Fall 4 - Universität Würzburg

Universität Würzburg
Wintersemester 2007/08
Konversatorium Grundkurs Öffentliches Recht I
-Staatsorganisationsrecht-
Fall 4: Verlängerung der Legislaturperiode
Nach der letzten Bundestagswahl, die keinen eindeutigen Gewinner hervorbrachte, gestaltet
sich die Regierungsbildung schwieriger als je zuvor. Nach zahlreichen Abstrichen von ihrem
Programm und Kompromissen für beide Seiten kommt aber letztlich doch ein
Koalitionsvertrag zwischen den beiden großen Volksparteien, S-Partei und C-Partei, zustande,
der die Umsetzung umfangreicher notwendiger Reformen beinhaltet.
Die Koalitionspartner sind sich einig, dass das Programm für die kommenden Jahre
schmerzhafte Einschnitte bei allen Teilen der Bevölkerung mit sich bringt. Angesichts des
wechselhaften Verhaltens des Wählers ist den Volksparteien klar, dass spätestens mit der
nächsten Bundestagswahl beide Parteien Gefahr laufen, abgestraft zu werden. Man kommt
zum Schluss, dass dem vorgebeugt werden müsse. Um eine drohende Lähmung der
Koalitionsarbeit zu verhindern, beschließt man, der neuen Regierung mehr Zeit einzuräumen,
indem man die Legislaturperiode für den neu gewählten Bundestag verdoppelt.
Der Antrag findet nach Absprache mit den Abgeordneten der F-Partei und der G-Partei große
Zustimmung im Parlament. Mit einer Mehrheit von 80% wird daraufhin die Änderung von
Art. 39 I 1 und die Anpassung von Art. 39 I 3 GG vollzogen. In der Begründung heißt es
ausdrücklich, dass für die laufende Legislaturperiode eine stabile und durchsetzungsfähige
Regierung gewollt sei, die die notwendigen Reformen gerade in diesen schwierigen Zeiten
unabhängig von störenden Einflüssen der kurzfristig denkenden Wählerschaft umsetzen soll.
Ohne eine solche Verlängerung stünde zu befürchten, dass das Vorhaben scheitert. Das
Gesetz passiert auch ordnungsgemäß den Bundesrat und tritt nach seiner Ausfertigung und
Verkündung wie im Gesetz vorgesehen umgehend in Kraft.
Gegen das Gesetz haben nur die Abgeordneten der L-Partei gestimmt. Sie machen den
anderen Fraktionen nun große Vorwürfe. Der Wille des Wählers würde umgangen, der
vielleicht bewusst nur für eine Übergangszeit die große Koalition gewollt habe. Es sei
hochgradig undemokratisch, den Wähler derart zu betrügen. Außerdem seien acht Jahre
maßlos, in einer solch langen Zeit wäre der Wähler der Regierung geradezu ausgeliefert.
Insbesondere die beiden Abgeordneten L und G führen zahlreiche Einzelgespräche mit
anderen Abgeordneten. Aufgrund ihrer Überzeugungskraft kommen viele der
Angesprochenen ins Grübeln. Die Regierungskoalition wirft ihnen zwar Wankelmütigkeit
vor, schlussendlich haben aber auch eine Vielzahl von Abgeordneten der F-Partei und der GPartei Zweifel der Verfassungsmäßigkeit des Änderungsgesetzes. Zusammen mit der Fraktion
der L-Partei können so insgesamt 205 Abgeordnete überzeugt werden, dass eine Klärung vor
dem Bundesverfassungsgericht nötig ist.
Bearbeitervermerk:
Prüfen Sie in einem Gutachten, ob ein Vorgehen gegen das Gesetz zur Verlängerung der
Legislaturperiode vor dem BVerfG Aussicht auf Erfolg hat.