Verkehrswert, Kaufpreis, Waldwert? Grundlagen der forstlichen Liegenschaftsbewertung Programm o Rechtsgrundlagen (Liegenschaftsbewertungsgesetz 1992, ÖNORM B 1802 – Liegenschaftsbewertung, Fachliteratur) o Wertermittlungsverfahren (Vergleichswert, Sachwert, Ertragswert, kombinierte Verfahren) o Wahl der „richtigen“ Wertermittlungsmethode o Kapitalisierungszinsfuß o Marktanpassungserfordernis im Umfeld hochvolatiler Märkte o vereinfachte Waldwertmodelle 24.03.2015 | 2 Rechtsgrundlagen § 2 LBG 1992 ‐ Bewertungsgrundsatz (1) Sofern durch Gesetz oder Rechtsgeschäft nichts anderes bestimmt wird, ist der Verkehrswert der Sache zu ermitteln. (2) Verkehrswert ist der Preis, der bei einer Veräußerung der Sache üblicherweise im redlichen Geschäftsverkehr für sie erzielt werden kann. (3) Die besondere Vorliebe und andere ideelle Wertzumessungen einzelner Personen haben bei der Ermittlung des Verkehrswertes außer Betracht zu bleiben. o Liegenschaftsbewertungsgesetz 1992 o ÖNORM B 1802 ‐ Liegenschaftsbewertung o Stand der Technik und Wissenschaft 24.03.2015 | 3 24.03.2015 | 4 § 3 LBG 1992: Allgemeine Regeln für die Bewertung § 4 LBG 1992: Vergleichswertverfahren (1) Für die Bewertung sind Wertermittlungsverfahren anzuwenden, die dem jeweiligen Stand der Wissenschaft entsprechen. Als solche Verfahren kommen insbesondere das Vergleichswertverfahren (§ 4), das Ertragswertverfahren (§ 5) und das Sachwertverfahren (§ 6) in Betracht. (2) Wenn es zur vollständigen Berücksichtigung aller den Wert der Sache bestimmenden Umstände erforderlich ist, sind für die Bewertung mehrere Wertermittlungsverfahren anzuwenden. (3) Rechte und Lasten, die mit der zu bewertenden Sache verbunden sind und deren Wert beeinflussen, sind bei der Bewertung entsprechend zu berücksichtigen. Wenn eine Bewertung von Rechten und Lasten nach den in den §§ 2 bis 7 enthaltenen Regeln nicht möglich ist, muß der vermögenswerte Vorteil des Berechtigten beziehungsweise der vermögenswerte Nachteil des Belasteten herangezogen werden. (4) Ist nur ein Teil einer Liegenschaft, ein mit einer Liegenschaft verbundenes Recht oder eine darauf ruhende Last oder ein Teil eines Rechtes oder einer Last zu bewerten, so ist auch der Wert der ganzen Liegenschaft beziehungsweise des ganzen Rechtes oder der ganzen Last zu ermitteln, wenn dies für die Bewertung von Bedeutung ist. (1) Im Vergleichswertverfahren ist der Wert der Sache durch Vergleich mit tatsächlich erzielten Kaufpreisen vergleichbarer Sachen zu ermitteln (Vergleichswert). Vergleichbare Sachen sind solche, die hinsichtlich der den Wert beeinflussenden Umstände weitgehend mit der zu bewertenden Sache übereinstimmen. Abweichende Eigenschaften der Sache und geänderte Marktverhältnisse sind nach Maßgabe ihres Einflusses auf den Wert durch Zu‐ oder Abschläge zu berücksichtigen. (2) Zum Vergleich sind Kaufpreise heranzuziehen, die im redlichen Geschäfts‐ verkehr in zeitlicher Nähe zum Bewertungsstichtag in vergleichbaren Gebieten erzielt wurden. Soweit sie vor oder nach dem Stichtag vereinbart wurden, sind sie entsprechend den Preisschwankungen im redlichen Geschäftsverkehr des betreffenden Gebietes auf‐ oder abzuwerten. (3) Kaufpreise, von denen anzunehmen ist, daß sie durch ungewöhnliche Verhältnisse oder persönliche Umstände der Vertragsteile beeinflußt wurden, dürfen zum Vergleich nur herangezogen werden, wenn der Einfluß dieser Verhältnisse und Umstände wertmäßig erfaßt werden kann und die Kaufpreise entsprechend berichtigt werden. 24.03.2015 | 5 24.03.2015 | 6 § 6 LBG 1992: Sachwertverfahren … zum Vergleichswertverfahren (1) Im Sachwertverfahren ist der Wert der Sache durch Zusammenzählung des Bodenwertes, des Bauwertes und des Wertes sonstiger Bestandteile sowie gegebenenfalls des Zubehörs der Sache zu ermitteln (Sachwert). (2) Der Bodenwert ist in der Regel als Vergleichswert durch Heranziehung von Kaufpreisen vergleichbarer unbebauter und unbestockter Liegenschaften zu ermitteln. Wertänderungen, die sich demgegenüber aus der Bebauung oder Bestockung der zu bewertenden Liegenschaft oder deren Zugehörigkeit zu einem Liegenschaftsverband ergeben, sind gesondert zu berücksichtigen. (3) Der Bauwert ist die Summe der Werte der baulichen Anlagen. Bei seiner Ermittlung ist in der Regel vom Herstellungswert auszugehen und von diesem die technische und wirtschaftliche Wertminderung abzuziehen. Sonstige Wertänderungen und sonstige wertbeeinflussende Umstände, wie etwa Lage der Liegenschaft, baurechtliche oder andere öffentlich‐ rechtliche Beschränkungen sowie erhebliche Abweichungen von den üblichen Baukosten, sind gesondert zu berücksichtigen o hohe Akzeptanz einfachste und markkonformste Wertermittlung ökologisch, nachvollziehbar, plausibel, schlüssig schlüssig … aber nur bedingt möglich o Waldbewertung … nur bedingt anwendbar kein Waldbestand ist wie ein anderer mehrere Bewertungsfelder − − − − Waldboden Waldbestand (Holzvorrat) Jagdwert Nebennutzungen o Interpretation Ableitung von Korrekturfaktoren aus dokumentierten Verkaufstransaktionen Problematik der „grauen“ Preisbildung 24.03.2015 | 7 … zum Sachwertverfahren 24.03.2015 | 8 § 5 LBG 1992: Ertragswertverfahren (1) o gegenwartsbezogen o welche Kosten bei einem Neubau (Ersatz) des zu bewertenden Objektes entstehen würden (2) Normalherstellungskosten „Rekonstruktionskosten“ o Wertminderungen Gebäude − technische Alterswertminderung − bauliche Mängel (3) Waldbestand − Verbiss‐ und Schälschaden − Steinschlagschäden − Rückeschäden (4) Im Ertragswertverfahren ist der Wert der Sache durch Kapitalisierung des für die Zeit nach dem Bewertungsstichtag zu erwartenden oder erzielten Reinertrags zum angemessenen Zinssatz und entsprechend der zu erwartenden Nutzungsdauer der Sache zu ermitteln (Ertragswert). Hiebei ist von jenen Erträgen auszugehen, die aus der Bewirtschaftung der Sache tatsächlich erzielt wurden (Rohertrag). Durch Abzug des tatsächlichen Aufwands für Betrieb, Instandhaltung und Verwaltung der Sache (Bewirtschaftungsaufwands) und der Abschreibung vom Rohertrag errechnet sich der Reinertrag; die Abschreibung ist nur abzuziehen, soweit sie nicht bereits bei der Kapitalisierung berücksichtigt wurde. Bei der Ermittlung des Reinertrags ist überdies auf das Ausfallwagnis und auf allfällige Liquidationserlöse und Liquidationskosten Bedacht zu nehmen. Sind die tatsächlich erzielten Erträge in Ermangelung von Aufzeichnungen nicht erfaßbar oder weichen sie von den bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung der Sache erzielbaren Erträgen ab, so ist von jenen Erträgen, die bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung der Sache nachhaltig hätten erzielt werden können, und dem bei einer solchen Bewirtschaftung entstehenden Aufwand auszugehen; dafür können insbesondere Erträge vergleichbarer Sachen oder allgemein anerkannte statistische Daten herangezogen werden. Der Zinssatz zur Ermittlung des Ertragswertes richtet sich nach der bei Sachen dieser Art üblicherweise erzielbaren Kapitalverzinsung. 24.03.2015 | 9 24.03.2015 | 10 … zum Ertragswertverfahren … welcher Kapitalisierungszinssatz? o zukunftsbezogen o Vergleich zukünftiger Entnahmen aus dem Forstbetrieb mit der besten Alternative o Ansätze … Welcher Preis lohnt der Erwerb einer Immobilie, wenn die abgezinsten zukünftigen Überschüsse damit verglichen werden? rational agierender Kapitalanleger erwartet eine angemessene Rendite auf sein gebundenes Kapital, da er die sogenannten Opportunitätskosten gegenüberstellt, d.h. den Nutzungsentgang der wirtschaftlichen Alternative (Anleihe, Sparbuche etc.) o „Zukunftserfolgswert“ o GURTNER‐RUMMEL‐SAGL (1984): … Festsetzung des Kapitalisierungszinsfußes ist ein betriebswirtschaftliches Problem o Ertragswert = Reinertrag x Rentenendwertfaktor niedriger Zinssatz = niedrigeres Risiko hoher Zinssatz = höheres Risiko 24.03.2015 | 11 § 5 Abs.4 LBG 1992: Zinssatz für die Ermittlung des Ertragswertes richtet sich nach der bei Sachen dieser Art üblicherweise erzielbaren Kapitalverzinsung − inflationsbereinigter Zinssatz − Lehrbücher: „forstliche“ Zinssatz = 3 % aktuelle Empfehlungen des SV‐Verbandes: 2 % (bis 3 %) − − − − Rendite Forstbetrieb: Landwirtschaft Jagd Wohnen 0,8 bis 1,2 % pA 2,50 bis 3,50 % 4,00 % 5,00 bis 7,00 % o Ertragswert „liegt“ unter Verkehrswert korrekt: ... liegt unter SACHwert „Verkehrswert“ im Ertragswertverfahren ist Ergebnis des Aufzinsfaktors aktuell: bei Faktor 70 bis 100 decken sich Sach‐ und Ertragswert 24.03.2015 | 12 § 7 LBG 1992 ‐ Wahl des Wertermittlungsverfahrens Agrar‐Index (1) Soweit das Gericht oder die Verwaltungsbehörde nichts anderes anordnen, hat der Sachverständige das Wertermittlungsverfahren auszuwählen. Er hat dabei den jeweiligen Stand der Wissenschaft und die im redlichen Geschäftsverkehr bestehenden Gepflogenheiten zu beachten. Aus dem Ergebnis des gewählten Verfahrens ist der Wert unter Berücksichtigung der Verhältnisse im redlichen Geschäftsverkehr zu ermitteln. (2) Sind für die Bewertung mehrere Wertermittlungsverfahren anzuwenden (§ 3 Abs. 2), so ist aus deren Ergebnissen der Wert unter Berücksichtigung der Verhältnisse im redlichen Geschäftsverkehr zu ermitteln. 24.03.2015 | 13 Verkehrswertbestimmende Faktoren o o o o o o o o o o o 24.03.2015 | 14 Verkehrswert … sachliche Eigenschaften: Lage (Nachbarschaft zu Siedlungsgebiet), Größe, Ausformung des Grundstücks, gegenwärtige Nutzung, Nutzungsmöglichkeiten; Boden‐ und Klimaverhältnisse (Höhenlage, Hanglage, Niederschlagsverhältnisse, Klimaverhältnisse, Erosionsgefährdung, Bodenart und Bodentyp, Bodenzustand, Wasserverhältnisse, Beregnungsmöglichkeiten, Drainagen, Beeinträchtigungen durch Immissionen, Altlasten) besondere Eigenschaften: Hofanschluss, Hofnähe, Erreichbarkeit (bis 30 % Wertaufschlag) rechtliche Eigenschaften: Lieferrechte, Pachtverhältnisse, Belastungen, Dienstbarkeiten (ver‐ büchert, nicht verbüchert), Nutzungsrechte, behördliche Auflagen (Natur‐ , Wasserschutz) Erwartungen, Hoffnungen: zu erwartende Nutzungsbeschränkungen, zu erwartende nichtlandwirtschaftliche Nutzungsmöglichkeiten landwirtschaftliche Faktoren: Betriebsorganisation, Anbau bestimmter Kulturen, Viehbesatz agrarpolitische Faktoren mit regionaler Wirkung: regionale Förderprogramme, Schutzgebietsausweisungen außerlandwirtschaftliche Faktoren: Bevölkerungsdichte, Nähe zu Siedlungsgebieten, Großbauvorhaben, städtebauliche Entwicklungskonzepte, Aspekte der Käufer/Verkäufer Marktgeschehen am Immobilienmarkt: Kaufverhalten (Käufer/Verkäufer Landwirt, Weiterbewirtschaftung, Verwandtschaftsverhältnisse, persönliche Abhängigkeitsverhältnisse Vorliegen besonderer Konstellationen: Notverkauf, Exekutionsverfahren, Arrondierungskauf Zeitpunkt des Kaufes/Verkaufes: Hortungskauf der öffentlichen Hand, Optionsvertrag für Großflächen, zeitliche Entwicklung der Preise für landwirtschaftliche Liegenschaften Ablösepreise: angebotene und bezahlte „Entschädigungsbeträge“ (Grundankäufe durch Gemeinde für infrastrukturelle Maßnahmen; Hochwasserschutz, Straßen‐, Schienenbau, Energieversorgung Betriebsgröße Bewirtschaftungsform Nachfolger Emotion Marktan‐ passung Nebenerwerb Innerlandwirtschaftlicher Bodenpreis Zins‐ fuß 24.03.2015 | 15 24.03.2015 | 16 Thesen zur Wahl von Bewertungsverfahren o Vergleichswertverfahren Bodenwertermittlung Orientierungshilfe für den Marktanpassungsfaktor o Ertragswertverfahren Bewertung von Forstbetrieben (ab 300 ha) Bewirtschaftungsbeschränkungen (Entschädigungsverfahren) vertragliche Regelungen (Dienstbarkeiten) Bewertungen nach dem Anerbenrecht (Erbhof) o Sachwertverfahren 24.03.2015 | 17 Kleinwaldflächen bis 30 ha (Bauernwald), aussetzender Betrieb Besitzteilungen Verlassenschaftsbewertungen steuerliche Veranlassung (Ermittlung des Verhältniswertes Boden, Holzbestand, Jagd) 24.03.2015 | 18 Beispiel Wildschäden Rechte und Lasten o Ertragswertverfahren Forstwirtschaft = wirtschaften Wildverbiss reduziert Produktion (= Naturverjüngung) in welchem Umfang geht Naturverjüngung in die künftige Bestandesentwicklung (Holzproduktion) ein welche Mindererlöse (Mindererträge) ergeben sich hieraus o Sachwertverfahren Waldfunktion steht im Vordergrund Grundgedanke der Naturalrestitution (Wiederherstellung) beschädigte/zerstörte Bestandesteile müssen umgehend technisch ersetzt werden (Bodenschutz, Objektschutzwirkung, Wohlfahrteigenschaft ua) um Waldfunktion zu erhalten § 3 Abs 3: Rechte und Lasten, die mit der zu bewertenden Sache verbunden sind und deren Wert beeinflussen, sind bei der Bewertung entsprechend zu berücksichtigen. Wenn eine Bewertung von Rechten und Lasten nach den in den §§ 2 bis 7 enthaltenen Regeln nicht möglich ist, muß der vermögenswerte Vorteil des Berechtigten beziehungsweise der vermögenswerte Nachteil des Belasteten herangezogen werden. 24.03.2015 | 19 24.03.2015 | 20 Bewertungsgrundsätze Nutzungsrechte o Verkehrswertermittlung o §§ 472 ABGB – Dienstbarkeiten beschränkte dingliche Nutzugsrechte an fremden Sachen Eigentümer der dienenden fremden Sache ist zu bloßem Dulden oder Unterlassen verpflichtet muss so ausgeübt werden, dass diese für den Belasteten möglichst wenig beschwerlich ist dürfen nicht eigenmächtig erweitert werden Teil des Verkehrswertes einer Liegenschaft im Verkehrswertgutachten getrennt auszuweisen − Vorteil des berechtigten − Nachteil des Belasteten o Marktauswirkungen Auswirkungen auf das Käuferverhalten o Sachverständiger Marktverhalten: Rechte und Lasten werden in der Regel mit der Liegenschaft gehandelt SV muss die objektive Richtigkeit dieser Teilwerte abbilden kein Bewertungsfall ist wie der andere o WWLG – Einforstungsrechte Wald und Weidenutzungsrechte auf fremdem Grund und Boden Grundsatzgesetz 1951 Ausführungsgesetze der Bundesländer o § 12 GBG Reallasten wiederkehrende Leistungen entsteht durch Einigung zwischen Eigentümer und Berechtigtem 24.03.2015 | 21 Zwangsversteigerung 24.03.2015 | 22 Danke für IHRE Aufmerksamkeit und Mitarbeit … o § 143 Exekutionsordnung erfordert dreifache Bewertung o Liegenschaftswert bei Aufrechterhaltung der Belastungen ohne Aufrechterhaltung der Belastungen Wert der Belastungen o grundbücherliche Lasten Dienstbarkeiten, Ausgedinge, andere Reallasten müssen vom Ersteher übernommen werden haben Vorrang vor Pfandrechten des Gläubiger © Die dargestellten Informationen haben den mündlichen Vortrag am 24.03.2015 unterstützt. Gültig ist insofern das gesprochene Wort. Die Foliensammlung stellt kein selbstständiges Dokument dar und ist weder zitierfähig, noch zur Weiterverbreitung bestimmt. Falls Sie Informationen aus dieser Foliensammlung verwenden möchten, ersuche ich um Kontaktaufnahme. DI Dr. Gerald Schlager | Bruno-Walter-Straße 3 | A-5020 Salzburg Tel. +43 699 10641545, Fax +43 662 641545 | [email protected] 24.03.2015 | 23 24.03.2015 | 24
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