Wirtschaft Ist Wasser ein Menschenrecht? Peter Laternser Am «Wassergespräch 2012» an der ETH Zürich trafen sich im Mai/Juni verschiedene Exponenten von Entwicklungsorganisationen und Lebensmittelindustrie mit einem interessierten Publikum von 500 Personen. Als Gastredner trat der NestléPräsident Peter Brabeck-Letmathe auf, der mit seiner Position, Wasser müsse wie jedes andere Lebensmittel einen Preis haben, in ein Wespennest gestochen hatte. Die andere Seite, insbesondere Enwicklungsorganisationen vertraten die Position, Wasser sei ein Menschenrecht und müsse daher allen kostenlos zur Verfügung stehen. Und dürfe nicht kommerzialisiert werden. Peter Brabeck differenzierte dann an der Veranstaltung weiter: Früher habe er einmal gedacht, die Haushalte könnten die Wasserverschwendung relativ einfach stoppen, indem man stets zu zweit unter die Dusche gehe. Heute kennt er die wahren Wassersünder: Einerseits die Landwirtschaft, die ihre Pflanzen mit mehr als doppelt so viel Wasser versorgt wie eigentlich nötig, andererseits der westliche Mensch, der 30 Prozent seiner Nahrungsmittel einfach wegwerfe. Denn bereits die Menge dieses Wasser das damit geworfen wird, sei gigantisch. Und «Innovationen für einen effizienteren Umgang mit Wasser werden nur dann gefördert, wenn das Wasser einen Preis hat», Davon ausgenommen sind für ihn dreissig Liter pro Tag und Person – fünf Liter gegen den Durst, 25 Liter für ein Minimum an Hygiene. Diese Mengen entsprechen laut Brabeck rund 1,5 Prozent der gesamten Wasserförderungsmenge. Und diese Menge an Wasser sei – egal, in welchem Land – tatsächlich ein Menschenrecht. Dafür seien jedoch die Regierungen verantwortlich. Die restlichen 98,5 Prozent dürften hingegen einen Preis haben. Dubiosen Praktiken? Die Trinkwasserversorgung durch Private wurde im zweiten Referat des Abends vehement kritisiert. Laut Peter Niggli, Geschäftsleiter von Alliance Sud, der Arbeitsgemeinschaft der grössten Schweizer Hilfswerke, soll Wasser grundsätzlich als öffentliches Gut anerkannt werden – auch in Entwicklungsländern, wo das Wasser knapp ist. Ganz misstrauisch steht Niggli den sogenannten Public Private Partnerships gegenüber: «Wo Private mit dem Staat zusammenarbeiten, beobachtet man oft dubiose Praktiken.» Er sieht ein starkes Missverhältnis zwischen privaten Investitionen und dem Risiko, das die öffentliche Hand trägt. Privatisierung erfordere starke Regulierung, «doch schwache Staaten können keine starken Regulatoren sein», sagt Niggli. Stattdessen propagiert er Entwicklungshilfe in Form von «Public Public Partnerships»: Verwaltungen in Entwicklungsländern könnten beispielsweise von der Stadt Zürich lernen, wie man eine gesunde Trinkwasserversorgung gewährleistet. An einem Punkt waren alle einig: Die Forschung könne einen grossen Beitrag zur Lösung des Wasserversorgungsproblems leisten – beispielsweise mit modernen Wasseraufberei- 14 Food & Near-Food 3/2012 tungsanlagen oder Urinfiltersystemen für Outdoor-Toiletten. In einem dritten Referat betont Janet Hering, Direktorin des Wasserforschungsinstituts Eawag, dass jedoch auch die besten Technologien nichts nützen, wenn der gesellschaftliche und insbesondere der politische Wille zur Veränderung fehlen. «Unsere Technologien brauchen ein förderliches Umfeld», sagt Hering. Von aussen betrachtet standen sich wieder einmal die Privatindustrie und die Gutmenschen gegenüber, die behaupten nur der Staat, und halbstaatliche Organisationen, könnten solche Probleme lösen. Das würde bedeuten, das Ganze durch öffentlichen Gelder des Westens und Sammelgeld von Privaten zu finanzieren. Die Realität Tatsache ist jedoch, dass in Ländern wie beispielsweise Indien, die Wasserverschleuderung durch die Bewässerungswirtschaft gigantisch ist und dass das Brunnenbohren durch die Hilfswerke in den letzten 30 Jahren diese Problematik massiv beschleunigt hat. Tatsache ist auch, dass Importgemüse und -früchte aus dem Süden viel zu billig auf die europäischen Märkte kommen. Dieses Problem wird erst dann gelöst werden, wenn das Wasser einen genügend hohen Preis hat, der sicherstellt, dass die Wasserreserven nicht weiter reduziert werden. Das heisst aber auch, dass Spanien beispielsweise generell keine Tomaten mehr zu Dumping-Preisen exportieren könnte. In allen Ländern des Südens wird heute Raubbau am Boden und an den natürlichen Wasservorräten betrieben und die Profiteure sind neben kriminellen Organisationen die transnationalen Unternehmen und die Konsumenten im Speckgürtel der Erde. Das heisst die bestehenden Märkte müssten den Einsatz sinnvoller Technologien und den Minderkonsum selbst bezahlen oder die Märkte schliessen. Alles andere ist Augenwischerei. Peter Brabeck hat daher mit seinem Vorschlag nicht nur grundsätzlich recht. Er zeigt sogar einen vernünftigen Weg auf, wie das Problem angegangen werden könnte. FRISCHER GEHT’S NICHT! Es ist ja eigentlich paradox, dass man in einer Marktwirtschaft wie der Schweiz ernsthaft glaubt, die Privatwirtschaft oder arme Staaten könnten irgendein Gut kostenlos, respektive nicht kostendeckend zur Verfügung stellen. In Bezug auf Trinkwasser: Der Private Unternehmer kommt ja erst, wenn die Kommunen und Staaten versagen. Hier muss ein Hebel angesetzt werden. Aber nicht indem man Almosen oder unbrauchbare Technologien verteilt. Allerdings sind in solchen Fällen die lokalen Regierungen und internationale Organisationen gefordert und nicht Nestlé oder die Nahrungsmittelindustrie. Die Industrie kann nur Arbeitsplätze schaffen, wenn sie nicht diskriminiert oder gar kriminalisiert wird. ETH-Präsident Ralph Eichler hörte aus einigen der diskutierten Punkte einen unmittelbaren Auftrag an die ETH heraus. Eichler appellierte insbesondere an die Forscherinnen und Forscher der ETH, nicht nur High-TechLösungen für die hiesige Industrie zu fördern, sondern auch die Low-TechAnsprüche der Entwicklungsländer zu berücksichtigen. Ω szeiten Öffnung ktober ab 22. O Uhr 0 – 18.00 .3 6 Uhr Mo 0 – 20.00 .3 6 r F – Uhr Di 0 – 16.00 .3 6 Sa Quelle: ETH-Life Mehr Infos und alle Standorte unter www.cca-angehrn.ch Food & Near-Food 3/2012 15
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