Die ersten 100 Tage der Laktation – von der Geburt bis zur erfolgreichen Trächtigkeit Dr. med. vet. Siegfried Moder, Dr. med. vet. Gisela Bosch Die ersten 100 Laktationstage sind die bedeutendste Phase im Laktationszyklus. Diese 100 Tage umfassen den Zeitraum der Hochlaktation, die Phase der höchsten Tagesmilchmenge pro Kuh. Auch die Futtereffizienz ist in diesem Zeitraum am höchsten. Möglichst viele Kühe in der Phase der Hochlaktation zu halten, ist für eine ökonomische Milchproduktion von Bedeutung. Die einzelne Kuh sollte in der Zeitspanne ihrer Nutzungsdauer möglichst viele Laktationshöhepunkte erreichen. Dadurch ist eine höhere Milchleistung pro Zeiteinheit möglich, die sich wiederum positiv auf die Lebenseffektivität der Kuh auswirkt und so die Wirtschaftlichkeit der Milchproduktion beeinflusst. Mehr Laktationshöhepunkte bedeuten aber auch mehr geborene Kälber pro Zeiteinheit, ein wirtschaftlicher Gesichtspunkt, der gerade bei Zweinutzungsrassen wie Fleckvieh nicht außer Acht zu lassen ist. In diesem Zusammenhang wird auch die Bedeutung einer guten Herdenfruchtbarkeit klar. Nur mit einer vernünftigen Zwischenkalbezeit (ZKZ) lassen sich die oben genannten Ziele erreichen. Die ZKZ muss sich an der Milchleistung orientieren, aber selbst für Hochleistungsherden sind ZKZ über 400 Tagen nicht rentabel. Bezogen auf das Fruchtbarkeitsmanagement bedeutet dies, dass bis etwa zum 100. Laktationstag eine Kuh wieder tragend sein sollte. Berücksichtigt man die Dauer der Rückbildungsphase, bis zu deren Ende im Sinne der Freiwilligen Wartezeit keine Besamung erfolgen sollte, bleiben knapp 60 Tage um eine erneute Trächtigkeit zu erzielen. Ein Blick auf die aktuellen durchschnittlichen Fruchtbarkeitszahlen aus Österreich, aber auch aus anderen Ländern, offenbart aber, dass die Zielvorgaben häufig nicht erreicht werden. Diagnosestatistiken zeigen, dass die Erkrankungsraten in den ersten 100 Laktationstagen deutlich höher sind als im folgenden Laktationsverlauf, was sich wiederum auf die Fruchtbarkeit negativ auswirkt. Die Hochlaktation ist in Bezug auf die Tiergesundheit eine hochsensible Phase. Fruchtbarkeit, Tiergesundheit aber auch das Milchleistungsvermögen sind eng miteinander verknüpft. Bei Kühen, die gesund und fit durch die sensible Phase der Hochlaktation kommen, sind hohe Milchleistung und gute Fruchtbarkeit möglich. Besonders kritisch in Bezug auf die Tiergesundheit ist der Zeitraum kurz vor bis einige Wochen nach der Kalbung. In dieser sogenannten Transitphase sind die Erkrankungsraten am höchsten. Dieser Zeitraum stellt für die Kuh eine enorme Belastung dar. Nicht nur die Abkalbung, vor allem auch die einsetzende Milchleistung und der damit rasant wachsende Energiebedarf stellen an den Körper und den Stoffwechsel der Kuh höchste Ansprüche. Da die Milchleistung am Laktationsbeginn schneller steigt als die Futteraufnahme, ist eine negative Energiebilanz in den ersten Wochen der Laktation nicht zu verhindern. Eine gesunde Kuh kann dieses Energiedefizit mit Körperreserven kompensieren, vorausgesetzt die negative Energiebilanz fällt weder zu tief aus noch dauert sie zu lange an. Kann die Kuh den Energiemangel aus verschiedensten Gründen aber nicht ausgleichen, kommt es zur Entgleisung von Stoffwechselvorgängen. Fettmobilisationssyndrom sowie Ketose sind mögliche Folgen. Klinische Erkrankungen sind dabei in der Regel nur die Spitze des Eisbergs. Auf jede klinische Stoffwechselstörung in einer Herde kommen im Schnitt mindestens zwei unentdeckte Stoffwechselstörungen ohne auffällige Krankheitsanzeichen. Sowohl klinische aber eben auch jene subklinischen Stoffwechselstörungen haben weitreichende Folgen für die Gesundheit der betroffenen Kuh. Durch negative Auswirkungen auf die Immunabwehr und die Eizellenqualität bzw. Embryonalentwicklung führen Stoffwechselerkrankungen in Folge oft zu Erkrankungen wie ___________________________________________________________________________________________________ ineda GmbH | München Mastitiden sowie Fruchtbarkeits- und Zyklusstörungen. Die Leistungssteigerung durch erfolgreiche Zuchtarbeit der letzten Jahrzehnte macht moderne Kühe aber anspruchsvoller, vor allem in Bezug auf die Fütterung und die Haltung. Wenn das Betriebsmanagement des Landwirts mit den wachsenden Ansprüchen Schritt hält, dann muss die Hochlaktation nicht zwangsläufig eine Problemphase mit hohen Krankheitsraten sein. Eine strategische Vorgehensweise hilft den Zeitraum von der Kalbung bis zur nächsten Trächtigkeit möglichst optimal zu gestalten. Die Strategie für die ersten 100 Laktationstage basiert auf drei Säulen: die Grundlage ist die möglichst optimale Gestaltung der Rahmenbedingungen. Bereits im letzten Drittel der Vorlaktation beginnt die Vorbereitung auf die folgende Laktation, hier muss die Konditionierung erfolgen. In der Trockenstehzeit selbst kann allenfalls noch eine leichte Zunahme bei unterkonditionierten Tieren erfolgen, keinesfalls dürfen Kühe in der Trockenstehzeit abnehmen, da sonst bereits in der Trockenstehphase durch Energiemangel Stoffwechselstörungen drohen. Idealerweise ändert sich die Körperkondition in der Trockenstehzeit nicht mehr und die Kuh kommt weder über- noch unterkonditioniert zur Abkalbung. Zu erreichen ist dies nur über eine getrennte Aufstallung der Trockensteher und eine zweiphasige Trockensteherfütterung. Die Kalbung selbst sollte möglichst stressfrei, unter Beachtung von Hygienestandards und bei Bedarf mit angemessener, sachgerechter Geburtshilfe stattfinden. Nach der Kalbung ist das Fütterungsregime so auszurichten, dass typische Fehler wie Stoffwechselstörungen aufgrund einer zu ausgeprägten negativen Energiebilanz, aber auch Pansenfermentationsstörungen aufgrund eines zu hohen Anteils an Stärke und Zucker in der Ration bzw. eines Mangels an strukturwirksamer Rohfaser, vermieden werden. Die Ration ist so zusammenzustellen, dass sie sowohl leistungs-, aber auch wiederkäuergerecht ist. Aber nicht nur die Rationsgestaltung ist entscheidend. Auch Haltungsfaktoren (z.B. Belegungsdichte, Wasserversorgung, Klima/Hitzestress) tragen maßgeblich zu einer bedarfsgerechten Versorgungslage bei. Die zweite Säule eines erfolgreichen Gesundheitsmanagements ist die Identifikation von Risikotieren. Wenn krankheitsgefährdete oder bereits erkrankte Tiere frühzeitig erkannt und rechtzeitig Prophylaxemaßnahmen bzw. eine Therapie eingeleitet werden, können entweder klinische Erkrankungen noch verhindert oder aber die Heilungserfolge maximiert werden. Folgekrankheiten, Tierverluste und ökonomische Verluste werden so deutlich reduziert. Die dritte Säule umfasst ein Gyn- und Steriltiätsprogramm mit dem Ziel, die Kühe möglichst bis spätestens 100 Tage nach der Kalbung wieder tragend zu bekommen. Eckpunkte sind eine kurze Rastzeit und eine zeitnahe Trächtigkeitsuntersuchung. Nichttragende Tiere und Tiere mit Fruchtbarkeitsstörungen werden so frühzeitig erkannt und können dem Tierarzt zur Sterilitätsdiagnose vorgestellt und anschließend zielgerichtet therapiert werden. Die ersten 100 Laktationstage sind Chance und Risiko zugleich. Chance, weil dieser Zeitraum Basis einer erfolgreichen und wirtschaftlichen Milchproduktion ist. Die Hochlaktation ist aber auch eine sehr sensible Phase in Bezug auf die Tiergesundheit. Tiergesundheit und Milchleistung werden von einer Vielzahl an Faktoren beeinflusst. Die meisten dieser Faktoren kann der Landwirt aktiv gestalten. Ein strategisches Gesundheits- und Fruchtbarkeitsmanagement hilft diese Phase erfolgreich zu meistern und ist ein wichtiger Schritt zu einer ökonomisch erfolgreichen Milchproduktion. ___________________________________________________________________________________________________ ineda GmbH | München
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