der lichtblick EXTRABLATT 1 | 2015 Die Familie wird von der Justiz verachtet ! Der Berliner Vollzug wird weiter zusammengestampft. 205 Stellen will Senator Heilmann am liebsten noch im laufenden Jahr reduzieren, 63 in Tegel. Darum wird hier vorauseilend der Besuch reduziert. Anstaltsleiter Riemer macht wieder auf dem Rücken des Inhaftierten und seiner Angehörigen Personal frei. Es nimmt kein Ende. Nachdem die Anstalt die Besuchszeiten zu Anfang des Jahres bereits drastisch reduziert hat, wird zum zweiten Quartal direkt nachgelegt. Da geht doch noch was ! Also wurden noch zwei Schichten weggestrichen, die Beamten woanders eingeplant. Tor eins ist somit fast ständig für Besucher dicht. Einfach blöd ist dabei, dass die Argumentation, die da von offizieller Seite dahergeschwafelt wird, mal wieder löchriger ist als ein schweizer Käse. Man hätte die Bedarfe minutiös durchgerechnet und die Besetzung der Pforte dem angepasst. Und wie hat man da so genau gerechnet ? Achtung: Anzahl der Stunden mal Anzahl der Tische geteilt durch Anzahl der Gefangenen, die nach anstaltlicher Erfassung regelmäßig Besuche empfangen. Fanfare ! Das ist doch eine, den Ansprüchen des Behandlungsvollzuges (so bezeichnen die Herrschaften das, was sie da machen selbst) überhaupt nicht gerecht werdende Milchmädchenrechnung allererster Garde, jeder Drittklässler hätte an diesem Dreisatz so seine Freude. Nach wie vor wird mit der Eröffnung Heiderings argumentiert, dabei hat das doch wohl kaum etwas mit unseren Besuchen zu tun !? Ja,wird argumentiert, es gibt ja weniger Gefangene in Tegel und die Schichten sollen auf weniger Beamte verteilt werden, der Senat schaut ganz genau hin, es ist alles ganz richtig, wie die Verwaltung das macht und gerade noch vertretbar, bla, bla, bla! Gar nichts daran ist vertretbar, da wird nichts angepasst, da wird zusammengestrichen was das Zeug hält und das können wir Ihnen, werte Herrschaften, jetzt anhand einer der beliebten Textaufgaben gerne mal vorrechnen. In den Jahren 2012 und 2013, also vor der Eröffnung der JVA Heidering lag die Gefangenenzahl in Tegel im Schnitt bei 1250. Die Besuchsmöglichkeiten über die Pforte eins beliefen sich auf 3040 Termine im Monat. Gegen Ende 2014 wurde die Anzahl der Gefangenen in Tegel dann auf ca. 1000 reduziert. Die erste Verknappung der Besuchszeiten folgte dann zu Anfang des Jahres 2015, verkürzt auf 2240 Besuchsmöglichkeiten im Monat. Das ist schonmal unproportional. Und zufällig fiel diese Verknappung zeitlich mit der Eröffnung des SV-Hauses zusammen. Ganz klar, dass hier nur auf die Schnelle Personal freigemacht wurde. Nun, nur drei Monate später, wird die Anzahl der Besuchsmöglichkeiten auf mickrige 1680 Termine heruntergekürzt. Seit dem ist jedoch die Gefangenenzahl kaum noch gesunken, sie liegt konstant bei 930. Also: 320 Gefangene weniger in Tegel sind ein Rückgang von 25,6 %. 1410 Besuchstermine weniger in Tegel sind ein Rückgang von 47 %. Es sind demnach unproportional mehr Besuche weg als Gefangene. Darüber hinaus vergleicht man hier Äpfel mit Birnen. Der Faktor Belegungszahl, ist nicht durch das Zeitfenster für Besucher teilbar ! Man kann klar erkennen, wie von der Anstaltsleitung mit kruden Konstrukten gearbeitet und mit den dazugehörigen schiefen Argumenten dichtgemacht wird. Wer nachfragt, wird schlichtweg mit dieser Grundschulmathematik von der Knastverwaltung veräppelt. Nicht ohne den Zusatz, dass das gesetzliche Soll ja rein rechnerisch immer noch überschritten wird. Fremdschämen ist angesagt, wenn man solchen geistigen Leerlauf hören muss. Und nun weg von der hinterhältigen Zahlentrickserei, zurück zur Realität. Sozialen Kontakten, also Angehörigen und Freunden Inhaftierter, werden mit der Änderung nur noch zwei Tage in der Woche die Tore geöffnet. Die Termine beginnen zwar ab 13 Uhr, doch für einen arbeitenden Menschen, was die Mehrzahl der Besucher nun mal ist, bleibt Montags und Dienstags bis 20 Uhr in der Praxis nur ein sehr schmales Zeitfenster. Es geht hier um hunderte unbescholtener arbeitender Bürger, die nur ihren Vater, Bruder oder Mann besuchen wollen, die sich nun um diese mickrigen Paar Stunden drängen sollen. Die warten sollen, die sich darauf einstellen sollen, die dann eben einen Tag frei nehmen sollen. Die eben an einem von den zwei Wochenenden, die im Monat noch geblieben sind, kommen sollen. Nicht eine Handvoll steuerzahlender Bürger, sondern Hunderte ! Und was ist mit der offiziell als förderungswürdig behandelten Partnerschaft, mit Eheleuten und Familien mit Kindern, die ihre Langzeitbesuche dringend brauchen ? Von 56 Terminen auf 32 Termine im Monat gekürzt. Fast die Hälfte weg. Abgesehen davon, dass es unglaublich ist, dass man hunderte von Familien mit 32 Terminen abspeist, heißt das, dass es nahezu unmöglich werden wird, überhaupt zum Langzeitbesuch zugelassen zu werden, denn für diejenigen, die das unerhörte Glück haben ist es schon längst zu wenig. Die abwertende Haltung gegenüber unseren Besuchern, zeigt sich überdeutlich und ist einfach eine boshafte, bodenlose Frechheit. ■ IMPRESSUM Herausgeber Insassen der JVA Berlin-Tegel Redaktion Andreas Hollamch, Mario Steiner, Norbert Kieper, Ralf Rossmanith, Vito Lestingi Druck durch die Druckerei der JVA Tegel Verantwortlicher Redakteur Ralf Roßmanith (V. i. S. d. P.) Postanschrift : Redaktionsgemeinschaft der lichtblick Seidelstraße 39 D-13507 Berlin Spendenkonto Telefon: (0 30) 90 147 - 23 29 sbh - Sonderkonto: der lichtblick Telefax: (0 30) 90 147 - 23 29 IBAN: DE 67 1007 0848 0170 4667 00 E-Mail: [email protected] BIC (Swift): DEUTDEDB110 Internet: www.lichtblick-zeitung.de
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