26. März 2015
Seite: 14
Autor: Bernhard Kislig
Berner Zeitung GES
3001 Bern
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PFLEGE -MIGRATION LÜCKEN IM ARBEITSRECHT
Ausländische Pflegende brauchen mehr Schutz
Zunehmend setzen Schweizer
ausländisches Personal ein
dafür, pflegebedürftige Menschen in Privatwohnungen zu
betreuen. Dabei gibt es Gesetzeslücken und Missbräuche. In
einem noch unveröffentlichten
Bericht kommen Experten
des Bundes zum Schluss, dass
rasch zwingende Vorschriften
eingeführt werden sollen.
Der Bericht zur Pflegemigration
sei derzeit noch in Arbeit, teilt
das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco auf Anfrage mit. Der
Bundesrat werde ihn voraussichtlich noch im Frühling behandeln. Doch tatsächlich hat
die damit beauftragte Experten-
gruppe dazu längst einen 28-seitigen Bericht ausgearbeitet. Er
liegt dieser Zeitung vor. Dabei
geht es um ausländische Arbeitskräfte, die in Schweizer Privathaushalten Menschen betreuen.
Der englische Begriff für solche
Einsätze lautet Care-Migration,
auf Deutsch: Pflegemigration.
Fachleute sprechen oft von Pen-
delmigration.
Neun Monate Verzug
Auf eine Frage aus dem Parlament antwortete der Bundesrat
vor fast zwei Jahren, er werde
den Bericht «spätestens bis im
Juni 2014 dem Parlament vorlegen». Warum er bis heute noch
nicht veröffentlicht wurde, bleibt
schleierhaft. Auf Nachfrage erklärt das Seco: «Die verwaltungsinterne Abstimmung benötigt et-
was mehr Zeit als geplant.»
Der Ursprung des Berichts
liegt in einem Postulat von Nationalrätin Barbara Schmid -Fe
derer (CVP, ZH) Sie hat im Frühling 2012 den Bundesrat mit ei-
Aufgrund der demografischen den, können Kantone oder der
Entwicklung hält Schmid-Fede- Bund damit Mindestlöhne vorgerer die Betreuung älterer Ange- ben. Im vorliegenden Fall favorihöriger für eines der grossen po- siert die Expertengruppe eine
litischen Themen der Zukunft.
persönlicher Erfahrungen und nach einem Gedankenaustausch mit der Caritas beschloss sie, die Gesetzeslücken
politisch zu thematisieren, und
reichte das Postulat ein.
Wegen
für die ganze Schweiz ein-
neue
heitliche Regelung, denn immer
mehr Personalverleiher arbeiten
Sie soll
nicht mehr nur wie heute den
Mindestlohn, sondern auch andere Arbeitsbedingungen wie
Ruhezeit oder ArbeitszeiterfasGesetzeslücke
sung festlegen.
Im vor der «verwaltungsinternen
Zwingend gültig: Der neue
Abstimmung» erstellten Bericht NAV oder Teile daraus müssten
sind sich die beteiligten Experten für zwingend erklärt werden.
einig, dass sich der Handlungsbe- Sonst könnten Arbeitgeber mit
darf «deutlich» zeige. Die Arbeits- einer individuellen Vereinbabedingungen müssten besser ge- rung von den Vorgaben abweiregelt werden, damit der Schutz chen. Dafür wäre aber das Obligader Arbeitnehmerinnen sicher- tionenrecht anzupassen. Mit den
gestellt und den privaten Haus- heutigen Normalarbeitsverträhalten Rechtssicherheit gegeben gen kann nur der Mindestlohn
wird. Die Experten vor allem Ju- vorgeschrieben werden derzeit
risten aus der Bundesverwaltung liegt er für Pflegemigrantinnen
verlangen zudem, dass die Poli- bei 18.35 Franken.
tik schnell eine Lösung sucht:
Arbeitsgericht: Wie bisher
«Möglichst rasch umsetzbare Lö- könnten Betroffene den NAV vor
sungen sind zu favorisieren.»
einem privatrechtlichen ArbeitsLaut dem Gremium muss die gericht durchsetzen. Personalneue Rechtsgrundlage folgende
verleiher würden bei schweren
Kriterien erfüllen: Schweizer Verstössen mit BewilligungsentHaushalte sollen weiterhin Pfle- zug der Personalverleih ist nur
gemigrantinnen einsetzen kön- mit einer Lizenz möglich
und
nen. Eine für in- und ausländi- Bussen bestraft.
sche Betreuerinnen einheitliche
Sensibilisierung: Sobald die
Lösung soll Benachteiligungen neue Rechtsgrundlage feststeht,
verhindern. Und schliesslich sol- sollen die Bevölkerung und spelen sich die neuen arbeitsrechtli- ziell auch die betroffenen Michen Bestimmungen durchset- grantinnen informiert werden.
zen lassen und nicht als PapierFür Letztere sei auch eine Helptiger enden.
line oder Unterstützung an TreffNach eingehender Prüfung
punkten von Migrantinnen zu
verschiedener Ansätze schlägt prüfen.
Aber auch für Schweizer
die Gruppe Folgendes vor:
Haushalte sei die Information
Normalarbeitsvertrag: Grundheute ungenügend.
lage ist ein neuer NormalarbeitsWeil Migrantinnen in Privatvertrag (NAV). Mit der Personenhaushalten nicht dem Arbeitsgefreizügigkeit
zwischen
der setz unterstellt sind, gilt heute
Schweiz und der EU hat der NAV für sie der befristete NAV Hausan Bedeutung gewonnen. Wenn
wirtschaft als arbeitsrechtlicher
orts- und branchenübliche Löh- Minimalstandard. Dieser soll
ne wiederholt unterboten werkantonsübergreifend.
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nem Postulat
aufgefordert, die
rechtlichen Rahmenbedingungen für Migrantinnen zu prüfen,
die 24 -Stunden -Einsätze leisten.
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weiterhin anwendbar bleiben.
Der neue nationale NAV soll die
rechtlichen Lücken füllen, die
der bisherige Normalarbeitsver-
trag offenlässt.
Rechtlich umstritten ist heute
insbesondere die Frage, wie die
Präsenzzeit in einem Privathaushalt zu bewerten ist und ob die
Löhne überhaupt dem Arbeitsgesetz unterstehen. Je nach Ausle-
gung kann der Lohn beträchtlich
variieren. Erst kürzlich hat allerdings ein Gericht dazu ein wegweisendes Urteil gefällt (siehe
«Spitex-Firmen
kassieren 8000 bis
14 000 Franken. Die
Betreuerinnen aus
Polen und Rumänien erhalten einen
Lohn von bis 1200
und 4000 Franken.»
Gewerkschaft
TTOD
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Box). Im vergangenen Jahr wurde die Pflegemigration zunehmend zu einem öffentlichen Thema. So zum Beispiel, weil Personalverleiher Pflegerinnen aus
Rumänien, Polen oder anderen
Ländern nur mit einem Bruchteil
des Geldes abspeisen, das sie von
den betreuten Menschen einkassieren.
Auch bei der Spitex gibt es laut
der
Gewerkschaft
VPOD
be-
trächtliche Differenzen. Gewinnorientierte Spitex-Firmen würden für eine 24 -Stunden -Betreuung von Senioren 8000 bis
14000 Franken im Monat verrechnen, während die ausländischen Betreuerinnen
von Kost und Logis
bis zu 990 Franken)
zwischen 1200 und
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einen Gesamtarbeitsvertrag für
Betreuungsdienstleistungen. Zu
hoch wären hier die juristischen
Hürden. Zur Höhe der Mindestlöhne und zur Entschädigung für
Präsenzzeit äussern sich die Experten nicht. Tendenziell würde
die vorgeschlagene Lösung die
Situation der ausländischen Be-
treuerinnen verbessern.
Dass die «verwaltungsinterne
Abstimmung» derart viel Zeit
beansprucht, bedeutet vor allem
eines: Es könnte Änderungen
an der ursprünglichen Fassung
geben.
Bernhard Kislig
nach Abzug
(monatlich
einen Lohn
4000 Fran-
ken erhalten würden.
Keine Zahlen
Nach eingehender Prüfung verwirft die Expertengruppe Alternativen zum NAV wie eine Änderung des Arbeitsgesetzes oder
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