Artikel 1 Langzeitüberlebensrate von dentalen Implantaten bei vollständig unbezahnten Patienten: Follow-up über 30 bis 66 Monate Dr. Gadi Schneider DMD, Parodontologe Dr. Yoram Bruckmayer DMD, medizinischer Berater bei Alpha-Bio Tec. und Dozent Sofortimplantation, Sofortbelastung, Implantatstabilität Dr. Gadi Schneider DMD, Parodontologe Dr. Yoram Bruckmayer DMD, medizinischer Berater bei Alpha-Bio Tec. und Dozent Abstract Studienziel: Diese retrospektive Singlecenter-Kohortenstudie zeigt die Ergebnisse zum Langzeitüberleben von dentalen Implantaten für ein kleines Patientenkollektiv aus der Privatpraxis eines Allgemeinmediziners. Material und Methoden: Von 2008 bis 2011 wurden 123 Titanimplantate bei 9 vollständig unbezahnten Patienten gesetzt. 59 Implantate wurden sofort nach der Extraktion gesetzt und 91 Implantate sofort belastet. 3 bis 4 Monate nach der Implantation wurden Teilrestaurationen aus Metallkeramik eingegliedert. Ergebnisse: Der Follow-up-Zeitraum betrug 30 bis 66 Monate mit einer kumulativen Implantat-Überlebensrate von 97,56 % und einem durchschnittlichen Knochenverlust von mesial 0,9 mm und distal 1,1 mm. Zusammenfassung: Über einen Zeitraum von 30 bis 66 Monaten wurden bei den 9 vollständig unbezahnten Patienten ein minimaler Knochenverlust und eine hohe Langzeitüberlebensrate des Implantats festgestellt. Keywords: Langfristiges Implantatüberleben, festsitzende Teilrestauration, Osseointegration. 2 Einführung In zahlreichen Studien wurde das Überleben von dentalen Implantaten untersucht, meist mit Daten aus einem Beobachtungszeitraum von bis zu 5 Jahren. Obwohl moderne Implantate seit fast 50 Jahren (Ratner, 2004) gesetzt werden, liefern nur wenige Studien Daten aus einem Langzeit-Follow-up. Üblicherweise gilt die Überlebensrate von dentalen Implantaten vor der Belastung als sehr hoch. Nach dem anfänglichen Verlust von 2 bis 3 % aller Implantate kommt es während eines Beobachtungszeitraums von 5 Jahren bei Implantaten, die eine Teilrestauration tragen, zu einem weiteren Verlust von 2 bis 3 %. Zu Ergebnissen über 10 bis 16 Jahre gibt es nur wenige Studien (Buser et al., 2012; Simonis et al., 2010; Pjetursson et al., 2007). In systematischen Reviews zur Langlebigkeit von festsitzenden Restaurationen zeigte sich nach 5 Jahren eine Über lebensrate von 96,5 % für den Einzelzahnersatz, von 95,4 % für implantatgetragene Teilrestaurationen und von 90,1 % für implantat-zahngetragene Rekonstruktionen (Lang et al., 2004; Pjetursson et al., 2004; Brägger et al., 2005; Jung et al., 2008). Oft werden die Begriffe Überleben und Erfolg jedoch nicht eindeutig verwendet, obwohl sie exakt definiert wurden (Albrektsson et al., 1986; Smith & Zarb, 1989). In diesen Studien wurde Überleben wie folgt definiert: Implantat und festsitzende Restauration sind in Funktion, unabhängig von biologischen und/oder technischen Komplikationen. Erfolg wurde definiert als: keine derartigen Komplikationen über den gesamten Beobachtungszeitraum. In der Literatur gibt es kaum verlässliche Parameter, mit denen biologische und prothetische Komplikationen beurteilt werden können. Zu den biologischen Komplikationen zählen eine Mukositis und Periimplantitis. Einige Studien legen nahe, dass Patienten, die anfällig für eine Parodontitis sind, ein höheres Risiko für eine Periimplantitis aufweisen könnten (Hardt et al., 2002; Karoussis et al., 2003; Schou et al., 2006). In der vorliegenden retrospektiven Singlecenter-Kohortenstudie wurden die Ergebnisse bei einer vollständig unbezahnten Patientengruppe über 30 bis 66 Monate evaluiert. Material und Methoden Dies ist eine nicht randomisierte retrospektive Singlecenter-Studie. Die Daten wurden in der Privatpraxis eines Allgemeinmediziners aus den Patientendaten erhoben. Von 2008 bis 2011 wurden bei 9 vollständig unbezahnten Patienten 123 Titanimplantate gesetzt. 3 bis 4 Monate nach der Implantation wurden die Implantate mit festsitzenden Metallkeramik-Restaurationen versorgt. Einschlusskriterien: In die Studie eingeschlossen wurden Patienten, bei denen der vollständig unbezahnte Kiefer mit implantatgetragenen Restaurationen versorgt wurde. Sie mussten mindestens 18 Jahre alt und zahnmedizinisch gesund sein. Weiterhin sollten sie bereit und in der Lage sein, eine gute Mundhygiene durchzuführen sowie die Kontrolltermine einzuhalten. Ausschlusskriterien: Patienten, die zu einer jährlichen Kontrolle nicht bereit waren und die Initialtherapie beim Zahnhygieniker nicht beendeten, wurden ausgeschlossen. Ausgeschlossen wurden auch Patienten, bei denen die chirurgischen oder restaurativen Daten unvollständig waren und Röntgenbilder fehlten. 3 Sofortimplantation, Sofortbelastung, Implantatstabilität Untersuchung der Patienten: Die erste Untersuchung der Patienten beinhaltete eine sorgfältige Überprüfung von deren medizinischer und zahnmedizinischer Vorgeschichte, eine eingehende klinische und radiologische Untersuchung einschließlich eines Panoramaröntgenbilds und Computertomogramms (CT), eine Mundhygieneuntersuchung und die Beurteilung der Bereitschaft, mindestens einmal jährlich eine Prophylaxebehandlung und die klinische Kontrolle wahrzunehmen. In einer klinischen Untersuchung wurden folgende Daten für alle Implantate erhoben: Sondierungstiefe (PPD) in mm sowie Abstand zwischen Implantatschulter und Mukosarand (DIM) in mm. Der Abstand zwischen der Implan tatschulter und dem ersten sichtbaren apikalen Knochen-Implantat-Kontakt wurde vom gleichen Parodontologen mesial und distal in mm gemessen. Alle Messungen wurden an jedem Implantat manuell an 6 Punkten (mesiobukkal, bukkal, distobukkal, mesiolingual, lingual und distolingual) mit einer HuFriedy-PCPUNC-15-Sonde (HuFriedy, Chicago, IL, USA) vorgenommen. Die Messwerte wurden auf den nächsten Millimeter aufgerundet. Eine Periimplantitis wurde nach dem Vorschlag von Ong et al. (2008) definiert: Sondierungstiefe ≥ 5 mm mit Blutung nach Sondierung/Eiterung und radiologisch erkennbarem Knochenverlust ≥ 2,5 mm oder fortschreitender Knochenverlust ≥ 3 Gewindegänge über einen Zeitraum von mindestens 10 Jahren. Der Behandlungsplan wurde mit den Patienten diskutiert und alle gaben schriftlich ihre Einwilligung nach Information, bevor mit der Implantatbehandlung begonnen wurde. Vor der Implantation wurden die Patienten gegebenenfalls parodontal behandelt, um einen gesunden Parodontalzustand herzustellen. Vorgehen: Insgesamt wurden 123 SPIRAL-Implantate (SPI) (Alpha-Bio Tec., Petach Tikwa, Israel) gesetzt, davon 71 in den Oberkiefer (30 in die Oberkieferfront und 41 in den Seitenbereich) und 52 in den Unterkiefer (25 in die Unterkieferfront und 2 7 in den Seitenbereich). Die Implantatlänge betrug 8 mm (n = 4), 10 mm (n = 2), 11,5 mm (n = 24) und 13 mm (n = 93) (Tabelle 1). Ein Parodontologe führte den chirurgischen Eingriff durch und ein zweiter das gesamte implantologische Verfahren. Es gab 59 Sofortimplantate und 64 Spätimplantate. 91 Implantate wurden sofort belastet, 32 heilten gedeckt ein. Sofern notwendig, wurden bovines Knochenmaterial und Bond apatit eingebracht. Alle Patienten erhielten ab dem Tag der Implantation für 7 bis 10 Tage systemische Antibiotika. Die Fäden wurden nach 7 bis 10 Tagen entfernt. Alle Patienten bekamen eine Mundhygieneunterweisung für die Implantate und die verbliebenen Zähne. Nach 3 bis 6 Monaten Wartezeit für die Osseointegration wurde die implantatgetragene Teilrestauration eingesetzt. Dieser Zeitpunkt galt als Ausgangssituation. Jährliche Prophylaxebehandlung und Kontrolle: Zur Überwachung der Dentalhygiene, Prophylaxe und Implantatgesundheit wurden die Patienten über mindes tens 3 Jahre zu einer jährlichen Kontrolle einbestellt. Folgende Daten wurden erhoben: Alter, Geschlecht, Rauchgewohnheiten und Gründe für den Zahnverlust. Implantatbezogene Parameter waren: Typ, Anzahl, Länge und Verteilung. Jeder Implantatverlust wurde erfasst. Biologische (Periimplantitis) und mechanische Komplikationen (Implantat-, Abutment-, Schrauben-, Keramikfraktur) wurden erfasst und bewertet. Implantatbezogene Probleme wurden therapiert. Im Anschluss wurde jeder Implantatverlust behandelt. Datenerhebung: Alle Patientendaten in der Praxis wurden überprüft, um diejenigen Patienten auszuwählen, die die Einschlusskriterien erfüllten. Die Daten jeder in die Studie aufgenommenen Person wurden auf einem PC (Windows XP, Microsoft Corporation) in eine Tabelle eingegeben (Microsoft Excel, Microsoft Corporation, Redmond, WA). 4 Ergebnisse Diese Studie mit 9 vollständig unbezahnten Patienten ergab eine kumulative Implantat-Überlebensrate von 97,56 %. Von den 123 gesetzten Implantaten gingen über 30 bis 66 Monate nur 3 Implantate bei 3 Patienten verloren. Davon gingen 2 während der Osseointegrationsphase verloren, 1 weiteres musste aufgrund von Schmerzen entfernt werden. Die Sofortimplantate wiesen eine Erfolgsrate von 100 % auf, die sofortbelasteten Implantate eine Erfolgsrate von 98,90 %. Der Knochenverlust war minimal. Bei der Röntgen-Evaluation betrug der mittlere Knochenverlust nach 30 bis 66 Monaten mesial 0,9 mm und distal 1,1 mm. Diskussion Diese retrospektive Singlecenter-Kohortenstudie zeigt anhand von Patientendaten aus der Privatpraxis eines Allgemeinmediziners Ergebnisse zum Langzeitüberleben von dentalen Implantaten, die 9 vollständig unbezahnten Patienten gesetzt wurden. Von 2008 bis 2011 wurden insgesamt 123 Titanimplantate gesetzt, davon waren 59 Sofortimplantate und 91 sofortbelastete Implantate. 3 bis 6 Monate nach der Implantation wurde die festsitzende Metallkeramik-Restauration eingegliedert. Die kumulative Implantat-Überlebensrate betrug 97,56 %. Radiologisch zeigte sich ein mittlerer Knochenverlust von mesial 0,9 mm und distal 1,1 mm. Über 30 bis 66 Monate wiesen die 9 vollständig unbezahnten Patienten einen minimalen Knochenverlust und eine hohe langfristige ImplantatÜberlebensrate auf. Zusammenfassung Innerhalb der Einschränkungen dieser Studie zeigten die Insertion von SPIRAL-Implantaten (SPI) im gesamten Kiefer und deren Versorgung mit Teilrestaurationen eine hohe Überlebensrate über 30 bis 66 Monate. Abkürzungen: CT: Computertomografie DIM: Abstand zwischen Implantatschulter und Mukosarand FPD: implantatgetragene Teilrestauration PPD: Sondierungstiefe SPI: SPIRAL-Implantat Danksagung: Marcom International und Marie Gethins (Mediscribe Medical Writing LLC) haben die Erstellung dieses Artikels unterstützt. 5 Sofortimplantation, Sofortbelastung, Implantatstabilität Tabelle 1: Verteilung der Implantate (n = 123) nach der Position im Kiefer und der Implantatlänge Anterior 1 2 3 4 5 6 7 Gesamt 1,8ii* 3,6ii* 2,10ii* 11,4ii* 13,2ii* 10 1 71/49§/30ii* 8 0 0 0 0 0 0 0 0 0 10 0 0 0 0 0 0 0 0 0 11.5 2 2 5 6 2 1 18 13 7 7 12 12 9 5 1 53 0 5,9ii* (14) 3,8ii* (11) 5,8ii* (13) 3,4ii* (7) (6) (1) 52/42§/29ii* 1 2 1 4 Implantatlänge (mm) Oberkiefer Posterior 8 Unterkiefer 10 0 0 0 0 2 0 0 2 11.5 0 2 2 2 0 0 0 6 13 0 14 14 12 0 0 0 40 16/14§ 16/14§ 14/11§ 3/2§ 2/1§ 1 52/42§ Gesamt % * ii = Sofortimplantation, § = Sofortbelastung 6 % Literaturverzeichnis 1 Ratner B. Biomaterials science: an introduction to materials in medicine. San Diego, CA, Elsevier Academic Press, 2004:557. 2 Buser D, Janner S, Wittneben J, Brägger U, Ramseier A, Salvi G. 10-Year Survival and Success Rates of 511 Titanium Implants with a Sandblasted and Acid-Etched Surface: A Retrospective Study in 303 Partially Edentulous Patients. Clinical Implant Dentistry and Related Research, 2012; 14, 839-851. DOI: 10.1111/j.1708-8208.2012.00456.x 3 Simonis P, Dufour T, Tenenbaum H. Long-term implant survival and success: a 10–16-year follow-up of non-submerged dental implants. Clin. Oral Impl. Res. 2010; 21, 772–777. DOI: 10.1111/j.1600-0501.2010.01912.x 4 Pjetursson BE, Brägger U, Lang NP, Zwahlen M. Comparison of survival and complication rates of toothsupported fixed dental prostheses (FDPs) and implant-supported FDPs and single crowns (SCs). Clin. Oral Impl. Res. 2007; 18, 97-113. 5 Lang NP, Pjetursson BE, Brägger U, Egger M, Zwahlen M. A systematic review of the survival and complication rates of fixed partial dentures (FPDs) after an observation period of at least 5 years. II. Combined tooth–implantsupported FPDs. Clin. Oral Impl. Res. 2004; 15, 643-653. 6 Pjetursson BE, Tan K, Lang NP, Brägger U, Egger M, Zwahalen M. A systematic review of the survival and complication rates of fixed partial dentures (FPDs) after an observation period of at least 5 years. Clin. Oral Impl. Res. 2004; 15, 6 25-642. DOI: 10.1111/j.1600-0501.2004.01117.x 7 Brägger U, Karoussis I, Persson R, Pjetursson B, Salvi G, Lang NP. Technical and biological complications/failures with single crowns and fixed partial dentures on implants: a 10-year prospective cohort study. Clin. Oral Impl. Res. 2005; 16, 326–334. DOI: 10.1111/j.1600-0501.2005.01105.x 8 Albrektsson T, Zarb G, Worthington P, Eriksson AR. The long-term efficacy of currently used dental implants: a review and proposed criteria of success. 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