POLIZEISPIEGEL

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April 2015 / 49. Jahrgang
Postvertriebsstück • Deutsche Post AG „Entgelt bezahlt“
POLIZEISPIEGEL
Tarifrunde 2015 –
Starker Auftritt, gut verhandelt
Seite 20 <
Fachteil:
– Der Unfall mit dem
Einkaufswagen
– Freiheitsberaubung
– E insatz von Bodycams
Seite 10 <
Einkommensrunde 2015
Endlich – Tarifabschluss
geschafft!
DPolG
Saarland
<
< Solidarisch: Vertreter der DPolG
auf der Protestkundgebung
Kundgebung des dbb saar in Saarbrücken
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Willi Kummer (V. i. S. d. P.)
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ISSN 0937-4876
Höhepunkt war eine Protestkundgebung auf dem Tbilisser
Platz in Saarbrücken, zu der
mehr als 600 Teilnehmerinnen
und Teilnehmer, darunter auch
Vertreter der DPolG, gekommen waren – unter ihnen auch
zahlreiche Beamte, die in ihrer
Freizeit beziehungsweise Mittagspause die gemeinsamen
Forderungen unterstützten.
Die Beamten/-innen zeigten an
diesem Tag ihre Solidarität mit
den Tarifbeschäftigten, die für
eine Gehaltserhöhung von 5,5
Prozent (mindestens 175 Euro)
Flagge zeigten. Denn die Beamtenschaft ist im Saarland nach
mehreren Nullrunden beziehungsweise deutlich schlechteren Abschlüssen bereits um mehr
als zwei Prozent hinter den Tarifbeschäftigten gelandet. Bundesweit geht die Gehaltsschere
sogar noch weiter auseinander.
Siegfried Damm, stellvertretender Vorsitzender der dbb
bundestarifkommission und
Bundesvorsitzender der Fachgewerkschaft der Straßen- und
Verkehrsbeschäftigten, VDStra.,
sagte vor den Demonstranten:
Dirk Guldner
Auch saarländische Beschäftigte im Landesdienst sind
in den Warnstreik getreten,
nachdem die Arbeitgeber auch
in der zweiten Verhandlungsrunde für den öffentlichen
Dienst der Länder am 26. und
27. Februar 2015 in Potsdam
nicht zu einem Angebot li­
nearer Erhöhungen der Einkommen bereit waren. Kol­
leginnen und Kollegen aus
Ministerien, Landesämtern,
Finanzämtern sowie Autobahn- und Straßenmeistereien
folgten dem Aufruf des dbb
saar am 5. März 2015.
<
< Siegfried Damm, stellvertretender Vorsitzender der dbb bundestarifkommission (links) und der Landesvorsitzende des dbb saar, Ewald Linn
„Weil die Arbeitgeber sich
nicht bewegt haben, machen
die Beschäftigten mit Warnstreiks hier an der Saar und
in anderen Ländern klar: Wir
brauchen endlich greifbare Ergebnisse! Und die müssen auch
angemessen sein. Die Kolleginnen und Kollegen erwarten gutes Geld für ihre gute Arbeit.“
Der Landesvorsitzende des dbb
saar, Ewald Linn, machte klar:
„Die Einkommensrunde wird für
den dbb erst dann beendet sein,
wenn Landesregierung und Landesgesetzgeber auch den Landes- und Kommunalbe­amten
sowie den Versorgungsempfängern eine Teilhabe an der wirtschaftlichen Entwicklung zugesichert haben – das heißt eine
Übertragung des materiellen
Gehalts der Tarifeinigung auf
den Beamtenbereich.“ Die Beamtinnen und Beamten, Versorgungsempfängerinnen und
Versorgungsempfänger erwarteten als „Akt der Gleichbehandlung und Wertschätzung,
dass sie nicht schlechter gestellt werden als die übrigen
Beschäftigten des Landes.
> DPolG Polizeispiegel | April 2015
5
Landesverband Saarland
Wir sind MEHRwert!
Saarland
Beförderungstermin 1. April 2015 –
Guter Ansatz, aber noch lange nicht am Ziel!
Nach einer Vorlage des Ministeriums für Inneres und Sport
sind für den aktuellen Beförderungstermin 109 Beförderungen vorgesehen.
Insgesamt sind 485 578 Euro
(-43 880 Euro aus 2014) in
2015 bereit gestellt. Davon
werden circa 296 000 Euro
(68 Prozent) im April verausgabt. Unsere Forderung nach
Beförderung von A 9ern mit
Funktion kann voraussichtlich
ab Oktober erstmals umgesetzt werden.
Landesverband Saarland
6
Zum zweiten Mal wird nun
auch die Möglichkeit der Beförderung in die A 11 (prüfungsfrei) umgesetzt. Wir hoffen
hierbei auf das notwendige
Fingerspitzengefühl mit Blick
auf die gesamte Gruppe der
A 10er, in der Kollegen/-innen
sowohl mit/ohne FHSV als
auch mit Funktionen kon­
kurrieren.
Mit großer Sorge sehen wir,
dass jeweils noch knapp 120
Kollegen/-innen in der Gruppe
der A 9 (Ü) und A 9 (FHSV) mit
Wertung „2“ stehen und die
Beförderungen nach
A 9 geh. Dienst (Ü)
April
3
Kriterien
BU3 DZ mindestens 20 Jahre
A 10 (Ü)
25
BU2 VBU3 RDA04/04
RDA 04/08 i. V. m. Nov ’56
A 10 (FHSV)
24
BU2 VBU3 RDA 10/06
BU2 VBU3 LG2 RDA02/08
A 11 (Ü)
1
BU2 VBU2 RDA 05
A 11 (FHSV)
28
BU2 VBU2 RDA 08
BU2 VBU3 RDA04/07+Fu13
BU2 VBU3 RDA10/08+Fu12
A 12
12
BU2 VBU3 RDA 10/11+Fu13
BU2 VBU3 RDA 05+Fu12
A 13
6
BU2 VBU2 RDA04/09+Fu13
A 13 h. D.
4
BU2 VBU3 RDA 10/10 Fu13 (800P)
A 14 h. D.
3
BU2 VBU3 RDA 10/09+Fu14
A 15 h. D.
1
BU2 Fu16
A 16 h. D.
2
Fu 16 (keine Mitbestimmung PHPR)
absehbaren Haushaltsmittel
nicht ausreichen werden, diese
bis Ende der Periode 2016 zu
befördern! Hier muss etwas
passieren!
Unser Fazit: Wir bekommen
einen heißen Herbst, denn den
Restmitteln von 145 000 Euro
stehen noch viele Beförderungskandidaten gegenüber …
Wir gratulieren allen
Kolleginnen und Kollegen
die befördert werden!
Evaluierungskommission (EvaKom) zur
Polizeireform – „Gutes bewahren, weiterdenken!“
Wie durch die Mitarbeiterinformation Nr. 18 der Behördenleitung des LPP Anfang Februar
zu erfahren war, hat Minister
Klaus Bouillon den Auftrag zur
Evaluation der Polizeireform
gegeben.
Hierzu wurde am 17. Februar
2015 eine Kommission ins Leben gerufen, die unter der po­
litischen Leitung des Ministers
und Staatssekretärs mit fol-
> DPolG Polizeispiegel | April 2015
genden Vertretern besetzt
ist:
>>PD Udo Schneider
>>PHK Markus Müller
>>Ltd. MR Wolfgang Klein
>>Dir. d. Pol. Ulrich Schmal
>>LPP Norbert Rupp
>>LPVP Hugo Müller
>>Ltd. KD Gerald Stock
>>Ltd. KD Harald Schnur
>>RD Klaus Bouillon
>>Ltd. PD Ralf Barrois
>>PR Christian Zimmer
>>PORin Carmen Diehl
Ebenso wird eine Geschäftsstelle zur EvaKom eingerichtet,
die von PR Erik Schweitzer, KR
Carsten Dewes und KHK Jörg
Valeske besetzt wird.
Ziel soll sein, den bisherigen
Organisationsentwicklungsprozess zu evaluieren. Hierbei
sollen speziell die Organisati-
onsabläufe und -strukturen
auf Optimierungsmöglichkeiten hin kritisch geprüft werden. Minister Bouillon erwartet bis zum Jahresende
entsprechende Ergebnisse.
Auf der Arbeitsebene wurden
daher fünf Unterarbeitsgruppen (UAGen), die analog der
Direktionen die entsprechenden Arbeitsebenen/Themenfelder abdecken, festgelegt.
Saarland
Gleichzeitig wurde ein Beirat
mit Personalvertretern und
den Gewerkschaften gegrün­
det, der „auf Augenhöhe“ mit
der Kommission in einem di­
rekten Informationsaustausch
stehen soll. Hierbei soll der Bei­
rat, in dem der Landesvorsit­
zende Sascha Alles die Interes­
sen der DPolG vertritt, auch die
Möglichkeit haben, zu jeder
Zeit Eingaben in die UAGen
zu machen.
<<
Dazu der
Landesvorsitzende:
Man mag über den Zeitpunkt
einer Evaluation streiten, wich­
tig ist jedoch, dass sie (jetzt
endlich) stattfindet! Denn ein
„weiter so“ macht manchmal
blind für die Belange der Basis.
Die immer stärker werdende
Kritik vor allem aus den Reihen
der Polizeiinspektionen muss
ernst genommen werden.
Denn die Parameter für den
Personalabbau waren gerade
dort sehr früh festgelegt. Bei
allem guten Vorsatz der „Vä­
ter“ der AG 2020 muss klar
sein, dass aktuelle Entwicklun­
gen (Terrorgefahr, steigende
Wohnungseinbruchszahlen/
Demo- und Fußballeinsätze,
Cybercrime et cetera), aber auch
ein immer noch hoher Alters­
schnitt mit den entsprechenden
Begleiterscheinungen (hohe
Zahl an BEM, Verwendungsein­
schränkungen et cetera), die
Belastungen jedes/r einzelnen
Mitarbeiters/-in deutlich stei­
gern. Steigende Bürokratie und
ein hoher Grad an Verantwor­
tung verlangen hoch motivier­
te Kollegen/-innen. Jedoch
führt eine hohe Zahl an Vor­
gangsbelastung, alltägliche
Gewalt gegen Polizeibeamte/
-innen, eine ernüchternde Be­
förderungsaussicht, ein hoher
Stand an Mehrarbeit und ein
Aufbrechen gewohnter Struk­
turen (in Richtung Personal­
pools) zu wenig Motivation,
sondern eher zu Frust!
Themen wie Bedatime®,
Dienstzeitvereinbarungen,
Gesundheitsmanagement in
der Polizei sowie der Umgang
mit „Dauerermittlungsgrup­
pen“ und dem Arbeitsfeld der
Polizeiposten sind bis dato
noch nicht endgültig umge­
setzt. Gleichzeitig werden
Schließzeiten von B-Inspektio­
nen im Jahr 2015 deutlich zu­
nehmen und die notwendigen
baulichen Maßnahmen sind
noch nicht überall gänzlich
abgeschlossen.
Da wirkt die Botschaft von
Minister Bouillon, dass mehr
Beamte in die Operative sol­
len, bei den Kollegen/-in­nen
umso mehr. Die Möglichkeit ei­
ner freiwilligen Verlänge­rung
über den regulären Ruhestands­
beginn hinaus begrüßen wir
grundsätzlich. Die somit mög­
liche Verteilung von bis zu 90
„Mann-/Frau-Jahren“ in den
nächsten drei Jahren sehen wir
als Chance für Bereiche, die
personell sehr eng sind bezie­
hungsweise in denen sich Fach­
wissen nicht kurzfristig vermit­
teln lässt. Gleichzeitig können
erfahrene Beamte der Organi­
sation für eine gewisse Zeit
noch erhalten bleiben. Bei der
Auswahl der entsprechenden
Kollegen hätten wir uns jedoch
mehr „Breite“ gewünscht. Jeder
Beamte hat nach § 128 Abs. 2
SBG die Möglichkeit, einen An­
trag auf Hinausschiebung sei­
nes Ruhestands zu stellen.
Eine Vor­selektion ist aus unse­
rer Sicht nicht nötig, da sowie­
so dienstliches Interesse be­
gründet werden muss, dies gilt
auch beim aktuellen Angebot
von Minister Bouillon. Somit
ist das bekundete Interesse
noch keine Zusage.
Wir dürfen jedoch dabei nicht
vergessen, dass die Zahl der
Neueinstellungen in keinem
Fall von solchen Maßnahmen
negativ tangiert werden darf!
Das Ende der Überalterung und
das im AG-2020-Bericht erklär­
te Ziel kann nur mit einer ho­
hen Einstellungszahl erreicht
werden. Einstellungen nach
Kassenlage lehnen wir ab, da
wir über das Jahr 2019 hinaus
denken müssen. Auch sehen
wir es kritisch, dass es immer
häufiger dazu kommt, dass die
Zahl der Neueinstellungen un­
ter vorzeitigen Entlassungen/
Kündigungen oder unter nicht
bestandenen Abschlussprüfun­
gen (2014 waren es zum Bei­
spiel zehn Anwärter!) leidet.
Wir fordern daher, dass zum
einen diese Verluste auf die
Einstellungszahl aufgerechnet
werden müssen! Darüber hin­
aus halten wir es im Sinne der
Fürsorgeverpflichtung für not­
wendig, dass eine verbesserte
Betreuung „schwächerer Stu­
dierender“ bereits im Studium
erfolgt. Wir könnten uns vor­
stellen, dass zum Beispiel Prü­
fungsvorbereitungen oder eine
Art von Förderstunden den
Studierenden bereits frühzeitig
Hilfestellung geben, damit es
nicht drei Jahre dauert und
eine Entlassung unabwendbar
wird.
Am Ende möchte ich unter­
streichen, dass auch der Pfört­
nerdienst, wie von Minister
Bouillon angekündigt, nicht
unbedingt durch Polizeibeam­
te abgedeckt werden muss.
Gerade die Bereitschaftspolizei
hat hier wichtigere Aufgaben
zu erfüllen. Wir sind daher alle
gespannt, welche Entscheidun­
gen hierzu fallen.
Die Entscheidungen der kom­
menden Monate werden für die
weitere Entwicklung der Polizei
in den nächsten Jahren maßge­
bend. Wir halten daher auch an
unserer Forderung nach einer
echten Aufgabenkritik in Ver­
bindung mit einem Personal­
entwicklungskonzept fest, da
nur so Vertrauen und Kontinui­
tät gestärkt werden können!
<< Wir gratulieren . . .
. . . zum Geburtstag im Monat April
und Anfang Mai
Jürgen Hautz
Horst Gleser
Hugo Frei
Hans Jürgen Schmidt
Alois Schäfer
Jürgen Brill
Albert Penner
Karl-Heinz Blass
Norbert Walle
Elfriede Sauer-Welde
Friedrich Hoen
<< Bearbeitungszeiten Beihilfeanträge
Aufgrund vermehrter Beschwerden aus dem Kreise unserer Mitglie­
der, dass mittlerweile die Bearbeitungszeiten für Beihilfeanträge fünf
Wochen und unter Umständen mehr andauern (aktueller Bearbei­
tungsstand am 27. Februar 2015 = fünf Wochen), haben wir uns in
der Pflicht gesehen, dies bei der Zentralen Besoldungs- und Versor­
gungsstelle (Beihilfestelle) deutlich zu beanstanden. Dieser Zustand
dauert bereits seit mehreren Wochen an und stößt daher bei den
Mitarbeitern/-innen im Landespolizeipräsidium auf Unverständnis.
Wir fordern hierbei eine zeitnahe Nachsteuerung beziehungsweise
Verkürzung der Bearbeitungszeiten, da einzelne Kollegen/-innen auf
die Auszahlung nicht geringer Beihilfezahlungen warten.
> DPolG Polizeispiegel | April 2015
7
Landesverband Saarland
Es wird eine UAG Grundsatz
sowie die UAG 1–4 (vgl. Direk­
tionen) geben. Diese Arbeits­
gruppen werden die entspre­
chenden Aufgabenfelder und
Arbeitspakete im Sinne der
Evaluation bearbeiten und ihre
Ergebnisse der Kommission
vorlegen.
Saarland
Verbot einer altersdiskriminierenden Besoldung
Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG
Zuletzt hat das Bundesver­
waltungsgericht mit Urteilen
vom 30. Oktober 2014 fest­
gestellt, dass die Besoldung
nach Lebensalter eine Alters­
diskriminierung darstellt, Be­
amte haben jedoch gleichwohl
keinen Anspruch auf eine Ein­
stufung in eine höhere oder
gar höchste Dienstaltersstufe,
sondern nur – im Falle der
Geltendmachung bis zum
8. November 2011 – in Höhe
von 100 Euro monatlich
bis zum Inkrafttreten einer
europarechtskonformen
besol­dungsrechtlichen
Neu­regelung.
Landesverband Saarland
8
Das Bundesverwaltungsgericht
hat in drei dieser Verfahren
(2 C 3.13, 2 C 6.13 und 2 C 32.13)
nunmehr die Urteilsgründe
veröffentlicht.
<<
Allgemeine
Vorbemerkungen
Der EuGH hat mit Urteil vom
19. Juni 2014 entschieden, dass
die Bemessung des Grundge­
halts nach Lebensalter in Berlin
eine Altersdiskriminierung
darstellt. Art. 2 und Art. 6
Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/
EG stehen jedoch nicht einem
Überleitungsrecht entgegen,
welches zur Besitzstandswah­
rung auf dem bis dato erwor­
benen Grundgehalt aufbaut.
Es ist Sache des vorlegenden
Gerichts festzustellen, wann
die Voraussetzungen für einen
unionsrechtlichen Haftungsan­
spruch erfüllt sind.
Von dieser Rechtsprechung
sind nach Neuverteilung der
Gesetzgebungskompetenz ab
1. September 2006 der Bund
und alle Länder – jeweils nach
Maßgabe der Ausübung ihrer
Gesetzgebung im Besoldungs­
recht – in unterschiedlicher
Weise betroffen.
> DPolG Polizeispiegel | April 2015
Das Bundesverwaltungsge­
richt hat mit seiner Entschei­
dung vom 30. Oktober 2014
(vgl. dbb Info Nr. 56/2014) in
insgesamt 15 Revisionsverfah­
ren – von denen zwei vom
dbb geführt wurden – klarge­
stellt, ob und in welcher Höhe
Beamten wegen der früheren
diskriminierenden Wirkung
der besoldungsrechtlichen
Bestimmungen nach nationa­
lem Recht und unionsrechtli­
chen Grundsätzen Ansprüche
auf höhere Besoldung, Scha­
denersatz oder Entschädigung
zustehen. Unmittelbar betrof­
fen waren Beamte aus den
Bundesländern Sachsen
und Sachsen-Anhalt sowie
Soldaten.
Dabei war als Besonderheit im
Freistaat Sachsen auch zu klä­
ren, ob und inwieweit eine
rückwirkende Änderung von
besoldungsrechtlichen Bestim­
mungen zulässig ist, mit denen
der Gesetzgeber den Anforde­
rungen der Richtlinie 2000/78/
EG Rechnung tragen will.
Das Bundesverwaltungsgericht
hat unter anderem ausdrück­
lich festgestellt:
Die Besoldung der Beamten
der Besoldungsordnung A nach
den §§ 27 und 28 BBesG a. F.
2002 benachteiligt Beamte
unmittelbar aufgrund ihres
Lebensalters.
Eine Einstufung der betroffe­
nen Beamten in eine höhere
oder gar in die höchste Dienst­
altersstufe ihrer Besoldungs­
gruppe zum Ausgleich dieser
ungerechtfertigten Diskrimi­
nierung ist jedoch ausgeschlos­
sen, da kein gültiges Bezugs­
system besteht, das als
Grundlage für die begehrte
Einstufung herangezogen
werden kann.
Die Voraussetzungen des uni­
onsrechtlichen Haftungsan­
spruchs wegen des Verstoßes
der §§ 27 und 28 BBesG a. F
2002 gegen die Richtlinie
2000/78/EG sind erst ab Ver­
kündung des Urteils des EuGH
in Sachen Hennigs und Mai
(Rs. C-297/10 und C-298/10)
am 8. September 2011 erfüllt.
Für vorhergehende Zeiträume
besteht „nur“ ein verschuldens­
unabhängiger Anspruch auf
angemessene Entschädigung
aus § 15 Abs. 2 AGG, der mit
Inkrafttreten des AGG ab 18.
August 2006 die Sanktionen
bei einem Verstoß gegen die
Richtlinie 2000/78/EG beinhal­
tet und damit als Anspruchs­
grundlage für Entschädigungs­
leistungen von Opfern
heranzuziehen ist.
Als angemessene Entschädi­
gung bezeichnet das Bundes­
verwaltungsgericht in einer für
alle Besoldungsgruppen ein­
heitlichen pauschalisierenden
Festlegung eine Höhe von ma­
ximal 100 Euro monatlich bis
zur Überleitung in ein neues,
unionsrechtlich beanstan­
dungsfreies Besoldungssystem
in dem jeweiligen Land bezie­
hungsweise beim Bund.
Für das Bestehen eines An­
spruchs setzt § 15 Abs. 4 AGG
eine schriftliche Geltendma­
chung binnen zwei Monaten
nach der Benachteiligung vor­
aus.
Diese Geltendmachung ist als
erfüllt anzusehen, wenn der
Schuldner aus dem Schreiben
die Auffassung des Antragsstel­
lers entnehmen kann, wegen
seines Verhaltens bestünden
Ansprüche nach dem Allgemei­
nen Gleichbehandlungsgesetz.
Bei unsicherer oder unklarer
Rechtslage beginnt die
zweimonatige Ausschlussfrist
des § 15 Abs. 4 AGG erst mit
der objektiven Klärung der
Rechtslage durch eine höchst­
richterliche Entscheidung, hier
also am 8. September 2011
(vgl. Ziffer 3).
Hat der Beamte die Ausschluss­
frist des § 15 Abs. 4 AGG ge­
wahrt, ist der Grundsatz der
zeitnahen Geltendmachung von
nicht unmittelbar durch Gesetz
begründeten Ansprüchen nicht
ergänzend anwendbar.
Aufgrund dieser Grundsätze
hat das Bundesverwaltungsge­
richt in den bislang veröffent­
lichten Urteilen den Klägern
eine Entschädigung in Höhe
von 50 Euro (Rechtskreis Sach­
sen – 2 C 3.13) und in Höhe
von 5 550 Euro (Rechtskreis
Sachsen-Anhalt – 2 C 6.13)
zugesprochen. Frohe Ostern
wünscht Ihnen und Ihren Familien der
Landesverband der DPolG Saarland.