Wo den Hebel ansetzen?

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Betrieb
BAUERNBLATT | 26. März 2016 ■
Wirtschaftsergebnisse 2014/2015 der Milchviehbetriebe
Wo den Hebel ansetzen?
Die Ergebnisse der Vollkostenauswertung im Bereich Milchviehhaltung geben den Betriebsleitern einen detaillierten Einblick darüber,
zu welchen Kosten sie Milch produzieren und wie sie im Vergleich
zu ihren Berufskollegen dastehen.
Am Ende der Rechnung steht ein
kalkulatorisches Betriebszweigergebnis, welches Auskunft darüber gibt, wie hoch der Gewinn beziehungsweise der Verlust in Cent
je Kilogramm ECM im abgelaufenen Wirtschaftsjahr war. So wichtig eine solche Vollkostenauswertung auch ist, gerade für das eigene Controlling, so wenig sagt diese Auswertung über die gesamte
wirtschaftliche Situation der Betriebe aus. Um diese zu beurteilen, sollte die Kurzauswertung des
Buchführungsverbandes herangezogen werden.
Die diesem Artikel zugrunde
liegenden Zahlen basieren ausschließlich auf der Kurzauswertung des Buchführungsverbandes.
Im Folgenden werden pauschalierende, spezialisierte Milchviehbetriebe verschiedener Größenklassen betrachtet:
●●300.001 bis 600.000 kg Milch
●●600.001 bis 900.000 kg Milch und
●●über 900.000 kg Milch
Die Kurzauswertung führt neben den betriebswirtschaftlichen
Kennzahlen auch einige wesentliche produktionstechnischen Kennziffern auf und unterteilt zudem in
Gesamtmittel und in die 25 % erfolgreichen und 25 % abfallenden
Betriebe.
Zahlen und wirtschaftlicher
Hintergrund
Das Wirtschaftsjahr 2014/2015
war gekennzeichnet durch einen stetigen Verfall der Milchpreise. Lagen diese zu Beginn des
Wirtschaftsjahres noch bei etwa
40 ct/ kg, so konnte am Ende des
Die Ergebnisse der Vollkostenauswertung im Bereich Milchviehhaltung geben den Betriebsleitern einen detaillierten Einblick darüber, zu welchen Kosten sie Milch produzieren und wie sie im Vergleich zu ihren Berufskollegen
dastehen.
Fotos: Isa-Maria Kuhn
Wirtschaftsjahres nur noch ein Preis
in Höhe von 32 ct/kg erzielt werden. Im Wirtschaftsjahr 2014/2015
lief die Milchquotenregelung aus;
viele Milcherzeuger reagierten darauf schon im Vorfeld mit einer
Ausweitung ihrer Milchproduktion (durchschnittliche Herdengröße
107 Kühe), was vielfach einherging
mit einer Überlieferung. Auch die
steigende mittlere Milchleistung
pro Kuh trug zur Überlieferung bei.
Die Leistung übersteigt mittlerweile 8.300 kg je Kuh.
Es wurden etwa 280.000 € an
Erträgen aus der Landwirtschaft
generiert, was zu einem Roheinkommen von gut 51.000 € führte.
Subtrahiert man vom Roheinkommen Pachten, Mieten und Zinsen,
so kommt man zum ordentlichen
Ergebnis. Dieses lag im Mittel bei
etwa 27.500 €, was dann zu einem
Gewinn von knapp 25.000 € führt.
Vom Gewinn muss die Familie leben und Eigenkapital für zukünftige Investitionen gebildet werden.
Der im Wirtschaftsjahr 2014/2015
erzielte Gewinn reichte dafür jedoch nicht aus, da die Entnahmen
schon bei 53.700 € lagen. Folglich
belief sich die bereinigte Eigenkapitalbildung auf minus 28.738 €.
Aus wirtschaftlicher Sicht somit ein
Jahr zum Vergessen.
Zum Ende des Wirtschaftsjahres
2014/2015 war auch klar abzusehen, dass verstärkt Liquiditätsengpässe auftreten werden. Die erfolgreichen Betriebe hatten in einem wirtschaftlich gar nicht mal so
schlechten Jahr eine negative Liquiditätsänderung von etwa 12.000 €,
die wirtschaftlich abfallenden Betriebe dagegen schon von minus
46.000 €. Folglich war bereits spätestens im Frühjahr 2015 die Notwendigkeit da, Liquiditätspläne zu
erstellen und das Gespräch mit der
Hausbank zu suchen. Interessanterweise wurde zu dem Zeitpunkt beides kaum in Angriff genommen.
Differenziert man jedoch zwischen den wirtschaftlich erfolgreicheren Betrieben und dem Gesamtmittel oder sogar dem abfal-
Betriebe mit 300.001 bis
600.000 Kilo Milch
Insgesamt flossen 274 Betriebe
in die Auswertung ein. Im Durchschnitt bewirtschaften die Betriebe
knapp 80 ha, wovon sich etwa 40 ha
im Eigentum befinden. Die Betriebe
weisen eine geringe Marktfruchtfläche von etwa 8 ha auf, haben
aber einen Rindviehbestand von
170 Tieren. Durchschnittlich werden 68 Kühe gemolken, bei einer Die steigende mittlere Milchleistung pro Kuh trug zur Überlieferung bei. Die
Milchleistung von knapp 7.700 kg. Leistung übersteigt mittlerweile 8.300 kg je Kuh.
Betrieb 27
■ BAUERNBLATT | 26. März 2016
lenden Viertel, so
ergibt sich ein anders Bild. Die wirtschaftlich erfolgreicheren Betriebe
konnten immerhin einen Gewinn
von gut 62.000 €
erzielen und hatten keine wesentliche negative bereinigte Eigenkapitalbildung zu
beklagen.
Wodurch unter- Die bereinigte Eigenkapitalveränderung ist für alle drei
scheiden sich nun untersuchten Betriebsgrößen nicht zufriedenstellend.
die wirtschaftlich
erfolgreicheren Betriebe vom Gerieren deutlich gegenüber dem
samtmittel? Dazu gibt die Tabelle
Gesamtmittel beziehungsweise
einen Überblick.
dem abfallenden Viertel.
Die Tabelle setzt die KennzahDie erfolgreicheren Betriebe unterscheiden sich vom Gesamtmittel len der 25 % erfolgreichen und
wie folgt:
der 25 % weniger erfolgreich wirt●●Sie bewirtschaften eine gerin- schaftenden Betriebe ins Verhältnis
gere Fläche, haben jedoch einen zum Gesamtmittel. Die Zahlen dokumentieren dann sehr übersichthöheren Eigentumsanteil.
●●Der Rind- und Kuhbestand ist lich, wie weit und in welchen Bereikleiner, die Milchleistung nur mi- chen die jeweiligen Gruppen sich
nimal höher.
vom Durchschnittswert entfernen.
●●Deutlich geringer sind der Kapitaldienst und das NettofremdBetriebe mit 600.001 bis
kapital.
900.000 Kilo Milch
●●Ein wenig geringer sind auch die
Erträge aus der Landwirtschaft,
Die allermeisten Betriebe in
folgerichtig, da die Betriebe Schleswig-Holstein befinden sich
auch kleiner sind.
in der Größenklasse 600.001 bis
●●Große Unterschiede weisen 900.000 kg. Spannend ist, dass das,
die Betriebe jedoch in den was für die kleinere Klasse gilt,
Aufwands­
positionen auf. Die auch in dieser BetriebsgrößenklasPosten Arbeitserledigung und se nahezu eins zu eins wiederzuAufwand Landwirtschaft diffe- finden ist. Die erfolgreicheren Be-
triebe bewirtschaften eine kleinere Fläche, der Eigentumsanteil
ist aber höher. Marktfruchtfläche,
Rind- und Kuhbestand sind kleiner
gegenüber dem Gesamtmittel und
deutlich kleiner gegenüber den
nicht so erfolgreichen Betrieben.
Das wirtschaftlich abfallende Viertel ist deutlich größer als das wirtschaftlich erfolgreiche Viertel.
Ebenso wie in der zuvor behandelten Klasse liegen der Kapitaldienst und das Nettofremdkapital
deutlich unter den Werten des Gesamtmittels und weit entfernt von
den Zahlen des abfallenden Viertels. Auch weisen Aufwandspositionen die deutlich besseren Kennzahlen auf, auch wenn diese ein
wenig bereinigt werden müssen,
da das untere Viertel die größeren Betriebe bewirtschaftet. Aber
offensichtlich erfolgt diese Bewirtschaftung nicht sehr effizient. Ein
negativer Gewinn in Höhe von
knapp 33.000 € steht einem Gewinn der erfolgreicheren Betriebe
von 89.000 € gegenüber; eine Differenz von mehr als 122.000 €. Diese Differenz findet sich auch in der
bereinigten Eigenkapitalveränderung wieder. Gut 10.400 € stehen
einer negativen Eigenkapitalveränderung von knapp 81.000 € gegenüber. Damit dürfte klar sein, das die
wirtschaftlich abfallenden Betriebe
größte Schwierigkeiten haben werden, das Wirtschaftsjahr 2015/2016
Die wirtschaftlich erfolgreicheren Betriebe weisen in allen drei untersuchten Klassen eine etwa 500 kg höhere Milchleistung auf als die wirtschaftlich schwächeren Betriebe.
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zu überstehen, wenn nicht außerlandwirtschaftliche Einkommen,
zum Beispiel Photovoltaik, Windkraft oder Biogas den landwirtschaftlichen Betrieb stützen. Wenn
dieses außerlandwirtschaftliche
Einkommen nicht vorhanden ist,
sollte die Familie sich ernsthaft mit
dem Gedanken auseinandersetzen,
sich aus der Milcherzeugung zu verabschieden, bevor noch mehr Vermögenswerte vernichtet werden.
Betriebe mit über
900.000 Kilo Milch
Die Betriebe in der größten Klasse bewirtschaften knapp 180 ha,
davon befindet sich etwa ein Drittel im Eigentum. Der Rindviehbestand liegt bei knapp 400 Tieren,
etwa 180 Kühe werden gemolken.
Die Milchleistung je Kuh ist in dieser Klasse am höchsten und erreicht
8.858 kg je Kuh. Die wirtschaftlich
erfolgreicheren Betriebe haben
eine um mehr als 300 kg je Kuh höhere Milchleistung als das Mittel,
das abfallende Viertel melkt dagegen nochmals etwa 250 kg je Kuh
weniger als der Durchschnitt. Und
auch für diese Klasse gilt: Die wirtschaftlich erfolgreicheren Betriebe
sind tendenziell die kleineren Betriebe, haben aber einen geringeren Kapitaldienst zu leisten, weisen weniger Nettofremdkapital auf
und wirtschaften mit einem deutlich geringeren Aufwand, was bedeutet: Sie arbeiten effizienter.
So ist es nicht erstaunlich, dass
die erfolgreichen Betriebe immerhin noch einen Gewinn von mehr
als 134.000 € im Wirtschaftsjahr erwirtschaften und damit das Ergebnis des abfallenden Viertels – minus
63.758 € – um mehr als 200.000 €
überflügeln konnten. Allerdings
ist die bereinigte Eigenkapitalveränderung für alle drei Gruppen nicht zufriedenstellend. Auch
wenn die erfolgreichen Betriebe keinen wesentlichen Eigenkapitalverlust hinnehmen mussten,
so ist ein Plus/ minus-null-Ergebnis
für diese Betriebsgröße auf Dauer
nicht verkraftbar. Die wirtschaftlich schlechtergestellten Betriebe
haben allerdings etwa 130.000 €
Eigenkapital verloren; zu befürchten ist, dass diese Eigenkapitalverluste im Wirtschaftsjahr 2015/2016
dramatisch steigen werden. Auch
wird die Liquidität weiter leiden,
da alle Betriebe, unabhängig von
der Gruppe, eine negative Liquiditätsänderung aufzuweisen hatten.
Dr. Klaus Drescher
Landwirtschaftskammer
Tel.: 0 43 31-94 53-200
[email protected]
FAZIT
Die wirtschaftlich erfolgreicheren Betriebe weisen in allen
drei untersuchten Klassen eine
etwa 500 kg höhere Milchleistung auf als die wirtschaftlich
schwächeren Betriebe. Diese
sind allerdings in allen Klassen
größere, heißt, bewirtschaften mehr Fläche, melken mehr
Kühe und unterhalten einen
größeren Rindviehbestand.
Die Aufwandszahlen deuten
jedoch darauf hin, dass auf der
Kosten-/Aufwandsseite, zum
Beispiel im Bereich Kapitaldienst, Spezialaufwand oder
auch im Bereich Arbeitserledigung der Grundstein für den
Erfolg gelegt wird. Mehr Hekt­
are und mehr Tiere heißt somit
nicht mehr Gewinn.
Tabelle: Wirtschaftsergebnisse Milchvieh nach Betriebsgröße in absoluten und relativen Werten
E
300.001 bis 600.000 kg
pauschalierend
25%
Gesamtmittel
600.001 bis 900.000 kg
pauschalierend
> 900.000 kg
pauschalierend
300.001 bis 600.000 kg 600.001 bis 900.000 kg
pauschalierend
pauschalierend
> 900.000 kg
pauschalierend
-25%
25%
Gesamtmittel
-25%
25%
Gesamtmittel
-25%
25% Gesamt- -25%
mittel
25% Gesamt- -25%
mittel
25% Gesamt- -25%
mittel
produktionstechnische Kennzahlen
bewirtschaftete Fläche
- Eigentum
- Pacht­fläche
Marktfruchtfläche
Rindvieh­
bestand
- Milch­kühe
ha
66,47
78,97
88,21
98,61
108,56
113,68
169,66
176,8
180,03
0,84
1,00
1,12
0,91
1,00
1,05
0,96
1,00
1,02
ha
ha
43,99
24,98
40,72
39,82
37,63
52,37
60,06
41,6
51,37
59,17
49,68
66,85
76,02
96,39
62,01
116,94
60,39
122
1,08
0,63
1,00
1,00
0,92
1,32
1,17
0,70
1,00
1,00
0,97
1,13
1,23
0,82
1,00
1,00
0,97
1,04
ha
6,91
11,17
14,07
12,04
12,57
10,02
18,68
23,97
18,36
0,62
1,00
1,26
0,96
1,00
0,80
0,78
1,00
0,77
St.
150
170
185
235
243
256
366
393
419
0,88
1,00
1,09
0,97
1,00
1,05
0,93
1,00
1,07
68
77
100
102
110
165
177
196
0,88
1,00
1,13
0,98
1,00
1,08
0,93
1,00
1,11
7.667
7.457
8.334
8.145
7.833
9.183
8.858
8.601
1,02
1,00
0,97
1,02
1,00
0,96
1,04
1,00
0,97
25.426
36.719
32.062 43.864 55.232 58.903 74.845
91.528
St.
60
kg/
7.844
Milch­leistung
Kuh
wirtschaftliche Kennzahlen
Kapitaldienst
Netto­fremd­
kapital
Erträge
Landwirtschaft
spezialaufwandfreie
­Erträge
Aufwand Arbeitserledigung
Aufwand
Landwirtschaft
Rohein­
kommen
ordentliches
Ergebnis
Gewinn
Entnahmen
bereinigte Eigenkapitalveränderung
Liquiditätsänderung
€
14.713
0,58
1,00
1,44
0,73
1,00
1,26
0,79
1,00
1,22
€
-84.408 -170.136 -299.534 -170.629 -288.158 -418.737 -297.403 -482.942 -742.011 0,50
1,00
1,76
0,59
1,00
1,45
0,62
1,00
1,54
€
257.127 278.614 301.424 424.966 425.299 426.557 773.693 780.221 78.9225
0,92
1,00
1,08
1,00
1,00
1,00
0,99
1,00
1,01
€
164.934 162.765 156.936 267.485 241.290 214.885 477.128 436.168 388.838
1,01
1,00
0,96
1,11
1,00
0,89
1,09
1,00
0,89
€
-59.291 -75.732 -92.885 -102.455 -118.873 -134.597 -196.636 -226.303 -254.742 0,78
1,00
1,23
0,86
1,00
1,13
0,87
1,00
1,13
€
-182.260 -227.355 -278.919 -309.340 -356.185 -405.611 -573.959 -656.105 -753.966 0,80
1,00
1,23
0,87
1,00
1,14
0,87
1,00
1,15
€
74.867
51.259
20.946 199.734 124.116 35.259
1,46
1,00
0,44
1,67
1,00
0,30
1,61
1,00
0,28
€
64.431
27.489 -16.925 94.622 32.420 -28.392 142.559 45.617 -62.858
2,34
1,00
-0,62
2,92
1,00
-0,88
3,13
1,00
-1,38
€
€
62.238 24.962 -18.865 89.002 28.187 -32.712 134.415 37.661 -63.758
-63.213 -53.700 -41.723 -78.597 -70.130 -52.179 -135.219 -101.306 -65.351
2,49
1,18
1,00
1,00
-0,76
0,78
3,16
1,12
1,00
1,00
-1,16
0,74
3,57
1,33
1,00
1,00
-1,69
0,65
-63.645 -129.109 0,03
1,00
2,11
-0,25
1,00
2,02
0,01
1,00
2,03
1,00
2,16
0,62
1,00
1,28
0,32
1,00
1,76
€
€
-975
22.505 115.626 69.114
-28.738 -60.588 10.410 -41.943 -84.891
-804
-12.032 -21.322 -45.958 -18.540 -29.745 -37.969 -13.234 -41.371 -72.912
0,56