Tagungsdokumentation

UBS Arts Forum
Räume der Zukunft: Architektur und Innovation
23. bis 24. März 2015
Wolfsberg, Ermatingen
Tagungsdokumentation
Literaturhinweise/Links.
Beaurecueil de, Anne Save and Lee Franklin (Hgg.), Articulated Grounds. Mediating Environment and Culture,
London: AA Publications, 2009.
Gramazio, Fabio und Matthias Kohler, Digital Materiality in Architecture, Zürich: Lars Müller Publishers, 2008.
Hirsch, Nikolaus und Shveta Sarda (Hgg.), Cybermoholla Hub, Berlin: Sternberg Press, 2012.
Lampugnani, Vittorio Magnano, Die Stadt im 20. Jahrhundert: Visionen, Entwürfe, Gebautes, Berlin: Wagenbach, 2011.
Nicolai, Bernd, Globalized Architecture – a Critical History, Basel, Boston, Berlin: Birkhäuser, erscheint 2016.
Rahm, Philippe, Architecture météorologique, Paris: Archibooks, 2009.
Trüby, Stephan (Hg.), Hertzianismus in Architektur, Design und Kunst, München: Wilhelm Fink, 2009.
Ursprung, Philip, Allan Kaprow, Robert Smithson, and the Limits to Art, translated by Fiona Elliott, Berkeley:
University of California Press, 2013.
www.edelkoort.com/trend_publication/
Programm UBS Arts Forum.
Montag, 23. März 2015
16.00 Uhr Begrüssungsgetränke
16.30 Uhr Begrüssung und Einführung Dr. Stefan Jaeger, CEO, Wolfsberg
16.45 Uhr Organic Dwelling, Biomimicry and Architecture (auf Englisch, Simultanübersetzung)
Lidewij Edelkoort, Trendforscherin, Amsterdam und Paris
Diskussion
17.50 Uhr
Pause
18.00 Uhr Raum für neue Ideen: Zur Rolle des Architekten
Prof. Dr. Philip Ursprung, Institut für Geschichte und Theorie der Architektur, ETH Zürich
Diskussion
19.15 Uhr Apéro in der Ausstellung “Exhibition Z. Neue Arbeiten von Zilla Leutenegger”
20.00 Uhr Abendessen
Schlummertrunk und Networking
Dienstag, 24. März 2015
ab 07.00 Uhr Frühstück
08.30 Uhr Haus der Zukunft NEST (EMPA)
Prof. Fabio Gramazio, Architektur und Digitale Fabrikation, Departement Architektur,
ETH Zürich; Architekt, Gramazio & Kohler, Zürich
Projekte
Raphael Zuber, Architekt, Chur
Diskussion im Anschluss an jede Präsentation
10.00 Uhr Kaffeepause
10.45 Uhr Architektur der Globalisierung ₋ Eine Geschichte der Hypermoderne
Prof. Dr. Bernd Nicolai, Departement Architekturgeschichte und Denkmalpflege,
Universität Bern
Diskussion
12.00 Uhr Schlussbemerkungen und Farewell
Dr. Stefan Jaeger, CEO, Wolfsberg
12.15 Uhr Buffetlunch
Verantwortung und Moderation: Dr. Karolina Jeftic, Director Arts Program, Wolfsberg
In Zusammenarbeit mit:
ab
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CV der Referenten.
Lidewij Edelkoort – Trendforscherin, Amsterdam und Paris
Lidewij Edelkoort gehört weltweit zu den profiliertesten Trendforschern. Die sozio-kulturellen
Trends erkennt sie nicht im Elfenbeinturm, sondern auf Reisen durch verschiedene Kulturen
und Gesellschaften. Diese Trends sind massgebend für ihre Kunden in so verschiedenen Bereichen wie Mode, (Innen-)Architektur, Handel und Nahrungsmittelindustrie. In ihrer Firma
Trend Union mit Sitz in Paris verwirklicht Edelkoort Trendbücher, die als Tools für Strategen,
Designer und Marketingspezialisten von grossen Brands dienen. Zudem unterrichtet sie, ist
Kuratorin und veröffentlicht auf trendtablet.com Bücher für die breitere Öffentlichkeit. Als
Vorsitzende der Design Academy Eindhoven hat sie zwischen 1998 und 2008 kreative Nachwuchstalente ausgebildet. Edelkoort gründete 2011 die School of Form, eine Designschule in
Poznan, Polen, die sich auf Studenten aus Osteuropa konzentriert und Design und Geisteswissenschaften verbindet.
Philip Ursprung – Institut für Geschichte und Theorie der Architektur, ETH Zürich
Philip Ursprung (geb. 1963) ist seit 2011 Professor für Kunst- und Architekturgeschichte an der
ETH Zürich. Er studierte Kunstgeschichte in Genf, Wien und Berlin. Er wurde 1993 an der FU
Berlin promoviert, habilitierte sich 1999 an der ETH Zürich und unterrichtete danach u.a. an
der Hochschule der Künste Berlin, der Columbia University New York, dem Barcelona Institute
of Architecture und der Universität Zürich. Er ist Herausgeber von Herzog & de Meuron: Naturgeschichte (2002) und Caruso St John: Almost Everything (2008). Zuletzt erschienen von ihm
Die Kunst der Gegenwart: 1960 bis heute (2010) und Allan Kaprow, Robert Smithson, and the
Limits to Art (2013). Er war Mitglied der Eidgenössischen Kunstkommission (1997-2004) und
Präsident des Stiftungsrates der Fondation Nestlé pour l’Art (2003-2014).
Prof. Fabio Gramazio – Architekt, Gramazio & Kohler, Zürich
Fabio Gramazio ist Professor für Architektur und Digitale Fabrikation am Departement Architektur der ETH Zürich. Gemeinsam mit Matthias Kohler gründete er 2000 das Architekturbüro Gramazio & Kohler Architekten. Seitdem realisierten sie eine Reihe von preisgekrönten
Bauwerken. Zu den aktuellen Arbeiten gehört u.a. das zukünftige NEST Forschungs- und Technologiegebäude der Empa. In ihrer Forschung an der ETH Zürich bauten sie 2005 das weltweit
erste Roboterlabor für nicht-standardisierte Fabrikationsprozesse in der Architektur auf und
eröffneten damit ein vollkommen neues Forschungsgebiet. Die Forschung reicht von Bauprojekten wie der roboterfabrizierten Ziegelsteinfassade für das Weingut Gantenbein (2006) über
Ausstellungsinstallationen wie Flight Assembled Architecture (2011) bis zum Entwurfsstudio
The Design of Robotic Fabricated High Rises. Zum digitalen Entwurf robotergebauter Hochhäuser in Singapur (2012/13). Zu seinen jüngsten Publikationen zählen die Architectural Design
Ausgabe Made by Robots (Wiley, 2014) und die erste Anthologie zum Einsatz des Roboters in
der Architektur: The Robotic Touch – How Robots Change Architecture (Park Books, 2014).
Raphael Zuber – Architekt, Chur
Raphael Zuber studierte bis 2001 Architektur an der ETH Zürich. Im gleichen Jahr eröffnete er
ein Büro in Riva San Vitale, 2003 sein eigenes Büro in Chur. Sein erstes Gebäude ist das Schulhaus Grono, welches im Sommer 2011 fertiggestellt wurde. Unter seinen wichtigsten Projekten sind das Ethnographische Museum Neuchâtel, das Bürogebäude in Monte Carasso und
der Universitätscampus SUPSI in Mendrisio. Seine Artikel und Projekte sind in verschiedenen
Zeitschriften publiziert, u.a. in Abitare, archithese und The Architectural Review. Raphael Zuber
lehrte an der Accademia di architettura di Mendrisio, der Berner Fachhochschule, der Cornell
University, Ithaca, New York und an der ETH Zürich. Zurzeit ist er Gastprofessor an der Oslo
School of Architecture and Design.
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Prof. Dr. Bernd Nicolai – Departement Architekturgeschichte und Denkmalpflege, Universität Bern
Bernd Nicolai ist Kunsthistoriker und leitet seit 2005 die Abteilung Architekturgeschichte
und Denkmalpflege am Kunsthistorischen Institut der Universität Bern. Nach dem Studium in
Mainz, Göttingen und Berlin/FU lehrte und forschte er an der TU Berlin, der ITÜ Istanbul, University of Edinburgh und der Universität Trier. Seine Forschungsfelder umfassen das frühe und
hohe Mittelalter, Kultur- und Transferprozesse der Moderne seit der Aufklärung, Exilforschung
sowie Entwicklungen der Gegenwartsarchitektur unter den Bedingungen der Moderne. Er
ist gegenwärtig Mitglied der Synergia Projektgruppe (Bern/Köln): The Interior: Art, Space and
Performance (Early Modern to Postmodern) und Gastwissenschaftler an FU Berlin.
Veröffentlichungen (Auswahl): Globalized Architecture – a Critical History, Basel, Boston, Berlin: Birkhäuser (erscheint 2016), «Mendelsohn and Libeskind: A Hidden History – Jewish Identity, the Void, Architectural Metaphors and Traces through Twentieth-Century Berlin», in: Steiner,
Henriette / Veel, Kristin (eds), Invisibility Studies Surveillance,Transparency and the Hidden in
Contemporary Culture (Cultural History and Literary Imagination Bd. 23), Oxford, Bern (2015),
S. 89-116, «New Monumentalism in Contemporary Architecture», in: Anglia 131, (2013),
S. 297-313.
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Sieben Thesen zur Entwicklung der Architektur in der Schweiz.
von Philip Ursprung, Professor für Kunst- und Architekturgeschichte, ETH Zürich.
1. Welche Rolle sollen Architekten in der Schweiz haben?
Die Architekten begnügen sich zu sehr damit, Aufträge zu erfüllen. Sie verkennen, dass die Architektur zu
viel mehr fähig ist, als Probleme zu lösen, nämlich Vorschläge zu entwickeln, wie das Leben aussehen könnte.
Sie haben den Bereich der Visionen und Utopien verlassen. Aber gerade in diesem Bereich – das beweist die
Architektur zur Zeit der französischen Revolution, in der Zwischenkriegszeit und in den 1970er Jahren – werden
Bilder und Worte entworfen, welche die Welt verändern. Architekten sollten nicht bloss ihren Bauherren
dienen, sondern deren Vorstellungen erweitern, nicht bloss auf die Ansprüche der Öffentlichkeit reagieren,
sondern deren Fantasie prägen. Sie sollten nicht nur das Machbare im Auge haben – das machen die Politiker –
sondern Raum bieten für das Unvorstellbare.
2. Sollten wir mehr darüber nachdenken, wie wir langfristig leben wollen?
Ja. Aber das betrifft natürlich nicht nur die Schweiz. Alle Industrieländer haben Mühe, die Zukunft zu planen.
Die Zukunft wird ebenso wie die Vergangenheit verdrängt. Der Zeithorizont ist geschrumpft, namentlich in
der Politik. Dies mag ein Grund dafür sein, warum man von Architekten so viel erwartet. Architektur hat noch
immer einen vergleichsweise weiten Zeithorizont. Allerdings dominiert in der Schweizer Architekturdiskussion
nach wie vor die Idee des moderaten Wachstums. Wir haben keine Vorstellung davon, was es heissen könnte,
rapide zu wachsen. Ebensowenig können wir uns ausmalen, was anderswo in Europa längst geschieht, nämlich
dass Städte schrumpfen und Dörfer sich auflösen. Was, wenn die Zinsen plötzlich steigen und die „Einfamilienweiden“ (Alexander Mitscherlich) veröden? Wir haben kein Bild für eine Immobilienkrise.
3. Was macht die Planung heute falsch?
Ein Mangel ist, dass die Planung zu wenig auf die Mischung achtet. Sie folgt der Idee der Verdichtung. Meiner
Ansicht nach ist dies ein Fehler. Die Verdichtung hat bisher dazu geführt, dass weniger Menschen auf mehr
Raum leben und das Wohnen in den Zentren teurer wird. Die Menschen ziehen immer weiter raus, weil es
dort billiger ist. Dies verstärkt die soziale Segregation. Verdichtung ist eigentlich Verdrängung. Das kann man
heute in vielen Städten feststellen, und es ist eine enorme Herausforderung für die Planung. Die Probleme in
der Schweiz sind allerdings kleiner als in den grossen Metropolen. Man könnte daraus lernen und die Lehren
international anwenden.
4. Soll die Schweiz ein Modell dafür sein, wie man Probleme der internationalen Städteplanung löst?
Ja, das sollte die Schweiz auf jeden Fall sein. Wir sollten eigentlich gar nicht über die Schweiz reden, ohne
einen internationalen Horizont vor uns zu sehen. Wir haben hier ein enorm hohes Niveau an architektonischer
Ausbildung und Forschung, eine interessierte Öffentlichkeit, einen einfachen Zugang zu Entscheidungsträgern
und Kapital, ein extrem stabiles Rechtsystem, kurze Wege, eine vergleichsweise flexible Verwaltung – also
Voraussetzungen, die international keineswegs selbstverständlich sind. Das ist ein Privileg. Aber es ist auch eine
Verantwortung, so zu handeln, dass alle etwas davon haben, ganz besonders diejenigen, die weniger privilegiert sind.
5. Gibt es in der Schweiz einen antiurbanen Reflex?
Ja, wie in den meisten Industrienationen. Allerdings ist der Begriff des Urbanen ambivalent. Selbst eingefleischte „Städter“ verstehen darunter eine domestizierte Urbanität. Das Idealbild ist die „City“, also die
autofreie Innenstadt, die Fussgängerzone, in welcher das Urbane in Form von Unkontrollierbarkeit, Schmutz,
Armut, Kriminalität, Zuwanderung und sozialer Mischung aussen vor bleibt. Es ist im Grunde eine Bastion von
unbegrenztem Konsum von Waren, Erlebnissen und Kultur, eine Art riesige Lounge, aus welcher das Lärmen
der Produktion ausgeblendet ist. Ich denke, dass die zurzeit in der Schweiz lokalisierbare politische Grenze
weniger zwischen der scheinbar aufgeschlossenen „Stadt“ und dem scheinbar rückständigen „Land“ verläuft,
als zwischen denjenigen Menschen, welche privilegierten Zugang zur „City“ haben und solchen, die diesen
nicht haben oder fürchten, ihn bald nicht mehr zu haben. Keine noch so gute Raumplanung kann diesen
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Konflikt lösen. Dringender als eine perfekte Stadtplanung bräuchten wir in der Schweiz ein Verfassungsgericht,
welches verhindert, dass die Politik diese Angst instrumentalisiert und dadurch die Segregation und Ungleichheit verstärkt.
6. Wie sollte man in der Schweiz über „Stadt“ nachdenken?
Wir müssten akzeptieren, dass die Schweiz insgesamt eine Metropole ist, die nicht exakt an den Landesgrenzen endet. Mit lebhaften Quartierten wie Zürich, Basel und Lausanne, langweiligen Quartieren wie Bern und
Genf, Vororten wie dem Limmattal, der Region Olten, dem Tessin, der Region Mulhouse und Annemasse und
einer alpinen Brache. Eine Metropole, die sich wie ein Teppich ausdehnt, ähnlich wie das Ruhrgebiet. Das ist
ein Gedanke, der sich in der breiten Öffentlichkeit noch nicht durchgesetzt hat, obwohl die Diskussion seit den
1950er Jahren im Gang ist. Es gibt auch kaum Foren ausserhalb der Hochschulen, wo darüber gesprochen wird.
Ich wünschte mir, dass es in der Schweiz eine Biennale der Architektur geben würde, eine Turnus-Ausstellung,
welche unter internationaler Beteiligung diese Fragen wieder und wieder aufwirft. Zum Städtischen gehört
auch, dass die Stadt fortwährend in Frage gestellt wird, von Alteingesessenen verteidigt, von Zugewanderten
neu entworfen, etc. Zum Städtischen gehört das Palaver, und der anti-urbane Reflex der Schweizer manifestiert
sich darin, dass sie darüber nicht gern diskutieren.
7. Inwiefern beeinflusst gebaute Wirklichkeit unser Selbstbild?
Die gebaute Umwelt fungiert wie eine Bühne für das Alltagsleben, gibt eine Art von Choreographie vor. Ein
paar Stufen oder ein gekurvter Weg, der auf einen Platz führt, können uns einladen, langsamer zu gehen
und mit Passanten ein paar Worte zu wechseln, eine scheinbar endlose Kolonnade kann uns dazu bringen,
möglichst rasch das Weite zu suchen. Natürlich fungiert die gebaute Umwelt auch wie ein Spiegel unseres
Selbstbildes. Die Leere in den Einfamilienhaussiedlungen mag die einen bedrücken, die anderen beruhigen.
Das Durcheinander vor dem Bahnhof regt die einen an, die andern auf. Aber für problematisch halte ich den
architektonischen Trend zur Abschottung. Alles, was abschottet und begrenzt, ist positiv konnotiert – von der
Schallschutzmauer über die meterdicke Wärmedämmung bis zur ornamentierten Betonverblendung für den
Müllcontainer. Hier folgt die Architektur, ohne es zu reflektieren, der politischen Tendenz zur Isolation. Und sie
verstärkt, ohne es zu wollen, die Angst vieler Menschen vor der Zukunft, dem Anderen und der Veränderung.
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UBS Arts Forum.
Die Veranstaltungsreihe „UBS Arts Forum“ wird seit rund zehn Jahren
von WOLFSBERG - The Platform for Executive & Business Development
organisiert. Das Programm ermöglicht den Teilnehmern die Auseinandersetzung mit exklusiven Inhalten der zeitgenössischen Kunst. Die
Teilnahme an den Veranstaltungen ist nur auf Einladung durch die UBS
AG oder Wolfsberg möglich.
WOLFSBERG – The Platform for Executive & Business Development
CH-8272 Ermatingen
Phone +41 71 663 51 51
Fax +41 71 663 55 90
www.wolfsberg.com
A subsidiary of UBS AG