Glöckchen ohne Schnee 20. Jahrgang Nr. 3/2015 EVP: 1 Euro Nur ein (wieder einmal) zu warmer Winter, oder ist das schon der Klimawandel? Die Schneeglöckchen im Redaktionsgarten reckten zwar pünktlich im Februar ihre weißen Köpfchen gen Himmel, allerdings können sie in diesem Jahr ihrem Namen keine „Ehre“ machen. Dennoch ist nicht ausgeschlossen, dass es im kommenden Jahr schon wieder ganz anders aussehen kann. Oder es kommt gar zu Ostern Anfang April noch einmal eine Kältewelle mit Schnee und Eis. Foto: Nachtmann Die Bürgerzeitung aus Marzahn-Hellersdorf Früh übt sich Inhalt Künstler-Serie in jot w.d.: Viele Leser werden sich an Sänger und Musiker ihrer Jugendzeit in der DDR erinnern. jot w.d. berichtet, was aus ihnen geworden ist. Heute: Eine anlassbezogene Sonderfolge zu Reiner Süß und Holger Biege. Seite 3 Endlich Wahrheit: In der Debatte um die Entwicklungen in Marzahn NordWest wurde jot w.d. oft kritisiert. Nun stützt eine Dissertation aus Paris unsere Auffassungen nicht nur, sie verstärkt sie sogar. Seite 4 Neue Devotionalien: Zur „Arndt-Bause-Gala“ brachte Tochter Inka wieder etwas für die „Heimatstube“ im FFM mit. Auch jot w.d. freut sich darüber. Seite 8 Hässliche Babies: Der Titel könnte abschrekken, doch im Martin-Gropius-Bau ist eine Ausstellung zu sehen, die hoffentlich noch lange nachwirken wird. Von den Fotos der chinesischen Künstlerin Liu Xia zeigt sich jot w.d. auch deshalb begeistert, weil wir uns für die Freilassung ihres Mannes Liu Xiaobo einsetzen. Seite 9 Noch stehen die Jüngsten der „Talentschule“ für Rhythmische Sportgymnastik des VfL Fortuna Marzahn nicht zur Wahl als „Sportler des Jahres“, sie umrahmten aber die diesjährige Veranstaltung. Und vielleicht steht das eine oder andere der Mädchen schon in wenigen Jahren selbst auf der „Ehrentribüne“ dieser Auszeichnung. Siehe Seite 10. Foto: Schuchert Liebe Leser, schon mehrfach wurden die „großen“ Preußenkönige gefeiert und nachgelobt. Seit gut 250 Jahren gelten sie in Deutschland in vielen, nicht allen, Dingen als vorbildlich. Selbst in der Endzeit der DDR wurde der „Alte Fritz“ auf einen Schild gehoben, der sicher nicht nur mir damals wie heute ein Kopfschütteln abringt. Dennoch: In der Flüchtlingsfrage könnte das fritzische Preußen durchaus als Vorbild dienen, insbesondere Jenen (wie etwa dem Flüchtlingsnachfahren Thomas de Maiziere), die sich als „Law and Order-Hardliner“ aufführen. Gemeint ist beispielsweise die Aufnahme der calvinistischen Hugenotten aus (dem plötzlich katholisch gewordenen) Frankreich. Allzugern wird der Satz „Bei mir kann jeder nach seiner Fasson selig werden“ überliefert; tatsächlich ging es aber viel mehr um „dringend benötigte Zuwanderung von Fachkräften“, die die preußischen Herrscher mit der Übertragung von Von Preußen lernen Landbesitz, temporärer Steuerbefreiung und verminderten Naturalabgaben „förderten“. Übersetzt in die Jetztzeit hieße das: Den Leuten Jobs geben, dass sie den Steuerzahlern nicht „auf der Tasche liegen“, den Jungen Ausbildung geben, dass sie möglichst bald ihr Leben ohne staatliche Zuwendung bestreiten können, die Alten und Kranken wenigstens soweit menschenwürdig behandeln, dass die noch nicht „sozial und finanziell Angekommenen“ eine tatsächliche Entlastung spüren. Und allen „Ehrlichen“ eine Zukunft im Lande zusichern. In Wirklichkeit geschieht nichts dergleichen. Dem hohlen Pathos von den „fehlenden Fachkräften“ und der „dringend benötigten Zuwanderung“ stehen Lager-Unterbringungen der Flüchtlinge entgegen, die den „Nissenhütten“ Bay- erns der späten 40-er und 50-er Jahre kaum nachstehen. Erst machen Schlepper, Betrüger, Vergewaltiger und Mörder in den Flucht- und Transitländern ihr Geschäft mit den „Verdammten“, dann machen es im reichen Deutschland schmierige Heimbetreiber mit ekligen Einpferchungen. Auch ein weiterer historischer Vergleich lohnt: Wer es als Flüchtling vor dem NS-Regime nach Amerika schaffte (nicht einmal jeder Achte!), dem standen dort alle Türen offen. Nicht solche von Sozialgeld, sondern die des „amerikanischen Traums“: Nimm dein Leben in die Hand und mach was draus. Ja, das haben nicht alle geschafft. Aber man hatte ihnen zumindest die Chance gegeben. Ehe Sie sich nun aber womöglich im Streit über hilflose „Gutmenschen“ und die Lügen der deutschen politischen Führer entzweien, wünsche ich Ihnen erst einmal viel Spaß mit dieser 223. Ausgabe von jot w.d. Ihr Ralf Nachtmann 2 jot w.d. 3/2015 Bilder und Nachrichten des Monats Eine Zeitung ist kein Buch und jot w.d. kein 80-seitiges teures Magazin mit viel bunter Werbung drin. Deshalb ist es am Ende eines jeden Monats wieder so, dass Ereignisse, über die zu berichten wünschenswert ist, keinen Platz mehr finden. Einige dieser Momente haben wir im Bild festgehalten und wollen unseren Im Vergangenen Neuland finden Längst verdiente Ehre Lesern so zumindest Nachricht geben. Egal, ob es sich dabei um den „Großkopfeten“ handelt, dessen Engagement genauso zu würdigen ist, wie das des „Unbekannten aus der Nachbarschaft“. Und dabei sollen auch die „kleinen Dinge“ nicht vergessen werden, denn sie erst machen das Leben vollkommen. Red. MenschenLeben – Lebenswerke Neue Ausstellung im Bezirksmuseum Marzahn – Die gleichnamige Sonderausstellung mit MarzahnHellersdorfer Porträts wird am 29. März, 14 Uhr, im Haus 1 des Bezirksmuseums, Alt-Marzahn 51, eröffnet. Porträtiert werden 60 Personen, die seit dem 16. Jahrhundert in den Ortsteilen unseres Bezirkes gelebt und gewirkt haben. Sie waren Künstler und Schriftsteller, Handwerker und Unternehmer, Lehrer und Pfarrer, Erfinder, Gutsbesitzer. Darunter sind so bekannte Namen wie Franz Carl Achard, Heinrich Grüber, Gerhard Behrendt, Charlotte von Mahlsdorf, (Foto: Nachtmann) Karl und Julius Bausdorf, Ingeborg Meyer-Rey und Kurt Schwaen. In der Ausstellung sind auch zahlreiche persönliche Objekte, häufig Leihgaben von Nachfahren, zu sehen. Die Ausstellung ist bis zum 1. November zu sehen. I.D. Wissenschaftlerinnen sollen auf Straßenschilder Am 25. Februar (nach Redaktionsschluss) stellte der von Christa Hübner und Wolfgang Brauer geführte Heimatverein seine Pläne für das laufende Jahr vor, u.a. Exkursionen, Tag der Regionalgeschichte. Mehr dazu in der nächsten Ausgabe. Foto: Nachtmann Marzahn – Die künftig entstehenden Straßen im Clean Tech Business Park sollen nach dem Willen der BVV die Namen hoch geachteter Wissenschaftlerinnen erhalten. Eine entsprechende Liste hatte die AG Straßenbenennung bereits am 15. Januar beraten und ver- abschiedet. Diesem Votum schloss sich der Gleichstellungsausschuss einstimmig an. Vorgesehen sind derzeit Clara Immerwahr-Haber, Marie Wreschner, Cäcilie Fröhlich, Gertrud Kornfeld und Marga Faulstich. Letztere erfand u.a. das Leichtgewichtsbrillenglas SF 64. Aboschein Ja, ich möchte Die Bürgerzeitung aus Marzahn-Hellersdorf jeden Monat erhalten und abonniere die Zeitung zum Jahrespreis von 12 Euro incl. Zustellung, (außerhalb des PLZ-Bereiches 126** 24 Euro) Das Abonnement gilt für ein Jahr und verlängert sich automatisch um ein weiteres Jahr, wenn ich nicht spätestens zwei Wochen nach Erhalt der 12. Ausgabe schriftlich gegenüber dem jot w.d.-Herausgeber kündige. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung. Den fälligen Betrag überweise ich innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt der Rechnung. Mit meiner Unterschrift nehme ich zur Kenntnis, dass ich meine Bestellung ohne Angabe von Gründen innerhalb von 10 Tagen bei der Bestelladresse schriftlich widerrufen kann (rechtzeitige Absendung genügt). Bitte liefern Sie an folgende Adresse: Name:................................................................................... Straße:.................................................................................. PLZ, Ort:............................................................................... Telefon:................................................................................. Datum:.................. Aktuell Unterschrift:..................................... Ausschneiden und per Post an: jot w.d., Müllerstr. 45, 12623 Berlin oder per Fax: 56 20 173 email-Bestellung unter: [email protected] Kaulsdorf – Kulturstaatssekretär Tim Renner heftete am 10. Februar im Auftrag von Bundespräsident Joachim Gauck „unserem“ Komponisten Prof. Lothar Voigtländer das „Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland“ (Bundesverdienstkreuz) ans Revers. „Prof. Lothar Voigtländer hat sich insbesondere auf dem Gebiet der zeitgenössischen Komposition große Verdienste erworben“, lobte Renner den Ausgezeichneten. „Sein Werk umfasst beeindruckende Orchester-, Orgel- und Chorwerke sowie Kammermusiken. Dieses künstlerische Schaffen wurde mit zahlreichen nationalen und internationalen Preisen geehrt.“ Darüber hinaus würdigte der Staatssekretär Voigtländers Wirken als „Initiator diverser künstlerischer und kulturpolitischer Vorhaben“ sowie dessen Engagement für das zeitgenössische Komponieren. Mehr über den Komponisten, der auch Vorsitzender des Berliner sowie Präsident des Deutschen Komponistenverbandes war, können Interessierte in Ausgabe 10/ 2013 erfahren, in der jot w.d. dem Kaulsdorfer umfänglich zu seinem 70. Geburtstag gratulierte. Ralf Nachtmann Foto: Landesarchiv Berlin, Thomas Platow jot w.d. entsteht in gemeinnütziger, ehrenamtlicher Arbeit als Bürgerzeitung für Biesdorf, Hellersdorf, Kaulsdorf, Mahlsdorf und Marzahn. Redakteure und Mitarbeiter erhalten dafür kein Entgelt. Die Redaktion freut sich über Ihre Spenden für die Herausgabe dieser Zeitung genauso wie über Ihre Kritiken, Anregungen, Informationen, Briefe, Artikel, Fotos ... So erreichen Sie die Redaktion: Post: jot w.d., Müllerstraße 45, 12623 Berlin Tel.: 56 58 70 99, email: [email protected] Im Internet unter www.jotwede-online.de Anzeigenberatung: 0179-6987186 Abo-Verwaltung: Bernd Preußer, Tel. 56 20 173 Spendenkonto IBAN: DE80 1007 0024 0496 6222 00 Vom Finanzamt anerkannte Spendenquittungen werden auf Wunsch ausgestellt und zugesandt. Die nächste Ausgabe von jot w.d. erscheint am 2. April 2015 Redaktionsschluss: 24. März 2015, Anzeigenschluss: 26. März 2015 IMPRESSUM jot. w. d. Die Bürgerzeitung aus Marzahn-Hellersdorf Herausgeber: Verein zur Unterstützung öffentlicher Diskussion am nordöstlichen Stadtrand e. V. Anerkannt gemeinnützige Körperschaft Müllerstraße 45, 12623 Berlin, Telefon: 56 58 70 99, Email: [email protected] Redaktion: Ingeborg Dittmann, Ulrich Clauder, Ralf Nachtmann (Leitung, Gestaltung und Produktion) Ständige Autoren: L. Schuchert, H. Sandow, H. Stehling, D. Neidigk Anzeigenleitung: Ralf Nachtmann, Tel. 0179-6987186, Abo-Verwaltung: Bernd Preußer, Tel. 56 20 173 Druck: BVZ, www.berliner-zeitungsdruck.de Erscheinungsweise: monatlich; Verkaufspreis 1 Euro; Abo-Preis: 1 Euro, Rechtsanspruch auf Belieferung haben nur Abonnenten Nächste öffentliche Redaktionssitzung: voraussichtlich Freitag, 20. März, Ort und Zeit bitte telefonisch erfragen Die Redaktion behält sich das Bearbeiten von Beiträgen vor. Keine Haftung für eingesandte Beiträge und Fotos. Namentlich gezeichnete Beiträge stimmen nicht in jedem Falle mit der Meinung der Redaktion überein. Vereins- und Spendenkonto: IBAN: DE80 1007 0024 0496 6222 00 Leute jot w.d. 3/2015 Für die Freiheit von Kunst und Bürger In memoriam Christoph Ehbets Können Sie sich noch an die legendäre „schwarze Jazz-Reihe“ von Amiga erinnern? Ein echter Jazz-Fan, der hat die guten Stükke aus den 1970-er Jahren garantiert noch in seinem Besitz. Richtig, die mit dem für die Reihe stilprägenden orangefarbenen J in der rechten oberen Ecke. Porträtiert waren auf den Hüllen die großen alten Männer des Jazz, wie Count Basie oder Jack Teagarden. Gestaltet wurden diese kultigen Platten-Cover vom Köpenicker Künstler Christoph Ehbets. Dieser wäre Anfang des Jahres 80 Jahre alt geworden – Anlass für die ortsansässige Galerie Grünstraße an diesen vielseitigen, streitbaren Künstler und engagierten Lokalpatrioten mit der Ausstellung „In memoriam Christoph Ehbets“ zu erinnern. Ausgestellt wird Exemplarisches aus seinem reichhaltigen Schaffen. Christoph Ehbets gehörte zu den bekannten Künstlern in der DDR. Das Spektrum seines Werkes ist ebenso groß wie facettenreich: Gebrauchsgrafik, wie Plattenhüllen, Filmund Theater-Plakate, Theater-Programmhefte, Kataloge, BuchUmschläge und -Illustrationen, Fernsehgrafik, aber auch Fassadengestaltung und nicht zuletzt freie Arbeiten wie Zeichnungen, Collagen, Offset-Lithografien, Malerei, Fotografie gehören dazu . Seine erste Plattenhülle entwarf Ehbets übrigens 1960 für die Weber-Oper „Der Freischütz“ des DDRPlattenlabels Eterna. Wer noch Venyl-Platten aus DDR-Zeiten sein eigen nennt, findet mit Sicherheit genreübergreifend auf vielen Rückseiten den Namen von Christoph Ehbets als Designer. Geboren in Rüdersdorf bei Berlin wuchs Ehbets in Berlin Friedrichshagen auf. Von 1955 bis 1959 studierte er an der Meisterschule für Graphik und Buchgewerbe in Berlin-Friedenau. Ab 1959 war er freischaffend tätig – bis zu seinem Tod in Berlin-Köpenick. Neben der Gebrauchsgraphik und Typographie war Ehbets ein begnadeter Zeichner. Auf Papier, in Unmengen von Skizzenbüchern und auf flexiblen Metallfolien, den Offset-Lithographien, verewigte er seine Sicht auf das Gegenüber. Landschaften finden sich ebenso häufig wie Zeichnungen und Gemälde von Freunden, Gesprächspartnern, Passanten. Auch in der Malerei blieb er anfänglich diesen Motiven treu. Zunehmend lösten sich jedoch die Formen auf. Seine Arbeiten wurden abstrakter. Ein Motiv aber griff Ehbets immer wieder auf: den Blick aus seinem Wohnzimmerfenster in Alt-Köpenick auf den Köpenicker Frauentog – eine von Bäumen gesäumte Flusslandschaft. In seinem Heimatbezirk ist Christoph Ehbets vielen in Erinnerung geblieben – dank seines vehementen Engagements in der Kulturpolitik und im Bereich der Altstadtsanierung. Etliche Kunst-Ausstellungen im Köpenicker Schloss (Fritz Cremer, Arno Mohr, Gabriele Mucchi) und in der Galerie des Kulturbundes Köpenick wurden auch von ihm mit vorbereitet und kuratiert. Bereits seit Anfang der 70-er Jahre war er einbezogen in die stadtplanerische Konzeptentwicklung im Rahmen der geplanten Altstadtsanierung in Köpenick und konnte die allerschlimmsten Abrissfantasien und Neubausünden mit verhindern. Seine Tochter Miriam Ehbets erinnerte zur Vernissage mit folgenden Worten an ihren Vater: „Er war ein kulturpolitisch Umtriebiger. Er gab sich nicht zufrieden mit lieblosen, abstrakten Entscheidungen aus Amtsstuben. Er setzte sich vehement ein für seine künstlerischen und politischen Überzeugungen. Dabei versteckte er sich nicht hinter diplomatischen Floskeln, um der Obrigkeit genehm zu sein. Ohne Rücksicht auf etwaige Konsequenzen. Seine geradezu anarchistische Kompromisslosigkeit, seinen Drang zur äußeren und inneren Freiheit findet man wieder in seinen Arbeiten, besonders in seiner Malerei!“ Die Wende 1989 brachte Christoph Ehbets nicht nur Reise- und Meinungsfreiheit. Er musste erleben, wie ganze Berufsgruppen unter den Bildenden Künstlern abgewickelt wurden. Weil er nicht arbeitslos oder aufs Altenteil geschoben werden wollte, setzte er im Herbst 1992 seinem Leben ein Ende. Dagmar Neidigk Links: Christoph Ehbets um 1990 in seinem Atelier. Foto: privat 3 Musiklegenden des Ostens – jot w.d.-Serie, Teil 124 In der Juli-Ausgabe 2004 begannen wir, Künstler vorzustellen, die in der Jugendzeit vieler unserer Leser – also in den 50er, 60er, 70er und 80er Jahren – Schlagzeilen machten. Wie ist es den Publi- kumslieblingen von einst ergangen? jot w.d. traf viele von ihnen. Wir setzen unsere Serie in dieser Ausgabe mit zwei Sonderbeiträgen über Reiner Süß und den Sänger Holger Biege fort. Reiner Süß / Holger Biege Da liegt Musike drin / Hilfe für Holger In der April-Ausgabe 2005 und der Juli-Ausgabe 2009 porträtierten wir zwei Musiklegenden, auf die wir aus aktuellem Anlass heute zurückkommen wollen: Kammersänger Reiner Süß sowie den Sänger und Komponisten Holger Biege. „Er steht mit 75 noch immer auf der Bühne“ überschrieben wir unseren Artikel im April vor zehn Jahren. Und es ist nur ein reichliches Jahr her - im November 2013 – da hieß es in einem Artikel „Süß und Sauer auf einer Bühne“. Reiner Süß und Peter Wieland (Sauer) zelebrierten im Mahlsdorfer Theodor-Fliedner-Heim einen unterhaltsamen Nachmittag mit viel Musik und launigen Geschichten über ihr Leben. Sein damals letzter Titel „Time To Say Good Bye” ist nun real geworden. Am 29. Januar, kurz vor seinem 85. Geburtstag am 2. Februar, starb Kammersänger Reiner Süß in einem Seniorenheim im Mecklenburgischen Friedland. Die Nachricht kam mit fast drei Wochen Verspätung in die Medien, von denen nur einige wenige mit einer Randspalte Kenntnis vom Tod einer der bekanntesten Künstlerpersönlichkeiten der DDR nahmen. Den Mahlsdorfer (seit 1961 wohnte er in der Pilgramer Straße) kannten hierzulande auch jene, die nicht in die Oper gingen. Moderierte Süß doch zwischen 1969 und 1985 die beliebte TV-Sendung „Da liegt Musike drin“ und war in vielen anderen Unterhaltungsshows des DDRFernsehens präsent. Sein Bühnendebüt hatte der Leipziger und einstige Thomaner bereits 1956 gegeben. Später erfolgten Engagements am Theater und an der Staatsoper Unter den Linden. Er feierte Erfolge u. a. an den Opernhäusern in Wien und Paris. Nach der Wende wagte der Bassbuffo, der 1990 der SPD beigetreten war, sogar einen Ausflug in die Politik – so saß er als Abgeordneter im Berliner Parlament. In dieser Serie erschienen bisher: Brigitte Ahrens, Rosemarie Ambé, Julia Axen, Franz Bar tzsch, Arndt Bause, Olaf Berger, BERLUC, Hans-Jürgen Beyer, Hansi Biebl, Holger Biege, Dieter Birr, Helga Brauer, Uschi Brüning, Ralf Bursy, Gerd Christian, City, Tamara Danz, Kurt Demmler, Stefan Diestelmann, Dieter Dornig, Walter Eichenberg, Har tmut Eichler, electra, Engerling, IC Falkenberg, Ina-Maria Federowski, Günther Fischer, Veronika Fischer, Franke-Echo-Quintett, Dagmar Frederic, Maja Catrin Fritsche, Arnold Fritzsch, Fred Frohberg, Dorit Gäbler, Rainer Garden, Günter Geißler, Gitte & Klaus, Günter Gollasch, Peter Gotthardt, Heinz-Jürgen Gott- Seit mehr als 50 Jahren in Mahlsdorf Süd zu Hause, begegneten wir dem Kammersänger häufig auch „gleich um die Ecke“, ob im Café am Hultschiner Damm, im Supermarkt oder beim Auftanken seines kleinen Autos an der Tankstelle. Er gehörte zu unserem Kiez einfach dazu. Nicht nur auf der Bühne, auch hier im Kiez wird er fehlen. *** Er ist einer der ganz Großen der deutschen Rock- und Popmusik – der Sänger, Pianist und Komponist Holger Biege. Doch in den bunten Blättern taucht der gebürtige Greifswalder, der 1983 in den Westen übersiedelte, nach der Wende nach Berlin zurück kam und seit 1998 in Niedersachsen lebt, so gut wie nie auf. Er ist eben „Leiser als laut“, so auch das Motto seiner 1994 erschienenen CD. „Treffender kann man es in dieser Verknappung kaum fassen – das, was den 56-jährigen Ausnahmemusiker beschreiben könnte“, schrieb ich in Reichtum der Welt morgen noch / Oder ist vieles davon schon hin / Die Luft, die uns erst leben lässt / Hüllt den Erdball ein / Soll für alle, die nach uns kommen / Sie schon vergiftet sein … Gehört der Reichtum der Welt allen schon / Oder bleibt vielen nicht viel versagt?“ (Text Fred Gertz). Eine meiner ersten persönlichen Begegnungen mit Holger ist jetzt genau 40 Jahre her. Ich weiß noch, wie ich ihn damals von zu Hause, ich glaube, aus der Linienstraße, abholte und zur Veranstaltung unserer nl-Preisverleihung für die besten Interpreten des Landes brachte. In den vergangenen Jahren gab es nur wenige Begegnungen, etwa bei Konzerten. Und nun dieser Hilferuf von Cordelia, seiner Frau. So erfuhr ich, wie viele andere sicherlich auch, erst jetzt von seinem schweren Schlaganfall im Sommer 2012. „Es geht langsam auf den Frühling zu und wir haben es leider immer noch nicht geschafft, Holgers Wunsch zu erfüllen“, schreibt sie. Damit Holger, der im Rollstuhl sitzt, wieder mobil wird, braucht er ein für Rollstuhl und Laderampe geeignetes Auto. 20 000 Euro kostet das. Etwa 68 Prozent der Summe kamen bisher zusammen. Deshalb der verzweifelte Spendenaufruf von Holgers Frau. „Meine Hoffnung, ihm wieder etwas Lebensgefühl zu geben, schwindet. Dabei kämpft Holger so, arbeitet so hart an sich, um wieder auf die Beine zu kommen“, sagt sie. Für alle, die einen Beitrag dafür leisten wollen, hier das Spendenkonto: Mobil mit Behinderung e.V., KarlsruheBank für Sozialwirtschaft, IBAN: DE41 6602 0500 0008 71 13 00, Kennwort: Holger. Spendenquittungen werden ausgestellt (email: [email protected]). Ingeborg Dittmann meinem Beitrag über Holger in der Juli-Ausgabe 2009 an dieser Stelle. Und erinnerte an Biege-Songs aus den 70-er und 80-er Jahren, die noch heute Bestand haben und zum Teil aktueller sind als je. Etwa „Sagte mal ein Dichter“ oder sein „Reichtum der Welt“: Gibt es den Abb.: Einer der letzten Auftritte von Kammersänger Reiner Süß am 26. Oktober 2013 in Mahlsdorf; Holger Biege 2006 im Musikantenklub im Prenzlauer Berg. Fotos: Dittmann, Nachtmann schalk, Ingo Graf, Mary Halfkath, Hans die Geige, Michael Hansen, Monika Hauff/Klaus-Dieter Henkler, Monika Herz, Jörg Hindemith, Ruth Hohmann, Andreas Holm & Thomas Lück, Lutz Jahoda, Dieter Janik, Uwe Jensen, Erhard Juza, Karat, Karussell, Barbara Kellerbauer, Britt Kersten, Jürgen Kerth, Herbert Klein, Helmut Kluwe, Zsuzsa Koncz, Jiri Korn, Henry Kotowski & Die Sputniks, Horst Krüger, Thomas Kurzhals, Aurora Lacasa, Reinhard Lakomy, Anke Lautenbach, Klaus Lenz, Lift, Wolfgang Lippert, Angelika Mann, Gisela May, Achim Mentzel, Sandra Mo & Jan Gregor, Gerti Möller, Gruppe MTS, Gaby Munk & Ingo Krähmer, Gerd Natschinski, Thomas Natschinski, Roland Neudert, Omega, Peter Paulick, Ines Paulke, Jenny Petra, Eva Maria Pieckert, Die Prinzen, Die Puhdys, James W. Pulley, Thomas Putensen, Ingrid Raack, Brigitte Rabald-Koll, Reform, Gaby Rückert, SANDOW, Christian Schafrik, Fred Schmidt, Sonja Schmidt, Vera Schneidenbach, Frank Schöbel, Christel Schulze, Har tmut Schulze-Gerlach, Sonja Siewert & Herbert Klein, Silly, Sven Simon & Pallas Band, Reiner Süß, Dina Straat, Theo-Schumann-Combo, Tina, Regina Thoss, TRANSIT, Christiane Ufholz, Siegfried Uhlenbrock, Helena Vondráckova, Bärbel Wachholz, Jürgen Walter, Arnulf Wenning, Peter Wieland, Harald Wilk, Alfons Wonneberg, Pascal von Wroblewsky, Petra Zieger, Wolfgang Ziegler. 4 jot w.d. 3/2015 Großsiedlung Zweites Verschwinden eines Dorfs Versteckte Orte im Bezirk – Teil 4: Hellwichstorp Orte wie die Gärten der Welt, die Helle Mitte, das Unfallkrankenhaus oder auch der Helene-Weigel-Platz kennen vermutlich die meisten im Bezirk Wohnenden, auch über die Bezirksgrenzen hinaus wird häufig darüber berichtet. Daneben gibt es aber versteckte oder vergessene Orte, die selbst jenen Marzahn-Hellersdorfern unbekannt sind, die ihrem Heimatbezirk über viele Jahre hinweg die Treue hielten. Am U-Bahnhof Cottbusser Platz gibt es einen Tunnel. Einmal zur vielbefahrenen Hellersdorfer Straße, zum anderen den auf einen freien hügeligen Platz führenden Südausgang. Die in die umliegenden Plattenbauten hastenden Passagiere gehen an diesem Platze achtlos an einem Ursprung des Bezirkes Marzahn-Hellersdorf vorbei. Marzahn, Kaulsdorf und Biesdorf haben mit ihren Kirchen einen weithin sichtbaren historischen Dorfmittelpunkt. Selbst die grässlich vom Gewerbegebiet ummauerte alte Kirche zu Mahlsdorf ist für historisch Interessierte immer noch präsent, Die „KIrchenstele“ wurde bereits mehrfach beschmiert, alle Reinigungsversuche (siehe Bild rechts) waren umsonst. Fotos: Clauder gerade durch den missglückten Stadtumbau der letzten Jahre an dieser Stelle. Allein in Hellwichstorp, das im Landbuch des böhmisch-deutschen Kaisers Karl IV im Jahre 1375 erstmals erwähnt wurde, hat der verheerende Dreißigjährige Krieg dafür gesorgt, dass außer Grundmauern von Kirche und Wohnbauten nichts blieb. Eine der vielen, nur auf genauen Karten vermerkten Wüstungen war aus dem heute namensgebenden Hellersdorf geworden, bevor die Archäologen in den achtziger Jahren beim Bau der Großsiedlung für kurze Zeit das untergegangene Dörflein wieder erweckten. Die erste und bis kurz vor der Wende einzige Hellersdorfer Kirche war ganze 16 Meter lang und 10 Meter breit, rundherum standen Lehmhütten der Bauern. Das Bodendenkmal wurde für mehr als eine halbe Million Euro im Jahr 2006 mit Mitteln aus dem Stadtumbau-Programm durch Edelstahlstelen markiert, die Stufen auf dem Gehweg erhielten Metallschilder mit den historischen Schreibweisen des Dorfes. Die mit Ätztechnik auf den Stelen aufgebrachten Informationen beleuchteten die Geschichte des Ortes. Die soeben verwendete Vergangenheitsform soll sagen: Das Dörflein ist im Begriff, erneut zu verschwinden. Die Vandalen sind diesmal nicht schwedische oder andere fremde Söldner wie im Mittelalter, sondern kommen wohl aus unmittelbarer Nachbarschaft. Wenig einfallsreiche Graffiti-Schmierereien machen die Texte und Bilder auf den Stelen trotz angeblich aufgebrachter Schutzschicht weitgehend unleserlich, Zivilisationsmüll verdreckt und verdeckt die Spuren der Ausgrabungen. Das ganze beschämt den Besucher aus der hiesigen Großsiedlung. Ich war dabei gedanklich weniger von der Historie berührt als ratlos ob der Gegenwart. Was kann man gegen diese Kul- turlosigkeit tun, die alle Stigmata der Medien über „Plattenburgen“ bedient? Die hiesige Linkspartei beantragte im Dezember in der BVV eine bessere Beleuchtung des vorbeiführenden Weges, um die gefühlte Sicherheit bei seiner Benutzung zu verbessern. Wer sorgt für die Erleuchtung dumpfer Seelen, die uns hier verunsichern? Sind es solche Typen, die bei anderer Gelegenheit die abendländische Kultur bewahren wollen? Hier gibt es dafür ein recht praktisches Betätigungsfeld: Das Säubern eines fast vergessenen Denkmals. Ulrich Clauder Erhellender Kennerblick aus Frankreich Doktorarbeit über Marzahn als Buch erschienen – Es sollte sehr zu denken geben Marzahn – Knapp drei Jahre hat Cécile Cuny aus Frankreich bis 2006 in der Flämingstraße gelebt und ihre Forschungsstudien in allen Einrichtungen und Gruppierungen der Sozial- und Gemeinwesenarbeit betrieben. „Teilnehmende Beobachtung“ hieß ihre Methode, der sie auch im damaligen Bewohnerbeirat treu blieb, obwohl die junge Wissenschaftlerin, die noch keine 30 war, nahezu beflügelnde Wirkung auf die älteren Herrschaften hatte. Nun ist ihre Doktor-Arbeit (eine ethnografische Studie mit dem Titel: „Changement urbain et démocratie participative à Berlin – Etnographie du grand ensemble de Marzahn“, die sowohl in Paris als auch Berlin mit sehr gut bewertet wurde) als 340seitiges Buch in der Édition de la Maison des sciences de l’homme in Paris erschienen. Nomen est omen, sagten die Lateiner. In diesem Sinn weist schon der Titel auf die Absicht hin, soziologische Prozesse in der Großsiedlung achtungsvoll zu analysieren, die Theorie-Praxis-Verhältnisse realistisch darzustellen und eine praktikable Hilfe zu geben, diese positiv im Sinne der Einwohnerschaft zu gestalten. In den wesentlichen Thesen zur Quartiersarbeit in Marzahn Nord widerspiegelt sich, zu welcher Voraussicht es wissenschaftliche Untersuchungen bringen können, wenn sie nur dem eigenen Triebe folgend sowie unabhängig und unvoreingenommen vorgenommen werden. Dr. Cuny untersuchte z.B. auch, „wie sich die Bürgerbeteiligung als zentrales Instrument der Stadterneuerung in diesem Gebiet entwickelt hat, wie die Bewohner sich dieses Instrument angeeignet haben und wie schließlich dieses Instrument Machtverhältnisse und Ungerechtigkeiten reproduziert sowie bereits politisch engagierte Bewohner aus der Politik ausschließt.“ Offensichtlich ließ sich das nur in Frankreich machen. Hier wäre es aber immer noch nötig. Die „Etnographie du grand ensemble de Marzahn“ von Dr. Cécile Cuny gehört zu den Studien, die nicht nur wert sind, staunend zur Kenntnis genommen zu werden, sondern auch als Anleitung zum Handeln verstanden werden können. Natürlich ist die Uhr seitdem nicht stehen geblieben, so war zur Entstehungszeit der Quartiersrat gerade „in den Windeln“. Um ihn wurde aber mehr als ein Jahr lang heftig und ausdauernd heftig gestritten (jot w.d. berichtete). Aber wissenschaftlich betrachtet ist es zunächst nur ein Detail. Die Autorin wollte mehr: „Der Fall Marzahn wirft zuvörderst die Frage nach dem sozialen und städtischen Wandel Berlins in der Zeit nach der Die Räume, die sich in der Gegend der Wohnung befinden, werden intensiv genutzt. … Die ‚abstrakten Dinge‘, die die Aussiedler oder die ehemalige sozialistische Intelligenz in den sozio-kulturellen Einrichtungen ‚genießen‘, hat für diese Bewohnerkategorie keinen Sinn. Ihre Kultur ist in der alltäglichen Umwelt verankert.“ Wende auf. Anliegen dieses Buches ist es aber auch, die Großsiedlungen als städtische Formen und soziale Probleme sowie das Verhältnis von ehemaligen DDR-Bürgern zur Politik und den politischen Institutionen nach der deutschen Wiedervereinigung anhand des Falls Marzahn zu untersuchen.“ Hier einige Thesen, zitiert nach deutschsprachigen Manuskripten von Dr. Cécile Cuny, die heute an einer Pariser Universität lehrt. Zum Vergleich mit Aussiedlern und ehemaliger sozialistischer Intelligenz: „Im Vergleich mit ihnen entwickelt die Gruppe der prekären Familien das engste Verhältnis zum Stadtteil. Zu ehrenamtlichen Tätigkeiten in „prekären Familien“: „Diese Tätigkeiten stellen keine Ressourcen dar, die diesen Bewohnern dabei helfen würden, Arbeit zu finden. Ganz im Gegenteil. Sie tragen zu ihrer ökonomischen und beruflichen Ausgrenzung bei, indem sie mit institutioneller und symbolischer Missachtung einher gehen.“ Zum Quartiersmanagement – „Paradigmenwechsel?“: „Dieses Programm wird im Allgemeinen als eine Antwort auf den sozial-räumlichen Wandel der europäischen Städte angesehen. Das Beispiel Berlin zeigt, dass auf lokaler Ebene die neue Stadtentwicklungsstrategie auch eine Antwort auf eine politische Krise darstellt. Zur Rolle der Stadtplaner: „Parallel dazu hat sich auch die berufliche Expertise der Stadtplaner ver- ändert. Sie beruht nicht mehr auf der Verwendung ihres beruflichen Wissens, sondern dieses Wissen untermauert ihre neue Stellung als Steuerungs- und Koordinierungsagenten zwischen Staat, privaten Investoren, freien Trägern sowie organisierten und einzelnen Bewohnern.“ Zu Schwachstellen: „Die Schwachstellen der politischen Repräsentation hängen von den sozialen Eigenschaften der Teilnehmer ab.“ Zum „Bund-LänderProgramm“: „(Es zeigt), dass die Art und Weise, in der die lokalen politischen Verwaltungen die Bürgerbeteiligungsverfahren als politische Instrumente benutzen, (im Ergebnis) … zur Entpolitisierung der eingesetzten Bewohner als auch zur Erhöhung der politischen Verdrossenheit der prekären Familien führt.“ Zu kritischen Bürgern: „Obwohl sie kritisch sind, sehen die Bürger nicht, dass die allgemeinen Prüfungsregeln von lokalen Innovationen umgangen werden.“ Die Hauptthese dieser Arbeit lautet: „Die politische Repräsentation ist das größte Hindernis, das sich der Bürgerbeteiligung entgegenstellt.“ Quod erat demonstrandum. Torsten Preußing Kleinsiedlung jot w.d. 3/2015 5 Mieten statt bauen? Der Bürgerverein informiert Bürgerverein bringt neuen Standort für ein Bürgerhaus ins Gespräch Mahlsdorf – Darüber hat sich nun niemand wirklich gewundert: Der Vorschlag, ein Bürgerhaus im Süden des Stadtteils zu errichten, erhielt bei der Abstimmung zum Bürgerhaushalt in Mahlsdorf die meisten Stimmen, nämlich 168. Fast genauso viele Interessierte fand die vom Initiator, dem Bürgerverein Mahlsdorf Süd, organisierte Bürgerversammlung am 11. Februar. Da stand aber nicht nur der „Dauerbrenner“ Bürgerhaus – immerhin seit nunmehr bereits fünf Jahren gefordert – auf der Tagesordnung. Vor allem Verkehrsfragen reizen die Bürger zu Ein- und Widerspruch, seien es (gefühlt) fehlende Ampeln, seien es Probleme der Straßenbahn oder des Durchgangsverkehrs nach Norden. Fläche, die entsprechend verschiedener Bedürfnisse leicht geteilt werden könne. Unterstützung findet die Idee auch bei Detlef Klemm, der das Stadtteilzentrum im Haus der Begegnung der AWO am Hultschiner Damm leitet, wo auch der Bürgerverein einzelne Veranstaltungen anbietet. „Wir sind an unsere Grenzen gestoßen, wir brauchen dringend mehr Platz“, gab er nicht zum ersten Mal in Richtung Bezirksamt zu verstehen. Dort allerdings gibt man sich wie eh und je verschlossen. „Wir können uns keine Investition vorstellen“, blockt Bürgermeister Stefan Komoß die wiederholte Forderung danach ab. Maximal könne er sich „vorstellen, dass ein Privater ein Gebäude errichtet und lionen Euro errichtet worden. Sein Stadtteil hingegen sei mit öffentlichen Einrichtungen massiv unterversorgt, von den 52 Objekten im Bezirk fänden sich hier nur zwei, obwohl gut jeder zehnte Einwohner des Bezirks hier lebe. Unterstützung fand Rommel nicht nur an jenem Abend bei der Linksfraktion der BVV, für die Norbert Seichter ins Feld führte, dass seine Fraktion einen neuerlichen Prüfauftrag ins Plenum eingebracht hatte, der auch beschlossen wurde. Da wollte auch Komoß nicht völlig zurück stehen und versprach seinerseits, eventuelle Mietkonditionen beim Besitzer des Hauses mit der ehemaligen Supermaktfläche zu erforschen. Dorthin hatten bereits Vertreter des Bürgervereins ihre hätten „die Bezirksamtskollegen gar nicht interessant“ gefunden. Auf der anderen Seite verkündete der Wirtschaftsstadtrat, er „höre das zum ersten Mal“, fand die Idee spontan aber „richtig gut“. Dass die Idee selbst noch in genau diesem Stadium verharrt, bewies Gisela Würzebesser vom Bürgerverein, die selbst zu bedenken gab, dass „da drüber Leute wohnen“, es mithin Lärmprobleme geben werde, wenn etwa musikalische Veranstaltungen organisiert würden. „Das kriegen wir hin“, versprach Gräff mit nahezu staatsmännischem Duktus. Und brachte – wohl nicht ohne Hintergedanken – als Standort die Fläche des früheren BHG-Geländes an der Hönower Straße/Alt Mahlsdorf ins Gespräch. Dort entstünde eine „fußgänger- Mahlsdorf – Am 19. März, 18 Uhr, trifft sich der Bürgerverein Mahlsdorf-Süd im Restaurant „St. Hubertus“, Hultschiner Damm 1, zu seiner Jahresversammlung. Informiert wird über Aktivitäten im Jahr 2014 und die Vorhaben für 2015. Interessenten sind willkommen. I.D. Frühschoppen und Tanz im TaP Biesdorf – Unter dem Motto „Gute Laune ist ein Muss“ lädt das Theater am Park, Frankenholzer Weg 4, am 15. März, 10.30 Uhr, zum Theaterfrühschoppen mit Hartmut Haker. Es gibt Imbiss und Hausgemachtes zu moderaten Preisen. Am 21. und 28. März wird jeweils 14.30 Uhr der Tanznachmittag eröffnet, zunächst mit „Gabis-Mini-Band“, dann mit der „Oranke-Band“. Eintritt jeweils 10 Euro. RN Dokfilmforum zeigt „Faschingskinder“ Unter der Moderation von Detlef Klemm stellten sich die Stadträte Stephan Richter, Juliane Witt und Christian Gräff an der Seite von Bürgermeister Stefan Komoß den Fragen der Bürger. Dennoch widmete sich ein gerau- es darin eine Fläche für ein Bürmer Teil der Veranstaltung dem gerhaus“ gäbe. Dafür würde das Bürgerhaus, denn ein neuer Vor- Bezirksamt einen Träger suchen schlag des Vereins macht die Run- und finanzielle Hilfestellung für de: Die Räumlichkeiten des frü- den Betrieb leisten. heren Edeka-Marktes (zwischen- Einwohner Bernd Rommel verzeitlich Kik) sollte dafür angemie- wies auf das Beispiel des Bürgertet werden. Immerhin handele es hauses Neuenhagen. Das sei 2011 sich um etwa 1200 Quadratmeter für gerade mal fünfeinhalb Mil- Mehr als 150 interessierte Bürger aus nahezu allen Altersgruppen folgten der Einladung des Vereins zur Einwohnerversammlung. Nicht alle Antworten stellten sie zufrieden. Fotos: Lichtenstein Fühler ausgestreckt und von ei- freundliche Zone“, dort könnten nem Makler ein Angebot für eine „die Privaten dazwischen auch was Nettokaltmiete von 6 bis 7 Euro tun an ihren Häusern und mit ihren Angeboten“. Ein „Bürgerhaus je Quadratmeter erhalten. Inwieweit das Bezirksamt sich mit Mahlsdorf Süd“ wäre das dann aber dieser Sache bereits befasst hat, nicht mehr. Und ob das den Wünblieb zweifelhaft. Einerseits ver- schen und Intentionen der Bürger kündete Immobilienstadtrat Ste- „in Süd“ entspricht, ist mehr als Ralf Nachtmann phan Richter, diesen Vorschlag fraglich. „Unglaubliche Geschichten“ im Wuhlgarten Ekkehard Bartsch überrascht mit einzigartigen Collagen Biesdorf – Von Hause aus ist er Diplom-Industrieformgestalter, wie es in der DDR hieß – also Designer. Der 1934 in Berlin geborene Künstler hatte einst an der Kunsthochschule Weißensee studiert und vertrat später das „Amt für Industrielle Formgestaltung“ im Vorstand des Internationalen Rates der Designinstitutionen in Brüssel und Helsinki. Doch seit den 1990-er Jahren beschäftigt sich Ekkehard Bartsch auch intensiv mit Malerei, Grafik und spezieller Fotografie. Nun stellt er in der Krankenhauskirche im Wuhlgarten am Brebacher Weg einige seiner Werke aus. Dabei handelt es sich um Collagen aus Papier sowie um Digitalprints von Diapositiv-Collagen. Auf den Arbeiten werden Architektur, Landschaften und Personen zusammen gebracht. Die Bilder stammen aus Zeitungen oder Zeitschriften, Katalogen, kunstge- schichtlichen Veröffentlichungen und dem privaten Bildarchiv des Künstlers. Ursprünglich hatten sie nichts miteinander zu tun, doch die Zusammenführung der einzelnen Bildelemente erzeugt neue, ungewohnte Inhalte und Wirkungen. Es entstehen Geschichten, die von den dargestellten Personen (oft solche, die man aus der Öffentlich- Malerei? Foto? Collage? Die Werke von Ekkehard Bartsch (kl. Bild) überraschen den Betrachter stets auf’s Neue. Fotos: Archiv keit kennt) erzählen. Die „Unglaublichen Geschichten“ sind zuweilen mit viel Augenzwinkern gemacht oder als Metapher zu verstehen. Der Betrachter kann also gern auch mal ins Grübeln geraten beim Betrachten der Collagen – auf jeden Fall aber zum Nachdenken angeregt werden. Aber das macht gute Kunst ja aus. Alle Arbeiten von Ekkehard Bartsch sind übrigens ganz ohne Hilfe eines Computers entstanden. Am 27. Februar wurde die Ausstellung, die noch bis zum 5. April täglich zwischen 14 und 17 Uhr zu sehen sein wird, von Horst Würzebesser, Hartmut Behrsing und Lukas Natschinski mit einem Swing-Konzert eröffnet. Der Eintritt ist frei. I. Dittmann Biesdorf – Das Stadtteilzentrum, Alt-Biesdorf 15, zeigt am 16. März, 18.30 Uhr, den Film „Faschingskinder“. Ausgangspunkt für ihn war der 9-minütige DEFA-Dokumentar-Film „An einem Februarvormittag“ aus dem Jahre 1981, der Vorschulkinder in einer Ostberliner Schule für Körperbehinderte bei einer Faschingsfeier porträtiert. 2007 hatte der Regisseur die Idee, nach den damaligen Mitwirkenden zu suchen, um ihre Geschichten weiterzuerzählen. Es gelang ihm, die meisten von ihnen zu finden und ihre weiteren Lebenswege von damals an in einem berührendem Film zu dokumentieren. Autor und Regisseur Gunther Scholz wird zu Gast sein. Eintritt 5 Euro, Info Tel. 526 78 45 93. RN Porta ante Portas, Wasserski auch Mahlsdorf – Auf dem Gelände an der Pilgramer Straße südlich der B 1/5 sind die Abrissarbeiten der alten Lagerhallen schon fast vollendet. Dort soll, wie diese Zeitung berichtete, ein Porta-Möbelmarkt entstehen. Wirtschaftsstadtrat Christian Gräff hofft „auf den ersten Spatenstich noch in diesem Jahr“, wie er bereits im Januar verkündete. Allerdings ist das Bebauungsplan-Verfahren noch nicht einmal auf halbem Wege abgeschlossen. Erteilt Gräff vorzeitig eine Baugenehmigung, droht dem Bezirksamt eine erneute Klage. Den jüngsten Prozess um die WasserskiAnlage (hier: Reinigung des in den Elsensee eingeleiteten Regenwassers) haben Land und Bezirk krachend verloren, wie mehrere Medien berichteten. Die Errichtung der WasserskiAnlage dürfte nun kaum noch verhindert werden können. RN 6 jot w.d. 3/2015 „Die alten Schachteln“ werden 20 Links & rechts der Wuhle Neue Typen – alte Bekannte Kisten-Konzerte von Blues bis Rock Hellersdorf – Mit einem GalaProgramm feiert das Seniorenkabarett (Foto: Möhring) am 18. April im Kompass, Kummerower Ring 42, seinen 20. Geburtstag. Aus bescheidenen Anfängen entwickelte sich eine Truppe, die mit Witz und Esprit den alltäglichen Wahnsinn aufs Korn nimmt. Da wird kein Thema ausgespart. Der Bogen spannt sich von der großen Politik bis hin zu Alltagsgeschichten und zwischenmenschlichen Beziehungen. „Wir ham vor nischt und kee’m Respekt“ heißt es in einem ihrer Songs. Zum Jubiläum gibt es ein gut zweistündiges Programm mit brandneuen Sketchen, Couplets und Tänzen. Karten Tel. 564 974 01 (Kompass) oder 541 09 57 (B. Möhring). I.D. Hellersdorf – Nach Blues- und Liederauftakt zu Monatsbeginn (Kris Pohlman am 6. März, Tino Eisbrenner am 7. März) geht es in der Kiste, Heidenauer Straße 10, am zweiten Wochenende gleich in die Vollen: Zunächst spielen „Hartbeat Five“ am 13. März eine ganze Reihe Perlen der Beat-Ära von 1963 bis 1970, wobei die etwas härteren, wie der Name schon sagt, im Mittelpunkt stehen. Als da wären: Kinks, Jimi Hendrix, Spencer Davis Group oder Rolling Stones. Es gibt aber auch Psychodelisches, etwa von Van Morrison oder den Small Faces. Am 14. März folgen die „NDW-Rocker“ der Gruppe „Vollhardt“, in hiesigen Gefilden bestens bekannt. Noch härter hauen am 20. März (Frühlingsanfang!) die Mädels von „Black Rosie“ (Foto: Nachtmann) in die Saiten; auch sie als AC-DC-Coverband am östlichen Stadtrand wohlgelitten. Wenn Kistenchef Fred Schöner am 21. März wieder einmal die „welt-KISTE“ aufmacht, springt mit „Shawue“ eine Band heraus, die nach eigenem Bekunden eine „deutschsprachige Mi- schung aus traditionellem Folk und amerikanischen Folkrock, hier und da noch mit einer Prise Grunge, Blues oder Punk gewürzt“ vorstellt. Angeblich werden ihre Texte in deutschen und auch amerikanischen Schulen gar „als Unterrichtsmaterial“ verwendet. Da sind wir aber gespannt. Genau- so aufgeregt erwarten wir zum Monatsend-Blues am 27. März die Texanerin Elizabeth Lee, die sich mit ihren drei intalienischen Musikern „Elizabeth Lee’s Cozmic Mojo“ nennt. Cozmic? Da war doch was? Klar, Janis! Und kraftvoll geht der Monat zu Ende, am 28. März geht die „HARTEkiste“ auf. Drin sitzt mit „Flying Carpets“ eine vierköpfige, vom Reggae beeinflusste Rockband, die recht originelle Musik spielen soll. Also auch mal wieder was Neues. Beginn jeweils 21 Uhr, Karten 4 bis 15 Euro, wer rechtzeitig kommt, kann sich noch in Ruhe und ohne Gedränge die neue Ausstellung „Gefühlte Realität“, Grafik von Katja Wilhelmi (mit ihrem Hauptmotiv Mops „Löffel“), anschauen. Info Tel. 99 87 481, www.kiste.net. R. Nachtmann Werbung für einen Massensport Marzahn – Unter dem Motto „Schlag auf Schlag“ präsentierten sich einige Stars des Tischtennisclubs Berlin Eastside am 14. Februar im Eastgate. Neben dem TischtennisSportabzeichen und Kämpfen gegen einen „TT-Roboter“ durften sich Wagemutige mit Spielerinnen des ttc messen. Höhepunkt der Veranstaltung war sicherlich der Showkampf zwischen Kristin Silbereisen (Europameisterin 2013) und Christian Süß (Gewinner der World Tour 2012), der erst im vergangenen Jahr nach zwei schweren Verletzungen ein Come Back feierte. Schade für die Berliner Fans, dass Kristin im Sommer zum Bundesliga-Rivalen Kolbermoor wechselt. Dennoch alles Gute zum 30. Geburtstag am 14. März. RN, Fotos: Schuchert Kneipen-Quiz mit Live-Musik Marzahn – Zum nächsten „Kneipen-Quiz“ im Café der Golferia, Wittenberger Straße 50, wird am 14. März, 19 Uhr, eingeladen. Die musikalische Gestaltung übernehmen Ellen Meyer (Kora) und Stefan Lau (Percussion). Eintritt 5 Euro. I.D. Seniorenkinobrunch Hellersdorf – Das Kino „Kiste“, Heidenauer Straße 10, lädt am 20. März, 9 Uhr, zum beliebten Seniorenkinobrunch; gezeigt wird der Film „Selma“. Mohammed und der echte Ring Über einen Vortrag zum Islam als Teil des geistigen Schatzes der Menschheit – Teil 1 Hellersdorf – Der Islam in der Bildenden Kunst und in der Gesellschaft – zu diesem Themenabend hatte die Linke im Bezirk am 11. Februar eingeladen. Der Gastreferent, Dr. Rufat Sattarov, Historiker und Islamwissenschaftler, präsentierte in 90 spannenden Minuten, wunderbar illustriert, alte und neue Fakten über den Islam als eine der drei so genannten Buchreligionen, der sich große Teile der Menschheit zugehörig fühlen. Der neun Sprachen sprechende Dr. Sattarov studier te in seiner Heimat Aserbaidschan. Über verschiedene internationale akademische Stationen in Europa kam er als DAAD-Stipendiat nach Berlin, um an der Freien Universität am Institut für Turkologie mit einer Arbeit über die Rolle des Islam in der Gesellschaft Aserbaidschans zu promovieren, wobei er mit der Bestnote „summa cum laude“ abschloss. 2009 wurde seine Dissertation als Buch in englischer Sprache im Wiesbadener Reichert Verlag publiziert. Ein kompetenter Vortragender ging im Laufe des Abends nicht nur auf die Gründungsgeschichte des Islam und den Propheten Mohammed als geistigen Leh- rer und Sinnstifter dieser Weltreligion ein, sondern er erläuterte auch ausführlich Besonderheiten der Kultur, des Alltags, des Glaubensverständnisses und der Rechtstradition. Er erklärte, weshalb der Unterschied zwischen Sunniten und Schiiten weitaus geringer sei, als vergleichsweise Differenzen zwischen den Konfessionen innerhalb des Christentums. Rufat Sattarov gelang es, augenfällige Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten von Judentum, Christentum und Islam verständlich zu machen, wie zum Beispiel der in allen drei vorherrschende Monotheismus, das Verständnis von Gott in seiner Einzigartigkeit, Einheitlichkeit. Oder die Tatsache, dass in den heiligen Schriften des Altertums, dem Tanach, (der Jüdischen Bibel oder Thora), im Alten und Neue Testament (der Christlichen Bibel) sowie dem Koran (dem Heiligen Buche des Islam), Abraham, Moses, Salomon und David, Maria und Jesus, der Erzengel Gabriel und andere Figuren mehr oder weniger breiten Raum einnehmen. Sattarov zeichnete Besonderheiten in der bildlichen Darstellung. Er untermauerte die Tatsache, dass es das Darstellungsverbot von Menschen Ein Blick in den Originaltext des Koran, etwa diese sehr gut kommentierte Ausgabe aus der DDR, hilft oft mehr, als auf Propaganda-Aussagen verschiedener Seiten hereinzufallen. nicht erst mit dem Islam, einer der jüngsten großen Glaubensbewegungen, gab, sondern schon im Buch Mose des Alten Testaments beschrieben wird. An Beispielen aus der Bildenden Kunst zeigte Sattarov die Evolution der islamischen Tradition, von einer eher liberalen Auslegung in den ersten Jahrhunderten bis zur späteren Bindung an feste Rituale und Regeln. Wunderbare persische höfische Darstellungen der Himmelfahrt Mohammeds deuten darauf hin, dass es Interpretationsmöglichkeiten für den Künstler aber auch den Betrachter gab. Karikaturen mit Abbildungen von Politikern und Geistlichen aus der aserbaidschanischen Zeitschrift „Molla Nasraddin“ und aktuelle Karikaturen aus der islamischen Welt wurden detailliert erläutert. Hier finde ich wichtig, dass Sattarov deutlich machte, dass es in der Auslegung des Islam sowohl eine strenge, orthodoxe Tradition, aber auch sehr gemäßigte, liberale Deutungen gibt. Der Koran als allerheiligstes Schriftwerk der Moslems selbst enthalte keinerlei direkte Darstellungsverbote, jedoch gebe es Handlungsrichtlinien durch kanonisierte Überlieferungen vom Propheten Mohammed (die Hadithe) und Interpretationsschriften der Islamgelehrten. Die Islamische Gesellschaft erscheint bis heute, so Sattarov, als weitaus weniger institutionalisiert und personalisiert. Wenn die katholische Christenheit mit dem Heiligen Vater in Rom eine höchste Autoritätsperson anerkennt, so gebe es ein ähnliches Phänomen im Islam nicht – jeder Islamgelehrte sei für seine Meinung selbst verantwortlich und stellt somit nicht die Wahrheit in der letzten Instanz dar. Ob ein Moslem diesem oder jenem Gelehrten folgt, hängt ab von seiner eigenen Entscheidung. Und dieser Umstand, laut Sattarov, zeigt die Vielhalt der möglichen Interpretationen im Rahmen der islamischen Religion. Die überwiegende Mehrheit islamgeprägter Länder folge der Toleranzidee, wie etwa Aserbaidschan, Sattarovs Heimat. Das historische AlAndalus sei ein Präzedenzfall für die friedliche Koexistenz der Religionen, als Wissenschaft und Geistigkeit blühten und sich gegenseitig inspirierten. Frank Schulze Diplom-Staatswissenschaftler (Teil 2 in Ausgabe 4/2015) Blick zum Nachbarn jot w.d. 3/2015 7 Krumme Löffel und dicke Hunde Sabine Rennefanz liest „Eisenkinder“ Stadtteilbibliothek nach Manfred Bofinger benannt Lichtenberg – Über den Radikalismus von Jugendlichen in der Zeit nach dem Verschwinden der DDR spricht die Autorin Sabine Rennefanz am 12. März, 19.30 Uhr, im Museum Lichtenberg, Türrschmidtstraße 24. Die Redakteurin der Berliner Zeitung geht in ihrem Buch „Eisenkinder – Die stille Wut der Wendegeneration“ der Frage nach, was junge Menschen radikalisiert und was sie dazu bewegt, sich gegen die Gesellschaft aufzulehnen, in die sie hinein geboren wurden. Derselben Altersgruppe wie das Neonazi-Trio „NSU“ angehörend, suchte sie nach einem anderen, nicht minder polarisierenden Weg persönlichen Widersetzens. Die Lesung (Eintritt drei Euro) ergänzt die Ausstellung „Widerspenstig und widerständig – Jugendkultur in Lichtenberg 1960 – 1990“, die bis zum 20. April im Museum gezeigt wird. Zu sehen sind Foto-, Film- und Tonzeugnisse von alltäglicher und politischer Jugendkultur. B.B. Treptow – „Früher hat ja mein Papa mal gearbeitet. Aber jetzt zeichnet er nur noch Witze.“ Diese Kurz-Vita ihres Vaters hat Manfred Bofingers älteste Tochter Bettina an ihrem ersten Schultag zum Besten gegeben – nachdem die Kinder gebeten waren, sich vorzustellen und den Beruf der Eltern zu nennen. Nachzulesen ist diese Anekdote in einem der letzten Bücher des Karikaturisten, Illustrators und Autors Manfred Bofinger (1941-2006) unter dem Titel „Ein dicker Hund. Geschichten mit Kindern“. Im Januar jährte sich der Todestag des bekannten und beliebten Grafikers zum neunten Mal. Aus diesem Anlass verlieh das Bezirksamt Treptow-Köpenick der Stadtteilbibliothek in Alt-Treptow seinen Namen. Hier, im so genannten Kunger-Kiez an der Plesserstraße verbrachte „Bofi“, wie ihn Freunde und Fans nannten, viele Jahre seines Lebens bis zu seinem Tod. Er war ein waschechter Berliner, hier geboren und immer hier wohnhaft. Nach dem Abitur am humanistischen Gymnasium zum Grauen Kloster absolvierte Man- fred Bofinger zunächst eine Lehre als Schriftsetzer und arbeitete als Typograf, bis er seinen Weg als freier Künstler fand. Besonderer Bekanntheit erfreute sich der Mann mit dem Rauschebart und der runden Nickelbrille als Karikaturist des Satiremagazins „Eulenspiegel“ und dank seiner Kinderbücher. Auch in der Kinderzeitschrift Frösi konnte man seinen witzigen Figuren begegnen. Überhaupt zeichnete Manfred Bofinger ein besonderes Verhältnis zu Kindern aus. Er illustrierte nicht nur Bücher für sie, sondern besuchte sie auch in Kindergärten, Schulen und Bibliotheken, zeichnete, las und spielte mit ihnen. Bofinger-Bücher für Kinder, darunter „Das Gänsehautbuch (Ein ABC des Grauens)“ und „Das Menschenfresserbuch (oder Die Kannibalische Menschheitsgeschichte)“, wandten sich mit heiterer-hintersinniger Komik gegen Konsumterror und soziale Kälte. Bofinger illustrierte über 300 Bücher, Bastelbögen, Kalender, Postkartenbücher, Programmhefte, Spielkarten und Plakate. Als seine Vorbilder nannte er Kurt Tu- cholsky, Joachim Ringelnatz oder Erich Kästner. Wie Kästner glaubte auch Manfred Bofinger daran, dass man die Welt durch Lachen verändern kann. Ein großes Namensschild mit einem Selbstbildnis Manfred Bofingers ziert nun das Gebäude der Stadtteilbibliothek in der KarlKunger-Straße. „Ich freue mich jedes Mal, wenn ich das Schild Dass er bei Kindern sehr beliebt war, zeigt die Zeichnung von Susann, die im Buch abgedruckt ist. vom Fenster meiner Wohnung aus sehe“, zeigt sich seine Witwe, Gabriele Bofinger, gerührt. Manfred Bofingers Grab befindet sich auf dem Evangelischen Friedhof in Alt-Stralau. An seiner letzten Ruhestätte erinnern übrigens mehrere gebogene Esslöffel an sein fast schon legendäres Kinderbuch „Der krumme Löffel“, in dem er seine Kindheitserlebnisse aus dem Nachkriegsberlin beschreibt. In seinem Buch „Ein dicker Hund“ schrieb Manfred Bofinger: „Manchmal bittet mich ein Kind, ein Porträt von ihm zu zeichnen. Das mache ich dann auf meine Weise. Bisher gab es selten Ärger. So entstehen immer wieder aufs Neue Katzen mit Sommersprossen, Löwen mit Zöpfen, Elefanten mit Brille und Himmelfahrtsnase, Pferde mit Pferdeschwanz, Frösche mit Basecap und Hunde mit Zahnspange.“ „Bofi“ hatte sich offensichtlich einen kindlichen Einfallsreichtum bewahrt und lässt diesen mit viel Talent, Können und Herzenswärme in seinen Illustrationen noch heute zu einem begeisterten Publikum sprechen. Dagmar Neidigk Von Bravehearts, Whisky, High- und Lowlands Balladen und Anekdoten aus Schottland im Salon Karlshorst – Zum Carlshorster Salon unter dem Motto „Schottland – Auf den Highlands“ lädt am 27. März, 19.30 Uhr, der Kulturring in das Kulturhaus Karlshorst, Treskowallee 112 ein. Im Mittelpunkt des literarisch-musikalischen Abends, durch den Alina MartirosjanPätzold führt, stehen diesmal die Kunst und Kultur Schottlands. Zu Gast sind die in Berlin lebenden schottischen Künstler Neil Macdonald (Fotos: Grimm, Archiv) und Sinead Hayes. Beide spielen ein vielfältiges Repertoire aus alten und neuen Balladen und Melodien. Ihre Musik ist eine Mischung aus Straßensperrung für Baumerhalt Eine Woche Umwege fahren rettet Dutzende Bäume Hohenschönhausen – Der Obersee und der Orankesee, letzterer mit dem schönen Freibad, sind die beiden wichtigsten Gewässer im Norden unseres Nachbarbezirks. Daher erfuhren sie in den vergangenen Jahren umfangreiche Sanierungsmaßnahmen. Deren Abschluss bildet nun der Bau eines Seewasserfilters für den Obersee. Dessen Ablauf- und Zulaufleitungen sollen künftig im Fahrbahnbereich der Oberseestraße sowie der Kreuzung Obersee-/Waldowstraße verlaufen. Im März werden die Arbeiten auf dieser Kreuzung durchgeführt. Daher muss die Oberseestraße vom 16. bis 20. März gesperrt werden. Die Grundstücke 12-18 bleiben währenddessen aus Richtung der Manetstraße erreichbar. „Die Entscheidung für die Verlegung der Ablauf- und Zulaufleitungen des Seewasserfilters in die Fahrbahn der Oberseestraße ist vor dem Hintergrund eines möglichst zurückhaltenden Eingriffs in die umliegende Natur gefallen“, begründet Baustadtrat Wilfried Nünthel. An anderer Stelle wären weitere Baumfällungen oder Eingriffe ins Wurzelwerk unvermeidlich gewesen. Deshalb hatten auch die Teilnehmer einer Einwohnerversammlung die Pläne Nünthels gestützt. R. Nachtmann Fünf Tage Sperre zur Sanierung von Oranke- (li.) und Obersee. langsamen, melancholischen und atemberaubend schnellen Volksliedern. Neil Macdonald singt und spielt Gitarre, trägt schottische Gedichte vor und erzählt humorvolle Geschichten und Anekdoten über Land und Leute. Sinead Hayes begleitet ihn auf der Geige. Als Dirigentin hat sie bereits mit mehreren großen Orchestern gearbeitet, auch in Deutschland. Originalbilder werden ausgestellt und sind käuflich zu erwerben. Kulinarische Spezialitäten aus Schottland stimmen auf den Abend ein. Eintritt 18 Euro (einschließlich landestypischer Speisen), Karten Tel. 553 22 76. I.D. Zehn Kreative sezieren den Krieg Neue Ausstellung im „studio im hochhaus“ Hohenschönhausen – Unter dem Titel „... der Krieg ist ein Teil von mir“ zeigen Ella Adamova, Michael Bensman, Dirk-Martin Heinzelmann, Jakov Kaplun, Valeriu Kurtu, Marina Lyubaskina, Michail Schnittmann, Alexander Sementzov, Kateryna Yerokhina und Juri Zurkan vom 8. März an (Vernissage 16 Uhr) im studio im hochhaus, Zingster Straße 25, Ölbilder, Aquarelle, Grafiken, Zeichnungen, Collagen, Fotografien, Objekte und Plastiken. Der Ausstellungs-Titel ist ein Zitat des ukrainischen Dichters und Übersetzers Jurij Levitanskij (1922-1996). Seine Gedichte spiegeln Erfahrungen während der Teilnahme am „Großen Vaterländischen Krieg (1941-1945) gegen das faschistische Deutschland“ wider. So ist sein Ausspruch: „Ich nehme in dem Krieg nicht teil. Der Krieg ist ein Teil von mir“ auch heute noch als Mahnung an die Nachgeborenen zu verstehen. Alle Künstler der Ausstellung kommen aus Osteuropa, sind aufs engste mit der jüdischen Kultur und Religion, ihrer wechselvollen jahrhundertlangen Geschichte der Diaspora verbunden, haben Heimatverlust und einen schwierigen Neubeginn als Migranten in einem zum Beginn fremden Land erlebt. In der Ausstellung versuchen sie Antworten auf Fragen zu ihrer eigenen Identität zu finden, differenzierte Bilder einer globalen Welt zu vermitteln. Diese globale Welt ist von gegenseitigen Verflechtungen und Beziehungen geprägt, unterschiedliche Lebensstile führen zu neuen Fragenstellungen, Wertevorstellungen werden hinterfragt, Konflikte treten zutage und erfordern neue Dialoge. Zu sehen bis 22. Mai, Mo-Do 11 bis 19, Fr 11 bis 18, So 14 bis 18 Uhr. Führungen können vereinbart werden, Tel. 929 38 21. B. Breuer Haase solo im HdG Hoppegarten – Am 20. März, 20 Uhr, gastiert Christian Haase, der auch im Wuhlebezirk gut bekannte Songpoet, mit seinem Soloprogramm im Haus der Generationen Lindenallee 12. Haases Texte haben „genug Tiefe, um sie Lyrik zu nennen, dennoch sind seine Zeilen verständlich genug, dass sie landen und haften bleiben“. Gerade in seinen Solo-Konzerten „feiert Haase das Leben, die Liebe und die großen Fußstapfen, in denen er geht.“ Karten kosten im Vorverkauf 12, an der Abendkasse 16 Euro, Info und Bestellungen Tel. 03342-422 44 72. AKV Blues aus Detroit Schöneiche – Blueslegende Mitch Ryder (Foto: Nachtmann) gibt am 15. März, 20 Uhr, ein Konzert in der Kulturgießerei, An der Reihe 5. An gleicher Stelle gastieren Wenzel & Band mit „Viva la poesia“ am 20. März, 20 Uhr. Eintritt 18 Euro, Abendkasse 20 Euro. Karten Tel. 030-649 29 92. I.D. Frauen wissen mehr Köpenick – „Comedy zum Frauentag“ heißt eine Veranstaltung der „agentur heising“ am 7. März, 16 Uhr, im Stadttheater Cöpenick, Friedrichshagener Straße 9. Moderator Lutz Hoff unterhält unter dem Motto „Frauen wissen mehr, als Männer denken – denken sie!?“ Karten Tel. 650 16 230, [email protected]. I.D. 8 jot w.d. 3/2015 Tipps und Termine Von Reutter und Juhnke bis Kästner Hellersdorf – „Sehn’se, das ist Berlin – Von Otto Reutter bis Harald Juhnke“ heißt es am 24. März im Klub 74, Am Baltenring 74. Lothar Wolf begleitet seine Gäste mit Musik und Humor durch Berlin. Beginn 14 Uhr, Eintritt 2,50 Euro. Anmeldung erbeten, Tel. 563 09 93. Am 25. März plaudert Wolf im Kulturforum, Carola-Neher-Straße 1, über das bewegte Leben des Schriftstellers Erich Kästner. Beginn 14.30 Uhr, Eintritt 6 Euro, Kaffeegedeck 2,50 Euro. I.D. Ein Kriminalrat a. D. erzählt Biesdorf/Marzahn – Der Buchautor und Kriminalrat a. D. Hans Christoph Weise erzählt unter dem Motto „Tagebuch eines DDR-Kriminalisten“ am 14. März, 15 Uhr, im „Theater am Park“, Frankenholzer Weg 4, und am 17. März, 18 Uhr, im Berliner Tschechow-Theater, Märkische Allee 410, über spannende Kriminalfälle. Eintritt 4/3/2,50 Euro. I.D. Kultur im Kompass Hellersdorf – „Carola Neher – Eine Schauspielerin zwischen Weimar und GULAG“ heißt es am 10. März, 14 Uhr, im Haus im Stadtteil „Kompass“, Kummerower Ring 42. Uta Ernst erinnert an die legendäre Polly aus Brechts „Dreigroschenoper“ anlässlich deren 115. Geburtstages. Eintritt 2,50 Euro. Am 17. März ist Agathe Leselust zu Gast. Ab 17 Uhr heißt es dort „Märchenzeit“. Am 7. April, 17 Uhr, gibt es mit der Erzählerin ein „Osterleuchten“. Eintritt 3 Euro. Karten Tel. 56 49 74 01. I.D. Kultur & Freizeit Weltpremiere vierhändig Ausverkaufte Show zu Ehren des Komponisten Arndt Bause Marzahn – Bis zum letzten Platz besetzt war am 22. Februar der große Saal des Freizeitforums. Nun schon zum fünften Mal wurde mit einer großen Gala hier ein Mann geehrt, der mit seinen Kompositionen vielen Interpreten der DDR-Unterhaltungsszene zur Popularität verhalf – ob Frank Schöbel („Gold in deinen Augen“), Jürgen Walter („Schallala, Schallali“), Peter Albert („Dreh dich nicht mehr um“), Jürgen Hart („Sing mei Sachse sing“), Wolfgang Lippert („Erna kommt“), Andreas Holm („Siebenmal Morgenrot“), Hans-Jürgen Beyer („Tag für Tag“), Ina-Maria Federowski („Gegensätze ziehn sich an“), Aurora Lacasa („Nimm den Zug, der Sehnsucht heißt“), Monika Herz („Charly ade“) und natürlich „Big Helga“ Helga Hahnemann („Jetzt kommt dein Süßer“). Viele seiner rund 1300 Schlagerkompositionen wurden zum Hit und belegten vordere Plätze bei nationalen, aber auch internationalen Festivals und Wettbewerben. Der Leipziger und Wahlberliner, der mit seiner Frau Angret und den drei Töchtern in Biesdorf lebte, starb am 11. Februar 2003 mit gerade mal 66 Jahren. Um die Erinnerung an den „Mann „Luden“ Petrowsky und Gala-Initiator Siggi Trzoß. mit der goldenen Nase“ zu wahren, gestalten auf Initiative von Schlagerexperten Siegfried Trzoß und des FFM seit fünf Jahren Künstler, für die Bause einst schrieb, eine Gala der Erinnerungen und der Emotionen. Dabei waren in diesem Jahr u.a. Ingrid Winkler, Lutz Hoff, die beiden jungen Pianisten Lukas Natschinski und Thomas Krüger, Julia Axen, Uschi Brüning & Ernst-Ludwig „Luden“ Petrowsky und Hans-Jürgen Beyer, der spontan den erkrankten Andreas Holm ersetzte. Im Gespräch mit Modera- Fotos: Dittmann tor Siggi Trzoß plauderten er und Luden denn auch aus dem Nähkästchen, etwa über des Komponisten spontane Reaktion beim staatlichen Rundfunk, als man an seinen ersten Kompositionen herummäkelte („Dann können Sie mich alle mal am Arsch lecken.“). – Das hatte sich ja dann bald erledigt, wer der DDR mit seinem Werk Anerkennung sogar auf internationalen Bühnen verhalf, dem gebührte irgendwann auch der Nationalpreis. Zahlreiche Videoausschnitte auf der großen Leinwand im Arndt-Bause-Saal erinnerten an diesem Nachmittag an den kleinen großen Mann mit der Spürnase für Talente und Hits. Da wischten sich im Publikum nicht nur Tochter INKA und Ehefrau Angret verstohlen die eine oder andere Träne aus dem Auge, sondern auch viele Weggefährten wie die 86-jährige Angela Genzmer, die Texterin der Henne. INKA, die einst fünf Mal den „silbernen bong“ in einer Wertungssendung des DDR-TV für Titel ihres Vaters erhielt, begeisterte die 360 Zuschauer im Saal wieder einmal mit ihrem Gesang („Aber du“), aber auch mit ihrer erfrischenden Art zu plaudern. Für die Vitrine mit ArndtBause-Devotionalien im Foyer des FFM spendete sie einen „silbernen bong“ und ein OriginalNotenblatt ihres Vaters. Dass Bause-Songs auch in einer ganz modernen Bearbeitung begeistern können, bewiesen die beiden jungen Pianisten Thomas Krüger und Lukas Natschinski mit „Kleiner Vogel“ und „Schallala, Schallali“. Letzteren Jürgen-Walter-Hit spielten beide im jazzigen Sound vierhändig auf dem Flügel – gewissermaßen eine Weltpremiere. Ingeborg Dittmann Im Zeichen der Mode Mahlsdorf – Zu einer „Frauentagsfahrt im Zeichen der Mode“ lädt die Volkssolidarität am 13. März ein. Mit Besuch des Modemuseums, Mittagessen und Kaffeetrinken. Preis 54 Euro, Anmeldung und weitere Infos Tel. 22 48 82 22. I.D. Rosa Luxemburg bei HellMa Marzahn – Dr. Katrin Sell widmet sich am 31. März im Frauentreff HellMa, Marzahner Promenade 41, in einem Vortrag der Visionärin und Revolutionärin Rosa Luxemburg. Anschließend wird der Film über Rosa Luxemburg gezeigt. Beginn 15.15 Uhr, Eintritt 3,50 Euro. I.D. Kaffee mit Aussicht Mahlsdorf – In „Kaffee mit Aussicht – keine musikalische Kaffeefahrt“ präsentiert sich am 18. März Marlies Carbonaro als musikalische Reiseleiterin – im Stadtteilzentrum „PestalozziTreff“, Pestalozzistraße 1a. Eintritt 2,50 Euro, Kaffeegedeck 1,70 Euro. Anmeldung erwünscht, Tel. 56 58 69 20. I.D. Gunther Scholz beim Filmforum Biesdorf – „Faschingskinder“ heißt der neue Film von Gunther Scholz (Buch und Regie). Darüber erzählt der bekannte Regisseur am 16. März, 18.30 Uhr, im Stadtteilzentrum Biesdorf, Alt-Biesdorf 15, beim Biesdorfer Dokumentar- und Kurzfilmforum. Eintritt 4 Euro. I.D. Inka spendete einen „Silbernen Bong“, Uschi Brüning erzählte von ihren Begegnungen mit Arndt Bause, Lukas Natschinski und Thomas Krüger spielten Bause-Lieder. Ein Krimi wie im Film Spannende Buchpremiere mit Wolfgang Haase Hellersdorf – Eine solche Buchpremiere wie am 22. Februar hatte die Peter-Weiss-Bibliothek in den nun schon 25 Jahren ihres Bestehens noch nicht erlebt. Der vielen Hellersdorfern als „rettender Engel“ in Computerfragen und als exzellenter Dokumentarfilmer bekannte Wolfgang Haase stellte sein erstes Buch „Eisige Reife“ vor – einen Kriminalroman, der zu einem großen Teil im Hohen Norden und in Skandinavien spielt. Das Wort „spielt“ wurde hier nicht zufällig gewählt. Die Schreibweise von Wolfgang Haase weist ausgesprochen „filmische“ Züge auf – von den sehr bildhaften Milieu- und Landschaftsbeschreibungen bis zu Rückblenden und filmschnittartigen Gliederun- gen und Verknüpfungen der einzelnen Handlungsstränge. Bestens vertraut mit den Möglichkeiten heutiger Bild- und Tontechnik, gestaltete der Autor die Buchvorstellung für die zahlreich erschienenen Gäste zu einem spannenden visuellen und akustischen Erlebnis. In einer kurzen Filmsequenz entführte er in die eisigen Weiten des Polarmeeres – dorthin, wo einer seiner Romanhelden auf rätselhafte Weise verschwunden war. Danach wurden wichtige Personen der Handlung Wolfgang Haase versetzte seine Zuhörerschaft in der Peter-WeissBibliothek mit seinem Krimi mächtig in Spannung. Foto: Sumpf vorgestellt und charakterisiert, einige Beweggründe ihres Agierens angedeutet. So wurde das Interesse der Zuhörer geweckt, die Spannung angeheizt: Wie geht es weiter, wie gestaltet sich das Schicksal der einzelnen Personen? Werden ihre Pläne aufgehen? Der Beifall am Ende der Veranstaltung zeigte: Es war eine gelungene Buchpremiere. Kein Wunder, dass die vom Autor mitgebrachten Exemplare seines Romans schnell vergriffen waren. Die nächste Veranstaltung der Peter-Weiss-Bibliothek findet am 12. April, 10.30 Uhr, statt. Unter dem Titel „Die eine Rose überwältigt alles“ werden Gedichte von Eva Strittmatter vorgetragen. Gertraude Sumpf Kultur & Freizeit jot w.d. 3/2015 9 Drollig strangulieren Tipps und Termine Vieldeutige, aus China heraus geschmuggelte Fotos von Liu Xia erstmals in Berlin Spitzenkünstler und Promis im Bräustübl „Liu Xia – eine Fotografin aus China“ heißt ganz unspektakulär eine neue Ausstellung im Martin-Gropius-Bau. Die Sammlung bildnerischer Darstellungen vor allem scheinbar schreiender Puppen erweitert bis zum 19. April den Horizont auf das Reich der Mitte. Oder über das Wesen von Diktaturen. Zwei Püppchen sitzen auf einem Stein am Strand und schreien auf das endlose Meer hinaus. Ein anderes steht entsetzt vor zwei Bücherstapeln. Ein drittes hält ein Brillenträger auf seiner Schulter fest. Ob es schreit, weil es dem Mann so viel Unglück brachte oder ob es überhaupt erst dem Schweigenden eine Stimme verleiht, bleibt der Interpretation des Betrachters überlassen. Ein viertes sitzt eingesperrt hinter einer Scheibe voller chinesischer Schriftzeichen und streckt doch dem Betrachter die Zunge heraus. Drollig und aus- bisschen chinesisch versteht.“ Am Ende fragt sich der Besucher, wie wenig es braucht, um eine Diktatur dermaßen gegen sich aufzubringen. Den Blick auf das endlose Meer versteht jeder Ostdeutsche automatisch. Die zwei Bücherstapel stehen für chinesische (gute) und westliche (schlechte) Einflüsse, jedenfalls aus Sicht des Regimes. Dabei wurde Kant schon 1900 ins Chinesische übersetzt, und Marx ist sowieso unverzichtbar – ein Spagat. Der Brillenträger ist der inhaftierte chinesische Friedensnobelpreisträger. Andere Motive zeigen uniformes (Puppen)Verhalten, erhängte Puppen, oder in Plastikfolie ihrer Atemluft beraubte Puppen. Gefährlich macht die Fotografin aus Sicht des Staates ein weiteres schweres Delikt: 1996 heiratete sie den Regimekritiker und späteren chinesischen Friedensnobelpreisträger von Friedensnobelreisträgers. Sie gilt selbst in China als bedeutende Künstlerpersönlichkeit. Die gebürtige Pekingerin war in den liberalen 1980-ern ein aktives Mitglied der lebendigen modernistischen Literatur- und Kunstszene, die damals in ihrer Heimatstadt aufblühte, berichtet das zur Ausstellung erhältliche Begleitheft. Zu jener Zeit verliebte sie sich in den umstrittenen jungen Universitätsprofessor und öffentlichen Intellektuellen Liu Xiaobo. Diese Verbindung kostete sie das Recht, ihre künstlerischen Arbeiten auszustellen und zu veröffentlichen. Ihre Werke sind seit dem Wendejahr im Reich der Mitte verboten – obwohl sie nicht an den Protesten auf dem Tiananmen-Platz teilgenommen hatte. Auch die „Charta 08“ hat sie nicht unterzeichnet. Das war ein Versuch einer chinesischen „Charta 77“ (die dazumal u.a. von Vier der Fotografien ohne Titel von Liu Xia aus der „Ugly Babies“-Serie, 1996-1999. drucksstark unangepasst sehen sie aus, die Püppchen. Erheitert über die kleinen Frechheiten und sinnierend über die nachdenklichen Szenen verließe man die Ausstellung, wären da nicht die Texttafeln. Denn die geben Auskunft über scharfe Bewachung und den seit Jahren bestehenden Hausarrest für die Künstlerin und übersetzen auch von ihr geschriebene Gedichte. Seit 1989 ist sie in ihrem Heimatland mit Ausstellungsverbot belegt. „Die Fotoarbeiten sind voll von Anspielungen auf die repressive Situation, in der sich die Menschen in China befinden“, erklärte zur Eröffnung Gereon Sievernich, Direktor des Martin-Gropius-Baus. „Das springt ins Auge, wenn man nur ein 2010, Liu Xiaobo. Die Hochzeit bestand aus einem einfachen Mittagessen im Arbeitsumerziehungslager. Der Status der Ehefrau gab Liu Xia einen rechtlichen Anspruch darauf, Liu Xiaobo zu besuchen. Liu Xia ist dabei weit mehr als die sehr stark belagerte und durch einen illegalen Hausarrest reglementierte Gattin des Lyrikerin, Romanciere, Malerin und fotografiert nur in schwarzweiß. In einer Serie ihrer Bilder stehen Puppen im Vordergrund, die sie ihre „hässlichen Babys“ nennt. Empörung und Entsetzen scheinen ihre weit aufgerissenen Münder widerzuspiegeln. In einem ihrer Gedichte von 1998 heißt es „Wir leben mit den Puppen zusammen / und sind von der Kraft der Stille umgeben / Mit der offenen Welt um uns herum / kommunizieren wir mit Gesten. Die liebevoll arrangierten Aufnahmen entstanden 1996 bis 1999, während Liu Xiaobos Haftzeit im Arbeitsumerziehungslager. Henson Stehling „Liu Xia – eine Fotografin aus China“. Bis zum 19. April im Martin-Gropius-Bau, Niederkirchnerstraße 7, direkt an der ehemaligen Mauer gegenüber dem Abgeordnetenhaus. Info www.gropiusbau.de. Fotos: Liu Xia, courtesy of Guy Sorman Vaclav Havel verfasst wurde), angenommen von rund 5000 dortigen Künstlern, ehe weitere Beteiligung verboten wurde. Die 56-Jährige bezeichnet sich selbst als unpolitisch. Ins Ausland gelangten die Negative auf geheimen Wegen. Liu Xia wusste nicht, ob, wo, wann daraus eine Ausstellung entsteht und wer sie macht. Liu Xia ist In China verfolgte Künstler: Liu Xiaobo (li.) und Liu Xia. Am 20. März 2012, dem „Jahrestag der politischen Lüge“, setzten sich Künstler und Institutionen mit einer weltweiten Lesung zum wiederholten Male für die Freilassung des chinesischen Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo ein, unter ihnen die Nobelpreisträger John M. Coetzee, Elfriede Jelinek, Doris Lessing und Herta Müller. Auch Breyten Breytenbach, Amos Oz und Salman Rushdie nahmen teil. An dieser damals zweiten weltweiten Solidaritätslesung beteiligte sich auch jot w.d.-Herausgeber „Verein zur Unterstützung öffentlicher Diskussion“; Vereinsmitglieder und -freunde lasen in der Kiste, Heidenauer Sraße 10, aus Werken bedeutender Autoren (siehe jot w.d. 4/2012). Evita, Mördergeneräle, ein kleines Mädchen und der Müll Lebendige Farbwelten und ein Blick in den verwirrenden Alltag Begegnungen in Buenos Aires Finissage mit Lesung im Kunsthaus Flora Marzahn – Mit Buenos Aires verbinden viele die Wiege des Tango, Evita und eine der besten Fußballtalenteschmieden der Welt. Das ist richtig – aber die Stadt ist viel mehr: Mit über 2,8 Millionen Einwohnern ist sie das Zentrum einer 13 Millionen Menschen umfassenden pulsierenden lateinamerikanischen Metropolenregion. Und Buenos Aires ist eine Stadt im Umbruch. Wolfgang Brauer besuchte sie im November 2014 und berichtet am 25. März, 19 Uhr, im Tschechowtheater, Märkische Allee 410, von seinen Begegnungen, von bösen und guten Abschnitten in Geschichte und Kultur und zeigt „Evitas“ letztes Kostüm, natürlich nur im Bild. Eintritt frei. Mahlsdorf – Unter dem Titel „Malerei – Collage – Zeichnung“ stellt Margret Döring derzeit im Kunsthaus Flora, Florastraße 113, eine Auswahl ihrer Werke vor. Die Mahlsdorfer Künstlerin zeigt eine vielfältige Mischung aus Bildern der vergangenen Jahre bis heute. Sie lädt ein, in ihre lebendigen Farb- und Gestaltungswelten einzutauchen und lässt dem Betrachter dabei viel Freiraum für eigene Assoziationen und Interpretationen. Am 27. März, 19 Uhr, lädt das Kunsthaus zur Finissage ein. Die Laudatio hält Ingrid Schreppel. Ab 20 Uhr liest Hans Döring aus „Verwirrender Alltag“. Die Ausstellung ist noch bis zum 7. April zu sehen, Mo bis Do von 8 bis 18, Fr bis 16 Uhr. I. Dittmann Friedrichshagen – In diesem Monat geben sich die Promis auf Einladung der „agentur heising“ wieder mal die Klinke in die Hand im gemütlichen Restaurant „Bräustübl“ am Müggelseedamm 164. Den Reigen eröffnet die Sängerin Ella Endlich am 6. März. Zum Frauentag am 8. März gratulieren Star-Coiffeur Udo Walz und Star-Visagist René Koch gemeinsam mit dem Sänger Volker Jung und Moderator Lutz Hoff. Am 13. März kommen die Jazz-Legenden Uschi Brüning und Ernst Ludwig Petrowsky in den Ballsaal (Beginn jeweils 19.45 Uhr, Einlass ab 18 Uhr). Die Revue „Big Helga ….een kleenet Menschenkind“ bringen Dagmar Gelbke und Wolfgang Flieder am 22. März nach Friedrichshagen (Beginn 18 Uhr, Einlass ab 16.45 Uhr). Boxtrainerlegende Uli Wegner ist am 28. März zu Gast bei Lutz Hoff (Beginn 19.45 Uhr). Karten Tel. 37 44 67 69 und an der Theaterkasse im Forum Köpenick. I.D. „Kofferradio“ von Julia Axen bis Helga Zerrenz Berlin – Wer sich gern an Schlager oder Popsongs der vergangenen 50 Jahre und deren Interpreten erinnert, für den ist das „Kofferradio“ jeden Sonnabend zwischen 14 und 15 Uhr die richtige Sendung. Zu empfangen über Antenne 88,4 und 90,7, im Berliner Kabelnetz 92,6 oder per Internet: www.alex-berlin.de, www.siggitrzoss.de oder www.radio-today.de. Am 7. März parodiert der Stimmimitator Jörg Hammerschmidt unter anderem Heinz Erhardt, Udo Lindenberg, Peter Alexander, Otto, Dieter Bohlen, Angela Merkel, Helmut Kohl und Erich Honecker. Moderator Siggi Trzoß erinnert zudem in Wort und Musik an den am 10. März 2011 verstorbenen Orchesterleiter und Klarinettisten Günter Gollasch. Am 14. März erklingen Hits aus der DDRSpitzenparade vom Februar/März 1965 mit Helga Brauer, Helga Depré, Rica Deus, Christian Schafrik, Ruth Brandin und Frank Schöbel. Unter dem Motto „Wenn der Frühling kommt“ mixt Siggi Trzoß am 21. März einen bunten Schlager-Cocktail mit Titeln von Manfred Krug, Britt Kersten, Sonja Siewert & Herbert Klein, Christl Bach und vielen anderen. Außerdem gibt’s eine „Frühlings-Gratulation“ an die Sängerin Julia Axen („Es wird immer wieder Frühling“). In der Sendung für Geburtstagskinder des Monats sind am 28. März u. a. Ulli Schwinge (Foto Dittmann), Sandra Mo/Jan Gregor, Pavel Novak, Ellen Tiedtke (85. Geburtstag am 16. März), Uschi Brüning und Zsuzsa Koncz zu hören. Am 4. April geht eine große Gruß- und Wunschsendung zum Osterfest über den Sender. Die Wunschliste ist nach Vorschlägen der Kofferradio-Hörer zusammengestellt worden. Zur Auswahl stehen u.a. Titel wie „Die ganze Straße kann nicht schlafen“ (Mary Halfkath), „Hätt ich nochmal die Wahl“ (Mo/Gregor), „Auf der Wiese haben wir gelegen“ (V. Fischer), „Keiner will es wissen“ (Helmut Kluwe) und „Maledetta primavera“ (E.M. Piekert). Musikwünsche an: Kofferradio, Alex-Berlin, Voltastraße 6, 13355 Berlin, email: [email protected], Fax 0309915023. I. Dittmann 10 jot w.d. 3/2015 Jugend-Bildung-Sport Sportkurs Selbstverteidigung Alle sind Sieger Marzahn – Im Jugendklub „Kick“, Fichtelbergstraße 18 A, gibt es noch freie Plätze im Tea kwon do- und Selbstverteidigungskurs. Dienstags von 17 bis 18 Uhr treffen sich Kinder zwischen 8 und 13 Jahren, von 18 bis 19 Uhr Jugendliche ab 14. Auch junge Mütter, die vielleicht zuvor bei ihren Kindern zugeschaut haben, können teilnehmen; bequeme Sportkleidung mitbringen, Sportschuhe sind nicht notwendig. Der Kurs ist kostenfrei und wird von einem Trainer mit schwarzem Gurt und 2. Dan durchgeführt. Bezirkssportbund kürte Sportler des Jahres 2014 Neue Gemeinschaftsschule Marzahn – Die Marcana-Schule, Flämingstraße 18, wird ab dem kommenden Schuljahr als dritte Gemeinschaftsschule des Bezirks fungieren. Mit dieser Schulform können Kinder von der Einschulung bis zur 10. Klasse in einer Schule bleiben. Sie werden dort unter Berücksichtigung ihrer individuellen Stärken unterrichtet. Bürgermeister Stefan Komoß begrüßte bei der Unterzeichnung des Kooperationsvertrages das Vorhaben als „bedeutsames Schulangebot im Norden Marzahns“, das für die Schüler ein „attraktives Angebot“ darstelle. Der Bezirk Marzahn-Hellersdorf saniert im Rahmen seiner Verpflichtungen die Schulgebäude vollständig, so dass ein angenehmes Lernumfeld entsteht. „Lesekisten“ in der Bibliothek Marzahn – Noch bis 30. April zeigt die „Mark-Twain-Bibliothek“ im FFM „Lesekisten“, die Schüler der 8. Klasse des Hellersdorfer Melanchthon-Gymnasiums gestaltet haben. Nach einem Bibliotheksbesuch hatten sie von ihrer Lehrerin die Aufgabe bekommen, ein Buch zu lesen und passend dazu eine Lesekiste zu gestalten. Die Idee der Lesekiste wurde 1998 von Dr. Jörg Knobloch entwickelt; der Pädagoge gilt als einer der Vorreiter der modernen Leseförderung in Deutschland. Inzwischen ist die Lesekiste eine beliebte Unterrichtsmethode im Deutsch- und Literaturunterricht. Eine kleine Kiste (beispielsweise ein Schuhkarton) wird passend zum Thema eines Buches gestaltet oder mit kleinen Gegenständen befüllt. Genau das haben auch die Hellersdorfer Schüler und Schülerinnen mit viel Liebe zum Detail und tollen Ideen umgesetzt. KORREKTUR: In Ausgabe 2/2015 hatten wir die Veranstaltung des Bürgervereins Mahlsdorf Süd (siehe Seite 5) für den 12. Februar angekündigt. Tatsächlich fand sie am 11. Februar statt. Wir bitten, den Druckfehler zu entschuldigen. Red. Marzahn-Hellersdorf – Nein, Sportarten, die in der großen öffentlichen Wahrnehmung stehen und (zumindest im professionellen Bereich) mit unvorstellbar großen Summen gestützt werden, standen erst gar nicht zur Wahl. Na ja, im Wuhlebezirk sind Erstliga spielende Fuß,- Hand- oder Volleyballer, Auto- oder Skirennfahrer, Preisboxer oder Basketballer auch nicht zu finden. Dass es hier dennoch Berliner und Deutsche Meister und international erfolgreiche Athleten in so genannten Randsportarten gibt, wird leider allzu oft „übersehen“. Da tut dann solch ein Preis wie „Sportler des Jahres“ gut. Die Nominierten (in den Altersklassen Kinder Jugendliche, Erwachsene, Senioren sowie Mannschaft) zeigten durchaus die Breite des sportlichen Angebots im Bezirk: Leichtathleten, Schwimmer und Boxer standen genauso auf der Liste wie Judoka, Orientierungsläufer; Boxer oder Faustballer. Auch Radsport, Tischtennis und Tennis waren vertreten. Bis auf ’s oberste Treppchen schafften es diese Athleten zwar nicht, Silber- und Bronzeränge erklommen sie durchaus. Ganz vorn dominierten die Leichtath- leten, mit Mayada Al-Sayad und Dennis Krüger (beide VfL Fortuna Marzahn) siegten bei den Erwachsenen die beiden „Stars“ des Bezirks, die sich auch Olympiahoffnungen machen können. Doppelt räumten auch die Faustballer von Stern Kaulsdorf ab, die mit Sophia Frenzel Gold bei den jugendlichen Mädchen und mit der Damen-Mannschaft (Bundesliga!) holten. Sophia darf sich sogar U 18-Weltmeisterin nennen. Neben den 24 „Medaillengewinnern“ wurden auch zwölf Ehrenamtliche ausgezeichnet. Einen ganz besonderen Eindruck hinterließen jedoch Helga Balkie, die als sehbehinderte Sportlerin Kata-Karate betreibt und Inge Gesell, die seit mehr als 70 Jahren sportlich aktiv ist und heute noch beim Bowling die Kugel Richtung Pins schickt. Sie erhielt einen Ehrenpreis. Bei der öffentlichen Wahl der Sportler des Jahres wurden mehr als 6200 Stimmen abgegeben. R. Nachtmann Abb.: Die Sportler des Jahres (o.), Ehrenpreis für Inge Gesell von Bürgermeister Komoß (li.), der junge Boxer Robert Tsaturyan erhielt seinen Preis von Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau. Fotos: Schuchert Schreibspieltheater Marzahn – „Von der Idee zur Inszenierung“ – so der Name eines Projektes, das Jugendlichen zwischen 13 und 18 Jahren derzeit in unserem Bezirk ein weites Spektrum künstlerischer Möglichkeiten eröffnet. Dazu vernetzen sich Beteiligte aus dem FFM, der JFS FAIR und der Mark-Twain-Bibliothek. Eine Zwischenbilanz der bisherigen Ergebnisse von Schreibwerkstatt und Theater ist am 7. März im Info- und Erlebnisstore des „Eastgate“ zu erleben. Am 27. März, 18 Uhr, wird in der Studiobühne des FFM u.a. zu einer Le- sung eingeladen. Es gibt außerdem Einblicke hinter die Kulissen, erste Szenen werden gezeigt. Die Malerin und Karikaturistin Antje Püpke lädt ein, sich im FAIR beim Entwerfen und Bauen eines beweglichen Bühnenbildes auszuprobieren. Das Stück „Selektion“ hat dann am 31. Mai, 11 Uhr, Generalprobe, die Uraufführung ist am 1. Juni geplant. Weitere Aufführungen gibt es bei „kultour à la carte“ am 7. Juni. Aufführungsorte sind Foyer und Lichthof des FFM sowie der Victor-Klemperer-Platz. I. Dittmann Ferien in Nordkorea Marzahn – Wie viele Touristen jährlich Nordkorea besuchen, lässt sich exakt sagen: wenige. Dabei hält so ein Urlaub im Reich von Kim Jong Un viele Überraschungen bereit: Autobahnen ohne Autos, Hotels, in denen der fünfte Stock fehlt, ein Tänzchen an der gefährlichsten Grenze der Welt zu den Klängen von „Tränen lügen nicht“. Christian Eisert machte sich auf die Suche nach Kim Il Sungs regenbogenfarbener Wasserrutsche. Die hatte er zum ersten Mal 1988 gesehen, als Schüler der Marzahner „Schule der Freundschaft zwischen der DDR und der KDVR“. Mit der Fotoreporterin Thanh Hoang, die ihn unter falscher Identität begleitete, ging er gut 25 Jahre später auf eine 1500 Kilometer lange Entdeckungsreise. Immer unter Beobachtung des Geheimdienstes. Am 11.März, 18 Uhr, liest Eisert in der „Kleist-Bibliothek“, Havemannstraße 17 B, aus seinem Buch „Kim und Struppi“ und zeigt zum Teil heimlich gedrehte Filmaufnahmen. Er erzählt von seiner Reise durch dieses faszinierende, brutale und bisweilen überraschend schöne Land. Eintritt frei, Info und Anmeldung Tel. 933 93 80. RN Glasauge und Lederhose im ICE Erlebnisse einer Schaffnerin Von den abgefahrensten Erlebnissen einer Zugbegleiterin will Juliane Zimmermann ihren Lesern berichten. Nicht zuviel versprochen, denn die Autorin hat so manches in und mit der Bahn erlebt. Wie die Geschichte mit dem Glasauge. Das hat ein Fahrgast auf der Toilette verloren. Nach intensiver Suche wird es dann zum Glück doch gefunden. Im Zug lernt die Autorin auch einen russischen Deutschprofessor kennen, der seine Rente mit dem Sammeln von Flaschen aufbessert. Und als Krönung findet sie eine vollgekackte Lederhose, die ein Reisender im Zug stehen gelassen hat. Dann ist da der Kofferdieb, den die Reue packt und der der Bestohlenen zumindest die für sie wertvollen Fotos zurückschickt – in einem Umschlag, den er mit seiner vollständigen Adresse versieht und der sich auch noch wundert, als wenig später die Polizei vor seiner Tür steht. Auch einer Art Stamm-Reisender begegnet Juliane Zimmermann. Sie kaufen sich eine Bahncard 100 und leben nur noch in den Zügen, mit denen sie quer durch Deutschland fahren. Das sei viel billiger als eine Wohnung zu mieten, lautet die verblüffende Erklärung. Nichts über deren Haarfarbe sagt die Autorin über die beiden jungen Frau- en, die im Speisewagen gewaltig auftafeln lassen und dann nicht bezahlen können. Sie wären gerade von einem All-inklusive-Urlaub in Thailand zurückgekommen, und auch im Flugzeug sei alles kostenlos gewesen, lautet die ziemlich hilflose Erklärung. Nicht immer geht es so lustig zu. Juliane Zimmermann erzählt von der Wut, die Reisende und Zugpersonal gleichermaßen packt, wenn der Zug auf freier Strecke stundenlang warten muss, weil entweder Kabeldiebe Signale außer Betrieb gesetzt haben oder sich meist Jugendliche ihren Spaß mit Bombendrohungen gemacht haben. Stressig wird es auch an den Wochenenden, wenn die Fans unterwegs zu Spielen der Fußball-Bundesliga sind. Noch schlimmer sei es allerdings, wenn der Karneval im Rheinland tobt, erzählt die Autorin. Auch die Gesellschaften, die in der Bahn so genannte Junggesellenabschiede feiern, seien für die Bahner nicht immer ein Quell reiner Freude. Zum Abschluss ein Tipp: Verzichten Sie auf das letzte, übel kitschige Kapitel und das Nachwort, damit Ihnen das Leseerlebnis nicht genommen wird. Hans Sandow Juliane Zimmermann: Der Teufel steckt im ICE, Bastei Luebe, 8,99 Euro. Umwelt & Verkehr jot w.d. 3/2015 11 E-Auto-Ladestation vorm Haus Neues Bonusheft zum VBB-Abo 65plus Mieter können sie auf ihrem eigenen Parkplatz errichten lassen Berlin – Das Bonusheft zum VBB-Abo65plus feiert Jubiläum. Die zehnte Ausgabe der kostenfreien Broschüre erschien am 1. März. Das Konzept des VBB, ein attraktives, zielgruppenorientiertes Preisangebot im Nahverkehr mit vielen Rabatten und Vergünstigungen bei Ausflügen, Aktivitäten und Übernachtungen in Berlin und Brandenburg zu verbinden, ist aufgegangen – mehr als 93 000 Seniorinnen und Senioren benutzen für ihre Mobilität die Bahnen und Busse und besuchen die Reiseziele in Berlin und im Land Brandenburg. Ob Museen, Thermen oder Hotels, alle Angebote im Bonusheft sind selbstverständlich bequem mit den öffentlichen Verkehrsmitteln err e i c h b a r. Alle Inhaber des VBBAbo 65plus können diese bis zum 31. Dezember so oft sie wollen in Anspruch nehmen. Das Heft gibt es ab sofort bei allen Verkaufsstellen von BVG, S-Bahn und DB Regio. Wer 65 Jahre oder älter ist, kann das VBBAbo 65plus erwerben. Das Tikket kostet monatlich 49,90 Euro, bei Einmalzahlung für ein Jahr 581,80 Euro. Es ist rund um die Uhr in allen Regiozügen, S-, Uund Straßenbahnen, Fähren sowie in mehr als 1000 Buslinien im Gebiet gültig. E. Krokowski Marzahn-Hellersdorf – Wohnungsmieter in der Großsiedlung, die sich ein Elektro- oder Hybridauto anschaffen wollen, haben einen nicht zu unterschätzenden Nachteil im Gegensatz zu Siedlern. Es fehlt an Ladestationen in Wohnnähe. Großvermieter degewo leistet da jetzt Abhilfe. Mieter können ab sofort ihr Elektroauto vor der eigenen Haustür mit grünem Strom aufladen. Die degewo hat dazu mit dem Ladedienstanbieter The New Motion eine Vereinbarung geschlossen. Nach der kann sich der Mieter auf eigene Kosten eine Ladestation auf seinem degewo-eigenen Parkplatz errichten lassen. „Wir schaffen für unsere Mieter die Möglichkeit, ihr Elektro- oder Hybridauto auf dem eigenen Stellplatz aufzuladen. Der Bedarf ist bei unseren Mietern vorhanden Mit den Ladestationen „Ilolo“ soll das Aufladen viel schneller gehen als mit herkömmlichem Kabel, verspricht der Hersteller. Foto: tnm und die Nachfrage steigt stetig“, platz deckt mehr als 90 Prozent der sagt Volker Ries, Energiemanager Ladevorgänge von Elektroautoder degewo. Matthias Pfeiffer von fahrern ab. Wir bieten dazu ein The New Motion fügt hinzu: „Das attraktives Gesamtpaket an, das Laden zu Hause und am Arbeits- für die Zukunft gerüstet ist.“ Mit der nun unterzeichneten Kooperationsvereinbarung wird die Ausrüstung von insgesamt 13 000 Stellplätzen geregelt, die von der degewo verwaltet werden. The New Motion bietet den Mietern umfangreiche Beratung an und übernimmt die Installation der Ladestation, die anschließend zum Mietereigentum gehört. Bei Kosten von etwa 800 bis 1000 Euro für eine Ladesäule spricht The New Motion von „attraktiven Preisen“, die auch für den Service gelten. Darüber hinaus profitieren Mieter von Sonderkonditionen für den gelieferten Strom vom Ökostromanbieter LichtBlick. Wo eine entsprechende Möglichkeit besteht, strebt die degewo die Belieferung der Ladesäulen mit Strom aus eigenen Photovoltaikund BHKW-Anlagen an. Ralf Nachtmann Kunst ist bestellt, Geld wird noch gesammelt IGA-Verantwortliche suchen vielfachen Kontakt zu Volk und Wirtschaft Marzahn – Neben den vielfältigen Bürgerforen stellten sich Katharina Langsch und Christoph Schmidt, die beiden IGA-Geschäftsführer, am 10. Februar auch den Fragen der Mitglieder des Marzahn-Hellersdorfer Wirtschaftskreises. Publikumsgemäß stellten die beiden ihre Marketing-Strategie, vorgetragen von Jeannine Koch, ins Zentrum. Zuvor hatte Wirtschaftsstadtrat Christian Gräff bei den versammelten Unternehmern kräftig die Trommel für eine Unterstützung des größten Ereignisses im Bezirk gerührt, das nur deshalb dahin kam, weil man die IGA nach dem Tempelhof-Aus nicht zurück gab, sondern sich in der Innenstadt „erinnerte: Mensch, wir haben da ja noch was in Westpolen, da können wir doch damit hin“. Jeannine Koch stellte klar, dass sie mit ihrem Marketing-Konzept (entwickelt mit der Agentur „different“) zuvörderst „die Besucherzielgruppe verjüngen“ will. Dazu sollen Slogans wie „Grüner wird’s nicht“ dienen. Prominente werben als „Berliner Pflanze“ (bisher nur) im Internet für die Ausstellung, der „Markenkern“ wird „Lebenskultur“ lauten, die „Markenwerte“ sind mit „leidenschaftlich, substanziell und authentisch“ benannt. „Glaubwürdig- keit, Profilierung und Relevanz“ sollen die „Gütekriterien“ sein. So richtig glücklich schien die Mehrzahl der Wirtschaftsvertreter mit dieser Art von „Werbesprech“ nicht zu sein. Von Interesse waren vielmehr die Möglichkeiten, sich (natürlich werbewirksam) einzubringen. Da haben Katharina Langsch und Jeannine Koch klare Zahlen genannt. Als „Hauptsponsor“ sind mindestens 200 000 Euro hinzublättern, als normaler „Sponsor“ wenigstens 100 000 Euro. Wer zwischen 25 000 und 100 000 Euro erübrigen kann, darf sich „Unterstützer“ nennen, ab 5000 Euro ist man als „Förderer“ dabei. In der Hauptsache wollen die Macher für das Geld Eintrittskarten und, je nach Status, mehr oder weniger exklusive Präsentationsmöglichkeiten zur Verfügung stellen. Die Frage eines Unternehmers nach kleinerem Engagement erzeugte bei den beiden Damen nicht unbedingt erfreute Gesichter. Dennoch wollen sie überlegen, welche Wege ins Kleinsponsoring führen könnten. Ein Firmenchef schlug eine Art „Kunstwerk“ vor, das die Namen der Spender öffentlich macht. „Mal sehen,“ antwortete die Geschäftsführerin. „Da finden wir sicher was.“ R. Nachtmann Internationale Künstler – einheimische Bäume Die Veranstaltung „Zur Sache IGA: Kunst“ in der Marzahner Markthalle am 12. Februar war fade wie das Einladungsplakat. Zu wenig Interessenten wurden aus Hoch- und Einfamilienhäusern zur Teilnahme gelockt. Ja, wenn das holländische „Unkraut-Bier“ nicht gewesen wäre ... Dessen Brauen hatte diese Zeitung in Ausgabe 10/2014, die nun erfolgte „Verkostung“ in Ausgabe 12/2014 angekündigt. Nun werden neun Künstler, „internationale Hochkaliber“, wie IGA-Geschäftsführerin Katharina Langsch betonte, mit viel Geld die Gartenschau kunstvoll gestalten. Einheimische waren auf dem Podium nicht zu sehen. Bei den Bäumen ist das anders: Da haben auf dem Kienberg einheimische den Vorrang, Neophythen werden rasant abgemäht. Manch Einwohner und Umweltschützer ärgert sich darüber. Vier der neun Künstler waren anwesend und konnten sich (trotz zuweilen streikender Tontechnik!) wortgewandt und mit Bild-Projektionen vorstellen. Seraphina Lenz beispielsweise, eine international anerkannte Bildhauerin, wickelte entsorgte Weihnachtsbäume vom Straßenrand in rote Tücher und verarbeitete sie so zu Skulpturen. Auch aus Sperrmüll schuf sie künstlerisch Interessantes. Vielleicht kann sie aus den am Kienberg abgesägten Die Verpackung des „Unkraut-Bieres“ weist durchaus auf Marzahn hin, doch zur Darstellung auf dem Veranstaltungsplakat ergibt sich eine deutlich sichtbare Diskrepanz. Foto-Montage: Reineke Bäumen und Sträuchern samt Wurzeln Ähnliches vollbringen. Daher sollte nicht alles davon jetzt entsorgt werden. Der Aktionskünstler Michael Sailstorfer ließ Autoreifen an der Wand routieren. Dafür kann er sicher auch Einiges vom vergrabenen Altmaterial aus der Kienbergerde künstlerisch nutzen. Noch ist für die beiden, wie sie sagten, Marzahn-Hellersdorf ein weißer Fleck. In Natura zu sehen war auf der Veranstaltung zumindest der „künstlerische Flaschenkarton“, aus dem die jungen Holländerinnen eine Anzahl schwarzer Flaschen mit dem schon genannten „Unkraut-Bier“ aus Marzahn zauberten und so einige Teilnehmer in den hinteren Reihen, den Autoren inclusive, zu „süffisanten“ Bemerkungen verführten. Und die Brauerinnen bekannten fröhlich, dass ihr erster Eindruck vom Bezirk (endlose trostlose Fensterreihen der Hochhäuser, wie auf dem Karton zu sehen) längst verflogen und einem Blick auf die grünen Seiten gewichen ist. Schade nur, dass ein wenig solches Grün, etwa früh blühende Apfelbäume, der „Kathedrale“ (Langsch) in der Markthalle bisher fehlt. Und die wenigen Fragen der immer weniger werdenden Zuhörer konnten auch nicht so recht zufriedenstellend beantwortet werden. Insofern hat nicht nur die IGAGeschäftsführerin noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Lutz W.R. Reineke IGA-Spaziergang am Wuhleteich Marzahn – Der stellvertretender Fraktionsvorsitzende und Sprecher für Umweltpolitik der Linksfraktion, Frank Beiersdorff, lädt am 16. März zum IGA-Spaziergang am Wuhleteich und im Wuhletal mit Angele Schonert vom NABU Berlin ein. Treffpunkt 14.30 Uhr am U-Bahnhof Neue Grottkauer Straße. T. Braune Begleitservice gesichert Berlin – Der Bus&Bahn-Begleitservice des VBB kann seine Arbeit fortsetzen. Im vergangenen Jahr lief ein Großteil der Arbeitsverträge fristgemäß aus. Über die Weiterfinanzierung der rund 80 benötigten Stellen hatten sich die Jobcenter mit dem Arbeitssenat geeinigt. Die im vergangenen Juli reduzierten Servicezeiten konnten im 1. Quartal wieder auf die Abendstunden und das Wochenende ausgeweitet werden. Der VBBBegleitservice unterstützt mobilitätseingeschränkte Fahrgäste im Öffentlichen Nahverkehr und kann bis spätestens am Vortag der Begleitung per Tel. 34 64 99 40 oder Internet www.vbb.de/begleitservice angefragt werden. E.K. 12 jot w.d. 3/2015 Wirtschaft & Soziales Sonntagsvorlesung im Kesselhaus Tor auf? Tor zu? Biesdorf – Am 15. März heißt das Thema der Sonntagsvorlesung des Unfallkrankenhauses „Ärzte ohne Grenzen – Einsatz in Jordanien“. Dr. Michael Weitzel von der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie war dabei und erzählt darüber ab 10.30 Uhr im Hörsaal des historischen Kesselhauses, Warener Straße 7. Eintritt frei. I.D. Sind Flüchtlinge hier willkommen? Eine Antwort voller Stolpersteine Keine Arbeit für Hartzer Berlin – Immer weniger Hartz 4-Empfängern in Deutschland gelingt der Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt. Schafften es 2010 noch mehr als 254 000, waren es 2014 nur noch etwas mehr als 185 000. Zwar hatte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles im vergangenen November ein „Paket gegen Langzeitarbeitslosigkeit“ für 2015 angekündigt, doch Medien, Opposition und Sozialverbände zeigen sich skeptisch. Zu klein das Budget, zu groß das Problem. Die genannten Zahlen hat die Linksabgeordnete im Bundestag Sabine Zimmermann bei der Bundesagentur für Arbeit abgefragt. Die Statistiken machen sogar deutlich, dass viele Betroffene aus der behördlichen Erfassung verschwinden, ohne eine Arbeit aufzunehmen. 2014 ging mehr als die Hälfte derer, die ihre Langzeitarbeitslosigkeit beendeten, in die „Nichterwerbstätigkeit“, z.B. in Rente. Nur etwa jeder achte Betroffene schied aus der Statistik aus, weil er eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt fand. Da die Statistik jene nicht mitzählt, die „Maßnahmen“ durchlaufen oder krank geschrieben sind (das sind nahezu 700 000 Menschen), ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen stets größer als die offiziell verlautbarte eine Million. R. Nachtmann Mein sympathischer Gesprächspartner erzählt über seine Kinder in Kita und Schule, Berufsleben und Frau. Alles könnte so normal sein wie auch sonst bei derartigen Gesprächen. Aber ich dürfte keinerlei Einzelheiten über ihn und seine Familie schreiben, sagt er mit Nachdruck. Seine Familie wolle er vor weiteren schlimmen Erlebnissen schützen. Er ist Kurde, Bürgerkriegsflüchtling aus Syrien und seit Eröffnung des Heimes in der CarolaNeher-Straße. Es sei weniger die Angst vor Schreihälsen, die ab und zu in der Nähe des Heimes auf sich aufmerk- Flüchtlingskinder am Schulessen teilnehmen. Warum es woanders nicht gehe, sei unklar. Wahrscheinlich waren die Flüchtlinge schneller da, als die Schulleitungen mit den zuständigen Verwaltungen das warme Mittagessen für die Flüchtlingskinder auf die Reihe bekamen. UNGLAUBLICHE DINGE GESCHEHEN Als unser Gespräch an diesem Punkt auf die Ausländerverwaltung in Deutschland kommt, muss mein ansonsten recht ernster Gegenüber lä- Dilemma beim Fahren in Tram oder U-Bahn ohne Ticket erwischt wird, bekommt einen Strafbefehl wegen Erschleichung von Leistungen, dafür kann man aus Deutschland abgeschoben werden. Ich frage nach der medizinischen Betreuung. Es gibt Notkrankenscheine, die Flüchtlinge mit akuten Erkrankungen werden versorgt. Anders sieht es für viele traumatisierte Erwachsene und auch Kinder aus. Hier verhindern Sprachprobleme und andere Hürden die in vielen Fällen notwendige psychische Betreuung und Behandlung. So bleiben Flüchtlinge mit ihren unbehandelten schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen ohne reale Chance auf ein normales Leben oder einen Job. GENEHMIGUNGSDSCHUNGEL Foto: ap sam machen. Er sei allerdings hinreichend gewarnt seit seiner erzwungenen Flucht vor Geheimdiensten, zudem auch geübt im Umgang mit einer sehr sensiblen Bürokratie. Denn Flüchtlingsfamilien, so seine Erkenntnis, haben weder in der Türkei noch in Deutschland einen sicheren Status. Das Heim an der Carola-Neher-Straße selbst sei sehr gut eingerichtet, da habe er schon ganz andere Flüchtlingsunterkünfte kennenlernen müssen. Die Sanitäranlagen sind auf gutem Niveau, Spielzeug, besonders für die vielen kleinen Kinder, ist da, die Betreuung soweit ok. Woanders in privaten Herbergen fehlen dagegen jegliche Mindeststandards, behördliche Heimkontrollen haben keinen Zugriff, da den Willkommensklassen, wer gut in Deutsch ist, kann auch auf normale Schulen wechseln. Studenten aus der Alice-Salomon-Hochschule und weitere freiwillige Helfer unterstützen die Kinder nicht nur bei Hausaufgaben. Schwieriger ist es mit den knappen Kita-Plätzen, alle Kinder sollten aber noch vor der Einschulung die deutsche Sprache erlernen. Frustrierend ist es, wenn die Flüchtlingskinder kein Schulessen bekommen und in der Mittagspause unter sich bleiben. Diese Ausgrenzung, das haben ihm Flüchtlinge aus Lichtenberg und anderen Teilen Berlins berichtet, gäbe es dort nicht. Hier haben sie nur in der Peter-Pan-Grundschule eine Lösung gefunden, dort können die cheln. Es passierten einfach unerklärliche Dinge! Bekannte haben ihm Unglaubliches erzählt: Sie kamen in der Verwaltung in der Berliner Turmstraße nach tagelangem Warten endlich an die Reihe, erhielten wohl nach dem Lotterieprinzip eine teure Fahrkarte zu einer zugeteilten Unterkunft in irgendeinem fernen Winkel in Süddeutschland. Dort war aber gar kein Platz frei, und so gab es die Rückfahrkarte nach Berlin. Für das so verschwendete Geld könnte man wohl sinnvollere Dinge anstellen. Denn traurig ist es, wenn man in Deutschland eintrifft und erst mal gar kein Geld in der Hand hat. Zur Bearbeitung der Anträge in der entfernten Ausländerbehörde kann man nicht hinlaufen. Wer in diesem Aber das größere Integrationsproblem als die verständlichen Sprachbarrieren, so verstehe ich die konkreten Erfahrungen des Flüchtlings, sind langwierige Recherchen der Behörden, bis überhaupt ein Aufenthaltsstatus gewährt wird, und ein für Flüchtlinge besonders schwer durchschaubarer Genehmigungsdschungel für jegliche Leistungen danach. Ganz zu schweigen vom Wohnungsmangel, der anders aussehende Menschen besonders hart trifft. Kann es sein, dass Berlin „seine“ Flüchtlinge und zumindest gut ausgebildeten Migranten offiziell willkommen heißt, aber eigentlich (nach den weitaus größeren Flüchtlingsströmen der neunziger Jahre) alle Eingliederungskapazitäten in den Behörden und bei den Unterkünften unverantwortlich heruntergefahren hat? Ohne jeglichen vorausschauenden Blick auf die längst sichtbaren Probleme aus der immer tieferen Spaltung der Welt in behütete reiche Wohlstandszonen und vernachlässigte, verarmte Krisen- und Kriegsgebiete? Aber da sind wir beim Thema „Sparen bis der Notarzt kommt“ mit einem Untertitel „Hastig vorbereitete Containerlösungen für Flüchtlinge“, was einer gesonderten Betrachtung bedarf. Ulrich Clauder „Ich hab Rücken“ Ateliers im Angebot Hellersdorf – Es sind neue Atelierräume für professionelle Künstler verfügbar. In den Boulevards rund um die Helle Mitte (Hellersdorfer Promenade und dem Kastanienboulevard) bietet Vermieter „Deutsche Wohnen“ Ateliers an. Zumeist sind nur Nebenkosten und Strom zu begleichen. Die künstlerische Nutzung der Immobilien (keine Wohnimmobilien) soll von außen deutlich erkennbar sein. Denn hinter dem Angebot steckt nicht nur ungenutzter Gewerberaum, sondern auch die Idee: Wenn Künstler, Kunstprojekte und Aktionen im Öffentlichen Raum dazu etwas beitragen können, wäre es für alle Bewohner ein Gewinn. Info und Bewerbungen bei Karin Scheel, Galerie M, Tel. 54 50 294, email: [email protected]. R.N. werden aus purer Geldgier auch schon mal sechs Leute in einen Raum gepfercht. Warum Sozialämter oder Jobcenter solche privaten „Vermieter“ oder besser Gauner dann noch mit Unterbringungszahlungen füttern, ist für mich schwer verständlich. Aber zurück zur eher positiven Darstellung der Situation in Hellersdorf aus dem Munde meines Gesprächspartners: Die Aufnahme der Flüchtlingskinder in Kitas und Schulen zeige, dass viel für die Integration der Heranwachsenden geleistet wird. Unterricht gab es zeitnah nach der Ankunft für alle Kinder in Tag der Rückengesundheit am 15. März „Sie haben es in der Hand – Rükkenschmerzen bieten Chancen“, so lautet das Motto des 14. Tags der Rückengesundheit am 15. März. Der bundesweite Aktionstag wird in enger Zusammenarbeit zwischen dem Bundesverband der deutschen Rückenschulen und der Aktion Gesunder Rücken organisiert. Das diesjährige Thema macht deutlich: Auch wenn Rückenbeschwerden schmerzhaft und unangenehm sind, so sollten sie auch als Anlass genutzt werden, Einstellungen und Bewertungen zum Schmerz zu verändern und langfristig einen rückenfreundlichen Lebensstil zu führen. Denn ein Großteil der Schmerzen kann mit Hilfe von Bewegung, der Änderung des eigenen Alltagsverhaltens und einer sinnvollen Gestaltung des persönlichen Umfeldes wirksam gelindert werden. Als Schirmherrin konnte dieses Jahr Helga Kühn-Mengel, MdB und Präsidentin der „Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung“, gewonnen werden. Sie begrüßt das diesjährige Thema, denn: „Die Initiatoren bekräftigen damit, dass wir stets von der Gesundheit und nicht von der Krankheit her denken sollten – also nicht immer nur fragen: Was macht uns krank, sondern vielmehr darüber nachdenken, was uns gesund erhält oder gesund macht! Das Motto: Rückenschmerzen bieten Chancen – und zwar mit Blick auf die Möglichkeiten, die wir als Betroffene selbst in der Hand haben. Unser Beitrag zur Vermeidung oder zur Bewältigung von Rückenbeschwerden besteht nämlich auch Solche Yoga-Übungen kann nur ein gesunder Rücken. Foto: jeff in einer gewissen psychischen Widerstandsfähigkeit, der so genannten Resilienz. Diese kann uns helfen, erst gar nicht alles an uns heran zu lassen, und das, was uns dann doch noch beeinträchtigt und verletzt, was uns trifft und schmerzt, aktiv und ‘widerborstig‘ anzugehen. Nicht nur die körperliche, auch die seelische Widerstandsfähigkeit ist mithin ein wesentlicher Schutzfaktor für unsere Gesundheit.“ Gesundheitsakteure wie ärztliche und therapeutische Praxen, Rükkenschulen, Apotheken sowie Fachgeschäfte bieten an diesem Tag ein umfangreiches Programm mit zahlreichen Aktionen an. Im Zentrum steht dabei die Aufklärung über die Therapie und Prävention von Rückenbeschwerden. I. Dittmann Feuilleton jot w.d. 3/2015 Historisches Kalenderblatt: Flammentod der Alice Herz Vor 50 Jahren, am 16. März 1965 im fernen Detroit (USA), entschied sich die damals 82-jährige Alice Herz, ihrem Protest gegen den Vietnamkrieg der USA mit ihrem Flammentod Nachdruck zu verleihen. Fragt man sich, was dieser Fakt mit unserer Regionalgeschichte zu tun hat, so muss man feststellen: sehr viel, denn Alice Herz hat von 1922 bis 1933 in Mahlsdorf gelebt und musste, da die Familie ihrer Abstammung nach Juden war, mit ihrer Tochter Helga Deutschland verlassen. Sie ist auf abenteuerlichen Wegen über die damalige Tschechoslowakei, die Schweiz und Frankreich schließlich in die USA emigriert und hat sich der amerikanischen Friedensbewegung angeschlossen. Laut Polizeibericht war sie durch Teilnahme an Protestdemonstrationen gegen die Blockade Kubas, ihr Eintreten für eine vernünftige Nuklearpolitik und ihren Protest gegen den Gebrauch von Wasserstoff- und A-Bomben, den Besuch von Versammlungen zu Gunsten von „Fair Play for Cuba Committee“ und der studentischen Friedensunion und anderen Friedensdemonstationen polizeibekannt. Sie war Mitglied der „Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit“ und der Bewegung „Frauen streiken für den Frieden“, eben eine Pazifistin, immer unterwegs, um gegen den Krieg zu demonstrieren. Um sich Gehör zu verschaffen, hatte sie den Flammentod der Buddhisten auf dem Gelände der Wayne Universität von Detroit am 18. März 1965 gewählt. Als sie jedoch zwei Tage zuvor in die Universität gegangen war, um Fotokopien von ihrem letzten Aufruf „An die Nationen der Welt“, gerichtet an U Thant, seiner Zeit UN-Generalsekretär, zu machen, hatte sie ein Blatt im Kopiergerät liegen lassen. Das veranlasste sie, Zeit und Ort zu verändern. So erfolgte die öffentliche Selbstverbrennung bereits am Abend des 16. Märzes 1965 gegen 21 Uhr im Westen der Stadt Detroit vor einem Einkaufszentrum. In einem Abschiedsschreiben bat sie ihre Tochter Helga „um Verzeihung für den furchtbaren Schlag“ und schrieb weiter: „Wenn Du verstehst, warum ich das getan habe, wirst Du es annehmen. Weine nicht und klage nicht. Ich tue dies nicht aus Verzweiflung, sondern auf Grund meiner Hoffnung für die Menschheit.“ Der Opfertod der Alice Herz hat in der weltweiten Friedensbewegung eine positive Resonanz gefunden, dies nicht nur in einem Friedenslied mit dem Titel „Alice was her name“, sondern auch mit der Gründung eines „Alice-Herz-Memorial-Peace-Fund“ zur Hilfe für das vietnamesische Volk sowie für die Atombombenopfer von Hiroshima und Nagasaki durch den Japanischen Philosophen Prof. Shingo Shibata, der auch die Schriften von Alice Herz gesammelt und herausgegeben hat. Seit 2003 gibt es in Mahlsdorf einen AliceHerz-Platz zur Erinnerung an die Friedenskämpferin. Harald Kintscher Das Bild von Alice Herz fanden wir auf einer vietnamesischen Website. (Das Historische Kalenderblatt wird gemeinsam mit dem Heimatverein des Bezirks gestaltet.) 13 Abgründig Ein überflüssiges Buch eines Komikers Ein hübscher Buchtitel. Ein erschwinglicher Preis. Und dazu erklärt der Klappentext: Abgründig, dreist und blitzgescheit, vor allem aber immer wieder überraschend und schmerzhaft komisch: Mit seinen neuesten Kurzgeschichten und Glossen übertrifft Jürgen von der Lippe einmal mehr sich selbst. Also ran an das Werk des Meisters der Fäkal- und Genitalkomik. Aus der Vorfreude wird bald ein langes Gesicht. Da schreibt ein Mann, der sich nicht weiterentwickelt hat. Auf Seite 15 lesen wir das erste Mal das Wort „Pimmel“. Von der Lippes Kurzgeschichte heißt „Theater“. Da steht dann: „Letztens hat sie zu einem Exhibitionisten gesagt, als er den Mantel öffnete und fragte: Weißt du, was das ist?“ Und ein Mann antwortet: „Lassen Sie mich raten. Sie sagte: Sieht aus wie ein Pimmel, nur viel kleiner.“ Und irgendwo wird jemand sitzen, der sich beim Lesen auf den Schenkel haut. Aber das ist auch alles. Und später, in der Geschichte „Alles Banane“ dann wieder so ein Witz. „Eine Banane und ein Vibrator liegen auf dem Nachttisch, sagt die Banane, was zitterst du denn so, wer wird denn gleich gefressen, du oder ich?“ - Und das geht fast 230 Seiten genau so weiter. Zoten und Sexismus. Allerdings enthält das Werk auch wichtige Bildungsinhalte, weshalb meine Tageszeitung es in ihrer Bestsellerliste auch als Sachbuch führt. So erfährt der Leser, dass das beste Stück des ägyptischen Königs Faruk nur drei Zentimeter lang war und er dennoch Kinder hatte. Auch sehr schöne Schimpfwörter in Portugiesisch, Spanisch und Rumänisch hat Lippe auf dem Lager. Wenn ein Portugiese Ihnen rät „Vai t`a por num porcu“ heißt das nichts weiter als „geh ein Schwein ficken“ und ist durchaus nicht immer böse gemeint. Doch damit genug der schrecklichen Bespiele. Am Anfang heißt es: „In einem Vorwort schreibt der Autor gemeinhin ein paar Dinge, die zum besseren Verständnis des Buches gereichen sollen. Bei einem komischen Buch gerät so was eher zur humoristischen Bankrotterklärung, denn wenn es schon Erklärungen nötig hat, lässt man es besser ganz.“ Warum hat er sich bloß nicht daran gehalten? Hans Sandow Jürgen von der Lippe: Beim Dehnen singe ich Balladen, Knaus, 14,99 Euro. Lang schon bekannt: Der Mensch ist weder Engel noch ein Tier, und sein Unglück ist, dass er umso mehr vertiert, je mehr er Engel sein will. *** Es gibt nur zwei Arten von Menschen: die Gerechten, die sich für Sünder halten, und die Sünder, die sich für Gerechte halten. *** Ich behaupte: Wenn alle Menschen wüssten, was sie voneinander sagen, gäbe es keine vier Freunde auf der Welt. *** Niemals tut man so vollständig und so gut das Böse, als wenn man es mit gutem Gewissen tut. *** Die Menschen rufen niemals so viel Leid hervor, als wenn sie aus Glaubensüberzeugung handeln. *** Die Welt wird durch Gewalt beherrscht, nicht durch Meinung; aber Meinung verwendet Gewalt. Blaise Pascal, 1623 – 1662, französischer Religionsphilosoph und Naturwissenschaftler Nie mehr an sich zweifeln Kabarettistin und jot w.d.-Kolumnistin Dagmar Gelbke avanciert nach der „ollen Zicke“ zur Mutter Oberin – und das trotz Dauererkältung Ich brüte gerade über der sechsten schweren Erkältung in sechs Monaten. Da kann doch nun wirklich was nicht stimmen in meinem Körper! Aber alle Blutwerte top – und selbst das gestresste Herz hat sich seit drei Jahren nicht verändert und ist so stark, dass nichts unternommen werden muss. Mir geht es aber so schlecht, dass ich sogar meinen Urlaub auf Zypern abgesagt habe und die arme Elli allein losdüsen muss. Zwar hätte mir die Luftveränderung, auf die meine Eltern in den 1950er Jahren noch schworen, vielleicht geholfen – aber eben nur vielleicht. Wäre ja doch wieder Stress gewesen: Von einer Ruine zur anderen zu jagen… Geholt habe ich mir diesen Infekt sicherlich bei Herbert Köfer. Er hat uns alle gewarnt, ihn zu umarmen – aber wenn jemand an seinem 94. Geburtstag eine so berührende Vorstellung von „Rentner haben niemals Zeit“ liefert, muss man ihn einfach knuddeln, egal wie erkältet er ist. Meine Premiere von „Heiße Zeiten“ in Datteln bei CastropRauxel war übrigens einfach wunderschön, mein Kind – inzwischen frisch getrennt von ihrem eigentlich netten, aber doch wohl zu jungen Freund – saß etwas verstört zwischen den fröhlichen, kostümierten WeiberfastnachtsWeibern, die uns zujubelten. Sie fand: So mag sie ihre Mutter nicht wirklich – so streng wie die Rolle es nun mal verlangt. Aber meine Kollegin Margit Meller war hellauf begeistert von mir als oller Zicke und überraschte mich mit hochroten Bäckchen der Emotionen auf ihrem Gesicht. Mit ihr bin ich dann auch im azurblauen Suzuki zurück nach Frankfurt (Oder) geflogen – 600 Kilometer in fünfeinhalb Stunden mit Pause, das ist doch super für ein 14 Jahre altes Fahrzeug! Bernd Julius Arends, der Theaterleiter in Datteln, ist wirklich ein hinreißender Mensch. Schon drei Tage nach der Premiere rief er mich an und sagte: „Ich kann ohne Deine Stimme nicht mehr leben! Das Haus ist wie tot ohne Deine Gesangsübungen nachts halb drei. Willst Du nicht die Rolle der schwerhörigen Mutter Oberin in „Nonnstop“ übernehmen?“ Ja – habe ich ohne Überlegung gesagt. Es ist eine Nonnen-Revue, die Bernd Julius geschrieben hat, ein Heidenspaß, und ich werde lediglich für drei Vorstellungen einspringen. Das klingt nach viel Stress, und ich habe auch schon wieder Angst, es nicht zu schaffen. Aber eigentlich habe ich mir geschworen, nie mehr an mir zu zweifeln, nachdem ich den Videomitschnitt von „Heiße Zeiten“ gesehen hatte. Und das machen die jungen Kolleginnen inzwischen alle so: Sie springen ein, wo eine Lücke entsteht, und das liest sich dann gut im Lebenslauf, oder wie es neudeutsch heißt: in der Vita. Gut, meine rentenpflichtige Vita ist bald abgelaufen, aber wer diese Kolumne regelmäßig liest, weiß, dass ich nie aufhören werde zu lernen und immer versuchen werde, an meinen Aufgaben zu wachsen. In Frankfurt (Oder) war man ‘not amused‘, weil ich nun so oft so weit weg bin – tja, so was kommt von so was: Hätte der (ich unke mal) zukünftige Theaterleiter Lothar Bölck mich nicht so grundsätzlich aus dem diesjährigen Sommertheater heraus geschrieben, hätte ich Datteln gar nicht annehmen können. Zwar wird, zumindest am Theater, im Westen noch schlechter gezahlt als im Osten, aber Geld ist bekanntlich nicht alles: Ich werde gefordert und nicht als selbstverständliches Mobiliar behandelt, das man nach Belieben nutzen oder auch verstauben lassen kann. Ansonsten gibt es noch wahre Liebe auf der Welt: In meinen Kellergemächern logiert seit An- fang Februar ein junger Mann (38) aus Hongkong, der um die halbe Welt gereist ist, um seine Freundin zu finden, die vor zweieinhalb Jahren herkam und sich vor sechs Monaten per sms von ihm getrennt hat. Er spricht keine andere Sprache außer Kanton, wir kommunizieren über ein PCgesteuertes Übersetzungsprogramm, die Freundin lässt sich an ihrer Arbeitsstelle in einem Chinarestaurant verleugnen – und er will nicht glauben, dass sie mit ihm abgeschlossen hat. Ja, das ist großes Kino im Hause Gelbke, das aber hoffentlich nicht noch tragisch endet. In diesem Sinne wünsche ich allen jot w. d. - Lesern einen schönen Frühlingsanfang! Eure mal wieder sprachlose Daggie Bin mal wieder in Eurer Nähe auf der Bühne: 22. März, 18 Uhr, Bräustübl, Friedrichshagen: „Big Helga Hahnemann – een kleenet Menschenkind“, 27. März, 19 Uhr, Tschechow-Theater, Marzahn: „Dagmar Gelbke – mal wieder solo“. 14 jot w.d. 3/2015 Empfehlungen Bühne West-Berlin Buch und Ausstellung eröffnen einen spannenden Blick „nach drüben“ Rechtliche Ratschläge Hellersdorf – Im Frauenzentrum Matilde, Stollberger Straße 55, gibt es am 11. März (Sozialrecht) und 25. März (Familienrecht), jeweils 16-18 Uhr, Rechtsauskünfte. Info und Anmeldung Tel. 564 00 229. RN Folgt man den Mainstream-Medien und den Unmengen Berlin-Büchern in den Souvenirläden der Hauptstadt, gewinnt man leicht den Eindruck, die Nachkriegsgeschichte Berlins habe nur in Ost-Berlin stattgefunden. Und da reduziert sie sich in diesen Darstellungen genaugenommen auf Mauer, Stasi, FDJ- und Kampfgruppenaufmärsche sowie Widerstandsaktionen in Kirchenkellern. Und auf die „Legende von Paul und Paula“. Aber auch Paul war bei der Stasi und Paula wäre, hätte man sie gefragt, sicherlich auch lieber in den Westen gegangen, als sich der Anbaggerei durch den Herrn Reifen-Saft auszusetzen. Das kennen wir, daran sind wir gewöhnt. Aber da war doch noch irgendwas hinter der Mauer ... Richtig! Der Westen. Über den Westen erfuhr man bislang wenig. Auch dessen Nachkriegsgeschichte reduzierte sich im Alltagsbewusstsein auf die Mauer – von der anderen Seite natürlich –, RIAS und AFN, „Isch bin ein Bärliner!“ und die „Grüne Woche“. Ach so, um die langen Kreuzberger Nächte wusste man auch noch, und 1968 war auch irgendwas. Aber da musste doch mehr gewesen sein, als die von Polit-Figaros immer noch gern frisierte Geschichte, die uns WestBerlin hauptsächlich als nimmermüden Kämpfer gegen die russische Unfreiheit des Ostens darstellt ... 2002 schlug Olaf Leitner mit seinem Gesprächsbuch „West-Berlin! Westberlin! Berlin (West)!“ ein erstes Loch in diese Mauer in den Köpfen. 2006 brachte das Kreuzberg Museum den Fotografen der SEW-Zeitung „Die Wahrheit“, Jürgen Henschel, wieder in die Öffentlichkeit. Von ihm stammt das zur Ikone gewordene Foto des sterbenden Benno Ohnesorg. Jetzt nahm sich die „Stiftung Stadtmuseum Berlin“ der fast vergessenen Geschichte von zwei Dritteln des Berliner Stadtgebietes an. Bis Ende Juni läuft im Ephraim-Palais die Sonderschau „West:Berlin“, und parallel dazu ist im Märkischen Museum die Ausstellung „Bühne West-Berlin. Fotografien von Harry Croner aus vier Jahrzehnten“ zu besichtigen. Croner (1903-1992) übergab noch zu Lebzeiten sein gewaltiges Bildarchiv dem Berliner Stadtmuseum: 100 000 Positive und 1,3 Millionen Negative! Immerhin hatte er vierzig Jahre lang die Geschikke der Stadt als freier Bildjournalist begleitet. Er dokumentierte das zertrümmerte Berlin, fotografierte die Stadt bewegende Ereignisse wie den Prozess gegen die Gladow- Bande 1950, begleitete den Wiederaufbau in West wie Ost, in den 1950-er Jahren eigentlich nur noch im Westen – und er tauchte mit seiner Kamera überall da auf, wo Theater, Kino und „Kleinkunst“ in ihrer ganzen Bandbreite zu finden waren. Damit wurde Harry Croner zu dem Chronisten der Berlinale und des Westberliner Theatergeschehens. Von seinen großartigen Fotos sind neben der erwähnten Ausstellung rund 300 in einem vom Stadtmuseum herausgegebenen Fotoband zu bewundern. Alle, aber auch alle sind sie vertreten: Helene Weigel, Conny Froboess und Bubi Scholz. Horst Buchholz, Hanna Schygulla und Tilla Durieux. Katharina Thalbach, Romy Schneider und Inge Keller. Und, und, und ... Großer Glanz und auch so manche Erbärmlichkeit: Am 3. Mai 1960 wurde vor dem Titania-Palast an der Steglitzer Schloßstraße demonstriert. Marlene Dietrich trat auf, und es erschallen Rufe wie „Marlene go home!“ Mitten im amerikanischen Sektor demonstrierte man gegen die „Vaterlandsverräterin“. Auch das war West-Berlin. Der kleine Museumsverlag gab ein großes Buch heraus. Wolfgang Brauer Peter Schwirkmann u.a. (Hrsg.): Bühne West-Berlin. Fotografien von Harry Croner aus vier Jahrzehnten, Stiftung Stadtmuseum Berlin, 288 Seiten, 29,90 Euro. Die gleichnamige Ausstellung läuft im Märkischen Museum noch bis 28. Juni. Abb.: Der Buchtitel zeigt Croners Foto von Paul Hubschmid und Sonja Ziemann 1953 auf dem Kurfürstendamm. Service-Center Hellersdorf: Adele-Sandrock-Straße 10 12627 Berlin Tel. (030) 6829 – 7117 Alte Hellersdorfer Str. 36 Peter-Edel-Str. 23 ch na ug ez b t rs „E g“ un r e ni Sa Leisniger Str. 4 ch na ug ez b t rs „E Nossener Str. 41 g“ un r e ni Sa 2 Zimmer, 61 m², 4. OG. Balkon, Küche mit Fenster, modernisiertes Bad, Kammer Zargentüren, neuer Bodenbelag 3 Zimmer, 67 m², 2. OG. Küche mit Fenster, modernisiertes Bad, neue Bodenbeläge und Zargentüren, 4 Zimmer, 76 m², 4. OG, Balkon, Küche mit Fenster, modernisiertes Bad, neue Bodenbeläge und Zargentüren, 4 Zimmer, 81 m², 4. OG, Aufzug, Balkon, Küche mit Fenster, Zargentüren, modernisiertes Bad, Energieverbrauchswert V 87,6 KWh (m²a) Bj. 1986, Fernwärme, Energieeffizienzklasse B Energieverbrauchswert V 96,7 KWh (m²a) Bj. 1989, Fernwärme, Energieeffizienzklasse B Energieverbrauchswert V 89,0 KWh (m²a) Bj. 1989, Fernwärme, Energieeffizienzklasse B Energieverbrauchswert V 76,0 KWh (m²a) Bj. 1989, Fernwärme, Energieeffizienzklasse B Miete: 355 / 503 Euro Miete: 348 / 513 Euro Miete: 439 / 635 Euro Miete: 471 / 667 Euro direkt – Briefe & Antworten jot w.d. 3/2015 15 Autofahren macht Spaß, Nicht-Autofahren auch Ist es Lebensqualität, wenn manche Reise etwas länger dauert? Eine Anregung zum Weiterdenken Ich bin ein Apologet des Öffentlichen Personennahverkehrs, Pionier-Eisenbahner des Herzens und der Tat, zudem Besitzer des kompletten transpress-Dampflokarchivs, mehrerer Eisenbahnalmanache und des Prachtbildbandes „Baureihe 01“. Außerdem weiß ich, was richtig ist, um’s Weltklima zu retten. Und fahre dabei meist Auto. Ein schönes im Übrigen, französisch, groß, besser: geräumig, gut gefedert, angemessen komfortabel (Sitzheizung!), Verbrauch geht so. Für die Stadt und den täglichen Bedarf zu groß. Schon bissel alt, der Wagen, deshalb hatte ich gerade einen Termin für einen Neukauf gemacht. Carl Benz ist am 24. November 170 Jahre alt geworden, also wäre er. Wenn er nicht das Auto erfunden hätte, und so war es natürlich nichts mit langem Leben. So haben wir aber wenigstens den Anlass und guten Grund mal zu sagen, was uns das Auto ist. Des Deutschen liebstes Kind, Statussymbol, Rückgrat des Wirtschaftswachstums – kennen wir. Blechlawine, Stadtzerstörer, Klimakiller, Lärmquelle – wissen wir. Vater hat immer gesagt, Auto fängt mit Ah! an und hört mit Oh! auf. Und hatte lange gar keins, ich Seit es auch im Regionalverkehr neue und moderne Züge wie diesen der Niederbarnimer Eisenbahn gibt, macht Bahnfahren sogar noch viel mehr Spaß. auch nicht. Die Trabant-Anmeldung habe ich angeheiratet, 1994 sollte es so weit sein. Plan war: Nicht fahren, verkaufen, Haushaltssanierung via Kleinanzeige. Schule und Arbeit hieß immer Straßenbahn und Bus oder SBahn, gern früh um sechs. Urlaub bedeutete Eisenbahn, das war toll und schon das erste Ferien-Erlebnis. Liegewagen von Leipzig nach Binz, 6er-Abteil, unvergessen. Am Ort wurde gewandert, Bus gefahren, Fahrrad. Ging alles, niemand hatte das Gefühl, irgendwo nicht hinzukommen. Von Grenzen mal abgesehen, aber das ist ein ande- res Thema. Dann kam die große Revolution, und das auch, weil die Autos so spät kamen. Erst habe ich noch zwei Jahre gewartet, musste ja auch erstmal ein Führerschein her. Den brauchte man ja bis dahin nicht, im Geltungsbereich des Tarifs der Deutschen Reichsbahn. Seit 1992, zwei Jahre vor der großen, nun schon abgesagten Lieferung aus Zwickau, bin ich also mobil mit Créative Technologie. Warum ist das so? Warum fährt man seitdem zum Kampf um den Erhalt von brandenburgischen Nebenstrecken und Bahnhöfen mit Wir täuschen uns, wenn wir glauben, dass nicht auch ganz persönliche Motive politische Entscheidungen beeinflussen. Insbesondere, wenn die entsprechenden Personen auch die politische Macht haben. Bascha Mika, ehem. Chefredakteurin „taz“ Erinnern an Ronald Auf Grund eines sehr traurigen Anlasses musste leider das in der Februar-Ausgabe angekündigte „Mario Hoppe Fußballgedenkturnier“ am 14. Februar ausfallen. Am 11. Februar verstarb ganz plötzlich der Hauptorganisator des Turniers von Stern Kauldorf, Ronald Lachmund, im Alter von 55 Jahren. Für alle noch unfassbar, ist es ein großer Verlust für die Familie, für die Freunde und für den Fußballverein Stern Kaulsdorf. Wir werden Ronald immer in Erinnerung behalten. Eberhard und Renate Fuchs Redaktion jot w.d. Staatssekretär Gaebler reibt sich die Hände Zu: „Sinkendes Grundwasser“, jot w.d. 2/2015 Der genannte Artikel suggeriert nachgerade, es gibt kein Grundwasserproblem und keine Vernässungsgefahr mehr. Damit kann sich der Senat, speziell Herr Gaebler, genüsslich zurücklehnen; er ist ohnehin der Meinung, dass das Wasser im Keller Schuld der Betroffenen ist. Was aber, wenn sich die Folgen des Winters 2011/12 und die Starkregen 2013 wiederholen? Das sollte man den bisher Betroffenen mal erklären. Weiterhin interessiert schon die Gefahr der Sulfatkonzentration! Wo gibt es schon Schäden an Gebäuden, Wasserleitungen oder gar an Leben? Wo holt man sich Rat? Herr Gaebler reibt sich die Hände ob des niedrigen Grundwasserstandes, so kommt er um die gewohnten Erklärungen – „keine Schuld, nicht zuständig, kein Geld“ – herum. Und was sagt Gesundheitssenator Mario Czaja zur Gesundheitsgefahr durch das Sulfatkonzentrat, ganz speziell in seinem Wahlbezirk, aber nicht nur dort? Eberhard Roloff, Mahlsdorf dem Auto? Warum ist das Wissen um die Schäden, die die individuelle Motorisierung anrichtet, der tägliche Stau und die Suche nach einem Parkplatz – also das Sein – so wenig relevant für das Bewusstsein? Ich weiß es nicht. Was müsste sein? Mehr Alternativen, öffentlicher Verkehr, dichte Takte, gute Preise oder gleich steuerfinanziert fahrscheinlos. Dazu teurer Kraftstoff, Behinderung des motorisierten Individualverkehrs, wenige teure Parkplätze in der Stadt, Radspuren überall, lange Fußgängerampel-Phasen, regulierter Autobau mit harten Vorschriften, Geschwindigkeitsbegrenzungen und scharfe Kontrollen – den Stau organisieren. Das wäre was! Aber Stopp: Wäre das nicht Autofahren nur für Reiche? Das ist doch ein Plan, wie die ElektroAuto-Manie. Als ob die was ändern würden. Wenn sich alle EAutos leisten könnten, wär‘ der gleiche Stau, Parkplätze gäbe es auch keine, aber eine Autobahn würde auch durch die Stadt geschlagen. Wenn ich nach München muss, das Kind besuchen, kostet das Bahnticket 260 Euro pro Person (wenn ich nicht monatelang vor- her buche, was auch so eine Erfindung zur Abschreckung ist). Da ist das Auto günstiger. Kein Argument? Für manches Gehalt sicher nicht, für Familien, Studenten, den normalen Menschen, der keine Spesen abrechnen kann, aber dann doch. Bahncard? Da will aber auch viel gefahren werden, damit es sich rechnet. Wer nur zweimal im Jahr eine längere Fahrt hat, ist da nicht dabei. So denkt Mensch. Wie erklär’ ich den Leuten, dass es Lebensqualität ist, Zeit zu haben, dass etwas länger dauert. Dass es Spaß macht, nicht Auto zu fahren. Ich fahre gern Auto. Ich hätte gern zwei. Ein kleines über ’s Jahr, klein, handlich, parklückenkompatibel und ein großes für den Urlaub. Oder ein Urlaubsangebot, wo ein kleines am Ort steht, denn das französische Omnibus-Wesen will ich nicht mehr lernen und Bahnhöfe sind rar gesät, wo ich hin muss. Weltklima und Auto. Klare Sache. Gut und Böse. Leichtes Spiel. Oder doch nicht? Andreas Prüfer, Stadtrat in Lichtenberg (leicht gekürzt aus: www.umweltbuero-lichtenberg.de/ umwelt-online) jot w.d. 3/2015 Wenn schon keine Kontrollen, wie wär’s mit einer Mülltonne? 5 Die Böschung zum Parkplatz Rosenhagener Straße/ Am Niederfeld (gegenüber des Zugangs zum Butzer See) präsentiert sich immer wieder als Müllhalde. Weniger die Naherholung Suchenden sind als Schmutzfinken auszumachen. Vielmehr sind es meist Fahrer von gewerblichen Transportern, teilweise aus dem Ausland, die auf dem Parkplatz zuweilen Nachtruhe halten und dann ihren Müll einfach in die Gegend werfen. Auch Fahrer von Handwerker-Autos (Maler, Fliesenleger) „vergessen“ gern ihren auf dem Recyclinghof kostenpflichtigen Bauschutt in den Gebüschen etwas weiter oben. Wo aber bleiben Aktivitäten des Umwelt- und/oder Ordnungsamtes? Fotos: Nachtmann So leis der Wind geht Letzte Seite Hellersdorf braucht ein „Scheiße-Museum“ In einer Bürgerzeitung kann und muss ich mich auch mit eher anrüchigen Themen befassen. Viele Berliner pflegen ein lokkeres Verhältnis zu den ehernen Gesetzen des Grafen von und zu Knigge. So ist es keine gewagte Behauptung, die Metropole habe den Deutschland-Trend hin zur Fäkalsprache mit geprägt. Es wimmelt neuerdings auch außerhalb der ohnehin derben Jugendsprache in ansonsten solide geführten Unterhaltungen auf der Straße, im Film und allen verfügbaren Medien von menschlichen Ausscheidungen und den dabei beteiligten Körperteilen. Während man früher eher dezent andeutete, der Gegenüber könne einem den Buckel ‘runter rutschen, gehört jetzt das „Leck mich am…“ fast schon zur Hochkultur. Schamgrenzen - wie die gerade durch drei Punkte angedeutete. - sind selbst bei Anwesenheit von Minderjährigen Fehlanzeige. Ganz zu schweigen von der häufigen Präsenz der Körpersäfte auf den maßgeblichen städtischen Bühnen! Jetzt aber zur hiesigen Region. 1880 kaufte Berlin das Gut Hellersdorf einzig und allein zum Zwecke, die damals gerade neugebaute Kanalisation hier enden zu lassen: Die stinkenden Ausscheidungen der immer zahlreicher werdenden Berliner Stadtbevölkerung landeten so nicht mehr in der Gosse, sondern auf den Brandenburger Äckern, schnell zu Rieselfeldern umfunktioniert. Die waren bald an ihre Kapazitätsgrenzen gekommen und so kehrte die Jauche aus den zeitweise überlaufenden Rieselflächen über unsere schöne Wuhle und die noch schönere Spree bald wieder leicht verdünnt zurück nach Berlin, noch mehr verdünnt als Trinkwasser durch die aus dem damals neuen Kaulsdorfer Wasserwerk kommenden Leitungen. Es gebührt dem leider kürzlich verstorbenen Marzahner Hydrologen Dr. Wolfgang Clemens das Verdienst, in seiner Publikation „Berlin hatte da ein Problem“ diesen übelriechenden Kreislauf exakt zu beschreiben. Ebenso zum Himmel stinkend ist die Einfallslosigkeit der örtlichen Entscheidungs- träger zur Zukunft des Hellersdorfer Gutes. Nach Ende der Rieselfeldwirtschaft saß hier immer noch das erste Hellersdorfer Wappentier, ein Storchenpaar, auf dem Schornstein des Gutsbezirkes. Es mochte die dauerhafte Umzingelung durch die neuen Plattenbauten nicht so recht, nach zwei Jahren ohne Nachkommen flog es Mitte der achtziger Jahre das Nest nicht mehr an. Der Maulwurf übernahm das Hellersdorfer Großsiedlungs-Zepter. Seither dämmert das alte Gut weitgehend unbeachtet in einer Art Dornröschenschlaf dahin. Es mangelte nie an profilierungsgeilen Prinzen. Allerdings trotz fehlender Dornenhecke ohne wirkliche Idee, wie Dornröschen wach zu küssen sei. Großer Mist also. Womit wir wieder am Zielort der Berliner Scheiße wären: Wenn überhaupt, dann sind die Berliner und ihre Gäste nur von Exotischem wie den Gärten der Welt in ihren Nahen Osten zu locken. Oder eben durch das Abartige, die nämlichen Fäkalien. Neuerdings hat London eine Pop-ArtAusstellung mit den hygienisch eingeglasten Ausscheidungen großer Künstler der Gegenwart, Lady Gaga selbstredend an vorderster Stelle. Das künftige ScheißeMuseum am ehemaligen Hellersdorfer Rieselgut könnte auf diese wertvollen Erfahrungen aufbauen und Gunter von Hagens „Körperwelten“ in der Stadtmitte die Schau stehlen. Letzte Tabus könnten so durch Pionierarbeit vor Ort gebrochen werden, finanzkräftige Partner aus der WC-Branche stünden werbewillig zur Verfügung. In die möglichen Unterabteilungen des Museums sollte sich jeder kreative Bürger selbst hineindenken oder auch hineinriechen. Wichtig wäre ausdrücklich in diesem Zusammenhang die Würdigung der politischen Farbe Braun in einem gesonderten Teil des Museums. Euer Schwejk ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ Tierisches jot w.d.-Preisrätsel F B 1 N B A R R F 2 3 4 5 6 7 8 9 10 C H U S L Q Ü R C H I ß Es sind Tiere mit zehn Buchstaben folgender Bedeutung zu finden: 1. Nagetier an Gewässern, 2. Insektenfresser, 3. vielfarbiger Fisch, 4. ihn gibt’s hauptsächlich als Futter für’s Aquarium, 5. Geflügel, das sich an kalte helle Umgebung angepasst hat, 6. stärkstes Landsäugetier, 7. Bezeichnung des Frosches kurz nach dem Schlüpfen, 8. gepanzerter Säuger, 9. kleiner, im Wasser lebenden Schwanzlurch, 10. großer Vogel mit langem Schnabel. Die Buchstaben in den markierten Feldern ergeben – neu sortiert – ein Tier, das als einer der nächsten Verwandten der Menschen gilt. Schicken Sie Ihre Lösung bis 28. März (Poststempel) an jot w.d., Müllerstr. 45, 12623 Berlin, Kennwort Rätsel, und gewinnen Sie u.a. einen Gutschein (auch für mehrere Personen) für die Nutzung der Minigolfanlage Wittenberger Straße 50. Kaum beachtet steht eine der vielleicht schönsten Skulpturen der „Kunst im öffentlichen Raum“ zwischen Marzahner Promenade und Landsberger Allee. Doch vielleicht hat diese „Unscheinbarkeit“ auch einen immensen Vorteil: Von ekligen Graffiti-Schmierereien ist nichts zu sehen. Bei sonnigem Wetter macht es wirklich Freude, ein paar Minuten lang den sich drehenden „Windmühlen“ zuzuschauen und einfach mal an Nichts zu denken. Foto: Nachtmann Auflösung des Preisrätsels aus jot w.d. 2/2015: 1. Rothenburg, 2. Sternebeck, 3. Goldlauter, 4. Rabenstein, 5. Bitterfeld, 6. Heidelberg, 7. Karlshorst, 8. Greifswald, 9. Düsseldorf, 10. Burghausen. Das Lösungswort lautete: Allerorten. Die Preise gingen per Post an die Gewinner. Herzlichen Glückwunsch! ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○
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