Erfolgreiche Vortragsveranstaltung der AfD Südliche Weinstraße: „Russland und die Ukraine: vor einem großen Krieg in Europa?“ Als erstes stellte der Referent Jörn Brauns klar, dass er zwar, wie in der Vortragsankündigung erwähnt, in Oberbayern wohne, aber keineswegs von dort stamme. Dies könne man ja wohl auch noch heraushören, sage er augenzwinkernd. Und in der Tat. Die fast 50 Zuhörer, die sich am 9. März zu dieser Veranstaltung des AfD-Kreisverbandes Südliche Weinstraße im Siedlerheim in Landau eingefunden hatten, mussten lachen angesichts des unverkennbar norddeutschen Akzents des in Wesermünde (heute Bremerhaven) gebürtigen Publizisten. Auch danach gab es in seinen trotz einer enorm großen Informationsfülle ebenso lebhaft wie anschaulich und souverän vorgetragenen Ausführungen zum Thema „Russland und die Ukraine: vor einem großen Krieg in Europa?“ immer wieder Gelegenheiten zum Schmunzeln. Gekonnt streute der 75jährige Berufsoffizier a.D. Anekdoten oder erhellende Zitate führender Politiker ein, die den Ernst des Themas häufig unterstrichen, manchmal aber eben auch kurzzeitig vergessen ließen. Die erfrischende Art des über einstündigen Vortrags sorgte dafür, dass der frühere Kommandeur, Dozent an einer Bundeswehr-Universität und Leiter eines oberbayerische Seminarzentrums vorwiegend für Sicherheitspolitik das Publikum auch dann noch in seinen Bann zog, wenn er ausführlich über die kulturgeschichtlichen und religiösen Prägungen des heutigen Russlands durch die Zarenzeit oder über die zerstörerische Bilanz der Sowjetzeit redete. Brauns sprach dann von der „mörderischen Auslöschung des alten Russland“ und dem „Gift von über 90 Jahren materialistisch-atheistischer Prägung“. Allen im Auditorium wurde schnell klar: dieses historische Hintergrundwissen ist unerlässlich, will man das heutige Geschehen in der Ostukraine, die Politik Putins, seine geopolitischen Interessen und die seiner Widersacher verstehen. Eine der Grundaussagen des Abends lautete: „Wir müssen aufhören, Russland und die Russen nach unseren eigenen Kriterien zu beurteilen.“ Die Kritik von Jörn Brauns an der „geistigen Mobilmachung“ eines erheblichen Teils der deutschen Presse in der Ukrainekrise fiel deutlich aus. Die hiesigen Medien wirkten „nicht friedensstiftend“, sondern heizten die Stimmung kräftig an. Er zitierte Peter Scholl-Latour: „Wir leben in einem Zeitalter der Massenverblödung, besonders der medialen Massenverblödung.“. Und er lobte die Russlandkennerin Gabriele Krone-Schmalz, die sich „nicht vor den Karren von Interessen oder Staaten spannen“ lasse und für die es nach wie vor in keiner Weise nachvollziehbar sei, warum die EU unter Kommissionspräsidenten Barroso der Ukraine ein Assoziierungsangebot gemacht habe und damit die innerlich tief gespaltene Ukraine einer Zerreißprobe auslieferte, die „letztendlich zum Bürgerkrieg führen musste“. Brauns wies auf eine Münchner Bachelor-Studie hin, die für die Jahre 2000 bis 2012 bei 80 ausgewählten Artikeln der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu den Staatsführern Obama und Putin die Adjektive und Adverben vergleichend zusammengestellt hat. Bei Putin sind diese demnach eindeutig negativer Art: drohend, rauh, angriffslustig, konfrontativ, antiwestlich, machtpolitisch, kühl, kalkuliert, berechnend, zynisch, harsch, barsch, nicht glaubwürdig usw.. Ganz anders der Ton gegenüber Obama: engagiert, frenetisch begrüßt, begeistert, konziliant, gelobt, hoffnungsvoll und entschlossen. Unverständnis für „geistige Mobilmachung“ westlicher Medien Schon diese suggestive Berichterstattung zeige, wie sehr die deutschen Medien, die EU und die NATO in diesem Konflikt einseitig Partei bezögen. Doch warum werde, so Brauns, eine künftige Bedrohung der NATO konstruiert, für die es keine Anzeichen gäbe. Mittlerweile habe sich die Lage dramatisch zugespitzt, so dass man die Warnungen Gorbatschows vor einem großen Krieg in Europa sehr ernst nehmen müsse. Der frühere sowjetische Präsident, der bekanntlich kein Putin-Freund sei, aber die „Einkreisung“ Russlands durch den Westen anprangere und den Anschluss der „geostrategisch für Russland lebenswichtigen“ Krim ausdrücklich begrüße , hatte gegenüber dem Spiegel gewarnt: „Ein solcher Krieg würde heute wohl unweigerlich in einen Atomkrieg münden. Wenn angesichts dieser angeheizten Stimmung einer die Nerven verliert, werden wir die nächsten Jahre nicht überleben … Ich sage so etwas nicht leichtfertig. Ich mache mir wirklich allergrößte Sorgen.“ Verständlich wird diese Rückendeckung Putinscher Politik auch durch die eigenen Erfahrungen Gorbatschows, der Helmut Kohl im Juli 1990 auf seiner Datscha im Kaukasus die freie Bündniswahl für ein wiedervereinigtes Deutschland und den Abzug aller sowjetischen Truppen zugestand und dafür nach eigener Aussage als Gegenleistung den Verzicht auf jede weitergehende Osterweiterung der Nato ausgehandelt habe. Außer über solch neuere Entwicklungen erfuhren die vielfach jüngeren, teils sogar von Mannheim, Heidelberg oder Alzey angereisten Zuhörer jede Menge über länger Zurückliegendes, das bis heute große Wirkung entfaltet. Am Anfang stand die Feststellung: „Russlands Geburtsort ist Europa“. Denn „es waren Missionare aus Byzanz, die die Lehre Christi an den Dnjepr brachten und Kiew zur Urmutter aller russischen Städte machten“. „Das Christentum in seiner morgenländischen Tradition war die geistige Orientierung Russlands bis zu seinem Untergang 1917“, betonte Brauns und ergänzte: „An diese geistige Orientierung versucht ein durch den Bolschewismus/Kommunismus entchristlichtes Russland heute anzuschließen.“ Man müsse sich darüber im klaren sein, wie der bekannte britische Historiker Alan Sked feststellte, dass das russische Kaiserreich 1914 ein blühendes Gebilde mit ungeheuren Modernisierungsschüben war. Die russische Industrie entwickelte sich zwischen 1890 und 1914 prozentual stärker als die Industrie in den USA, und die Flugzeugproduktion hatte das gleiche Volumen wie das der Vereinigten Staaten. Russland produzierte vor dem Ersten Weltkrieg mehr Getreide als die USA, Kanada und Argentinien zusammen. Erst im Gefolge der Herrschaft der „roten Internationalsozialisten“ musste es dann sein Getreide eben aus diesen Staaten einführen. Weitere, für viele sicher überraschende historische Hinweise folgten: - - - bereits 1906 wurde das Frauenwahlrecht in dem zum Zarenreich gehörenden Großfürstentum Finnland eingeführt, während dies in Frankreich erst 1944 geschah; 1917 gehörten nur noch 23 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche den Großgrundbesitzern, in Großbritannien waren es über 50 Prozent; die russische Gesellschaft um die Jahrhundertwende war vergleichsweise tolerant; 1913 hatte Russland 32 750 Strafgefangene, heute sind es 890 000 Strafgefangene, in den USA dagegen ca. 2,3 Millionen (Quelle: Wikipedia), mehrheitlich Schwarze und Latinos. . Der katastrophale Absturz Russlands erfolgte „über das Hineinschlittern Europas in den mörderischen Bruderkrieg von 1914-18“. Das Verhängnis brach herein, als im April 1917 die Oberste Deutsche Heeresleitung den Kleinadeligen Lenin im versiegelten Eisenbahnwaggon nach Russland reisen ließ, um durch sein revolutionäres Wirken einen Separatfrieden im Osten durchzusetzen. Die Februarrevolutionäre von 1918 mit ihren demokratischen Parolen lieferten Russland dann dem Chaos aus und gaben die Initialzündung für die sogenannte Oktoberrevolution – „ein Staatstreich, der dem alten Russland das Rückgrat brach und seine Eliten und seine christlich-orthodoxen Wertvorstellungen vernichtete“. Dem Land widerfuhr „das größte Experiment europäischer Intellektueller in angewandter Soziologie: der Schaffung eines ‚neuen Menschen‘ im Namen der neuen Religion des Sozialismus“. Die christliche Religion und ihre Gläubigen mussten dafür gemäß marxistischleninistischer Lehre vernichtet werden. Bis zum 22. Juni 1941, dem Allerheiligentag der russischen Kirche, an dem das Deutsche Reich die Sowjetunion angriff, waren weit über 80 Prozent aller Priester ermordet oder durch Zwangsarbeit beispielsweise am berüchtigten Weißmeer-Kanal umgebracht. Nach den neuesten russischen Erkenntnissen wurden zwischen 1917 und 1940 ungefähr 12 .000 Priester, Diakone, Mönche, Nonnen und andere Kirchenleute verhaftet; 96.000 wurden erschossen. 1935 bereits waren 95 Prozent aller Kirchen zerstört oder in Lagerhallen oder Ställe für Schweine und Kühe umgewidmet worden. Erstmals in der europäischen Kulturgeschichte wurden unter Lenin 1920 Abtreibungen gesetzlich erlaubt. Darüber hinaus führte der rote Diktator Krippen und Horte für Kinder ab dem sechsten Lebensmonat ein und entzog die Kleinen damit frühzeitig der Erziehung durch ihre Mütter und Väter und tat auch sonst alles, um die althergebrachten Familienbindungen zu zerstören, Stalin steigerte diese Tyrannei mit seiner Vernichtung der russischen Bauernschaft durch die sogenannte Entkulakisierung zu einem schrecklichen Höhepunkt. Mit den traditionsbewussten freien Bauern starb das letzte echte gesellschaftliche Gegengewicht zur kommunistischen Staatsdoktrin und die Trägerschaft der christlich-orthodox geprägten bäuerlichen Kultur Russlands. Der freie Handel war bereits durch Lenin unterbunden worden; so wie die Bauern wurden auch die Kaufleute und Kleinhändler ihres Eigentums beraubt. All das passierte auch der Ukraine, wenngleich in unterschiedlicher Weise. Das am 22. Januar 1918 erstmals in seiner Geschichte für kurze Zeit staatlich unabhängig gewordene osteuropäische Agrarland wurde bereits 1919 Sowjetrepublik und 1922 schließlich Gliedstaat der Sowjetunion. Lediglich im westlichen Teil konnte der sowjetische Prägungsprozess nicht sofort umgesetzt werden, weil diese Region von Polen besetzt worden war (die dort beheimateten Ukrainer litten wie alle Minderheiten in Polen unter dem latenten Chauvinismus der Staatsnation). In den zwanziger und dreißiger Jahren erlebte die heutige Zentral- und OstUkraine eine verheerende Zwangskollektivierung und die Verschleppung unzähliger Bauern nach Sibirien und Mittelasien. Es kam zu einem großangelegten Genozid, dem nach Angaben von Brauns sieben Millionen Menschen zum Opfer fielen, darunter drei Millionen Kinder. Sowjetische Geheimdienstquellen sprechen sogar von bis zu zehn Millionen Toten und 200 000 Deportierten. 1936-38 folgte der Große Terror. Schließlich war es Stalin gelungen, mit der Liquidierung der kulturtragenden Bauernschaft und praktisch der gesamten Intelligenz einschließlich der kommunistische Elite den ukrainischen Nationalismus und die ukrainische Kirche für die nächsten Jahrzehnte auszulöschen. Das alte christlich-orthodoxe Russland wurde durch Sowjetterror ebenso vernichtet wie die ukrainische Nationalbewegung Im Jahre 1941 wurde dann auf der Grundlage des geheimen Zusatzprotokolls zum deutsch-sowjetischen Pakt vom 23. August 1939 auch Ostpolen mit der seinerzeit dazugehörenden Westukraine annektiert. Mit dem Einmarsch der Roten Armee „brach die Hölle auch über dieses Gebiet herein“. Zunächst traf es die alteingesessene polnische Elite, anschließend die ukrainische, insbesondere die Geistlichkeit. Doch der ukrainische Nationalismus war hier ungleich vitaler, so dass sich Widerstände in Gestalt schlagkräftiger Partisanenbewegungen regten, deren letzten Reste erst in den fünfziger Jahren besiegt werden konnten. Eine Vorstellung von der hohen Zahl dieser Kämpfer erhält man, wenn man weiß, dass 1956 allein in der Provinz Lemberg/Lwiw 55 000 Mitglieder der ukrainischen antikommunistischen Bewegung OUN zurückgekehrt waren, nachdem sie ihre Strafen abgesessen und die Haft überlebt hatten. In dieser spezifisch westukrainischen Tradition sehen sich wesentliche Teile der Anhängerschaft der post-sowjetischen ukrainischen Nationalbewegung. Nicht von ungefähr bestand das Fußvolk des „Maidan“ zu wesentlichen Teilen aus jungen Männern, die mit Bussen und Bahnen aus Lemberg oder Czernowitz in die Hauptstadt gekommen waren. Doch heute haben in Kiew nach Auffassung des Referenten von den USA gesteuerte Oligarchen das Sagen, und die nationalukrainischen Interessen werden im Konflikt zwischen Nato und EU einerseits und der Russischen Föderation andererseits gegen den Osten instrumentalisiert. Diese Bewertungen vermochte Jörn Brauns auch zu belegen. Präsident Poroschenko sei ein Milliardär mit einer „wie bei allen Oligarchen zweifelhaften Vergangenheit“. Er ist Leiter einer von ihm gegründeten und nach ihm selbst benannten Stiftung, die wiederum mit der Denkfabrik European Policy Centre (EPC) assoziiert ist. Die Hauptversammlung dieser Denkfabrik steht unter Vorsitz des ehemaligen europäischen Kommissars Peter Sutherland, der seit 1995 für die Investmanbank Goldman Sachs International im Vorsitz ist. Der Ministerpräsident der Ukraine, Jazenjuk, war 2007 Begründer der Open Ukraine Foundation, die von US-amerikanischen, britischen und anderen internationalen Partnern wie der NATO finanziert wird. Das ukrainische Finanzministerium wird künftig von der gebürtigen US-Amerikanerin Natalie Jaresko geleitet. Die 49-jährige Fonds-Managerin kam 1992 nach Kiew, wo sie zunächst die Wirtschaftsabteilung der US-Botschaft leitete. Wirtschaftsminister wird der 38-jährige gebürtige Litauer Aivaras Abromavicius, der später in Estland und den USA studierte und mit einer Ukrainerin verheiratet ist. Dieses seien nur einige wenige Beispiel für eine ganze Kette von Beispielen für prowestliche Netzwerke in der ukrainischen Regierung. In Russland verlief die Entwicklung zunächst ähnlich, dann aber völlig anders. Boris Jelzin, Präsident der Russischen Föderation seit dem 12. Juni 1991, hatte im November 1991 die herrschende Kommunistische Partei aufgelöst und für illegal erklärt. Die Spitze der Nomenklatura passte sich geschmeidig der neuen Lage an und stellte die sogenannten Oligarchen (Berezovski, Gussinski, Nemzow, Tschubais, Friedmann, Chodorkowski, Abramowitsch). Diese übernahmen die politische Macht und die Kontrolle über das Eigentum von Öl, Gas, Blech, Fernsehen und Zeitungen. Ausgerechnet von diesen, insbesondere aus der sowjetischen Parteijugend hervorgegangenen Kräften erwartete der Westen, wie der Referent eindringlich hervorhob, „bar jeder historischen und psychologischen Kenntnis, dass sie nun Demokratie, Menschenrechte und Marktwirtschaft einführen würden“. Aber es überlebte nicht nur die alte Nomenklatura. Auch der jahrzehntelang geformte homo sovieticus, der „neue Mensch“, war mit dem Untergang des roten Imperiums sowohl in Russland wie in der Ukraine noch immer da. Auch er konnte mit der aus dem Westen importierten Demokratie nichts anfangen und nahm die Marktwirtschaft als einen gnadenlosen Wirtschaftskampf wahr, ohne jegliche Bindung an ethische Normen. Für ihn war die Demokratie verantwortlich für des Chaos der Jelzin-Ära, die Korruption, die Arbeitslosigkeit, die Wohnungsnot, die ungerechte Privatisierung, den Tschetschenienkrieg, die Armut, die Verbrechen, zahlreiche separatistische Tendenzen und das Ende der eigenen Weltmachtstellung. Dieser allgegenwärtige staatliche wie moralische Zerfall wurde dann, und das zeichnete die Sonderentwicklung der Russischen Föderation aus, durch Jelzins Nachfolger Wladimir Putin gebannt und umgekehrt. Erst mit diesem Präsidenten begann die Geschichte eines neuen Russlands. Der ehemalige KGB-Aufklärer versucht den schwierigen Brückenschlag zum Zarenreich und Sowjetimperium gleichermaßen, symbolisch erkennbar am Zarenadler als Staatssymbol und der Roten Fahne als Symbol der russischen Streitkräfte. Auch die Hymne aus der Sowjetzeit wurde wieder eingeführt, allerdings mit neuem Text. Putin bekennt sich heute zum Christentum und seine Handlungen zeigen das auch. Gegenüber dem deutschen Korrespondenten Thomas Roth sagte er einmal: „Aber bedenken Sie bitte, dass die Menschen nach dem Zusammenbruch des Kommunismus eine große Leere empfinden. Sie suchen nach einem Sinn, und die Kirche kann eine Antwort auf solche Fragen geben.“ Die Moskauer Regierung erarbeitete ein „Konzept für die demographische Politik bis 2025, dass durch einen Ukas von Putin in Kraft gesetzt wurde. Darin geht es nicht zuletzt um die um die Wiederherstellung von Moral und Autorität der Familie. Diese Zielsetzung entspricht, das machte Jörn Brauns unter Hinweis auf eine Untersuchung der Friedrich-Ebert-Stiftung deutlich, dem Wunsch der großen Mehrheit der russischen Frauen. Gendermainstreaming werde es im Herrschaftsbereich Putins „trotz aller Missionsbemühungen des Westens nicht geben“. Statt dessen biete der Kreml finanzielle Anreize, damit Kinder nicht in die staatliche Kollektivbetreuung abgegeben werden. Bis zu drei Jahre nach der Geburt können Mütter oder Väter in Russland eine Auszeit nehmen, ohne den Anspruch auf ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Putin definierte fünf Zielsetzungen für die Wirtschaft seines Landes: die Verringerung der Steuerlast, die Reform des Rentensystems, die Entbürokratisierung, die Reform der natürlichen Monopole, die Gerichtsreform. Seit 2000 bekamen vier Millionen Arbeitslose eine Stelle, der Konsum wuchs um ein Drittel, und die Renten decken in etwa seit 2002 das Existenzminimum ab. Die Ökonomie Russlands entwickelte sich zu einer Marktwirtschaft mit starker Protektion des Staates. Man verfügt über eine der effektivsten Steuergesetzgebungen überhaupt, schrieb Peter Scholl-Latour. Privateigentum an Grund und Boden können wieder erworben werden. Das bis zum kommunistischen Experiment so ertragreiche Agrarland Russland führt sogar wieder landwirtschaftliche Erzeugnisse aus. Das eigentliche Problem ist heute kein West-Ost-Gegensatz, sondern ein Nord-Süd-Konflikt Gegen Ende seiner Ausführungen schlug Jörn Brauns dann wieder den Bogen zur unmittelbaren Gegenwart. Mit dem Machtwechsel in der Ukraine sei es „bereits gelungen, diese aus der GUS herauszubrechen. Das geht gegen die Sicherheitsinteressen der Russischen Föderation und auch der GUS. … Der Westen hat den Umsturz in der Ukraine gefördert, wenn nicht betrieben. Das waren schwere Verletzungen der inneren und äußeren Souveränität der Ukraine.“ Die aus „trans-atlantischer Botmäßigkeit“ resultierende Sanktionspolitik der EU diene vor allem einem strategischen Zweck, „Europas wirtschaftliche und politische Beziehungen mit Russland zu untergraben“ und dem „notwendigen Konzept“ einer Wirtschaftszone von Lissabon bis Wladiwostok“ politisch den Boden zu entziehen. Die Vereinigten Staaten handelten in der Annahme ihrer militärischen Überlegenheit und ohne Rücksicht auf den durch die Atommacht im Osten gefährdeten mittleren und westlichen Teil Europas, also insbesondere Deutschlands.“ Abschließend stellte der Referent den sichtlich beeindruckten Zuhörer zwei Fragen: Gehe es Washington in Wahrheit vielleicht darum, Europa und Russland nachhaltig zu schwächen, um sich dann gegenüber der Volksrepublik China besser behaupten zu können? Aber müsse man das nicht als Irrweg betrachten, da das eigentliche große gemeinsame Problem angesichts des expandierenden islamischen Terrorismus und der Massenzuwanderung aus Afrika doch ein Nord-Süd- und kein West-Ost-Konflikt sei? Wir stehen „vor den Trümmern der amerikanischen Politik“ gegenüber dem Irak, Syrien und Libyen, „von Afghanistan ganz zu schweigen“. „All die hehren Worte von Menschenrechten, Demokratie, westlicher Werteorientierung haben sich doch nur als Heuchelei herausgestellt.“ , so Brauns. Hunderttausende Menschen, insbesondere schutzlose Frauen und Kinder, seien diesen Phrasen geopfert und die uralten christlichen Gemeinschaften im Vorderen Orient weitgehend vernichtet worden. Libyen, das in der Lage und willens war, gewaltige Flüchtlingsbewegungen über das Mittelmeer zu verhindern, habe man durch eine stupide Außenpolitik ins Chaos gestürzt. Wenn Russland nicht alsbald in eine neu zu gestaltende sicherheitspolitische Ordnung mit eingebunden werde, sondern sich die Einkreisungs- und Sanktionspolitik, der Wirtschafts- und Medienkrieg fortsetzte, sei diese Großmacht zwangsläufig gehalten, entsprechende Gegenmaßnahmen zu seiner eigenen Sicherheit zu treffen - und sich auf einen Krieg vorzubereiten. Jörn Brauns schloss seinen Vortrag mit den vielsagenden Worten: „Die Schlafwandler von 2014/15 grüßen die Schlafwandler von 1914.“ Nach lang anhaltendem Beifall bedankte sich Detlef Homa, der Vorsitzende des AfD-Kreisverbandes Südliche Weinstraße, für die Ausführungen, die „jede Menge Stoff zum Nachdenken“ lieferten und gab das Startsignal zur Diskussion. Auch diese fiel lebhaft aus und deutete an, wie groß an der Parteibasis der Alternative für Deutschland – und wohl ähnlich bei erheblichen Teilen der deutschen Bevölkerung – die Vorbehalte gegenüber den hierzulande vorherrschenden politisch-medialen Konfliktdeutungen sind und wie wenig Verständnis für dezidiert transatlantische Erklärungsmuster besteht. Martin L. Schmidt
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