- Dr. Wilke GmbH. Inspiring Health

HYGIENEMANAGEMENT
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Kennzahlengesteuertes
Infektionsmanagement
Welche Daten benötigt die Krankenhausleitung?
Trotz der Berücksichtigung von Infektionen in
der DRG-Systematik, kosten die meisten Fälle
mehr als das Krankenhaus erlöst. Durch Maßnahmen im Infektionsschutzgesetz steigt – bedingt durch erforderliche Personalaufstockung
und Weiterbildung – ebenfalls der Kostenfaktor. Seit 2013 sind bestimmte Handlungsweisen
förderfähig und mildern so den Kostendruck.
Betrachtet man die Häufigkeit von Infektionen
im Krankenhaus, so zeigt sich, dass rund 20 %
bis 25 % aller stationären Behandlungsfälle
mindestens eine Infektionsepisode haben.
Zwischen 3,5 % und 8 % aller Fälle erleiden eine
nosokomiale Infektion (NKI). Gerade sie sind in
zunehmender Weise öffentlichkeitswirksam,
weil unterstellt wird, für jede NKI sei das Krankenhaus verantwortlich. Insgesamt stellt das
Management von Hygiene und Infektionen eine
große Aufgabe für Krankenhausleitungen dar.
B
etrachtet man die Hygiene
und das Infektionsmanagement, so lassen sich vier Bereiche definieren, aus denen die
steuerungsrelevanten Kennzahlen
generiert werden: Erfüllung gesetzlicher Vorgaben nach IfSG 2011, lau-
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fende Surveillance und Vergleiche,
Qualitäts- und Risikomanagement
sowie ökonomische Ergebnisse. Die
Erfordernisse aus dem IfSG 2011 sind
besonders brisant, weil der Gesetzgeber hier einen kompletten Qualitätszyklus verbindlich vorschreibt
und das Krankenhausmanagement
klar in die Haftung nimmt, indem
der Leitung einer Einrichtung die
Verantwortung für die Einhaltung
der Vorgaben übertragen wird.
Vorgaben nach IfSG 2011
Zunächst einmal werden Strukturvorgaben gemacht, wie die Etablierung eines Teams zur Etablierung eines Systems der rationalen Antibiotikatherapie, sogenannte Antibiotic
Stewardshipteams (ABS) beiträgt.
Diese Teams haben regelmäßige Erhebungen zur Qualität der Antibiotikatherapie (z. B. durch sog. PunktPrävalenz-Analysen PPA), der Verteilung von Infektionen und Erregern im Haus sowie der Antibiotikaanwendung (z. B. durch Antibiotikaverbrauchsdichtemessung)
durchzuführen. Wie in QM-Systemen üblich, muss dargelegt werden,
dass diese Auswertungen durchgeführt und regelmäßig bewertet wurden. Aus jeder Bewertung sollen
dann – falls erforderlich – Maßnahmen abgeleitet und umgesetzt werden. In festgelegten Intervallen erfolgen dann die nächsten Auswertungen und der Zyklus wird so geschlossen.
Der Gesetzgeber hat leider nicht definiert, was „regelmäßig“ bedeutet.
Diese Lücke wird durch eine Leitlinie geschlossen, die in der Zusammenarbeit mehrerer wissenschaftlicher Fachgesellschaften entstanden
ist und die höchsten Ansprüche an
die Evidenz erfüllt. Hier wird z. B.
festgelegt, wie viele Stellenanteile
für ABS vorzusehen sind (0,5 VK/250
KH-Betten), wie ein ABS-Team aufgebaut sein soll und wie oft bestimmte Erhebungen durchzuführen
sind. Die einzelnen Auswertungen
sind vierteljährlich empfohlen.
Laufende Surveillance
und Vergleiche
Ebenfalls im IfSG geregelt sind die
Erfordernisse zur laufenden Überwachung der Erreger im Krankenhaus sowie die Meldepflichten für
bestimmte Erreger. Eine gute Surveillance sollte ein stets aktuelles
Bild des Erregerspektrums eines
Krankenhauses liefern – unter besonderer Berücksichtigung der mul-
Qualitäts- und
Risikomanagement
Das IfSG und die S3-Leitlinie geben
auch bei den Kennzahlen, bzw.
„Qualitätsindikatoren“ den Ton an.
So sind Indikatoren zur Strukturund Prozessqualität in verschiedenen Kategorien (s. Tab. 1) empfohlen. Hinsichtlich der Ergebnisqualität bieten sich ebenfalls einige Zahlen an, die leicht – weil aus Routinedaten – zu erheben sind. Insbesondere für die Qualitätskennzahlen
empfiehlt sich mindestens ein quartalsweises, besser monatliches, Reporting.
Ökonomische Ergebnisse
Infektionen im Krankenhaus sind
teuer und kosten häufig mehr als die
DRG erlöst. In den meisten Krankenhäusern ist ein DRG-basiertes Reporting etabliert, das über die Kosten
spezifischer Infektionen wie Pneumonien oder postoperativer Infektionen keine Auskunft gibt, da diese
Infektionen über viele DRGs streuen.
Strukturqualität
Prozessqualität
Ergebnisqualität
ABS-Team vorhanden
Auswertungen stehen zur
Verfügung (Erreger,
Antibiotika, Infektionen)
Regelmäßige Analysen
finden statt
Interne Leitlinie vorhanden und aktuell (2 Jahre)
Empirische (Initial-)
therapie gemäß (interner)
Leitlinie
Indikatoren zu
bestimmten Infektionen
u*T]\S]T\]ZMVJMQ
Pneumonie
u<--JMQ*IS\MZQµUQM
Therapiedauer
Risikoadjustierte Letalität
in bestimmten Infektionsgruppen
u;MX[Q[
u8VM]UWVQM
u?]VLQVNMS\QWVMV
?QMLMZI]NVIPUMZI\M
(z. B. bei c.diff Infektionen)
Anzahl Ausbrüche von
Problemkeimen (MRSA,
3MRGN, 4MRGN)
HYGIENEMANAGEMENT
tiresistenten Erreger (MRE). Gerade
wenn auf einer Station mehrere gleiche Erreger innerhalb weniger Tage
nachgewiesen werden, eine sog.
„Ausbruchssituation“, die selbstverständlich zeitnah bekämpft werden
müssen. Die jüngsten Beispiele von
Infektionsausbrüchen in Krankenhäusern zeigen, dass neben dem medizinischen Management der Situation plötzlich auch eine gute Kommunikationsstrategie gefragt ist.
Ebenfalls wichtig im Bereich der
Surveillance ist die Frage: Wie stehen wir im Vergleich zu anderen?
Hier bietet sich die Teilnahme an Registern und die Lieferung der eigenen Daten an Referenzzentren an. So
stellt das „Nationale Referenzzentrum für Surveillance von nosokomialen Infektionen“ eine Reihe von
Modulen für die Krankenhausinfektionssurveillance (KISS) bereit. Wer
hier teilnimmt, erhält regelmäßig
Vergleichsdaten und kann sie bei
der Bewertung der eigenen Ergebnisse in die Maßnahmenplanung einfließen lassen. Mit SARI steht eine
„Surveillance der Antibiotika-Anwendung und der bakteriellen Resistenzen auf Intensivstation“ zur Verfügung. SARI stellt Daten bereit, die
aufzeigen, wie die Anwendung bestimmter Antibiotikaklassen in Beziehung zur Entwicklung bakterieller Resistenzen steht.
Tab. 1: Indikatoren zur Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität
Quelle: Eigene Darstellung
Infektionsursprung
Fallzahl
DRG Erlös
(effektiv)
DRG Kosten
(InEK-MatriX)
Erlös Delta
Wahrscheinlich
nosokomial
13.808
149.431.456,96 €
173.694.100,21 €
-24.262.643,25 €
Ambulant oder
nosokomial
39.046
170.975.347,06 €
183.039.415,65 €
-12.064.068,59 €
Ambulant
erworben
39.389
112.581.544,56 €
109.742.781,39 €
2.838.763,17 €
Keine Infektion
266.520
727.769.646,29 €
660.348.846,34 €
67.420.799,95 €
Summe
358.763
1.160.757.994,87 €
1.126.825.143,59 €
33.932.851,28 €
Tab. 2: Lange Verweildauern führen in der DRG-Welt zu Verlusten durch höhere, mit der Pauschale nicht abgedeckten, Behandlungskosten. Hier verQuelle: Eigene Darstellung
deutlicht an einer großen Fallstichprobe.
Somit gehen diese Kosten in der Mittelwertbetrachtung unter. Gerade
weil DRGs pauschaliert, auf der Basis der mittleren Kosten einer Patientenpopulation vergütet werden
und Patienten mit Infektionen häufiger länger liegen sowie behandlungsintensiver sind, werden die
wahren Kosten dieser Fälle maskiert. Hier kann durch die Etablierung eines Reportings entlang bestimmter wichtiger Infektionen, die
im DRG-Datensatz anhand ihrer ICDoder OPS-Kodierungen erkennbar
sind, Abhilfe geschaffen werden. Für
einzelne Infektionen kann das durch
das Medizincontrolling bewerkstelligt werden; will man eine komplette
Übersicht, bieten sich kommerzielle
Werkzeuge an.
Im DRG-System stellt die Verweildauer in den meisten DRGs einen relevanten Kostentreiber dar. Jede
DRG lässt sich dazu in die in Abbildung 1 (s. S. 50) dargestellten Bereiche einteilen. Betrachtet man nun
die Fälle eines Krankenhauses z. B.
nach dem Ursprung einer Infektion,
so zeigt sich eine deutliche Zunahme
der unwirtschaftlichen Fälle (Problem- und Verlustzone) bei nosokomialen Infektionen.
Entsprechend der DRG-Logik lassen
sich Fälle ohne oder mit ambulant erworbenen Infektionen meist noch
kostendeckend behandeln, da sie in
spezifische DRGs (wie für „Pneumonie“ oder „Sepsis“) fallen. Der Gewinn zeigt, dass im obigen Beispiel
(s. Tab. 2) ein gutes Fallmanagement
für diese Patienten existiert, da sie
kostendeckend behandelt werden
können. Bei den Fallkategorien, wo
der Ursprung unklar ist oder bei nosokomialen Infektionen machen die
Häuser Verlust. Liegen Verluste vor,
muss mittels Aktenanalysen im Rahmen von ABS geklärt werden, ob das
Ergebnis durch besseres Infektionsmanagement optimiert werden kann
oder ob das Krankenhaus einfach einen schicksalhaft schlechten „FallMix“ aufweist. Zumeist ist allerdings
ersteres der Fall.
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Dr. med. Michael Wilke
Geschäftsführender Gesellschafter
Dr. Wilke GmbH, München
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Keine Infektion
Ambulant
erworben
Ambulant
oder nosokomial
•
•
10 %
20 %
11,8 %
38,9 %
30 %
•
6,8 %
33,6 %
33,7 %
Normallieger: „Gewinnzone“
3,8 %
30,1 %
45,9 %
8,6 %
0%
20,5 %
50,4 %
12,8 %
Wahrscheinlich
3,4 %
nosokomial
Kurzlieger
54,4 %
20,6 %
40 %
50 %
60 %
23,8 %
70 %
Normallieger: „Problemzone“
Abb. 1: Integriertes Infektionsmanagement
•
80 %
90 %
100 %
Langlieger: „Verlustzone“
Quelle: Eigene Darstellung
u*MZQKP\MMZbM]OMV
u)JTMQ\]VOI][
^WZPIVLMVMV,I\MV
IfSG
DRG Routinedaten
Integration Mikrobiologie
EQS
Infektionserfassung
u+ZW[[+PMKSUQ\,:/
u6]\b]VO^WZPIVLMVMZ,I\MV
Medikation
Ökonomie
KISS
u:MOMTUµ°QOM)][_MZ\]VO
u-ZNWTO[SWV\ZWTTM
u6]\b]VO^WV:MNMZMVbLI\MV
i-`XWZ\sLMZ-QV\ZµOM
ĺ>WTT[\µVLQOSMQ\
Abb. 2: Liegedauerklassen je nach Infektionsursprung
Wo kommen die Daten her?
Um in der Krankenhausleitung systematisch mit Kennzahlen zum Infektionsgeschehen arbeiten und die
richtigen Managemententscheidungen treffen zu können, braucht man
Daten in aggregierter Form. Heute
kommen sie meist aus vielen verschiedenen Quellen:
P Krankenhausinformationssystem:
DRG Routinedaten, ggf. Labor und
Mikrobiologie (falls vernetzt)
P Laborsysteme: Klinisches Labor,
Mikrobiologie
P Register / Referenzzentren: KISS,
SARI
P Eigene Erfassung (nicht immer im
KIS): Hygienedokumente, Meldebögen nach § 23 IfSG
P EQS: Subsysteme für Qualitätsbögen, Ergebnisse aus der EQS
P Apotheke:
Antibiotikaverbrauch
(oft nur gelieferte Mengen je Station / Abteilung)
Will man nun aussagekräftige Kennzahlen erhalten, entsteht meist Aufwand, um die Informationen aus
diesen verschiedenen Quellen zusammenzuführen. Oft ist das aber
überhaupt nicht möglich. Für die
Analyse der Antibiotikatherapie
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Quelle: Eigene Darstellung
(ABS) wäre es z. B. erforderlich, dass
verabreichtes Medikament und Infektion des Patienten elektronisch
zusammengeführt werden können,
um zu überprüfen, ob Patienten z. B.
eine leitliniengerechte Initialtherapie erhalten (ABS Qualitätsindikator). Die nicht-leitliniengerechte Initialtherapie ist ein sehr häufiger
Fehler.
In einer Cochrane-Analyse wurde
2014 publiziert, dass die Richtigkeit
im Mittel einer Vielzahl analysierter
Studien bei gerade einmal 50 %
liegt. In einer Studie zu Patienten
mit im Krankenhaus erworbener
Pneumonie zeigte sich, dass die falsche Initialtherapie ein enormer
Kostentreiber ist. Patienten mit der
falschen Initialtherapie kosten
8.000 Euro mehr als Patienten mit
korrekter Therapie. Für eine integrierte Strategie ist – mittelfristig –
erforderlich, die Kennzahlen in einem Management Informationssystem für Infektionen zusammen zu
tragen. Sind die Daten dort integriert, können alle Informationen
(inkl. der gesetzlichen Berichts- und
Meldepflichten) aus diesem System
erfüllt werden.
Integration vorhandener
Daten und Erfassung der notwendigen Zusatzinformationen
Ein integriertes Infektionsmanagement, welches aussagekräftige Informationen für die Krankenhausleitung liefert, kann wie in Abbildung 2
dargestellt, aussehen. Die Integration sieht aufwändiger aus, als sie tatsächlich ist. Die DRG-Routinedaten
liegen immer auch zeitnah vor. Dabei ist die Integration der Mikrobiologie nicht komplex. Weiterhin muss
die Infektionserfassung mit eigenen
Dokumenten erfolgen. Hier bieten
die meisten KIS-Systeme Lösungen
an, die mit geringem Aufwand umsetzbar sind. Die routinemäßige Dokumentation der Antibiotikatherapie, bzw. der gesamten Medikation
steckt in Deutschland noch in den
Kinderschuhen. Die Entwicklung
beschleunigt sich hoffentlich durch
das E-Health Gesetz. Um die Auflagen des IfSG zu erfüllen und ein
sinnvolles Infektionsmanagement
zu etablieren, ist jedem Krankenhaus zu empfehlen, kurzfristig die
Antibiotikatherapie mit in die Infektionserfassung zu integrieren, da eine komplette EDV-basierte Medikationserfassung ein komplexes Veränderungsprojekt darstellt. Sind die
Daten gepoolt, lassen sich die Anforderungen einfach erfüllen und externe Systeme aus diesem Datenpool
befüllen.
Fazit
Das Krankenhausmanagement profitiert von klar strukturierten, regelmäßig erhobenen Kennzahlen zu Infektionen und Hygiene auf vielfältige Weise. Gesetzliche Vorgaben können en passant erfüllt und der ökonomische Nutzen besserer Behandlungsqualität durch Einführung von
Antibiotic StewardShip gemessen
werden. Transparenz im Infektionsgeschehen verhindert unliebsame
Überraschungen und mindert Risiken. Last but not least ist man für die
ab 2016 geplanten Kontrollen der eigenen ABS-Aktivitäten durch die Gesundheitsämter bestens gerüstet. L
Literatur beim Verfasser.
Dr. med. Michael Wilke
Dr. Wilke GmbH
Waldmeisterstr. 72
80935 München
BGM
Bayerisches
Gesundheitsmanagement
GmbH
BGF
Das Gesundheitsforum
Fr., 24.–Sa., 25.04.2015
München im 13. Jahr
DIAGNOSE UND THERAPIE –
Das deutsche Gesundheitssystem
2015 erwarten Sie unter anderem: Georg Baum, Dr. Josef Düllings, Ulrike Elsner, Dr. Wolfgang Eßer, Birgit Fischer, Hermann Gröhe, Prof. Dr. Andreas H.Grün,
Stefan Grüttner, Dr. Volker Hansen, Josef Hecken, Rudolf Henke, Melanie Huml, Dr. Volker Leienbach, Dr. Georg Nüßlein, Prof. Dr. h.c. Herbert Rebscher,
Dr. Klaus Reinhardt, Dr. Manfred Richter-Reichhelm, Lothar Riebsamen, Fritz Schösser, Alexander Schweitzer, Dr. Harald Terpe, Hans-Jochen Weidhaas,
Harald Weinberg, Andreas Westerfellhaus, Dr. Theodor Windhorst, Wolfgang Zöller.
Weitere Informationen und Anmeldung unter www.bgf-gesundheitsforum.de