26. März 2015 Seite: 14 Autor: Bernhard Kislig Berner Zeitung GES 3001 Bern tel. 031 330 33 33 www.bernerzeitung.ch Auflage Reichweite Erscheint Fläche Wert 108.337 n. a. 6 x woe 121.379 18'300 Ex. Leser mm2 CHF PFLEGE -MIGRATION LÜCKEN IM ARBEITSRECHT Ausländische Pflegende brauchen mehr Schutz Zunehmend setzen Schweizer ausländisches Personal ein dafür, pflegebedürftige Menschen in Privatwohnungen zu betreuen. Dabei gibt es Gesetzeslücken und Missbräuche. In einem noch unveröffentlichten Bericht kommen Experten des Bundes zum Schluss, dass rasch zwingende Vorschriften eingeführt werden sollen. Der Bericht zur Pflegemigration sei derzeit noch in Arbeit, teilt das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco auf Anfrage mit. Der Bundesrat werde ihn voraussichtlich noch im Frühling behandeln. Doch tatsächlich hat die damit beauftragte Experten- gruppe dazu längst einen 28-seitigen Bericht ausgearbeitet. Er liegt dieser Zeitung vor. Dabei geht es um ausländische Arbeitskräfte, die in Schweizer Privathaushalten Menschen betreuen. Der englische Begriff für solche Einsätze lautet Care-Migration, auf Deutsch: Pflegemigration. Fachleute sprechen oft von Pen- delmigration. Neun Monate Verzug Auf eine Frage aus dem Parlament antwortete der Bundesrat vor fast zwei Jahren, er werde den Bericht «spätestens bis im Juni 2014 dem Parlament vorlegen». Warum er bis heute noch nicht veröffentlicht wurde, bleibt schleierhaft. Auf Nachfrage erklärt das Seco: «Die verwaltungsinterne Abstimmung benötigt et- was mehr Zeit als geplant.» Der Ursprung des Berichts liegt in einem Postulat von Nationalrätin Barbara Schmid -Fe derer (CVP, ZH) Sie hat im Frühling 2012 den Bundesrat mit ei- Aufgrund der demografischen den, können Kantone oder der Entwicklung hält Schmid-Fede- Bund damit Mindestlöhne vorgerer die Betreuung älterer Ange- ben. Im vorliegenden Fall favorihöriger für eines der grossen po- siert die Expertengruppe eine litischen Themen der Zukunft. persönlicher Erfahrungen und nach einem Gedankenaustausch mit der Caritas beschloss sie, die Gesetzeslücken politisch zu thematisieren, und reichte das Postulat ein. Wegen für die ganze Schweiz ein- neue heitliche Regelung, denn immer mehr Personalverleiher arbeiten Sie soll nicht mehr nur wie heute den Mindestlohn, sondern auch andere Arbeitsbedingungen wie Ruhezeit oder ArbeitszeiterfasGesetzeslücke sung festlegen. Im vor der «verwaltungsinternen Zwingend gültig: Der neue Abstimmung» erstellten Bericht NAV oder Teile daraus müssten sind sich die beteiligten Experten für zwingend erklärt werden. einig, dass sich der Handlungsbe- Sonst könnten Arbeitgeber mit darf «deutlich» zeige. Die Arbeits- einer individuellen Vereinbabedingungen müssten besser ge- rung von den Vorgaben abweiregelt werden, damit der Schutz chen. Dafür wäre aber das Obligader Arbeitnehmerinnen sicher- tionenrecht anzupassen. Mit den gestellt und den privaten Haus- heutigen Normalarbeitsverträhalten Rechtssicherheit gegeben gen kann nur der Mindestlohn wird. Die Experten vor allem Ju- vorgeschrieben werden derzeit risten aus der Bundesverwaltung liegt er für Pflegemigrantinnen verlangen zudem, dass die Poli- bei 18.35 Franken. tik schnell eine Lösung sucht: Arbeitsgericht: Wie bisher «Möglichst rasch umsetzbare Lö- könnten Betroffene den NAV vor sungen sind zu favorisieren.» einem privatrechtlichen ArbeitsLaut dem Gremium muss die gericht durchsetzen. Personalneue Rechtsgrundlage folgende verleiher würden bei schweren Kriterien erfüllen: Schweizer Verstössen mit BewilligungsentHaushalte sollen weiterhin Pfle- zug der Personalverleih ist nur gemigrantinnen einsetzen kön- mit einer Lizenz möglich und nen. Eine für in- und ausländi- Bussen bestraft. sche Betreuerinnen einheitliche Sensibilisierung: Sobald die Lösung soll Benachteiligungen neue Rechtsgrundlage feststeht, verhindern. Und schliesslich sol- sollen die Bevölkerung und spelen sich die neuen arbeitsrechtli- ziell auch die betroffenen Michen Bestimmungen durchset- grantinnen informiert werden. zen lassen und nicht als PapierFür Letztere sei auch eine Helptiger enden. line oder Unterstützung an TreffNach eingehender Prüfung punkten von Migrantinnen zu verschiedener Ansätze schlägt prüfen. Aber auch für Schweizer die Gruppe Folgendes vor: Haushalte sei die Information Normalarbeitsvertrag: Grundheute ungenügend. lage ist ein neuer NormalarbeitsWeil Migrantinnen in Privatvertrag (NAV). Mit der Personenhaushalten nicht dem Arbeitsgefreizügigkeit zwischen der setz unterstellt sind, gilt heute Schweiz und der EU hat der NAV für sie der befristete NAV Hausan Bedeutung gewonnen. Wenn wirtschaft als arbeitsrechtlicher orts- und branchenübliche Löh- Minimalstandard. Dieser soll ne wiederholt unterboten werkantonsübergreifend. • - - - • - - • - • nem Postulat aufgefordert, die rechtlichen Rahmenbedingungen für Migrantinnen zu prüfen, die 24 -Stunden -Einsätze leisten. tel. 041 624 99 66 www.management-tools.ch Clipping-Nr. 2045011219 Clipping-Seite 1/2 26. März 2015 Seite: 14 Autor: Bernhard Kislig Berner Zeitung GES 3001 Bern tel. 031 330 33 33 www.bernerzeitung.ch weiterhin anwendbar bleiben. Der neue nationale NAV soll die rechtlichen Lücken füllen, die der bisherige Normalarbeitsver- trag offenlässt. Rechtlich umstritten ist heute insbesondere die Frage, wie die Präsenzzeit in einem Privathaushalt zu bewerten ist und ob die Löhne überhaupt dem Arbeitsgesetz unterstehen. Je nach Ausle- gung kann der Lohn beträchtlich variieren. Erst kürzlich hat allerdings ein Gericht dazu ein wegweisendes Urteil gefällt (siehe «Spitex-Firmen kassieren 8000 bis 14 000 Franken. Die Betreuerinnen aus Polen und Rumänien erhalten einen Lohn von bis 1200 und 4000 Franken.» Gewerkschaft TTOD Auflage Reichweite Erscheint Fläche Wert Box). Im vergangenen Jahr wurde die Pflegemigration zunehmend zu einem öffentlichen Thema. So zum Beispiel, weil Personalverleiher Pflegerinnen aus Rumänien, Polen oder anderen Ländern nur mit einem Bruchteil des Geldes abspeisen, das sie von den betreuten Menschen einkassieren. Auch bei der Spitex gibt es laut der Gewerkschaft VPOD be- trächtliche Differenzen. Gewinnorientierte Spitex-Firmen würden für eine 24 -Stunden -Betreuung von Senioren 8000 bis 14000 Franken im Monat verrechnen, während die ausländischen Betreuerinnen von Kost und Logis bis zu 990 Franken) zwischen 1200 und 108.337 n. a. 6 x woe 121.379 18'300 Ex. Leser mm2 CHF einen Gesamtarbeitsvertrag für Betreuungsdienstleistungen. Zu hoch wären hier die juristischen Hürden. Zur Höhe der Mindestlöhne und zur Entschädigung für Präsenzzeit äussern sich die Experten nicht. Tendenziell würde die vorgeschlagene Lösung die Situation der ausländischen Be- treuerinnen verbessern. Dass die «verwaltungsinterne Abstimmung» derart viel Zeit beansprucht, bedeutet vor allem eines: Es könnte Änderungen an der ursprünglichen Fassung geben. Bernhard Kislig nach Abzug (monatlich einen Lohn 4000 Fran- ken erhalten würden. Keine Zahlen Nach eingehender Prüfung verwirft die Expertengruppe Alternativen zum NAV wie eine Änderung des Arbeitsgesetzes oder tel. 041 624 99 66 www.management-tools.ch Clipping-Nr. 2045011219 Clipping-Seite 2/2
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