Freie Presse, Erscheinungsdatum 20150318, Seite MLe

LESERFORUM
Freie Presse
Mittwoch, 18. März 2015
LESEROBMANN
Zuständig?
Na klar
REINHARD OLDEWEME
TELEFON: 0371 656-65666 (10-12 Uhr)
TELEFAX: 0371 656-17041
E-MAIL: [email protected]
D
ass ich mich bei Berufspolitikern und speziell bei den
Abgeordneten des sächsischen Landtags jetzt ziemlich unbeliebt mache, weiß ich, aber das ist
mir (neudeutsch) so was von egal.
Aber ich versichere: Es wird ebenso
wenig unsachlich wie diskreditierend, denn es geht meiner Ansicht
nach um Normalität.
Und die sieht so aus: Gelebte Demokratie funktioniert so, nicht nur,
aber auch. Es geht um die Möglichkeiten der Bürger, sich daran aktiv
zu beteiligen. Mit mehr als zehn Lesern habe ich am Telefon darüber gesprochen, nachdem sie mich angerufen hatten, um ihren Ärger wegen
des Artikels „Landtag: Statt der Diäten sollen die Pauschalen steigen“
zum Ausdruck zu bringen; andere
hatten einen Leserbrief geschrieben,
eine Auswahl davon steht auf dieser
Seite.
„Mir ist der Kragen geplatzt, ich
hätte (...) können, als ich diesen Artikel heute beim Frühstück gelesen
habe“, formulierte ein Mann seinen
Unmut, während eine Leserin es so
auf den Punkt brachte: „Ich fühle
mich so ohnmächtig, dabei bin ich
eigentlich nur so wütend, dass ich
aus der Haut fahren könnte.“ Eine
Leserin musste das Gespräch mit
mir am Telefon abbrechen, nachdem sie mir zuerst ihr Unverständnis über die Erhöhung der steuerfreien Aufwandsentschädigung um
1000 Euro geschildert hatte. Die Tränen kamen und die Stimme versagte
ihr, als sie mir erzählte, dass sie allein lebt und zwar von einer Rente,
die nur wenige Euro über dem Satz
von Hartz IV liegt. „Das ist zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel“,
fügte sie noch hinzu, bevor sie sich
mit gebrochener Stimme verabschiedete.
Natürlich habe ich den Lesern
den Rat gegeben, bei jeder sich bietenden Gelegenheit ihre Stimme zu
erheben und ihren Unmut über die
Pläne der Landesregierung, auf diesem Umweg den Abgeordneten zu
mehr Geld zu verhelfen, Ausdruck
zu verleihen. Aber:
Es gibt in ganz Sachsen für jede
Stadt und jedes Dorf einen von den
dort lebenden Menschen direkt in
das Parlament gewählten Landtagsabgeordneten. Und dieser Politiker
hat, denn unter anderem dafür bekommt er Geld als Aufwandsentschädigung, vor Ort ein Büro mit einem persönlichen Ansprechpartner, mit Öffnungszeiten, mit einer
Postadresse und einem Briefkasten,
mit einer Mailadresse, mit einer Telefonnummer, mit einer Faxnummer.
Einen Brief schreiben? Eine Mail
schicken? Hingehen und klingeln
oder klopfen? Und wenn niemand
reagiert, dann sollte der sächsische
Landtagspräsident wissen, dass es
nicht sein kann, dass ihre Landtagsabgeordneten für Sie nicht erreichbar sind oder nicht mit ihnen reden
wollen.
Bei erfolgreicher Kontaktaufnahme sagen Sie Ihrem Abgeordneten,
was Sie davon halten, dass er künftig
1000 Euro mehr im Monat bekommen soll. Und wenn Sie hören, er sei
nicht zuständig und könne daran
nichts ändern, dann sagen Sie: Dann
wähle ich beim nächsten Mal einen,
der zuständig ist.
HINWEIS
Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe sinnwahrend zu bearbeiten.
Leserbriefe geben stets die Meinung
ihres Verfassers und nicht die der Redaktion wieder. E-Mails müssen die
vollständige Adresse enthalten.
Anonyme Zuschriften werden
grundsätzlich nicht veröffentlicht.
Briefkasten
Freie Presse, Ressort Chef vom Dienst
Postfach 261
09002 Chemnitz.
Fax: 0371/656-17041
E-Mail: [email protected]
Seite B1
Nachvollziehbar? Bestimmt nicht
In dem Artikel mit der
Überschrift „Landtag:
Statt der Diäten sollen die
Pauschalen steigen“ ging
es um einen von CDU und
SPD gefundenen
„Umweg“ zu mehr Geld
für die Abgeordneten.
Nicht im Wählerintresse
Sind unsere Abgeordneten noch unsere Abgeordneten? Der Artikel
über die Diätenerhöhung über Umwege ruft Empörung hervor und berechtigt zu dieser und anderen Fragen. Wie weit haben sich die Abgeordneten von ihren Wählern entfernt, kennen sie die Probleme der
Wähler überhaupt noch, wollen sie
diese überhaupt kennen? Das Renteneintrittsalter soll auch noch gesenkt werden. Weitere Vergünstigungen kommen dazu. Die das beschlossen haben, reden an anderer
Stelle davon, dass die Rentner von
heute die Rente von morgen verprassen. Zugleich sind das aber unter anderen diejenigen die nichts in
die Rentenkasse einzahlen, sich aber
selbst in der Staatskasse bedienen.
Wozu führt das? Abgeordnete werden mit aller Macht um den Erhalt
ihres Mandats kämpfen, um mit 60
in Rente gehen zu können, während
sie die Rente mit 63 kritisieren. Also
Kampf um gute Listenplätze durch
parteitreues Verhalten, was nicht
immer im Wählerinteresse sein
muss.
Klaus Schäfer, Falkenstein
Einkommen normal versteuern
Jeder Angestellte im öffentlichen
Dienst muss in der Steuererklärung
die gesamten Einkünfte mit seinen
Werbungskosten verrechnen. Warum wird ein Teil des Einkommens
der Abgeordneten mit Hilfe einer
steuerfreien Pauschale aus dieser gerechten Regelung ausgeklammert?
Es ist an der Zeit, das volle Einkommen auch für die Mitglieder der Parlamente der normalen Steuer zu unterziehen. Fleißige Parlamentarier
werden dann durch einen höheren
Steuerfreibetrag belohnt.
Peter Blaudeck, Neukirchen/E.
Mehr Politikverdrossenheit
Wie sich unsere Abgeordneten in
den vergangenen vier Monaten redlich bemüht haben, den „Selbstbe-
Es darf nicht
nur um den
Preis gehen
Zum Bericht „Bald Zugluft statt
Klimaanlage“ haben uns diese
Meinungen erreicht:
Qualität nicht herabsetzen
Der Regionalexpress Leipzig-Chemnitz ist gut ausgelastet und von vernünftiger Qualität. Und jetzt das.
Hier soll die Qualität herabgesetzt
werden, nur damit ein Anbieter mit
veralteten Waggons und Lokomotiven Gewinne einfahren kann, und
das wird noch vom Staat subventioniert. Es sollte bei den Ausschreibungen für Nahverkehrsleistungen
nicht nur um den Preis gehen, sondern auch um die Qualität, sonst
wird es bald keinen Eisenbahnnahverkehr mehr geben.
Niels Engler, Gornau
CDU und SPD im Landtag haben sich auf eine höhere Aufwandspauschale verständig.
dienungsladen Politik“ weniger
transparent zu gestalten und ihre
Bezüge durch die Hintertür aufzubessern, ist menschlich, führt jedoch zu noch mehr Frust und Politikverdrossenheit. Sinkende Zahlen
bei der Wahlbeteiligung und immer
mehr unzufriedene Bürger bei Demos sollte die Berufsdemokraten
zum Nachdenken anregen. Ich
möchte aber langjährigen Abgeordneten gratulieren, dass ihnen nach
spätestens 17 Jahren im Landtag
endlich der Schwerbehindertenstatus zuerkannt wird. Da schäme ich
mich, nach 45 Arbeitsjahren noch
vor dem 65. Lebensjahr in Rente gehen zu wollen und die Rentenkasse
zu plündern.
Günter Pahlisch, Zwickau
ordnete zu viel in diesem Gremium
sitzen, wenn man die Bevölkerungszahl des Freistaates zugrunde legt.
Bei anderen Positionen des öffentlichen Dienstes wird auch mit diesem
Maß gemessen, beispielsweise im
Bereich Sicherheit wird bei der Polizei der Bevölkerungsrückgang ständig als Grund für Personaleinsparungen angegeben. Da sehe ich auch
die Medien viel mehr in der Pflicht,
immer wieder auf diesen Missstand
hinzuweisen, denn die gewählten
Volksvertreter werden wohl nicht
an dem Ast sägen, auf dem sie sitzen.
Von diesen Personaleinsparungen
könnten sogar Diätenerhöhungen
für die verbliebenen etwa 80 Abgeordneten gerechtfertigt sein.
Jürgen Heidel, Reichenbach
Zahl deutlich verringern
Wenn es um die Erhöhungen der Bezüge der Landtagsabgeordneten
geht, wird immer wieder vergessen
zu erwähnen, dass mehr als 40 Abge-
Privileg nicht gerechtfertigt
In einer Zeit, in der immer mehr Bürger zur Tafel gehen müssen, immer
mehr trotz Arbeit arm sind oder
werden, der Mindestlohn mit Tricks
FOTO: ARNO BURGI/DPA
umgangen wird, der Zwang – von
Behörden Zumutbarkeit genannt –
der Arbeit hinterher fahren zu müssen und das in dem Wissen, dass
mehr als die Hälfte des kargen Lohnes für den Sprit draufgeht. Zu wissen, dass Reparaturen, Wartung und
Reifen da noch nicht mal enthalten
sind, greift man im Landtag mal wieder ungeniert in die Kasse. Wie das
dann heißt, ist egal, am Ende nimmt
man sich mehr raus. Welche für den
Bürger erkennbare Leistung steht
denn den Diäten gegenüber? Wenn
ich „spätestens mit dem 17. Landtagsjahr, könnte ein Abgeordneter
dann mit 60 in Rente gehen“ lese,
dreht sich mir der Magen um. 17 Jahre, überwiegend sitzende Arbeit führen zur Rente mit 60. Andere müssen 45 Jahre arbeiten und können,
mit Glück mit 63 Jahren dem Wahnsinn auf dem Arbeitsmarkt entkommen. Sie dürfen „abschlagsfrei“ in
Rente gehen. Was für ein Privileg.
Dietmar Schlei, Plauen
Verbindung ist doch gut
Was soll der Ausschreibungspoker
um den Betreiber der Bahnstrecke,
wenn dadurch die Fahrgäste „auf der
Strecke“ bleiben? Die Verbindung
ist, wenn man von zeitweiser Überfüllung der Züge mal absieht, gut.
Fährt doch in der Hauptverkehrzeit
jede Stunde ein Zug, die Fahrzeit von
rund 60 Minuten bis Leipzig ist
ebenfalls akzeptabel. Wenn man
künftig auf die Neigetechnik verzichtet, würde sich die Fahrzeit wieder verlängern und der Komfort leiden. Eines habe ich nicht verstanden: Was wäre denn so schlimm daran gewesen, das Reststück zwischen Geihain und Chemnitz (rund
30 Kilometer) auch noch zu elektrifizieren und die S-Bahn Mitteldeutschland, wenn schon nach Zwickau und Hoyerswerda, auch nach
Chemnitz fahren zu lassen?
Gunter Dickmann, Chemnitz
Nicht gefallen lassen
Wie abgefahren müssen die Verantwortlichen beim VMS wohl sein,
um auf solche Ideen zu kommen?
Ich habe einen besseren Vorschlag.
Sie sollten die Postkutschenstrecke
wieder einführen. Das kostet nur
den Hafer für die Pferde. Was nützt
das Chemnitzer Model, wenn man
nach Ankunft im Hauptbahnhof
verkehrsmäßig in die 60-iger Jahre
zurückversetzt wird. Es bleibt nur
zu hoffen dass die Verantwortlichen
der Stadt ihr Veto einlegen und sich
diese Machenschaften nicht gefallen lassen. Die Anbindung an den
Fernverkehr kann man vergessen,
sollte das Wahrheit werden.
Werner Lippmann, Chemnitz
Streit um Streik im öffentlichen Dienst
Zu Berichten über einen
Warnstreik der Lehrer und
über das Interview „Ich
warne vor Streik in der
Prüfungszeit“ mit Sachsens Kultusministerin
Brunhild Kurth haben uns
diese Meinungen erreicht.
Endlich gleichberechtigt
Wenn Ministerium und Ministerin
wissen, dass die Lehrer große Verantwortung für die Bildung und Erziehung der nachfolgenden Generationen haben, frage ich mich, warum
dieser Stellenwert des Lehrerberufes
– nach 25 Jahren Einheit – noch
nicht in der Eingruppierung und im
Besoldungsgrad – gleichberechtigt
gegenüber den Staatsdienern im Beamtenstatus – zu erkennen ist. Lehrer werden im Anstellungs- und
Dienstverhältnis zum Freistaat
Sachsen schlechter gestellt und wie
„Leibeigene“ gehalten. Es ist wie eine Drohung zu werten, wenn die
Ministerin verlauten lässt, Lehrer
haben den Schülern gegenüber die
Pflicht, deren Anspruch auf Bildung
nachzukommen. Ja, was sonst? Haben dann die Schüler das Recht, den
Lehrer für die eventuell verhauene
Prüfung verantwortlich zu machen?
Oder haben die Eltern dem Lehrer
vorzuwerfen, die notwendige schulische Fürsorge- und Aufsichtspflicht nicht erfüllt zu haben? Was
ist das für ein Kultusministerium,
das seine Beschäftigten zur Bildung
und Erziehung der Schüler in die
Staatspflicht und moralische Verantwortung nimmt, aber auch über
die, durch die Verfassung geschützten, Grundrechte der Lehrer bestimmen will? Wann und ob das Streikrecht ausgeübt werden darf, steht im
Grundgesetz der Bundesrepublik
Deutschland. Das Kultusministerium kann nur dann darüber bestimmen, wenn die Lehrer, wie in anderen Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland, vom Staat verbeamtet wären. Dann hätten nämlich
die Lehrer die Sicherheit zur Ausübung ihres Berufes nach der Besoldung innerhalb der Beamtenregelung und der Freistaat hätte auf der
anderen Seite die Sicherheit, dass die
Lehrer nicht um ihre tarifliche Eingruppierung streiken.
Petra C. Friedrich, Auerbach
zent mehr (zu versteuerndes) Gehalt, eine gerechte tarifliche Eingruppierung und Altersteilzeitregelungen.
Angelika Aurich, Mühlau
Rund 3000 Lehrer haben in Leipzig
für höhere Löhne demonstriert.
FOTO: JAN WOITAS/DPA
Vertrauen geht verloren
In Anlehnung an einen Satz im Interview muss ich sagen: Als Lehrer
in Sachsen bereitet mir das Image
der Politiker große Sorge. In Zeiten
von Pegida und zunehmenden Vertrauensverlustes in die Politik genehmigen sich die Volksvertreter eine steuerfreie Erhöhung ihrer Aufwandsentschädigung von 1000 Euro und eine abschlagsfreie Rente
nach 17 Dienstjahren ab dem 60. Lebensjahr. Ich bin am gleichen Tag
auf die Straße gegangen für 5,5 Pro-
Immer leiden Unschuldige
Ich habe generell etwas gegen
Streiks. Sind es fast immer Unschuldige, die darunter leiden müssen.
Wenn es beim gegenwärtigen Lehrerstreik um eine Gehaltserhöhung
von 5,5 Prozent, aber mindestens
um 175 Euro, geht, kann man über
den Dreisatz leicht ein vermutliches
Mindestgehalt mit mehr als 3000
Euro errechnen. Man kann mir nun
entgegenhalten, dafür hat ein Lehrer auch studiert und trägt Verantwortung für die Bildung der Kinder
in der Schule. Ich habe auch studiert
und eine Diplomarbeit geschrieben.
In meinem Beruf trage ich Verantwortung für Leib und Leben von
Menschen, nur mein Gehalt ist bei
weitem nicht so hoch wie das eines
Lehrers. Es sollten mal die vielen unteren Einkommensnehmer streiken, die Postzusteller, die Bäckergesellen usw. Nur diese sind meist
nicht gewerkschaftlich organisiert
und haben nicht diesen Fürsprecher.
Frank Otto, Stollberg
Gefahr für sozialen Frieden
Jeder soll so viel verdienen, dass er
davon gut leben kann, und wer
mehr leistet und sich physisch und
psychisch verausgaben muss oder
viel Verantwortung trägt, sollte
dementsprechend entlohnt werden.
Aber wie viele Arbeitnehmer bekommen gerade mal Mindestlohn?
Da kann man die Forderungen im
öffentlichen Dienst bei guter Bezahlung mit eventuell Urlaubs- und
Weihnachtsgeld nicht ganz verstehen, da so der soziale Frieden auf die
Probe gestellt wird. Die einen sind
arm trotz Arbeit, und die eine privilegierte Stellung haben, wollen sich
jedes Jahr neu am Topf bedienen, ohne einen Leistungszuwachs und
jammern noch, wenn Personal und
Mittel gekürzt werden. Wenn es einen Weg zur Lohngerechtigkeit geben würde, müssten Gewerkschaften eine prozentuale Anpassung des
Mindestlohnes fordern, gekoppelt
am öffentlichen Dienst, aber Arbeitnehmer im Dienstleistungsgewerbe, im produzierenden Handwerks,
bei Beschäftigten der Landwirtschaft usw., die keine Lobby bei Gewerkschaften und in der Politik haben, bleiben auf der Strecke.
Reiner Kaiser, Oelsnitz