15-03-27 OB will Intendant feuern.OZ

LOKAL
Hansestadt Rostock
Studenten sind
verunsichert
Die Universität Rostock
schließt die Bibliothek
kurz vor Abgabefrist der
Hausarbeiten. Seite 12
11
Freitag,
27. März 2015
OZ LESERBRIEFE
IHRE REDAKTION
Was ist an Kulturabbau
demokratisch?
Redaktion: 0381/365 410
Leserservice: 0381/38 303 015
Anzeigen: 0381/38 303 016
Viele OZ-Leser reagieren auf die drohende Entlassung des Intendanten:
Der OB will also, wegen einer satirischen Äußerung, den Intendanten
„abschießen“. Vielleicht sollte ihm
doch mal einer die Demokratie
und deren Umgang mit anderen
Meinungen erklären.
GUTEN TAG,
LIEBE LESER
Karsten Zöllick, Rostock
Anja Levien
[email protected]
Rostocker
Fernsehstars
a soll noch mal einer mitkommen. So viele Fernsehstars wie derzeit, hatte Rostock wohl noch nie. Da müssen
sich die Fans die Tage schon im Kalender markieren, um überhaupt
noch mitzukommen. Täglich ist
Steffen Wagner aus Gelbensande
in Sat. 1 zu sehen. In der Fernsehshow „Newtopia“ lebt er mit anderen für ein Jahr in einer Scheune.
Wenig Anfeuerungspotenzial.
Mehr Möglichkeiten bietet der
Evershäger Duy Vu-Duc. Der
Neunjährige „battelt“ sich heute
bei „The Voice Kids“. Aber, oh je:
Zeitgleich tanzt Rostockerin Regina Murtasina bei „Let’s dance“
übers Parkett. Zusammen mit
GZSZ-Star Thomas Drechsler. Daumendrücken wird da durch das
ständige Hin-und-Her-Zappen
schwierig. Am Wochenende ist an
Durchatmen nicht zu denken. Am
Sonnabend geht es mit Patrick Stiebe bei „Deutschland sucht den Superstar“ weiter. Der 22-Jährige ist
unter den Besten 29. Da ist es fast
ein Glück, dass Annabel Paasch
bei „Germany’s Next Topmodel“
ausgestiegen ist. Sonst bekommen
wir noch viereckige Augen.
D
GESICHT
DER HANSESTADT
Hell, frisch, modern
erstrahlt der „Catwalk No. 7“ in der
Kröpeliner Straße
nach zweiwöchigem Umbau. Filialleiterin Annabel
Rodriguez ist zufrieden. Seit Juli 2014 bietet die 25-Jährige hier italienische Mode an. „Das
Sortiment ist geblieben, der Trend in
diesem Jahr sind Pastellfarben.“
Nachdem das Modegeschäft den früheren Buchladen übernommen hat,
war ein Umbau jetzt überfällig. Ein
zweiter Laden ist in Warnemünde
und „wir suchen noch Mitarbeiter“,
sagt die Chefin.
Foto: Doris Kesselring
LOKALES WETTER
8°
9°
Min.
vormittags:
Regen
3
S
70%
N
WIND
3
W
O
OB will Intendant feuern:
Politik in der Patt-Situation
Wegen seiner kritischen Worte zum Kulturabbau soll Theater-Chef Sewan Latchinian
gehen. Im Hauptausschuss am Dienstag steht dafür aber noch keine Mehrheit.
Von Frank Pubantz
Stadtmitte – Der Intendant des Rostocker Volkstheaters, Sewan Latchinian, soll gefeuert werden. Oberbürgermeister Roland Methling
(UFR) beruft für kommenden Dienstag eine Sondersitzung des Hauptausschusses ein. Anlass seien Äußerungen Latchinians zum Kulturabbau auf einer Demo in Neustrelitz
und in einem Interview. So hatte er
Politiker unter anderem indirekt
mit Terroristen des „Islamischen
Staates“ verglichen (die OZ berichtete). Laut OB habe er mit seinem
„Fehlverhalten“ gegen den „Charakter des Anstellungsvertrages“
verstoßen. Aus Sicht vieler juristisch dünnes Eis. Dennoch könnte
die Politik den Intendanten absetzen – fristlos. Die Folge wäre vermutlich ein jahrelanger Rechtsstreit, der die Stadt bis zu eine halbe
Million Euro kosten könnte. Möglich ist auch eine Abmahnung des
Intendanten.
Der Vertrag mit dem Intendanten sei „jederzeit aus wichtigem
Grund kündbar“, erklärt Methling.
Solche Gründe lägen zum Beispiel
bei „schweren Verstößen gegen wesentliche Bestimmungen des Vertrages“ vor. Die Rostocker Politik
reagiert scharfzüngig: „Die gegen
den Intendanten vorgebrachten Abberufungsgründe sind haltlos und
hätten in keiner Weise vor einem Arbeitsgericht Bestand“, sagt Sybille
Bachmann (Rostocker Bund). Auch
ein Intendant dürfe seine Meinung
frei äußern. Sie unterstellt: OB, Kulturminister Mathias Brodkorb und
dessen SPD-Genossen Michael Körner eine „konzertierte Aktion“. Körner habe als Zuhörer der Demo in
Neustrelitz mit einem Brief den Angriff ins Rollen gebracht, Methling
die Entlassung Latchinians vorbereitet, der Minister sekundiere. OB
und Minister wollten „Kritik am Kulturabbau mit aller Macht unterbinden und ein langfristig zum Scheitern verurteiltes Theaterkonzept
durchdrücken“.
Eva-Maria Kröger (Linke) distanziert sich von Latchinans drastischen Worten, stellt sich aber vor
ihn: Der Intendant habe Schaden
vom Theater abwenden wollen.
OB und Minister wirft sie vor: „Sie
schaffen jetzt einen Märtyrer.“
Man wolle einen Kritiker mundtot
machen.
Anstoß des Ärgers ist ein Beschluss der Bürgerschaft: Künftig
sollen nur noch zwei der vier Sparten – Schauspiel und Orchester – eigenständig bleiben, Tanz- und Musiktheater mit anderen Häusern kooperieren. Latchinian kritisierte
D) D) Es erweist
dies wiederholt. Er fürchtet den Abbau von 100 der 270 Mitarbeiter.
Befragte Juristen tun sich
schwer mit einer Einschätzung,
welche Konsequenzen eine Kündigung Latchinians hätte. Würde der
Intendant vor einem Arbeitsgericht
gewinnen, könnte das für die Stadt
teuer werden. Viereinhalb Jahre
läuft sein Vertrag noch, pro Jahr
soll er 120 000 Euro verdienen.
Die Zukunft des Intendanten
und damit auch des Theaters hängt
am Ende wohl von einem Zahlenspiel ab, das gestern die Runde
machte: Wie viele der elf Mitglieder im Hauptausschuss mit Methling (1 Stimme) ihren Arm heben.
Neben Linke (3) und Rostocker
Bund (1) sind auch die Grünen (1)
dagegen. „Wir sind gegen Abberufung“, sagt Fraktionschefin Simone Briese-Finke. „Aber für eine Abmahnung.“ Der Intendant dürfe
nicht so in der Öffentlichkeit auftreten, wie er es getan hat. Für die Kündigung dürften die SPD (2) und
CDU (2) stimmen. „Ich werde es
tun“, sagt SPD-Fraktionschef Steffen Wandschneider. Sein Vertrau-
D) D) Ich werde
sich, dass OB
und Minister
Kritik am Kulturabbau mit
aller Macht
unterbinden wollen.“
für die Abberufung stimmen.
Mein Vertrauen in den
Intendanten
ist massiv gestört.“
Sybille Bachmann, Rostocker Bund
Steffen Wandschneider, SPD
en zum Intendanten sei „massiv gestört“. Auch für Bertold Majerus
(CDU) hat der Intendant „die Grenzen überschritten.“ Von Malte Philipp (UFR/FDP, 1) heißt es: „Kein
Kommentar.“ Noch am Montag
sprach er sich für eine Abmahnung
aus – nicht Abberufung. Heißt: vermutlich eine Patt-Situation: Es
kommt auf jede Stimme an.
Heftige Kritik richten Theater-Freunde an den OB. Musiker Johann Petzold, der im November eine Demo fürs Theater organisierte,
kündigt für kommenden Dienstag
erneut eine Aktion an. Er wirft dem
OB vor, selbst gegen das
GmbH-Gesetz verstoßen zu haben, da er im Januar einen negativen Zahlenvergleich mit anderen
Bühnen veröffentlichte. Der Intendant verdiene Mitgefühl: „Er hat
sich für die Stadt geopfert , obwohl
er nicht aus ihr kommt“, so Petzold.
„Wir können ihn aber noch retten.“
Sewan Latchinan war gestern
tief betroffen. Er sei mit seiner Kraft
fast am Ende, werde aber nicht von
selbst aufgeben. Seit Beginn seiner
Intendanz im September 2014 werde das Theater in Rostock torpediert. „Es ist mörderisch, was hier
passiert“, so Latchinian. Er wolle
aber „im Sinne seines Dienstherrn
loyal seine Pflichten erfüllen“.
Heute Abend will er wieder eine
Premiere am Volkstheater platzieren: Er zeigt das Lustspiel „Der zerbrochne Krug“ nach Heinrich
Kleist (siehe Seite 10). Die 39. Premiere in dieser Spielzeit.
S
17 km/h
O
13 km/h
SONNE & MOND
05:58
auf:
unter: 18:37
10:39
auf:
unter: 01:53
MORGEN
Regenschauer
9°
Bis Juli Bauanträge für beide Grundstücke am Glatten Aal
Investorengruppe fährt neue Strategie: Bebauung soll in einem Komplex bis 2018 abgeschlossen sein.
NIEDERSCHLAGSRISIKO
90%
W
Foto: Ove Arscholl
Horst Grünwoldt, Rostock
Man kann dem OB nur zupflichten. Kein Arbeitnehmer dieser
Welt kann erwarten, seinen Chef
mit Mördern gleichzusetzen und
damit durchzukommen. Herr Latchinian hat – obwohl er Künstler ist
– offenbar nicht verstanden, wo
sachliche (auch harte) Kritik bzw.
Satire enden und plumpe Beleidigung anfängt. Es ist beschämend,
dass er diese Äußerungen immer
noch verteidigt. Dem Theater, für
das er kämpfen wollte, fügt er damit schweren Schaden zu. Man
muss den Beschluss der Bürgerschaft zum Theater nicht lieben,
aber so kann niemand mit Volksvertretern und einfach anderen
Menschen umgehen.
August Ewert, Rostock
Kann man den Theaterintendanten denn wirklich nicht verstehen?
Er hat wirklich alles gegeben, bald
30 Premieren, die negative Stimmung dem Haus gegenüber bereits fast zum Kippen gebracht und
musste dann dieses unglaubliche
Verfahren mit Nutzung einer tatsächlich überforderten Bürgerschaft über sich ergehen lassen.
Die hier so wehleidig und larmoyant daherkommenden Rostocker
„Spitzenpolitiker“ zusammen mit
Kultusminister Brodkorb haben
sich aus meiner festen Überzeugung selbst zuzuschreiben, dass
die Rhetorik hier zu letzen Mitteln
greift. Martin Beckmann, Rostock
Der Intendant spricht von Jahrtausende langem Kulturvandalismus
und Demokraten fühlen sich beleidigt. Was ist denn demokratisch an
Kulturabbau? Im Theater wird Demokratie gelernt und gelebt. Daran teilnehmen zu können, muss jedermanns Recht sein. Wer das
nicht weiß und Theater nur als Kostenfaktor wahrnimmt, der ist mit
kulturpolitischen Entscheidungen
in der Tat überfordert. Volle Unterstützung für Herrn Latchinian!
Cornelia Mannewitz, Rostock
Max.
nachmittags:
Regenschauer
N
Tiefer Riss zwischen OB und Theater-Intendant: Roland Methling (UFR, l.) fordert die Abberufung von Sewan Latchinian.
Es erscheint mir jetzt wie ein Kesseltreiben gegen den Volkstheater-Intendanten Sewan Latchinian. Dabei hat dieser neue Schauspiel-Fachmann lediglich einen frischen Wind auf die verstaubte Rostocker Bühne gebracht. Und in seiner kurzen Regie-Zeit schon unter
erbärmlichen Bedingungen Erstaunliches auf die Bretter gestellt!
Das konzertante Entsetzen des vereinigten politischen Proporz in unserer Bürgerschaft über einige dramatische Äußerungen von Herrn
Latchinian zeigt mir, dass denen
nicht einmal der Kulturbegriff des
Aphorismus – und Unterschied
zur Allegorie – vertraut ist; geschweige denn der der Metapher!
Stadtmitte – Die Schlaglochwüste
auf dem Sandparkplatz am Glatten
Aal ist beseitigt. „Wir haben die
Oberfläche begradigt“, sagt Denis
Madden, das sei schon lange nötig
gewesen. Madden ist Projektentwicklungsleiter von Randalswood,
einer Tochterfirma der irischen
McGrath-Gruppe, die nach der
Zwangsversteigerung 2013 das
Areal am Glatten Aal gekauft hat.
Hier sollte in zwei Etappen ein
Hotelkomplex mit Geschäften (auf
dem Glatten Aal) und ein Einkaufszentrum mit Geschäften und Park-
haus (auf dem Sandparkplatz) entstehen. Das Projekt wurde im
Herbst 2014 dem Gestaltungsbeirat der Hansestadt vorgestellt.
„Wir haben eine sehr gute Nachfrage für die Einzelhandelsflächen“, informiert Madden. Deshalb habe der Investor die Strategie zugunsten einer ganzheitlichen Entwicklung geändert: „Wir
werden für beide Grundstücke
gleichzeitig Bauanträge einreichen.“ Und zwar bis zum 1. Juli des
Jahres. Ziel sei es, so Madden, die
Bebauung bis 2018 abzuschließen.
Der Projektentwickler erklärte,
dass noch am Konzept gearbeitet
werde, die Hinweise des Gestaltungsbeirates seien dabei „interessant und nützlich“. Der hatte unter
anderem die Unterbringung von
mehr als 500 Pkw-Stellplätzen im
Projektgebiet kritisiert und kleinteiligere Fassadengestaltung angeregt. Baufluchten sollten nicht linear sein, sondern sich am historischen Straßengrundriss orientieren. Außerdem sollte mehr Wohnraum integriert werden. Wohnungen seien keinesfalls im Erdge-
schoss geplant, dieser Platz sei für
den Handel reserviert. „Aber wir
können uns Boardinghouses in den
oberen Geschossen über dem Einzelhandel vorstellen“, erklärt Madden. Dies sei derzeit aus dem Glatten Aal im Hotelkomplex vorgesehen. Darunter seien Tiefgaragen
geplant. „Für den Hotelbetrieb“,
so Madden, „gibt es auch schon Gespräche mit einem konkreten Partner.“ Die McGrath-Gruppe sei erfahren bei der Entwicklung von
Wohnprojekten, Einkaufszentren
und Hotels.
Doris Kesselring
Führung durch
den Ruheforst
Rostocker Heide – Zur Führung
zum Thema „Ruheforst“ lädt das
Stadtforstamt morgen ein. Interessenten können sich bei Forstamtsleiter Jörg Harmuth näher über die
Waldbestattungen und den Ruheforst, aber auch über die naturnahe
Waldwirtschaft in der Rostocker
Heide informieren. Treffpunkt ist
um 11 Uhr am Stadtforstamt in Rostock- Wiethagen . Weitere Informationen zum Ruheforst in der Rostocker Heide unter gibt es unte
J 038202/ 404 25 oder im Internet
www.ruheforst-rostockerheide.de.