Ausgabe 3-2015

Glöckchen ohne Schnee
20. Jahrgang
Nr. 3/2015
EVP: 1 Euro
Nur ein (wieder einmal) zu warmer Winter, oder ist das
schon der Klimawandel? Die Schneeglöckchen im Redaktionsgarten reckten zwar pünktlich im Februar ihre
weißen Köpfchen gen Himmel, allerdings können sie in
diesem Jahr ihrem Namen keine „Ehre“ machen. Dennoch ist nicht ausgeschlossen, dass es im kommenden
Jahr schon wieder ganz anders aussehen kann. Oder
es kommt gar zu Ostern Anfang April noch einmal eine
Kältewelle mit Schnee und Eis.
Foto: Nachtmann
Die Bürgerzeitung
aus Marzahn-Hellersdorf
Früh übt sich
Inhalt
Künstler-Serie in jot w.d.:
Viele Leser werden sich an
Sänger und Musiker ihrer
Jugendzeit in der DDR erinnern. jot w.d. berichtet,
was aus ihnen geworden
ist. Heute: Eine anlassbezogene Sonderfolge zu Reiner Süß und Holger Biege.
Seite 3
Endlich Wahrheit:
In der Debatte um die Entwicklungen in Marzahn
NordWest wurde jot w.d.
oft kritisiert. Nun stützt eine
Dissertation aus Paris unsere Auffassungen nicht
nur, sie verstärkt sie sogar.
Seite 4
Neue Devotionalien:
Zur „Arndt-Bause-Gala“
brachte Tochter Inka wieder etwas für die „Heimatstube“ im FFM mit. Auch
jot w.d. freut sich darüber.
Seite 8
Hässliche Babies:
Der Titel könnte abschrekken, doch im Martin-Gropius-Bau ist eine Ausstellung zu sehen, die hoffentlich noch lange nachwirken wird. Von den Fotos
der chinesischen Künstlerin
Liu Xia zeigt sich jot w.d.
auch deshalb begeistert,
weil wir uns für die Freilassung ihres Mannes Liu
Xiaobo einsetzen.
Seite 9
Noch stehen die Jüngsten der „Talentschule“ für Rhythmische Sportgymnastik des VfL Fortuna Marzahn nicht zur Wahl als
„Sportler des Jahres“, sie umrahmten aber die diesjährige Veranstaltung. Und vielleicht steht das eine oder andere der
Mädchen schon in wenigen Jahren selbst auf der „Ehrentribüne“ dieser Auszeichnung. Siehe Seite 10.
Foto: Schuchert
Liebe Leser,
schon mehrfach wurden die „großen“
Preußenkönige gefeiert und nachgelobt. Seit gut 250 Jahren gelten sie
in Deutschland in vielen, nicht allen,
Dingen als vorbildlich. Selbst in der
Endzeit der DDR wurde der „Alte
Fritz“ auf einen Schild gehoben, der
sicher nicht nur mir damals wie heute
ein Kopfschütteln abringt.
Dennoch: In der Flüchtlingsfrage
könnte das fritzische Preußen durchaus als Vorbild dienen, insbesondere
Jenen (wie etwa dem Flüchtlingsnachfahren Thomas de Maiziere), die sich
als „Law and Order-Hardliner“ aufführen. Gemeint ist beispielsweise die
Aufnahme der calvinistischen Hugenotten aus (dem plötzlich katholisch
gewordenen) Frankreich. Allzugern
wird der Satz „Bei mir kann jeder nach
seiner Fasson selig werden“ überliefert; tatsächlich ging es aber viel mehr
um „dringend benötigte Zuwanderung
von Fachkräften“, die die preußischen
Herrscher mit der Übertragung von
Von Preußen
lernen
Landbesitz, temporärer Steuerbefreiung
und verminderten Naturalabgaben „förderten“. Übersetzt in die Jetztzeit hieße das: Den Leuten Jobs geben, dass
sie den Steuerzahlern nicht „auf der Tasche liegen“, den Jungen Ausbildung
geben, dass sie möglichst bald ihr Leben ohne staatliche Zuwendung bestreiten können, die Alten und Kranken wenigstens soweit menschenwürdig behandeln, dass die noch nicht „sozial und finanziell Angekommenen“ eine
tatsächliche Entlastung spüren. Und
allen „Ehrlichen“ eine Zukunft im Lande zusichern.
In Wirklichkeit geschieht nichts dergleichen. Dem hohlen Pathos von den „fehlenden Fachkräften“ und der „dringend
benötigten Zuwanderung“ stehen Lager-Unterbringungen der Flüchtlinge
entgegen, die den „Nissenhütten“ Bay-
erns der späten 40-er und 50-er Jahre
kaum nachstehen. Erst machen
Schlepper, Betrüger, Vergewaltiger
und Mörder in den Flucht- und
Transitländern ihr Geschäft mit den
„Verdammten“, dann machen es im
reichen Deutschland schmierige Heimbetreiber mit ekligen Einpferchungen.
Auch ein weiterer historischer Vergleich lohnt: Wer es als Flüchtling vor
dem NS-Regime nach Amerika
schaffte (nicht einmal jeder Achte!),
dem standen dort alle Türen offen.
Nicht solche von Sozialgeld, sondern
die des „amerikanischen Traums“:
Nimm dein Leben in die Hand und
mach was draus. Ja, das haben nicht
alle geschafft. Aber man hatte ihnen
zumindest die Chance gegeben.
Ehe Sie sich nun aber womöglich im
Streit über hilflose „Gutmenschen“
und die Lügen der deutschen politischen Führer entzweien, wünsche ich
Ihnen erst einmal viel Spaß mit dieser 223. Ausgabe von jot w.d.
Ihr Ralf Nachtmann
2
jot w.d. 3/2015
Bilder und Nachrichten des Monats
Eine Zeitung ist kein Buch und jot w.d. kein 80-seitiges
teures Magazin mit viel bunter Werbung drin. Deshalb ist es am Ende eines jeden Monats wieder so,
dass Ereignisse, über die zu berichten wünschenswert
ist, keinen Platz mehr finden. Einige dieser Momente
haben wir im Bild festgehalten und wollen unseren
Im Vergangenen
Neuland finden
Längst verdiente Ehre
Lesern so zumindest Nachricht geben. Egal, ob es sich
dabei um den „Großkopfeten“ handelt, dessen Engagement genauso zu würdigen ist, wie das des „Unbekannten aus der Nachbarschaft“. Und dabei sollen auch
die „kleinen Dinge“ nicht vergessen werden, denn sie
erst machen das Leben vollkommen.
Red.
MenschenLeben – Lebenswerke
Neue Ausstellung im Bezirksmuseum
Marzahn – Die gleichnamige
Sonderausstellung mit MarzahnHellersdorfer Porträts wird am 29.
März, 14 Uhr, im Haus 1
des Bezirksmuseums,
Alt-Marzahn 51, eröffnet. Porträtiert werden
60 Personen, die seit
dem 16. Jahrhundert
in den Ortsteilen unseres Bezirkes gelebt
und gewirkt haben.
Sie waren Künstler
und Schriftsteller,
Handwerker und
Unternehmer, Lehrer und Pfarrer,
Erfinder, Gutsbesitzer. Darunter
sind so bekannte Namen wie Franz
Carl Achard, Heinrich Grüber,
Gerhard Behrendt, Charlotte
von Mahlsdorf, (Foto: Nachtmann) Karl und Julius Bausdorf, Ingeborg Meyer-Rey
und Kurt Schwaen. In der
Ausstellung sind auch zahlreiche persönliche Objekte, häufig Leihgaben von
Nachfahren, zu sehen. Die
Ausstellung ist bis zum 1.
November zu sehen. I.D.
Wissenschaftlerinnen
sollen auf Straßenschilder
Am 25. Februar (nach Redaktionsschluss) stellte der von Christa
Hübner und Wolfgang Brauer geführte Heimatverein seine Pläne
für das laufende Jahr vor, u.a.
Exkursionen, Tag der Regionalgeschichte. Mehr dazu in der nächsten Ausgabe. Foto: Nachtmann
Marzahn – Die künftig entstehenden Straßen im Clean Tech Business Park sollen nach dem Willen
der BVV die Namen hoch geachteter Wissenschaftlerinnen erhalten. Eine entsprechende Liste hatte die AG Straßenbenennung bereits am 15. Januar beraten und ver-
abschiedet. Diesem Votum schloss
sich der Gleichstellungsausschuss
einstimmig an. Vorgesehen sind
derzeit Clara Immerwahr-Haber,
Marie Wreschner, Cäcilie Fröhlich,
Gertrud Kornfeld und Marga Faulstich. Letztere erfand u.a. das
Leichtgewichtsbrillenglas SF 64.
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Kaulsdorf – Kulturstaatssekretär
Tim Renner heftete am 10. Februar im Auftrag von Bundespräsident Joachim Gauck „unserem“
Komponisten Prof. Lothar Voigtländer das „Verdienstkreuz am
Bande des Verdienstordens der
Bundesrepublik Deutschland“
(Bundesverdienstkreuz) ans Revers. „Prof. Lothar Voigtländer
hat sich insbesondere auf dem
Gebiet der zeitgenössischen
Komposition große Verdienste
erworben“, lobte Renner den
Ausgezeichneten. „Sein Werk
umfasst beeindruckende Orchester-, Orgel- und Chorwerke sowie Kammermusiken. Dieses
künstlerische Schaffen wurde mit
zahlreichen nationalen und internationalen Preisen geehrt.“ Darüber hinaus würdigte der Staatssekretär Voigtländers Wirken als
„Initiator diverser künstlerischer
und kulturpolitischer Vorhaben“
sowie dessen Engagement für das
zeitgenössische Komponieren.
Mehr über den Komponisten, der
auch Vorsitzender des Berliner
sowie Präsident des Deutschen
Komponistenverbandes war, können Interessierte in Ausgabe 10/
2013 erfahren, in der jot w.d. dem
Kaulsdorfer umfänglich zu seinem 70. Geburtstag gratulierte.
Ralf Nachtmann
Foto: Landesarchiv Berlin,
Thomas Platow
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Hellersdorf, Kaulsdorf, Mahlsdorf und Marzahn. Redakteure und Mitarbeiter erhalten dafür
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Die nächste Ausgabe von jot w.d. erscheint am 2. April 2015
Redaktionsschluss: 24. März 2015, Anzeigenschluss: 26. März 2015
IMPRESSUM
jot. w. d.
Die Bürgerzeitung aus Marzahn-Hellersdorf
Herausgeber: Verein zur Unterstützung öffentlicher Diskussion am nordöstlichen Stadtrand e. V.
Anerkannt gemeinnützige Körperschaft
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Redaktion: Ingeborg Dittmann, Ulrich Clauder, Ralf Nachtmann (Leitung, Gestaltung und Produktion)
Ständige Autoren: L. Schuchert, H. Sandow, H. Stehling, D. Neidigk
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Druck: BVZ, www.berliner-zeitungsdruck.de
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Die Redaktion behält sich das Bearbeiten von Beiträgen vor. Keine Haftung für eingesandte Beiträge und Fotos.
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Leute
jot w.d. 3/2015
Für die Freiheit von
Kunst und Bürger
In memoriam Christoph Ehbets
Können Sie sich noch an die legendäre „schwarze Jazz-Reihe“
von Amiga erinnern? Ein echter
Jazz-Fan, der hat die guten Stükke aus den 1970-er Jahren garantiert noch in seinem Besitz. Richtig, die mit dem für die Reihe stilprägenden orangefarbenen J in der
rechten oberen Ecke. Porträtiert
waren auf den Hüllen die großen
alten Männer des Jazz, wie Count
Basie oder Jack Teagarden. Gestaltet wurden diese kultigen Platten-Cover vom Köpenicker Künstler Christoph Ehbets. Dieser wäre
Anfang des Jahres 80
Jahre alt geworden –
Anlass für die ortsansässige Galerie Grünstraße an diesen vielseitigen, streitbaren
Künstler und engagierten Lokalpatrioten mit
der Ausstellung „In
memoriam Christoph
Ehbets“ zu erinnern.
Ausgestellt wird Exemplarisches aus seinem reichhaltigen
Schaffen.
Christoph Ehbets gehörte zu den bekannten
Künstlern in der DDR.
Das Spektrum seines
Werkes ist ebenso groß
wie facettenreich: Gebrauchsgrafik, wie
Plattenhüllen, Filmund Theater-Plakate,
Theater-Programmhefte, Kataloge, BuchUmschläge und -Illustrationen, Fernsehgrafik, aber auch Fassadengestaltung und nicht zuletzt freie
Arbeiten wie Zeichnungen, Collagen, Offset-Lithografien, Malerei,
Fotografie gehören dazu . Seine erste Plattenhülle entwarf Ehbets
übrigens 1960 für die Weber-Oper
„Der Freischütz“ des DDRPlattenlabels Eterna. Wer noch
Venyl-Platten aus DDR-Zeiten
sein eigen nennt, findet mit Sicherheit genreübergreifend auf vielen
Rückseiten den Namen von Christoph Ehbets als Designer.
Geboren in Rüdersdorf bei Berlin
wuchs Ehbets in Berlin Friedrichshagen auf. Von 1955 bis 1959
studierte er an der Meisterschule
für Graphik und Buchgewerbe in
Berlin-Friedenau. Ab 1959 war er
freischaffend tätig – bis zu seinem
Tod in Berlin-Köpenick. Neben
der Gebrauchsgraphik und Typographie war Ehbets ein begnadeter Zeichner. Auf Papier, in Unmengen von Skizzenbüchern und
auf flexiblen Metallfolien, den
Offset-Lithographien, verewigte er
seine Sicht auf das Gegenüber.
Landschaften finden sich ebenso
häufig wie Zeichnungen und Gemälde von Freunden, Gesprächspartnern, Passanten. Auch in der
Malerei blieb er anfänglich diesen
Motiven treu. Zunehmend lösten
sich jedoch die Formen auf. Seine
Arbeiten wurden abstrakter. Ein Motiv
aber griff Ehbets immer wieder auf: den
Blick aus seinem
Wohnzimmerfenster
in Alt-Köpenick auf
den
Köpenicker
Frauentog – eine von
Bäumen gesäumte
Flusslandschaft.
In seinem Heimatbezirk ist Christoph
Ehbets vielen in Erinnerung geblieben –
dank seines vehementen Engagements
in der Kulturpolitik
und im Bereich der
Altstadtsanierung.
Etliche Kunst-Ausstellungen im Köpenicker Schloss (Fritz
Cremer, Arno Mohr,
Gabriele Mucchi)
und in der Galerie
des Kulturbundes
Köpenick wurden
auch von ihm mit vorbereitet und
kuratiert. Bereits seit Anfang der
70-er Jahre war er einbezogen in
die stadtplanerische Konzeptentwicklung im Rahmen der geplanten Altstadtsanierung in Köpenick und konnte die allerschlimmsten Abrissfantasien und
Neubausünden mit verhindern.
Seine Tochter Miriam Ehbets erinnerte zur Vernissage mit folgenden Worten an ihren Vater: „Er war
ein kulturpolitisch Umtriebiger. Er
gab sich nicht zufrieden mit lieblosen, abstrakten Entscheidungen
aus Amtsstuben. Er setzte sich
vehement ein für seine künstlerischen und politischen Überzeugungen. Dabei versteckte er sich
nicht hinter diplomatischen Floskeln, um der Obrigkeit genehm zu
sein. Ohne Rücksicht auf etwaige
Konsequenzen. Seine geradezu anarchistische Kompromisslosigkeit,
seinen Drang zur äußeren und inneren Freiheit findet man wieder
in seinen Arbeiten, besonders in
seiner Malerei!“
Die Wende 1989 brachte Christoph Ehbets nicht nur Reise- und
Meinungsfreiheit. Er musste erleben, wie ganze Berufsgruppen
unter den Bildenden Künstlern
abgewickelt wurden. Weil er nicht
arbeitslos oder aufs Altenteil geschoben werden wollte, setzte er
im Herbst 1992 seinem Leben ein
Ende.
Dagmar Neidigk
Links: Christoph Ehbets um 1990
in seinem Atelier. Foto: privat
3
Musiklegenden des Ostens – jot w.d.-Serie, Teil 124
In der Juli-Ausgabe 2004 begannen wir, Künstler
vorzustellen, die in der Jugendzeit vieler unserer
Leser – also in den 50er, 60er, 70er und 80er Jahren – Schlagzeilen machten. Wie ist es den Publi-
kumslieblingen von einst ergangen? jot w.d. traf
viele von ihnen. Wir setzen unsere Serie in dieser
Ausgabe mit zwei Sonderbeiträgen über Reiner
Süß und den Sänger Holger Biege fort.
Reiner Süß / Holger Biege
Da liegt Musike drin / Hilfe für Holger
In der April-Ausgabe 2005 und
der Juli-Ausgabe 2009 porträtierten wir zwei Musiklegenden,
auf die wir aus aktuellem Anlass
heute zurückkommen wollen:
Kammersänger Reiner Süß sowie den Sänger und Komponisten Holger Biege.
„Er steht mit 75 noch immer auf
der Bühne“ überschrieben wir unseren Artikel
im April vor zehn Jahren.
Und es ist nur ein reichliches Jahr her - im November 2013 – da hieß es in
einem Artikel „Süß und
Sauer auf einer Bühne“.
Reiner Süß und Peter
Wieland (Sauer) zelebrierten im Mahlsdorfer
Theodor-Fliedner-Heim
einen unterhaltsamen
Nachmittag mit viel Musik und launigen Geschichten über
ihr Leben. Sein damals letzter Titel „Time To Say Good Bye” ist
nun real geworden. Am 29. Januar, kurz vor seinem 85. Geburtstag am 2. Februar, starb Kammersänger Reiner Süß in einem
Seniorenheim im Mecklenburgischen Friedland. Die Nachricht
kam mit fast drei Wochen Verspätung in die Medien, von denen nur
einige wenige mit einer Randspalte Kenntnis vom Tod einer der
bekanntesten Künstlerpersönlichkeiten der DDR nahmen. Den
Mahlsdorfer (seit 1961 wohnte er
in der Pilgramer Straße) kannten
hierzulande auch jene, die nicht
in die Oper gingen. Moderierte Süß doch zwischen
1969 und 1985 die beliebte TV-Sendung „Da liegt
Musike drin“ und war in
vielen anderen Unterhaltungsshows des DDRFernsehens präsent. Sein
Bühnendebüt hatte der
Leipziger und einstige
Thomaner bereits 1956
gegeben. Später erfolgten
Engagements am Theater
und an der Staatsoper Unter den
Linden. Er feierte Erfolge u. a. an
den Opernhäusern in Wien und
Paris. Nach der Wende wagte der
Bassbuffo, der 1990 der SPD beigetreten war, sogar einen Ausflug
in die Politik – so saß er als Abgeordneter im Berliner Parlament.
In dieser Serie erschienen bisher:
Brigitte Ahrens, Rosemarie Ambé, Julia Axen,
Franz Bar tzsch, Arndt Bause, Olaf Berger,
BERLUC, Hans-Jürgen Beyer, Hansi Biebl, Holger
Biege, Dieter Birr, Helga Brauer, Uschi Brüning,
Ralf Bursy, Gerd Christian, City, Tamara Danz, Kurt
Demmler, Stefan Diestelmann, Dieter Dornig, Walter Eichenberg, Har tmut Eichler, electra, Engerling, IC Falkenberg, Ina-Maria Federowski, Günther Fischer, Veronika Fischer, Franke-Echo-Quintett, Dagmar Frederic, Maja Catrin Fritsche, Arnold Fritzsch, Fred Frohberg, Dorit Gäbler, Rainer
Garden, Günter Geißler, Gitte & Klaus, Günter
Gollasch, Peter Gotthardt, Heinz-Jürgen Gott-
Seit mehr als 50 Jahren in Mahlsdorf Süd zu Hause, begegneten wir
dem Kammersänger häufig auch
„gleich um die Ecke“, ob im Café
am Hultschiner Damm, im Supermarkt oder beim Auftanken seines
kleinen Autos an der Tankstelle. Er
gehörte zu unserem Kiez einfach
dazu. Nicht nur auf der Bühne, auch
hier im Kiez wird er fehlen.
***
Er ist einer der ganz Großen der
deutschen Rock- und Popmusik –
der Sänger, Pianist und Komponist
Holger Biege. Doch in den bunten
Blättern taucht der gebürtige
Greifswalder, der 1983 in den Westen übersiedelte, nach der Wende
nach Berlin zurück kam und seit
1998 in Niedersachsen lebt, so gut
wie nie auf. Er ist eben „Leiser als
laut“, so auch das Motto seiner
1994 erschienenen CD. „Treffender kann man es in dieser Verknappung kaum fassen – das, was den
56-jährigen Ausnahmemusiker beschreiben könnte“, schrieb ich in
Reichtum der Welt morgen noch /
Oder ist vieles davon schon hin /
Die Luft, die uns erst leben lässt /
Hüllt den Erdball ein / Soll für
alle, die nach uns kommen / Sie
schon vergiftet sein … Gehört der
Reichtum der Welt allen schon /
Oder bleibt vielen nicht viel versagt?“ (Text Fred Gertz).
Eine meiner ersten persönlichen
Begegnungen mit Holger ist
jetzt genau 40 Jahre her. Ich
weiß noch, wie ich ihn damals von zu Hause, ich glaube, aus der Linienstraße, abholte und zur Veranstaltung
unserer nl-Preisverleihung
für die besten Interpreten
des Landes brachte. In den
vergangenen Jahren gab es
nur wenige Begegnungen,
etwa bei Konzerten. Und
nun dieser Hilferuf von
Cordelia, seiner Frau. So
erfuhr ich, wie viele andere sicherlich auch, erst jetzt von seinem
schweren Schlaganfall im Sommer 2012. „Es geht langsam auf
den Frühling zu und wir haben es
leider immer noch nicht geschafft,
Holgers Wunsch zu erfüllen“,
schreibt sie. Damit Holger, der im
Rollstuhl sitzt, wieder mobil wird,
braucht er ein für Rollstuhl und
Laderampe geeignetes Auto. 20
000 Euro kostet das. Etwa 68 Prozent der Summe kamen bisher
zusammen. Deshalb der verzweifelte Spendenaufruf von Holgers
Frau. „Meine Hoffnung, ihm wieder etwas Lebensgefühl zu geben,
schwindet. Dabei kämpft Holger
so, arbeitet so hart an sich, um
wieder auf die Beine zu kommen“, sagt sie.
Für alle, die einen Beitrag dafür leisten wollen, hier das
Spendenkonto: Mobil mit Behinderung e.V., KarlsruheBank für Sozialwirtschaft,
IBAN: DE41 6602 0500 0008
71 13 00, Kennwort: Holger.
Spendenquittungen werden
ausgestellt (email: [email protected]).
Ingeborg Dittmann
meinem Beitrag über Holger in der
Juli-Ausgabe 2009 an dieser Stelle. Und erinnerte an Biege-Songs
aus den 70-er und 80-er Jahren, die
noch heute Bestand haben und zum
Teil aktueller sind als je. Etwa
„Sagte mal ein Dichter“ oder sein
„Reichtum der Welt“: Gibt es den
Abb.: Einer der letzten Auftritte
von Kammersänger Reiner Süß
am 26. Oktober 2013 in Mahlsdorf; Holger Biege 2006 im Musikantenklub im Prenzlauer Berg.
Fotos: Dittmann, Nachtmann
schalk, Ingo Graf, Mary Halfkath, Hans die Geige,
Michael Hansen, Monika Hauff/Klaus-Dieter Henkler,
Monika Herz, Jörg Hindemith, Ruth Hohmann, Andreas Holm & Thomas Lück, Lutz Jahoda, Dieter
Janik, Uwe Jensen, Erhard Juza, Karat, Karussell,
Barbara Kellerbauer, Britt Kersten, Jürgen Kerth,
Herbert Klein, Helmut Kluwe, Zsuzsa Koncz, Jiri
Korn, Henry Kotowski & Die Sputniks, Horst Krüger,
Thomas Kurzhals, Aurora Lacasa, Reinhard Lakomy,
Anke Lautenbach, Klaus Lenz, Lift, Wolfgang Lippert,
Angelika Mann, Gisela May, Achim Mentzel, Sandra
Mo & Jan Gregor, Gerti Möller, Gruppe MTS, Gaby
Munk & Ingo Krähmer, Gerd Natschinski, Thomas
Natschinski, Roland Neudert, Omega, Peter Paulick,
Ines Paulke, Jenny Petra, Eva Maria Pieckert, Die
Prinzen, Die Puhdys, James W. Pulley, Thomas
Putensen, Ingrid Raack, Brigitte Rabald-Koll, Reform, Gaby Rückert, SANDOW, Christian Schafrik,
Fred Schmidt, Sonja Schmidt, Vera Schneidenbach,
Frank Schöbel, Christel Schulze, Har tmut Schulze-Gerlach, Sonja Siewert & Herbert Klein, Silly,
Sven Simon & Pallas Band, Reiner Süß, Dina
Straat, Theo-Schumann-Combo, Tina, Regina
Thoss, TRANSIT, Christiane Ufholz, Siegfried Uhlenbrock, Helena Vondráckova, Bärbel Wachholz,
Jürgen Walter, Arnulf Wenning, Peter Wieland, Harald Wilk, Alfons Wonneberg, Pascal von Wroblewsky, Petra Zieger, Wolfgang Ziegler.
4
jot w.d. 3/2015
Großsiedlung
Zweites Verschwinden eines Dorfs
Versteckte Orte im Bezirk – Teil 4: Hellwichstorp
Orte wie die Gärten der Welt, die
Helle Mitte, das Unfallkrankenhaus oder auch der Helene-Weigel-Platz kennen vermutlich die
meisten im Bezirk Wohnenden,
auch über die Bezirksgrenzen hinaus wird häufig darüber berichtet. Daneben gibt es aber versteckte oder vergessene Orte, die
selbst jenen Marzahn-Hellersdorfern unbekannt sind, die ihrem
Heimatbezirk über viele Jahre
hinweg die Treue hielten.
Am U-Bahnhof Cottbusser Platz
gibt es einen Tunnel. Einmal zur
vielbefahrenen Hellersdorfer
Straße, zum anderen den auf einen freien hügeligen Platz führenden Südausgang. Die in die umliegenden Plattenbauten hastenden Passagiere gehen an diesem
Platze achtlos an einem Ursprung
des Bezirkes Marzahn-Hellersdorf vorbei. Marzahn, Kaulsdorf
und Biesdorf haben mit ihren Kirchen einen weithin sichtbaren
historischen Dorfmittelpunkt.
Selbst die grässlich vom Gewerbegebiet ummauerte alte Kirche
zu Mahlsdorf ist für historisch Interessierte immer noch präsent,
Die „KIrchenstele“ wurde bereits mehrfach beschmiert, alle Reinigungsversuche (siehe Bild rechts) waren umsonst.
Fotos: Clauder
gerade durch den missglückten
Stadtumbau der letzten Jahre an
dieser Stelle. Allein in Hellwichstorp, das im Landbuch des böhmisch-deutschen Kaisers Karl IV
im Jahre 1375 erstmals erwähnt
wurde, hat der verheerende Dreißigjährige Krieg dafür gesorgt,
dass außer Grundmauern von Kirche und Wohnbauten nichts blieb.
Eine der vielen, nur auf genauen
Karten vermerkten Wüstungen
war aus dem heute namensgebenden Hellersdorf geworden,
bevor die Archäologen in den
achtziger Jahren beim Bau der
Großsiedlung für kurze Zeit das
untergegangene Dörflein wieder
erweckten.
Die erste und bis kurz vor der
Wende einzige Hellersdorfer Kirche war ganze 16 Meter lang und
10 Meter breit, rundherum standen Lehmhütten der Bauern. Das
Bodendenkmal wurde für mehr als
eine halbe Million Euro im Jahr
2006 mit Mitteln aus dem Stadtumbau-Programm durch Edelstahlstelen markiert, die Stufen
auf dem Gehweg erhielten Metallschilder mit den historischen
Schreibweisen des Dorfes. Die mit
Ätztechnik auf den Stelen aufgebrachten Informationen beleuchteten die Geschichte des Ortes.
Die soeben verwendete Vergangenheitsform soll sagen: Das
Dörflein ist im Begriff, erneut zu
verschwinden. Die Vandalen sind
diesmal nicht schwedische oder
andere fremde Söldner wie im
Mittelalter, sondern kommen
wohl aus unmittelbarer Nachbarschaft. Wenig einfallsreiche Graffiti-Schmierereien machen die
Texte und Bilder auf den Stelen
trotz angeblich aufgebrachter
Schutzschicht weitgehend unleserlich, Zivilisationsmüll verdreckt und verdeckt die Spuren
der Ausgrabungen.
Das ganze beschämt den Besucher aus der hiesigen Großsiedlung. Ich war dabei gedanklich weniger von der Historie berührt als ratlos ob der Gegenwart.
Was kann man gegen diese Kul-
turlosigkeit tun, die alle Stigmata der Medien über „Plattenburgen“ bedient? Die hiesige
Linkspartei beantragte im Dezember in der BVV eine bessere
Beleuchtung des vorbeiführenden
Weges, um die gefühlte Sicherheit bei seiner Benutzung zu verbessern. Wer sorgt für die Erleuchtung dumpfer Seelen, die
uns hier verunsichern? Sind es
solche Typen, die bei anderer
Gelegenheit die abendländische
Kultur bewahren wollen? Hier
gibt es dafür ein recht praktisches
Betätigungsfeld: Das Säubern eines fast vergessenen Denkmals.
Ulrich Clauder
Erhellender Kennerblick aus Frankreich
Doktorarbeit über Marzahn als Buch erschienen – Es sollte sehr zu denken geben
Marzahn – Knapp drei Jahre hat
Cécile Cuny aus Frankreich bis
2006 in der Flämingstraße gelebt
und ihre Forschungsstudien in allen Einrichtungen und Gruppierungen der Sozial- und Gemeinwesenarbeit betrieben. „Teilnehmende Beobachtung“ hieß ihre
Methode, der sie auch im damaligen Bewohnerbeirat treu blieb, obwohl die junge Wissenschaftlerin,
die noch keine 30 war, nahezu beflügelnde Wirkung auf die älteren
Herrschaften hatte. Nun ist ihre
Doktor-Arbeit (eine ethnografische
Studie mit dem Titel: „Changement
urbain et démocratie participative
à Berlin – Etnographie du grand
ensemble de Marzahn“, die sowohl
in Paris als auch Berlin mit sehr
gut bewertet wurde) als 340seitiges Buch in der Édition de la
Maison des sciences de l’homme
in Paris erschienen.
Nomen est omen, sagten die Lateiner. In diesem Sinn weist schon der
Titel auf die Absicht hin, soziologische Prozesse in der Großsiedlung achtungsvoll zu analysieren, die Theorie-Praxis-Verhältnisse realistisch darzustellen und eine
praktikable Hilfe zu geben, diese
positiv im Sinne der Einwohnerschaft zu gestalten. In den wesentlichen Thesen zur Quartiersarbeit
in Marzahn Nord widerspiegelt
sich, zu welcher Voraussicht es
wissenschaftliche Untersuchungen
bringen können, wenn sie nur dem
eigenen Triebe folgend sowie unabhängig und unvoreingenommen
vorgenommen werden. Dr. Cuny
untersuchte z.B. auch, „wie sich die
Bürgerbeteiligung als zentrales Instrument der Stadterneuerung in
diesem Gebiet entwickelt hat, wie
die Bewohner sich dieses Instrument angeeignet haben und wie
schließlich dieses Instrument
Machtverhältnisse und Ungerechtigkeiten reproduziert sowie bereits
politisch engagierte Bewohner aus
der Politik ausschließt.“ Offensichtlich ließ sich das nur in Frankreich machen. Hier wäre es aber
immer noch nötig.
Die „Etnographie du grand
ensemble de Marzahn“ von Dr.
Cécile Cuny gehört zu den Studien, die nicht nur wert sind, staunend zur Kenntnis genommen zu
werden, sondern auch als Anleitung
zum Handeln verstanden werden
können. Natürlich ist die Uhr seitdem nicht stehen geblieben, so war
zur Entstehungszeit der Quartiersrat gerade „in den Windeln“. Um
ihn wurde aber mehr als ein Jahr
lang heftig und ausdauernd heftig
gestritten (jot w.d. berichtete). Aber
wissenschaftlich betrachtet ist es
zunächst nur ein Detail. Die Autorin wollte mehr: „Der Fall Marzahn
wirft zuvörderst die Frage nach
dem sozialen und städtischen Wandel Berlins in der Zeit nach der
Die Räume, die sich in der Gegend
der Wohnung befinden, werden intensiv genutzt. … Die ‚abstrakten
Dinge‘, die die Aussiedler oder die
ehemalige sozialistische Intelligenz
in den sozio-kulturellen Einrichtungen ‚genießen‘, hat für diese
Bewohnerkategorie keinen Sinn.
Ihre Kultur ist in der alltäglichen
Umwelt verankert.“
Wende auf. Anliegen dieses Buches
ist es aber auch, die Großsiedlungen als städtische Formen und
soziale Probleme sowie das Verhältnis von ehemaligen DDR-Bürgern zur Politik und den politischen
Institutionen nach der deutschen
Wiedervereinigung anhand des
Falls Marzahn zu untersuchen.“
Hier einige Thesen, zitiert nach
deutschsprachigen Manuskripten
von Dr. Cécile Cuny, die heute an
einer Pariser Universität lehrt.
Zum Vergleich mit
Aussiedlern und ehemaliger
sozialistischer Intelligenz:
„Im Vergleich mit ihnen entwickelt
die Gruppe der prekären Familien
das engste Verhältnis zum Stadtteil.
Zu ehrenamtlichen
Tätigkeiten in „prekären
Familien“:
„Diese Tätigkeiten stellen keine
Ressourcen dar, die diesen Bewohnern dabei helfen würden, Arbeit zu
finden. Ganz im Gegenteil. Sie tragen zu ihrer ökonomischen und beruflichen Ausgrenzung bei, indem
sie mit institutioneller und symbolischer Missachtung einher gehen.“
Zum Quartiersmanagement –
„Paradigmenwechsel?“:
„Dieses Programm wird im Allgemeinen als eine Antwort auf den
sozial-räumlichen Wandel der europäischen Städte angesehen. Das
Beispiel Berlin zeigt, dass auf lokaler Ebene die neue Stadtentwicklungsstrategie auch eine Antwort auf eine politische Krise darstellt.
Zur Rolle der Stadtplaner:
„Parallel dazu hat sich auch die berufliche Expertise der Stadtplaner ver-
ändert. Sie beruht nicht mehr auf der
Verwendung ihres beruflichen Wissens, sondern dieses Wissen untermauert ihre neue Stellung als
Steuerungs- und Koordinierungsagenten zwischen Staat, privaten Investoren, freien Trägern sowie organisierten und einzelnen Bewohnern.“
Zu Schwachstellen:
„Die Schwachstellen der politischen Repräsentation hängen von
den sozialen Eigenschaften der
Teilnehmer ab.“
Zum „Bund-LänderProgramm“:
„(Es zeigt), dass die Art und Weise, in der die lokalen politischen
Verwaltungen die Bürgerbeteiligungsverfahren als politische Instrumente benutzen, (im Ergebnis)
… zur Entpolitisierung der eingesetzten Bewohner als auch zur Erhöhung der politischen Verdrossenheit der prekären Familien führt.“
Zu kritischen Bürgern:
„Obwohl sie kritisch sind, sehen
die Bürger nicht, dass die allgemeinen Prüfungsregeln von lokalen Innovationen umgangen werden.“
Die Hauptthese dieser Arbeit lautet: „Die politische Repräsentation
ist das größte Hindernis, das sich
der Bürgerbeteiligung entgegenstellt.“ Quod erat demonstrandum.
Torsten Preußing
Kleinsiedlung
jot w.d. 3/2015
5
Mieten statt bauen?
Der Bürgerverein
informiert
Bürgerverein bringt neuen Standort für ein Bürgerhaus ins Gespräch
Mahlsdorf – Darüber hat sich
nun niemand wirklich gewundert:
Der Vorschlag, ein Bürgerhaus im
Süden des Stadtteils zu errichten,
erhielt bei der Abstimmung zum
Bürgerhaushalt in Mahlsdorf die
meisten Stimmen, nämlich 168.
Fast genauso viele Interessierte
fand die vom Initiator, dem
Bürgerverein Mahlsdorf Süd, organisierte Bürgerversammlung
am 11. Februar. Da stand aber
nicht nur der „Dauerbrenner“
Bürgerhaus – immerhin seit nunmehr bereits fünf Jahren gefordert
– auf der Tagesordnung. Vor allem Verkehrsfragen reizen die
Bürger zu Ein- und Widerspruch,
seien es (gefühlt) fehlende Ampeln, seien es Probleme der Straßenbahn oder des Durchgangsverkehrs nach Norden.
Fläche, die entsprechend verschiedener Bedürfnisse leicht geteilt
werden könne. Unterstützung findet die Idee auch bei Detlef
Klemm, der das Stadtteilzentrum
im Haus der Begegnung der AWO
am Hultschiner Damm leitet, wo
auch der Bürgerverein einzelne
Veranstaltungen anbietet. „Wir
sind an unsere Grenzen gestoßen,
wir brauchen dringend mehr
Platz“, gab er nicht zum ersten
Mal in Richtung Bezirksamt zu
verstehen.
Dort allerdings gibt man sich wie
eh und je verschlossen. „Wir können uns keine Investition vorstellen“, blockt Bürgermeister Stefan
Komoß die wiederholte Forderung danach ab. Maximal könne
er sich „vorstellen, dass ein Privater ein Gebäude errichtet und
lionen Euro errichtet worden.
Sein Stadtteil hingegen sei mit
öffentlichen Einrichtungen massiv unterversorgt, von den 52
Objekten im Bezirk fänden sich
hier nur zwei, obwohl gut jeder
zehnte Einwohner des Bezirks
hier lebe. Unterstützung fand
Rommel nicht nur an jenem
Abend bei der Linksfraktion der
BVV, für die Norbert Seichter ins
Feld führte, dass seine Fraktion
einen neuerlichen Prüfauftrag ins
Plenum eingebracht hatte, der
auch beschlossen wurde. Da wollte auch Komoß nicht völlig zurück stehen und versprach seinerseits, eventuelle Mietkonditionen
beim Besitzer des Hauses mit der
ehemaligen Supermaktfläche zu
erforschen. Dorthin hatten bereits
Vertreter des Bürgervereins ihre
hätten „die Bezirksamtskollegen
gar nicht interessant“ gefunden.
Auf der anderen Seite verkündete
der Wirtschaftsstadtrat, er „höre
das zum ersten Mal“, fand die Idee
spontan aber „richtig gut“.
Dass die Idee selbst noch in genau
diesem Stadium verharrt, bewies
Gisela Würzebesser vom Bürgerverein, die selbst zu bedenken gab,
dass „da drüber Leute wohnen“, es
mithin Lärmprobleme geben werde, wenn etwa musikalische Veranstaltungen organisiert würden.
„Das kriegen wir hin“, versprach
Gräff mit nahezu staatsmännischem Duktus. Und brachte – wohl
nicht ohne Hintergedanken – als
Standort die Fläche des früheren
BHG-Geländes an der Hönower
Straße/Alt Mahlsdorf ins Gespräch.
Dort entstünde eine „fußgänger-
Mahlsdorf – Am 19. März, 18
Uhr, trifft sich der Bürgerverein
Mahlsdorf-Süd im Restaurant
„St. Hubertus“, Hultschiner
Damm 1, zu seiner Jahresversammlung. Informiert wird über
Aktivitäten im Jahr 2014 und
die Vorhaben für 2015. Interessenten sind willkommen. I.D.
Frühschoppen
und Tanz im TaP
Biesdorf – Unter dem Motto
„Gute Laune ist ein Muss“ lädt
das Theater am Park, Frankenholzer Weg 4, am 15. März,
10.30 Uhr, zum Theaterfrühschoppen mit Hartmut Haker.
Es gibt Imbiss und Hausgemachtes zu moderaten Preisen.
Am 21. und 28. März wird jeweils 14.30 Uhr der Tanznachmittag eröffnet, zunächst mit
„Gabis-Mini-Band“, dann mit
der „Oranke-Band“. Eintritt
jeweils 10 Euro.
RN
Dokfilmforum zeigt
„Faschingskinder“
Unter der Moderation von Detlef Klemm stellten sich die Stadträte
Stephan Richter, Juliane Witt und Christian Gräff an der Seite von
Bürgermeister Stefan Komoß den Fragen der Bürger.
Dennoch widmete sich ein gerau- es darin eine Fläche für ein Bürmer Teil der Veranstaltung dem gerhaus“ gäbe. Dafür würde das
Bürgerhaus, denn ein neuer Vor- Bezirksamt einen Träger suchen
schlag des Vereins macht die Run- und finanzielle Hilfestellung für
de: Die Räumlichkeiten des frü- den Betrieb leisten.
heren Edeka-Marktes (zwischen- Einwohner Bernd Rommel verzeitlich Kik) sollte dafür angemie- wies auf das Beispiel des Bürgertet werden. Immerhin handele es hauses Neuenhagen. Das sei 2011
sich um etwa 1200 Quadratmeter für gerade mal fünfeinhalb Mil-
Mehr als 150 interessierte Bürger aus nahezu allen Altersgruppen
folgten der Einladung des Vereins zur Einwohnerversammlung. Nicht
alle Antworten stellten sie zufrieden.
Fotos: Lichtenstein
Fühler ausgestreckt und von ei- freundliche Zone“, dort könnten
nem Makler ein Angebot für eine „die Privaten dazwischen auch was
Nettokaltmiete von 6 bis 7 Euro tun an ihren Häusern und mit ihren Angeboten“. Ein „Bürgerhaus
je Quadratmeter erhalten.
Inwieweit das Bezirksamt sich mit Mahlsdorf Süd“ wäre das dann aber
dieser Sache bereits befasst hat, nicht mehr. Und ob das den Wünblieb zweifelhaft. Einerseits ver- schen und Intentionen der Bürger
kündete Immobilienstadtrat Ste- „in Süd“ entspricht, ist mehr als
Ralf Nachtmann
phan Richter, diesen Vorschlag fraglich.
„Unglaubliche Geschichten“
im Wuhlgarten
Ekkehard Bartsch überrascht mit einzigartigen Collagen
Biesdorf – Von Hause aus ist er
Diplom-Industrieformgestalter,
wie es in der DDR hieß – also
Designer. Der 1934 in Berlin geborene Künstler hatte einst an der
Kunsthochschule Weißensee studiert und vertrat später das „Amt
für Industrielle Formgestaltung“
im Vorstand des Internationalen
Rates der Designinstitutionen in
Brüssel und Helsinki. Doch seit
den 1990-er Jahren beschäftigt
sich Ekkehard Bartsch auch intensiv mit Malerei, Grafik und
spezieller Fotografie. Nun stellt
er in der Krankenhauskirche im
Wuhlgarten am Brebacher Weg
einige seiner Werke aus. Dabei
handelt es sich um Collagen aus
Papier sowie um Digitalprints
von Diapositiv-Collagen.
Auf den Arbeiten werden Architektur, Landschaften und Personen
zusammen gebracht. Die Bilder
stammen aus Zeitungen oder Zeitschriften, Katalogen, kunstge-
schichtlichen Veröffentlichungen
und dem privaten Bildarchiv des
Künstlers. Ursprünglich hatten sie
nichts miteinander zu tun, doch die
Zusammenführung der einzelnen
Bildelemente erzeugt neue, ungewohnte Inhalte und Wirkungen. Es
entstehen Geschichten, die von
den dargestellten Personen (oft
solche, die man aus der Öffentlich-
Malerei? Foto? Collage? Die Werke von Ekkehard Bartsch (kl. Bild)
überraschen den Betrachter stets auf’s Neue.
Fotos: Archiv
keit kennt) erzählen. Die „Unglaublichen Geschichten“ sind
zuweilen mit viel
Augenzwinkern
gemacht oder als
Metapher zu verstehen. Der Betrachter kann also
gern auch mal ins
Grübeln geraten beim Betrachten
der Collagen – auf jeden Fall aber
zum Nachdenken angeregt werden. Aber das macht gute Kunst
ja aus. Alle Arbeiten von Ekkehard
Bartsch sind übrigens ganz ohne
Hilfe eines Computers entstanden.
Am 27. Februar wurde die Ausstellung, die noch bis zum 5. April
täglich zwischen 14 und 17 Uhr
zu sehen sein wird, von Horst
Würzebesser, Hartmut Behrsing
und Lukas Natschinski mit einem
Swing-Konzert eröffnet. Der Eintritt ist frei.
I. Dittmann
Biesdorf – Das Stadtteilzentrum, Alt-Biesdorf 15, zeigt am
16. März, 18.30 Uhr, den Film
„Faschingskinder“. Ausgangspunkt für ihn war der 9-minütige DEFA-Dokumentar-Film
„An einem Februarvormittag“
aus dem Jahre 1981, der Vorschulkinder in einer Ostberliner
Schule für Körperbehinderte bei
einer Faschingsfeier porträtiert.
2007 hatte der Regisseur die
Idee, nach den damaligen Mitwirkenden zu suchen, um ihre
Geschichten weiterzuerzählen.
Es gelang ihm, die meisten von
ihnen zu finden und ihre weiteren Lebenswege von damals an
in einem berührendem Film zu
dokumentieren. Autor und Regisseur Gunther Scholz wird zu
Gast sein. Eintritt 5 Euro, Info
Tel. 526 78 45 93.
RN
Porta ante Portas,
Wasserski auch
Mahlsdorf – Auf dem Gelände an der Pilgramer Straße südlich der B 1/5 sind die Abrissarbeiten der alten Lagerhallen
schon fast vollendet. Dort soll,
wie diese Zeitung berichtete,
ein Porta-Möbelmarkt entstehen. Wirtschaftsstadtrat Christian Gräff hofft „auf den ersten Spatenstich noch in diesem Jahr“, wie er bereits im Januar verkündete. Allerdings ist
das Bebauungsplan-Verfahren
noch nicht einmal auf halbem
Wege abgeschlossen. Erteilt
Gräff vorzeitig eine Baugenehmigung, droht dem Bezirksamt
eine erneute Klage. Den jüngsten Prozess um die WasserskiAnlage (hier: Reinigung des in
den Elsensee eingeleiteten Regenwassers) haben Land und
Bezirk krachend verloren, wie
mehrere Medien berichteten.
Die Errichtung der WasserskiAnlage dürfte nun kaum noch
verhindert werden können. RN
6
jot w.d. 3/2015
„Die alten Schachteln“
werden 20
Links & rechts der Wuhle
Neue Typen – alte Bekannte
Kisten-Konzerte von Blues bis Rock
Hellersdorf – Mit einem GalaProgramm feiert das Seniorenkabarett (Foto: Möhring) am
18. April im Kompass, Kummerower Ring 42, seinen 20.
Geburtstag. Aus bescheidenen
Anfängen entwickelte sich eine
Truppe, die mit Witz und Esprit
den alltäglichen Wahnsinn aufs
Korn nimmt. Da wird kein Thema ausgespart. Der Bogen
spannt sich von der großen Politik bis hin zu Alltagsgeschichten und zwischenmenschlichen
Beziehungen. „Wir ham vor
nischt und kee’m Respekt“
heißt es in einem ihrer Songs.
Zum Jubiläum gibt es ein gut
zweistündiges Programm mit
brandneuen Sketchen, Couplets
und Tänzen. Karten Tel. 564
974 01 (Kompass) oder 541 09
57 (B. Möhring).
I.D.
Hellersdorf – Nach Blues- und
Liederauftakt zu Monatsbeginn
(Kris Pohlman am 6. März, Tino
Eisbrenner am 7. März) geht es
in der Kiste, Heidenauer Straße
10, am zweiten Wochenende
gleich in die Vollen: Zunächst
spielen „Hartbeat Five“ am 13.
März eine ganze Reihe Perlen der
Beat-Ära von 1963 bis 1970, wobei die etwas härteren, wie der
Name schon sagt, im Mittelpunkt
stehen. Als da wären: Kinks, Jimi
Hendrix, Spencer Davis Group
oder Rolling Stones. Es gibt aber
auch Psychodelisches, etwa von
Van Morrison oder den Small
Faces. Am 14. März folgen die
„NDW-Rocker“ der Gruppe „Vollhardt“, in hiesigen Gefilden bestens bekannt. Noch härter hauen
am 20. März (Frühlingsanfang!)
die Mädels von „Black Rosie“
(Foto: Nachtmann) in die Saiten;
auch sie als AC-DC-Coverband
am östlichen Stadtrand wohlgelitten. Wenn Kistenchef Fred Schöner am 21. März wieder einmal
die „welt-KISTE“ aufmacht,
springt mit „Shawue“ eine Band
heraus, die nach eigenem Bekunden eine „deutschsprachige Mi-
schung aus traditionellem Folk
und amerikanischen Folkrock, hier
und da noch mit einer Prise
Grunge, Blues oder Punk gewürzt“
vorstellt. Angeblich werden ihre
Texte in deutschen und auch amerikanischen Schulen gar „als
Unterrichtsmaterial“ verwendet.
Da sind wir aber gespannt. Genau-
so aufgeregt erwarten wir zum
Monatsend-Blues am 27. März
die Texanerin Elizabeth Lee, die
sich mit ihren drei intalienischen
Musikern „Elizabeth Lee’s
Cozmic Mojo“ nennt. Cozmic? Da
war doch was? Klar, Janis!
Und kraftvoll geht der Monat zu
Ende, am 28. März geht die
„HARTEkiste“ auf. Drin sitzt mit
„Flying Carpets“ eine vierköpfige,
vom Reggae beeinflusste Rockband, die recht originelle Musik
spielen soll. Also auch mal wieder
was Neues. Beginn jeweils 21 Uhr,
Karten 4 bis 15 Euro, wer rechtzeitig kommt, kann sich noch in
Ruhe und ohne Gedränge die neue
Ausstellung „Gefühlte Realität“,
Grafik von Katja Wilhelmi (mit
ihrem Hauptmotiv Mops „Löffel“),
anschauen. Info Tel. 99 87 481,
www.kiste.net.
R. Nachtmann
Werbung für einen Massensport
Marzahn – Unter dem Motto „Schlag
auf Schlag“ präsentierten sich einige Stars des Tischtennisclubs Berlin Eastside am 14. Februar im
Eastgate. Neben dem TischtennisSportabzeichen und Kämpfen gegen
einen „TT-Roboter“ durften sich
Wagemutige mit Spielerinnen des ttc
messen. Höhepunkt der Veranstaltung war sicherlich der Showkampf
zwischen Kristin Silbereisen (Europameisterin 2013) und Christian Süß
(Gewinner der World Tour 2012),
der erst im vergangenen Jahr nach
zwei schweren Verletzungen ein
Come Back feierte. Schade für die
Berliner Fans, dass Kristin im Sommer zum Bundesliga-Rivalen Kolbermoor wechselt. Dennoch alles
Gute zum 30. Geburtstag am 14.
März.
RN, Fotos: Schuchert
Kneipen-Quiz
mit Live-Musik
Marzahn – Zum nächsten
„Kneipen-Quiz“ im Café der
Golferia, Wittenberger Straße 50,
wird am 14. März, 19 Uhr, eingeladen. Die musikalische Gestaltung übernehmen Ellen Meyer (Kora) und Stefan Lau (Percussion). Eintritt 5 Euro.
I.D.
Seniorenkinobrunch
Hellersdorf – Das Kino „Kiste“, Heidenauer Straße 10,
lädt am 20. März, 9 Uhr, zum
beliebten Seniorenkinobrunch;
gezeigt wird der Film „Selma“.
Mohammed und der echte Ring
Über einen Vortrag zum Islam als Teil des geistigen Schatzes der Menschheit – Teil 1
Hellersdorf – Der Islam in der Bildenden Kunst und in der Gesellschaft – zu
diesem Themenabend hatte die Linke im
Bezirk am 11. Februar eingeladen. Der
Gastreferent, Dr. Rufat Sattarov, Historiker und Islamwissenschaftler, präsentierte in 90 spannenden Minuten, wunderbar illustriert, alte und neue Fakten über
den Islam als eine der drei so genannten Buchreligionen, der sich große Teile
der Menschheit zugehörig fühlen. Der
neun Sprachen sprechende Dr. Sattarov
studier te in seiner Heimat Aserbaidschan. Über verschiedene internationale akademische Stationen in Europa kam
er als DAAD-Stipendiat nach Berlin, um
an der Freien Universität am Institut für
Turkologie mit einer Arbeit über die Rolle des Islam in der Gesellschaft Aserbaidschans zu promovieren, wobei er mit der
Bestnote „summa cum laude“ abschloss.
2009 wurde seine Dissertation als Buch
in englischer Sprache im Wiesbadener
Reichert Verlag publiziert.
Ein kompetenter Vortragender ging im
Laufe des Abends nicht nur auf die
Gründungsgeschichte des Islam und den
Propheten Mohammed als geistigen Leh-
rer und Sinnstifter dieser Weltreligion ein,
sondern er erläuterte auch ausführlich
Besonderheiten der Kultur, des Alltags,
des Glaubensverständnisses und der
Rechtstradition. Er erklärte, weshalb der
Unterschied zwischen Sunniten und Schiiten weitaus geringer sei, als vergleichsweise Differenzen zwischen den Konfessionen innerhalb des Christentums. Rufat
Sattarov gelang es, augenfällige Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten von Judentum, Christentum und Islam verständlich
zu machen, wie zum Beispiel der in allen
drei vorherrschende Monotheismus, das
Verständnis von Gott in seiner Einzigartigkeit, Einheitlichkeit. Oder die Tatsache,
dass in den heiligen Schriften des Altertums, dem Tanach, (der Jüdischen Bibel
oder Thora), im Alten und Neue Testament (der Christlichen Bibel) sowie dem
Koran (dem Heiligen Buche des Islam),
Abraham, Moses, Salomon und David,
Maria und Jesus, der Erzengel Gabriel und
andere Figuren mehr oder weniger breiten Raum einnehmen. Sattarov zeichnete
Besonderheiten in der bildlichen Darstellung. Er untermauerte die Tatsache, dass
es das Darstellungsverbot von Menschen
Ein Blick in den Originaltext des
Koran, etwa diese sehr gut kommentierte Ausgabe aus der DDR,
hilft oft mehr, als auf Propaganda-Aussagen verschiedener Seiten hereinzufallen.
nicht erst mit dem Islam, einer der jüngsten großen Glaubensbewegungen, gab,
sondern schon im Buch Mose des Alten
Testaments beschrieben wird.
An Beispielen aus der Bildenden Kunst
zeigte Sattarov die Evolution der islamischen Tradition, von einer eher liberalen
Auslegung in den ersten Jahrhunderten
bis zur späteren Bindung an feste Rituale und Regeln. Wunderbare persische
höfische Darstellungen der Himmelfahrt
Mohammeds deuten darauf hin, dass es
Interpretationsmöglichkeiten für den
Künstler aber auch den Betrachter gab.
Karikaturen mit Abbildungen von Politikern und Geistlichen aus der aserbaidschanischen Zeitschrift „Molla Nasraddin“
und aktuelle Karikaturen aus der islamischen Welt wurden detailliert erläutert.
Hier finde ich wichtig, dass Sattarov deutlich machte, dass es in der Auslegung
des Islam sowohl eine strenge, orthodoxe Tradition, aber auch sehr gemäßigte, liberale Deutungen gibt. Der Koran als allerheiligstes Schriftwerk der
Moslems selbst enthalte keinerlei direkte Darstellungsverbote, jedoch gebe es
Handlungsrichtlinien durch kanonisierte
Überlieferungen vom Propheten Mohammed (die Hadithe) und Interpretationsschriften der Islamgelehrten.
Die Islamische Gesellschaft erscheint bis
heute, so Sattarov, als weitaus weniger
institutionalisiert und personalisiert. Wenn
die katholische Christenheit mit dem Heiligen Vater in Rom eine höchste Autoritätsperson anerkennt, so gebe es ein
ähnliches Phänomen im Islam nicht – jeder Islamgelehrte sei für seine Meinung
selbst verantwortlich und stellt somit nicht
die Wahrheit in der letzten Instanz dar.
Ob ein Moslem diesem oder jenem Gelehrten folgt, hängt ab von seiner eigenen Entscheidung. Und dieser Umstand,
laut Sattarov, zeigt die Vielhalt der möglichen Interpretationen im Rahmen der islamischen Religion. Die überwiegende
Mehrheit islamgeprägter Länder folge der
Toleranzidee, wie etwa Aserbaidschan,
Sattarovs Heimat. Das historische AlAndalus sei ein Präzedenzfall für die friedliche Koexistenz der Religionen, als Wissenschaft und Geistigkeit blühten und sich
gegenseitig inspirierten. Frank Schulze
Diplom-Staatswissenschaftler
(Teil 2 in Ausgabe 4/2015)
Blick zum Nachbarn
jot w.d. 3/2015
7
Krumme Löffel und dicke Hunde
Sabine Rennefanz
liest „Eisenkinder“
Stadtteilbibliothek nach Manfred Bofinger benannt
Lichtenberg – Über den Radikalismus von Jugendlichen in
der Zeit nach dem Verschwinden der DDR spricht die Autorin Sabine Rennefanz am 12.
März, 19.30 Uhr, im Museum
Lichtenberg, Türrschmidtstraße 24. Die Redakteurin der
Berliner Zeitung geht in ihrem
Buch „Eisenkinder – Die stille
Wut der Wendegeneration“ der
Frage nach, was junge Menschen radikalisiert und was sie
dazu bewegt, sich gegen die
Gesellschaft aufzulehnen, in
die sie hinein geboren wurden.
Derselben Altersgruppe wie
das Neonazi-Trio „NSU“ angehörend, suchte sie nach einem
anderen, nicht minder polarisierenden Weg persönlichen
Widersetzens. Die Lesung
(Eintritt drei Euro) ergänzt die
Ausstellung „Widerspenstig
und widerständig – Jugendkultur in Lichtenberg 1960 –
1990“, die bis zum 20. April im
Museum gezeigt wird. Zu sehen sind Foto-, Film- und Tonzeugnisse von alltäglicher und
politischer Jugendkultur. B.B.
Treptow – „Früher hat ja mein
Papa mal gearbeitet. Aber jetzt
zeichnet er nur noch Witze.“ Diese Kurz-Vita ihres Vaters hat Manfred Bofingers älteste Tochter Bettina an ihrem ersten Schultag zum
Besten gegeben – nachdem die
Kinder gebeten waren, sich vorzustellen und den Beruf der Eltern
zu nennen. Nachzulesen ist diese
Anekdote in einem der letzten Bücher des Karikaturisten, Illustrators und Autors Manfred Bofinger
(1941-2006) unter dem Titel „Ein
dicker Hund. Geschichten mit
Kindern“.
Im Januar jährte sich der Todestag des bekannten und beliebten
Grafikers zum neunten Mal. Aus
diesem Anlass verlieh das Bezirksamt Treptow-Köpenick der Stadtteilbibliothek in Alt-Treptow seinen Namen. Hier, im so genannten Kunger-Kiez an der Plesserstraße verbrachte „Bofi“, wie ihn
Freunde und Fans nannten, viele
Jahre seines Lebens bis zu seinem
Tod. Er war ein waschechter Berliner, hier geboren und immer hier
wohnhaft. Nach dem Abitur am
humanistischen Gymnasium zum
Grauen Kloster absolvierte Man-
fred Bofinger zunächst eine Lehre als Schriftsetzer und arbeitete
als Typograf, bis er seinen Weg als
freier Künstler fand.
Besonderer Bekanntheit erfreute
sich der Mann mit dem Rauschebart und der runden Nickelbrille
als Karikaturist des Satiremagazins „Eulenspiegel“ und dank seiner Kinderbücher. Auch in der
Kinderzeitschrift Frösi konnte
man seinen witzigen Figuren begegnen. Überhaupt zeichnete
Manfred Bofinger ein besonderes
Verhältnis zu Kindern aus. Er illustrierte nicht nur Bücher für sie,
sondern besuchte sie auch in Kindergärten, Schulen und Bibliotheken, zeichnete, las und spielte mit
ihnen. Bofinger-Bücher für Kinder, darunter „Das Gänsehautbuch
(Ein ABC des Grauens)“ und „Das
Menschenfresserbuch (oder Die
Kannibalische Menschheitsgeschichte)“, wandten sich mit heiterer-hintersinniger Komik gegen
Konsumterror und soziale Kälte.
Bofinger illustrierte über 300 Bücher, Bastelbögen, Kalender, Postkartenbücher, Programmhefte,
Spielkarten und Plakate. Als seine Vorbilder nannte er Kurt Tu-
cholsky, Joachim Ringelnatz oder
Erich Kästner. Wie Kästner glaubte auch Manfred Bofinger daran,
dass man die Welt durch Lachen
verändern kann.
Ein großes Namensschild mit einem Selbstbildnis Manfred Bofingers ziert nun das Gebäude der
Stadtteilbibliothek in der KarlKunger-Straße. „Ich freue mich
jedes Mal, wenn ich das Schild
Dass er bei Kindern sehr beliebt
war, zeigt die Zeichnung von Susann, die im Buch abgedruckt ist.
vom Fenster meiner Wohnung aus
sehe“, zeigt sich seine Witwe,
Gabriele Bofinger, gerührt. Manfred Bofingers Grab befindet sich
auf dem Evangelischen Friedhof
in Alt-Stralau. An seiner letzten
Ruhestätte erinnern übrigens mehrere gebogene Esslöffel an sein
fast schon legendäres Kinderbuch
„Der krumme Löffel“, in dem er
seine Kindheitserlebnisse aus dem
Nachkriegsberlin beschreibt.
In seinem Buch „Ein dicker Hund“
schrieb Manfred Bofinger:
„Manchmal bittet mich ein Kind,
ein Porträt von ihm zu zeichnen.
Das mache ich dann auf meine
Weise. Bisher gab es selten Ärger.
So entstehen immer wieder aufs
Neue Katzen mit Sommersprossen, Löwen mit Zöpfen, Elefanten
mit Brille und Himmelfahrtsnase,
Pferde mit Pferdeschwanz, Frösche mit Basecap und Hunde mit
Zahnspange.“ „Bofi“ hatte sich offensichtlich einen kindlichen Einfallsreichtum bewahrt und lässt
diesen mit viel Talent, Können
und Herzenswärme in seinen Illustrationen noch heute zu einem
begeisterten Publikum sprechen.
Dagmar Neidigk
Von Bravehearts, Whisky, High- und Lowlands
Balladen und Anekdoten aus Schottland im Salon
Karlshorst – Zum Carlshorster Salon
unter dem Motto „Schottland – Auf den
Highlands“ lädt am 27. März, 19.30 Uhr,
der Kulturring in das Kulturhaus Karlshorst, Treskowallee 112 ein. Im Mittelpunkt des literarisch-musikalischen
Abends, durch den Alina MartirosjanPätzold führt, stehen diesmal die Kunst
und Kultur Schottlands.
Zu Gast sind die in Berlin lebenden schottischen Künstler Neil Macdonald (Fotos:
Grimm, Archiv) und Sinead Hayes. Beide spielen ein vielfältiges Repertoire aus
alten und neuen Balladen und Melodien. Ihre Musik ist eine Mischung aus
Straßensperrung für Baumerhalt
Eine Woche Umwege fahren rettet Dutzende Bäume
Hohenschönhausen – Der Obersee und der Orankesee, letzterer
mit dem schönen Freibad, sind
die beiden wichtigsten Gewässer
im Norden unseres Nachbarbezirks. Daher erfuhren sie in den
vergangenen Jahren umfangreiche Sanierungsmaßnahmen. Deren Abschluss bildet nun der Bau
eines Seewasserfilters für den
Obersee. Dessen Ablauf- und Zulaufleitungen sollen künftig im
Fahrbahnbereich der Oberseestraße sowie der Kreuzung Obersee-/Waldowstraße verlaufen.
Im März werden die Arbeiten auf
dieser Kreuzung durchgeführt.
Daher muss die Oberseestraße
vom 16. bis 20. März gesperrt
werden. Die Grundstücke 12-18
bleiben währenddessen aus Richtung der Manetstraße erreichbar.
„Die Entscheidung für die Verlegung der Ablauf- und Zulaufleitungen des Seewasserfilters in
die Fahrbahn der Oberseestraße
ist vor dem Hintergrund eines
möglichst zurückhaltenden Eingriffs in die umliegende Natur
gefallen“, begründet Baustadtrat
Wilfried Nünthel. An anderer
Stelle wären weitere Baumfällungen oder Eingriffe ins Wurzelwerk unvermeidlich gewesen.
Deshalb hatten auch die Teilnehmer einer Einwohnerversammlung die Pläne Nünthels gestützt.
R. Nachtmann
Fünf Tage Sperre zur Sanierung
von Oranke- (li.) und Obersee.
langsamen, melancholischen und atemberaubend schnellen Volksliedern.
Neil Macdonald singt und spielt Gitarre,
trägt schottische Gedichte vor und erzählt
humorvolle Geschichten und Anekdoten
über Land und Leute. Sinead Hayes begleitet ihn auf der Geige. Als Dirigentin
hat sie bereits mit mehreren großen Orchestern gearbeitet, auch in Deutschland.
Originalbilder werden ausgestellt und
sind käuflich zu erwerben. Kulinarische
Spezialitäten aus Schottland stimmen auf
den Abend ein. Eintritt 18 Euro (einschließlich landestypischer Speisen),
Karten Tel. 553 22 76.
I.D.
Zehn Kreative sezieren den Krieg
Neue Ausstellung im „studio im hochhaus“
Hohenschönhausen – Unter dem
Titel „... der Krieg ist ein Teil von
mir“ zeigen Ella Adamova, Michael Bensman, Dirk-Martin
Heinzelmann, Jakov Kaplun, Valeriu Kurtu, Marina Lyubaskina,
Michail Schnittmann, Alexander
Sementzov, Kateryna Yerokhina
und Juri Zurkan vom 8. März an
(Vernissage 16 Uhr) im studio im
hochhaus, Zingster Straße 25, Ölbilder, Aquarelle, Grafiken, Zeichnungen, Collagen, Fotografien,
Objekte und Plastiken.
Der Ausstellungs-Titel ist ein Zitat des ukrainischen Dichters und
Übersetzers Jurij Levitanskij
(1922-1996). Seine Gedichte spiegeln Erfahrungen während der
Teilnahme am „Großen Vaterländischen Krieg (1941-1945) gegen
das faschistische Deutschland“
wider. So ist sein Ausspruch: „Ich
nehme in dem Krieg nicht teil. Der
Krieg ist ein Teil von mir“ auch
heute noch als Mahnung an die
Nachgeborenen zu verstehen. Alle
Künstler der Ausstellung kommen
aus Osteuropa, sind aufs engste
mit der jüdischen Kultur und Religion, ihrer wechselvollen jahrhundertlangen Geschichte der
Diaspora verbunden, haben Heimatverlust und einen schwierigen
Neubeginn als Migranten in einem
zum Beginn fremden Land erlebt.
In der Ausstellung versuchen sie
Antworten auf Fragen zu ihrer eigenen Identität zu finden, differenzierte Bilder einer globalen Welt
zu vermitteln. Diese globale Welt
ist von gegenseitigen Verflechtungen und Beziehungen geprägt, unterschiedliche Lebensstile führen
zu neuen Fragenstellungen, Wertevorstellungen werden hinterfragt,
Konflikte treten zutage und erfordern neue Dialoge.
Zu sehen bis 22. Mai, Mo-Do 11
bis 19, Fr 11 bis 18, So 14 bis 18
Uhr. Führungen können vereinbart
werden, Tel. 929 38 21. B. Breuer
Haase solo im HdG
Hoppegarten – Am 20. März,
20 Uhr, gastiert Christian
Haase, der auch im Wuhlebezirk gut bekannte Songpoet, mit
seinem Soloprogramm im Haus
der Generationen Lindenallee
12. Haases Texte haben „genug Tiefe, um sie Lyrik zu nennen, dennoch sind seine Zeilen
verständlich genug, dass sie
landen und haften bleiben“.
Gerade in seinen Solo-Konzerten „feiert Haase das Leben,
die Liebe und die großen Fußstapfen, in denen er geht.“
Karten kosten im Vorverkauf
12, an der Abendkasse 16 Euro,
Info und Bestellungen Tel.
03342-422 44 72.
AKV
Blues aus Detroit
Schöneiche – Blueslegende
Mitch Ryder (Foto: Nachtmann) gibt
am
15.
März, 20
Uhr,
ein
Konzert in
der Kulturgießerei, An
der Reihe 5.
An gleicher
Stelle gastieren Wenzel & Band mit
„Viva la poesia“ am 20. März,
20 Uhr. Eintritt 18 Euro,
Abendkasse 20 Euro. Karten
Tel. 030-649 29 92.
I.D.
Frauen wissen mehr
Köpenick – „Comedy zum
Frauentag“ heißt eine Veranstaltung der „agentur heising“ am
7. März, 16 Uhr, im Stadttheater Cöpenick, Friedrichshagener
Straße 9. Moderator Lutz Hoff
unterhält unter dem Motto
„Frauen wissen mehr, als Männer denken – denken sie!?“ Karten Tel. 650 16 230, [email protected]. I.D.
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jot w.d. 3/2015
Tipps und Termine
Von Reutter und Juhnke
bis Kästner
Hellersdorf – „Sehn’se, das ist Berlin –
Von Otto Reutter bis Harald Juhnke“
heißt es am 24. März im Klub 74, Am
Baltenring 74. Lothar Wolf begleitet seine Gäste mit Musik und Humor durch
Berlin. Beginn 14 Uhr, Eintritt 2,50 Euro.
Anmeldung erbeten, Tel. 563 09 93. Am
25. März plaudert Wolf im Kulturforum,
Carola-Neher-Straße 1, über das bewegte Leben des Schriftstellers Erich Kästner. Beginn 14.30 Uhr, Eintritt 6 Euro,
Kaffeegedeck 2,50 Euro.
I.D.
Ein Kriminalrat a. D. erzählt
Biesdorf/Marzahn – Der Buchautor und
Kriminalrat a. D. Hans Christoph Weise
erzählt unter dem Motto „Tagebuch eines DDR-Kriminalisten“ am 14. März,
15 Uhr, im „Theater am Park“, Frankenholzer Weg 4, und am 17. März, 18 Uhr,
im Berliner Tschechow-Theater, Märkische Allee 410, über spannende Kriminalfälle. Eintritt 4/3/2,50 Euro.
I.D.
Kultur im Kompass
Hellersdorf – „Carola Neher – Eine
Schauspielerin zwischen Weimar und
GULAG“ heißt es am 10. März, 14 Uhr,
im Haus im Stadtteil „Kompass“, Kummerower Ring 42. Uta Ernst erinnert an
die legendäre Polly aus Brechts „Dreigroschenoper“ anlässlich deren 115. Geburtstages. Eintritt 2,50 Euro. Am 17.
März ist Agathe Leselust zu Gast. Ab 17
Uhr heißt es dort „Märchenzeit“. Am 7.
April, 17 Uhr, gibt es mit der Erzählerin
ein „Osterleuchten“. Eintritt 3 Euro. Karten Tel. 56 49 74 01.
I.D.
Kultur & Freizeit
Weltpremiere vierhändig
Ausverkaufte Show zu Ehren des Komponisten Arndt Bause
Marzahn – Bis zum letzten
Platz besetzt war am 22. Februar der große Saal des Freizeitforums. Nun schon zum fünften
Mal wurde mit einer großen
Gala hier ein Mann geehrt, der
mit seinen Kompositionen vielen Interpreten der DDR-Unterhaltungsszene zur Popularität
verhalf – ob Frank Schöbel
(„Gold in deinen Augen“), Jürgen Walter („Schallala, Schallali“), Peter Albert („Dreh dich
nicht mehr um“), Jürgen Hart
(„Sing mei Sachse sing“), Wolfgang Lippert („Erna kommt“),
Andreas Holm („Siebenmal
Morgenrot“), Hans-Jürgen Beyer („Tag für Tag“), Ina-Maria
Federowski („Gegensätze ziehn
sich an“), Aurora Lacasa
(„Nimm den Zug, der Sehnsucht
heißt“), Monika Herz („Charly
ade“) und natürlich „Big Helga“
Helga Hahnemann („Jetzt
kommt dein Süßer“). Viele seiner rund 1300 Schlagerkompositionen wurden zum Hit und
belegten vordere Plätze bei nationalen, aber auch internationalen Festivals und Wettbewerben.
Der Leipziger und Wahlberliner,
der mit seiner Frau Angret und
den drei Töchtern in Biesdorf
lebte, starb am 11. Februar 2003
mit gerade mal 66 Jahren. Um
die Erinnerung an den „Mann
„Luden“ Petrowsky und Gala-Initiator Siggi Trzoß.
mit der goldenen Nase“ zu wahren, gestalten auf Initiative von
Schlagerexperten Siegfried
Trzoß und des FFM seit fünf
Jahren Künstler, für die Bause
einst schrieb, eine Gala der Erinnerungen und der Emotionen.
Dabei waren in diesem Jahr
u.a. Ingrid Winkler, Lutz Hoff,
die beiden jungen Pianisten
Lukas Natschinski und Thomas
Krüger, Julia Axen, Uschi Brüning & Ernst-Ludwig „Luden“
Petrowsky und Hans-Jürgen
Beyer, der spontan den erkrankten Andreas Holm ersetzte. Im Gespräch mit Modera-
Fotos: Dittmann
tor Siggi Trzoß plauderten er
und Luden denn auch aus dem
Nähkästchen, etwa über des
Komponisten spontane Reaktion beim staatlichen Rundfunk, als man an seinen ersten
Kompositionen herummäkelte
(„Dann können Sie mich alle
mal am Arsch lecken.“). – Das
hatte sich ja dann bald erledigt,
wer der DDR mit seinem Werk
Anerkennung sogar auf internationalen Bühnen verhalf,
dem gebührte irgendwann auch
der Nationalpreis.
Zahlreiche Videoausschnitte
auf der großen Leinwand im
Arndt-Bause-Saal erinnerten an
diesem Nachmittag an den kleinen großen Mann mit der Spürnase für Talente und Hits. Da
wischten sich im Publikum
nicht nur Tochter INKA und
Ehefrau Angret verstohlen die
eine oder andere Träne aus dem
Auge, sondern auch viele Weggefährten wie die 86-jährige
Angela Genzmer, die Texterin
der Henne.
INKA, die einst fünf Mal den
„silbernen bong“ in einer Wertungssendung des DDR-TV für
Titel ihres Vaters erhielt, begeisterte die 360 Zuschauer im Saal
wieder einmal mit ihrem Gesang
(„Aber du“), aber auch mit ihrer erfrischenden Art zu plaudern. Für die Vitrine mit ArndtBause-Devotionalien im Foyer
des FFM spendete sie einen „silbernen bong“ und ein OriginalNotenblatt ihres Vaters.
Dass Bause-Songs auch in einer ganz modernen Bearbeitung
begeistern können, bewiesen
die beiden jungen Pianisten
Thomas Krüger und Lukas
Natschinski mit „Kleiner Vogel“ und „Schallala, Schallali“.
Letzteren Jürgen-Walter-Hit
spielten beide im jazzigen
Sound vierhändig auf dem Flügel – gewissermaßen eine Weltpremiere. Ingeborg Dittmann
Im Zeichen der Mode
Mahlsdorf – Zu einer „Frauentagsfahrt
im Zeichen der Mode“ lädt die Volkssolidarität am 13. März ein. Mit Besuch
des Modemuseums, Mittagessen und
Kaffeetrinken. Preis 54 Euro, Anmeldung
und weitere Infos Tel. 22 48 82 22. I.D.
Rosa Luxemburg
bei HellMa
Marzahn – Dr. Katrin Sell widmet sich
am 31. März im Frauentreff HellMa,
Marzahner Promenade 41, in einem Vortrag der Visionärin und Revolutionärin
Rosa Luxemburg. Anschließend wird der
Film über Rosa Luxemburg gezeigt. Beginn 15.15 Uhr, Eintritt 3,50 Euro. I.D.
Kaffee mit Aussicht
Mahlsdorf – In „Kaffee mit Aussicht –
keine musikalische Kaffeefahrt“ präsentiert sich am 18. März Marlies
Carbonaro als musikalische Reiseleiterin – im Stadtteilzentrum „PestalozziTreff“, Pestalozzistraße 1a. Eintritt 2,50
Euro, Kaffeegedeck 1,70 Euro. Anmeldung erwünscht, Tel. 56 58 69 20. I.D.
Gunther Scholz
beim Filmforum
Biesdorf – „Faschingskinder“ heißt der
neue Film von Gunther Scholz (Buch und
Regie). Darüber erzählt der bekannte Regisseur am 16. März, 18.30 Uhr, im
Stadtteilzentrum Biesdorf, Alt-Biesdorf
15, beim Biesdorfer Dokumentar- und
Kurzfilmforum. Eintritt 4 Euro.
I.D.
Inka spendete einen „Silbernen Bong“, Uschi Brüning erzählte von ihren Begegnungen mit Arndt Bause, Lukas Natschinski und Thomas Krüger spielten Bause-Lieder.
Ein Krimi wie im Film
Spannende Buchpremiere mit Wolfgang Haase
Hellersdorf – Eine solche
Buchpremiere wie am 22. Februar hatte die Peter-Weiss-Bibliothek in den nun schon 25
Jahren ihres Bestehens noch
nicht erlebt. Der vielen Hellersdorfern als „rettender Engel“ in Computerfragen und als
exzellenter Dokumentarfilmer
bekannte Wolfgang Haase stellte sein erstes Buch „Eisige Reife“ vor – einen Kriminalroman,
der zu einem großen Teil im
Hohen Norden und in Skandinavien spielt. Das Wort „spielt“
wurde hier nicht zufällig gewählt. Die Schreibweise von
Wolfgang Haase weist ausgesprochen „filmische“ Züge auf
– von den sehr bildhaften Milieu- und Landschaftsbeschreibungen bis zu Rückblenden und
filmschnittartigen Gliederun-
gen und Verknüpfungen der
einzelnen Handlungsstränge.
Bestens vertraut mit den Möglichkeiten heutiger Bild- und
Tontechnik, gestaltete der Autor die Buchvorstellung für die
zahlreich erschienenen Gäste
zu einem spannenden visuellen
und akustischen Erlebnis. In
einer kurzen Filmsequenz entführte er in die eisigen Weiten
des Polarmeeres – dorthin, wo
einer seiner Romanhelden auf
rätselhafte Weise verschwunden war. Danach wurden wichtige Personen der Handlung
Wolfgang Haase versetzte seine Zuhörerschaft in der Peter-WeissBibliothek mit seinem Krimi mächtig in Spannung. Foto: Sumpf
vorgestellt und charakterisiert,
einige Beweggründe ihres
Agierens angedeutet. So wurde
das Interesse der Zuhörer geweckt, die Spannung angeheizt:
Wie geht es weiter, wie gestaltet sich das Schicksal der einzelnen Personen? Werden ihre
Pläne aufgehen?
Der Beifall am Ende der Veranstaltung zeigte: Es war eine
gelungene Buchpremiere. Kein
Wunder, dass die vom Autor
mitgebrachten Exemplare seines Romans schnell vergriffen
waren.
Die nächste Veranstaltung der
Peter-Weiss-Bibliothek findet
am 12. April, 10.30 Uhr, statt.
Unter dem Titel „Die eine Rose
überwältigt alles“ werden Gedichte von Eva Strittmatter vorgetragen.
Gertraude Sumpf
Kultur & Freizeit
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Drollig strangulieren
Tipps und Termine
Vieldeutige, aus China heraus geschmuggelte Fotos von Liu Xia erstmals in Berlin
Spitzenkünstler und
Promis im Bräustübl
„Liu Xia – eine Fotografin aus
China“ heißt ganz unspektakulär eine neue Ausstellung im
Martin-Gropius-Bau. Die
Sammlung bildnerischer Darstellungen vor allem scheinbar
schreiender Puppen erweitert
bis zum 19. April den Horizont
auf das Reich der Mitte. Oder
über das Wesen von Diktaturen.
Zwei Püppchen sitzen auf einem Stein am Strand und
schreien auf das endlose Meer
hinaus. Ein anderes steht entsetzt vor zwei Bücherstapeln.
Ein drittes hält ein Brillenträger auf seiner Schulter fest. Ob
es schreit, weil es dem Mann
so viel Unglück brachte oder ob
es überhaupt erst dem Schweigenden eine Stimme verleiht,
bleibt der Interpretation des
Betrachters überlassen. Ein
viertes sitzt eingesperrt hinter
einer Scheibe voller chinesischer Schriftzeichen und
streckt doch dem Betrachter die
Zunge heraus. Drollig und aus-
bisschen chinesisch versteht.“
Am Ende fragt sich der Besucher, wie wenig es braucht, um
eine Diktatur dermaßen gegen
sich aufzubringen.
Den Blick auf das endlose
Meer versteht jeder Ostdeutsche automatisch. Die zwei
Bücherstapel stehen für chinesische (gute) und westliche
(schlechte) Einflüsse, jedenfalls aus Sicht des Regimes.
Dabei wurde Kant schon 1900
ins Chinesische übersetzt, und
Marx ist sowieso unverzichtbar
– ein Spagat. Der Brillenträger
ist der inhaftierte chinesische
Friedensnobelpreisträger. Andere Motive zeigen uniformes
(Puppen)Verhalten, erhängte
Puppen, oder in Plastikfolie ihrer Atemluft beraubte Puppen.
Gefährlich macht die Fotografin aus Sicht des Staates ein
weiteres schweres Delikt: 1996
heiratete sie den Regimekritiker und späteren chinesischen
Friedensnobelpreisträger von
Friedensnobelreisträgers. Sie
gilt selbst in China als bedeutende Künstlerpersönlichkeit.
Die gebürtige Pekingerin war
in den liberalen 1980-ern ein
aktives Mitglied der lebendigen
modernistischen Literatur- und
Kunstszene, die damals in ihrer Heimatstadt aufblühte, berichtet das zur Ausstellung erhältliche Begleitheft. Zu jener
Zeit verliebte sie sich in den
umstrittenen jungen Universitätsprofessor und öffentlichen
Intellektuellen Liu Xiaobo.
Diese Verbindung kostete sie
das Recht, ihre künstlerischen
Arbeiten auszustellen und zu
veröffentlichen. Ihre Werke
sind seit dem Wendejahr im
Reich der Mitte verboten – obwohl sie nicht an den Protesten
auf dem Tiananmen-Platz teilgenommen hatte. Auch die
„Charta 08“ hat sie nicht unterzeichnet. Das war ein Versuch einer chinesischen „Charta 77“ (die dazumal u.a. von
Vier der Fotografien ohne Titel von Liu Xia aus der „Ugly Babies“-Serie, 1996-1999.
drucksstark unangepasst sehen
sie aus, die Püppchen. Erheitert über die kleinen Frechheiten und sinnierend über die
nachdenklichen Szenen verließe man die Ausstellung, wären
da nicht die Texttafeln. Denn
die geben Auskunft über scharfe Bewachung und den seit Jahren bestehenden Hausarrest für
die Künstlerin und übersetzen
auch von ihr geschriebene Gedichte. Seit 1989 ist sie in ihrem Heimatland mit Ausstellungsverbot belegt. „Die
Fotoarbeiten sind voll von Anspielungen auf die repressive
Situation, in der sich die Menschen in China befinden“, erklärte zur Eröffnung Gereon
Sievernich, Direktor des Martin-Gropius-Baus. „Das springt
ins Auge, wenn man nur ein
2010, Liu Xiaobo. Die Hochzeit bestand aus einem einfachen Mittagessen im Arbeitsumerziehungslager. Der Status
der Ehefrau gab Liu Xia einen
rechtlichen Anspruch darauf,
Liu Xiaobo zu besuchen.
Liu Xia ist dabei weit mehr als
die sehr stark belagerte und
durch einen illegalen Hausarrest reglementierte Gattin des
Lyrikerin, Romanciere, Malerin
und fotografiert nur in schwarzweiß. In einer Serie ihrer Bilder stehen Puppen im Vordergrund, die sie ihre „hässlichen
Babys“ nennt. Empörung und
Entsetzen scheinen ihre weit
aufgerissenen Münder widerzuspiegeln. In einem ihrer Gedichte von 1998 heißt es „Wir
leben mit den Puppen zusammen / und sind von der Kraft
der Stille umgeben / Mit der offenen Welt um uns herum /
kommunizieren wir mit Gesten.
Die liebevoll arrangierten Aufnahmen entstanden 1996 bis
1999, während Liu Xiaobos
Haftzeit im Arbeitsumerziehungslager. Henson Stehling
„Liu Xia – eine Fotografin aus
China“. Bis zum 19. April im
Martin-Gropius-Bau, Niederkirchnerstraße 7, direkt an der
ehemaligen Mauer gegenüber
dem Abgeordnetenhaus. Info
www.gropiusbau.de.
Fotos: Liu Xia, courtesy of Guy Sorman
Vaclav Havel verfasst wurde),
angenommen von rund 5000
dortigen Künstlern, ehe weitere Beteiligung verboten wurde.
Die 56-Jährige bezeichnet sich
selbst als unpolitisch. Ins Ausland gelangten die Negative auf
geheimen Wegen. Liu Xia
wusste nicht, ob, wo, wann daraus eine Ausstellung entsteht
und wer sie macht. Liu Xia ist
In China verfolgte Künstler: Liu Xiaobo (li.) und Liu Xia.
Am 20. März 2012, dem „Jahrestag der politischen Lüge“,
setzten sich Künstler und Institutionen mit einer weltweiten
Lesung zum wiederholten Male
für die Freilassung des chinesischen Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo ein, unter
ihnen die Nobelpreisträger John
M. Coetzee, Elfriede Jelinek,
Doris Lessing und Herta Müller. Auch Breyten Breytenbach,
Amos Oz und Salman Rushdie
nahmen teil. An dieser damals
zweiten weltweiten Solidaritätslesung beteiligte sich auch jot
w.d.-Herausgeber „Verein zur
Unterstützung öffentlicher Diskussion“; Vereinsmitglieder und
-freunde lasen in der Kiste,
Heidenauer Sraße 10, aus Werken bedeutender Autoren (siehe
jot w.d. 4/2012).
Evita, Mördergeneräle, ein
kleines Mädchen und der Müll
Lebendige Farbwelten und ein
Blick in den verwirrenden Alltag
Begegnungen in Buenos Aires
Finissage mit Lesung im Kunsthaus Flora
Marzahn – Mit Buenos Aires
verbinden viele die Wiege des
Tango, Evita und eine der besten Fußballtalenteschmieden
der Welt. Das ist richtig – aber
die Stadt ist viel mehr: Mit über
2,8 Millionen Einwohnern ist
sie das Zentrum einer 13 Millionen Menschen umfassenden
pulsierenden lateinamerikanischen Metropolenregion. Und
Buenos Aires ist eine Stadt im
Umbruch. Wolfgang Brauer besuchte sie im November 2014
und berichtet am 25. März, 19
Uhr, im Tschechowtheater,
Märkische Allee 410, von seinen Begegnungen, von bösen
und guten Abschnitten in Geschichte und Kultur und zeigt
„Evitas“ letztes Kostüm, natürlich nur im Bild. Eintritt frei.
Mahlsdorf – Unter dem Titel
„Malerei – Collage – Zeichnung“
stellt Margret Döring derzeit im
Kunsthaus Flora, Florastraße
113, eine Auswahl ihrer Werke
vor. Die Mahlsdorfer Künstlerin
zeigt eine vielfältige Mischung
aus Bildern der vergangenen Jahre bis heute. Sie lädt ein, in ihre
lebendigen Farb- und Gestaltungswelten einzutauchen und
lässt dem Betrachter dabei viel
Freiraum für eigene Assoziationen und Interpretationen.
Am 27. März, 19 Uhr, lädt das
Kunsthaus zur Finissage ein. Die
Laudatio hält Ingrid Schreppel.
Ab 20 Uhr liest Hans Döring aus
„Verwirrender Alltag“. Die Ausstellung ist noch bis zum 7. April
zu sehen, Mo bis Do von 8 bis
18, Fr bis 16 Uhr. I. Dittmann
Friedrichshagen – In diesem Monat geben sich die Promis auf Einladung der
„agentur heising“ wieder mal die Klinke
in die Hand im gemütlichen Restaurant
„Bräustübl“ am Müggelseedamm 164.
Den Reigen eröffnet die Sängerin Ella
Endlich am 6. März. Zum Frauentag am
8. März gratulieren Star-Coiffeur Udo
Walz und Star-Visagist René Koch gemeinsam mit dem Sänger Volker Jung und
Moderator Lutz Hoff. Am 13. März kommen die Jazz-Legenden Uschi Brüning
und Ernst Ludwig Petrowsky in den Ballsaal (Beginn jeweils 19.45 Uhr, Einlass
ab 18 Uhr). Die Revue „Big Helga ….een
kleenet Menschenkind“ bringen Dagmar
Gelbke und Wolfgang Flieder am 22.
März nach Friedrichshagen (Beginn 18
Uhr, Einlass ab 16.45 Uhr). Boxtrainerlegende Uli Wegner ist am 28. März zu
Gast bei Lutz Hoff (Beginn 19.45 Uhr).
Karten Tel. 37 44 67 69 und an der Theaterkasse im Forum Köpenick.
I.D.
„Kofferradio“ von Julia
Axen bis Helga Zerrenz
Berlin – Wer sich gern an Schlager oder
Popsongs der vergangenen 50 Jahre und
deren Interpreten erinnert, für den ist das
„Kofferradio“ jeden Sonnabend zwischen
14 und 15 Uhr die richtige Sendung. Zu
empfangen über Antenne 88,4 und 90,7,
im Berliner Kabelnetz 92,6 oder per
Internet: www.alex-berlin.de, www.siggitrzoss.de oder www.radio-today.de.
Am 7. März parodiert der Stimmimitator
Jörg Hammerschmidt unter anderem
Heinz Erhardt, Udo Lindenberg, Peter
Alexander, Otto, Dieter Bohlen, Angela
Merkel, Helmut Kohl
und Erich Honecker.
Moderator Siggi Trzoß
erinnert zudem in Wort
und Musik an den am
10. März 2011 verstorbenen Orchesterleiter
und Klarinettisten
Günter Gollasch. Am
14. März erklingen Hits aus der DDRSpitzenparade vom Februar/März 1965
mit Helga Brauer, Helga Depré, Rica
Deus, Christian Schafrik, Ruth Brandin
und Frank Schöbel. Unter dem Motto
„Wenn der Frühling kommt“ mixt Siggi
Trzoß am 21. März einen bunten Schlager-Cocktail mit Titeln von Manfred Krug,
Britt Kersten, Sonja Siewert & Herbert
Klein, Christl Bach und vielen anderen.
Außerdem gibt’s eine „Frühlings-Gratulation“ an die Sängerin Julia Axen („Es
wird immer wieder Frühling“). In der
Sendung für Geburtstagskinder des Monats sind am 28. März u. a. Ulli Schwinge (Foto Dittmann), Sandra Mo/Jan Gregor, Pavel Novak, Ellen Tiedtke (85. Geburtstag am 16. März), Uschi Brüning und
Zsuzsa Koncz zu hören. Am 4. April geht
eine große Gruß- und Wunschsendung
zum Osterfest über den Sender. Die
Wunschliste ist nach Vorschlägen der
Kofferradio-Hörer zusammengestellt worden. Zur Auswahl stehen u.a. Titel wie
„Die ganze Straße kann nicht schlafen“
(Mary Halfkath), „Hätt ich nochmal die
Wahl“ (Mo/Gregor), „Auf der Wiese haben wir gelegen“ (V. Fischer), „Keiner
will es wissen“ (Helmut Kluwe) und
„Maledetta primavera“ (E.M. Piekert).
Musikwünsche an: Kofferradio, Alex-Berlin, Voltastraße 6, 13355 Berlin, email:
[email protected], Fax 0309915023.
I. Dittmann
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jot w.d. 3/2015
Jugend-Bildung-Sport
Sportkurs
Selbstverteidigung
Alle sind Sieger
Marzahn – Im Jugendklub
„Kick“, Fichtelbergstraße 18 A,
gibt es noch freie Plätze im Tea
kwon do- und Selbstverteidigungskurs. Dienstags von 17 bis
18 Uhr treffen sich Kinder zwischen 8 und 13 Jahren, von 18
bis 19 Uhr Jugendliche ab 14.
Auch junge Mütter, die vielleicht zuvor bei ihren Kindern
zugeschaut haben, können teilnehmen; bequeme Sportkleidung mitbringen, Sportschuhe
sind nicht notwendig. Der Kurs
ist kostenfrei und wird von einem Trainer mit schwarzem
Gurt und 2. Dan durchgeführt.
Bezirkssportbund kürte Sportler des Jahres 2014
Neue Gemeinschaftsschule
Marzahn – Die Marcana-Schule, Flämingstraße 18, wird ab
dem kommenden Schuljahr als
dritte Gemeinschaftsschule des
Bezirks fungieren. Mit dieser
Schulform können Kinder von
der Einschulung bis zur 10.
Klasse in einer Schule bleiben.
Sie werden dort unter Berücksichtigung ihrer individuellen
Stärken unterrichtet. Bürgermeister Stefan Komoß begrüßte bei der Unterzeichnung des
Kooperationsvertrages das Vorhaben als „bedeutsames Schulangebot im Norden Marzahns“,
das für die Schüler ein „attraktives Angebot“ darstelle. Der
Bezirk Marzahn-Hellersdorf saniert im Rahmen seiner Verpflichtungen die Schulgebäude
vollständig, so dass ein angenehmes Lernumfeld entsteht.
„Lesekisten“
in der Bibliothek
Marzahn – Noch bis 30. April
zeigt die „Mark-Twain-Bibliothek“ im FFM „Lesekisten“, die
Schüler der 8. Klasse des Hellersdorfer Melanchthon-Gymnasiums gestaltet haben. Nach
einem Bibliotheksbesuch hatten
sie von ihrer Lehrerin die Aufgabe bekommen, ein Buch zu
lesen und passend dazu eine
Lesekiste zu gestalten. Die Idee
der Lesekiste wurde 1998 von
Dr. Jörg Knobloch entwickelt;
der Pädagoge gilt als einer der
Vorreiter der modernen Leseförderung in Deutschland. Inzwischen ist die Lesekiste eine
beliebte Unterrichtsmethode im
Deutsch- und Literaturunterricht. Eine kleine Kiste (beispielsweise ein Schuhkarton)
wird passend zum Thema eines
Buches gestaltet oder mit kleinen Gegenständen befüllt. Genau das haben auch die Hellersdorfer Schüler und Schülerinnen mit viel Liebe zum Detail
und tollen Ideen umgesetzt.
KORREKTUR:
In Ausgabe 2/2015 hatten wir die
Veranstaltung des Bürgervereins
Mahlsdorf Süd (siehe Seite 5) für
den 12. Februar angekündigt. Tatsächlich fand sie am 11. Februar
statt. Wir bitten, den Druckfehler
zu entschuldigen.
Red.
Marzahn-Hellersdorf – Nein,
Sportarten, die in der großen öffentlichen Wahrnehmung stehen
und (zumindest im professionellen Bereich) mit unvorstellbar
großen Summen gestützt werden,
standen erst gar nicht zur Wahl.
Na ja, im Wuhlebezirk sind Erstliga spielende Fuß,- Hand- oder
Volleyballer, Auto- oder Skirennfahrer, Preisboxer oder Basketballer auch nicht zu finden. Dass
es hier dennoch Berliner und
Deutsche Meister und international erfolgreiche Athleten in so genannten Randsportarten gibt,
wird leider allzu oft „übersehen“.
Da tut dann solch ein Preis wie
„Sportler des Jahres“ gut.
Die Nominierten (in den Altersklassen Kinder Jugendliche, Erwachsene, Senioren sowie Mannschaft) zeigten durchaus die Breite des sportlichen Angebots im
Bezirk: Leichtathleten, Schwimmer und Boxer standen genauso
auf der Liste wie Judoka, Orientierungsläufer; Boxer oder Faustballer. Auch Radsport, Tischtennis und Tennis waren vertreten.
Bis auf ’s oberste Treppchen
schafften es diese Athleten zwar
nicht, Silber- und Bronzeränge
erklommen sie durchaus. Ganz
vorn dominierten die Leichtath-
leten, mit Mayada Al-Sayad und
Dennis Krüger (beide VfL Fortuna Marzahn) siegten bei den Erwachsenen die beiden „Stars“ des
Bezirks, die sich auch Olympiahoffnungen machen können. Doppelt räumten auch die Faustballer
von Stern Kaulsdorf ab, die mit
Sophia Frenzel Gold bei den jugendlichen Mädchen und mit der
Damen-Mannschaft (Bundesliga!) holten. Sophia darf sich sogar U 18-Weltmeisterin nennen.
Neben den 24 „Medaillengewinnern“ wurden auch zwölf Ehrenamtliche ausgezeichnet. Einen
ganz besonderen Eindruck hinterließen jedoch Helga Balkie, die
als sehbehinderte Sportlerin Kata-Karate betreibt und Inge Gesell, die seit mehr als 70 Jahren
sportlich aktiv ist und heute noch
beim Bowling die Kugel Richtung
Pins schickt. Sie erhielt einen Ehrenpreis. Bei der öffentlichen
Wahl der Sportler des Jahres wurden mehr als 6200 Stimmen abgegeben.
R. Nachtmann
Abb.: Die Sportler des Jahres (o.),
Ehrenpreis für Inge Gesell von
Bürgermeister Komoß (li.), der
junge Boxer Robert Tsaturyan erhielt seinen Preis von Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau.
Fotos: Schuchert
Schreibspieltheater
Marzahn – „Von der Idee zur Inszenierung“ – so der Name eines
Projektes, das Jugendlichen zwischen 13 und 18 Jahren derzeit in
unserem Bezirk ein weites Spektrum künstlerischer Möglichkeiten
eröffnet. Dazu vernetzen sich Beteiligte aus dem FFM, der JFS
FAIR und der Mark-Twain-Bibliothek. Eine Zwischenbilanz der bisherigen Ergebnisse von Schreibwerkstatt und Theater ist am 7.
März im Info- und Erlebnisstore
des „Eastgate“ zu erleben. Am 27.
März, 18 Uhr, wird in der Studiobühne des FFM u.a. zu einer Le-
sung eingeladen. Es gibt außerdem
Einblicke hinter die Kulissen, erste Szenen werden gezeigt. Die
Malerin und Karikaturistin Antje
Püpke lädt ein, sich im FAIR beim
Entwerfen und Bauen eines beweglichen Bühnenbildes auszuprobieren. Das Stück „Selektion“
hat dann am 31. Mai, 11 Uhr, Generalprobe, die Uraufführung ist
am 1. Juni geplant. Weitere Aufführungen gibt es bei „kultour à
la carte“ am 7. Juni.
Aufführungsorte sind Foyer und
Lichthof des FFM sowie der Victor-Klemperer-Platz. I. Dittmann
Ferien in Nordkorea
Marzahn – Wie viele Touristen
jährlich Nordkorea besuchen, lässt
sich exakt sagen: wenige. Dabei hält
so ein Urlaub im Reich von Kim
Jong Un viele Überraschungen bereit: Autobahnen ohne Autos, Hotels,
in denen der fünfte Stock fehlt, ein
Tänzchen an der gefährlichsten
Grenze der Welt zu den Klängen von
„Tränen lügen nicht“. Christian
Eisert machte sich auf die Suche
nach Kim Il Sungs regenbogenfarbener Wasserrutsche. Die hatte er
zum ersten Mal 1988 gesehen, als
Schüler der Marzahner „Schule der
Freundschaft zwischen der DDR
und der KDVR“. Mit der Fotoreporterin Thanh Hoang, die ihn unter falscher Identität begleitete, ging er gut
25 Jahre später auf eine 1500 Kilometer lange Entdeckungsreise. Immer unter Beobachtung des Geheimdienstes. Am 11.März, 18 Uhr, liest
Eisert in der „Kleist-Bibliothek“,
Havemannstraße 17 B, aus seinem
Buch „Kim und Struppi“ und zeigt
zum Teil heimlich gedrehte Filmaufnahmen. Er erzählt von seiner Reise durch dieses faszinierende, brutale und bisweilen überraschend
schöne Land. Eintritt frei, Info und
Anmeldung Tel. 933 93 80.
RN
Glasauge und Lederhose im ICE
Erlebnisse einer Schaffnerin
Von den abgefahrensten Erlebnissen einer Zugbegleiterin will Juliane Zimmermann ihren Lesern
berichten. Nicht zuviel versprochen, denn die Autorin hat so manches in und mit der Bahn erlebt.
Wie die Geschichte mit dem Glasauge. Das hat ein Fahrgast auf der
Toilette verloren. Nach intensiver
Suche wird es dann zum Glück
doch gefunden. Im Zug lernt die
Autorin auch einen russischen
Deutschprofessor kennen, der seine Rente mit dem Sammeln von
Flaschen aufbessert. Und als Krönung findet sie eine vollgekackte
Lederhose, die ein Reisender im
Zug stehen gelassen hat. Dann ist
da der Kofferdieb, den die Reue
packt und der der Bestohlenen
zumindest die für sie wertvollen
Fotos zurückschickt – in einem
Umschlag, den er mit seiner vollständigen Adresse versieht und der
sich auch noch wundert, als wenig später die Polizei vor seiner
Tür steht.
Auch einer Art Stamm-Reisender
begegnet Juliane Zimmermann.
Sie kaufen sich eine
Bahncard 100 und
leben nur noch in
den Zügen, mit denen sie quer durch
Deutschland fahren.
Das sei viel billiger
als eine Wohnung zu
mieten, lautet die
verblüffende Erklärung.
Nichts über deren
Haarfarbe sagt die
Autorin über die
beiden jungen Frau-
en, die im Speisewagen gewaltig
auftafeln lassen und dann nicht
bezahlen können. Sie wären gerade von einem All-inklusive-Urlaub in Thailand zurückgekommen, und auch im Flugzeug sei
alles kostenlos gewesen, lautet
die ziemlich hilflose
Erklärung.
Nicht immer geht es
so lustig zu. Juliane
Zimmermann erzählt
von der Wut, die Reisende und Zugpersonal gleichermaßen
packt, wenn der Zug
auf freier Strecke
stundenlang warten
muss, weil entweder
Kabeldiebe Signale
außer Betrieb gesetzt
haben oder sich meist
Jugendliche ihren Spaß mit Bombendrohungen gemacht haben.
Stressig wird es auch an den Wochenenden, wenn die Fans unterwegs zu Spielen der Fußball-Bundesliga sind. Noch schlimmer sei
es allerdings, wenn der Karneval
im Rheinland tobt, erzählt die
Autorin. Auch die Gesellschaften,
die in der Bahn so genannte
Junggesellenabschiede feiern,
seien für die Bahner nicht immer
ein Quell reiner Freude. Zum
Abschluss ein Tipp: Verzichten
Sie auf das letzte, übel kitschige
Kapitel und das Nachwort, damit
Ihnen das Leseerlebnis nicht genommen wird.
Hans Sandow
Juliane Zimmermann: Der
Teufel steckt im ICE, Bastei
Luebe, 8,99 Euro.
Umwelt & Verkehr
jot w.d. 3/2015
11
E-Auto-Ladestation vorm Haus
Neues Bonusheft
zum VBB-Abo 65plus
Mieter können sie auf ihrem eigenen Parkplatz errichten lassen
Berlin – Das Bonusheft zum
VBB-Abo65plus feiert Jubiläum. Die zehnte Ausgabe der
kostenfreien Broschüre erschien
am 1. März. Das Konzept des
VBB, ein attraktives, zielgruppenorientiertes Preisangebot im
Nahverkehr mit vielen Rabatten
und Vergünstigungen bei Ausflügen, Aktivitäten und Übernachtungen in Berlin und Brandenburg zu verbinden, ist aufgegangen – mehr als 93 000
Seniorinnen und Senioren benutzen für ihre Mobilität die
Bahnen und Busse und besuchen die Reiseziele in Berlin
und im Land Brandenburg. Ob
Museen, Thermen oder Hotels,
alle Angebote im Bonusheft
sind selbstverständlich bequem
mit den öffentlichen Verkehrsmitteln err e i c h b a r.
Alle Inhaber
des VBBAbo 65plus
können diese bis zum
31. Dezember so oft
sie wollen
in Anspruch nehmen. Das Heft
gibt es ab sofort bei allen Verkaufsstellen von BVG, S-Bahn
und DB Regio. Wer 65 Jahre
oder älter ist, kann das VBBAbo 65plus erwerben. Das Tikket kostet monatlich 49,90 Euro,
bei Einmalzahlung für ein Jahr
581,80 Euro. Es ist rund um die
Uhr in allen Regiozügen, S-, Uund Straßenbahnen, Fähren sowie in mehr als 1000 Buslinien
im Gebiet gültig. E. Krokowski
Marzahn-Hellersdorf – Wohnungsmieter in der Großsiedlung,
die sich ein Elektro- oder Hybridauto anschaffen wollen, haben
einen nicht zu unterschätzenden
Nachteil im Gegensatz zu Siedlern. Es fehlt an Ladestationen in
Wohnnähe. Großvermieter degewo leistet da jetzt Abhilfe. Mieter können ab sofort ihr Elektroauto vor der eigenen Haustür mit
grünem Strom aufladen.
Die degewo hat dazu mit dem
Ladedienstanbieter The New Motion eine Vereinbarung geschlossen. Nach der kann sich der Mieter auf eigene Kosten eine Ladestation auf seinem degewo-eigenen Parkplatz errichten lassen.
„Wir schaffen für unsere Mieter
die Möglichkeit, ihr Elektro- oder
Hybridauto auf dem eigenen Stellplatz aufzuladen. Der Bedarf ist
bei unseren Mietern vorhanden
Mit den Ladestationen „Ilolo“ soll das Aufladen viel schneller gehen
als mit herkömmlichem Kabel, verspricht der Hersteller. Foto: tnm
und die Nachfrage steigt stetig“, platz deckt mehr als 90 Prozent der
sagt Volker Ries, Energiemanager Ladevorgänge von Elektroautoder degewo. Matthias Pfeiffer von fahrern ab. Wir bieten dazu ein
The New Motion fügt hinzu: „Das attraktives Gesamtpaket an, das
Laden zu Hause und am Arbeits- für die Zukunft gerüstet ist.“
Mit der nun unterzeichneten Kooperationsvereinbarung wird die
Ausrüstung von insgesamt 13 000
Stellplätzen geregelt, die von der
degewo verwaltet werden. The
New Motion bietet den Mietern
umfangreiche Beratung an und
übernimmt die Installation der
Ladestation, die anschließend zum
Mietereigentum gehört. Bei Kosten von etwa 800 bis 1000 Euro
für eine Ladesäule spricht The
New Motion von „attraktiven Preisen“, die auch für den Service gelten. Darüber hinaus profitieren
Mieter von Sonderkonditionen für
den gelieferten Strom vom Ökostromanbieter LichtBlick.
Wo eine entsprechende Möglichkeit besteht, strebt die degewo die
Belieferung der Ladesäulen mit
Strom aus eigenen Photovoltaikund BHKW-Anlagen an.
Ralf Nachtmann
Kunst ist bestellt, Geld wird noch gesammelt
IGA-Verantwortliche suchen vielfachen Kontakt zu Volk und Wirtschaft
Marzahn – Neben den vielfältigen
Bürgerforen stellten sich Katharina
Langsch und Christoph Schmidt, die
beiden IGA-Geschäftsführer, am 10.
Februar auch den Fragen der Mitglieder des Marzahn-Hellersdorfer
Wirtschaftskreises. Publikumsgemäß stellten die beiden ihre Marketing-Strategie, vorgetragen von
Jeannine Koch, ins Zentrum. Zuvor
hatte Wirtschaftsstadtrat Christian
Gräff bei den versammelten Unternehmern kräftig die Trommel für
eine Unterstützung des größten Ereignisses im Bezirk gerührt, das nur
deshalb dahin kam, weil man die
IGA nach dem Tempelhof-Aus nicht
zurück gab, sondern sich in der Innenstadt „erinnerte: Mensch, wir haben da ja noch was in Westpolen,
da können wir doch damit hin“.
Jeannine Koch stellte klar, dass sie
mit ihrem Marketing-Konzept (entwickelt mit der Agentur „different“)
zuvörderst „die Besucherzielgruppe
verjüngen“ will. Dazu sollen Slogans wie „Grüner wird’s nicht“ dienen. Prominente werben als „Berliner Pflanze“ (bisher nur) im Internet
für die Ausstellung, der „Markenkern“ wird „Lebenskultur“ lauten,
die „Markenwerte“ sind mit „leidenschaftlich, substanziell und authentisch“ benannt. „Glaubwürdig-
keit, Profilierung und Relevanz“
sollen die „Gütekriterien“ sein.
So richtig glücklich schien die Mehrzahl der Wirtschaftsvertreter mit
dieser Art von „Werbesprech“ nicht
zu sein. Von Interesse waren vielmehr die Möglichkeiten, sich (natürlich werbewirksam) einzubringen. Da haben Katharina Langsch
und Jeannine Koch klare Zahlen genannt. Als „Hauptsponsor“ sind
mindestens 200 000 Euro hinzublättern, als normaler „Sponsor“
wenigstens 100 000 Euro. Wer zwischen 25 000 und 100 000 Euro erübrigen kann, darf sich „Unterstützer“ nennen, ab 5000 Euro ist
man als „Förderer“ dabei. In der
Hauptsache wollen die Macher für
das Geld Eintrittskarten und, je nach
Status, mehr oder weniger exklusive Präsentationsmöglichkeiten zur
Verfügung stellen. Die Frage eines
Unternehmers nach kleinerem Engagement erzeugte bei den beiden
Damen nicht unbedingt erfreute Gesichter. Dennoch wollen sie überlegen, welche Wege ins Kleinsponsoring führen könnten. Ein Firmenchef
schlug eine Art „Kunstwerk“ vor,
das die Namen der Spender öffentlich macht. „Mal sehen,“ antwortete die Geschäftsführerin. „Da finden
wir sicher was.“
R. Nachtmann
Internationale Künstler – einheimische Bäume
Die Veranstaltung „Zur Sache IGA: Kunst“
in der Marzahner Markthalle am 12. Februar war fade wie das Einladungsplakat. Zu
wenig Interessenten wurden aus Hoch- und
Einfamilienhäusern zur Teilnahme gelockt.
Ja, wenn das holländische „Unkraut-Bier“
nicht gewesen wäre ...
Dessen Brauen hatte diese Zeitung in Ausgabe 10/2014, die nun erfolgte „Verkostung“
in Ausgabe 12/2014 angekündigt. Nun werden neun Künstler, „internationale Hochkaliber“, wie IGA-Geschäftsführerin Katharina Langsch betonte, mit
viel Geld die Gartenschau kunstvoll
gestalten. Einheimische waren auf
dem Podium nicht zu sehen. Bei den
Bäumen ist das anders: Da haben
auf dem Kienberg einheimische den
Vorrang, Neophythen werden rasant
abgemäht. Manch Einwohner und
Umweltschützer ärgert sich darüber.
Vier der neun Künstler waren anwesend und konnten sich (trotz zuweilen streikender Tontechnik!)
wortgewandt und mit Bild-Projektionen vorstellen. Seraphina Lenz
beispielsweise, eine international
anerkannte Bildhauerin, wickelte
entsorgte Weihnachtsbäume vom
Straßenrand in rote Tücher und verarbeitete
sie so zu Skulpturen. Auch aus Sperrmüll
schuf sie künstlerisch Interessantes. Vielleicht
kann sie aus den am Kienberg abgesägten
Die Verpackung des „Unkraut-Bieres“ weist durchaus auf Marzahn hin, doch zur Darstellung auf dem
Veranstaltungsplakat ergibt sich eine deutlich sichtbare Diskrepanz.
Foto-Montage: Reineke
Bäumen und Sträuchern samt Wurzeln Ähnliches
vollbringen. Daher sollte nicht alles davon jetzt
entsorgt werden. Der Aktionskünstler Michael
Sailstorfer ließ Autoreifen an der Wand routieren.
Dafür kann er sicher auch Einiges vom vergrabenen Altmaterial aus der Kienbergerde künstlerisch
nutzen. Noch ist für die beiden, wie sie sagten,
Marzahn-Hellersdorf ein weißer Fleck.
In Natura zu sehen war auf der Veranstaltung zumindest der „künstlerische Flaschenkarton“, aus
dem die jungen Holländerinnen eine Anzahl
schwarzer Flaschen mit dem schon
genannten „Unkraut-Bier“ aus Marzahn zauberten und so einige Teilnehmer in den hinteren Reihen, den
Autoren inclusive, zu „süffisanten“
Bemerkungen verführten. Und die
Brauerinnen bekannten fröhlich,
dass ihr erster Eindruck vom Bezirk
(endlose trostlose Fensterreihen der
Hochhäuser, wie auf dem Karton zu
sehen) längst verflogen und einem
Blick auf die grünen Seiten gewichen ist. Schade nur, dass ein wenig solches Grün, etwa früh blühende Apfelbäume, der „Kathedrale“
(Langsch) in der Markthalle bisher
fehlt. Und die wenigen Fragen der
immer weniger werdenden Zuhörer
konnten auch nicht so recht zufriedenstellend beantwortet werden. Insofern hat nicht nur die IGAGeschäftsführerin noch viel Überzeugungsarbeit
zu leisten.
Lutz W.R. Reineke
IGA-Spaziergang
am Wuhleteich
Marzahn – Der stellvertretender Fraktionsvorsitzende und
Sprecher für Umweltpolitik der
Linksfraktion, Frank Beiersdorff, lädt am 16. März zum
IGA-Spaziergang am Wuhleteich und im Wuhletal mit Angele Schonert vom NABU Berlin ein. Treffpunkt 14.30 Uhr
am U-Bahnhof Neue Grottkauer Straße.
T. Braune
Begleitservice
gesichert
Berlin – Der Bus&Bahn-Begleitservice des VBB kann seine Arbeit fortsetzen. Im vergangenen Jahr lief ein Großteil der
Arbeitsverträge fristgemäß aus.
Über die Weiterfinanzierung
der rund 80 benötigten Stellen
hatten sich die Jobcenter mit
dem Arbeitssenat geeinigt. Die
im vergangenen Juli reduzierten Servicezeiten konnten im 1.
Quartal wieder auf die Abendstunden und das Wochenende
ausgeweitet werden. Der VBBBegleitservice unterstützt
mobilitätseingeschränkte Fahrgäste im Öffentlichen Nahverkehr und kann bis spätestens
am Vortag der Begleitung per
Tel. 34 64 99 40 oder Internet
www.vbb.de/begleitservice angefragt werden.
E.K.
12
jot w.d. 3/2015
Wirtschaft & Soziales
Sonntagsvorlesung
im Kesselhaus
Tor auf? Tor zu?
Biesdorf – Am 15. März heißt
das Thema der Sonntagsvorlesung des Unfallkrankenhauses „Ärzte ohne Grenzen – Einsatz in Jordanien“. Dr. Michael Weitzel von der Klinik für
Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie war
dabei und erzählt darüber ab
10.30 Uhr im Hörsaal des historischen Kesselhauses, Warener Straße 7. Eintritt frei. I.D.
Sind Flüchtlinge hier willkommen? Eine Antwort voller Stolpersteine
Keine Arbeit
für Hartzer
Berlin – Immer weniger Hartz
4-Empfängern in Deutschland
gelingt der Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt. Schafften es
2010 noch mehr als 254 000,
waren es 2014 nur noch etwas
mehr als 185 000. Zwar hatte
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles im vergangenen
November ein „Paket gegen
Langzeitarbeitslosigkeit“ für
2015 angekündigt, doch Medien, Opposition und Sozialverbände zeigen sich skeptisch. Zu
klein das Budget, zu groß das
Problem.
Die genannten Zahlen hat die
Linksabgeordnete im Bundestag Sabine Zimmermann bei
der Bundesagentur für Arbeit
abgefragt. Die Statistiken machen sogar deutlich, dass viele
Betroffene aus der behördlichen Erfassung verschwinden,
ohne eine Arbeit aufzunehmen.
2014 ging mehr als die Hälfte
derer, die ihre Langzeitarbeitslosigkeit beendeten, in die
„Nichterwerbstätigkeit“, z.B.
in Rente. Nur etwa jeder achte
Betroffene schied aus der Statistik aus, weil er eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt fand. Da die Statistik
jene nicht mitzählt, die „Maßnahmen“ durchlaufen oder
krank geschrieben sind (das
sind nahezu 700 000 Menschen), ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen stets größer als
die offiziell verlautbarte eine
Million.
R. Nachtmann
Mein sympathischer Gesprächspartner
erzählt über seine Kinder in Kita und
Schule, Berufsleben und Frau. Alles
könnte so normal sein wie auch sonst
bei derartigen Gesprächen. Aber ich
dürfte keinerlei Einzelheiten über ihn
und seine Familie schreiben, sagt er
mit Nachdruck. Seine Familie wolle
er vor weiteren schlimmen Erlebnissen schützen. Er ist Kurde, Bürgerkriegsflüchtling aus Syrien und seit
Eröffnung des Heimes in der CarolaNeher-Straße. Es sei weniger die Angst
vor Schreihälsen, die ab und zu in der
Nähe des Heimes auf sich aufmerk-
Flüchtlingskinder am Schulessen teilnehmen. Warum es woanders nicht
gehe, sei unklar. Wahrscheinlich waren die Flüchtlinge schneller da, als die
Schulleitungen mit den zuständigen
Verwaltungen das warme Mittagessen
für die Flüchtlingskinder auf die Reihe bekamen.
UNGLAUBLICHE DINGE GESCHEHEN
Als unser Gespräch an diesem Punkt
auf die Ausländerverwaltung in
Deutschland kommt, muss mein ansonsten recht ernster Gegenüber lä-
Dilemma beim Fahren in Tram oder
U-Bahn ohne Ticket erwischt wird,
bekommt einen Strafbefehl wegen Erschleichung von Leistungen, dafür
kann man aus Deutschland abgeschoben werden.
Ich frage nach der medizinischen Betreuung. Es gibt Notkrankenscheine,
die Flüchtlinge mit akuten Erkrankungen werden versorgt. Anders sieht es
für viele traumatisierte Erwachsene
und auch Kinder aus. Hier verhindern
Sprachprobleme und andere Hürden
die in vielen Fällen notwendige psychische Betreuung und Behandlung. So
bleiben Flüchtlinge mit ihren unbehandelten schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen ohne reale Chance
auf ein normales Leben oder einen Job.
GENEHMIGUNGSDSCHUNGEL
Foto: ap
sam machen. Er sei allerdings hinreichend gewarnt seit seiner erzwungenen Flucht vor Geheimdiensten, zudem
auch geübt im Umgang mit einer sehr
sensiblen Bürokratie. Denn Flüchtlingsfamilien, so seine Erkenntnis,
haben weder in der Türkei noch in
Deutschland einen sicheren Status.
Das Heim an der Carola-Neher-Straße selbst sei sehr gut eingerichtet, da
habe er schon ganz andere Flüchtlingsunterkünfte kennenlernen müssen. Die
Sanitäranlagen sind auf gutem Niveau,
Spielzeug, besonders für die vielen
kleinen Kinder, ist da, die Betreuung
soweit ok. Woanders in privaten Herbergen fehlen dagegen jegliche
Mindeststandards, behördliche Heimkontrollen haben keinen Zugriff, da
den Willkommensklassen, wer gut in
Deutsch ist, kann auch auf normale
Schulen wechseln. Studenten aus der
Alice-Salomon-Hochschule und weitere freiwillige Helfer unterstützen die
Kinder nicht nur bei Hausaufgaben.
Schwieriger ist es mit den knappen
Kita-Plätzen, alle Kinder sollten aber
noch vor der Einschulung die deutsche
Sprache erlernen.
Frustrierend ist es, wenn die Flüchtlingskinder kein Schulessen bekommen und in der Mittagspause unter sich
bleiben. Diese Ausgrenzung, das haben ihm Flüchtlinge aus Lichtenberg
und anderen Teilen Berlins berichtet,
gäbe es dort nicht. Hier haben sie nur
in der Peter-Pan-Grundschule eine Lösung gefunden, dort können die
cheln. Es passierten einfach unerklärliche Dinge! Bekannte haben ihm Unglaubliches erzählt: Sie kamen in der
Verwaltung in der Berliner Turmstraße
nach tagelangem Warten endlich an die
Reihe, erhielten wohl nach dem Lotterieprinzip eine teure Fahrkarte zu einer zugeteilten Unterkunft in irgendeinem fernen Winkel in Süddeutschland. Dort war aber gar kein Platz frei,
und so gab es die Rückfahrkarte nach
Berlin. Für das so verschwendete Geld
könnte man wohl sinnvollere Dinge
anstellen. Denn traurig ist es, wenn
man in Deutschland eintrifft und erst
mal gar kein Geld in der Hand hat.
Zur Bearbeitung der Anträge in der
entfernten Ausländerbehörde kann
man nicht hinlaufen. Wer in diesem
Aber das größere Integrationsproblem
als die verständlichen Sprachbarrieren,
so verstehe ich die konkreten Erfahrungen des Flüchtlings, sind langwierige
Recherchen der Behörden, bis überhaupt ein Aufenthaltsstatus gewährt
wird, und ein für Flüchtlinge besonders
schwer durchschaubarer Genehmigungsdschungel für jegliche Leistungen
danach. Ganz zu schweigen vom Wohnungsmangel, der anders aussehende
Menschen besonders hart trifft.
Kann es sein, dass Berlin „seine“
Flüchtlinge und zumindest gut ausgebildeten Migranten offiziell willkommen heißt, aber eigentlich (nach den
weitaus größeren Flüchtlingsströmen
der neunziger Jahre) alle Eingliederungskapazitäten in den Behörden
und bei den Unterkünften unverantwortlich heruntergefahren hat? Ohne
jeglichen vorausschauenden Blick auf
die längst sichtbaren Probleme aus der
immer tieferen Spaltung der Welt in
behütete reiche Wohlstandszonen und
vernachlässigte, verarmte Krisen- und
Kriegsgebiete?
Aber da sind wir beim Thema „Sparen bis der Notarzt kommt“ mit einem
Untertitel „Hastig vorbereitete Containerlösungen für Flüchtlinge“, was
einer gesonderten Betrachtung bedarf.
Ulrich Clauder
„Ich hab Rücken“
Ateliers im Angebot
Hellersdorf – Es sind neue
Atelierräume für professionelle Künstler verfügbar. In den
Boulevards rund um die Helle
Mitte (Hellersdorfer Promenade und dem Kastanienboulevard) bietet Vermieter „Deutsche Wohnen“ Ateliers an. Zumeist sind nur Nebenkosten und
Strom zu begleichen. Die künstlerische Nutzung der Immobilien (keine Wohnimmobilien) soll
von außen deutlich erkennbar
sein. Denn hinter dem Angebot
steckt nicht nur ungenutzter Gewerberaum, sondern auch die
Idee: Wenn Künstler, Kunstprojekte und Aktionen im Öffentlichen Raum dazu etwas
beitragen können, wäre es für
alle Bewohner ein Gewinn.
Info und Bewerbungen bei Karin Scheel, Galerie M, Tel. 54
50 294, email: [email protected].
R.N.
werden aus purer Geldgier auch schon
mal sechs Leute in einen Raum gepfercht. Warum Sozialämter oder
Jobcenter solche privaten „Vermieter“
oder besser Gauner dann noch mit
Unterbringungszahlungen füttern, ist
für mich schwer verständlich.
Aber zurück zur eher positiven Darstellung der Situation in Hellersdorf aus
dem Munde meines Gesprächspartners:
Die Aufnahme der Flüchtlingskinder in
Kitas und Schulen zeige, dass viel für
die Integration der Heranwachsenden
geleistet wird. Unterricht gab es zeitnah nach der Ankunft für alle Kinder in
Tag der Rückengesundheit am 15. März
„Sie haben es in der Hand – Rükkenschmerzen bieten Chancen“,
so lautet das Motto des 14. Tags
der Rückengesundheit am 15.
März. Der bundesweite Aktionstag wird in enger Zusammenarbeit zwischen dem Bundesverband der deutschen Rückenschulen und der Aktion Gesunder
Rücken organisiert.
Das diesjährige Thema macht
deutlich: Auch wenn Rückenbeschwerden schmerzhaft und unangenehm sind, so sollten sie auch
als Anlass genutzt werden, Einstellungen und Bewertungen zum
Schmerz zu verändern und langfristig einen rückenfreundlichen
Lebensstil zu führen. Denn ein
Großteil der Schmerzen kann mit
Hilfe von Bewegung, der Änderung des eigenen Alltagsverhaltens
und einer sinnvollen Gestaltung
des persönlichen Umfeldes wirksam gelindert werden. Als Schirmherrin konnte dieses Jahr Helga
Kühn-Mengel, MdB und Präsidentin der „Bundesvereinigung
Prävention und Gesundheitsförderung“, gewonnen werden. Sie begrüßt das diesjährige Thema,
denn: „Die Initiatoren bekräftigen
damit, dass wir stets von der Gesundheit und nicht von der Krankheit her denken sollten – also nicht
immer nur fragen: Was macht uns
krank, sondern vielmehr darüber
nachdenken, was uns gesund erhält oder gesund macht! Das Motto: Rückenschmerzen bieten Chancen
– und zwar mit Blick
auf die Möglichkeiten, die wir als Betroffene selbst in der
Hand haben. Unser
Beitrag zur Vermeidung oder zur Bewältigung von Rückenbeschwerden besteht nämlich auch
Solche Yoga-Übungen
kann nur ein gesunder
Rücken.
Foto: jeff
in einer gewissen psychischen Widerstandsfähigkeit, der so genannten Resilienz. Diese kann uns helfen, erst gar nicht alles an uns heran zu lassen, und das, was uns
dann doch noch beeinträchtigt und
verletzt, was uns trifft und
schmerzt, aktiv und ‘widerborstig‘
anzugehen. Nicht nur die körperliche, auch die seelische Widerstandsfähigkeit ist mithin ein wesentlicher Schutzfaktor für unsere
Gesundheit.“
Gesundheitsakteure wie ärztliche
und therapeutische Praxen, Rükkenschulen, Apotheken sowie
Fachgeschäfte bieten an diesem
Tag ein umfangreiches Programm
mit zahlreichen Aktionen an. Im
Zentrum steht dabei die Aufklärung über die Therapie und Prävention von Rückenbeschwerden.
I. Dittmann
Feuilleton
jot w.d. 3/2015
Historisches Kalenderblatt:
Flammentod der Alice Herz
Vor 50 Jahren, am 16. März 1965 im
fernen Detroit (USA), entschied sich die
damals 82-jährige Alice Herz, ihrem Protest gegen den Vietnamkrieg der USA
mit ihrem Flammentod Nachdruck zu
verleihen. Fragt man sich, was dieser
Fakt mit unserer Regionalgeschichte zu
tun hat, so muss man feststellen: sehr
viel, denn Alice Herz hat von 1922 bis
1933 in Mahlsdorf gelebt und musste,
da die Familie ihrer Abstammung nach
Juden war, mit ihrer Tochter Helga
Deutschland verlassen. Sie
ist auf abenteuerlichen Wegen über die damalige Tschechoslowakei, die Schweiz und
Frankreich schließlich in die
USA emigriert und hat sich
der amerikanischen Friedensbewegung angeschlossen. Laut Polizeibericht war
sie durch Teilnahme an Protestdemonstrationen gegen
die Blockade Kubas, ihr Eintreten für eine vernünftige Nuklearpolitik
und ihren Protest gegen den Gebrauch
von Wasserstoff- und A-Bomben, den
Besuch von Versammlungen zu Gunsten
von „Fair Play for Cuba Committee“ und
der studentischen Friedensunion und
anderen Friedensdemonstationen
polizeibekannt. Sie war Mitglied der „Internationalen Frauenliga für Frieden und
Freiheit“ und der Bewegung „Frauen
streiken für den Frieden“, eben eine Pazifistin, immer unterwegs, um gegen den
Krieg zu demonstrieren.
Um sich Gehör zu verschaffen, hatte sie
den Flammentod der Buddhisten auf
dem Gelände der Wayne Universität von
Detroit am 18. März 1965 gewählt. Als
sie jedoch zwei Tage zuvor in die Universität gegangen war, um Fotokopien
von ihrem letzten Aufruf „An die Nationen der Welt“, gerichtet an U Thant, seiner Zeit UN-Generalsekretär, zu machen,
hatte sie ein Blatt im Kopiergerät liegen
lassen. Das veranlasste sie, Zeit und
Ort zu verändern. So erfolgte die öffentliche Selbstverbrennung bereits am
Abend des 16. Märzes 1965 gegen 21
Uhr im Westen der Stadt Detroit vor einem Einkaufszentrum.
In einem Abschiedsschreiben bat sie ihre
Tochter Helga „um Verzeihung für den
furchtbaren Schlag“ und
schrieb weiter: „Wenn Du
verstehst, warum ich das
getan habe, wirst Du es annehmen. Weine nicht und
klage nicht. Ich tue dies nicht
aus Verzweiflung, sondern
auf Grund meiner Hoffnung
für die Menschheit.“ Der Opfertod der Alice Herz hat in
der weltweiten Friedensbewegung eine positive Resonanz gefunden, dies nicht nur in einem
Friedenslied mit dem Titel „Alice was her
name“, sondern auch mit der Gründung
eines „Alice-Herz-Memorial-Peace-Fund“
zur Hilfe für das vietnamesische Volk sowie für die Atombombenopfer von Hiroshima und Nagasaki durch den Japanischen Philosophen Prof. Shingo Shibata,
der auch die Schriften von Alice Herz gesammelt und herausgegeben hat. Seit
2003 gibt es in Mahlsdorf einen AliceHerz-Platz zur Erinnerung an die Friedenskämpferin.
Harald Kintscher
Das Bild von Alice Herz fanden wir auf
einer vietnamesischen Website.
(Das Historische Kalenderblatt
wird gemeinsam mit dem Heimatverein des Bezirks gestaltet.)
13
Abgründig
Ein überflüssiges Buch eines Komikers
Ein hübscher Buchtitel. Ein erschwinglicher Preis. Und dazu
erklärt der Klappentext: Abgründig, dreist und blitzgescheit, vor
allem aber immer wieder überraschend und schmerzhaft komisch:
Mit seinen neuesten Kurzgeschichten und Glossen übertrifft
Jürgen von der Lippe einmal mehr
sich selbst. Also ran an das Werk
des Meisters der
Fäkal- und Genitalkomik.
Aus der Vorfreude
wird bald ein langes Gesicht. Da
schreibt ein Mann,
der sich nicht weiterentwickelt hat.
Auf Seite 15 lesen
wir das erste Mal
das Wort „Pimmel“. Von der Lippes Kurzgeschichte
heißt „Theater“.
Da steht dann:
„Letztens hat sie zu einem Exhibitionisten gesagt, als er den
Mantel öffnete und fragte: Weißt
du, was das ist?“ Und ein Mann
antwortet: „Lassen Sie mich raten. Sie sagte: Sieht aus wie ein
Pimmel, nur viel kleiner.“
Und irgendwo wird jemand sitzen, der sich beim Lesen auf den
Schenkel haut. Aber das ist auch
alles. Und später, in der Geschichte „Alles Banane“ dann
wieder so ein Witz. „Eine Banane und ein Vibrator liegen auf
dem Nachttisch, sagt die Banane,
was zitterst du denn so, wer wird
denn gleich gefressen, du oder
ich?“ - Und das geht fast 230 Seiten genau so weiter. Zoten und
Sexismus. Allerdings enthält das
Werk auch wichtige Bildungsinhalte, weshalb meine Tageszeitung es in ihrer Bestsellerliste
auch als Sachbuch führt. So erfährt der Leser, dass das beste
Stück des ägyptischen Königs
Faruk nur drei Zentimeter lang war und er
dennoch Kinder hatte.
Auch sehr schöne
Schimpfwörter in Portugiesisch, Spanisch
und Rumänisch hat
Lippe auf dem Lager.
Wenn ein Portugiese
Ihnen rät „Vai t`a por
num porcu“ heißt das
nichts weiter als „geh
ein Schwein ficken“
und ist durchaus nicht
immer böse gemeint.
Doch damit genug der
schrecklichen Bespiele.
Am Anfang heißt es: „In einem
Vorwort schreibt der Autor gemeinhin ein paar Dinge, die zum
besseren Verständnis des Buches
gereichen sollen. Bei einem komischen Buch gerät so was eher
zur humoristischen Bankrotterklärung, denn wenn es schon Erklärungen nötig hat, lässt man es
besser ganz.“ Warum hat er sich
bloß nicht daran gehalten?
Hans Sandow
Jürgen von der Lippe: Beim
Dehnen singe ich Balladen,
Knaus, 14,99 Euro.
Lang schon
bekannt:
Der Mensch ist weder Engel noch ein Tier, und sein
Unglück ist, dass er umso
mehr vertiert, je mehr er
Engel sein will.
***
Es gibt nur zwei Arten von
Menschen: die Gerechten,
die sich für Sünder halten,
und die Sünder, die sich für
Gerechte halten.
***
Ich behaupte: Wenn alle Menschen wüssten, was sie voneinander sagen, gäbe es keine vier Freunde auf der Welt.
***
Niemals tut man so vollständig und so gut das Böse,
als wenn man es mit gutem
Gewissen tut.
***
Die Menschen rufen niemals so viel Leid hervor, als
wenn sie aus Glaubensüberzeugung handeln.
***
Die Welt wird durch Gewalt
beherrscht, nicht durch
Meinung; aber Meinung
verwendet Gewalt.
Blaise Pascal,
1623 – 1662, französischer Religionsphilosoph
und Naturwissenschaftler
Nie mehr an sich zweifeln
Kabarettistin und jot w.d.-Kolumnistin Dagmar Gelbke avanciert
nach der „ollen Zicke“ zur Mutter Oberin – und das trotz Dauererkältung
Ich brüte gerade über der sechsten schweren Erkältung in sechs
Monaten. Da kann doch nun
wirklich was nicht stimmen in
meinem Körper! Aber alle Blutwerte top – und selbst das
gestresste Herz hat sich seit drei
Jahren nicht verändert und ist so
stark, dass nichts unternommen
werden muss. Mir geht es aber so
schlecht, dass ich sogar meinen
Urlaub auf Zypern abgesagt habe
und die arme Elli allein losdüsen
muss. Zwar hätte mir die Luftveränderung, auf die meine Eltern in
den 1950er Jahren noch schworen, vielleicht geholfen – aber
eben nur vielleicht. Wäre ja doch
wieder Stress gewesen: Von einer
Ruine zur anderen zu jagen…
Geholt habe ich mir diesen Infekt
sicherlich bei Herbert Köfer. Er
hat uns alle gewarnt, ihn zu umarmen – aber wenn jemand an
seinem 94. Geburtstag eine so
berührende Vorstellung von
„Rentner haben niemals Zeit“ liefert, muss man ihn einfach
knuddeln, egal wie erkältet er ist.
Meine Premiere von „Heiße Zeiten“ in Datteln bei CastropRauxel war übrigens einfach
wunderschön, mein Kind – inzwischen frisch getrennt von ihrem
eigentlich netten, aber doch wohl
zu jungen Freund – saß etwas
verstört zwischen den fröhlichen,
kostümierten WeiberfastnachtsWeibern, die uns zujubelten. Sie
fand: So mag sie ihre Mutter nicht
wirklich – so streng wie die Rolle es nun mal verlangt. Aber meine Kollegin Margit Meller war
hellauf begeistert von mir als oller Zicke und überraschte mich
mit hochroten Bäckchen der Emotionen auf ihrem Gesicht. Mit ihr
bin ich dann auch im azurblauen
Suzuki zurück nach Frankfurt
(Oder) geflogen – 600 Kilometer
in fünfeinhalb Stunden mit Pause, das ist doch super für ein 14
Jahre altes Fahrzeug!
Bernd Julius Arends, der Theaterleiter in Datteln, ist wirklich ein
hinreißender Mensch. Schon drei
Tage nach der Premiere rief er
mich an und sagte: „Ich kann ohne
Deine Stimme nicht mehr leben!
Das Haus ist wie tot ohne Deine
Gesangsübungen nachts halb
drei. Willst Du nicht die Rolle der
schwerhörigen Mutter Oberin in
„Nonnstop“ übernehmen?“ Ja –
habe ich ohne Überlegung gesagt.
Es ist eine Nonnen-Revue, die
Bernd Julius geschrieben hat, ein
Heidenspaß, und ich werde lediglich für drei Vorstellungen einspringen. Das klingt nach viel
Stress, und ich habe auch schon
wieder Angst, es nicht zu schaffen. Aber eigentlich habe ich mir
geschworen, nie mehr an mir zu
zweifeln, nachdem ich den Videomitschnitt von „Heiße Zeiten“
gesehen hatte. Und das machen
die jungen Kolleginnen inzwischen alle so: Sie springen ein,
wo eine Lücke entsteht, und das
liest sich dann gut im Lebenslauf,
oder wie es neudeutsch heißt: in
der Vita.
Gut, meine rentenpflichtige Vita
ist bald abgelaufen, aber wer diese Kolumne regelmäßig liest,
weiß, dass ich nie aufhören werde zu lernen und immer versuchen werde, an meinen Aufgaben
zu wachsen.
In Frankfurt (Oder) war man ‘not
amused‘, weil ich nun so oft so
weit weg bin – tja, so was kommt
von so was: Hätte der (ich unke
mal) zukünftige Theaterleiter
Lothar Bölck mich nicht so grundsätzlich aus dem diesjährigen
Sommertheater heraus geschrieben, hätte ich Datteln gar nicht
annehmen können. Zwar wird,
zumindest am Theater, im Westen
noch schlechter gezahlt als im
Osten, aber Geld ist bekanntlich
nicht alles: Ich werde gefordert
und nicht als selbstverständliches
Mobiliar behandelt, das man nach
Belieben nutzen oder auch verstauben lassen kann.
Ansonsten gibt es noch wahre
Liebe auf der Welt: In meinen
Kellergemächern logiert seit An-
fang Februar ein junger Mann
(38) aus Hongkong, der um die
halbe Welt gereist ist, um seine
Freundin zu finden, die vor zweieinhalb Jahren herkam und sich
vor sechs Monaten per sms von
ihm getrennt hat. Er spricht keine andere Sprache außer Kanton,
wir kommunizieren über ein PCgesteuertes
Übersetzungsprogramm, die Freundin lässt sich
an ihrer Arbeitsstelle in einem
Chinarestaurant verleugnen – und
er will nicht glauben, dass sie mit
ihm abgeschlossen hat. Ja, das ist
großes Kino im Hause Gelbke,
das aber hoffentlich nicht noch
tragisch endet.
In diesem Sinne wünsche ich allen jot w. d. - Lesern einen schönen Frühlingsanfang!
Eure mal wieder
sprachlose Daggie
Bin mal wieder in Eurer Nähe auf
der Bühne: 22. März, 18 Uhr,
Bräustübl, Friedrichshagen:
„Big Helga Hahnemann – een
kleenet Menschenkind“, 27.
März, 19 Uhr, Tschechow-Theater, Marzahn: „Dagmar Gelbke –
mal wieder solo“.
14
jot w.d. 3/2015
Empfehlungen
Bühne West-Berlin
Buch und Ausstellung eröffnen einen spannenden Blick „nach drüben“
Rechtliche Ratschläge
Hellersdorf – Im Frauenzentrum Matilde,
Stollberger Straße 55, gibt es am 11. März
(Sozialrecht) und 25. März (Familienrecht), jeweils 16-18 Uhr, Rechtsauskünfte.
Info und Anmeldung Tel. 564 00 229. RN
Folgt man den Mainstream-Medien
und den Unmengen Berlin-Büchern in
den Souvenirläden der Hauptstadt, gewinnt man leicht den Eindruck, die
Nachkriegsgeschichte Berlins habe nur
in Ost-Berlin stattgefunden. Und da reduziert sie sich in diesen Darstellungen genaugenommen auf Mauer, Stasi, FDJ- und Kampfgruppenaufmärsche sowie Widerstandsaktionen in
Kirchenkellern. Und auf die „Legende von Paul und Paula“. Aber auch
Paul war bei der Stasi und Paula wäre,
hätte man sie gefragt, sicherlich auch
lieber in den Westen gegangen, als sich
der Anbaggerei durch den Herrn Reifen-Saft auszusetzen. Das kennen wir,
daran sind wir gewöhnt. Aber da war doch
noch irgendwas hinter der Mauer ...
Richtig! Der Westen. Über den Westen erfuhr man bislang wenig. Auch dessen Nachkriegsgeschichte reduzierte sich im Alltagsbewusstsein auf die Mauer – von der anderen Seite natürlich –, RIAS und AFN, „Isch
bin ein Bärliner!“ und die „Grüne Woche“.
Ach so, um die langen Kreuzberger Nächte
wusste man auch noch, und 1968 war auch
irgendwas. Aber da musste doch mehr gewesen sein, als die von Polit-Figaros immer
noch gern frisierte Geschichte, die uns WestBerlin hauptsächlich als nimmermüden
Kämpfer gegen die russische Unfreiheit des
Ostens darstellt ...
2002 schlug Olaf Leitner mit seinem Gesprächsbuch „West-Berlin! Westberlin! Berlin (West)!“ ein erstes Loch in diese Mauer
in den Köpfen. 2006 brachte das Kreuzberg
Museum den Fotografen der SEW-Zeitung
„Die Wahrheit“, Jürgen Henschel, wieder in
die Öffentlichkeit. Von ihm stammt das zur
Ikone gewordene Foto des sterbenden Benno Ohnesorg.
Jetzt nahm sich die „Stiftung Stadtmuseum
Berlin“ der fast vergessenen Geschichte von
zwei Dritteln des Berliner Stadtgebietes an.
Bis Ende Juni läuft im Ephraim-Palais die
Sonderschau „West:Berlin“, und parallel
dazu ist im Märkischen Museum die Ausstellung „Bühne West-Berlin. Fotografien
von Harry Croner aus vier Jahrzehnten“ zu
besichtigen. Croner (1903-1992) übergab
noch zu Lebzeiten sein gewaltiges Bildarchiv dem Berliner Stadtmuseum: 100 000
Positive und 1,3 Millionen Negative! Immerhin hatte er vierzig Jahre lang die Geschikke der Stadt als freier Bildjournalist begleitet. Er dokumentierte das zertrümmerte Berlin, fotografierte die Stadt bewegende Ereignisse wie den Prozess gegen die Gladow-
Bande 1950, begleitete den Wiederaufbau
in West wie Ost, in den 1950-er Jahren
eigentlich nur noch im Westen – und er
tauchte mit seiner Kamera überall da auf,
wo Theater, Kino und „Kleinkunst“ in ihrer ganzen Bandbreite zu finden waren.
Damit wurde Harry Croner zu dem Chronisten der Berlinale und des Westberliner
Theatergeschehens. Von seinen großartigen Fotos sind neben der erwähnten Ausstellung rund 300 in einem vom Stadtmuseum herausgegebenen Fotoband zu bewundern. Alle, aber auch alle sind sie vertreten: Helene Weigel, Conny Froboess
und Bubi Scholz. Horst Buchholz, Hanna
Schygulla und Tilla Durieux. Katharina
Thalbach, Romy Schneider und Inge Keller. Und, und, und ... Großer Glanz und auch
so manche Erbärmlichkeit: Am 3. Mai 1960
wurde vor dem Titania-Palast an der
Steglitzer Schloßstraße demonstriert. Marlene Dietrich trat auf, und es erschallen Rufe
wie „Marlene go home!“ Mitten im amerikanischen Sektor demonstrierte man gegen
die „Vaterlandsverräterin“. Auch das war
West-Berlin. Der kleine Museumsverlag gab
ein großes Buch heraus. Wolfgang Brauer
Peter Schwirkmann u.a. (Hrsg.): Bühne
West-Berlin. Fotografien von Harry Croner
aus vier Jahrzehnten, Stiftung Stadtmuseum Berlin, 288 Seiten, 29,90 Euro.
Die gleichnamige Ausstellung läuft im
Märkischen Museum noch bis 28. Juni.
Abb.: Der Buchtitel zeigt Croners Foto von
Paul Hubschmid und Sonja Ziemann 1953
auf dem Kurfürstendamm.
Service-Center Hellersdorf:
Adele-Sandrock-Straße 10
12627 Berlin
Tel. (030) 6829 – 7117
Alte Hellersdorfer Str. 36
Peter-Edel-Str. 23
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Bj. 1986, Fernwärme, Energieeffizienzklasse B
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direkt – Briefe & Antworten
jot w.d. 3/2015
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Autofahren macht Spaß, Nicht-Autofahren auch
Ist es Lebensqualität, wenn manche Reise etwas länger dauert? Eine Anregung zum Weiterdenken
Ich bin ein Apologet des Öffentlichen Personennahverkehrs, Pionier-Eisenbahner des Herzens und
der Tat, zudem Besitzer des kompletten transpress-Dampflokarchivs, mehrerer Eisenbahnalmanache und des Prachtbildbandes
„Baureihe 01“. Außerdem weiß
ich, was richtig ist, um’s Weltklima zu retten. Und fahre dabei
meist Auto. Ein schönes im Übrigen, französisch, groß, besser: geräumig, gut gefedert, angemessen
komfortabel (Sitzheizung!), Verbrauch geht so. Für die Stadt und
den täglichen Bedarf zu groß.
Schon bissel alt, der Wagen, deshalb hatte ich gerade einen Termin
für einen Neukauf gemacht.
Carl Benz ist am 24. November
170 Jahre alt geworden, also wäre
er. Wenn er nicht das Auto erfunden hätte, und so war es natürlich nichts mit langem Leben.
So haben wir aber wenigstens den
Anlass und guten Grund mal zu
sagen, was uns das Auto ist. Des
Deutschen liebstes Kind, Statussymbol, Rückgrat des Wirtschaftswachstums – kennen wir. Blechlawine, Stadtzerstörer, Klimakiller, Lärmquelle – wissen wir.
Vater hat immer gesagt, Auto
fängt mit Ah! an und hört mit Oh!
auf. Und hatte lange gar keins, ich
Seit es auch im Regionalverkehr neue und moderne Züge wie diesen der Niederbarnimer Eisenbahn gibt, macht Bahnfahren sogar noch viel mehr Spaß.
auch nicht. Die Trabant-Anmeldung habe ich angeheiratet, 1994
sollte es so weit sein. Plan war:
Nicht fahren, verkaufen, Haushaltssanierung via Kleinanzeige.
Schule und Arbeit hieß immer
Straßenbahn und Bus oder SBahn, gern früh um sechs. Urlaub
bedeutete Eisenbahn, das war toll
und schon das erste Ferien-Erlebnis. Liegewagen von Leipzig nach
Binz, 6er-Abteil, unvergessen. Am
Ort wurde gewandert, Bus gefahren, Fahrrad. Ging alles, niemand
hatte das Gefühl, irgendwo nicht
hinzukommen. Von Grenzen mal
abgesehen, aber das ist ein ande-
res Thema. Dann kam die große
Revolution, und das auch, weil die
Autos so spät kamen.
Erst habe ich noch zwei Jahre
gewartet, musste ja auch erstmal
ein Führerschein her. Den brauchte man ja bis dahin nicht, im Geltungsbereich des Tarifs der Deutschen Reichsbahn. Seit 1992,
zwei Jahre vor der großen, nun
schon abgesagten Lieferung aus
Zwickau, bin ich also mobil mit
Créative Technologie.
Warum ist das so? Warum fährt
man seitdem zum Kampf um den
Erhalt von brandenburgischen
Nebenstrecken und Bahnhöfen mit
Wir täuschen uns, wenn wir glauben, dass nicht auch
ganz persönliche Motive politische Entscheidungen
beeinflussen. Insbesondere, wenn die entsprechenden
Personen auch die politische Macht haben.
Bascha Mika, ehem. Chefredakteurin „taz“
Erinnern an Ronald
Auf Grund eines sehr traurigen Anlasses musste leider das in der Februar-Ausgabe angekündigte „Mario
Hoppe Fußballgedenkturnier“ am 14.
Februar ausfallen. Am 11. Februar
verstarb ganz plötzlich der Hauptorganisator des Turniers von Stern
Kauldorf, Ronald Lachmund, im Alter von 55 Jahren. Für alle noch unfassbar, ist es ein großer Verlust für
die Familie, für die Freunde und für
den Fußballverein Stern Kaulsdorf.
Wir werden Ronald immer in Erinnerung behalten.
Eberhard und Renate Fuchs
Redaktion jot w.d.
Staatssekretär Gaebler
reibt sich die Hände
Zu: „Sinkendes Grundwasser“, jot w.d. 2/2015
Der genannte Artikel suggeriert nachgerade, es gibt kein Grundwasserproblem und keine Vernässungsgefahr
mehr. Damit kann sich der Senat, speziell Herr Gaebler, genüsslich zurücklehnen; er ist ohnehin der Meinung,
dass das Wasser im Keller Schuld der
Betroffenen ist. Was aber, wenn sich
die Folgen des Winters 2011/12 und
die Starkregen 2013 wiederholen? Das
sollte man den bisher Betroffenen mal
erklären. Weiterhin interessiert schon
die Gefahr der Sulfatkonzentration!
Wo gibt es schon Schäden an Gebäuden, Wasserleitungen oder gar an Leben? Wo holt man sich Rat?
Herr Gaebler reibt sich die Hände ob
des niedrigen Grundwasserstandes,
so kommt er um die gewohnten Erklärungen – „keine Schuld, nicht zuständig, kein Geld“ – herum. Und was
sagt Gesundheitssenator Mario Czaja
zur Gesundheitsgefahr durch das
Sulfatkonzentrat, ganz speziell in seinem Wahlbezirk, aber nicht nur dort?
Eberhard Roloff, Mahlsdorf
dem Auto? Warum ist das Wissen
um die Schäden, die die individuelle Motorisierung anrichtet, der
tägliche Stau und die Suche nach
einem Parkplatz – also das Sein –
so wenig relevant für das Bewusstsein? Ich weiß es nicht.
Was müsste sein? Mehr Alternativen, öffentlicher Verkehr, dichte Takte, gute Preise oder gleich
steuerfinanziert fahrscheinlos.
Dazu teurer Kraftstoff, Behinderung des motorisierten Individualverkehrs, wenige teure Parkplätze in der Stadt, Radspuren überall, lange Fußgängerampel-Phasen, regulierter Autobau mit harten Vorschriften, Geschwindigkeitsbegrenzungen und scharfe
Kontrollen – den Stau organisieren. Das wäre was!
Aber Stopp: Wäre das nicht Autofahren nur für Reiche? Das ist
doch ein Plan, wie die ElektroAuto-Manie. Als ob die was ändern würden. Wenn sich alle EAutos leisten könnten, wär‘ der
gleiche Stau, Parkplätze gäbe es
auch keine, aber eine Autobahn
würde auch durch die Stadt geschlagen.
Wenn ich nach München muss,
das Kind besuchen, kostet das
Bahnticket 260 Euro pro Person
(wenn ich nicht monatelang vor-
her buche, was auch so eine Erfindung zur Abschreckung ist).
Da ist das Auto günstiger. Kein
Argument? Für manches Gehalt
sicher nicht, für Familien, Studenten, den normalen Menschen,
der keine Spesen abrechnen kann,
aber dann doch. Bahncard? Da
will aber auch viel gefahren werden, damit es sich rechnet. Wer
nur zweimal im Jahr eine längere Fahrt hat, ist da nicht dabei.
So denkt Mensch.
Wie erklär’ ich den Leuten, dass
es Lebensqualität ist, Zeit zu haben, dass etwas länger dauert.
Dass es Spaß macht, nicht Auto
zu fahren. Ich fahre gern Auto. Ich
hätte gern zwei. Ein kleines
über ’s Jahr, klein, handlich,
parklückenkompatibel und ein
großes für den Urlaub. Oder ein
Urlaubsangebot, wo ein kleines
am Ort steht, denn das französische Omnibus-Wesen will ich
nicht mehr lernen und Bahnhöfe
sind rar gesät, wo ich hin muss.
Weltklima und Auto. Klare Sache.
Gut und Böse. Leichtes Spiel.
Oder doch nicht?
Andreas Prüfer,
Stadtrat in Lichtenberg
(leicht gekürzt aus: www.umweltbuero-lichtenberg.de/
umwelt-online)
jot w.d. 3/2015
Wenn schon keine Kontrollen,
wie wär’s mit einer Mülltonne?
5
Die Böschung zum Parkplatz Rosenhagener Straße/
Am Niederfeld (gegenüber des Zugangs zum Butzer See)
präsentiert sich immer wieder als Müllhalde. Weniger die Naherholung Suchenden sind als Schmutzfinken auszumachen. Vielmehr sind es meist Fahrer
von gewerblichen Transportern, teilweise aus dem Ausland, die auf dem Parkplatz zuweilen Nachtruhe halten und dann ihren Müll einfach in die Gegend werfen. Auch
Fahrer von Handwerker-Autos (Maler, Fliesenleger) „vergessen“ gern ihren auf dem
Recyclinghof kostenpflichtigen Bauschutt in den Gebüschen etwas weiter oben. Wo
aber bleiben Aktivitäten des Umwelt- und/oder Ordnungsamtes?
Fotos: Nachtmann
So leis der Wind geht
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Hellersdorf braucht ein
„Scheiße-Museum“
In einer Bürgerzeitung kann und muss ich
mich auch mit eher anrüchigen Themen
befassen. Viele Berliner pflegen ein lokkeres Verhältnis zu den ehernen Gesetzen
des Grafen von und zu Knigge. So ist es
keine gewagte Behauptung, die Metropole habe den Deutschland-Trend hin zur
Fäkalsprache mit geprägt. Es wimmelt
neuerdings auch außerhalb der ohnehin
derben Jugendsprache in ansonsten solide geführten Unterhaltungen auf der Straße, im Film und allen verfügbaren Medien von menschlichen Ausscheidungen und
den dabei beteiligten Körperteilen. Während man früher eher dezent andeutete, der
Gegenüber könne einem den Buckel
‘runter rutschen, gehört jetzt das „Leck
mich am…“ fast schon zur Hochkultur.
Schamgrenzen - wie die gerade durch drei
Punkte angedeutete. - sind selbst bei Anwesenheit von Minderjährigen Fehlanzeige. Ganz zu schweigen von der häufigen
Präsenz der Körpersäfte auf den maßgeblichen städtischen Bühnen!
Jetzt aber zur hiesigen Region. 1880 kaufte Berlin das Gut Hellersdorf einzig und
allein zum Zwecke, die damals gerade
neugebaute Kanalisation hier enden zu
lassen: Die stinkenden Ausscheidungen
der immer zahlreicher werdenden Berliner Stadtbevölkerung landeten so nicht
mehr in der Gosse, sondern auf den Brandenburger Äckern, schnell zu Rieselfeldern umfunktioniert. Die waren bald an
ihre Kapazitätsgrenzen gekommen und so
kehrte die Jauche aus den zeitweise überlaufenden Rieselflächen über unsere schöne Wuhle und die noch schönere Spree
bald wieder leicht verdünnt zurück nach
Berlin, noch mehr verdünnt als Trinkwasser durch die aus dem damals neuen
Kaulsdorfer Wasserwerk kommenden Leitungen. Es gebührt dem leider kürzlich
verstorbenen Marzahner Hydrologen Dr.
Wolfgang Clemens das Verdienst, in seiner Publikation „Berlin hatte da ein Problem“ diesen übelriechenden Kreislauf
exakt zu beschreiben.
Ebenso zum Himmel stinkend ist die Einfallslosigkeit der örtlichen Entscheidungs-
träger zur Zukunft
des Hellersdorfer
Gutes. Nach Ende
der
Rieselfeldwirtschaft saß hier
immer noch das erste
Hellersdorfer Wappentier,
ein
Storchenpaar, auf
dem Schornstein des
Gutsbezirkes. Es mochte die dauerhafte
Umzingelung durch die neuen Plattenbauten nicht so recht, nach zwei Jahren
ohne Nachkommen flog es Mitte der
achtziger Jahre das Nest nicht mehr an.
Der Maulwurf übernahm das Hellersdorfer Großsiedlungs-Zepter. Seither dämmert
das alte Gut weitgehend unbeachtet in einer Art Dornröschenschlaf dahin. Es mangelte nie an profilierungsgeilen Prinzen.
Allerdings trotz fehlender Dornenhecke
ohne wirkliche Idee, wie Dornröschen
wach zu küssen sei. Großer Mist also.
Womit wir wieder am Zielort der Berliner Scheiße wären: Wenn überhaupt, dann
sind die Berliner und ihre Gäste nur von
Exotischem wie den Gärten der Welt in
ihren Nahen Osten zu locken. Oder eben
durch das Abartige, die nämlichen Fäkalien. Neuerdings hat London eine Pop-ArtAusstellung mit den hygienisch eingeglasten Ausscheidungen großer Künstler der
Gegenwart, Lady Gaga selbstredend an
vorderster Stelle. Das künftige ScheißeMuseum am ehemaligen Hellersdorfer
Rieselgut könnte auf diese wertvollen Erfahrungen aufbauen und Gunter von Hagens „Körperwelten“ in der Stadtmitte die
Schau stehlen. Letzte Tabus könnten so
durch Pionierarbeit vor Ort gebrochen
werden, finanzkräftige Partner aus der
WC-Branche stünden werbewillig zur
Verfügung. In die möglichen Unterabteilungen des Museums sollte sich jeder
kreative Bürger selbst hineindenken oder
auch hineinriechen. Wichtig wäre ausdrücklich in diesem Zusammenhang die
Würdigung der politischen Farbe Braun
in einem gesonderten Teil des Museums.
Euer Schwejk
○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○
Tierisches jot w.d.-Preisrätsel
F B
1
N B
A R
R F
2
3
4
5
6
7
8
9
10
C H
U S
L Q
Ü R
C H
I ß
Es sind Tiere mit zehn Buchstaben
folgender Bedeutung zu finden: 1.
Nagetier an Gewässern, 2. Insektenfresser, 3. vielfarbiger Fisch, 4. ihn
gibt’s hauptsächlich als Futter für’s
Aquarium, 5. Geflügel, das sich an
kalte helle Umgebung angepasst
hat, 6. stärkstes Landsäugetier, 7.
Bezeichnung des Frosches kurz
nach dem Schlüpfen, 8. gepanzerter Säuger, 9. kleiner, im Wasser
lebenden Schwanzlurch, 10. großer
Vogel mit langem Schnabel.
Die Buchstaben in den markierten
Feldern ergeben – neu sortiert –
ein Tier, das als einer der nächsten
Verwandten der Menschen gilt.
Schicken Sie Ihre Lösung bis 28. März (Poststempel) an jot w.d., Müllerstr. 45,
12623 Berlin, Kennwort Rätsel, und gewinnen Sie u.a. einen Gutschein (auch für
mehrere Personen) für die Nutzung der Minigolfanlage Wittenberger Straße 50.
Kaum beachtet steht eine der vielleicht schönsten Skulpturen der „Kunst im öffentlichen Raum“
zwischen Marzahner Promenade und Landsberger Allee. Doch vielleicht hat diese „Unscheinbarkeit“ auch einen immensen Vorteil: Von ekligen Graffiti-Schmierereien ist nichts zu sehen.
Bei sonnigem Wetter macht es wirklich Freude, ein paar Minuten lang den sich drehenden
„Windmühlen“ zuzuschauen und einfach mal an Nichts zu denken.
Foto: Nachtmann
Auflösung des Preisrätsels aus jot w.d. 2/2015: 1. Rothenburg, 2. Sternebeck, 3.
Goldlauter, 4. Rabenstein, 5. Bitterfeld, 6. Heidelberg, 7. Karlshorst, 8. Greifswald,
9. Düsseldorf, 10. Burghausen. Das Lösungswort lautete: Allerorten.
Die Preise gingen per Post an die Gewinner. Herzlichen Glückwunsch!
○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○