Geschmacksvielfalt Milchprodukte Käse-Sommelier Claudius Janner möchte die Menschen ermutigen, an keiner Sennalpe vorbeizulaufen VON ULRICH WEIGEL Oberallgäu Für Käseexperten Claudius Janner aus Immenstadt ist es eigentlich einfach: Wer sich für die leckeren Milchprodukte begeistert, sollte an keiner Käserei vorbeifahren und an keiner Sennalpe vorbeilaufen, ohne einzukaufen. Denn viele der „feinen und spannenden Käse“, die in Handwerkskunst aus Milch entstehen, gibt’s nur vor Ort, nicht aber im Supermarkt. Janner ist Diplom-Käse-Sommelier (Maître fromager) und Autor des Wanderführers „Allgäuer Sennalpwege“, für den eine Neuauflage in Vorbereitung ist. Er möchte die Menschen ermutigen, sich mehr auf handwerklich gefertigte Käse einzulassen und ihre Geschmacksvielfalt zu entdecken – ein Kontrast zu industriellen Produkten im Discounter-Regal. Käse lasse sich leicht, schnell und kreativ in die eigene Küche einbauen. Janner rät auch, keinen geriebenen Käse zu kaufen, sondern immer selbst frisch zu reiben. Es muss auch kein Parmesan aus der italienischen Po-Ebene sein. Gereifter Bergkäse sei meist viel besser. Ebenso solle man ihn am Stück kaufen, da so der Geschmack intensiver erhalten bleibt und ihn eine Stunde vor dem Käse-Experte Claudius Janner. Foto: Weigel „Leider haben die meisten ihr Raclette auf dem Dachboden und holen es nur an Silvester runter. Es gehört griffbereit in die Küche.“ Käse-Sommelier Claudius Janner Verzehr aus dem Kühlschrank holen. Ermutigen möchte Janner auch die Gastronomie: Es gehörten mehr besondere heimische Käsesorten auf die Speisekarte. Auch zu Nudelgerichten ließe sich anderes einsetzen als fertiger Reibekäse aus der Großpackung. Er kennt gute Beispiele solcher Zusammenarbeit zwischen Restaurants und Sennalpen. Doch noch gebe es das Miteinander von „Hirt und Wirt“ zu wenig. RestaurantGäste könnten wachsende Vielfalt fördern, indem sie auf der Karte verstärkt Käsegerichte suchen und bestellen. Janner: „Oft spielt Käse eine geringe Rolle. Fragen Sie den Gastwirt warum.“ Und wo findet sich guter Käse? Auf Sennalpen und in Dorfsennereien, sagt Janner. Ebenso auf Käsemessen (wie ab Freitag in Oberstdorf, wo ein internationales Käsefestival stattfindet), auf Märkten mit guten Käseständen und im Fachhandel. Kunden sollten sich neugierig zeigen, nach Rohmilchkäse und Herkunft fragen. „Käse aus Rohmilch ist aromatischer als einer aus pasteurisierter Milch.“ Janner rät, Sennereien und Sennalpen zu Wanderzielen zu machen, um Bewegung und Genuss zu kombinieren. Adressen gibt es auch sonst einige. Der Käse-Sommelier nennt beispielsweise den Thaler Geißenhof (Oberstaufen), die Hofkäserei Schwand (Oberstdorf), die Minikäserei von Franz Horn (MissenBerg), Sennereien wie die in Diepolz, Schweineberg, Hüttenberg, Gunzesried, Steibis und Untermaiselstein, Sellthüren (Dietmannsried) mit Käseladen in Oberstdorf, Zurwies bei Wangen und die Familie Baldauf mit ihrem zusätzlichen Online-Handel. Wie lagert man Käse? Laut Janner sind zehn bis zwölf Grad optimal. Wärme, Licht und Zugluft schaden. Beste Aufbewahrung sei in einer klassischen Käseglocke aus Ton (Innenseite nicht glasiert). Frische Apfelstücke in der Glocke verhindern das Austrocknen. Ver- schlossener Frischkäse lasse sich bei vier Grad bis zu einem Monat lagern, eine geöffnete Packung im luftdichten Behälter bis zu sieben Tage. Hartkäse lagere man im Kühlschrank am besten in ein leicht feuchtes Tuch eingewickelt. Schnittkäse gehört trocken in eine Plastikbox oder in Klarsichtfolie im Kühlschrank. Frisch geriebener Käse muss sofort verarbeitet werden, weil er schnell schimmelt. Getrockneter geriebener Käse (wie Parmesan) hält sich im Kühlschrank bis zu drei Wochen. I Rezepte mit Käse von Spitzenköchen im Internet: www.kaese-guilde-saint-uguzon.de Handwerkskunst auf dem Berg und im Tal bringt große Käsevielfalt Es gibt unzählige handwerklich gefertigte Käsearten im Allgäu. Ein Überblick: ● Backstein-Käse (Limburger) Ein schnell reifender Weichkäse mit Rotschmiere, der schon nach drei Monaten sehr würzig ist. Er schmeckt KäseSommelier Claudius Janner beispielsweise zu Pellkartoffeln oder als saurer Käse mit Zwiebeln und Essig. ● Berg-/Alpkäse Bei dem Hartkäse aus Rohmilch unterscheidet Janner zwei grundsätzliche Richtungen: Bergkäse, den Talsennereien ganzjährig herstellen, und Bergkäse von Sennalpen, der nur im Alpsommer entsteht. Käse von Sennalpen habe eine höhere Milchqualität, weil Rinder das frische Futter der Bergwiesen fressen. Bergkäse schmeckt leicht buttrig, sehr nussig und je nach Reifezeit mehr oder weniger würzig. Wenn er im Gaumen brennt, ist laut Janner etwas falsch gelaufen: „Guter Bergkäse brennt nie.“ Bilden sich nach längerer Reife- zeit Kristalle im Teig (Experten sprechen vom „Sandeln“) ist nicht wie häufig vermutet Salz, sondern es handelt sich um Aminosäuren-Kristalle. Es gibt „Allgäuer Bergkäse“ mit EU-weit geschützter Ursprungsbezeichnung und Bergkäse von irgendwo her. ● Emmentaler Ein Rohmilchkäse mit milcharomatischem, nussigem Geschmack, mit zunehmender Reife intensiver. Fürs Aroma wichtig ist die Propionsäure, die in der warmen, ersten Reifephase für die Löcher sorgt. Es gibt ihn als echten Allgäuer mit EU-weit geschützter Ursprungsbezeichnung. ● Schnittkäse Die Halbfesten gibt es in großer Bandbreite und mit zwei grundsätzlichen Herstellungsmethoden: Die einen haben im Teig aromatisierende Zusatzstoffe wie Bockshornklee, Trüffel, Knoblauch, Chili oder Anis. Die anderen erhalten ihr Aroma, weil man sie bei der Käsepflege (also im Reifungsprozess) beispielsweise mit Bier oder Wein einreibt oder sie in Aromaträger wie Blüten und Heu legt. ● Weichkäse Auf Sennalpen entstehen viele Käse-Varianten vom kleinen Romadur über hin zum Zieger. Letzter hat trotz des Namens erst mal nichts mit Ziege zu tun. Die Älpler machen ihn aus der Molke, die beim Käsen übrig bleibt. ● Weißlacker Ein Lake-Käse, dessen gesalzener Teig zwölf Monate in einer Lake reift. Der Geschmack ist sehr pikant, leicht scharf und salzig. KäseExperte Janner schätzt ihn zu Pasta und in Soßen ebenso wie etwa mit Früchten. „Ob Preiselbeere oder Pflaumenmus – Weißlacker mag alles Süße.“ ● Ziegen-/Schafskäse Einige handwerkliche Betriebe fertigen verschiedene Schafs- oder Ziegenkäse. Dazu zählen Frischkäse, Camenbert und Mozarella aus Ziegenmilch. Janner lobt, dass die Bandbreite experimentierfreudiger Käsereien zunimmt. (uw)
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