Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Übung im Öffentlichen Recht

Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Institut für Öffentliches Wirtschaftsrecht
Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Medizinrecht
Prof. Dr. Sebastian Graf von Kielmansegg
Übung im Öffentlichen Recht für Fortgeschrittene
Besprechungsfall 6:
Chicken Run
Professor K erwirbt nach seiner Emeritierung am Rande von Kiel ein großes Grundstück, auf
dem er sich eine Villa errichtet. Die Freude währt jedoch nicht lange. Es stellt sich heraus,
dass auf dem Grundstück in den achtziger Jahren einem Geflügelbetrieb gehört hat, das dort
in großen Mengen mit Dioxin belasteter Futtermittel für seine Legehennen gelagert hat. Ein
von der Gemeindevertretung in Auftrag gegebenes Sachverständigengutachten kommt nach
Entnahme einiger Bodenproben zu dem Schluss, dass das Dioxin offenbar in den Boden gelangt und eine gesundheitlich bedenkliche Beeinträchtigung des Grundwassers zu befürchten
ist.
Die zuständige Behörde erlässt daraufhin sogleich einen Bescheid gegenüber K, in dem er
verpflichtet wird, den Boden auf dem betroffenen Teil seines Grundstücks auf seine Kosten
durch eine Fachfirma auskoffern und entsorgen zu lassen. Zugleich ordnet sie die sofortige
Vollziehung an. Sie begründet dies mit der von den Altlasten ausgehenden Gesundheitsgefährdung. Die giftigen Stoffe gelangten über das Sickerwasser beständig in das Grundwasser
und belasteten damit die Trinkwasserversorgung der Gegend. Daher müsse rasche Abhilfe
geschaffen werden. K sei als Eigentümer für das Grundstück verantwortlich; der Geflügelbetrieb, dem das Grundstück damals gehört habe, sei längst in Konkurs gegangen und könne
nicht mehr belangt werden. Angesichts der akuten Gesundheitsgefährdung könne auch keine
Verzögerung durch eventuelle Rechtsmittel des K in Kauf genommen werden.
K möchte sich gegen diesen Bescheid wehren und insbesondere nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Er sieht nicht ein, für Fehler der Voreigentümer aufkommen zu müssen.
Außerdem werde die Auskofferung und Sanierung vermutlich mehr kosten, als sein Grundstück überhaupt wert sei. Wie könnte K vorgehen?
Prof. Dr. Sebastian Graf von Kielmansegg
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Bundes-Bodenschutzgesetz (Auszüge)
§ 1 BBodSchG: Zweck dieses Gesetzes ist es, nachhaltig die Funktionen des Bodens zu sichern oder
wiederherzustellen. Hierzu sind schädliche Bodenveränderungen abzuwehren, der Boden und Altlasten sowie hierdurch verursachte Gewässerverunreinigungen zu sanieren und Vorsorge gegen nachteilige Einwirkungen auf den Boden zu treffen […]
§ 2 BBodSchG:
Abs. 2: Der Boden erfüllt im Sinne dieses Gesetzes
1. natürliche Funktionen als
a) Lebensgrundlage und Lebensraum für Menschen, Tiere, Pflanzen und Bodenorganismen,
b) Bestandteile des Naturhaushalts, insbesondere mit seinen Wasser- und Nährstoffkreisläufen,
c) Abbau-, Ausgleichs- und Aufbaumedium für stoffliche Einwirkungen auf Grund der Filter-,
Puffer- und Stoffumwandlungseigenschaften, insbesondere auch zum Schutz des Grundwassers […]
Abs. 3: Schädliche Bodenveränderungen im Sinne dieses Gesetzes sind Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für
den einzelnen oder die Allgemeinheit herbeizuführen.
Abs. 5: Altlasten im Sinne dieses Gesetzes sind […]
2. Grundstücke stillgelegter Anlagen und sonstige Grundstücke, auf denen mit umweltgefährdenden Stoffen umgegangen worden ist […],
durch die schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den einzelnen oder die Allgemeinheit hervorgerufen werden.
Abs. 7: Sanierung im Sinne dieses Gesetzes sind Maßnahmen
1. zur Beseitigung oder Verminderung der Schadstoffe (Dekontaminationsmaßnahmen) […]
§ 4 Abs. 3 BBodSchG: Der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast sowie dessen Gesamtrechtsnachfolger, der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt
über ein Grundstück sind verpflichtet, den Boden und Altlasten sowie durch schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten verursachte Verunreinigungen von Gewässern so zu sanieren, dass dauerhaft
keine Gefahren, erheblichen Nachteile oder erheblichen Belästigungen für den einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen […]
§ 10 Abs. 1 BBodSchG: Zur Erfüllung der sich aus §§ 4 und 7 […] ergebenden Pflichten kann die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen treffen […]
§ 24 BBodSchG:
Abs. 1: Die Kosten der nach […] § 10 […] angeordneten Maßnahmen tragen die zur Durchführung
verpflichteten. […]
Abs. 2: Mehrere Verpflichtete haben unabhängig von ihrer Heranziehung untereinander einen Ausgleichsanspruch […]