der schließlich die Zellproliferation fördert und damit das Tumorwachstum begünstigt. Diese Tumoren wachsen zwar insgesamt sehr langsam, sprechen jedoch äußerst schlecht auf eine Chemotherapie an. Daher wurde von Farley et al. in einer prospektiven, einarmigen Phase-II-Studie mit dem selektiven Inhibitor der MAP-Kinasen MEK1/2 (Selumetinib) eine alternative Substanz getestet, die zu einem insgesamt ermutigenden Therapieansprechen geführt hat [17]. In einem Kollektiv von 52 Patientinnen mit rezidiviertem Ovarialkarzinom und ausgesprochen umfangreichen Vortherapien (mehr als die Hälfte der Patientinnen mit 3 oder mehr vorangegangenen Chemotherapien) zeigte sich bei 15% der Patientinnen ein objektives Therapieansprechen und eine Stabilisierung der Erkrankung bei weiteren 65% [17]. Dosisreduktionen waren zwar bei 42% der Patientinnen notwendig, jedoch kann das Nebenwirkungsprofi l noch nicht abschließend beurteilt werden, sodass weitere Studien zur Evaluation dieser sehr interessanten Substanz notwendig sind [18]. In Deutschland wurde daher kürzlich eine Phase-III-Studie (AGO 2.24, MILO) gestartet, in der Selumetinib im Vergleich zur Chemotherapie der Wahl des behandelnden Arztes bei Patientinnen mit Rezidiv eines gut differenziertes Ovarialkarzinoms untersucht wird. Fazit für die Praxis • Zielgerichtete Substanzen stehen aktuell im Fokus der klinischen Forschung zur Verbesserung der Therapie des Ovarialkarzinoms. • Für verschiedene antiangiogen wirksame Substanzen ist ein Wirkungsnachweis erbracht, das Prinzip der Antiangiogenese ist beim Ovarialkarzinom effektiv. • Mit dem monoklonalen VEGF-Antikörper Bevacizumab wurde erstmals eine zielgerichtete Substanz für die Therapie des Ovarialkarzinoms zugelassen. • Mittlerweile konnte auch die Effektivität der PARP-Inhibitoren bestätigt werden, mit der Zulassung von Olaparib als Erhaltungstherapie bei platinsensiblem Rezidiv von Patientinnen mit BRCA-1/2-Mutation ist ein weiterer Schritt zur Optimierung und Individualisierung der Therapie des Ovarialkarzinoms erfolgt. • Zukünftige Studien werden sich vermehrt auf Patientenselektion sowie Optimierung der Tolerabilität konzentrieren, um die Therapiesituation weiter zu verbessern. • Der Einsatz von MEK-Inhibitoren beim gut differenzierten serösen Ovarialkarzinom kann einen weiteren Beitrag hin zu einer tumorbiologisch basierten, individualisierten Krebstherapie liefern. 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Trillsch geben an, dass die Autoren finanzielle Förderung wissenschaftlicher Projekte sowie klinischer Studien, Honorare für Vorträge oder Beratungstätigkeit durch folgende Firmen erhalten haben : AstraZeneca, GlaxoSmithKline, Janssen-Cilag, Lilly, MEDAC Oncology, PharmaMar, Roche, Tesaro. 2 • 2015 best practice onkologie 23
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