Nr. 9 (400) 07.05. bis 20.05.2015 w w w . m d z - m o s k a u . e u UNABHÄNGIGE ZEITUNG FÜR POLITIK, WIRTSCHAFT UND KULTUR • GEGRÜNDET 1870 VERSCHMÄHT VERBANDELT Was ein russischer Biker über die umstrittene Europa-Tournee der „Nachtwölfe“ denkt. Sie lieben sich trotz allem. Deutsch-russische Paare erzählen, wie es dazu kam und was daraus werden soll. 08 Уве Тимм представил книгу в Москве III RIA Novosti STICH W O R T E 09 ОТВЕТИТЬ ЗА БРАТА » Ich habe manchmal den Eindruck, dass sie uns lieben, wenn wir humanitäre Hilfe brauchen. Dann ist alles in Ordnung, dann schicken sie Kartoffeln. Wladimir Putin in einem Film des russischen Staatsfernsehens zu seinen 15 Jahren als Präsident über die Einstellung des Westens zu Russland. » Putin ist das kollektive Porträt unseres Volkes. Anders könnte er nicht existieren und hätte nicht diesen Rückhalt. Der Schriftsteller Michail Weller im Radiosender Echo Moskwy. » Für mich ist Kommunismus schlimmer als Faschismus. Die Anfang Mai im Alter von 89 Jahren gestorbene legendäre russische Primaballerina Maja Plissezkaja, deren Vater 1938 als „Volksfeind“ hingerichtet wurde, in einem nie gesendeten Interview von 1995 mit TV-Talkmaster Wladimir Posner. Flieg, Gedanke Moskaus beliebtester Mann aus Stein muss das jetzt ertragen. Das Denkmal auf dem Puschkin-Platz steht mitten in der Flugroute von Kampfjets, Hubschraubern und Militärtransporter (im Bild), die über das gesenkte Haupt des Nationaldichters donnern und Probeschleifen für die große Siegesparade am 9. Mai drehen. Vielleicht wäre Puschkin traurig, dass wieder mehr Waffen fliegen als freie Gedanken? Die MDZ widmet dem historischen Großereignis, zu dem der runde Jahrestag des Endes des Zweitens Weltkriegs mutiert ist, in dieser Ausgabe die Seiten 2 bis 8. » Das ist keine Einberufung zur Armee. Wenn jemand nicht kommen kann, dann haben wir dafür Verständnis. Russlands Außenminister Sergej Lawrow auf einer Pressekonferenz über ausländische Staatschefs, die trotz Einladung auf eine Teilnahme an den Feierlichkeiten zum 9. Mai in Moskau verzichten. Wie Ostern und Weihnachten zusammen РЕКЛАМА Stalin schaffte den 9. Mai einst ab. Heute ist er der zweitliebste Tag der Russen РЕКЛАМА www.industriezone.com Russland feiert sich selbst und der Westen schimpft – in diesen Tagen des Mai scheint alles wie gewohnt, möchte man meinen. Doch diesmal geht es nicht um „Winterspiele in den Tropen“, sondern um das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa. Seitdem sind 70 Jahre vergangen, und von den heute 144 Millionen Bürgern Russlands haben nur noch etwa 2,5 Millionen wäh- rend des „Großen Vaterländischen Kriegs“ gelebt und gelitten (siehe Tabelle auf Seite 2). Und doch ist für immer mehr Russen der 9. Mai einer der wichtigsten Tage des Jahres: 42 Prozent gaben dies bei einer aktuellen Umfrage des LewadaZentrums an. Kurz nach dem Ende der Sowjetunion waren es nur 25 Prozent. Abgesehen von der klaren Tendenz überrascht dabei, dass nicht einmal jeder zweite Russe den Tag des Sieges für besonders wichtig hält. Zu dessen Gunsten spricht wiederum, dass selbst die Geburtstage in der Umfrage nicht besser abgeschnitten haben, wie auch die wichtigsten kirchlichen Tage, Ostern und das orthodoxe Weihachten – zusammengenommen, wohlgemerkt. Allein das Neujahrfest ist beliebter: Für 80 Prozent der Russen ist der 1. Januar unverzichtbar. Und auch der Kreml ist offenbar zunehmend Feuer und Flamme für den Tag des Sieges und die Möglichkeiten, die ein staatstragendes Zeremoniell zu diesem Anlass bietet – was nicht selbstverständlich ist, wie ein Blick auf einige historische Episoden der 70 Jahre seit 1945 zeigt. 02 02 70 JAHRE KRIEGSENDE MOSKAUER DEUTSCHE ZEITUNG Nr. 9 (400) MAI 2015 Die vergessenen Opfer Millionen Rotarmisten starben in deutschen Lagern. Die Überlebenden warten bis heute auf Anerkennung. U.S. National Archives and Records Administration Deutsche Vereine fordern seit Jahrzehnten Entschädigung für die sowjetischen Kriegsgefangenen des Dritten Reichs. Jetzt hat sich auch die Opposition im Bundestag eingeschaltet. Und sogar Präsident Gauck forderte neulich ein Umdenken: Von einem „Erinnerungsschatten“ sprach er in einem Zeitungsinterview. Um was geht es eigentlich? Von Birger Schütz Kriegsgefangene auf besetztem russischen Gebiet. Besuch von Himmler. den Umgang Nazideutschlands mit den sowjetischen Kriegsgefangenen: „Wäre der Holocaust nicht gewesen, man würde ihm als dem schlimmsten Kriegsverbrechen der Neuzeit gedenken.“ Die überlebenden Rotarmisten wurden vom deutschen Staat für ihre Leiden nie offiziell entschädigt. „Nach den Juden sind die sowjetischen Kriegsgefangenen die größte Opfergruppe der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“, sagt Eberhard Radczuweit, ehrenamtlicher Geschäftsführer des Vereins Nach den Juden sind die sowjetischen »Kriegsgefangenen die größte Opfergruppe der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. ten Gefangenen, eine Behandlung nach der Genfer Konvention. Die Folge: Über drei Millionen Rotarmisten verhungerten in deutschen Lagern, gingen an Krankheiten zu Grunde, starben bei der Zwangsarbeit oder wurden zu Tode geprügelt. 60 Prozent der Gefangenen verloren auf diese Weise ihr Leben – bei den Gefangenen der Westalliierten waren es 3,5 Prozent. Der US-amerikanische Historiker Timothy Snyder, der sich vor allem als scharfer Kritiker der Sowjetunion einen Namen gemacht hat, schreibt über dem Jahr 1990 hätten sich alle weiteren Ansprüche erledigt. Dabei sei für die Betroffenen das Geld gar nicht so wichtig, so Radczuweit. „Es geht ihnen einfach um eine Anerkennung von Unrecht.“ Denn mit der Rückkehr in die Sowjetunion war ihr Leidensweg keineswegs beendet. In der Heimat galten sie oft als Vaterlandsverräter und wurden pauschal der Kollaboration bezichtigt. Viele kamen in Arbeitslager oder Strafbataillone. „Sie gehörten eben nicht zum offiziellen sowjetischen Heldenepos“, erinnert Radczuweit, dessen Vater 1942 in Russland fiel. Erst im Jahr 1995 rehabilitierte Präsident Boris Jelzin die überlebenden Kriegsgefangenen. In manchen postsowjetischen Staaten wie Usbekistan oder Tadschikistan ist ihr Schicksal aber weiterhin nicht anerkannt. Marsch der Gefangenen: sowjetische Soldaten bei Charkow. Wie Ostern und Weihnachten zusammen Schon im ersten Jahr nach dem Krieg gab es keine 01 Militärparade am Siegestag. Ende I N F O Veteranen 2015 Kategorie Noch lebend Veteranen (Soldaten) 163 512 Kriegsinvaliden (Soldaten) 45 381 Witwen von Veteranen 165 408 Witwen von Kriegsinvaliden 165 480 Überlebende der Blockade Leningrads 131 201 Minderjährige Lagergefangene 150 128 Volljährige Lagergefangene und Kriegsarbeiter Kontakte-Kontakty aus Berlin. Die private Initiative setzt sich seit dem Jahr 2003 für eine offizielle Anerkennung und Entschädigung der Kriegsgefangenen ein. „Der Ausgangspunkt für unser Engagement war die sogenannte Zwangsarbeiterentschädigung“, erklärt Radczuweit. Im Jahr 2000 hatte die Bundesregierung die Stiftung Erinnerung, Verantwortung, Zukunft (EVZ) ins Leben gerufen, um ehemalige Zwangsarbeiter zu entschädigen. „Das hatte sich in Windeseile unter den Überlebenden in Russland und den ehemaligen sow- jetischen Republiken herumgesprochen“, sagt der 74-Jährige. „Alle Betroffenen stellten Anträge.“ Tausende alter Männer zwischen Taiga und Kaukasus schrieben damals ihre Erinnerungen an ihre Zeit in deutschen Lagern nieder und besorgten Archivbelege. Rund 20 000 Anträge gingen bei der Stiftung EVZ und ihren Partnerorganisationen ein. Die Hoffnung auf eine offizielle Anerkennung des Unrechts durch Deutschland war groß. Umso größer war die Enttäuschung, als Monate später die Antwort kam: „Kriegsgefangenschaft begründet keine Leistungsberechtigung.“ Nach dem Stiftungsgesetz wurden nur zivile Zwangsarbeiter entschädigt – die sowjetischen Kriegsgefangenen gingen leer aus. Dieser Bescheid sei für die hochbetagten Kriegsopfer eine tiefe Kränkung gewesen, erzählt Radczuweit. „Viele haben uns geschrieben, dass sei der letzte deutsche Fußtritt ihres Lebens gewesen.“ Die Verweigerung einer offiziellen Anerkennung des Leids der gefangenen sowjetischen Soldaten hat seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges Tradition in Deutschland. Jahrzehntelang weigerte sich die Bundesregierung, Entschädigung zu zahlen. Das Argument: Die Sowjetunion habe 1953 auf weitere Reparationen aus Deutschland verzichtet, und mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag aus waralbum.ru Wassilij Buchtin war 19 Jahre alt, als er im September 1941 als Soldat in einen deutschen Kessel geriet. Ab da begann sein Leidensweg: Deportation, Hunger, Prügel und vier Jahre schwerste Zwangsarbeit in Deutschland. „Das Schlimmste ist, dass ich bis heute vom Krieg träume und zwar fast immer von der Gefangenschaft“, erinnert sich Buchtin in einem Brief. „Meine Familie sagt mir, dass ich jede Nacht vor Angst schreie.“ Dieses Schicksal steht stellvertretend für das Martyrium von 5,7 Millionen sowjetischen Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg in deutsche Gefangenschaft gerieten. Die Führung der Wehrmacht betrachtete die Rotarmisten als slawische Untermenschen und verweigerte ihnen, anders als den westalliier- Rechtzeitig zum 70. Jahrestag des Kriegsendes liegen dem Bundestag nun seit Februar dieses Jahres zwei Anträge der Grünen beziehungsweise der Linken vor. Beide Parteien wollen die noch lebenden Opfer entschädigen, die Grünen mit 2500 Euro, die Linken mit 7500 Euro. „Ich glaube nicht, dass das ein große Chance hat“, sagt dazu Eberhard Radczuweit, der im Jahr 2006 eine eigene Petition an den Bundestag zur Anerkennung des an den Kriegsgefangenen begangenen Unrechts richtete. Die deutsche „Realpolitik“ wolle keinen Präzendenzfall schaffen. „Wenn wir den Russen was geben, kommen noch die Serben und sonstwer mit Forderungen“, so würde jenseits der öffentlichkeit argmentiert. Tatsächlich verweigert die Unions-Fraktion dem Gesetzesvorhaben bisher ihre Zustimmung. Die Fraktionssprecherin für Menschenrechte der CDU, Erika Steinbach, sieht gar Moskau in der Pflicht, die Kriegsgefangenen zu entschädigen – immerhin seien sie in der Sowjetunion selbst Opfer von Verfolgungen gewesen. Dass Bundespräsident Gauck zuletzt die deutschen Verbrechen an den sowjetischen Kriegsgefangenen aufgriff, habe ihn „angenehm überrascht“, sagt Radczuweit. Das könne er nun in seinem Streit um Wiedergutmachung zitieren. Währenddessen läuft die Zeit für eine Anerkennung ihres Leids ab – die letzten Überlebenden sterben, die Jüngsten sind heute um die 90 Jahre alt. Nach Schätzungen leben von ihnen nur noch 3000. 1 678 100 Quelle: Russisches Ministerium für Arbeit 1947 schaffte Stalin den 9. Mai dann ganz als Feiertag ab. Über die Gründe wird noch heute gemutmaßt: Sei es, weil zu viel Urlaub die Planwirtschaft bremste, oder weil man sich doch lieber der Zukunft zuwenden wollte, wie die Partei beteuerte. Oder war hier wieder Stalins legendäre Paranoia am Werk: Zu viel Ehre könnte die Rotarmisten auf falsche Gedanken bringen. Würden die siegreichen Soldaten nun auch Mitsprache beim Wiederaufbau des Landes einfordern? Vielleicht war es Stalin auch unangenehm, an den Preis des Sieges erinnert zu werden: 1946 räumte er nur sieben Millionen sowjetische Kriegstote ein. Erst Anfang der 1960er Jahre näherte sich der Kreml der heute akzeptierten Zahl von 27 Millionen an. So kam es, dass in den ersten Jahren nach Kriegsende am 9. Mai nur Ehrensalven vom Sieg kündeten, am Ende eines gewöhnlichen Arbeitstags. Militärparaden über den Roten Platz gab es dafür stets am 1. Mai, dem Tag der Arbeit, und vor allem am 7. November, an dem in der ganzen Sowjetzeit die kommunistische Revolution gefeiert wurde. Erst 1965 erhob der frischgebackene Staatschef Leonid Breschnew den Tag des Sieges wieder zum arbeitsfreien Tag. Die Kehrtwen- de war beeindruckend: Zu diesem Anlass machte man den Ehrentitel „Heldenstadt“ offiziell und veranstaltete am 9. Mai in Moskau eine gigantische Militärparade, im Maßstab vergleichbar mit der originalen Siegesparade am 24. Juni 1945, an der über 30 000 Soldaten und fast 2000 Fahrzeuge teilgenommen haben sollen. Dem frischgebackenen Staatschef Breschnew sei es vor allem um Prestige gegangen: das eigene, das der Partei und der UdSSR in der Welt, so eine gängige Deutung. Wieso nicht die Welt mitten in der Hochphase des Kalten Kriegs wieder daran erinnern, wem der Sieg über den Faschismus vor damals 20 Jahren zu verdanken sei? Was auch immer Breschnew bewegt haben mag, dem heutigen KremlHerrscher scheinen solche Überlegungen nicht fremd. Präsident Putin wird zumindest nicht müde, „Russlands Kraft und moralische Autorität“ an die korrekte Erinnerung an den Sieg der UdSSR über Nazideutschland zu binden. Zumindest dann, wenn er beides vom Westen bedroht sieht. Die kommende Parade über den Roten Platz wird mit 15 000 Soldaten und 200 Fahrzeugen wohl die größte nach 1985. Im Vergleich zu Breschnews Ausrufezeichen von 1965 zeigt man sich damit freilich eher zurückhaltend. Bojan Krstulovic MOSKAUER DEUTSCHE ZEITUNG Nr. 9 (400) MAI 2015 70 JAHRE KRIEGSENDE RIA Novosti Ein neuer Tag 03 Russische Juden feiern dieses Jahr den Tag des Sieges am 15. Mai Pessach, Purim, Jom Kippur und der Tag des Sieges - wenn es nach dem Vize-Präsidenten des Russischen Jüdischen Kongresses geht, soll der 9. Mai zukünftig neben den traditionellen religiösen Feiertagen im jüdischen Kalender stehen. Damit will man der Roten Armee für die Rettung der Juden danken. Von Maria Galland Ein göttliches Wunder nennt German Sacharjaew, Vize-Präsident des Russischen Jüdischen Kongresses, den Sieg der Roten Armee am 9. Mai 1945 über HitlerDeutschland. „Wenn es den Sieg der Roten Armee über Hitler nicht gegeben hätte, so würde das jüdische Volk heute nicht mehr existieren.“ Die Befreiung der Juden durch die Rote Armee sei ebenso Befreiung »derDieJuden durch die Rote Armee ist ein göttliches Wunder. ein Wunder Gottes wie die Rettung des jüdischen Volkes durch den Auszug aus Ägypten, das die Juden mit dem Pessach-Fest im Monat Nisan begehen. Ein göttliches Wunder braucht es, um einen neuen Feiertag im jüdischen Kalender, der seit Jahr- hunderten nicht mehr geändert wurde, einzubringen. Bereits im letzten Jahr warb Sacharjaew bei den ranghöchsten israelischen und europäischen Rabbinern dafür, den Tag des Sieges als Tag der „Rettung und Befreiung“ in den jüdischen Kalender aufzunehmen. Man habe die Zusage bekommen, den 9. Mai, der 1945 auf den 26. Ijjar 5705 im jüdischen Kalender fiel, als religösen Feiertag zu begehen, erklärt Sacharjaew. Laut dem jüdischen Kalender läuft aktuell das Jahr 5775, in dem der 26. Ijjar auf den 15. Mai fällt. Auf Anfrage der MDZ bei der Orthodoxen Rabbinerkonferenz in Deutschland und der Europäischen Rabbinerkonferenz in Brüssel wusste man noch nichts von dem neuen Feiertag in dem jüdischen Kalender. Sacharjaew erklärt dies dadurch, dass es kein offizielles Organ gebe, das die Aufnahme des Feiertages durchsetzen könne. Jede jüdische Gemeinde entscheide selbst, ob sie den Fei- РЕКЛАМА H I E R Ein Rabbiner beim diesjährigen Pessach-Fest in Welikij Nowgorod. ertag begehe oder nicht. Von einer offiziellen Änderung des Kalenders kann also nicht die Rede sein, derzeit beschränkt sich die Initiative auf die Aktionen ihrer Unterstützer. „Obwohl viele Juden gegen die Nazis gekämpft haben und unser Volk unglaublich unter dem Faschismus gelitten hat, feiert in Israel außer den russischen Veteranen niemand den 9. Mai. Uns ist wichtig, dass auch die zukünftigen Generationen an diesen für die Juden bedeutenden Tag gedenken,“ so Sacharjaew. Für die sowjetischen Juden sei der 9. Mai nicht nur ein Tag des Sieges über Hitler-Deutschland, W E R D E N S I E sondern vor allem auch der Tag des Überlebens, sagt Alla Gerber, die Co-Vorsitzende des Russischen Forschungs- und Bildungszentrums „Holocaust“. „Der 9. Mai hat den Juden das Leben geschenkt.“ Mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht am 22. Juni 1941 begann auch der Holocaust an den sowjetischen Juden. 2,8 Millionen wurden zwischen 1941 und 1943 auf sowjetischem Gebiet ermordet. „Anders als in Europa wurden die Juden in den Sowjetrepubliken größtenteils nicht in Lager gebracht, sondern direkt auf der Stelle erschossen“, sagt Gerber. Die Morde wurden überwie- F Ü N D I G ! gend in Wäldern, Tälern und verlassenen Gebäuden durchgeführt. In den Reihen der Roten Armee kämpften rund eine halbe Millionen Juden. 20 000 ließen im Krieg ihr Leben. Zahlreiche sowjetische Juden schlossen sich den Partisanenkämpfern an und nahmen 1945 an der Schlacht um Berlin teil. Für die Feier zum Gedenken an den Tag des Sieges am 26. Ijjar (15. Mai) sind eine wissenschaftliche Konferenz zum Thema „Der Sieg als historisches Ereignis im Leben des jüdischen Volkes“ sowie russlandweite Gedenkveranstaltungen mit Kriegsveteranen geplant, so Sacharjaew. 04 70 JAHRE KRIEGSENDE MOSKAUER DEUTSCHE ZEITUNG Nr. 9 (400) MAI 2015 Museum für dekorative angewandte Kunst Moskau RIA Novosti Archive Soldaten der Roten Armee verteidigten Moskau gegen die Angriffe der deutschen Luftwaffe. Moskau vor der Aufgabe In der Metrostation Majakowskaja kamen während der Luftangriffe tausende Menschen unter. Wie die russische Hauptstadt die Deutschen abwehrte Von Maria Galland Der 16. Oktober 1941 ist ein schwarzer Tag für Moskau. „Lange Schlangen vor den Läden, Lebensmittel werden für den ganzen Monat ausgegeben, bedrückende Stimmung, Frauengeschrei. Die Metro steht seit dem Morgen still“, schreibt der russische Schriftsteller Nikolaj Werschbizkij an diesem verschneiten Donnerstag in sein Tagebuch. Am frühen Morgen hat das Staatliche Verteidigungskomitee der Sowjetunion die Evakuierung der Hauptstadt verkündet. Bereits seit Juli fliegt die deutsche Luftwaffe Angriffe auf Moskau. Gerüchte, die Stadt sei nicht mehr zu halten und Stalin befinde sich bereits außerhalb der Stadt, machen die Runde. Schulen, Krankenhäuser und Fabriken bleiben geschlossen. Verwundete Soldaten kehren von der Front zurück, Plünderer wüten in den Geschäften, eini- CH EFRE DER B RONIK Zeugnisse der Verblendung und ihrer Folgen. Aus der Feldpost deutscher Soldaten an der Ostfront. IUNG ge werden sofort erschossen. In Scharen fliehen die Menschen in Richtung Osten des Landes. Eine Millionenstadt im Ausnahmezustand: Die Regierung lässt wichtige Dokumente verbrennen, deren Asche sich in den Schneewolken verliert. „Schwarzer Schnee fällt vom Himmel“, berichten Zeitzeugen. Einige aufgebrachte Bewohner pilgern zu den Mauern des Kremls. Man will Moskau verteidigen, hofft auf Stalin. Aber die Regierung schweigt. Außer dem Befehl zur Evakuierung kein Kommentar. Erst als am 19. Oktober der Belagerungszustand der Hauptstadt ausgerufen und deutlich wird, dass die Regierung noch in der Stadt ist, kehrt wieder Ruhe ein. Militärische Patrouillen kontrollieren die Straßen, die Evakuierung wird in geregelten Bahnen fortgeführt. 2,5 Millionen Bewohner verlassen bis Anfang Dezember die Stadt. den Deutschen die Luftangriffe zu erschweren, verkleidete man das Stadtzentrum: Große Plätze und Straßen wurden bemalt, damit sie von oben wie Häuser aussahen. Den goldenen Kuppeln der orthodoxen Kirchen wurde mit grüner Farbe ihre Strahlkraft genommen. Die Kremlmauern wurden mit gemalten Bäumen getarnt. Trotz der Bombardierungen und der Kämpfe vor der Stadt ging das Leben in der Hauptstadt in mehr oder weniger geregelten Bahnen weiter. Es wurde kurzerhand unter die Erde verlegt. Zentraler Fluchtpunkt während der Luftangriffe sowohl für die Regierung als auch für die Bevölkerung war die Metro, die mit ihren bis zu Die Hauptstadt im Belagerungszustand „Man war durchaus für den Ernstfall, Moskau aufzugeben, vorbereitet“, erklärt der Moskauer Historiker Michail Mjakow von der Diplomatenhochschule MGIMO. Bereits im Juli waren wichtige Dokumente, die Schätze aus dem Kreml und sogar der Leichnam Lenins evakuiert worden. Gebäude, Brücken, Straßen und Metrostationen wurden vermint. Um 1941 Ich sage voraus, daß in vier bis fünf Wochen die Hakenkreuzfahne auf dem Kreml in Moskau wehen wird, daß wir noch in diesem Jahr im Anschluß an Rußland uns den Tommy vorknüpfen werden. Es ist ja schließlich kein Geheimnis, wie, ob und daß man in vier Wochen mit unserer unschlagbaren Wehrmacht nach Moskau kommt ... Feuer, Pulver, Eisen, Bomben und Granaten, das alles dem Russen an 84 Meter tiefen und während ihres Baus eigens hierfür ausgerichteten Stationen ein idealer Schutzbunker war. Bereits vor der kritischen Phase im Oktober flüchteten in den Sommermonaten während der Luftangriffe bis zu 2,8 Millionen Menschen hierher. Rund 40 000 Moskauer konnte allein die in Kremlnähe gelegene Metrostation Ploschtschad Revoluzii aufnehmen. Betten wurden aufgestellt und die Schienen mit Holzbrettern versehen, auf denen weitere Menschen Platz fanden. An mehreren Stationen wurden medizinische Versorgungspunkte und für die Unterhaltung Bibliotheken und Kinos eingerichtet. Ein moralischer Wendepunkt historic.ru Einen Monat nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 begann die deutsche Luftwaffe mit der Bombardierung Moskaus. Bis Januar 1942 verteidigten die Rote Armee und Arbeiterbataillone die russische Hauptstadt erbittert gegen das Vordringen der deutschen Soldaten. Der Sieg der Roten Armee markierte einen Wendepunkt im weiteren Kriegsverlauf. Die Parade auf dem Roten Platz am 7. November 1941. den Kopf, das genügt, um ihn den „schnellsten“ Soldaten der Welt zu nennen. 1942 Es ist bestimmt der letzte Kriegssommer und ich glaube auch nicht, dass es noch einen Kriegswinter in Russland gibt. Wir werden und müssen siegen, denn sonst würde es uns schlecht gehen. Das ausländische Judengesindel würde sich fürchterlich am Volk rächen, denn „Während der Massenpanik im Oktober wusste niemand, ob Moskau noch zu halten sei“, sagt Historiker Mjakow. „Noch am 16. Oktober ließ Stalin das Politbüro zu sich kommen. Man entschied einstimmig alles zu tun, Moskau nicht aufzugeben.“ Einen moralischen Wendepunkt markiert der 6. November. An diesem Tag beschwor Stalin in dem Säulensaal der Metrostation Majakowskaja vor dem Moskauer Stadtrat die Kampfkraft der sowjetischen Truppen. Seine Rede wurde im ganzen Land im Radio übertragen. Am Tag darauf wurde früh morgens auf dem Roten Platz trotz der Gefahr von Luftangriffen hier sind, um der Welt endlich Ruhe + Frieden zu bringen, hunderttausende von Juden hingerichtet worden. Vor unserer Stadt sind auch 2 Massengräber. In einem liegen 20 000 Juden + und dem anderen 40 000 Russen ... Jedenfalls hat die SS ganze Arbeit geleistet und man hat ihr viel zu verdanken. Vielleicht werden wir später mal die ganze Größe der Zeit erfassen, vielleicht auch nie. Aber die Geschichte wird uns schon Antwort geben. eine Parade anlässlich der Oktoberrevolution von 1917 durchgeführt. Von hier marschierten die Soldaten direkt an die Front. „Sowohl die Rede am 6. November als auch die Parade am Tag darauf hatte eine große moralische Bedeutung für die Rote Armee und das ganze Land. Hiermit zeigte man der Welt, dass man Moskau nicht aufgeben werde“, so Mjakow. Mitte November sanken die Temperaturen unter minus dreißig Grad und erschwerten den deutschen Soldaten den Angriff. Zudem bekamen die sowjetischen Truppen Verstärkung von Reserveverbänden der Roten Armee aus Sibirien, die nach Moskau verlegt werden konnten, nachdem man durch einen abgehörten deutschen Funkspruch erfahren hatte, dass Japan keinen Angriff auf die Sowjetunion plane. Am 5. Dezember gelang der Roten Armee der entscheidende Gegenschlag. Bereits am nächsten Tag stellten die deutschen Truppen den Angriff auf Moskau ein und gingen zur Verteidigung über. Knapp einen Monat später, am 15. Januar 1942, folgte der Befehl zum Rückzug der deutschen Truppen. Noch drei weitere Kriegsjahre standen der Sowjetunion bevor, doch der Sieg in der Schlacht um Moskau war bereits ein erster Wendepunkt und ein wichtiger moralischer Motivationsfaktor im weiteren Kriegsverlauf, sagt Mjakow. „Ohne den Sieg in Moskau hätte es auch kein Stalingrad gegeben.“ 1945 Tröste Trudel Fischer, aber sage ihr nichts von meinen Befürchtungen! Hier sieht es katastrophal aus, es muß uns gelingen, Danzig zu halten und durchzukommen oder aber per Schiff zu entfliehen! Der Druck der Russen ist auch hier sehr stark! Aber wir hoffen, hoffen! Ich gestehe auch ein, daß ich schon mächtige Sehnsucht nach Euch allen habe. Aber der Krieg ist unerbitterlich. Mal wird Schluß sein! MOSKAUER DEUTSCHE ZEITUNG Nr. 9 (400) MAI 2015 05 70 JAHRE KRIEGSENDE EIN TAG IM LEBEN VON ... HEUTE: Moskau am 9. Mai Tino Künzel 4:00 Vom Tschkalowskij-Militärflughafen bei Moskau steigen Propellermaschinen auf, falls die Wetterlage es erfordert. Ihre Aufgabe ist es, sonniges Wetter am Feiertag zu garantieren. Wolken, so vorhanden, werden je nach Formation mit Trockeneis-Granulat, Flüssigstickstoff-Kristallen oder Zement verdichtet. Niederschläge, die auf Moskau niedergehen könnten, fallen so bereits im Umland. Die Methode wurde Mitte des vorigen Jahrhunderts in der Sowjetunion zunächst für landwirtschaftliche Zwecke entwickelt. Erstmals Schönwetter machte man damit bei Olympia 1980 in Moskau. In neuerer Zeit leistet sich die Stadt den blauen Himmel auf Bestellung gleich mehrfach pro Jahr. Allerdings ist das ein teures Vergnügen: 2015 kosten vier Tage „Regenschirm“ am 9. Mai (Siegestag), am 24. Mai (Slawischer Schrifttums- und Kulturtag), am 12. Juni (Unabhängigkeitstag) und am 5. September (Stadtgeburtstag) rund 430 Millionen Rubel, umgerechnet mehr als sieben Millionen Euro. 7:00 Auf dem Chodynskoje-Feld, in sechs Kilometern Entfernung vom Kreml, setzt sich eine Kolonne mit historischer und aktueller Artillerie Richtung Innenstadt in Bewegung, wo sie an der Militärparade teilnehmen wird. Schaulustige können entlang der Route einen Blick auf die Waffen werfen, etwa am Leningrader Prospekt und der Twerskaja Uliza (mit Ausnahme des abgesperrten letzten Teilstücks zwischen Puschkin- und Manegeplatz) oder auch – auf dem Rückweg nach der Parade – auf dem Neuen Arbat und dem Gartenring. 9:00 Der Unterhaltungssender STS unterbricht sein morgendliches Kinderprogramm und zeigt zwischen diversen Zeichentrickserien eine Dokumentation über die Siegesparade vom 24. Juni 1945 auf dem Roten Platz. Der 19 Minuten lange Streifen von 1945 war eine der ersten Farbproduktionen in der Sowjetunion, gedreht mit Hilfe einer Kriegstrophäe: Agfa-Film, in Deutschland erbeutet. 10:00 Die traditionelle Militärparade auf dem Roten Platz. Fast 200 Fahrzeuge, darunter neueste Panzertechnik aus Vorserienfertigung, mehr als 140 Flugzeuge und rund 15 000 Soldaten werden diesmal aufgeboten. Zutritt haben allerdings nur geladene Gäste: Kriegsveteranen, Politiker (einige Staatschefs Wenn Gedenken auf Lebensfreude trifft: der russische Siegestag. auch aus der EU), Regierungsbeamte, Abgeordnete, Gouverneure. Deutschland wird von Botschafter Rüdiger von Fritsch vertreten. Das russische Staatsfernsehen überträgt die etwa eine Stunde dauernde Parade live. In Moskau kann sie verschiedentlich auch auf Leinwänden verfolgt werden. 11:00 Der Gorki-Park, 1941 und 1942 von der deutschen Luftwaffe bombardiert, richtet den ganzen Tag, von 11 bis 18 Uhr, Geländespiele nach sowjetischer Manier für Kinder aus. Treffpunkt ist das Kino Pionier. Ältere können ab 14 Uhr auf dem Tanzparkett an der Zentralen Allee kostenlos Tänze der 40er Jahre erlernen. Ebenfalls ab 14 Uhr steht am Kino Pionier ein Mikrofon für Veteranen bereit, die ihre Geschichten vom Krieg erzählen wollen. 13:00 200 Veranstaltungen finden am 9. Mai unter der Regie der Stadt statt. Und noch einmal 2000 verantworten die Stadtbezirke. Den Auftakt für die Feierlichkeiten bildet um 13 Uhr auf allen Bühnen der berühmte Schlager „Siegestag“ (Den pobedy) von 1975: „Das ist ein Festtag mit ergrauten Schläfen, das ist Freude mit Tränen in den Augen.“ 13:15 An so einem Tag steht Russland bei der Eishockey-WM in Tschechien besonders in der Pflicht. Das Grup- I N F O Das Leben – vorher und nachher Am 9. Mai kann im MoskauMuseum (Subowskij-Boulevard 2, Metrostation Park Kultury) die Ausstellung „Stadt der Sieger“ besichtigt werden. Sie ist den Moskauern von 1941 gewidmet, dem Jahr des Kriegsbeginns mit Deutschland, und verfolgt weiter, wie sich ihr Leben damit für immer veränderte. Grundlage sind Erinnerungen von Veteranen und ihrer Nachfahren. Die Ausstellung (8. Mai - 6. Dezember, 10 bis 20 Uhr, Eintritt 200 Rubel) soll laut Museum zeigen, dass jeder Krieg eine „furchtbare Tragödie im Leben eines Menschen“ ist, „unabhängig von Nationalität, Konfession und politischen Ansichten“. penspiel gegen Weißrussland kann in Moskau in zahlreichen Sportbars angeschaut werden, zum Beispiel in der Radio City Bar im Hotel Peking auf dem Triumphplatz. 14:00 Am Weißrussischen Bahnhof beginnt in Erinnerung an die Kriegsgeneration ein Gedenkmarsch zum Roten Platz. Dafür haben sich vorab bereits über 180 000 Menschen im Internet gemeldet. Die Aktion heißt „Unsterbliches Regiment“ und wurde 2012 im sibirischen Tomsk erstmalig durchgeführt. Dabei tragen Nachfahren von Frontsoldaten, Partisanen, KZ-Häftlingen oder auch Aktivisten des Hinterlands Transparente mit den Porträts ihrer Angehörigen durch die Straßen. Parallel dazu können auf moypolk.ru Fotos und Biografien der Veteranen hochgeladen werden. Gegenwärtig umfasst die Datenbank 210 000 Schicksale. 14:30 17:30 Show der Kreml-Reitschule im Siegespark, der neben dem TwerskojBoulevard, dem Puschkinplatz und den Fußgängerzonen im Moskauer Zentrum zu den Hauptschauplätzen der Feierlichkeiten gehört. 18:00 Der Eremitage-Garten will mit einem Ball unter dem Titel „Um sechs Uhr abends“ die Atmosphäre der Maitage 1945 wiederauferstehen lassen. 18:55 Russlandweite Schweigeminute für die Opfer des Krieges. Auch das ist Tradition, seit der 9. Mai im Jahre 1965 zum Feiertag erklärt wurde. Menschen fassen sich an den Händen, überall in der Stadt soll das Ticken einer Uhr zu hören sein. Im Fernsehen laufen währenddessen Aufnahmen von Gedenkstätten, untermalt mit Gedichten. Ein Autokorso mit Oldtimern und Kriegsveteranen endet im Silberwald (Serebrjannyj Bor), einer Moskauer Insel, die für ihre Strände geliebt wird. Dort können die Fahrzeuge aus der Kriegs- und Vorkriegszeit begutachtet werden. 20:00 16:45 21:30 Der Erste Kanal des Staatsfernsehens zeigt „Die Schlacht um Sewastopol“, eine russisch-ukrainische Koproduktion um die sowjetische Scharfschützin Ljudmila Pawlitschenko, erst Anfang April in den Kinos angelaufen. Der „Kommersant“ lobte den Streifen: Er sei in Wahrheit kein Kriegs-, sondern ein Anti-Kriegsfilm und das Beste, was die postsowjetische Filmindustrie zu diesem Thema hervorgebracht habe. Die Fassaden des Weißrussischen Bahnhofs und des Theaters der russischen Armee werden zur Leinwand für Filme rund um den Krieg, kombiniert mit Licht- und Lasereffekten. Das Spektakel ist Teil des Festivals „Lichtkreis“ (Krug sweta). 17:00 Das unlängst restaurierte Freilichttheater im WDNCh eröffnet seine zweite Saison mit einem Konzert von Opernstars, die unter Begleitung des Großen Tschaikowski-Symphonieorchesters Lieder der Kriegszeit vortragen. Der Eintritt ist frei. An den Patriarchenteichen erklingt klassische Musik, die Bühne befindet sich dabei auf dem Wasser. Werke von Komponisten wie Schostakowitsch und Prokofjew zeichnen ein Porträt der Kriegsjahre. 22:00 Zum Abschluss lässt es Moskau krachen: Für zehn Minuten wird die Nacht mit einem riesigen Feuerwerk erleuchtet. 70 Rampen an 16 Standorten und Projektoren stehen dafür bereit. Die beste Sicht hat man von den Sperlingsbergen, im Siegespark, im WDNCh und vom 58. Stock des Wolkenkratzers „Imperia“ in Moskau-City. Letzteres ist aber nur als Führung buchbar und kostet 2500 Rubel. Karen Petersen, Tino Künzel 06 70 JAHRE KRIEGSENDE Post für Angela Merkel Raus von zu Hause Ein Ferndialog von Deutschen und Russen zum 9. Mai Russen an die Adresse der Deutschen Igor Tschepuryschkin 53 Jahre Kinderheimleiter Region Smolensk Ich habe eine Glückwunschkarte zum 9. Mai auf meinem Schreibtisch liegen. Sie ist für Angela Merkel bestimmt. Seit zwei Wochen versuche ich, die richtigen Worte zu finden. Ich möchte ihr erklären, wie sehr wir Frieden brauchen. Bei uns hat der Krieg keine Familie verschont. Die Wunden wollen einfach nicht verheilen. Meine beiden Großväter sind gefallen und ich weiß nicht einmal, wo. Deshalb ist uns der Jahrestag des Kriegsendes heilig. Am 9. Mai werden wir meinen zweiten Enkel taufen, der gerade sechs Monate alt ist. Er soll nie einen Krieg erleben müssen. Sergej Grin 35 Jahre Museumsführer Sotschi Im Kunstmuseum von Sotschi, wo ich arbeite, läuft derzeit eine Ausstellung mit dem Titel „Belagertes Leningrad“. Sie umfasst 150 Fotos. Eines davon hat mich mitten ins Herz getroffen. Darauf ist zu sehen, wie ein Kind an einer Drehmaschine Patronenhülsen schleift. Ein Mädchen, erst acht Jahre alt. Ich möchte die Deutschen aufrufen, gemeinsam das Andenken aller Toten des Krieges zu ehren und nie zu vergessen, welche Schrecken er mit sich gebracht hat. Wir sollten alles dafür tun, dass kommenden Generationen so etwas erspart bleibt. Lasst uns in Frieden und Eintracht leben! Boris Suranow 43 Jahre Journalist Syktywkar Ich verfluche alle Politiker, die unsere Völker wieder auseinanderdividieren wollen! Andrej Litwinow 52 Jahre Aeroflot-Pilot Moskau Wir Russen hegen große Wertschätzung für die Deutschen. Eine zivilisierte, gebildete Nation seid ihr, mit vielen Tugenden. Mir gefällt Deutschland sehr. Nach dem Untergang der Sowjetunion bin ich bei der Lufthansa in Bremen und Frankfurt auf BoeingFlugzeuge umgeschult worden. Außerdem leben meine Schwester und meine Mutter in Deutschland. Unter dem Faschismus haben nicht nur wir gelitten, sondern auch die Deutschen. Das ist ein Kaum neigt sich das deutschrussische Kulturjahr dem Ende zu, beginnt ein neues Themenjahr. Unter dem Motto „70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs“ steht ab Juni 2015 der deutsch-russische Jugendaustausch im Fokus. Tino Künzel Wer als Deutscher schon einmal den 9. Mai in Russland gefeiert hat, der kennt diese Erfahrung: viele ausgestreckte Hände und selten – wenn überhaupt – ein böses Wort. Wir wollten wissen, was Russen und Deutsche einander an diesem Tag zu sagen wünschen, und haben dazu „alte Bekannte“ aus Artikeln dieses Jahres befragt. guter Grund, gemeinsam dagegen aufzustehen, wenn er heute wieder seine Fratze zeigt. Wer meint, dass es ihn nicht betrifft oder es nur russische Propaganda ist, wenn in der Ukraine ein Helfershelfer Hitlers zum Nationalhelden stilisiert und in Denkmälern verewigt wird, der täuscht sich. Aus der Geschichte wissen wir, wie sich diese Pest verbreitet. Wir sind Nachbarn und sollten die Grenzen zwischen uns durchlässiger machen. Wir wollen Handel betreiben, wollen reisen. Es ist überfällig, zumindest die Visa abzuschaffen, wofür sich Russland schon lange einsetzt. Das wäre ein Anfang. Sergej Parchomenko 51 Jahre Publizist Moskau Auch wenn dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Russland und Europa an zwei unterschiedlichen Tagen gedacht wird, handelt es sich doch um einen gemeinsamen Feiertag. Wir feiern am 8. und 9. Mai nicht den Sieg einer Nation über eine andere, sondern den Sieg der Antifaschisten über den Faschismus. Doch in Russland hat sich das Gedenken an das Kriegsende seit der Annexion der Krim verändert. Militarismus und Propaganda beeinflussen die Erinnerung an den Großen Vaterländischen Krieg. Deshalb möchte ich meinen deutschen Freunden sagen: Habt etwas Geduld. Das geht vorbei. Das Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs wird irgendwann einmal wieder ein gemeinsamer Feiertag für Europa und Russland sein, bei dem wir gemeinsam mit Stolz derer gedenken, die daran beteiligt waren. Deutsche an die Adresse der Russen Chris Helmbrecht 43 Jahre DJ, Unternehmer Moskau Russland, es tut mir leid! Ich schäme mich für das, was dir meine Großeltern und ihre Generation angetan haben. Ich senke den Kopf in Demut, aber du sollst wissen, dass wir eine neue Generation von Deutschen sind, die Frieden und Partnerschaft wollen. Ich wünsche mir, dass wir mehr miteinander reden. Die Menschen von der Straße und nicht die Politiker, die ihre eigenen Interessen vertreten. Wir sollten zusammen aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Die Deutschen mögen Russland und die Russen. Es gibt keinen Hass, keine Gefahr und keinen Angriff von unserer Seite. Das ist Blödsinn. Vergebt uns, wenn wir Ohne Blumenstrauß geht am 9. Mai kein Veteran nach Hause. manchmal ein bisschen schwer von Begriff sind. Meine Generation will, dass wir die Probleme Europas gemeinsam anpacken. Außenstehende, wie die Amerikaner, haben in diesem Prozess nichts zu suchen, anders als du, liebes Russland. Dein Herz liegt in Europa, wir gehören zusammen. Lass uns den Karren gemeinsam aus dem Dreck ziehen! Dr. Rüdiger Bolz 52 Jahre Leiter des GoetheInstituts in Moskau Mehr als fünf Jahrzehnte beschäftigt mich in meiner wissenschaftlich-publizistischen Tätigkeit die „Kultur des Erinnerns“ an die Zäsur des Kriegsendes 1945. Seit Mitte der 80er Jahre außerhalb Deutschlands arbeitend, kann ich immer wieder registrieren, wie die in Deutschland so offene und schonungslose Auseinandersetzung mit den Menschheitsverbrechen der NS-Zeit in meinen Gastländern überaus aufmerksam registriert worden ist: oft mit Verwunderung, immer aber mit uneingeschränktem Respekt – insbesondere in Ländern mit staatlich verordneter Historiographie, heroisierbaren Gesellschaften, staatstragenden Mythen, gezielt selektivem Beschweigen. So bin ich im Moment des Innehaltens und Nachdenkens unendlich dankbar für die Tage der Befreiung 1945, aber auch für die mühsam erworbene, ehrliche, selbstkritische „Kultur des Erinnerns“ in Deutschland. MOSKAUER DEUTSCHE ZEITUNG Nr. 9 (400) MAI 2015 Für den 71. Jahrestag des Kriegsendes im Jahr 2016 wünsche ich mir von Herzen eine Gedenkveranstaltung mit einem glaubhaften Dur-Akkord, das heißt mit einem optimistischen Blick in die Zukunft. Maria Fomina 17 Jahre Schülerin Moskau Ich frage mich oft, wie die Jugend in Moskau das kolossale Tempo der russischen Hauptstadt aushält. Einen Teil der Antwort auf diese Frage habe ich neulich in meinem Geschichtsbuch gefunden. Es war der Zweite Weltkrieg, der das wahre Gesicht der sowjetischen Bürger zum Vorschein kommen ließ und bis heute den russischen Geist prägt. Dieser Krieg hat gezeigt, wie willensstark, aufopferungsvoll und patriotisch die Menschen damals waren. Und sie sind es auch heute noch. Deshalb dürfen junge Russen selbst in schweren Zeiten nie vergessen, dass sie als Enkel ihrer Großeltern gleichzeitig die Nachfahren von Siegern sind. Ich wünsche mir, dass jeder von ihnen trotz vollem Terminkalender die Zeit finden kann, sich mit Familie, Freunden und anderen Mitbürgern zusammenfinden und über die Vergangenheit zu sprechen. Denn nur wer sich erinnert und es schafft, den Stolz für seine Nation durch den hektischen Alltag zu tragen, kann zu einer glücklichen Zukunft des Landes beitragen. Die Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch wurde 2006 von der Bundesregierung und anderen Partnern gegründet. Seitdem haben rund 100 000 Jugendliche an den Begegnungen teilgenommen. Was lernt man dabei? „Deutsche Jugendliche fahren oft mit Schuldgefühlen nach Russland, sie wissen nicht, ob man ihnen Vorwürfe macht“, erzählt Robert Werner, Geschäftsführer der djo – Deutsche Jugend in Europa. Meist seien sie dann überrascht, wie entspannt damit umgegangen werde. Das Thema sei wichtig, aber nur eines von vielen. Vor allem merke man, dass es bei all den Unterschieden viele Gemeinsamkeiten gebe. Nun sollen bei einem Themenjahr unter dem Titel „70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs“ deutsche und russische Organisationen ermutigt werden, in ihren Begegnungsprojekten historische Themen aufzugreifen. Veranstalter des Jahrs sind die Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch und auf russischer Seite das Nationale Koordinierungsbüro für den Jugendaustausch mit Deutschland. Den Auftakt bildet ein bilaterales Eröffnungsseminar im Deutsch-Russischen Jugendzentrum in Moskau vom 4. bis 8. Juni. Inhaltlich sollen bei künftigen Projekten die Unterschiede in den Erinnerungskulturen beider Länder im Vordergrund stehen. Diese lägen, so die Veranstalter, nicht nur oberflächlich in den Perspektiven „Sieger und Besiegte“, sondern hätten auch eine große Bedeutung für die Identitätsstiftung der jeweiligen Nation. Julia Weihs Umstrittene Friedenstaube Das Emblem der Feierlichkeiten zum 9. Mai hat eine Friedenstaube auf blauem Grund als zentrales Motiv. Sie ersetzt den Orden des Großen Vaterländischen Krieges, der zusammen mit Sowjetstern und Siegesbanner noch im vorigen Jahr das Logo ausmachte. Der überarbeitete Entwurf soll aus der Informationsabteilung des Präsidenten stammen und erntete prompt Kritik von Traditionalisten. So protestierten die „Kommunisten Russlands“, die Friedenstaube sei das ganz falsche Symbol. Mit dem Faschismus könne es keinen Frieden geben. tk 07 Die Trümpfe in der Materialschlacht waralbum.ru 70 JAHRE KRIEGSENDE MOSKAUER DEUTSCHE ZEITUNG Nr. 9 (400) MAI 2015 Diese Waffen brachten die Kriegswende Es waren nicht nur die Menschen, härter als Kruppstahl, zäher als Leder, wenn man im Bild bleiben möchte. Die Rote Armee war der Wehrmacht auch materiell zunehmend überlegen, oft quantitativ, bisweilen auch qualitativ. Welches Kriegsgerät hat dabei besonders Geschichte geschrieben? Maschinengewehr PPSch Die berühmteste Handfeuerwaffe der Sowjetarmee wurde erst 1947 konstruiert und 1949 in Dienst gestellt. Für die nach ihrem Schöpfer benannte Kalaschnikow oder AK-47 kam er Krieg also zu früh. Doch die sowjetische Infanterie war auch so bestens versorgt. Ein halbes Jahr vor Kriegsausbruch wurde sie mit einem neuen Maschinengewehr namens PPSch ausgerüstet, das „Sch“ stand für den Konstrukteur Georgij Schpagin. Die 7,62-Millimeter-Waffe war einfach, billig und äußerst zuverlässig, was zum einen ihren Einsatz unter den schwierigsten Bedingungen ermöglichte und zum anderen dafür sorgte, dass es an vielen Standorten hergestellt werden konnte, weil das keine hochkomplizierte Technik erforderte. Binnen vier Jahren lieferte die Rüstungsindustrie 5,4 Millionen PPSch aus. Die Wartung der Waffe war so simpel wie die Ausbildung der Soldaten: Sie ließ sich in lediglich fünf Teile zerlegen. Raketenwerfer Katjuscha die Rote Armee übergeben und im Sommer 1941 erstmals im Kampf eingesetzt. Die Katjuscha hieß bei den Deutschen „Stalinorgel“ und war in der Lage, binnen Sekunden Dutzende Raketen abzufeuern. Damit konnten in kurzer Zeit große Flächen sturmreif geschossen werden. Als Faustregel galt, dass eine Salve einen Hektar „befriedet“. Weniger brauchbar war das System gegen Befestigungen wie Bunker. Dafür reichte seine Schlagkraft nicht aus. Als Lafette dienten den Katjuschas LKWs wie der amerikanische Studebaker US 6, der im Rahmen des Lend-Lease-Programms in die Sowjetunion gelangt war. Lastkraftwagen GAS-AA Es dürfte nicht oft vorkommen auf der Welt, dass ein Lkw das meistproduzierte Fahrzeug in einem bestimmten Zeitraum ist. Dem GASAA ist das gelungen. Kein sowjetisches Auto wurde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts öfter produziert. Vom „Polutorka“, dem „Halbtonner“, liefen rund eine Million Exemplare in Gorki, dem heutigen Nischnij Nowgorod, vom Band. Sein Wiederkennungswert ist deshalb bis in unsere Tage hoch. Vorläufer des GAS-AA war der Ford AA, der noch in den 20er Jahren seine Markteinführung erlebte. Die sowjetische Variante 1zoom.ru Unter der Typenbezeichnung BM-13 wurde dieses Artilleriesystem am Vorabend des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion an Schrecken der deutschen Landser: die Il-2 „Schturmowik“. warwall.ru (2) Manchen wird es überraschen, aber die Il-2 „Schturmowik“ existierte wirklich und war keine Erfindung russischer Softwareprofis, die 2001 das gleichnamige Computerspiel auf den Markt brachten. Es wurde vielfach preisgekrönt und war damit auf seine Art ähnlich erfolgreich wie das Original. Die Il-2 verdiente sich im Krieg den Zweitnamen „fliegender Panzer“. Die Landser der Wehrmacht nannten ihn auch „Schlächter“ oder „Fleischwolf“. Aus ihnen sprach der Schrecken, den das Bodenkampfflugzeug bei seinen Angriffen aus geringer Höhe zu verbreiten wusste. Für Fahrzeug- und Marschkolonnen hatte das verheerende Folgen, denn gewöhnliches Abwehrfeuer konnte der Iljuschin kaum etwas anhaben. Gelangte sie hinter die FlakLinie, war die Maschine praktisch unverwundbar und kam dem Feind deshalb so nahe, dass sie im Tiefflug angeblich sogar die Köpfe von Soldaten rasiert haben soll. Die hervorragende Panzerung zählte zu den großen Vorzügen der Il-2, wobei sie kein nachträgliches „Extra“, sondern einen direkten Bestandteil der Konstruktion darstellte. Effektiv geschützt waren die Pilotenkanzel, der Motor und die Treibstofftanks. Wurde das Flugzeug an den Tragflächen oder am Heck getroffen, schaffte sie es meist trotzdem bis zum nächstgelegenen Flugplatz. Bezahlt wurde die Sicherheit mit einem relativ hohen Gewicht. Daraus folgten eine geringe Beladung an Bomben sowie eine relativ niedrige Geschwindigkeit und Reichweite. Das scheint jedoch trotzdem ein guter Kompromiss gewesen zu sein, denn mit 36 000 Stück gehörte die Il-2 zu den meistgebauten Flugzeugen des Zweiten Weltkriegs. Ab 1943 profitierte sie noch einmal von der Einführung von Kassetten- bomben. Musste der Angriff auf Panzer bis dahin im Sturzflug erfolgen, was nicht unbedingt eine Stärke des „Schturmowik“ war, konnten die Bomben nun im Horizontalflug abgeworfen werden. Das senkte die Gefahr von Verlusten erheblich. Rostech Kampfflugzeug Iljuschin Il-2 Von Tino Künzel Raketenhagel vom LKW: Katjuscha. Der T-34 hatte viele Stärken und Schwächen. war konstruktiv nicht identisch, sondern wurde in verschiedener Weise an die Bedingungen angepasst, unter anderem davon betroffen waren Reifen und Lenkrad. Bis 1934 bestand die Fahrerkabine aus Holz, danach wurde sie aus Metall gefertigt. Auch als Militärfahrzeug war der GAS-AA allgegenwärtig und bewährte sich selbst im GelänNoch bis in die 60 Jahre war der Lkw auf den Straßen der Sowjetunion anzutreffen Standardpanzer T-34 Der vielleicht größte Mythos des Zweiten Weltkriegs. Aber wie gut der T-34 wirklich war, darüber gehen die Meinungen stark auseinander. Ralf Raths, der Direktor des Deutschen Panzermuseums in Münster, hält ihn für überschätzt. Lobeshymnen von Seiten der Wehrmacht seien vor allem „eine bequeme Entschuldigung für verlorene Schlachten“. Kein Panzer wurde während der Kriegsjahre in so großer Stückzahl gebaut wie der T-34. Doch von 58 000 Stück gingen 75 Prozent verloren – eine extreme Quote. Wiederum war die Einfachheit der Konstruktion für den Gesamterfolg die halbe Miete. Der T-34 konnte nicht nur am laufenden Band gefertigt, sondern auch unter Feldbedingungen wieder instand gesetzt werden. Er verfügte über eine robuste Konstruktion, einen anspruchslosen Dieselmotor, eine solide Panzerung, eine ausgezeichnete Bewaffnung und war bis zu 56 Kilometer pro Stunde schnell. Dafür, so Raths, sei das Getriebe störanfällig gewesen, das Zielfernrohr unausgereift und die Kommunikation erschwert. Im Turm war es so eng, dass nur zwei Personen Platz fanden, was für den Kommandeur bedeutete, dass er die Kanone selbst nachladen musste und entsprechend abgelenkt war. Funkgeräte, mit denen sich die Besatzung untereinander verständigen konnte, fehlten. Dabei herrschte im Panzer ein solcher Lärm, dass eine normale Kommunikation unmöglich war, ganz abgesehen davon, dass sich die Kabine durch den Dieselmotor ungeheuer aufheizte. Befehle wurden deshalb per „Körpersprache“ übermittelt. Der Kommandeur stand dem Fahrer buchstäblich mit den Füßen auf der Schulter und gab so Zeichen, wohin das Fahrzeug zu steuern sei. Mit der Ausbildung der Panzersoldaten habe es oft auch nicht zum Besten gestanden, heißt es. 72 Stunden Taktikschulung im Klassenzimmer mussten reichen. Dass zudem meist lediglich Sichtkontakt mit den anderen Panzern im Verband bestand, weil keine Funkverbindung zur Verfügung stand, kam erschwerend hinzu. „Man fuhr halbblind ins Gefecht“, sagt Raths. Wenn ein T-34 getroffen wurde, waren die Überlebenschancen für die Besatzung gering. Nicht selten verklemmten die Ausstiegsluken. Geriet der Panzer in Brand, bedeutete das einen besonders qualvollen Tod. Im Kriegsverlauf wurde der T-34 mehrfach überarbeitet, 1944 war die modernisierte Version T-34-85 fertig. Sie hatte im Turm nun Platz für eine dritte Person, so dass die Besatzung aus fünf Soldaten bestand und der Kommandeur sich auf seine eigentlichen Aufgaben konzentrieren konnte. Allerdings musste die Armeeführung konstatieren, dass auch dieser T-34 dem deutschen „Panther“ in wichtigen Parametern unterlegen war. Doch vom „Panther“ gab es letztlich weniger als 6000 Stück. 08 70 JAHRE KRIEGSENDE MOSKAUER DEUTSCHE ZEITUNG Nr. 9 (400) MAI 2015 „So etwas hat die Welt noch nicht erlebt“ Warum Biker Ilja Anossow nicht gut auf die „Nachtwölfe“ zu sprechen ist Warum haben Sie dann die Aktion im Blog der „Nachtwölfe“ kritisiert? Weil es hier von Anfang an um politische PR ging. Dafür wurde der ganze Rummel inszeniert. Und zwar nicht mit Blick auf den Westen, sondern das Publikum zu Hause. Hätten die sich nicht im Vorfeld nicht so aufgespielt, wären ihnen auch keine Steine in den Weg gelegt worden. Woher wollen Sie das wissen? Erst vor ein paar Tagen sind 170 Biker aus Kaliningrad mit dem dortigen Gouverneur an der Spitze in Polen gewesen. Sie haben an einem Denkmal für Sowjetsoldaten Blumen und Kränze niedergelegt, so wie jedes Jahr. Und Das Entscheidende ist, dass die „Nachtwölfe“ ein doppeltes Spiel spielen. zwar mit voller Unterstützung der polnischen Seite. Daran sehen Sie, dass es nicht die Nachfahren der Kriegsveteranen sind, nicht russische Biker oder andere Russen, die an der Einreise gehindert werden, sondern ausschließlich die „Nachtwölfe“. Das hat seine Gründe. Welche sind das für Sie? Wenn im Westen Russophobie existiert, so richtet sie sich zumindest nicht gegen einfache Menschen. Was auf wenig Gegenliebe stößt, sind Strukturen aus dem Dunstkreis der Staatsmacht. Das ist verständlich. Sie spielen darauf an, dass sich die „Nachtwölfe“ offen als Unterstützer von Präsident Putin positioniert haben. Der Chef des Klubs, Alexander Saldostanow, hat 2012 sogar für Putin Wahlkampf gemacht. Bei diversen seits brechen sie ständig irgendwelche Konflikte mit kleineren Klubs und ihren Mitgliedern vom Zaun, nehmen es mit den Gesetzen nicht so genau. Saldostanow verhält sich wie der Boss eines amerikanischen Bikerklubs aus den Big Four (Anm. d. Red: die „Hells Angels“, „Outlaws“, „Pagans“ und „Bandidos“), der sein Territorium kontrollieren will. Nur dass er als sein Territorium ganz Russland betrachtet. Gelegenheiten zeigt man sich gern gemeinsam, manchmal auch auf dem Motorrad. So etwas hat die Welt noch nicht erlebt, das gibt es nur bei uns. Biker sind per se unpolitisch. Sie lieben ihre Freiheit, leben nach ihren eigenen Gesetzen, lassen sich nicht vereinnahmen. Dass sich jemand freiwillig solchen Abhängigkeiten unterwirft, ist ein Novum. Die „Nachtwölfe“ bekommen ja sogar Fördermittel vom Staat für diverse Veranstaltungen. Das ist, als ob Sonny Barger, der Gründer der „Hells Angels“, mit Barack Obama Motorrad fährt und sich als Zugabe über Haushaltsgelder freuen darf. Wie erklären Sie sich die staatstragende Rhetorik? Das kann ich mir nur damit erklären, dass mit der Zeit viele Vertreter von Staat und Wirtschaft bei den „Nachtwölfen“ Mitglied geworden sind. Trotzdem: Selbst wenn die „Nachtwölfe“ mit den Mächtigen Russlands kungeln, war das Echo auf die geplante Tour doch völlig maßlos, speziell in Polen und Deutschland. Warum hat man die 15 Teilnehmer nicht einfach passieren lassen, anstatt das Ganze zur Staatsaffäre aufzublasen? Sehr schlau war das nicht. Stimmt, das Einreiseverbot hat den „Nachtwölfen“ in gewisser Weise sogar in die Hände gespielt. Vielleicht hätte man das anders lösen können. Aber letztlich ist es natürlich das Recht eines jeden Staates, selbst zu entscheiden, wen man ins Land lässt und wen nicht. „Nachtwolf" Alexander Saldostanow. Sie mögen die Truppe schon mal nicht, das haben wir bereits verstanden. So einfach ist es nicht. Die „Nachtwölfe“ haben ihre Verdienste. Sie sind der älteste und größte Motorradklub in Russland, mit heute 5000 Mitgliedern. Saldostanow hat in den letzten Jahren der Sowjetunion und in der Übergangszeit viel für die Bikerbewegung getan, dafür sind ihm alle dankbar. Keine Ahnung, was dann später mit ihm und dem Klub passiert ist. In einem soeben erschienenen Interview mit Lenta.ru wettert er gegen „satanistische Kräfte“ aus dem Westen und spricht davon, die Zukunft gehöre der Theokratie. Russland könne eine geistige Führung in der Welt übernehmen. Er distanziert sich auch vom Bild des „sorglosen amerikanischen Bikers“, dem er selbst früher zu entsprechen versucht habe. Es sei ein Lernprozess gewesen. Der Mann wähnt sich auf einer Mission, finden Sie nicht? Die „Nachtwölfe“ bezeichnen sich bereits nicht mehr als Biker, sondern als „russische Motorradfahrer“. Aber das Entscheidende ist, dass sie ein doppeltes Spiel spielen. Einerseits reden sie ständig von moralischen Werten und wollen allen ihren Willen diktieren, ander- I M P R E S S U M © Moskauer Deutsche Zeitung Nr. 400 Redaktionsschluss: 06. Mai 2015 Korrektur: Marina Lischtschinskaja, Friederike Werner Herausgeber: Olga Martens, Heinrich Martens Layout: Andrej Franzew Design: Hans Winkler Redaktion: Bojan Krstulovic, Chefredakteur Olga Silantjewa, Stellv. Chefredakteurin Tino Künzel, Maria Galland (ifa-Redakteurin), Simon Schütt, Julia Larina (russischer Teil) „MaWi Group“ Geschäftsführende Gesellschafterin: Olga Martens Anzeigen: Tel. +7 (495) 531 6887, [email protected] Vertrieb: Tel.: +7 (495) 531 6887, [email protected] Vertretung in Deutschland: Natalia Kelbler ([email protected]) Die Russen brauchen ihre Dosis Abenteuer, auch wenn sie im Staatsapparat arbeiten. Nein, das ist es nicht. Schauen Sie, der Bürgermeister von London fährt U-Bahn, der Präsident von Tschechien trinkt sein Bier in einem Pub. In Russland kommen dir schon in jeder Kreisstadt Beamte in superteuren Autos entgegen. Ein Luxusmotorrad unterstreicht ein weiteres Mal, wie weit sie es gebracht haben. Das ist ein Statussymbol wie ein Mercedes oder Mode von Dolce & Gabbana. Samstagabend sitzen sie dann im Klub und ruhen sich aus, mehr steckt nicht dahinter. Und Sie? Wie oft sitzen Sie auf dem Motorrad? Nach Möglichkeit jeden Tag. Ich fahre eine Yamaha 900 Diversion, ein Tourenmotorrad. Früher war ich Mitglied im Motorradklub „Free Brothers“ bei uns in Saratow. Aber so etwas bringt Verpflichtungen mit sich, das wurde mir zu viel. Wie war die Resonanz darauf in Ihren Kreisen? Geteilt. Die Meinungen zu den „Nachtwölfen“ gehen generell auseinander. MIA Rossija segodnja Herr Anossow, ist es eine gute Idee, das Andenken der gefallenen Soldaten mit einer Motorradtour ehren zu wollen? Im Prinzip ja. Ist schon bis zum Baikal gefahren, allerdings ohne Wladimir Putin: Ilja Anossow. Privat Anders als die Rote Armee 1945 kamen 15 russische Motorradfahrer, die Ende April von Moskau nach Berlin aufbrachen und unterwegs Kriegsgedenkstätten besuchen wollten, nur bis Brest. An der polnischen Grenze wurden die Mitglieder des größten russischen Motorradklubs „Nachtwölfe“ abgewiesen. Selbst schuld, meint Biker Ilja Anossow (37) aus Saratow. Adresse Redaktion Moskauer Deutsche Zeitung Deutsch-Russisches Haus, Ul. Malaja Pirogowskaja 5, Zi. 54. 119435 Moskau, Russland Tel. +7 (495) 531 6888 E-Mail: [email protected] www.mdz-moskau.eu *Ein Redakteur wird durch das Institut für Auslandsbeziehungen e.V. aus Mitteln des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland gefördert. Die Redaktion übernimmt keine Haftung für den Inhalt der veröffentlichten Anzeigen. Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Nachdruck nur mit Genehmigung. Registriert bei Roskompetschat am 14. Februar 2002, Nr. 77-11596. Gedruckt bei AO „Krasnaja Swesda“. Choroschewskoje-Chaussee 38, 123007 Moskau. Auflage 25 000 Expl. Номер заказа 2109-2015. Газета в розницу не распространяется. Wohin hat Sie Ihre längste Tour geführt? Zum Baikalsee. 2013, mit einem Freund. Auf der Strecke sind wir von anderen Bikern überall herzlich aufgenommen worden. Zwischen den Motorradklubs in Russland herrschen freundschaftliche Beziehungen, man hilft sich gegenseitig. Da ist etwas, worin wir uns tatsächlich noch vom Westen unterscheiden. Das Interview führte Tino Künzel. Alle auf dieser Seite publizierten Beiträge geben ausschließlich die Meinung ihrer Autoren wieder. SAGEN SIE UNS IHRE MEINUNG: [email protected] №9(400) w w w . r u . m d z - m o s k a u . e Май 2 0 15 u Н Е З А В И С И М А Я ГА З Е Т А О П О Л И Т И К Е , Э К О Н О М И К Е И К У Л Ь Т У Р Е • О С Н О В А Н А В 1 8 7 0 Г О Д У ДОЛГОЕ ЭХО ВОЙНЫ ГОРОД ГЕРОЙ КНИГИ ВИД СВЕРХУ В Германии Вторая мировая отражается на третьем поколении О немецком Леонске на Волге, которого никогда не было В Южной Германии прошел крупный фестиваль воздухоплавателей II VI V II Lesia Kharchenko, Stiftung EVZ Перепись поселений Новый сайт о немцах России Для российских немцев, испытывающих ностальгию по местам прежнего проживания своих предков, и вообще для всех интересующихся историей и культурой появился уникальный двуязычный сайт – «Реестр немецких поселений России». Ольга Силантьева Хотите знать, как выглядит Немецкий евангелическо-лютеранский молитвенный дом в селе Александровка Омской области? Заглянуть в бывший дом мельника в поволжском селе Бородаевка (Боаро) и увидеть там же типичные примеры колонистского кирпичного домостроительства? Рассмотреть уникальные экспонаты музейной комнаты в селе Каменка (Бер) Красноармейского района Саратовской области – диван с деревянной резной спинкой с встроенным зеркалом и большой старинный сундук? Теперь информация о поселениях, сохраняющих наследие российских немцев, представлена на новом сайте портала RusDeutsch www.siedlung.rusdeutsch.ru «В 2012–2013 годах для создания реестра и получения сведений об объектах традиционного культурного наследия были проведены научные экспедиции в места, где компактно располагались раньше или находятся в настоящее время поселения, основанные немцами, – рассказывает один из авторов сайта этнограф Татьяна Смирнова. – Это Марксовский и Красноармейский районы Саратовской области, Азовский немецкий национальный район Омской области и Немецкий национальный район Алтайского края. Всего в ходе экспедиций было обследовано 77 населенных пунктов». Они сохраняют планировку поселений, традиции застройки, имеют в составе населения выраженную долю немцев (в Поволжье – имели ранее), там работают учреждения и организации (музеи, школы, религиозные общины), способствующие сохранению этнической культуры. V Язык Гёте-института Наталья Ветошникова из Санкт-Петербурга, 1921 года рождения, – успешная теннисистка, мастер спорта СССР, преподаватель немецкого. Она пережила блокаду. Ее родные умерли от голода. Ветошникова – одна из шести выживших жертв национал-социализма, которые смотрели на жителей Берлина с 500 подсвеченных плакатов на станциях метро, остановках другого транспорта, с 38 цифровых экранов в октябре, когда стартовала кампания «Я еще живой!» (www.ich-lebe-noch.info), и в конце января по случаю Дня памяти жертв национал-социализма. С конца апреля реклама кампании идет на сайтах главных немецких газет и журналов. Цель акции немецкого фонда «Память, ответственность, будущее» (EVZ) – повышение внимания к жертвам национал-социализма в Восточной Европе и поддержка мер по сбору средств. жешь – здесь наблюдается спад интереса. В России последние три года ситуация стабильна: немецкий учат 8–9% школьников. Но с момента предыдущего исследования показатели снизились. Пять лет назад немецкий в стране изучали порядка 2,4 млн. человек, сегодня – около 1,5 млн. На 500 тысяч снизилось число школьников, которым преподают немецкий, – до 1,1 млн. Школы, особенно в сельской местности, закрываются, объединяются, в городе же немецкий вытесняется английским. Реформа высшего образования тоже привела к закрытию или слиянию некоторых вузов. При этом пострадали филологи и германисты. VI РЕКЛАМА Пожертвования на жертв 15,4 миллиона человек в мире изучают немецкий как иностранный. Почти 90% – в школе, остальные – во взрослом возрасте. Это данные исследования «Немецкий язык как иностранный в мире», которое проводится раз в пять лет. Результаты очередного были представлены в конце апреля. Его организовал МИД Германии совместно с Гёте-институтом, Центральным управлением зарубежных школ и Германской службой академических обменов (DAAD). За последние годы в более чем половине стран из 127-ми, включенных в исследование, интерес к немецкому вырос. В Китае – так в два раза. О бывших странах Советского Союза этого не ска- II ГЕРМАНИЯ МОСКОВСКАЯ НЕМЕЦКАЯ ГАЗЕТА № 9 (400) МАЙ 2015 Война в наследство Внуки детей 40-х годов травмированы прошлым родителей marijan murat После окончания Второй мировой войны в Германии насчитывалось около 9 млн. детей – переживших голод и страх бомбардировок, вынужденных бежать из разрушенных домов. Многие потеряли родителей. Сегодня поколение, родившееся до 1945-го, постепенно уходит, но травма, нанесенная войной, сохраняется у тех, кто саму ее никогда не видел. Глеб Казаков Сабина Боде, автор книг о «внуках войны» Интернете, вспоминают, как их отцы и матери пытались дистанцироваться от прошлого, отвечая на все вопросы только «что же поделать, такое было время» или «мы сумели выжить – и это главное». Целые страницы семейных историй оказывались стерты, замкнутость и отчужденность передавались от родите- «Именно тот факт, что обеспеченная жизнь и хорошие пенсии – это еще не гарантии психологического спокойствия, зачастую остается недопонятым, – продолжает Сабина Боде. – Три года назад я принимала участие в публичных чтениях в России и столкнулась с откровенным непониманием тематики. Люди думали: о Факт, что обеспеченная жизнь и хорошие пенсии – еще не гарантии психологического спокойствия, часто остается недопонятым лей детям. Невинный ребенок, стойко и молча сносящий все трудности судьбы, – таков был идеал послевоенного времени. И именно он стал залогом недопонимания между поколениями. Детям не хватало родительского внимания, нежности и ласки, хотя, казалось бы, они росли в эпоху мира и довольства. РЕКЛАМА спустя, никогда не были в центре крупных исследований и репортажей СМИ, – рассказала Сабина Боде «МНГ». – Однако травма, нанесенная родителям, не могла пройти бесследно и существенно повлияла на психологический фон взаимоотношений в семьях. Нежелание родителей говорить о своем прошлом, эмоциональная пустота, недостаток искренности и открытости в общении – все это характерно для семей, в которых выросли «внуки войны». Преступления национал-социализма, ужасы и разрушения войны оставили сильный отпечаток на самосознании целого поколения. Чувство вины и страха, разочарование и тоска по утраченной родине (ведь многим семьям пришлось покидать свои дома, например, в Восточной Пруссии и Померании) – такие симптомы передавались от родителей детям. Многие из «внуков войны», делящиеся своим опытом на встречах или в РЕКЛАМА Объединение «Внуки войны» (Kriegsenkel e.V.) появилось 8 лет назад, когда его первые участники познакомились на семинаре «Что передали нам наши родители?», проводимом журналисткой и писательницей Сабиной Боде. Сегодня в рамках объединения уже каждый месяц проводится по несколько десятков встреч, чтений и семинаров по всей Германии – от Гамбурга до Констанца. Их участникам обычно от 40 до 60 лет, все они были рождены в послевоенное время немецкого «экономического чуда», в период мира и достатка. И всех их объединяет ощущение недосказанности и недопонимания, оставшееся от общения с родителями в детстве. Сабина Боде – автор множества работ, посвященных послевоенному травматическому синдрому и судьбам людей, вновь и вновь возвращающихся к воспоминаниям о пережитом. Ее книга «Внуки войны – наследники забытого поколения», вышедшая в 2009 году, во многом способствовала появлению общественного интереса к проблеме. «В отличие от поколения, заставшего военные годы, «внуки войны», то есть те, кто родился примерно двадцать лет каких сложностях и жизненных проблемах могут говорить эти немцы, когда о них так заботится государство! Мне кажется, в России из-за недостатка социальной обеспеченности именно экономической стороне вопроса уделяется основное внимание. Но я не считаю, что послевоенное травматическое состояние характерно только для немцев. Это общий феномен, затрагивающий все семьи, так или иначе пережившие лишения войны». Это подтверждается и тем, что книги Боде выходят в переводах во многих странах и читаются в контексте не только Второй мировой войны, но и других военных конфликтов. Сабина Боде, как и другие участники объединения «Внуки войны», уверена, что бороться с психологической травмой следует прежде всего при помощи искренности и диалога. «Признаться самому себе, открыто заявить о негативных переживаниях – вот что в первую очередь помогает многим из моих читателей, – говорит писательница. – Они узнают в персонажах моих книг себя, своих близких, понимают, что не одни сталкивались с подобными семейными проблемами. Я получаю огромное количество писем и комментариев, люди делятся своими историями. Им просто нужно высказаться, а не носить груз в себе». Желание задуматься об истории семьи и поделиться собственными воспоминаниями приходит зачастую в зрелом возрасте, поэтому о «внуках войны» заговорили именно в 2000-х, в момент, когда целое поколение оказалось готово к осмыслению накопленного опыта. Современная молодежь мало интересуется семинарами и чтениями, проводимыми Сабиной Боде и ее коллегами. «И это абсолютно правильно, – считает сама автор. – У молодого поколения свои увлечения, и это значит, что война и ее наследие перестают преследовать нашу страну». На смену «внукам войны» уже больше не придут ее «правнуки». III РОССИЯ И ГЕРМАНИЯ МОСКОВСКАЯ НЕМЕЦКАЯ ГАЗЕТА № 9 (400) МАЙ 2015 «Всегда можно сказать „нет“» Немецкий писатель Уве Тимм – о войне и своей книге «На примере брата» Anastasia Tsayder / Goethe-Institut (2) Родной брат Уве Тимма добровольцем записался в войска СС, был в 1943-м ранен на Украине и умер в лазарете. Спустя десятилетия, когда ушли из жизни родители и сестра, Уве Тимм на основе писем с фронта и дневника брата написал книгу. В конце апреля он представил ее в Москве. Приводим точку зрения писателя и отрывки из книги. » После 1945-го, когда стало известно, что творилось в концлагерях, в Германии возникла отговорка: «Мы этого не знали». Но ведь можно было это знать. Достаточно было посмотреть вокруг и задать вопросы. К примеру, куда делись соседи-евреи. Когда я приступил к работе над книгой, меня заинтересовало, что во всем дневнике брата нет ни слова о его чувствах. Это результат воспитания в те годы, которое было направлено на послушание, приказы, мужество. Тогда существовала идеология, утвержденная Гитлером, в отношении молодых людей: «Твердый, как сталь Круппа, упругий, как кожа, стремительный, как борзая». Еще мною двигал вопрос: как человек приходит к тому, что готов убивать и быть убитым? Каковы идеологические и эмоциональные предпосылки, позволяющие отключить в себе сострадание и чуткость? Это касается не только данного конкретного случая. Это и сейчас актуально. Послушание – многоступенчато. Можно со всем прилежанием участвовать в убийстве людей или же попытаться что-то предотвратить. Всегда можно сказать «нет». Есть момент свободы действий, возможно, совсем небольшой свободы, но очень важной». Из книги «На примере брата»: «В ответ на вопрос, почему брат записался в войска СС, у матери всегда было наготове несколько самоочевидных объяснений. Из юношеского идеализма. Он не хотел быть хуже других. Не хотел прятаться за чужие спины. Она, как и отец, с неизменной дотошностью подчеркивала различия между СС и войсками СС. Ибо к этому вре- Переводчик книги Михаил Рудницкий и Уве Тимм в библиотеке им. И.С. Тургенева в Москве мени, после того, как по окончании войны весь мир обошли жуткие кадры, заснятые на кино- и фотопленку при освобождении концлагерей, все уже знали, как оно было на самом деле. Эта шайка, – так стало принято говорить, – эти преступники. Но мальчик-то был в войсках СС. Это были обычные боевые воинские части. Преступниками были другие, те, что из СД. Так называемые части специального назначения. А первым делом те, что наверху, – руководство. Воспользовались мальчиком, злоупотребили его юношеским идеализмом». » Я думаю, Германия несет историческую ответственность в отношении России. Но теперь это снова как-то отодвигается. Возникают дискуссии о начале войны. Некоторые утверждают, что у сталинского руководства были мысли напасть на Германию. Я считаю это ошибочным. Советский Союз потерял во Второй мировой войне около 27 миллионов человек. Германия была агрессором, и это нельзя истолковать иначе. Вермахт в России свирепствовал невероятно. Ужасно, как умирали с голоду пленные рус- П Е Р С О Н А Уве Тимм Родился в 1940 году в Гамбурге. Изучал философию и германистику. В 1971-м защитил диссертацию по Альберу Камю. Потом получал образование в сфере социологии и экономики. Как писатель работает с 1971 года. Автор множества книг, в том числе и для детей. Удостоен ряда премий, среди которых Большая литературная премия Баварской академии изящных искусств, премия имени Кристиана Шубарта (Баден-Вюртемберг). Живет в Мюнхене и Берлине. Книга «На примере брата» вышла на русском языке в переводе Михаила Рудницкого в издательстве «Текст» в 2013-м. В «Тексте» выходили также «Ночь чудес» и «Открытие колбасы “карри”». Встреча с писателем в Москве была организована Гёте-институтом в рамках Года немецкого языка и литературы в России. ские солдаты. Мой отец, который, как и брат, воевал, видел это. Отец не был нацистом, но он был националистом». Из книги «На примере брата»: «В его дневнике ничего не говорится о пленных. Ни разу, нигде он не пишет о том, что когото взяли в плен. Либо русских убивали на месте, либо они в плен не сдавались. Третья возможность: он просто не считал такую мелочь достойной упоминания». Парень, только что закуривший сигарету – первая затяжка, потом выдох, блаженный вкус дыма, который сейчас тоненькой струйкой тянется вверх от сигареты, предвкушение следующей затяжки. О чем он думал, этот парень? О том, что скоро ему сменяться? О чае, краюшке хлеба, о своей девушке, о матери с отцом? Облачко дыма, предательски расползающееся в пропитанном влагой воздухе, клочья талого снега, талая вода в окопах, первый нежный пушок Переосмысление истории многому учит любой народ, это благотворный процесс. И становятся видны опасности » В 2007 году я был в Волгограде. Я хотел поехать туда. Я разговаривал там с людьми, в том числе с одной женщиной, которая в 14 лет с мамой и пятью братьями и сестрами оказалась среди попавших в окружение немцев. В ее рассказе не было осуждения, никаких клише: «Все немцы – фашисты». Она вспоминала, как ее младший брат был ранен осколком снаряда. Мимо проезжал на мотоцикле немецкий военный врач, увидел раненого ребенка, остановился и сказал, что сейчас ему надо в лазарет, но он вернется. И он действительно вернулся и помог ребенку. Потом эта женщина вместе с немцами рылась в мусоре в поисках еды. Это истории о человечности». Из книги «На примере брата»: «“Март 21. Донец. Заняли плацдарм над Донцом. 75 м от меня Иван курит сигареты, отличная мишень, пожива для моего МГ“ (Дневник брата; МГ – немецкий ручной пулемет. – Ред.)… Отличная мишень, пожива для моего МГ: это русский солдат, быть может, его ровесник. зелени на лугах. О чем он думал, этот русский, этот Иван, в ту секунду? Пожива для моего МГ». » Россия – часть моей истории, разговоров дома. Долгое время между Россией и Германией были хорошие контакты и понимание. Особенным стало выступление Путина в бундестаге в 2001 году: российский президент, говорящий по-немецки. Наши страны были близки, а сейчас эти отношения подвергнуты опасности: с момента кризиса на Украине понимание сильно нарушено. Аннексия Крыма с точки зрения международного права невозможна – это его нарушение. Иначе назвать нельзя. Когда в Европе последний раз были поставлены под сомнения границы, это привело ко Второй мировой войне. Но в ходе кризиса на Украине в Германии возникли антироссийские настроения, и в результате стал невозможен разумный диалог. Опять всплыли старые, времен холодной войны, клише. Я считаю это опасным. Беспокоит меня и то, что у нас в Германии дискуссия вокруг конфликта была сконцен- трирована на Путине. Все время говорят о Путине, а не о России. Сведение конфликта к одной личности я нахожу чрезвычайно проблематичным». Из книги «На примере брата»: «Получив приглашение выступить с чтением в Киеве, я вознамерился оттуда на машине доехать до Знаменки, это почти 800 километров (там был захоронен брат.– Ред.)… Я позвонил в немецкое посольство представителю Немецкого попечительства солдатских захоронений и спросил про кладбище в Знаменке. В ответ услышал, что кладбище несколько недель назад «расформировано», семь тысяч скелетов лежат сейчас в заброшенном фабричном корпусе. Но человека, у которого от этого корпуса ключи, сейчас там нет, он уехал в Крым, готовить предстоящее перезахоронение». » В Германии история была критически переосмыслена: в литературе, в частной жизни (как в моей книге) – каким образом конкретные люди были втянуты в происходившее. Состоялось ли подобное переосмысление истории в России и на Украине, мне судить трудно. Возможно, в России такого перелома, как в Германии, не было. Я сейчас в Москве видел плакаты к 9 Мая. Это все еще героизация. Почему плакаты такие? Можно ведь вспомнить и о страданиях. Большая часть их ведь выпала на Советский Союз, понесший основные жертвы. Переосмысление истории многому учит любой народ, это благотворный процесс. И становятся видны опасности. Как, к примеру, то же отключение в себе сострадания. Что сейчас как раз происходит на Украине. Если бы история была переосмыслена, тогда сказали бы: никакой войны». Подготовила Юлия Ларина Слушатели во время чтения Уве Тиммом его книги Музыкант и журналист Концерт автора «Московской немецкой газеты» Студент композиторского факультета Московской государственной консерватории Иван Гостев дал в конце апреля концерт в Российско-немецком доме (РНД) в Москве, исполнив произведения Бетховена, Шопена, Чайковского и собственные сочинения. «МНГ» попросила музыканта рассказать, что его связывает с Германией. Историю своих предков я знаю, к сожалению, не так хорошо, как хотелось бы. Знаю, что они жили в Кёнигсберге, в начале XX века перебрались в Прибалтику, жили в Латвии, после войны переехали в Россию. Моего деда звали Петер Тонигс, он играл на баяне, аккордеоне, хотя профессиональным музыкантом не был. Любовь к музыке, наверное, у меня от него. Культура Германии, ее музыка, живопись, литература мне очень близки. Бетховен – один из моих любимых композиторов. В детстве у меня была пластинка с записями сонат Бетховена в исполнении Святослава Рихтера. Рихтер, на мой взгляд, – непревзойденный интерпретатор Бетховена. Я часами мог слушать его записи. Вообще удивительно, как переплетаются российская и немецкая культуры. Один из ярких представителей такого синтеза – выдающийся композитор XX века Альфред Шнитке. Осенью 2014 года я по программе Гёте-института стажировался во Франкфурте-на-Майне. За несколько лет до того с концертами ездил по Германии – вместе с другими исполнителями мы выступали в нескольких залах, я играл сольно и в ансамбле. Один из самых интересных проектов, в которых мне довелось принять участие, – музыкально-театрализованное представление «Письма из прош- Удивительно, как переплетаются российская и немецкая культуры лого в будущее» режиссера Эрвина Гааза, основанное на письмах российских немцев. Это настолько пронзительная постановка, что иногда трудно сдерживать эмоции. За день до моего концерта в РНД там же мы играли этот спектакль. В нем я выступаю не только в качестве музыканта, но и как драматический актер. Для меня это очень интересный опыт и прекрасная возможность попробовать себя в новом качестве. Я пока не знаю, чем конкретно буду заниматься после окончания консерватории, но, несомненно, музыкой. Исполнительство и композиция для меня неразрывно связаны. Будучи композитором, исполняешь произведения других композиторов иначе. Кто-то из исполнителей сказал: «Когда я играю чье-то произведение, представляю, что это я его сочинил. Это дает возможность глубже его постичь». Вообще, своеобразное деление музыкантов на исполнителей и композиторов произошло в конце XIX – начале XX века. До того многие великие артисты сочиняли гениальную музыку: Моцарт, Паганини, Лист. Культура сейчас, к сожалению, очень зависима от внешних факторов, содержание концертов, телевизионных проектов диктует коммерческая выгода. Если посмотреть со стороны, то кажется, что современных композиторов почти нет. Между тем, каждый год в одной Московской консерватории в среднем 10 человек выпускаются с дипломом композитора. Новые имена, произведения, – это всегда риск. Пойдет ли публика, будет ли проект успешным? Но я убежден, что самое главное – продолжать заниматься своим делом. МОСКОВСКАЯ НЕМЕЦКАЯ ГАЗЕТА № 9 (400) МАЙ 2015 Из личного архива НЕМЦЫ РОССИИ П Е Р С О Н А Курс на успех Иван Гостев – студент 3 курса композиторского факультета Московской государственной консерватории имени П.И. Чайковского. В свои 22 года он уже лауреат целого ряда конкурсов. Лауреат премии по поддержке талантливой молодежи, лау- реат всероссийского фестиваля студенческого творчества «Фестос», Четвертого открытого конкурса-фестиваля имени Гнесиных, Шестого всероссийского конкурса имени Ю.Н. Холопова. Публикуется в «Московской немецкой газете». РЕКЛАМА IV НЕМЦЫ РОССИИ V Трижды репрессированные ЮРИДИЧЕСКАЯ КОНСУЛЬТАЦИЯ МОСКОВСКАЯ НЕМЕЦКАЯ ГАЗЕТА № 9 (400) МАЙ 2015 Трагические страницы истории семьи Шильдер ВЫ СПРАШИВАЕТЕ: Из личного архива В конце апреля 1925 года, 90 лет назад, было начато сфабрикованное органами ОГПУ «Дело лицеистов» – по обвинению группы выпускников Александровского Царскосельского лицея в создании организации с целью свержения советской власти и восстановления монархического строя. В 1992 году мое заявление на получение статуса позднего переселенца было отклонено по той причине, что немецкий язык был выучен на стороне, а не приобретен в семье. Хочу сейчас подать заявление на возобновление дела. Надеюсь, будет принято положительное решение. Установлен ли срок, в течение которого я должна буду выехать в Германию? С уважением, Тамара. Екатерина Шильдер В 1928 году в фонд Екатерины Пешковой, первой жены Максима Горького, занимавшейся помощью политическим заключенным, написала Анна Михайловна Шильдер: «Уважаемая Екатерина Павловна! После долгого колебания решаюсь Вас побеспокоить, обращаюсь к Вам с покорнейшей просьбой помочь мне советом или указанием, что мне предпринять для того, чтобы узнать о судьбе моего единственного сына Михаила Владимировича Шильдера. В 1925 г. по делу лицеистов я была приговорена к 5 годам Соловков. Муж мой скончался на Шпалерной до окончания дела. О судьбе сына я ничего не знаю четвертый год...». Анна Шильдер – жена генерала от инфантерии Владимира Шильдера, директора Императорского Александровского Царскосельского лицея. Он был приговорен к расстрелу, но умер в тюрьме в 1925-м. Анне Михайловне расстрел был заменен лагерным сроком. Ее сына Михаила, статского советника, секретаря военного министра М.А. Беляева, как выяснится много позже, расстреляли в том же 1925-м. Из шести членов семьи Шильдер, проходивших по «Делу лицеистов», четверо были приговорены к высшей мере наказания – расстрелу. Два приговора приведены в исполнение. У расстрелянных могил нет. Канавы – неизвестно где. Дело «О контрреволюционной монархической организации» («Дело лицеистов») было заведено на группу выпускников Александровского лицея, обвинявшихся в создании организации, целью которой было – свергнуть советскую власть и восстановить монархию. «Доказательст- МЫ ОТВЕЧАЕМ: Братья Шильдер. 1916 год. 25-я артиллерийская бригада вами» служили традиционные встречи выпускников в Лицейский день (19 октября), существование кассы взаимопомощи, ежегодные (с 1921-го) панихиды по погибшим и умершим лицеистам в разных церквах города, на которых поминались и члены императорской семьи. По этому делу были арестованы свыше 150 человек, 26 из них расстреляны, 25 приговорены к различным срокам лагерей, 29 – ссылки. В анкете было записано, что он немец, до него все поколения его предков имели в женах и мужьях только немцев Дело 1925 года продолжало начатое в 1921 году и тоже сфабрикованное дело «Петроградской боевой организации» («Дело Таганцева»), по которому, в частности, проходил поэт Николай Гумилев. Это одно из первых в Советской России дел против представителей интеллигенции с массовыми расстрелами: 96 человек были расстреляны по приговору или убиты при задержании. Расстрелян был и профессор-географ Владимир Таганцев, чье имя носит дело. По «Делу Таганцева» проходили трое членов семьи Шильдер Перепись поселений Информация о поселеI ниях и объектах культурного наследия в них, фотоматериалы, аудиозаписи, учетные карточки легли в основу реестра. Основная часть исторических справок сделана впервые в историографии немцев России. «Конечно, предстоит еще много работы по наполнению сайта, нужны экспедиции в еще неисследованные поселения, однако уже сейчас можно говорить об уникальности нового ресурса», – считает историк Александр Безносов, отвечающий в Международ- – три брата, офицеры, участники Первой мировой, имевшие боевые награды. «Заявляю, что я не виновен перед советской властью, т.к. никогда в этих организациях не только не состоял, но и не знал об их существовании», – писал в своем заявлении в декабре 1921-го Александр Евгеньевич Шильдер, штабс-капитан, георгиевский кавалер, мой дед. Тогда братьев Шильдер не расстреляли, их выслали за пределы ном союзе немецкой культуры за новый Интернет-проект, созданный при поддержке МВД Германии. «Важно знать, где какие объекты немецкой культуры находятся, – продолжает Татьяна Смирнова, – чтобы не случилось, как в Александровке – разрушили уникальную мельницу 1905 года. Теперь там пустырь. И это в Азовском районе! Что уж про другие места говорить? С уничтожением памятников уничтожается и память о вкладе немцев в российскую историю». Петроградской губернии. Александр Евгеньевич будет еще в 1925-м проходить по «Делу лицеистов» (директор лицея приходился ему дядей). Расстреляют его в период нового витка репрессий, в 1937-м. А его брат Карл Шильдер, тоже проходивший по делам 1921-го и 1925 годов, и в 1930-е будет снова арестован и проведет тридцать лет в лагерях. По одному из дел, заведенному на него в 1937-м (потом последовали другие дела), Карл Шильдер даже годом позже был оправдан. Он обвинялся в причастности к немецкой разведке и проведении шпионской, диверсионной и повстанческой деятельности. Офицер – и это постоянно отражается в материалах дела, – штабс-капитан, воевал против немцев четыре года. Он уже прошел через два дела, провел на Соловках три года, и именно он может работать на немецкую разведку, только так и не иначе. В анкете Карла Шильдера записано, что он немец, до него все поколения его предков имели в женах и мужьях только немцев. Но ведь это не задача следствия – рассматривать родословную. Кроме того, он ведь российский немец, родственники которого прожили в России не одно столетие, и все были на военной службе. Среди членов семьи Шильдер в XIX веке были несколько генералов. Генерал-адъютант Карл Шильдер, к примеру, изобрел первую в мире цельнометаллическую лодку. Как и во всех случаях дел против Шильдеров и тех, кто проходил по таким делам вместе с ними, все решения были приняты внесудебными органами. Никаких судов, никакой защиты, никаких апелляций. Ничего, только решение тройки. Все репрессированные члены семьи Шильдер были реабилитированы. Срок действия уведомления о приеме – неограниченный. Такое положение должно вызывать у этнических немцев доверие к юридическим механизмам и уверенность в стабильности правового поля, в том, что правила игры не будут меняться. Потенциальные поздние переселенцы, получившие уведомление о приеме, должны быть уверены в том, что смогут реализовать свое право на возвращение на историческую родину и в будущем. Правительство ФРГ стремится оказывать всестороннюю поддержку немецким меньшинствам, проживающим на территориях исконных областей их многовекового расселения, в том числе в России. Если бы оно поставило этнических немцев перед выбором – выехать в Германию или остаться, то это пошло бы вразрез со стремлением помочь немцам, где бы они ни жили. Поэтому немецкие политики в своих выступлениях не раз подчеркивали, что каждый этнический немец должен иметь возможность самостоятельно принять решение – переехать или остаться и быть полезным там, где в нем более всего нуждаются. ВЫ СПРАШИВАЕТЕ: Мой отец получил уведомление о приеме в Германию в 1993 году. В него был включен и я, так как на тот момент был несовершеннолетним. Отец не уехал, сейчас живет в России. В 2002 году я проходил языковой тест в Москве. Мне пришло письмо, что я могу уехать в Германию только с отцом, сам не могу – из-за плохого знания языка. Моя супруга знает немецкий хорошо. Могу ли я уехать в Германию без отца, и что мне для этого надо сделать? С уважением, Алексей. МЫ ОТВЕЧАЕМ: Вы можете как заявитель, без участия отца, подать ходатайство в Федеральное административное ведомство о присвоении вам статуса позднего переселенца. Если вы сможете доказать свою декларативную принадлежность к немецкой национальности, вам достаточно будет сдать экзамен в форме теста на знание немецкого языка. Юридическая служба «МаВи групп» [email protected] VI И С Т О Р И Я И К У Л ЬТ У РА Утопия на Волге Отрывок из книги Вышел роман о городе, которого нет Театровед, музыкальный критик, либреттист, переводчик и поэт Алексей Парин выпустил роман, действие которого разворачивается в Леонске, городе на Волге, расположенном неподалеку от Астрахани. Город якобы возник в XVIII веке – туда приехали немцы, а вслед за ними итальянцы. Из личного архива Юлия Ларина лекционером, он упоминается даже в романах Горького, – рассказывает Алексей Васильевич. – А в доме моего деда в Казани сейчас репетиционное помещение симфонического оркестра Татарстана». Дед Парина изучал органическую химию в Берлине, мама в детстве говорила гораздо лучше по-немецки, чем порусски. Сам он знает немецкий, английский, французский, итальянский, шведский, латынь и древнегреческий. «Все языки я учил с домашними преподавателями, а немецкий – в школе, – говорит он. – Но это было странное изучение: я открывал учебник в начале года, пролистывал – и уже все знал. Я унаследовал способность к языкам от своего отца». Отец, Василий Парин, был крупным советским физиологом. Алексей Васильевич начинал тоже не с литературы – с молекулярной биологии. Потом РЕКЛАМА Повествование в романе «Хроника города Леонска» ведется от лица пожилого немца Генриха Ленрота, жившего под Фрайбургом, но в 1990-е вслед за любимой переехавшего в Леонск. Из того же немецкого города были предки и 5-летнего героя романа Марка Волкова: «Волковы-Вульфы принадлежали к одному из семейств, которые приехали на Волгу по приглашению Екатерины Второй и составили основу населения Леонска. Они-то были немцами, из Фрайбурга, но среди первых поселенцев было много итальянцев, из Венеции, и именно от них и пошли лёвчики, ставшие со временем главной достопримечательностью Леонска». Лёвчики – это маленькие львы, величиной с собаку, очень добродушные. Они прижились в Леонске, и современные жители их тоже держали. Действие романа происходит в 2012 году. Основные события разворачиваются в тот момент, когда в город приезжает новый мэр, назначенный сверху. «Мы приводим страну к единой системе взглядов, – объясняет он. – Несогласные в других городах, покрупнее Леонска, уезжают за границу, отсиживаются в кафе, болтают по радио без видимого успеха. Несогласие остается в рамках тесного круга… А вы в Леонске думаете, что можете жить по-своему, как раньше». Город Леонск и его история Алексею Парину приснились. Хотя города, спланированные и возникшие за короткое время, в мире существуют. Предки самого Парина тоже приехали в Россию и тоже жили на Волге, правда, это другая история. Его прадед по фамилии Марко происходил с острова Лесбос и оказался в России в конце XIX века. «Мой прадед был самым богатым человеком на Волге, кол- МОСКОВСКАЯ НЕМЕЦКАЯ ГАЗЕТА № 9 (400) МАЙ 2015 стал переводить (от Софокла и Овидия до Ницше), писать либретто – участвовал в создании более десятка опер в России и Германии. Десять лет был художественным руководителем фестиваля Sacro Art в немецком Ребурге-Локкуме. Он выступал с докладами в Католической академии архиепископства Фрайбурга, Евангелической академии Локкума. «Мне было важно знать, как Германия изживала свое нацистское прошлое, – объясняет он. – Американцы дали деньги на академии, в которых обсуждались самые острые общественные вопросы, чтобы сознание немцев менялось. В Австрии этого не было, и там коричневые следы гораздо более ощутимы». По словам Парина, в Германии у него друзей даже больше, чем в Москве, и за образами, которые есть в романе, стоят реальные люди. Леонск возник неподалеку от Астрахани вместе с другими поселениями немецких колонистов в 70-е годы XVIII века. Он как-то сразу занял особое место: сюда приехали в основном интеллектуалы, которые замыслили создать нечто необычайное. Говорят, что тут действовали крупнейшие архитекторы своего времени, и в это можно поверить. Пройдите по городу – и вы увидите логику безупречно продуманного градостроительства. Конечно, самих высоколобых немцев было не так уж много – что-то около 600 человек, но перечень их украшали такие имена, что в Леонск стеклись не только из России, но и из Восточной Европы лучшие умы: даже ненависть к России не останавливала поляков и иных пострадавших. Город построился необычайно быстро и скоро уже насчитывал чуть не сто тысяч жителей. В нем вырос свой небольшой университет, театр, в котором играли драмы и оперы. В нем раскрасовалась высокая, словно вознесенная над Волгой набережная, по которой вечерами гуляли буквально все. Конечно, слышались разные языки, потому что внутри семей сохраняли наречия предков, но по обоюдному согласию всех основателей города главным, центрующим языком был выбран русский. И все колонисты старались выучить его как полагается. А венецианцы – причем самые что ни на есть родовитые – отправились сюда, до смерти напугавшись взятия Бастилии. В Европе тогда вообще пошла волной паника, и многие кинулись кто куда. А Серениссима и без того влачила в то время довольно жалкое существование, потеряв свое безоговорочно первое место в международной торговле, и как будто бы безвольно ждала своей юридической смерти. Вот семейство Гримальди и решило отправиться в дальний путь, за тридевять земель, по увещеваниям Гольдмунда Рейнеке, приехавшего на неделю из Леонска по каким-то научным делам. Гольдмунду доверяли – он подолгу бывал в Венеции в 70-е годы, высоко котировался как знаток химии стекла, знал всех стеклодувов Мурано и славился своим здравомыслием. Он так расхваливал Екатерину Вторую с ее немецким умом и русской широтой, так расписывал все щедроты и прелести Леонска, что артистичный Энцо Гримальди, шестидесятилетний аристократ, многоумный книжник, заботливый отец и нежный дед, решился на порывистое бегство прочь от когтей французских бунтарей. Собрались в неделю – а вы понимаете, сколько всего надо было взять с собой семье из двадцати двух человек с тридцатью четырьмя слугами! Но этого мало – Гримальди позвал к себе на ужин лучших своих друзей, всех видных патрициев Венеции, и Рейнеке как будто невзначай стал бросать фразу за фразой о России, встающей с колен, о вольном житье немцев на Волге, о Леонском театре, в котором играли оперы Траэтты и Пиччинни, об университете, куда уже приезжал с лекциями молодой Фихте. Обычно застылые в своем патрицианском величии лица Морозини и Контарини, Дандоло и Градениго стали покрываться нервным румянцем, тяжелые веки над потускневшими глазами словно лишились своего веса, а сами глаза увлажнились и зажглись какимто лиловатым блеском. Короче говоря, через неделю, с промежутком в один-два дня, чтобы не создавать паники, из Венеции уплыли в сторону Черного моря, ни больше не меньше тринадцать знатнейших семейств города святого Марка. К Н И Г А Роман «Хроника города Леонска» Алексея Парина вышел в издательстве «Новое литературное обозрение». Язык Гёте-института Согласно опросу, провеI денному Гёте-институтом в российских университетах в 2014-м, перспектива учебы в Германии – одна из главных причин изучения студентами немецкого. Среди других – преимущества при повышении квалификации и в профессиональной деятельности. «С немецким к вершинам!» – призвали студентов восемь ведущих московских университетов и вместе с Гёте-институтом, DAAD и Freie Universität Berlin (Свободным университетом Берлина) в рамках Года немецкого языка и литературы провели II всероссийскую студенческую олимпиаду по немецкому языку. В ней приняли участие свыше 2 тысяч человек из более ста городов. В итоге восемь победителей на уровнях А2 и В1 были награждены поездкой в Германию с посещением университетов земли Северный Рейн-Вестфалия, а 11 человек, лучше других владеющие немецким на уровнях В2 и С1, получили стипендии на участие в летних курсах немецких университетов. Вручение состоялось 25 апреля во время студенческого фестиваля «Немецкий на Флаконе», который прошел по случаю завершения олимпиады. Среди знатоков немецкого были и российские немцы. Они получили также призы от Международного союза немецкой культуры. юл V II И С Т О Р И Я И К У Л ЬТ У РА МОСКОВСКАЯ НЕМЕЦКАЯ ГАЗЕТА № 9 (400) МАЙ 2015 «Юнкерсы» для диктатуры пролетариата Игорь Андреев Всемирно известный завод имени Хруничева, ведущая производственная база российской ракетно-космической промышленности, это и есть бывший авиазавод компании «Юнкерс». В 1925-м германские специалисты покинули нашу страну, а построенное ими предприятие, по сути, безвозмездно перешло в собственность СССР. В Россию Поначалу сотрудничество складывалось прекрасно. За пару месяцев до знаменитого Рапалльского договора 1922 года, который среди прочего благоприятствовал развитию экономических связей между РСФСР и Германией, нарком иностранных дел Георгий Чичерин писал Ленину: «Никакие наши заверения не рассеют опасений иностранного капитала. Он пойдет к нам только в том случае, если по общей нашей физиономии создаст себе убеждение в том, что идти к нам безопасно». Судя по последовавшим событиям, «наша физиономия» пришлась недавнему противнику по душе. По условиям Версальского договора все оставшиеся после войны немецкие военные самолеты подлежали уничтожению, а производство и покупка военной Завод Юнкерса в Дессау (Германия), 1928 год авиатехники были запрещены. В апреле 1921-го так называемый «Лондонский ультиматум» вообще распространил ограничения на летательные машины любого назначения. Через год, правда, вышло послабление: немцам разрешили строить исключительно гражданские самолеты. Немец Хуго Юнкерс увлекся авиацией будучи вполне состоявшимся 50-летним профессором механики Ахенского университета, человеком, в одиночку основавшим целую отрасль промышленности – производство бытовой водогрейной техники. В эпоху легчайших бипланов и даже трипланов, игравших в разгар Первой мировой войны роль истребителей и разведчиков, Юнкерс строит в 1915 году полностью металлический экспериментальный самолет. Из дюралюминия, производство которого к тому времени было налажено в Германии. К удивлению конструктора, в совет- ской России понимают всю перспективность металлического самолетостроения. Исходные условия, поставленные немцам, предусматривали, что компания возводит в Филях полноценные цеховые помещения, привозит и монтирует необходимое оборудование, нанимает немецких и российских работников. И каждый год производит 300 самолетов, 60 из которых приобретает РСФСР. Остальными концессионер волен распоряжаться по своему усмотрению, например, тайно продавать рейхсверу. И если во всей советской авиапромышленности в 1925 году трудилось 5114 человек, то на одном только заводе Юнкерса – 1000. Из России Практически сразу после пуска предприятия начались проблемы. Советские эксперты посчитали, что летно-технические параметры военных моделей (договари- О высоком Пролетая над Боденским озером В начале мая в местечке Эглофс, недалеко от Боденского озера, прошел крупнейший в Южной Германии фестиваль воздухоплавателей Eglofser Feuerzauber. Участники из нескольких стран в возрасте от 21 года до 60 лет пролетели над живописными местами Баварии на воздушных шарах. Юлия Шефтелевич Идея фестиваля Eglofser Feuerzauber, на котором единомышленники смогли бы встретиться и получить удовольствие от совместного полета, возникла в 2003 году и связана с 20-летним юбилеем немецкого клуба аэронавтов Voralpenland e.V. Тогда идею поддержали 20 команд, а также зрители, которых оказалось неожиданно много. После чего организаторы задумались о том, чтобы проводить праздник ежегодно. Сейчас фести- валь, прошедший уже 13-й раз, объединяет команды из разных стран Европы. В этом году в нем участвовали представители Германии, Швейцарии, Австрии и Великобритании. Председатель спортивного клуба воздухоплавателей Voralpenland Гельмут Шойерле говорит, что участники – это не только профессиональные спортсмены. Каждый год их ряды пополняют так называемые романтики. Они не имеют цели выиграть кубок, а просто хотят насладиться здешней красотой. Неслучайно местом проведения фестиваля выбрано лежащее в предгорье Альп Боденское озеро, третье по величине в Центральной Европе. Определенного маршрута у участников Eglofser Feuerzauber нет, ведь многое зависит от погоды. В основном пилоты совершают полет над Боденским озером на высоте до 3000 метров. «Для участников настоящее захватывающее приключение – с высоты посмотреть на наш альпийский край, – рассказывает Шойерле. – В нынешнем году зарегистрировались 60 команд, что говорит о возрастающей популярности этого вида спорта. Помимо возможности открыть для себя неизведанные уголки планеты, еще одним преимуществом воздухоплавания является безопасность, так как аэростаты – одни из самых надежных летательных аппаратов». В Германии существуют специальные школы и клубы воздухоплавателей, в которых можно обучиться полету на воздушном шаре, и для этого необязательно обладать определенными физическими качествами. Разница между обучением в школе и клубе – в финансовых затратах. В школе, где учат около года, к ученику прикрепляется персональный наставник, отсю- вались строить в России именно их) недотягивают до заявленных. Немцы настаивали, что это пробные, опытные машины и их следует рассматривать как учебные. Сегодня трудно установить, кто из партнеров был прав. Важно, однако, отметить, что большая часть построенных в Филях самолетов благополучно дослужила в авиации рабоче-крестьянской Красной армии и на флоте до начала 1930-х. На стадии переговоров о концессии РСФСР обязалась купить первые сто самолетов по твердой цене, исходя из почасовой оплаты труда на заводе в 18 копеек золотом. Но себестоимость продукции оказалась выше, чем продажная цена. Вокруг завода складывалась нездоровая и даже опасная ситуация. И дело было не только в экономических причинах. Революционные события в Германии, так активно подогреваемые Коминтерном, то есть, по сути, советскими властями, сошли на нет и в конце 1923 года привели к антикоммунистической реакции. В декабре Феликс Дзержинский приказал постоянно надзирать за деятельностью филевских концессионеров. Угадав желаемый результат слежки, органы ОГПУ дали четкий ответ: компания Юнкерса преднамеренно строит в России негодные в военном отношении самолеты и ведет в ходе полетов над страной воздушный шпионаж. Сотрудники Юнкерса занимаются контрабандой и для диверсионных целей тайно ввозят в СССР яды и отравляющие газы. С Юнкерсом, выпустившим в России всего полторы сотни самолетов, решено было расстаться любым путем. Заводскую документацию, как радостно доложили «органы», благополучно скопировали, а сам завод после расторжения договора, точнее изгнания Юнкерса из России, наметили оставить в собственности государства. СССР отныне взял курс на копирование, часто незаконное, иностранных образцов техники. Так начиналась социалистическая индустриализация в авиации. Советская эпопея дорого обошлась Хуго Юнкерсу. Гитлер в начале 1933 года, едва заняв пост рейхсканцлера, издал закон «О защите государства и народа». Согласно ему, предприятия, чьи владельцы не поддерживали нацистов, переходили в собственность рейха. К лету 1933-го Юнкерс покинул родной Дессау, обосновался в Баварии, где и скончался в феврале 1935 года, в день своего 76-летия. Никакого отношения к боевым «юнкерсам» со свастикой на килях он не имел. Eglofser Feuerzauber 90 лет назад, в 1925 году, концессионный авиазавод немецкой компании «Юнкерс» в Филях получил последний заказ от Красной армии. Еще через два года партнеры, обвиняя друг друга во всех грехах, расторгли договор. Bundesarchiv, Bild 183-R14718 / CC-BY-SA Еще при Ленине развить советскую авиацию помог немецкий капитал Участники фестиваля наслаждаются красотой природы да довольно внушительная стоимость курсов – 5000–8000 евро. Более доступный способ стать пилотом аэростата – вступить в клуб воздухоплавателей. Здесь наставники работают на общественных началах. Они берут учеников к себе в команду и тем самым помогают им вжиться в роль пилота. Чтобы вступить в такой клуб, необходимо заплатить примерно 1000 евро. По словам Гельмута Шойерле, ученик, освоивший теоретические знания в клубе воздухоплавателей и совершивший 50 обучающих полетов, может получить лицензию, разрешающую самостоятельные полеты. Далее все зависит лишь от его заинтересованности. Возможно, в будущем он также станет одним из участников фестиваля в Эглофсе. VIII НЕМЕЦКИЙ ЯЗЫК МОСКОВСКАЯ НЕМЕЦКАЯ ГАЗЕТА № 9 (400) МАЙ 2015 Der merkwürdige Begriff „Erinnerungskultur“ Wie die Deutschen lernten, den Zweiten Weltkrieg aufzuarbeiten* Die Frage nach dem aktiven Befreier blieb noch zweitrangig. Dennoch waren der Zweite Weltkrieg und seine Folgen jetzt in aller Munde*: Man fragte sich und wurde gefragt, ob man schuldig sei, sich schuldig fühle; man musste sich dazu positionieren, ob ein Kollektiv schuldig sein könne und ob diesem Kollektiv auch die Nachgeborenen angehörten, ob man also als Deutscher schuldig sei. Franzosen bescheinigt* man eine Esskultur, Religionen haben eine Begräbniskultur. Die spanische Siesta ist vielleicht eine Schlafkultur. In jedem Fall geht es um ein Kollektiv von Menschen, das etwas teilt, anders gesagt: kultiviert. Deshalb ist es eine Kultur. Von Lucia Geis Aufarbeitung II Wikipedia Etwas sehr Persönliches ist dagegen Erinnerung. Alle hatten einen ersten Schultag. Aber die Erinnerung an die Schultüte, in der unter den in Deutschland üblichen Süßigkeiten ein Buch lag, ist persönlich. Viele hörten Erzählungen der Großmütter. Persönlich ist aber die Erinnerung an eine Erzählung vom Nachkriegswinter 1945/46, als die eigene Großmutter wöchentlich versuchte, von der zerstörten Großstadt zu 50 Kilometer entfernten Bauern zu kommen: Sie wollte Silbergabeln gegen Eier tauschen. Das sind erinnerte Geschichten, oft über Alltagshelden*, aber keine Kultur. Was ist also Erinnerungskultur? In jedem Fall ein langer Weg und eine Arbeit, die verdrängte* Geschichte wieder ans Licht bringen möchte. Der Zweite Weltkrieg, die zigmillionen Kriegstoten und der Versuch der Auslöschung* der Juden sowie aller anderen für minderwertig* erklärten Menschen (Roma und Sinti, Homosexuelle, Kommunisten, Behinderte, Slawen) war für Deutsche lange das ins Dunkle Verdrängte. Anfang der 80er Jahre verließ die Mehrheit der Westdeutschen die Schule, ohne viel davon zu wissen. Man interessierte sich für Feminismus und die So banal sieht das Böse aus: „Der verlassene Raum“ in Berlin. Rote Armee Fraktion* (nicht die Rote Armee). Juden kannte man nicht, denn in den meisten Kleinstädten gab es keine mehr. Großväter erwähnten bei Familientreffen Italien oder Russland und sahen dabei aus, als hätten sie plötzlich Zahnschmerzen. Ihre Erinnerung kurierten* sie dann auch genauso: mit einem Schnaps. Das Kind hörte dabei zum ersten Mal die fremdklingenden Wörter Grappa und Wodka und fragte nichts. Die Eltern blickten ratlos, als 1978 die amerikanische Serie „Holocaust“ ins Fernsehen kam: Können (müssen) wir das unseren Kindern zumuten*? Wir durften (mussten) es sehen und alle schwiegen. Aufarbeitung I Und dann kam 1985. Und Richard von Weizsäckers Rede zum 8. Mai 1945. Von Weizsäcker, als Oberleutnant an der Blockade Leningrads beteiligt und später eng mit den Hitlerattentätern um Oberst von Stauffenberg befreundet, war seit einem Jahr Deutscher Bundespräsident. 40 Jahre nach Kriegsende sprach er vom 8. Mai als einem „Tag der Befreiung“ und wusste, dass er damit *Lesehilfe Aufgaben aufarbeiten: sich nach langer Zeit intensiv mit etwas beschäftigen bescheinigen: etwas über jemanden sagen, das wahr ist der Alltagsheld: ein Mensch, der im Alltag etwas macht, das wichtig und mutig ist verdrängen: Schreckliches vollkommen vergessen die Auslöschung: völlige Vernichtung minderwertig: etwas, das wenig wert ist die Rote Armee Fraktion: links-terroristische Gruppe der 70er und 80er Jahre in Westdeutschland kurieren: heilen, gesund machen zumuten: etwas Unangenehmes verlangen das verminte Terrain: ein Gebiet, in dem explosives Material liegt; hier: ein Tabu das Gemüt: der Charakter säen: Bauern säen Samen; hier: für etwas verantwortlich sein in aller Munde sein: jeder spricht über dieses Thema sich bekennen: öffentlich sagen, dass man Teil von etwas ist fortan: von diesem Moment an stolpern: über ein nicht gesehenes Hindernis fallen, Stolpersteine fordern also zur Aufmerksamkeit auf die Bestialiät: sehr grausame Tat die Morddrohung: Ankündigung, jemanden zu töten 1. Welche Adjektive passen zu … a) Erinnerung b) Erinnerungskultur gelernt, individuell, spontan, gesellschaftlich 2. Wovon wurden die Deutschen 1945 befreit und warum war das Wort für viele ein Problem? Wikimedia / Roland Mattern 3. Was ist ein „Erinnerungsort“? vermintes Terrain* betrat. Schnell waren sie dann auch da – die Fragen der empörten (west-)deutschen Öffentlichkeit: Wie kann man als Deutscher von Befreiung sprechen, wenn deutsche Städte zerbombt und Millionen Deutsche vertrieben worden waren? Neutrale Gemüter* hatten bislang von Kapitulation gesprochen, emotionale von Niederlage. Aber Befreiung? Nur in der DDR, wo man Befreier und Kämpfer gegen den Faschismus (nicht als Opfer, sondern als Widerstand) mit Denkmälern und Straßennamen ehrte, wurde das Wort benutzt. Von Weizsäcker jedoch war alles andere als ein Sozialist. Da außerdem ein kluger Mensch, tat er das eine, ohne das andere zu lassen: Er sprach von Befreiung und gleichzeitig vom Leid vieler Deutscher am Kriegsende, das er allerdings als Folge des Leids, das die Deutschen weltweit gesät* hatten, verstand. Und von eben dieser Saat des Nationalsozialismus war Deutschland 1945 befreit worden. Von Weizsäcker erklärte den Deutschen, auch sie könnten es als Glück empfinden, befreit worden zu sein. Das grammatische Passiv lenkte dabei die Aufmerksamkeit erst mal nur auf den Vorgang der Befreiung. Lösungen Das Leben der Opfer sichtbar machen: Stolpersteine in Osnabrück. Und dann kamen 1990 und die deutsche Wiedervereinigung. Damit war für Deutschland der Zweite Weltkrieg an ein „glückliches“ Ende gekommen. Friedlich hatten die Deutschen das erreicht und es sich dadurch verdient, wieder in die Gemeinschaft souveräner Staaten aufgenommen zu werden. Aus dieser Position heraus bekannte* Deutschland sich zu seiner Schuld. Die persönliche Erinnerung an Krieg(serzählungen) wandelte sich zu öffentlichen Diskursen über Fakten. Kunst war neben Wissenschaft fortan* gefragt, um die Systematik der Vernichtung (die Täter) und die Schicksale der Ermordeten (die Opfer) im Alltag der Gegenwart sichtbar zu machen. „Erinnerungsorte“ eroberten den öffentlichen Raum, und ein Besuch dieser Orte gehört seitdem für jede Schulklasse zum Unterricht. Über das „Ob“ der Erinnerung war man sich einig, manchmal wurde noch über das „Wie“ gestritten; zum Beispiel bei den „Stolpersteinen“* – kleinen Messingplatten auf den Gehwegen vieler Städte, die mit Namen, Geburts- und Deportationsdatum an die einst dort lebenden Opfer des Nationalsozialismus erinnern. Die Münchner jüdische Gemeinde befürchtete, Juden könnten hier wieder mit Füßen getreten werden. Wer durch Berlin läuft, dem werden die Leerstellen, die der Holocaust hinterlassen hat, an jeder Straßenecke bewusst. Ihre Gegenwart ist manchmal verwirrend und dennoch Teil des Alltags, so am Koppenplatz: Autoverkehr, Galerien, ein Seniorenheim, Cafés, ein Spielplatz und mittendrin ein Tisch, ein stehender und ein umgefallener Stuhl. Erst bei genauem Hinsehen entdeckt man Nelly Sachs‘ Gedicht „O, die Schornsteine“ – ein Erinnerungsort zum Gedenken an die deportierten Juden des Viertels. 1996 vom Bildhauer Karl Biedermann entworfen, zeigt „Der verlassene Raum“: So schnell kann jeder Opfer werden. Die Opfer sind unter uns, nach einem langen Weg. Wir kennen sie und ihr Leid – und auch die Täter, ihr Unrecht, ihren Wahn und ihre Bestialität*. Und dennoch: Es gibt wieder Brandanschläge auf Synagogen und Flüchtlingsheime, Morde an Migranten, Morddrohungen* gegen Journalisten sowie Dorffeste, bei denen Anne Franks Tagebuch ins Lagerfeuer geworfen wird. Aber es gibt auch eine Zivilgesellschaft, die das nicht will und sich wehrt. Das ist Erinnerungskultur. 1. a) individuell, spontan; b) gelernt, gesellschaftlich 2. Vom Nationalsozialismus; schwierig, weil es zerstörte Städte, Vertreibung, ein geteiltes Deutschland gab 3. Ein Ort, dem die Funktion zugesprochen wird, Menschen an etwas zu erinnern; das kann durch ein Kunstwerk, die geografische Lage oder auch durch etwas Immaterielles wie einen Begriff (z.B. „Stolperstein“) erzielt werden Московская немецкая газета, №400 от 6 мая 2015 г., № заказа 2109-2015. Свидетельство ПИ-№77-11595 от 14 января 2002 г. Тираж 25 000 экз. Учредитель: Ольга Мартенс, Генрих Мартенс. Издатель: АО «МаВи групп». Главный редактор: Боян Крстулович. Адрес редакции: 119435, Москва, ул. Малая Пироговская, д. 5, оф. 54, e-mail: [email protected], тел.: +7 (495) 531 68 87. Газета в розницу не распространяется. Мнение авторов может не совпадать с позицией редакции. Отпечатано в АО «Красная Звезда», 123007, Москва, Хорошевское ш., 38. 09 ZEITGESCHEHEN MOSKAUER DEUTSCHE ZEITUNG Nr. 9 (400) MAI 2015 Engste deutsch-russische Beziehungen Drei Paare erzählen über die besondere Verbindung ihrer Länder Viel ist in letzter Zeit über „Verstimmungen der deutschrussischen Beziehungen“ zu lesen. Für die engsten Beziehungen zwischen den Menschen beider Länder gilt das aber offenbar nicht: Drei russisch-deutsche Paare erzählen ihre persönlichen Geschichten von Kennenlernen, Sprachen, Hochzeit und gemeinsamen Zukunftsplänen. Von Simon Schütt Dieter Sieckmeyer (55) aus Düsseldorf und Inga Sieckmeyer (48) aus Moskau Der Lebensmittelpunkt wird in Deutschland sein, aber sie werden weiterhin nach Russland zu Ingas Familie und Freunden fahren. Die MDZ wünscht den frisch Vermählten viel Glück und Liebe für ihr kommendes gemeinsames Leben und einen reibungslosen Umzug nach Deutschland. Rainder Steenblock (67) aus Leer und Elisaweta Kasymowa (53) aus Moskau Dass sie sich überhaupt näher kennenlernten, verdanken sie einem großen Zufall und ein wenig auch den berüchtigten Moskauer Staus: Der Fahrer des Wagens, der den damaligen Bundestagsabgeordneten der Grünen, Rainder Steenblock, zum Moskauer Flughafen bringen sollte, war krank. Elisaweta Kasymowa sprang daher als Chefin eines Moskauer Tourismusunternehmens ein und fuhr ihn persönlich zum Flughafen. Die Fahrt dauerte wegen der Staus lange genug, um Interesse füreinander zu finden, berichtet der Ex-Umweltminister Schleswig-Holsteins. Über sein politisches Mandat hatte er häufig mit Russland zu tun. Elisaweta hatte er kurz vor jener Autofahrt im Frühjahr 2009 auf einer Tourismusveranstaltung in Moskau kennengelernt, an der auch amerikanische, deutsche und russische Politiker teilnahmen. Nach dem gemeinsamen ImStau-Stehen blieben sie per Mail in Kontakt und als Steenblock zwei Wochen später wieder einen Termin in Moskau hatte, trafen sie sich, um länger zu reden und sich besser kennenzulernen. Ab Mitte 2009 wechselten sie auf Skype. Meist sprechen sie Englisch miteinander. „Das ist für beide ein angenehmer Mittelweg“, sagt er. Seitdem trafen sie sich dann etwa einmal im Monat – mal in Berlin, mal in Moskau, wo Elisaweta eine Datscha hat. „Wir streben aber ein gemeinsames Zentrum an – also eine relative Verlagerung des Lebensschwerpunkts.“ Die Tendenz gehe momentan zu Deutschland, aber noch sei nichts entschieden. Allein wegen der Mutter seiner Lebensgefährtin und ihrer Kinder aus einer vorherigen Ehe werde man aber häufig nach Russland reisen. Lustigerweise seien sie nun auch beide kurz nacheinander Großeltern geworden. Deutsch-russische Beziehungen seien aber nicht immer nur einfach, sagt der studierte Psychologe. Bei ihnen sei sie durch die unterschiedlichen Kulturerfahrungen geprägt – er ein 68er, sie in der Sowjetunion aufgewachsen. „Die Beziehung beider Länder zeichnet eine besondere Intensität aus – nicht immer positiv.“ Es sei aber spannend, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten. Für Elisaweta habe etwa die Familie eine deutlich größere Bedeutung. Das bewege sich irgendwo zwischen Fürsorge und zu viel Kontrolle – er empfände es manchmal als zu viel, dass sie jeden Tag Kontakt zu ihrem Sohn und ihrer Mutter habe. Aber auch Werte-Streits gebe es bei ihnen: „Wenn wir an einem homosexuellen Pärchen in Berlin vorbeigehen oder eines im TV sehen, kommt von ihr ein angeekeles ‚Pfuh!‘. Wir haben uns deswegen einige Male gestritten.“ Mittlerweile hätten sie sich damit abgefunden, dass sie sich dabei nicht einigen können. „Alles in allem haben wir es aber immer gut hingekriegt“, sagt er – ganz wie ein Politiker. Hans Wagner (55) aus Frankfurt und Oxana Nikolajewna (38) aus Moskau „Wir haben uns 2011 bei einem gemeinsamen Meeting in der Schweiz kennengelernt. Und da hat es gefunkt“, berichtet Hans Wagner aus Frankfurt über die Beziehung zu seiner Oxana. „Vorher hatte ich null Berührungspunkte mit Russland. Ich war noch nie da und es hat mich auch nie gereizt. Das hat sich in den Jahren dramatisch geändert.“ Momentan fliegt er alle drei bis vier Wochen nach Moskau. „Dann holen wir in den vier Tagen, die ich dort bin, das Familienleben komprimiert nach“, sagt er. Oxana hat einen 9-jährigen Sohn, Jewgenij. Mit dem Jungen unterhalte er sich „mit Händen, Füßen, Google Übersetzer und Mama.“ Russisch spreche er leider nicht sehr gut. „Ich habe mal Kurse gemacht und habe derzeit per Skype eine Stunde in der Woche, aber dadurch, dass meine Partnerin perfekt Englisch spricht, wird man doch sehr bequem.“ Bei der zukünftigen Schwiegermutter sei es genauso, obwohl sie in der Schule mal ein paar Worte Deutsch gelernt habe. „Man mag sich gegenseitig. Das ist eine gute Voraussetzung für Verständigung“, sagt er liebevoll. „Ich komme mit der russischen Mentalität super klar. Mir gefällt diese amerikanische, teilweise gespielte Freundlichkeit nicht, deswegen fühle ich mich in der Metro pudelwohl. Im Privaten ist es dann aber eine sehr warme und schöne Atmosphäre und es herrscht ein großer Zusammenhalt in der Familie. Das mag ich sehr.“ Mittlerweile fühle es sich an, wie nach Hause zu kommen, wenn er in Moskau lande, berichet Wagner – obwohl die Reisen natürlich mühsam seien. Leider sieht es derzeit so aus, dass die Fernbeziehung zwischen Deutschland und Russland weitergehen müsse. „Dank der Technik können wir uns ja kostenlose Textnachrichten schicken und am Abend videotelefonieren.“ Im Winter stand er kurz davor, nach Russland zu gehen und führte Gespräche mit seinem Arbeitgeber, einer amerikanischen Chemiefirma. Er bekam dann aber wegen der wirtschaftlichen Lage und des angebotenen befristeten Jahresvertrags kalte Füße. Dennoch plant Wagner Richtung Russland: „Ich bin in den letzten Zügen einer Scheidung und danach peilen wir eine Hochzeit an. Damit will ich nicht warten, bis ich in Rente bin. Ich schaue jetzt nach Job-Möglichkeiten und will den Schritt machen.“ Einen angenehmen Nebeneffekt hätten die vielen Reisen aber: Im Koffer bringe er sanktionierte Lebensmittel aus Deutschland mit. „Oxana ist das Beste, was mir je passiert ist“, sagt er. Das werde er um keinen Preis mehr aufgeben. Egal, wie umständlich das sei. Das Leben sei nun einmal kein Wunschkonzert. Simon Schütt Privat (2) Er werde am 5. Mai seine Inga in Moskau heiraten, schrieb uns Dieter Sieckmeyer, Journalist bei der Düsseldorfer „Westdeutschen Zeitung“ Ende April. Dass in diesen Zeiten eine Frau aus Moskau und ein Mann aus Düsseldorf heiraten, sei nicht selbstverständlich. In den letzten zwei Jahren habe sich so viel verändert. Daher wolle er uns von ihrer Geschichte erzählen: „Wir lernten uns 2013 in BadenBaden kennen“, fängt er an zu berichten. Er feierte dort seinen Geburtstag, sie machte Urlaub und saß am Nachbartisch. „Sie war mein Geburtstagsgeschenk“, sagt Sieckmeyer und lächelt dabei seine Frau an, die ihm bei unserem Treffen in Moskau einige Tage vor der Hochzeit gegenüber sitzt. Sie tauschten ihre E-Mail-Adressen aus, ursprünglich, weil er Russisch lernen wollte und sie im Austausch Deutsch oder Englisch. Auch jetzt unterhalten sie sich auf Englisch. Danach schrieben sie häufig, telefonierten per Skype und beschlossen dann, sich endlich wieder persönlich in Rom zu treffen. Rom ist eine tolle Stadt für Verliebte, sagen beide dazu schmunzelnd. Gleich am ersten Abend hielt Dieter um ihre Hand an – das war am 19. April 2013. Seitdem sahen sie sich jeden Monat und schmiedeten Pläne für ihre gemeinsame Zukunft. Für die Hochzeit hat sich der 55-jährige eine besondere Überraschung ausgedacht: Er hat für seine Inga ein Lied aufgenommen. Sieckmeyer ist neben seinem Beruf als Journalist auch Musiker. Wenn Inga traurig war, weil sie so weit voneinander entfernt lebten, spielte er ihr auf der Gitarre vor und schrieb dafür ein Lied für sie. Dieses Lied nahm er auf und schenkte es nun seiner Frau zur Hochzeit. Die Hochzeit fand im Moskauer Standesamt Nummer Vier statt – bei fantastischem Wetter und einer kleineren Gesellschaft von 16 Gästen. Sie entschieden sich für Moskau, weil sie für die Hochzeit in Deutschland noch mehr Unterlagen benötigt hätten – Übersetzungen und Apostillen braucht man allerdings immer. Außerdem konnte so auch die Familie der Braut anwesend sein. „Wir hatten eine wunderbare Feier und wir haben ein Erinnerungsfoto am Roten Platz gemacht. Meine Frau hat sich sehr über mein Lied gefreut und im Restaurant The Golden Fish gab es sogar eine Bühne. Es war ein unvergesslicher Tag“, berichtet der Bräutigam. Nach der Hochzeit wird die Familie mit Ingas Tochter Uljana nach Düsseldorf ziehen – erst in Dieters Wohnung, dann sucht man eine gemeinsame Bleibe. Am Tag der Hochzeit musste bereits ein Schrank aus Dieters Wohnung weichen, der Inga nicht gefiel. „Das wird natürlich eine große Umstellung, aber für mich ist das in Ordnung. Hauptsache wir leben endlich zusammen“, sagt Inga. Auch Teenagerin Uljana, die sich in der 8. Klasse befindet, wird mit ihnen umziehen. „Ich habe darüber noch nicht zu viel nachgedacht, aber es wird bestimmt interessant.“ Momentan suchen sie noch nach einer geeigneten Schule in Düsseldorf, in die sie ab Sommer für die restlichen drei Jahre gehen kann. Dabei hat die Familie Sieckmeyer allerdings Glück, weil eine Freundin von Inga – auch eine Russin, die einen deutschen Mann heiratete – im Herbst ebenfalls mit ihrer Tochter nach Düsseldorf zog. So kann sie ihnen nun Tipps geben und von ihren Erfahrungen berichten. Inga und Dieter Sieckmeyer mit Ingas Tochter Uljana. Das Paar hat am 5. Mai in Moskau geheiratet. Alles Gute! Elisaweta Kasymowa und Rainder Steenblock hatten Glück, dass ein Fahrer erkrankte. Oxana Nikolajewna und Hans Wagner sehen sich momentan nur alle vier Wochen. 10 Ende April wurde ein Paket von Gesetzentwürfen an die russische Regierung übergeben, das die fernöstliche Hafenstadt Wladiwostok und 13 weitere Städte in der Region Primorje zu Freihäfen machen soll. Der Standort soll so mit Steuererleichterungen, staatlicher Unterstützung beim Bau von Infrastruktur und günstigen Preisen für Grundstücke für Investoren attraktiver gemacht werden und das Wachstum der Region steigern. Der Status soll 70 Jahre lang bestehen bleiben und sich auf den Hafen, den Flughafen, eine Industrie-, Forschungsförderungs- und Tourismuszone beziehen. Gaslieferungen nach China Präsident Putin hat das Abkommen mit China über Gaslieferungen ratifiziert. Die Lieferungen sollen 2019 mit einem Volumen von fünf Milliarden Kubikmeter pro Jahr beginnen und bis 2024 auf 38 Milliarden Kubikmeter gesteigert werden. Die Ressourcenbasis des Abkommens bilden zwei neue Gasfelder in Jakutien und der Region Irkutsk. Das Abkommen gilt für eine Dauer von 40 Jahren. Danach verlängert es sich jeweils um weitere fünf Jahre. Im Oktober 2014 hatten die russische und die chinesische Regierung zunächst die Vereinbarung über Erdgaslieferungen von Russland nach China unterzeichnet. Das entsprechende russische Gesetz war dann am 24. April von der Staatsduma an den Föderationsrat übergeben worden, der es am 29. April billigte. Durch die Unterschrift des Präsidenten trat es in Kraft. Selbstversorger Russland Landwirtschaft: Neuer Minister, alte Herausforderungen Ein neuer Landwirtschaftsminister soll die Herausforderungen, vor denen Russland steht, meistern: Importe ersetzen, ohne dass die Preise für die Verbraucher steigen. Wie kann das gelingen und was bringt der Neue mit? Von Julia Weihs Mediterranes Klima, fruchtbare schwarze Erde und eine gesunde Wirtschaft – mit diesen Argumenten überzeugte im Jahr 2003 der langjährige Gouverneur des Gebiets Krasnodar Alexander Tkatschow die Firma Claas, den größten deutschen Landmaschinenhersteller, zur Niederlassung in seiner Region. „Mich hat immer schon gewundert, warum Russland nicht den Ehrgeiz hat, sich wenigstens in der Landwirtschaft selbst zu versorgen“, sagt heute Ralf Bendisch, FabrikChef von Claas in Krasnodar. „Für Grundnahrungsmittel wie Milch, Fleisch und Brot sind alle Voraussetzungen im Land vorhanden. Flächen gibt es. Es muss nur stimuliert und gemacht werden.“ Wenn die russischen Sanktionen gegen westliche Lebensmittel bestehen bleiben und Importe ersetzt werden sollen, dann steigen die Preise – es sei denn, Russland produziert selbst mehr und billiger. Nun wurde der bisherige „Herr der schwarzen Erde“ Tkatschow Ende April zum Nachfolger von Landwirtschaftsminister Nikolaj Fjodorow ernannt. Er soll diese Herausforderung bewältigen. Ein Blick in die Region, in der Tkatschow erst Generaldirektor eines landwirtschaftlichen Großbetriebes und dann 15 Jahre Gouverneur war, zeigt, wieso er der richtige Mann auf diesem Posten sein könnte: „Wenn man aus der Vogelperspektive auf das Gebiet Krasnodar blickt, so sieht man, dass jedes Fleckchen landwirtschaftliche Nutzfläche auch bearbeitet wird“, sagt Bendisch. Das sei durchaus das Verdienst des ehemaligen Gouverneurs. Er habe die Landwirtschaft lobbyiert und motiviert, sodass gute Erträge erzielt werden konnten. Krasnodar wird nicht umsonst als Kornkammer Russlands bezeichnet: 2014 kamen zwölf Millionen Tonnen Getreide aus der Region – zehn Prozent der nationalen Produktion. Vor allem halfen föderale Programme bei der Entwicklung – zum Beispiel Investitionszulagen beim Maschinenkauf. Über die staatliche Leasinggesellschaft Rosagroleasing wurden Maschinen und Zuchtvieh zu günstigen Bedingungen verliehen. Diese Maßnahmen könnten auch für ganz Russland wirksam sein, meint Bendisch. Problematisch könnte allerdings eine Abhängigkeit von Importen landwirtschaftlicher Technik sein, wie der russlanddeutsche Ökonom Wladimir Faltsmann in einer aktuellen Studie feststellt. Ausländische, aber auch russische Hersteller setzen auf Lokalisierung: Russlands größter Hersteller Rostselmasch produziert etwa Mähdrescher, die nur zu einem Viertel aus importierten Komponenten bestehen. Sie werden in 28 Länder exportiert, darunter auch Deutschland. Bendisch sieht kritisch, dass man beim Ruf nach Importsubstitution manchmal vergesse, dass es viele Unternehmen gebe, die ursprüng- lich ausländisches Kapital ins Land gebracht haben. Unternehmen, die weiterverarbeiten, wie Danone oder der Konservenhersteller Bonduelle etwa, seien hervorragende Beispiele für lokalisierte Produktion im Inland. „Das ist doch auch Importsubstitution: Aus russischen Ausgangsprodukten russische Produkte herzustellen. Dazu kommt kostenloses Know-how, das die ausländischen Unternehmen hier anwenden – zum Wohl der Verbraucher. Allerdings habe ich ein wenig Angst, dass das jetzt verteufelt wird.“ Bisher sei auch die Schwäche ihrer eigenen Lobby ein strukturelles Problem für die russische Landwirtschaft gewesen. Sie müsse auch deutlicher benennen, was sie von der Industrie benötige. „Eine stärkere Position der Vertreter der Landwirtschaft in der Versorgungskette mit Technik ist für die Landwirtschaft und auch für die Industrie wünschenswert“, sagt Agrarmaschinenbauer Bendisch. Während Russland bei Getreide, Kartoffeln, Huhn und Eiern bereits einen hohen Selbstversorgungs- Auch ausländische »Unternehmen helfen doch bei der Importsubstitution. grad aufweise, gebe es vor allem bei Fleisch Entwicklungspotential. Wenn man weniger Getreide und mehr Fleisch exportieren würde, wären durch den höheren Veredelungsgrad auch die Einnahmen höher. Dann könnten auch die Preise für die Verbraucher sinken. Bendisch sieht Russland nicht nur als Selbstversorger, sondern als Weltversorger: „Russland ist das territorial größte Land der Welt und hat die meisten Ressourcen. Es wäre eine vergebene Chance, wenn das Russland nicht macht.“ A U S L A N D S H A N D E L S K A M M E R Hochqualifizierte Spezialisten: Änderungen beim rechtlichen Status Michael Harms, Vorstandsvorsitzender AHK РЕКЛАМА Wladiwostok soll Freihafen werden MOSKAUER DEUTSCHE ZEITUNG Nr. 9 (400) MAI 2015 Mähdrescher in Krasnodar: Hier war der neue Landwirtschaftsminister lange Gouverneur. RIA Novosti ■ A K T U E L L E S WIRTSCHAFT Die russischen Behörden nehmen weitere Korrekturen an rechtlichen Bestimmungen zum Status hochqualifizierter ausländischer Spezialisten vor. Die AHK Russland fasst die wesentlichen Neuerungen für Sie zusammen. Neu definiert wurden die Anforderungen an die Reisepässe ausländischer Staatsbürger, die eine Arbeitserlaubnis beantragen. So muss der Reisepass bei der Beantragung einer einjährigen Arbeitserlaubnis zum Zeitpunkt der Einreichung von Unterlagen noch mindestens ein Jahr gültig sein. Der Reisepass eines hochqualifizierten Spezialisten muss allerdings mindestens drei Jahre gültig sein. Neu sind außerdem die Gehaltsberechnungen bei hochqualifizierten Spezialisten. Das Gesetz schreibt jetzt vor, das Mindestgehalt eines hochqualifizierten Spezialisten müsse pro Kalendermonat und nicht mehr wie vorher pro Jahr angegeben werden. So sollen hochqualifizierte Spezialisten, die vor der Gesetzesänderung nach dem Gehaltsschema „zwei Millionen Rubel im Jahr“ beschäftigt wurden, nunmehr mindestens 167 000 Rubel im Monat beziehen. Der entsprechende Betrag muss im Arbeitsvertrag ausgewiesen sein. Darüber hinaus werden die Unterbrechungen der Berufstätigkeit bei hochqualifizierten Spezialisten neu geregelt. Bei Unterbrechungen aufgrund von Krankheit, unbezahltem Urlaub oder sonstigen Umstände, die im Ergebnis dazu führten, dass das Gehalt nicht gezahlt bzw. nicht in vollem Umfang gezahlt wurde, ist der Arbeitgeber trotzdem dazu verpflichtet, dem hochqualifizierten Spezialisten sein monatliches Mindestgehalt (167000 Rubel) auszuzahlen. Nur so gelten die Verpflichtungen des Arbeitgebers hinsichtlich der Gehaltszahlung als erfüllt. Experten der AHK-Arbeitsgruppe für Migrationsfragen deuten dabei berechtigterweise auf das russische Arbeitsrecht, in dem das Gehalt als eine Entlohnung für geleistete Arbeit definiert wird, d.h. der Arbeitnehmer wird aufgrund seiner Arbeitsleistung im jeweils laufenden Monat entlohnt. Eine Situation, in der der Arbeitgeber dazu verpflichtet ist, dem hochqualifizierten Spezialisten zwingend mindestens 167 000 Rubel im Monat auszuzahlen, wiederspreche den Normen des russischen Arbeitsrechts. Die Forderung an den Arbeitgeber, seinem Arbeitnehmer das Gehalt auch dann weiterzuzahlen, wenn er krank ist oder unbezahlten Urlaub hat, sei aus Sicht der Experten schwer zu erklären. Bei weiteren Fragen wenden Sie sich bitte an die Rechtsabteilung der AHK: Wladimir Kobsew +7 (495) 2344953 [email protected] 11 WIRTSCHAFT MOSKAUER DEUTSCHE ZEITUNG Nr. 9 (400) MAI 2015 Gegessen wird zu Hause Geplante Fastfood-Kette „Jedim doma!“ will mit Essen aus der Heimat überzeugen Ein berühmtes russisches Brüderpaar will der US-Konkurrenz mit einer patriotischen FastfoodKette die Stirn bieten, die nationale Speisen von russischen Produzenten verkauft. Die Politik unterstützt das Projekt bislang. Russland reformiert Schiedsgerichte RIA Novosti Von Simon Schütt „Essen wir zu Hause!“ – ein Name wie eine Aufforderung der Politik. „Jedim doma!“, wie der Name auf Russisch lautet, ist eine geplante Kette für russisches Fastfood, die den überwiegend amerikanisch dominierten Fastfood-Markt in Russland aufmischen soll. Die geplanten patriotischen Schnellrestaurants reihen sich bei den Projekten ein, die Russland unabhängig von ausländischen Importen und vom westlichen Ausland generell machen will. Die selbstverhängten Sanktionen Russlands gegen westliche Lebensmitteleinfuhren dienen dabei als Anreiz, die eigene Lebensmittelindustrie zu stärken – nun auch im Bereich des schnellen Essens. Fastfood macht in Russland laut einer Studie von RBC-Research rund 30 Prozent der Essensdienstleistungen aus. 99 Anbieter boten 2014 in 3788 Filialen landesweit ihre Speisen an. Allein zwischen April 2013 und April 2014 wurden 1528 neue Restaurants eröffnet. Dazu sollen demnächst auch die Filialen von „Jedim Doma!“ kommen. Wann genau, ist allerdings noch unklar. Im Moment wird um Unterstützung und die Finanzierung gerungen. Geplant sind rund 100 Restaurants und zwei Fabrikküchen. Die Regisseur-Brüder Nikita Michalkow und Andrej Kontschalowskij wollen eine Fastfood-Kette eröffnen. Ins Leben gerufen haben das Projekt zwei Brüder, die bekannten Regisseure Nikita Michalkow und Andrej Michalkow-Kontschalowskij. Nikita gewann 1995 den Auslands-Oscar für „Die Sonne, die uns täuscht“, sein älterer Bruder machte ebenfalls in Hollywood Karriere. Mitte März schrieben die beiden einen Brief an Präsident Putin, in dem sie um Unterstützung baten. Darin hieß es laut der russischen Zeitung „Kommersant“, dass sie damit „Alternativen zu westlichen Fastfood-Ketten“ bieten wollen – das Projekt habe zudem „sozialpolitischen Charakter“. Das Brüderpaar wolle auch die erwähnten „Importsubstitutionen fördern“, also auf in Russland produzierte Zutaten setzen. Man wolle versuchen, 30 bis 40 Prozent der Zutaten bei heimischen Bauern zu kaufen. Das klingt zunächst viel, ist aber irreführend. Denn auch McDonald‘s und andere westliche Ketten bekommen ihre Produkte hauptsächlich von russischen Unternehmen – Lokalisierung nennt sich das. 85 Prozent der Produkte bei McDonald‘s in Russland stammten von den mehr als 160 russischen Zulieferern, gibt das Unternehmen an. Der BigMac besteht angeblich komplett aus russischen Zutaten. Kontschalowskij kündigte an, die durchschnittliche Rechnung werde nicht teurer als bei Marktführer McDonald‘s sein. „Gesundes und günstiges Essen für die Bevölkerung“ – russische Küche für unterwegs soll auf der Speisekarte stehen. Der Markenname der geplanten Kette ist übrigens keine Neuerfindung. So heißt bereits die Koch-Sendung von Kontschalowskijs Frau, Julia Wyssozkaja. Die Politik begrüßte das Projekt wohlwollend: Der stellvertretende Ministerpräsident Arkadij Dworkowitsch sagte Anfang April, dass der Staat das Projekt unterstützen werde. Allerdings stellte er schnell klar, dass damit keineswegs finanzielle Hilfen aus dem Haushalt gemeint seien. Stattdessen wolle man auf bestehende Mechanismen für kleinere und mittlere Unternehmen zurückgreifen und etwa bei der „Überwindung administrativer Hindernisse“ behilflich sein. Zudem forderte er die russischen Banken auf, das Projekt zu unterstützen – etwa mit günstigen Zinssätzen für Kredite. Für den Anfang brauche man ein Darlehen von rund einer Milliarde Rubel, sagten die Brüder. Die Investition werde sich bereits in fünf Jahren amortisieren. Das sehen einige Banken offenbar anders. Von den acht russischen Banken haben bislang vier angekündigt, das Projekt nicht zu finanzieren. Nun sollen den übrigen Banken ein Businessplan und weitere Dokumente vorgelegt werden. Bis 1. September soll dann über ein Darlehen entschieden werden. Braucht Russland mehr russisches Fastfood? bk Russisches Fastfood: Bei Teremok isst man Bliny. Bliny, Buchweizen und Kwass statt Burgern, Pommes und Cola – die schnelle russische Nationalküche zum Mitnehmen, wie sie „Jedim doma!“ als patriotische Revolution anpreist, ist nicht neu. Es gibt sie bereits zuhauf an den Straßen der Großstädte des Landes. Eigene Fastfood-Ketten, die sich speziell auf den russischen Geschmack spezialisiert haben, sind etwa: Teremok („Villa“), Kroschka Kartoschka („Kleine Kartoffel“), Tschainaja Loschka („Teelöffel“) oder Jolki Palki. Daher stellt sich neben der Frage, ob die russischen Kunden überhaupt wollen, dass „Jedim doma!“ die „amerikanischen“ Speisen durch einheimische ersetzt, auch die Frage, ob der Markt für russisches Fastfood nicht ohnehin längst gesättigt ist. Grundsätzlich sei durchaus noch Wachstumspotenzial auf dem russischen Markt gegeben, heißt es in einer Studie zum russischen Fastfood-Markt von RBCResearch. Pro Kopf gesehen gebe es in Russland bislang noch deutlich weniger Schnellrestaurants als in Europa oder den USA. Allerdings verdrängten transnationale Ketten zunehmend die russischen, stellte die Studie aus dem Sommer 2014 fest. Das liege vor allem an den Franchise-Systemen und den großen Erfahrungen ihrer Entwicklungen in Europa und den USA. Russische Kunden verbänden die internationalen Ketten auch mit einheitlichen Qualitätsstandards. Für russische Unternehmer sei es zudem oft einfacher, von den Technologien der großen internationalen Ketten zu profitieren und als Franchise-Nehmer zu agieren. Das Pfannkuchen-Restaurant Teremok, die größte russische und insgesamt viertgrößte Kette des Landes und die zweitgrößte russische Kette, Kroschka Kartoschka, hätten beide gegenüber den transnationalen Ketten verloren. Und das, obwohl sie speziell auf russische Kunden zielten. Der Umsatz von Teremok belief sich 2014 auf sechs Milliarden Rubel (115 Millionen Dollar) und stieg damit im Vergleich zum Vorjahr um 26 Prozent an. Zum Vergleich: McDonald‘s machte in Russland einen Umsatz von etwa 2,2 Milliarden – Dollar. sim РЕКЛАМА Die geplante Kette „Jedim doma!“ beschwört die Nationalküche. Auf dem russischen Markt für schnelles Essen gibt es schon viele solcher Anbieter. Besteht überhaupt Bedarf an einem weiteren? Teremok und Co. werden schon jetzt von internationalen Riesenküchen verdrängt. Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte Dr. Andreas Knaul Business Center LeFort Elektrosawodskaja uliza 27, Gebäude 2, 107023 Moskau Tel.: +7 495 933 51 20 / 20 55 [email protected] www.roedl.com/ru Die im Dezember 2013 eingeleitete Reform der (nichtstaatlichen) Schiedsgerichte wird fortgesetzt. Die vom Justizministerium vorgeschlagene Reform der Schiedsgerichte wurde unlängst von der Kommission der Regierung für Gesetzentwürfe gebilligt. Der Dokumentensatz sieht den Ersatz des derzeit geltenden Gesetzes „Über die Schiedsgerichte in der Russischen Föderation“ durch das neue Gesetz „Über Schiedsverfahren“ vor und bringt Änderungen in die Prozessordnungen und eine Reihe anderer Rechtsakte ein. Gegenwärtig steigt die Inanspruchnahme von nichtstaatlichen Schiedsgerichten durch Unternehmen stark an, daher werden die neuen Entwürfe und Vorschriften von Juristen mit Vorsicht zur Kenntnis genommen. Ausstoß schädlicher Substanzen Die Gebühr für den Ausstoß schädlicher Substanzen in die Atmosphäre durch mobile Emissionsquellen wird von juristischen Personen und Einzelunternehmern seit 1. Januar nicht mehr erhoben. Damit sind Änderungen im Föderalen Gesetz „Über den Schutz der Atmosphäre“ in Kraft getreten, denen zufolge diese Gebühr lediglich für den Ausstoß schädlicher (verschmutzender) Substanzen durch stationäre Emissionsquellen erhoben wird. Derzeit erstellt das Umweltministerium Rechtsakte, die die Vorschriften zur Berechnung, Entrichtung und Korrektur der Gebühr für eine negative Beeinflussung der Umwelt konkretisieren werden. ThinCap-Regeln Nachdem mit Gesetz vom 8. März die Unterkapitalisierungsvorschriften bzw. die Grundlage für die Ermittlung des damit zusammenhängenden Eigenkapitals durch Fixierung des Rubel-Euro bzw. Dollarkurses an die Währungsschwankungen angepasst wurde, ist damit zu rechnen, dass im Juni der Geltungsbereich der ThinCap-Regeln auch auf Schwestergesellschaften erweitert wird. Die Tendenz gab es in den letzten Jahren bereits bei Finanzverwaltung und Rechtsprechung, trotz entgegenstehendem Gesetzeswortlaut. Der neue Entwurf stellt nunmehr auf die Verbundenheit der Personen nach Verrechnungspreisvorschriften ab und nimmt eine Konzernbetrachtung vor. Damit würde eine Lücke geschlossen, die erhebliche Auswirkungen auf die Finanzierung von russischen Tochtergesellschaften haben kann, was bereits jetzt bei der Liquiditäts- und Steuerplanung berücksichtigt werden sollte. 12 RUSSLANDS NACHBARN MOSKAUER DEUTSCHE ZEITUNG Nr. 9 (400) MAI 2015 B A L T I K U M Halb Moskau an der Ostsee Europäische Gemütlichkeit vor Russlands Haustür: Riga. Medienmacher strömen ins Baltikum In Tallinn wie in Riga finden immer mehr Journalisten aus Belarus und Russland ideale Arbeitsbedingungen: Russischsprachiges Umfeld, Moskauer Kollegen und eine kurze Flugdauer in die russische Hauptstadt. Die liberalen Moskauer trennen jedoch Welten von der konservativen russischen Minderheit vor Ort. Wer die Adresse nicht kennt, wird die Redaktionsräume des weißrussischen Oppositionssenders Aru. tv nicht finden in den engen Altstadtgassen der estnischen Hauptstadt Tallinn. Auf der Webseite ist keine Adresse angegeben, am Hauseingang hängt kein Schild. Wer aber weiß, wo er hin muss, der braucht noch nicht einmal zu klingeln: Die Tür steht offen, und wer hereingeht, findet sich auf einmal wieder in einer Wohnküche, in der ein gutes Dutzend Anwesender Dissidentenliedern aus den 1980er Jahren lauscht – übersetzt in die weißrussische Sprache, in Gitarrenbegleitung zu Gehör gegeben von Zmitser Vajtsjukewitsch, der in seiner Heimat Auftrittsverbot hat. In einem kleinen Nebenraum hat Pawel Morosow ein Fernsehstudio vor einer Collage aus Zeitungsseiten von der „New York Times“ bis zur „Kyiv Post“ eingerichtet. Hier tritt einmal wöchentlich Artemij Troizkij für eine Nachrichtensendung vor die Kamera. Der Musikkritiker, der als Autorität zur russischen Rockmusik gilt, ist nur einer von zahlreichen Emigranten, die es aus Moskau oder St. Petersburg in jüngster Zeit ins Baltikum verschlagen hat. Pawel Morosow ist bereits länger in Tallinn. In seiner Heimat drohte ihm aufgrund satirischer Zeichen- trickfilme, deren Held der weißrussische Präsident Lukaschenko ist, eine Haftstrafe. Morosow floh Ende 2006 nach Estland und betätigte sich von dort oppositionell. Auslöser für die Gründung eines eigenen Fernsehsenders, der derzeit hauptsächlich über das Internet verbreitet wird, waren nach Morosows Worten aber erst die Ereignisse vom Frühjahr 2014: „Die Olympiade, der Maidan, dann der Krieg. Es wurde klar, dass in den gegenwärtigen aggressiven Handlungen eines Landes gegen ein anderes das Militär eine minimale Rolle spielt. Natürlich wird dort geschossen. Aber der Grund, warum geschossen wird, ist die Propaganda.“ Was Morosow mit einem Team aus etwa 15 teils ehrenamtlichen Mitstreitern in Estland, der Ukraine, Weißrussland und Moldawien macht, soll dem eigenen Anspruch nach nicht Gegenpropaganda sein, sondern Journalismus, wenn auch manchmal mit Mitteln der Satire. „Wir streben die Wahrheit und Tatsachen an. Auch in Weißrussland gibt es eine Menge Leute, die russisches Fernsehen gucken und glauben, die Krim sei jetzt ,unsere‘.“ Einen ähnlichen Anspruch vertritt in einem renovierten Speichergebäude in der lettischen Die fünfte Welle Ehemalige TV-Journalistin über ihr Exil in Riga Hauptstadt Riga das 23-köpfige Redaktionsteam des Internetportals Meduza.io. Die Redakteure stammen ausnahmslos aus Russland, beinahe alle von ihnen haben bei namhaften Moskauer Medien gearbeitet. Chefredakteurin Galina Timtschenko verlor im Frühjahr 2014 ihren Posten bei der russischen Online-Zeitung Lenta. ru und entschloss sich, fortan aus dem Exil zu arbeiten. Die Zielgruppe von Medusa ist nach den Worten von Ilja Krassilschtschik, der vom Moskauer Stadtmagazin „Afischa“ als Herausgeber zum Rigaer Team kam, weiterhin größtenteils in Russland ansässig. Die Medienmacher operieren auch im Exil weiterhin in Moskauer Kreisen – mit der im Baltikum lebenden russischsprachigen Bevölkerung hat Krassilschtschik nach eigenem Bekunden wenig Kontakt. Die informiere sich lieber aus dem russischen Staatsfernsehen. „Einmal“, erzählt der 28-Jährige, „habe ich im Radio gehört: Lettland ist meine Heimat, Russland mein Vaterland. Medusa ist in meine Hei- mat gekommen, um mein Vaterland in den Dreck zu ziehen.“ Ortstermin in Daugavpils. Lettlands zweitgrößte Stadt wirkt trotz ihrer knapp 100 000 Einwohner im Vergleich zum quirligen Riga wie ein Provinznest. Die Bewohner der Stadt sind mehrheitlich russischsprachig, Schilder und Hinweise im öffentlichen Raum beinahe ausschließlich in lettischer Sprache. Dmitrijs Oļehnovičs, der an der örtlichen Universität Geschichte unterrichtet, stört das nicht – obwohl seine eigene Muttersprache Russisch ist. „Aussagen, laut derer unsere Region Lettgallen so etwas wie ein lettischer Donbass ist, sind dumm.“ Die Einwohner seiner Stadt seien in erster Linie Patrioten ihrer Region. Riga ist fern, die Moskauer Intellektuellen sind es erst recht. Von den neuen russischsprachigen Oppositionsmedien erhofft sich Oļehnovičs keinen nennenswerten Einfluss auf die lokale Bevölkerung: „Im Gegenteil. Die Russen in Lettland sind in ihren Ansichten eher konservativ. Ultraliberale Medien wie Medusa stören sie höchstens.“ In Moskau arbeitete Olga Schakina für den oppositionellen Fernsehsender „Doschd“, bevor sie sich vor zwei Jahren zur Emigration entschied. Nebenbei verfasste sie eine praktische Anleitung für Landsleute, wie diese am einfachsten „abhauen“ könnten. für den Immobilienerwerb sowie 13 000 Euro Gebühr an den Staat. Allerdings habe ich die baltischen Staaten immer schon geliebt. In der Sowjetunion war das hier ein kleines Europa. Damals fuhren, grob gesprochen, das gemeine Volk und die Beamten zum Urlaub in den Süden, die Intelligenzija an die Ostsee. Auch, weil sie diese Gegend aus ihrer Kindheit kennen, kommen derzeit viele meiner Journalisten-Kollegen hierher und kaufen Häuser. Christian Gogolin Warum haben Sie vor zwei Jahren entschieden, Russland zu verlassen? Ganz einfach: Mir gefällt überhaupt nicht, was in Russland geschieht. Es findet ein Zerfall der Gesellschaft auf allen Ebenen statt. Die Gesellschaft ist dort heute wie ein toter Körper. Und daher bringt jeder systematische Kampf mit dem, was in Russland geschieht, nur ein sehr geringes Resultat ein, wesentlich geringer, als der betriebene Aufwand. Weshalb war ausgerechnet Lettland Ihr Ziel? Aus praktischen Gründen: Hier war es am einfachsten, eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen. Ich konnte mir für 75 000 Euro ein Haus am Meer kaufen und habe dafür das Dokument erhalten. Heute ist das teurer geworden, 250 000 Euro Was bedeutet „viele Kollegen“? Ist die Emigration ein Massenphänomen? Statistiken über Emigranten führt keiner, aber allein aus meinem Bekanntenkreis, Moskauer und Petersburger Journalisten, sind vielleicht 20 Personen hier. Dann gibt es noch andere Zirkel, etwa rund 20 ehemalige Journalisten des Fernsehsenders NTW, die im Küstenort Jurmala so etwas wie eine Gemeinschaft bilden. Ich treffe viele bekannte Moskauer hier auf der Straße. Was die Emigration von Beamten oder Managern angeht, kann ich dazu nicht viel sagen, ich weiß, dass viele reiche Banker jetzt Christian Gogolin (2) Von Robert Kalimullin 28-jähriger Herausgeber: Ilja Krassilschtschik vom ExilMedium Medusa. Häuser erwerben. Soziologen sprechen bereits von der historisch fünften Migrationswelle aus Russland ins Baltikum. Und es werden noch viele ausreisen. Lettland hat unter allen baltischen Staaten den größten Anteil russischsprachiger Bevölkerung, nahezu 50 Prozent. Haben Sie Kontakt zu Ihren Landleuten, die hier länger ansässig sind? Nein. Sie sind für mich uninteressant. Ich fühle mich nicht zugehörig zur sogenannten „russischen Welt“. Ich glaube, die Hälfte der russischsprachigen Bevölkerung ist nicht loyal gegenüber der lettischen Regierung. Ich dagegen unterstütze die Außenpolitik Lettlands, bin froh, dass das Land zur Nato gehört. Die Russen hier würden mich wahrscheinlich als Verräterin und Liberale betrachten – für sie ist das ein Schimpfwort. Sie unterstützen Putin, in Russland leben wollen sie allerdings nicht – dafür mögen sie die sozialen Sicherheiten und die Möglichkeit, in Europa zu reisen, zu sehr. Das Interview führte Robert Kalimullin 13 MOSKAU MOSKAUER DEUTSCHE ZEITUNG Nr. 9 (400) MAI 2015 Moskaus Metro wird 80 Doch das wichtigste Transportmittel der Stadt hat bereits große Zukunftspläne Die Metro fährt seit dem 15. Mai 1935 unter der russischen Hauptstadt hindurch. Bis zu neun Millionen Passagiere nutzen sie an Wochentagen. Doch auch zu ihrem 80. Jubiläum plant man den weiteren Ausbau der Strecken und eine zweite Ringlinie – auch mit privaten Investoren. I N F O Geburtstagsfeiern Die Zukunft der Metro Nach der 80-jährigen Vergangenheit lohnt sich auch ein Blick in die Zukunft des Transportunternehmens. Noch dieses Jahr soll die 200. Station eröffnet werden. Bis 2020 sollen die Metro-Züge gar an 64 zusätzlichen Haltestellen anhal- Viele Feiern: Am 15. Mai begeht die Moskauer Metro ihren 80. Geburtstag. Hier spielt ein Nowosibirsker Orchester anlässlich des Kriegsendes vor 70 Jahren in der Metro. ten. Immer wieder finden daher Bauarbeiten statt. Anfang Mai fuhren wegen Arbeiten an einer Verlängerung der Strecke der roten und der lila Linie die Ersatzbusse an den letzten Stationen. Im Laufe des Jahres sollen insgesamt acht neue Stationen eröffnen. Der geplante zweite Ring Das größte Zukunftsprojekt der Metro ist eine zweite Ring-Bahn. Sie wäre die 13. Metro-Linie. Wie bisher die braune Linie soll sie einen weiteren Kreis um die Metropole ziehen und vor allem den Bewohnern der Außengebiete die Fahrt erleichtern. Der Beginn der Bauar- Wann kommt die kalte Dusche? In Moskau wird ab dem 12. Mai stadtweit das Warmwasser abgestellt. Grund dafür sind Wartungsarbeiten an den Rohren. Auf einer Website können Sie erfahren, ob und wann auch Sie betroffen sind. Anfang Mai wurden in Moskau die Heizungen abgeschaltet. Die Heizperiode dauert jedes Jahr von Oktober bis etwa Anfang Mai. Die Entscheidung, ob es nun drinnen kälter wird, hängt davon ab, dass draußen fünf Tage in Folge mehr als acht Grad Außentemperatur herrschen. Nun kann es aber vorkommen, dass sogar das Wasser, das aus den Hähnen kommt, einige Zeit kalt bleibt. In Moskau werden vom 12. Mai an in vielen Gebäuden Wartungs- und Reparaturarbeiten an den Rohren erfolgen. Dazu muss das Warmwasser abgestellt werden. Das kann heißen, dass die Moskauer nun bis zu zehn Tage lang kalt duschen müssen. Der Pressedienst der Moskauer Energieunternehmen MOEK empfiehlt, dann warmes Wasser per Ventil zu verriegeln und nur kaltes Wasser zu verwenden. Sonst könne es zu höheren Kosten kommen, weil der Druck in den Rohren erhalten bleiben müsse und das fälschlicherweise mit verrechnet werde. Warmes Wasser ist teurer als kaltes. Zuletzt hatte es im November 2014 eine Preiserhöhung für die Warmduscher gegeben. Im Juli soll eine weitere folgen. In diesem Jahr werden bis zu einem Viertel mehr Haushalte als im Vorjahr von den Arbeiten betroffen sein, teilten die Moskauer Energieunternehmen mit. Auch in den nächsten Jahren werde es erforderlich sein, das Wasser abzudrehen. Ob das Warmwasser auch bei Ihnen abgestellt wird und wann das geschehen wird, können Sie auf der Website des MOEK nachsehen, indem Sie dort ihre Adresse eingeben (auf Russisch): www.oaomoek.ru sim beiten ist für 2016 geplant und soll in mehreren Abschnitten erfolgen. Insgesamt soll der zweite Ring 30 Stationen beinhalten – davon 16 an Kreuzungen bisheriger Linien. Neu gebaute, aber auch alte Stationen, die in das neue Netz integriert werden, sollen sich über eine Strecke von rund 60 Kilometern ziehen. Auf der Website der Moskauer Stadtplaner heißt es zudem, dass von der neuen Linie täglich etwa eine Millionen Fahrgäste profitieren würden. Die Umwege über den Ring im Zentrum, um von einer Außenlinie zur anderen zu kommen, fielen so weg. Dadurch würden die Stationen im Zentrum entlastet. Außerdem verkürze sich dadurch oft die Fahrzeit deutlich. Allerdings hat es bereits in der Vergangenheit stets deutliche Verzögerungen bei der Bauzeit großer U-Bahn-Projekte in Moskau gegeben. Daher kann das ambitionierte Projekt durchaus länger dauern. Bereits jetzt muss aufgrund der derzeitigen Wirtschaftskrise umgeplant werden. Private Investoren Dabei kommen private Investoren zum Zug. Der schwedische Konzern IKEA kündigte Ende April an, trotz der Krise eine Milliarde Rubel (20 Millionen Dollar) für den Bau einer Metro-Station in der Nähe eines seiner geplanten Einkaufszen- tren im nördlichen Moskauer Vorort Mytischi investieren zu wollen. Geplant ist, dass die orangfarbene Metro-Linie Mytischi bis 2020 erreichen soll. Der Bau des Zentrums soll 2016 beginnen und 2018 abgeschlossen sein. Laut Armin Mikaeli, dem Chef der IKEA-Shopping-Zentren in Russland, sei die Summe, die man in die Metro investiere, rund ein Viertel der Gesamtsumme von den drei bis vier Milliarden Rubel für den Bau einer Station. Auch mit chinesischen Investoren waren im Sommer 2014 Vereinbarungen über Investitionen in Höhe von rund zwei Milliarden Dollar in die Metro getroffen worden. Für Ende des Jahres sind die Vertragsabschlüsse geplant. Einfach und sicher nach Russland Reisen Visa aller Art nach Russland, GUS und China РЕКЛАМА Am 15. Mai 1935 fuhr die Moskauer Metro erstmals die elf Kilometer lange Strecke der roten Linie zwischen den Stationen Sokolniki und Park Kultury. 13 Stationen gab es damals. Heute, 80 Jahre später, beträgt die Länge der gesamten Strecke 327 Kilometer und es gibt 196 Haltestellen. 1931 wurde der Beschluss zum Bau einer unterirdischen Bahn in Moskau gefällt, um auf den überlasteten Verkehr auf den Straßen der Millionenstadt zu reagieren. Mit enormem finanziellen und personellen Aufwand schloss man die Bauarbeiten innerhalb von drei Jahren ab. Die Metro mit ihren prunkvollen Stationen gilt als Lieblingsprojekt Stalins und auch bei der Bevölkerung fand sie große Zustimmung. Ausgebaut wurde sie danach eigentlich immer – auch während des Zweiten Weltkriegs. RIA Novosti Von Simon Schütt Die Feierlichkeiten werden mit einer Reihe von besonderen Aktionen begangen: Prominente lesen die Durchsagen auf den zwölf Linien, es gibt unter anderem einen Designwettbewerb für einen Jubiläums-Zug, eine Zugparade, eine Ausstellung zur Geschichte der Metro und ein Sportfest für Metro-Mitarbeiter. Außerdem kann man sich als Metro-Angestellter fotografieren lassen. Zudem ist anlässlich des Jubiläums eine eigene Website eingerichtet, die hübsch anzuschauen ist. Dort fahren animierte Züge vor der Silhouette Moskaus herum: www.mosmetro80.ru [email protected] www.euroturism.de Tel. : +49 30 37 44 9283 Landsberger Allee 131A | 10369 Berlin MOSKAUER DEUTSCHE ZEITUNG Nr. 9 (400) MAI 2015 K O N Z E R T | R E S T A U R A N T | B Ü H N E K I N O | R E Stunden und kostet 350 Rubel. Die meisten Führungen leitet der Museumsgründer Konstantin Kuksin persönlich. Die Idee zu dem Nomadenmuseums kam dem Ethnographen und leidenschaftlichen Reisenden während einer Fahrradreise vom Baikalsee durch die Mongolei nach China. Außer den Führungen bietet das Museum auch Workshops an, bei denen Besucher reiten können oder lernen, Leder zu verarbeiten und Pfeile für das Bogenschießen herzustellen. Anna Braschnikowa Nomadenmuseum Ul. Awiamotornaja 30 A Awiamotornaja (916) 513 31 48 www.nomadic.ru 1 K I N O OPEN AIR Im Freiluftkino Museon im Skulpturenpark hat die Sommersaison eröffnet. Jetzt gibt es in Moskau endlich wieder Kino unter freiem Himmel. Alle Filme werden hier auf einer Großleinwand in Originalfassung mit russischen Untertiteln gezeigt. Tickets gibt es für 350 Rubel. Hierfür wird den Besuchern ein abwechslungsreiches Angebot an Filmen geboten: Im Mai stehen unter anderem die amerikanische Komödie „She’s funny that way“, das französische Drama „Gemma Bovery“ und eine packende Dokumentation über Nirvana-Sänger Kurt Cobain mit auf dem Programm. Bis September Park Museon Ul. Krymskij wal Oktjabrskaja (985) 382 27 32 www.muzeon.ru 3 F E S T I V A L BLÜTENPRACHT Gedenken an einen Trommler Ausstellung zeigt das Leben und Werk von Günter Grass Kulturzentrum SIL Kaum ein anderer deutscher Schriftsteller hat die deutsche Nachkriegsgeschichte literarisch, politisch und persönlich so geprägt wie Günter Grass. Zum Gedenken an den im vergangenen Monat verstorbenen Literaturnobelpreisträger richtet das Kulturzentrum SIL gemeinsam Illustration von Grass zu seinem Roman „Hundejahre“. mit dem Goethe-Institut Moskau und dem polnischen Kulturzentrum eine Ausstellung aus, die seinem Werk als Autor und Künstler gewidmet ist. In der Bibliothek im zweiten Stock der einstigen Fabrikhalle können Besucher zwischen Bücherregalen große Drucke der von Grass selbst gezeichneten Illustrationen zu seinen Prosawerken wie „Katz und Maus“ oder „Hundejahre“ betrachten. Dazwischen hängen große Banner mit Zitaten aus seinen Werken – jeweils auf Deutsch und auf Russisch. Dem interessierten Besucher wird zudem ein Einblick in den Schöpfungsgeist des gebürtigen Danzigers gegeben: Über einer Kommode, auf der symbolisch eine Schreibmaschine steht, sind weitere Zeichnungen des Autors zu sehen, außerdem ein detaillierter Schreibplan, auf dem er die Arbeitsschritte zu seinem ersten Roman „Die Blechtrommel“ von 1959 genau festgehalten hat. Eindrücke seiner Geburtsstadt geben Schwarz-Weiß-Fotografien des alten Danzig. Die Stadt, in der durch den Deutschen Überfall auf Polen 1939 der Zweite Weltkrieg begann, ist ein zentrales Motiv in seinem literarischen Werk. An den Maifeiertagen vom 9. bis 11. Mai bleibt die Ausstellung geschlossen. Der Eintritt ist frei. vkontakte.com Religion im Zelt: Das buddhistische Kloster auf dem Museumsgelände. Im „Aptekarskij Ogorod“, dem botanischen Garten der Lomonossow-Universität, findet aktuell das 15. Frühlings-Blumenfestival statt. Dort können Besucher sich an einem bunten Meer aus blühenden Tulpen, Magnolien, Krokussen, Narzissen, und vielen anderen Blumen erfreuen. Außerdem erwarten die Besucher verschiedene Flieder-Sorten und Obstbäume. Und auch die Kirschblüte hat inzwischen begonnen, ihre rosafarbenen Blütenblätter in voller Pracht zur Schau zu tragen. Ab 150 Rubel kann man den Frühling von seiner schönsten Seite genießen. 2 M U S E U M KULTURNACHT Über 250 Museen und Galerien laden am 16. Mai zur Nacht der Museen ein. Die Türen bleiben hierbei bis in die frühen Morgenstunden geöffnet. Das Beste dabei: der Eintritt ist frei. Auf dem Alten Arbat, dem Platz der Revolution und im Gorki-Park können Besucher außerdem an den hier aufgestellten „Nachtstationen“ Informationen über besondere Kulturprojekte des letzten Jahres einholen. Wer in der besagten Nacht nicht lange in der Schlange vor den Museeumstüren stehen möchte, kann sich bereits ab dem 14. Mai online Tickets sichern – und dabei bis zu zehn Museen wählen. www.arts-museum.ru en auf sich. „Jeder Mongole hält sich für einen direkten Nachkommen von Dschingis Khan“, erzählt der Museumsführer. Der Nomadenfürst nimmt daher auch neben einem Dalai Lama-Bi
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