26 | Management HANDELSZEITUNG | Nr. 12 | 19. März 2015 Verkaufen mit Big Data W CONSTANTIN GILLIES enn es draussen kühl und regnerisch ist, gehen mehr Konservendosen und Damenbinden über den Tisch – diesen merkwürdigen Effekt beobachtet die zur Migros gehörende deutsche Supermarktkette Tegut schon länger. Insgesamt hängt der Absatz jedes zehnten Produkts vom Wetter ab, fand die Marketingleitung heraus – und darunter sind nicht nur Grillkohle oder Regenschirme. Wie lässt sich dieses Wissen fürs Geschäft nutzen? Dazu hat Tegut ein Projekt mit dem Schweizer Wetterdienst Meteo Group gestartet. In dessen Rechenzentrum wurden die Verkaufszahlen von 270 Filialen mit Prognosen von 60 Wetterstationen verknüpft. Am Ende des Rechenmarathons stand eine Absatzprognose, die auch Sonne und Regen berücksichtigt. Jetzt kann Tegut zum Beispiel den Abverkauf von Damenbinden um 11 Prozent besser vorhersagen – ein Riesensprung. Derzeit denkt der Detailhändler darüber nach, die Wetterdaten auch in die Personalplanung einfliessen zu lassen. Den Erfolg bringt das Schürfen im Datenberg – mit dieser Strategie steht Tegut nicht alleine. In immer mehr Unternehmen blüht derzeit eine neue Datenkultur. Bei Facebook, Walmart oder Amazon etwa regiert nicht mehr (nur) der Big Boss, sondern auch Big Data. Geschäftsentscheidungen aus dem Bauch heraus zu fällen, ist verpönt; nur wer vorher Daten gewälzt hat, findet Gehör. Bei Google lautet das interne Motto schon «In God we trust, everybody else bring data» – wir vertrauen Gott – alle anderen müssen Daten mitbringen. Dieses neue Mantra krempelt nicht nur das Geschäft um, sondern auch die Belegschaften. Nach oben kommt in Zukunft nur, wer geübter Datenfresser ist. Data-Experten sind gefragt Wie dringend Profis zum Thema Big Data gebraucht werden, zeigt eine Statistik aus den USA: Dort stieg die Zahl der Stellenanzeigen, in denen sogenannte Data Scientists gesucht wurden, zuletzt um 15 000 Prozent an. Das Wort beschreibt Spezialisten, die sich gut mit Betriebswirtschaft, Mathematik, Statistik sowie Informatik auskennen und Daten für die Entscheider im Unternehmen aufbereiten. McKinsey schätzt, dass schon in wenigen Jahren die Nachfrage nach diesen Experten das Angebot um 50 Prozent übersteigen wird. Die «Harvard Business Review» hat den Data Scientist sogar zum «sexiest job» des 21. Jahrhunderts ernannt. Wobei der Begriff ein wenig in die Irre führt. Denn die Zeiten, in denen für Datenanalysen noch Wissenschafter nötig WEITERBILDUNGEN Big-Data-Kurse für jedermann Fünf Tage: Zertifikatskurs «Big Data Analyst» am Schweizerischen Institut für Betriebsökonomie. Kurs an fünf Tagen im April/Mai. Teilnahmevoraussetzung sind kaufmännischer Lehrabschluss und zwei Jahre Berufspraxis. Preis: 3400 Franken. Information: www.sib.ch/Studiengaenge Sechs Monate: Zertifikatskurs (CAS) «Big Data Analytics» an der Hochschule Luzern. Der Kurs dauert ein halbes Jahr, die Unterrichtseinheiten finden freitags und samstags statt. Voraussetzung ist ein Tertiärabschluss oder eine gleichwertige Ausbildung. Preis: 7900 Franken. Informationen: www.hslu.ch/ de-ch/wirtschaft/weiterbildung/cas/ iwi/big-data-analytics/ Zehn Monate: «Master in Business Analytics and Big Data» an der IE in Madrid. Das 10-monatige MBA-Programm, zusammen mit IBM entwickelt, bereitet auf die Führungsarbeit in datengetriebenen Unternehmen vor. Voraussetzungen: Bachelor- oder gleichwertiger Abschluss, drei Jahre Berufserfahrung. Kursgebühr: 77!760 Franken. Informationen: bigdata.ie.edu RDB/ALEXANDER DIETZ IT Viele Unternehmen setzen auf Datenverarbeitung im grossen Stil. Doch manche Kader sind überfordert. Dabei gibt es viele Möglichkeiten, sich das nötige Wissen anzueignen. Wetterstation in Samedan: Wetterdaten helfen, den Absatz von Grillkohle und Damenbinden zu prognostizieren waren, gehen zu Ende. «Immer mehr Lösungen richten sich nicht nur an Mathematiker oder Statistiker, sondern direkt an Anwender in den Fachabteilungen», sagt Patric Märki, Managing Director bei SAS in Wallisellen. Das Unternehmen gehört zu den weltweit führenden Anbietern von Analyseprogrammen für den Unternehmenseinsatz. Einige davon sind so einfach gestaltet, dass sie auch von Laien innerhalb weniger Tage erlernt werden können. «Wir scheuen den Vergleich mit Excel oder Office nicht», betont Märki. Die Big-Data-Werkzeuge lassen sich zum Beispiel nutzen, um in grossen Datenmengen Zusammenhänge zu entdecken, die sich intuitiv nicht erschliessen. SAS rechnet damit, dass sie bald in allen Unternehmensbereichen und Branchen zum Einsatz kommen. Amazon-Datenkultur ist legendär Zurzeit steht bei 35 Prozent der Schweizer Unternehmen das Thema Big Data auf der Agenda, ergab eine Umfrage der Schaffhauser Marktforscher MSM Research. Geradezu legendär ist die Datenkultur des Online-Händlers Amazon. Wer es hier als Manager schaffen will, muss in der Lage sein, seine Argumente mit so- ANZEIGE © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer Schweiz SE, - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.as-infopool.de/lizenzierung HANDELSZEITUNG-2015-03-19-tui- 57a4329ff4180000484d596a2b61d700 liden Analysen zu untermauern. Reports Marktführer SAS etwa kostet ein zweitägiund Fehler-Ursachen-Analysen gehören ger Präsenzkurs, in dem normale Winzum täglichen Handwerkszeug, und auf dows-Anwender lernen können, Zusameine gewisse Zahlenaffinität achtet man menhänge in Datenbergen zu entdecken schon bei der Rekrutierung. «In Bewer- und grafisch sichtbar zu machen, umgebungsgesprächen suchen rechnet 1450 Franken (Fachwir nach einer Kombination wort: Visual Analytics). FreiDatenanalyst von analytischem Können lich werden bei solchen und der Fähigkeit zur Inter- soll der «sexiest Kursen keine unabhängigen pretation von Daten», sagt Informationen verbreitet, Job» des Martin Steuer, Director Hu21. Jahrhunderts den Veranstaltern geht es man Resources bei Amazon darum, möglichst viele Perwerden. Deutschland. Spezielles Stasonen an die eigenen Softtistikwissen sei jedoch keine wareprodukte heranzufühEinstellungsvoraussetzung, der Hoch- ren. Unabhängiges Wissen vermitteln schulabschluss reiche aus. «Wir sind dagegen grosse Seminaranbieter wie Edudavon überzeugt, dass sich analytische vision. Hier kostet das Vier-Tages-Training Fähigkeiten am erfolgreichsten während zum Thema «Big Data» 3499 Franken. der Berufslaufbahn entwickeln», so Steuer. Auch am Schweizerischen Institut für Die Analysefähigkeiten würden «on the Betriebsökonomie (SIB) in Zürich können job» trainiert, man sei froh, 30 Prozent der sich Kader in Sachen Big Data fortbilden. neuen Positionen intern besetzen zu Kursleiter Giampiero Beroggi erklärt: können – so heisst es zumindest offiziell. «Man muss die Technik zum Beispiel Aus Personalberaterkreisen ist jedoch zu nicht bis ins Letzte verstehen – es geht hören, dass auch Amazon händeringend darum zu verstehen, was die Technik nach Data Scientists sucht. Wer schon im kann!» Wer heute ein Auto kaufe, müsse Job steht und Big-Data-Wissen nachtan- ja auch kein Mechaniker mehr sein, ken will, hat zahllose Möglichkeiten. Zum sondern nur fahren können, betont der einem veranstalten Softwarehersteller wie Professor für Wirtschaftsinformatik. Ein SAP, IBM oder Microsoft ständig Ein- Verständnis für Big Data brauche aber führungsworkshops zum Thema. Beim jeder Manager.
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