Gemeinsam schaffen wir das Ihr lIches persön ar! exempl Menschen und Geschichten der Stiftungen BSW und EWH AUF EIN WORT Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, „Gemeinsam schaffen wir das!“ – Unter dieses Motto haben wir unsere diesjährige Sonderausgabe gestellt. Denn auf die Gemeinschaft kommt es an; sie ist nach unserer Auffassung das wesentliche Gut in einer sich schnell verändernden Welt, die uns manchmal sogar auch ein bisschen zu viel abverlangt. Wenn der Familienverbund nicht oder unzureichend unterstützen kann, dann sind wir für unsere Förderer da. Die Stiftungen BahnSozialwerk und Eisenbahn-Waisenhort bieten eine umfangreiche und vielseitige Sozialberatung, egal in welcher Situation man ist – deutschlandweit und unkompliziert. Rufen Sie uns einfach unter der gebührenfreien Telefonnummer 0800 0600 0800 an: Wir haben in Ihrer Nähe den richtigen Ansprechpartner für Sie. Bei Problemen in der Familie helfen wir mit Paar- und Familienberatung. Aber auch betroffene Kinder und Jugendliche können sich vertrauensvoll an uns wenden. Psychische Belastungen am Arbeitsplatz machen krank. Wir sind da bei Konflikten, Depression und Burnout. Mit der Suchtberatung möchten wir Betroffenen helfen, dem Teufelskreis zu entkommen. Finanzielle Unterstützung bieten wir Menschen, die in Not geraten sind. Wichtig sind uns darüber hinaus Kooperationen mit anderen Stiftungen und Verbänden, um in Zukunft ein noch stärkeres gemeinschaftliches Netzwerk zu bilden – etwa mit der Aktion „Flamme der Hoffnung“ der Stiftung Projekt Omnibus (vgl. Seite 12) oder mit den BÄRENSTARK-Ferienfreizeiten (Carls Stiftung), die Kinder mit einem behinderten Geschwisterkind stärken. Ganz besonders liegt uns die Zu- sammenarbeit mit der DKMS am Herzen, um den an Blutkrebs erkrankten Bahnbeschäftigten zu helfen. In diesem Heft erzählen einige unserer Förderer offen über ihr Schicksal – und wie positiv und aktiv sie damit umgehen. Sie tun dies auch, um anderen Mut zu machen. Uns ist es wichtig, diesen Menschen eine Stimme zu verleihen und ihnen zur Seite zu stehen: Sie sind nicht alleine! Wir bedanken uns herzlich für diese Offenheit und wir bedanken uns – auch in deren Namen – bei der großen Gemeinschaft BSW und EWH, die soziales Engagement erst möglich macht. Ihre Margarete Zavoral, Vorsitzende des Geschäftsführenden Vorstands Ihr Thomas Heeb, Abteilungsleiter Soziales/EWH Die Stiftung Bahn-Sozialwerk (BSW) ist die größte betriebliche Sozialeinrichtung der Deutschen Bahn, des Bundeseisenbahnvermögens sowie weiterer Eisenbahnverkehrsunternehmen und steht seit 111 Jahren für soziales Engagement und Verantwortung. Wir bieten Leistungen in den Bereichen Soziales & Gesundheit, Reise & Erholung sowie Kultur & Freizeit an. BSW-Förderer kann werden, wer rund um den Bahnbereich beschäftigt ist, auch ehemalige Mitarbeiter, Hinterbliebene und Auszubildende sowie Kinder und Enkelkinder. Die mildtätige Stiftung Eisenbahn-Waisenhort (EWH), die mit dem BSW eng verbunden ist, unterstützt Waisen sowie hilfebedürftige Kinder und Jugendliche finanziell und sozial. Informationen zum Leistungsportfolio im sozialen Bereich der Stiftungen BSW und EWH finden Sie auch in unserer Broschüre „Wir leisten sozial“. Fragen Sie uns gerne danach! Sie wollen Blutkrebspatienten helfen? Dann spenden Sie bitte an: EWH-Spendenkonto Krebshilfe, Sparda-Bank West eG, Konto 20 7080708, BLZ 360 605 91, IBAN: DE98 3606 0591 0207 0807 08, BIC: GENODED1SPE Sie wollen Teil der Solidargemeinschaft sein? Dann senden Sie uns die ausgefüllte Beitrittserklärung auf der Rückseite dieses Magazins zu oder rufen Sie uns an: 0800 265-1367 (gebührenfrei) Allgemeine Informationen: www.bsw24.de und www.ehw24.de Weitere Menschen und Geschichten der Stiftungen BSW und EWH auf www.bsw-blog.de Impressum: Herausgeber: Stiftung Bahn-Sozialwerk (BSW), Münchener Straße 49, 60329 Frankfurt am Main, Margarete Zavoral (verantwortlich) Redaktion/Gestaltung: Adrienne Hinze (BSW), Tel.: 069 809076-140, Werbeagentur Zimmermann, 60439 Frankfurt am Main, www.zplusz.de Fotos: BSW, zplusz, fotolia, Sandra Schildwächter, Alexander Paul Englert Druck: Dierichs Druck +2015 Media GmbH & Co. KG, 34121 Kassel 2 BSW/EWH GEScHIcHTEN DER HILFE Mitleid? Nein, danke! Mitgefühl? Ja, gerne! Familie Schulz (Name geändert) lebt in einem kleinen, zweistöckigen Einfamilienhaus: die Eltern gemeinsam mit den beiden Töchtern, sechs und neun Jahre alt. Herr Schulz ist schon lange bei der Bahn beschäftigt, Frau Schulz kann seit der Geburt ihrer jüngeren Tochter nicht mehr arbeiten. Denn diese leidet an einer schweren Hirnfehlbildung und verfügt über keinerlei motorische Fähigkeiten. In den ersten Jahren war es der Mutter noch möglich, ihr Kind die Wendeltreppe nach oben ins Schlafzimmer zu tragen, doch inzwischen schafft das die zierliche Vierzigjährige schon lange nicht mehr. Herr Schulz hilft, wo es geht, aber er muss natürlich arbeiten. Das Haus ist noch nicht abbezahlt, das Bad nicht behindertengerecht ausgestattet, die Stufen im Haus und vor der Haustür scheinen jeden Tag mehr zu werden. Was tun in einer solchen Situation? Hilfe annehmen Familie Schulz will alles alleine schaffen. Die finanzielle Situation verschärft sich, als klar wird, dass zumindest eine Lösung zur Überwindung der Wendeltreppe her muss. Am praktikabelsten ist ein Rollstuhllift mit Deckenschiene. Aber die Anschaffung eines solchen Treppenlifts ist teuer und Familie Schulz zögert, um Hilfe zu bitten. Als sie sich doch dazu überwindet, unterstützt die Stiftung Eisenbahn-Waisenhort mit einem Zuschuss zum Lift. Die Fachberatung der Stiftung Bahn-Sozialwerk überzeugt zudem auch die Behörden, die zunächst abschlägig entschieden haben, von einer finanziellen Beteiligung. Familie Schulz ist froh: zumindest eine Sorge weniger! Doch darüber reden, das fällt ihnen schwer – und das liegt nicht an der fehlenden Dankbarkeit. Aber wenn man sich bedankt, dann wissen auch alle, in welcher Situation man steckt. Und dann kommt das Mitleid, das das eigene Schicksal noch schlimmer macht, finden die Schulzes. „Das Mitleid war kaum mehr auszuhalten.“ Insbesondere Frau Schulz litt unter den mitleidigen Blicken der Umgebung und geriet immer mehr in die soziale Isolation: Das Gefühl zu haben, die eigene Situation erklären zu müssen – so wohlmeinend die Nachfragen auch sein mögen –, ist schwer. Dazu kam die immense körperliche wie seelische Belastung mit einem Kind, das lebensbedrohliche Operationen überstehen muss, und einer großen Schwester, die ihre Eltern ebenfalls braucht. „Verstehen Sie mich nicht falsch“, sagt Frau Schulz: „OHNE DIE HILFE DER SOLIDARGEMEINScHAFT HäTTEN WIR DAS GAR NIcHT ScHAFFEN KöNNEN. ABER ES IST SO ScHWER, DIE BLIcKE AUSzUHALTEN. DAS IST AUcH DER GRUND DAFüR, DASS WIR GERNE UNERKANNT BLEIBEN MöcHTEN. UNSERE DANKBARKEIT WIRD ABER DADURcH NIcHT KLEINER.“ Dafür haben die Stiftungen BSW und EWH Verständnis, denn höchstes Gut ist der garantierte Vertrauensschutz. zurück ins Leben Nun soll die kleine Tochter der Schulzes bald in die Schule kommen, damit sie am sozialen Leben auch außerhalb der Familie teilnehmen kann. Was sie sieht, hört und aufnimmt, ist unklar. Dennoch möchten es die Eltern versuchen, auch wenn die Mutter dann wieder ein bisschen mehr loslassen muss. Doch sie weiß, dass bestimmte Entwicklungen nur außerhalb des Schutzraums Familie möglich sind – und das gilt für die Mutter fast genauso wie für die Tochter. 2015 BSW/EWH 3 GEScHIcHTEN DER HILFE „Zum Glück habe ich rechtzeitig aufgehört.“ 28 Flaschen Bier am Tag – das war der traurige Rekord, auf den es Günther Schult auf dem Höhepunkt seiner Alkoholkrankheit brachte. Glücklicherweise ist diese zeit lange vorbei: Seit 37 Jahren ist der heute 63-Jährige trocken und seit 2002 Sprecher der BSW-Selbsthilfegruppe für Abhängigkeitserkrankungen in Nürnberg. „Der 1. Juni 1977 war mein erster trockener Tag. Seitdem hab ich keinen Tropfen Alkohol mehr getrunken“, erzählt Günther Schult. Als er seine Therapie in den Kliniken Wied begann, lagen sieben Jahre der Alkoholabhängigkeit hinter ihm. „Angefangen hat es irgendwie schleichend“, erinnert sich der ehemalige Signalmechaniker. 1966 begann Günther Schult seine Ausbildung als Maschinenschlosser beim Bahnbetriebswerk Würzburg. Als er 15 war, starb seine Mutter, die für ihn wichtigste Bezugsperson. 1975 erlag der Vater einem Krebsleiden. Die Gastwirtschaft als Wohnzimmer Nach Abschluss seiner Ausbildung 1970 fing Günther Schult als Signalmechaniker im Außendienst bei der Signalmeisterei in Nürnberg, Außenstelle Würzburg, an. 4 BSW/EWH 2015 19-jährig zog er aus dem Elternhaus aus – und in ein Zimmer über seiner Stammwirtschaft im unterfränkischen Marktbreit. Die Wirtschaft wurde mehr oder weniger zu seinem Wohnzimmer, was „den Vorgang beschleunigte“, wie er es beschreibt. Auch die Arbeit „auf Außenmontage“ begünstigte seinen Weg in die Alkoholsucht: lange Dienstzeiten, Übernachtungen am Einsatzort und die Selbstverständlichkeit des Alkoholkonsums während der Arbeit. „Wenn du keinen Alkohol getrunken hast, dann warst du bei den Arbeitskollegen unten durch und hast die wenig anspruchsvollen Arbeiten gekriegt. Und wenn du mitgetrunken hast, dann warst du der große Meister.“ Heute graut es ihn, wenn er daran denkt, wie er „betrunken über die Gleise geeiert“ ist. „Zum Glück ist sowas heute gar nicht mehr denkbar“, meint Günther Schult. GEScHIcHTEN DER HILFE Frühmorgens zwei Bier Sieben Jahre lang konnte der junge Eisenbahner trotz zunehmender Alkoholabhängigkeit weiter seinen Alltag bestreiten – mehr oder weniger. „Am Anfang hatte man es noch im Griff. Aber dann kam die körperliche Abhängigkeit, die psychische sowieso.“ Früh um halb sechs fing der Tag mit zwei Flaschen Bier an. „Die brauchte ich auch, um einigermaßen ruhig zu werden, man hat ja gezittert und geklappert. Zum Schluss hab ich mich nicht mehr über die Straße getraut, hab geschwitzt und gedacht, jeder schaut mich an. Das war eine schlimme Zeit.“ Irgendwann sprachen ihn sogar seine Stammtischkollegen auf seinen Alkoholkonsum an. Therapie als Lebensrettung Schließlich wurde aufgrund der vielen Fehlzeiten auch sein Arbeitgeber darauf aufmerksam, „dass da was nicht stimmte“. Nach einer siebenwöchigen Krankschreibung, vorgeblich wegen Sehnenscheidenentzündung, erschien Günther Schult weder bei der Arbeit noch ließ er sich weiter krankschreiben. „Irgendwie war‘s mir dann eh wurscht. Ich dachte, dann sollen sie mich halt rausschmeißen.“ Es folgte ein Gespräch mit dem Chef, dann ging Günther Schult zum Personalrat, schließlich zur Sozialberatung der Stiftung Bahn-Sozialwerk. „Da kann ich froh sein, dass das BSW so mitgespielt hat. Das ist ja unheimlich schnell gegangen. Die haben gesagt, sobald ein Therapieplatz frei wird, bin ich dabei. Wenn das nicht geklappt hätte, wäre ich heute nicht mehr da.“ Am 31. Mai 1977 kam Günther Schult in die Kliniken Wied im Westerwald, die auf die Behandlung stoffgebundener Abhängigkeitserkrankungen spezialisiert sind. Ein Dreivierteljahr verbrachte er dort: Gruppentherapie, Bewegungstherapie, gemeinsame Spaziergänge, Gespräche mit den anderen Patienten und lernen, dem Tag wieder Struktur zu geben. „Diese Zeit habe ich auch gebraucht. Heute ist das ja gar nicht mehr vorstellbar, da hat man sechs oder acht Wochen. Das ist eigentlich viel zu knapp“, meint Günther Schult. Ohne Schonzeit ins neue Leben Anfang 1978 wurde er aus der Therapie entlassen. Er wurde nach Nürnberg versetzt und hatte keinen Kontakt mehr zu seinen ehemaligen Kollegen. Vom kleinen Dorf Markbreit musste er in die Großstadt umziehen. „Ich hatte keine Schonzeit, aber das war auch gut so“, blickt Günther Schult zurück. In unregelmäßigen Abständen hatte er dann Gespräche mit den zuständigen Sozialarbeitern beim BSW – und nimmt dieses Angebot auch heute noch gerne in Anspruch. „Es tut einfach gut, den Müll mal loszuwerden. Man muss Platz schaffen für positive Gedanken“, bringt er es auf den Punkt. Er ist glücklich, dass es mit dem BSW eine Anlaufstelle gibt, an die man sich jederzeit wenden kann. Das versuchte er auch stets, seinen Kollegen näherzubringen, und betont es heute in seiner Selbsthilfegruppe. Mit den eigenen Erfahrungen anderen helfen Nach seinem Wiedereinstieg hatte Günther Schult oft den Eindruck, dass die neuen Kollegen und auch sein Chef es ihm nicht wirklich zutrauten, trocken zu bleiben. Aber er schaffte es: „ETWA DREI JAHRE SpäTER WURDE IcH zU MEINEM cHEF zITIERT – UND MORDSMäßIG GELOBT, DASS ES MIR GELUNGEN WAR, VOM ALKOHOL LOSzUKOMMEN UND IHM AUcH DAUERHAFT FERNzUBLEIBEN.“ Fortan beriet er als Suchtkrankenhelfer andere Kollegen, die alkoholabhängig oder gefährdet waren. Seine Erfahrungen konnte er auch in die 1996 gegründete Nürnberger BSWSelbsthilfegruppe für Abhängigkeitserkrankungen einbringen, deren Sprecher er seit 2002 ist. Jeden Mittwoch um 17 Uhr trifft sich die Gruppe in den Räumlichkeiten der DB Regio: ein wichtiger Termin für Günther Schult und die anderen rund 15 Betroffenen, die dort zusammenkommen – zum Austausch, aber auch für gemeinsame Ausflüge. „Es geht uns vor allem um das gemeinsame Erlebnis und darum, sich das Negative von der Seele reden zu können, anstatt es im Alkohol zu ertränken“, meint er. Ehrenamtliches Engagement 1997 wurde Günther Schult aufgrund einer Knochenmarkserkrankung berentet. Langweilig wurde und wird es dem Signalmechaniker a. D. jedoch nie. Neben seinem ehrenamtlichen Engagement für das BSW liebt er vor allem das Wandern. So ist er auch Mitglied im Deutschen Alpenverein. An Büchern und gutem Essen liegt ihm ebenfalls viel. Ob er sich nicht manchmal gewünscht hätte, sich dazu doch wieder ein Bier zu gönnen? „Überhaupt nicht! Ich hab mich jahrelang vom Alkohol zum Kasper machen lassen. Das passiert mir nicht mehr. Zum Glück habe ich rechtzeitig aufgehört!“ GEScHIcHTEN DER HILFE „Die beste Strategie ist ein glückliches Leben.“ Ein Kind zu verlieren – das ist das schlimmste, was Eltern passieren kann. Der 29-jährige Sebastian Heinrichs erlag am 31. März 2014 einem plötzlichen Herztod. Seine Mutter musste nicht nur mit dem Schock, der Trauer und der tiefen Erschütterung klarkommen, sondern auch für ihren pflegesohn patrick und ihre schwangere Tochter Sabrina da sein. „Das hat mich total aus der Bahn geworfen“, erzählt Iris Funk-Heinrichs. Sie lebt mit ihrem 18-jährigen Pflegesohn Patrick in einem Haus am Stadtrand Solingens. Als ihr leiblicher Sohn starb, musste sie diese Situation alleine bewältigen – ihr Mann hatte sie ein halbes Jahr zuvor nach 37 Jahren Beziehung verlassen. „Da es mir ganz furchtbar ging und ich wochenlang nicht zur Arbeit konnte, empfahl man mir eine Reha.“ Eigentlich sollte diese bereits im April beginnen, aber die Betreuung für den damals noch nicht volljährigen Patrick war zunächst ungeklärt. „Meinen Mann wollte ich in dieser Situation nicht bitten“, meint sie. Die Hobbits boten zuhause und zuspruch Alles Mögliche versuchte Iris Funk-Heinrichs, um Patrick unterzubringen – bis ihr schließlich die Einrichtungen der 6 BSW/EWH 2015 Stiftung Eisenbahn-Waisenhort einfielen. In Lindenberg im Allgäu hatte sie „in dem alten Haus oben auf dem Berg“ vor vielen Jahren zwei Mutter-Kind-Kuren gemacht. Sie rief kurzerhand in der sozialpädagogischen Wohngruppe Hobbits an. Dass sie dort mit einem Herrn Herrgott sprach, schien ihr ein gutes Zeichen. „Der Mann hat seinem Namen alle Ehre gemacht: Innerhalb von zwei Tagen hatte ich die Zusage, dass der Junge kommen konnte.“ So reiste Patrick im Juni, einen Tag, bevor seine Pflegemutter ihre Reha begann, nach Lindenberg. Patrick verbrachte fünf Wochen dort und fühlte sich gut aufgehoben: „Ich bin in der Zeit nicht zur Schule gegangen. Ich konnte einfach abschalten und, wenn ich wollte, mit den Betreuern darüber reden, was mir so durch den Kopf ging.“ Während die anderen Jugendlichen in der Schule waren, hatte er Zeit für sich. Er beteiligte sich an den Arbeiten im Haushalt, lernte sogar kochen. An den Wochenenden und GEScHIcHTEN DER HILFE in den Pfingstferien standen gemeinsame Aktivitäten und Ausflüge auf dem Programm. Schon eine Woche vor seiner Pflegemutter kehrte Patrick nach Hause zurück, um die letzte Schulwoche und die Zeugnisvergabe nicht zu verpassen. Er absolviert am Berufskolleg in Düsseldorf eine duale Ausbildung zum informationstechnischen Assistenten; 2017 will er sie mit dem Abitur abschließen. Engagierte Mutter vieler Kinder „Patrick ist soweit wieder gefestigt. Er war immer sehr ehrgeizig und man kannte gar nicht, dass er Vierer oder Fünfer hatte. Nun hat er einen super Neustart geschafft“, meint Iris Funk-Heinrichs stolz. Den Stiftungen Bahn-Sozialwerk und Eisenbahn-Waisenhort ist sie für die schnelle und unbürokratische Hilfe, die sie erhielt, als es „brannte“, sehr dankbar. Förderin ist sie seit Beginn ihrer Ausbildung zur Bundesbahnassistentin vor 34 Jahren. „Die Kinder sind sehr viel mit dem BSW auf Freizeiten gefahren, wir haben häufig Urlaube in den Ferieneinrichtungen gemacht“, erzählt sie. Die engagierte Pflegemutter ist froh, dass das Jugendamt Patrick trotz seiner Volljährigkeit noch zwei weitere Jahre bei ihr gewährt hat. Er ist ihr zehntes Pflegekind und lebt seit 14 Jahren bei ihr. „Familie war immer meins“, meint sie. Schon seit 25 Jahren nimmt sie Pflegekinder auf; neben den zwei eigenen lebten zeitweise bis zu drei Pflegekinder in der Familie. Trotzdem ist sie immer arbeiten gegangen. Iris Funk-Heinrichs und ihr pflegesohn patrick geben sich gegenseitig Halt und Kraft „Manchmal musste ich Kinder in drei verschieden Kindergärten und zwei verschiedene Schulen abliefern vor der Arbeit“, erinnert sie sich. Iris Funk-Heinrichs hat bei der Deutschen Bahn in verschiedenen Abteilungen gearbeitet: Fahrkartenausgabe, Güterabfertigung, Expressgutausgabe, Zugbegleitdienst, Bundesbahnbetriebskrankenkasse, DB Immobilien. Seit 2002 ist sie für die Planung des Gästehauses von DB Training im Zentrum für Leit- und Sicherungstechnik in Wuppertal zuständig. Mit der Trauer leben Die Kollegen dort zeigten angesichts des Todesfalls stets viel Verständnis und Mitgefühl für sie. Iris Funk-Heinrichs verbrachte sieben Wochen in der Hardtwaldklinik in Bad Zwesten, einer Fachklinik für Psychotherapie und Psychosomatik. Im Anschluss machte sie mit Patrick eine Woche Urlaub im BSW-Erlebnishotel „Am Kurgarten“ im Schwarzwald: „DAS WAR EINE TOLLE GRUppE MIT TOLLEN MENScHEN. SIE HABEN ES SOGAR GEScHAFFT, DASS WIR AUcH MAL MITGELAcHT HABEN UND SpASS HATTEN.“ Der Weg zurück in den Alltag ist für Iris Funk-Heinrichs nicht leicht: „Wenn ein Kind stirbt, da kommt man nicht drüber weg. Nie. Aber in der Reha gab es einen tollen Pfarrer, mit dem man über alles reden konnte. Der meinte immer, die beste Strategie wäre ein glückliches Leben. Auch, um mit der Trauer klarzukommen.“ GEScHIcHTEN DER HILFE „Der erste Schritt ist, sich Hilfe zu suchen und diese anzunehmen.“ Als Sascha Hepp im Februar 2007 eines Morgens buchstäblich „vom Bürostuhl fiel“, tat er das zunächst als Schwächeanfall ab. Nach drei Wochen Krankschreibung sollte es in der Tretmühle aus Schichtdienst, langen Anfahrtswegen und häufigen Vertretungen weitergehen. Aber es ging nicht. Es war für den leistungsbereiten Schichtleiter Disposition und pflichtbewussten Familienvater nicht einfach, sich den Burn-out einzugestehen. Heute leitet Sascha Hepp die BSW-Selbsthilfegruppe Burn-out/Depression in Frankfurt am Main. „Die zunehmende Rationalisierung und Zentralisierung führen in vielen Bereichen zu einer großen Belastung für die Bahnbeschäftigten“, beschreibt Sascha Hepp das zentrale Problem. Der 41-Jährige wohnt in Eberbach, rund 30 Kilometer von Heidelberg entfernt am Neckar gelegen. Nach Abschluss seiner Ausbildung zum Lokführer im Jahr 1994 arbeitete er zunächst in Mannheim, dann in Karlsruhe. Mit dem beruflichen Aufstieg zum Disponenten und dann zum Schichtleiter in der Transportleitung stieg zwar die Gehaltsklasse, aber es wuchs auch die Verantwortung. Zu den acht bis zehn Stunden Arbeitszeit kamen drei bis dreieinhalb Stunden Fahrtzeit jeden Tag. Im November 2003 wurde Sascha Hepp eine Stelle in Frankfurt angeboten; im Dezember fing er dort im zentralen Lokdienst an. „Das war am Anfang mit dem Schichtdienst noch recht gut. 8 BSW/EWH 2015 Aber dazu kam der lange Anfahrtsweg von zweieinhalb Stunden pro Strecke. Oft war dann eine Ruhephase zu Hause für mich gar nicht mehr gewährleistet, weil die Zeit einfach zu kurz war. Geschweige denn, dass ich wirklich zur Ruhe gekommen wäre", erinnert er sich. Schichttausch sollte Entlastung bringen Sascha Hepp und seine Frau Sandra dachten über einen Umzug nach Frankfurt nach, aber eigentlich wollten sie aus Eberbach nicht weg. Entlastung sollte ein Zimmer im Wiesbadener Hauptbahnhof bringen, in dem Sascha Hepp während seiner Einsatztage wohnte. „Aber das waren acht Quadratmeter direkt über dem Bahnsteig, und wir mussten uns auf einer Etage zu viert ein Bad teilen.“ Außerdem war GEScHIcHTEN DER HILFE er dort nach der Arbeit oft alleine, konnte mit keinem reden. Also gab er das Zimmer wieder auf. „Wir haben dann unsere Dienste oft untereinander getauscht, um uns gegenseitig zu entlasten.“ Gedanken im Hamsterrad Schließlich kam es zum Zusammenbruch. Burn-out beschreibt einen Zustand tiefer emotionaler, körperlicher und geistiger Erschöpfung. Für Sascha Hepp war es nicht einfach, diese Diagnose anzunehmen: „Als starker Mann hat man das nicht, dachte ich immer.“ An die schlimmste Zeit kann er sich gut erinnern: „Ich habe einfach stundenlang auf der Couch gesessen und nachgegrübelt: Was ist mit der Arbeit? Wie kann ich die Familie ernähren, wenn ich sie verliere? Die Gedanken waren wie im Hamsterrad. Ich habe mich nur noch durch den Alltag geschleppt, die leichtesten Dinge fielen mir schwer.“ Er hatte Probleme einzuschlafen und wachte aus Angst zu verschlafen früher auf. Begleiterscheinungen wie Herzprobleme, Kopf-, Rücken- und Magenschmerzen kamen hinzu. Er hatte keine Lust, etwas zu unternehmen, fühlte sich einfach nur nutzlos. „Es war schwierig, aus dieser Phase wieder rauszukommen. Man wird es auch nie ganz los. Aber heute kann ich damit umgehen“, meint Sascha Hepp. Gesprächskreis und Einzeltherapie halfen weiter Einen großen Anteil an dieser Leistung schreibt er der Stiftung Bahn-Sozialwerk zu. Zusätzlich zu den Maßnahmen der Krankenkasse wie Reha und Psychotherapie nahm er ab Anfang 2009 am Gesprächskreis des BSW in Frankfurt teil – einem monatlichen Angebot, das es auch in anderen Städten gibt. Dort können die Teilnehmenden unter professioneller Leitung persönliche Anliegen und Fragen zu belastenden Lebenssituationen ansprechen. „Da kommen Leute mit Depressionen hin, mit familiären Problemen oder Problemen am Arbeitsplatz, oder Menschen, die mit dem Verlust von Angehörigen klarkommen müssen“, beschreibt Sascha Hepp die Teilnehmenden. Er geht immer noch regelmäßig zu diesen Treffen, wenn er es schafft. Bei der zuständigen Therapeutin nahm er später auch Einzelsprechstunden. „Es tut einfach gut, zu wissen, dass immer jemand für einen da ist“, meint er. Was für Sascha Hepp ebenfalls sehr entlastend ist: „THERApIE UND BERATUNG SIND IM FöRDERBEITRAG DES BSW ENTHALTEN. AUSSERDEM ERHäLT MAN UNpROBLEMATIScH UND ScHNELL TERMINE.“ Ganz anders als bei einer Psychotherapie über die Krankenkasse, für die man Rezepte benötigt und bei der man häufig ein halbes Jahr auf einen Therapieplatz warten muss. Selbsthilfegruppe Depression/Burn-out gegründet Zusätzlich zu der therapeutischen Unterstützung hatte Sascha Hepp das große Glück, einen Arbeitsplatz zu finden, der näher an seinem Wohnort liegt. Seit Dezember 2010 arbeitet er in Ludwigshafen und hat damit nur noch eine knappe Stunde Anfahrt. Inzwischen hilft Sascha Hepp selbst Kollegen, bei denen das Thema Depression oder Burn-out eine Rolle spielt. Im September 2013 war er an der Gründung der ersten BSWSelbsthilfegruppe Depression/Burn-out beteiligt. Die Gruppe trifft sich jeden vierten Montag im Monat in Frankfurt; Betroffene und Angehörige können sich dort austauschen und gegenseitig unterstützen. Mittlerweile gibt es eine zweite Gruppe in Duisburg, die jeden ersten Donnerstag im Monat zusammenkommt. „Es ist gut, zu sehen, dass man nicht der einzige ist, der diese Probleme hat. Das macht es auch leichter für einen, sich einzugestehen, dass man eine Depression haben könnte. Der erste Schritt aus der Depression heraus ist es, sich Hilfe zu suchen und diese dann auch anzunehmen.“ Sandra und Sascha Hepp: gemeinsam durch gute und auch schwierige zeiten GEScHIcHTEN DER HILFE „Die schwerste Zeit ist geschafft.“ Den Alltag zu bewältigen, kann schon eine große Herausforderung sein: etwa Schichtdienst und lange Arbeitswege mit dem Familienleben in Einklang zu bringen. Ungleich belastender wird die Situation, wenn darüber hinaus noch ein behindertes Kind zu betreuen ist, man als Familie auf sich alleine gestellt ist und mit wenig Geld über die Runden kommen muss. Eine Familie, die das schafft, sind die Al-Ezis. Der 52-jährige Mariwan Al-Ezi kam vor 15 Jahren aus der autonomen Region Kurdistan im Norden Iraks nach Deutschland. Er lebt mit seiner Frau Tishk Faraj und den drei Söhnen Ahmed, Aro und Aland im badischen Pforzheim. Der älteste Sohn Ahmed leidet am Downsyndrom. Der Fünfjährige hat in seinem kurzen Leben schon etliche Operationen und lange Krankenhausaufenthalte hinter sich bringen müssen. Mit sechs Monaten wurde er am Herzen operiert. Schwere Atemprobleme – Luftröhre und Kehlkopf sind bei ihm zu weich – machten eine weitere Operation im Oktober 2011 notwendig. Während er danach einen Monat lang im künstlichen Koma lag, wurde sein Bruder Aro geboren. „Diese Zeit ist für mich ganz schwer gewesen“, erinnert sich Mariwan Al-Ezi. Er musste zwischen den beiden Krankenhäusern pendeln und legte die fünf Kilometer häufig mehr10 BSW/EWH 2015 mals täglich zurück – meist zu Fuß, ein Auto hat er nicht. Danach musste er Ahmed regelmäßig zu Kontrolluntersuchungen ins Universitätsklinikum in Heidelberg bringen. Neun Monate in Krankenhäusern Probleme mit Ahmeds Hüfte machten im März 2014 eine weitere Operation nötig, diesmal im Bürgerhospital in Stuttgart. Sechs Wochen lag der Junge vom Bauch bis zu den Füßen in Gips. Weil seine Frau hochschwanger mit dem dritten Sohn war, musste Mariwan Al-Ezi zwischen der Wohnung in Pforzheim, seinem Arbeitsplatz in Karlsruhe und dem Krankenhaus in Stuttgart hin- und herfahren. Im Juli wurde Ahmed am Ohr operiert, eine weitere Hüftoperation steht noch aus. „Ich habe mit Ahmed inzwischen neun Monate in Krankenhäusern verbracht“, fasst der Vater zusammen. GEScHIcHTEN DER HILFE Es ist fast ein Wunder, dass er bei dieser Belastung auch noch seiner Arbeit nachgehen konnte. Mariwan Al-Ezi, der gelernter Elektriker ist, arbeitet als Reinigungskraft im Hauptbahnhof in Karlsruhe; das bedeutet Schichtarbeit und Pendeln. „Wenn ich Frühschicht habe, bin ich von vier Uhr morgens bis neun Uhr abends auf den Beinen.“ Bei Spätschicht kommt er erst nach Mitternacht nach Hause, muss Ahmed aber am Morgen wieder in den Kindergarten bringen. „Meine Arbeit ist mir wichtig“, betont Mariwan Al-Ezi. Er sorgt sich häufig um seinen Job, da es wegen der Erkrankungen seines Sohnes bisweilen zu Dienstausfällen kommt. Dabei ist er sehr stolz darauf, dass er in den 15 Jahren, die er inzwischen in Deutschland lebt, gerade mal einen halben Monat arbeitslos war. Gerne würde er handwerklich arbeiten, etwa als Hausmeister bei der Bahn, am liebsten ohne Schichtdienst. Anspruchsvolle Rund-um-die-Uhr-Betreuung Zuhause bestimmen vor allem Ahmeds Bedürfnisse den Alltag. Normalerweise ist er von 8 bis 16 Uhr im Heilpädagogischen Zentrum der Caritas in Pforzheim. Mit dem Kindergarten sind die Eltern sehr zufrieden, aber häufig kann Ahmed wegen Krankheit nicht hingehen. „Im ganzen letzten Jahr war er insgesamt nur zwei Monate dort“, sagt sein Vater. Das bedeutet für die Eltern noch mehr Belastung: „Wir müssen immer aufpassen, dass nichts passiert.“ Ahmed spricht nicht, kann nicht alleine essen und wegen seiner Hüftprobleme nur kurze Strecken laufen. Auf der Straße ist es besonders gefährlich, da er in einem unbeobachteten Moment in den Verkehr laufen könnte. Nachts hat Ahmed oft Angst und kann nicht schlafen, weil er keine Luft bekommt. Dann sitzen seine Eltern abwechselnd an seinem Bett. Da keine Verwandten in der Nähe leben, können die Al-Ezis nicht durch die Familie entlastet werden. Um freundschaftliche Kontakte aufzubauen, fehlen die Zeit und die Gelegenheit. Das Beste für die Kinder Finanziell kommt die Familie gerade mal so über die Runden: Miete, Kitagebühren, Kleidung für die Kinder. Für Urlaub oder Freizeitvergnügen bleiben weder Zeit noch Geld. Umso dankbarer ist die Familie für die Hilfe durch die Stiftung Bahn-Sozialwerk. Ein Kollege hatte Mariwan Al-Ezi darauf aufmerksam gemacht: „NIE HäTTE IcH GEDAcHT, DASS DIE UNTERSTüTzUNG – AUcH FINANzIELL – SO UMFANGREIcH SEIN KöNNTE.“ Trotz aller Schwierigkeiten, die Al-Ezis lieben ihre Söhne und sind stolz auf sie. „Ich will für meine Kinder mein Bestes geben“, sagt der Vater. „In letzter Zeit ist es auch etwas ruhiger geworden. Aro geht seit dem vergangenen Jahr in den Kindergarten und für den Kleinsten soll es im Mai losgehen. Ich hoffe, die schwerste Zeit ist geschafft.“ Ahmed Al-Ezi – gleich geht es in den Kindergarten 2015 BSW/EWH 11 GEScHIcHTEN DER HILFE „Untergehen geht nicht!“ Als der kleine Hannes am 1. August 2013 das erste Mal seit seiner Geburt über die Schwelle seiner heimatlichen Haustür im hessischen petterweil getragen wurde, war er fast ein Jahr alt. Hinter ihm lag ein elfmonatiger Marathon durch die Intensivstationen verschiedener Spezialkliniken von München bis Gießen. Seit seiner Heimkehr muss er rund um die Uhr medizinisch und pflegerisch betreut werden. Für seine Eltern Doreen und Thomas Adam ist der Ausnahmezustand inzwischen fast schon zur Normalität geworden. Begegnet man Hannes zum ersten Mal, fallen vor allem seine unglaubliche Vitalität und Energie auf. Seine braunen Augen blitzen, er lacht und tobt durchs Wohnzimmer, lässt sich von seiner Mutter in die Luft stemmen und streckt Arme und Beine aus. „Er ist ein kerngesundes Kind mit ein paar Extras“, meint die 28-jährige Doreen Adam augenzwinkernd. Diese „Extras“ sind äußerlich durch eine Kanüle im Hals und den Schlauch einer Magen-Darm-Sonde am Bauch sichtbar. Hannes leidet an einer seltenen Krankheit: Während der Schwangerschaft falteten sich Luftröhre und Speiseröhre bei ihm nicht wie üblich auseinander. Außerdem hatte er bei der Geburt eine Fistel am linken unteren Lungenlappen und sein Magen ist nicht richtig ausgebildet. Das erste Lebensjahr in Krankenhäusern Hannes kam am 6. September 2012 im Klinikum FrankfurtHöchst per Kaiserschnitt auf die Welt. Statt nach Hause führte ihn sein erster Weg nach einem Atemstillstand per 12 BSW/EWH 2015 Notfallhubschrauber nach München auf die Neugeborenen-Intensivstation (NIPS) des Universitätsklinikums. Dort wurde bei einer Operation die sogenannte laryngotracheoösophageale Spalte zum großen Teil geschlossen und eine Trachealkanüle eingesetzt. Sechs Monate blieb Hannes auf der NIPS. Anfang Februar 2013 ging es zu einer weiteren Operation, diesmal am Kehlkopf, ins Olgahospital des Stuttgarter Klinikums. Nach zwei Wochen kam Hannes dann in die Uniklinik Frankfurt, Anfang April sollte er entlassen werden. „Wir hatten zuhause schon alles aufgebaut, was man benötigt, um ein Intensivkind zu versorgen. Aber dann kam mal wieder alles anders“, erinnert sich seine Mutter. Bei der abschließenden Bronchoskopie (Spiegelung der Bronchien) zeigten sich in der Luftröhre unterhalb der Kanüle kleine Geschwulste. Also ging es erneut per Helikopter auf die NIPS in München. Nach der erfolgreichen Behandlung dort wurde Hannes „heimatnah“ in das Gießener Universitätsklinikum verlegt. Weitere zwei Monate musste er dort GEScHIcHTEN DER HILFE verbringen, bevor er dann endlich nach Hause durfte. Für den 43-jährigen Vater bedeutete diese Zeit einen ständigen Spagat: zwischen den Reisen in die verschiedenen Kliniken zu seinem Sohn und seiner Frau, seinem Job als IT-Spezialist und der Renovierung des Hauses in Petterweil, das das Ehepaar kurz zuvor gekauft hatte. „Zum Glück haben wir von unserer Familie und unseren Freunden im Ort ganz viel Hilfe erhalten“, meint er. Auch sein Arbeitgeber – ein IT-Dienstleister im Auftrag der Deutschen Bahn – zeigte sich verständnisvoll und ermöglichte eine gewisse Flexibilität bei der Arbeit. Wechselnde Herausforderungen meistern Mit Hannes' Heimkehr mussten sich seine Eltern neuen Herausforderungen stellen und die Rund-um-die-Uhr-Betreuung eines kleinen Intensivpatienten übernehmen. „Die Schwestern in München haben uns das alles beigebracht. Da möchte ich ein ganz großes Lob aussprechen“, meint Thomas Adam: das Auswechseln von Kanülen und Sonden, die Inhalation, das Absaugen von Schleim über die Trachealkanüle, die Versorgung mit der künstlichen Nahrung über die Magensonde, das Anwenden der verschiedenen Pflegecremes für die Narben, Entzündungen, Hautreizungen oder Wunden, die nächtliche Beatmung per Respirator – all das haben die Adams im Griff. Unterstützung sowohl bei der medizinischen Versorgung als auch bei den Pflegetätigkeiten erhalten sie durch einen Pflegedienst. Theoretisch stehen ihnen die speziell geschulten Schwestern „bis zu 24 Stunden“ am Tag zur Seite, aber der Personalmangel reduziert die Einsatzzeit. „Meist ist die Nacht- und die Frühschicht da, aber die Zeit zwischen 15 und 21 Uhr müssen wir häufig alleine abdecken“, erklärt Doreen Adam. Sie müssen möglichst immer zu zweit bei Hannes sein, falls es zu einem Notfall kommt: Einer muss dann erste Hilfe leisten und der andere den Rettungsdienst verständigen. Das bedeutet, dass dann auch Thomas Adam zuhause bleiben muss. Zum Glück kann er einen Teil seiner Arbeit auch im Home Office erledigen. Doreen Adam hat im Herbst 2013 ihre Arbeit in der Tarifabteilung der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) wieder aufgenommen, mit einer halben Stelle. Vier Tage in der Woche arbeitet sie von zuhause aus. Schichtplan des pflegedienstes bestimmt den Tagesrhythmus Zum täglichen Programm gehören auch verschiedene Therapien wie etwa die Logopädie. Hannes kann nicht richtig sprechen, sich aber über verschiedene Gebärden, Laute und Mundbewegungen verständlich machen. Das Essenstraining ist ein weiterer fester – und zeitaufwendiger – Punkt. Den Großteil der Nahrung bekommt Hannes über die Sonde, aber zunehmend lernt er, Nahrung auch über den Mund zu sich nehmen. Damit soll auch der Magen aufgebaut werden. Man ist nicht alleine Doreen und Thomas Adam sind dankbar für die Unterstützung, die sie von verschiedenen Seiten erhalten. Dazu gehört auch die Pflegeberatung durch das BSW, wie Thomas Adam sagt: „DIE STIFTUNG HILFT UNS zUM BEISpIEL, WAS DIE BEHöRDEN ANGEHT. zURzEIT VERSUcHEN WIR, EINE FAMILIENKUR zU ORGANISIEREN. MAN HAT UNS AUcH BEIHILFE ANGEBOTEN, WENN BAULIcHE äNDERUNGEN NOTWENDIG WERDEN. ABER IM AUGENBLIcK WOLLEN WIR EIGENTLIcH VOR ALLEM, DASS ERST EINMAL RUHE EINKEHRT.“ „Für Außenstehende hört sich das vielleicht alles ein bisschen viel an, aber man wächst da rein“, setzt seine Frau hinzu. „Man hat halt die Situation: Spring ins Wasser und schwimm oder geh unter. Und untergehen geht nicht! Wir möchten auch alle anderen ermutigen, die in einer ähnlichen Lage sind.“ Die Adams setzen sich auch für die bundesweite Aktion „Flamme der Hoffnung – The Flame Of Hope“ ein, die zur Solidarität mit Eltern schwer erkrankter Kinder aufruft (www.die-flamme-der-hoffnung.de). Die Flamme der Hoffnung leuchtet für die vielen Familien, die sich um ihre kranken Kinder kümmern, für schwer erkrankte und verstorbene Kinder. Sie wird von einem Kind entzündet und reist in diesem Jahr fünfzig Tage durch Deutschland. Im Sommer wird sie Station im Haus Möwennest der Stiftung EisenbahnWaisenhort machen, um auch dort zu zeigen, dass es gemeinsam besser geht. „Es ist sicher nicht einfach mit einem schwer kranken Kind, aber man ist nicht alleine“, davon ist Doreen Adam überzeugt. Das ist auch gut so – und für die Stiftungen BSW und EWH ein großer Ansporn. Hannes liebt es, mit seinen Eltern zu spielen und zu toben Zurzeit sind 14 Schwestern wechselweise bei Hannes' Pflege im Einsatz; insgesamt waren es bisher 35. „Zurzeit haben wir ein super Team und verstehen uns gut mit den Pflegerinnen. Das ist wirklich wichtig, denn sie kriegen ja alles von uns mit, sie sind immer dabei“, meint Doreen Adam. So bestimmt der Schichtplan des Pflegedienstes zu großen Teilen den Tagesrhythmus der Familie. 2015 BSW/EWH 13 GEScHIcHTEN DER HILFE Unterstützung für Familien mit Kindern Seit über zwei Jahren schon organisiert die Stiftung Bahn-Sozialwerk Kitaplätze für DB-Beschäftigte. Mittlerweile stehen deutschlandweit 240 plätze für kleine Eisenbahner zur Verfügung – und die Nachfrage wird immer größer. Kein Wunder, denn trotz des gesetzlichen Anspruchs mangelt es an Betreuungsplätzen für die Kleinen. Schätzungen zufolge fehlen bundesweit über 100.000 Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren; die Betreuungsquote lag 2014 im Durchschnitt bei etwa 30 Prozent. Dabei gibt es auch starke regionale Unterschiede: Während die Betreuungsquote zum Beispiel in Brandenburg bei über 58 Prozent liegt, haben in Nordrhein-Westfalen gerade einmal rund 23 Prozent der Kinder unter drei Jahren einen Betreuungsplatz (Quelle: Statistisches Bundesamt). Daher entscheiden sich immer mehr Unternehmen, ein betriebliches Kinderbetreuungsangebot einzurichten. Für die Deutsche Bahn hat die Stiftung Bahn-Sozialwerk das Thema Kinderbetreuung in die Hand genommen. Neben Kinderbetreuungsplätzen können die Familien auf eine große Palette an weiterführenden Leistungen zurückgreifen, beispielsweise eine Notfallbetreuung, Familien-Exklusiv-Reisen oder Elternnetzwerke. Ganz neu ist das Projekt Leihgroßeltern: Leihoma oder -opa zu sein, ist ein freiwilliges und ehrenamtliches Engagement. Die Aufgaben umfassen zum Beispiel, die Kinder von Kita, Kindergarten oder Schule abzuholen, mit ihnen auf den Spielplatz zu gehen oder gemeinsam zu basteln. „Das BSW ist für uns ein echter Glückstreffer.“ Markus Engel arbeitet bei der DB Projektbau in München. Als seine Frau in der fünften Woche schwanger war, begannen die beiden bereits mit der Suche nach einem Krippenplatz. Rund dreißig Anfragen stellte Familie Engel an Krippen in München – leider ohne Erfolg. Krippenplätze sind dort überwiegend erst ab September zu bekommen, die Engels benötigten die Betreuung allerdings schon ab April. Daraufhin wendeten sie sich hilfesuchend ans BSW und erhielten prompt einen Krippenplatz für ihre Tochter Elaine bei der Wichtelakademie in Neuhausen. „Es war ein echter Glückstreffer, dass wir so schnell noch einen Krippenplatz über das BSW bekommen haben. Wir sind total happy. Öffnungszeiten und Flexibilität der Wichtelakademie kommen uns sehr entgegen, es gibt keine Schließzeiten – perfekt für Vollzeitberufstätige wie uns. Außerdem ist sie nur ca. 300 Meter von meinem Arbeitsort 14 BSW/EWH 2015 Malte Elaine entfernt. Toll, dass die Bahn mit einem so starken Partner wie dem BSW das Projekt der Kinderbetreuung verwirklicht hat“, freut sich Markus Engel. Christin Remus arbeitet bei der DB Regio in Frankfurt am Main. Als ihr Sohn Malte geboren wurde, suchte sie mit ihrem Mann sofort einen Betreuungsplatz für ihren Sohn, denn sie wollte nach einem Jahr Elternzeit wieder in ihren Job einsteigen. „Wir haben zwar damals auch eine Zusage für einen Betreuungsplatz an unserem Wohnort erhalten“, erklärt die junge Mutter. „DENNOcH HABEN WIR UNS FüR DIE KITA BAHNBINI MIT SITz IN DEN ADLERWERKEN IN FRANKFURT ENTScHIEDEN. DIE NäHE zU MEINEM ARBEITSpLATz IST FüR UNS IDEAL, DIE öFFNUNGSzEITEN KOMMEN UNS EBENFALLS SEHR ENTGEGEN.“ „Da wir keine Großeltern in der Nähe haben, die mal kurzfristig in Sachen Kinderbetreuung einspringen können, spielt der räumliche Faktor für uns eine große Rolle. Außerdem gibt es keine Schließzeiten während der Ferien, die Betreuungsquote stimmt und generell ist die Bahnbini einfach eine tolle Einrichtung.“ Gefühle sind immer ambivalent: Ohne sie geht es nicht, aber zu viele behindern uns. „Alle großen Menschen hatten nicht nur Verstand, sondern auch starke Emotionen“, sagt Anselm Grün. Der Doktor der Theologie trat 1964 in den Benediktinerorden ein, wirkt als geistlicher Begleiter und erteilt u. a. Kurse in Meditation, Fasten und Kontemplation. Er ist der weltweit populärste christliche Autor unserer Tage und beschäftigt sich in seinem Buch „Kleine Schule der Emotionen“ mit der Frage, wie wir lernen können, besser mit unseren Gefühlen umzugehen. Emotionen bestimmen unser Denken, sie beeinflussen unsere Entscheidungen und sie treiben uns an in dem, was wir tun. Wir können sie annehmen und kultivieren oder beDie Seelsorge liegt der christlikämpfen und verdrängen. Unsere Gesundchen profession naturgemäß am heit, unser Wohlbefinden und das ZusammenHerzen. Anselm Grün gelingt es in leben mit anderen hängen von ihnen ab. Wie fürsorglicher Art, die Höhen und aber mit den Gefühlen umgehen, damit sie Tiefen unserer Gefühlswelt nach uns lebendig und kraftvoll machen und nicht den chancen einer positiven Verbehindern? Anselm Grün: Kleine Schule der Emotionen. Als Hardcover im Buchhandel erhältlich (ab Mai auch als Taschenbuch für Euro 8,99). änderung zu beleuchten. Ein kurzweiliges und interessantes Buch. Mehr Mut zum Träumen! Die Deutschen stehen unter Druck. Ihnen wird immer mehr Leistung, immer höhere Effizienz abverlangt. Jeder kennt das Gefühl: Fremdbestimmt hetzt man durch den Alltag und kommt doch nicht vom Fleck. Unsere hektische Betriebsamkeit verdeckt, dass wir im Inneren eine tief erschöpfte Gesellschaft sind. Der Diplom-Psychologe und Gesellschaftsanalytiker Stephan Grünewald hält uns in seinem Buch „Die erschöpfte Gesellschaft“ mit Scharfsinn und Humor den Spiegel vor und zeigt Wenn die (Arbeits-)Welt kleinteilig wird, einen möglichen Fluchtweg auf: Durch verliert man den Blick fürs Ganze, gar den Mut, Träume wieder zuzulassen, für sich selbst. Stephan Grünewald verkönnten wir uns aus dem rasenden steht es, die individuelle Erschöpfung Stillstand befreien und schöpferische als Akt der emotionalen und gesellKräfte wecken. Denn Träumen und schaftlichen Entfremdung zu entlarven. Muße seien die Voraussetzung für provokant, erhellend und vielschichtig. Kreativität und Innovation. Ein Buch, das zur Diskussion und zum Nachdenken anregt. Stephan Grünewald: Die erschöpfte Gesellschaft. Als Taschenbuch für Euro 9,99 im Buchhandel erhältlich. Einfache Nummer – unkomplizierte Hilfe Sozialarbeiter und der psychologisch-Therapeutische Fachdienst helfen Ihnen im beruflichen wie privaten Umfeld. Rufen Sie uns an: 0800 0600 0800 Sie erreichen uns auch per E-Mail: [email protected] Telefon: Anleitung zum glücklicheren Leben 0800 0600 0800 AKTUELLES (gebührenfrei) 2015 BSW/EWH 15 Stiftung Bahn-Sozialwerk (BSW) Ich bin Wir lassen Sie nicht im Regen stehen! berufstätig Rentner/Versorgungsempfänger Hinterbliebener Kind/Enkelkind Auszubildender/Studierender Datum Ausbildungsende Ich fördere das BSW monatlich mit EUR 3,00 EUR 1,50 (Auszubildender/Studierender) Ich leiste freiwillig einen höheren Beitrag von EUR Stiftung Eisenbahn-Waisenhort (EWH) Ich spende dem EWH monatlich EUR 0,50 Ich leiste freiwillig einen höheren Beitrag von EUR Sucht ber at u g un üz g tun ra be en Elt er nK ng g FFinanzielle chin am a Un Co te il i rs d t in stung a h c e s i r h l c B e Hilfe bei psy Angaben zur Person Name Vorname Geb.-Datum Tel. E-Mail* Straße PLZ Ort Arbeitgeber/Unternehmensbereich SEPA-Lastschriftmandat Hiermit ermächtige ich das BSW und/oder den EWH bis auf Widerruf, die von mir angegeben Beträge vierteljährlich halbjährlich jährlich vom Konto des Kontoinhabers Name,Vorname IBAN BIC Name des Geldinstituts mittels Lastschrift einzuziehen. Zugleich weise ich mein Kreditinstitut an, die vom BSW und/oder EWH auf mein Konto gezogenen Lastschriften einzulösen. Hinweis: Ich kann innerhalb von acht Wochen, beginnend mit dem Belastungsdatum, die Erstattung des belasteten Betrages verlangen. Es gelten dabei die mit meinem Kreditinstitut vereinbarten Bedingungen. Ort, Datum Unterschrift des Kontoinhabers Gläubiger-ID: DE78ZZZ00000082179 Mandatsreferenznummer: entspricht der Förderernummer *freiwillige Angaben Bitte ausfüllen und zurücksenden an: Stiftung BSW - Servicezentrum - Bleicherufer 11 - 19053 Schwerin Telefon: 0800 265-1367 - Fax: 0385 7788-933 - E-Mail: [email protected] Datenschutz/Einwilligung Ihre personenbezogenen Daten werden vom BSW und/oder dem EWH für den Beitritt, Ihre Betreuung als Förderer und/oder Spender sowie an Sie gerichtete postalische Werbung erhoben und verwendet. Der werblichen Verwendung Ihrer Daten können Sie jederzeit widersprechen. Ich bin damit einverstanden, vom BSW und/oder dem EWH zu Zwecken der Werbung kontaktiert zu werden, per Telefon E-Mail Ihre Einwilligung können Sie jederzeit widerrufen. Widerruf und Widerspruch sind gegenüber BSW und/oder EWH gesondert zu erklären. Bitte richten Sie Ihre Erklärung an folgende Adresse: Stiftung BSW, Servicezentrum, Bleicherufer 11, 19053 Schwerin,E-Mail: [email protected] Haben wir Sie neugierig gemacht? Dann rufen Sie uns an! Telefon 0800 0600 0800 (gebührenfrei) Weitere Infos auf www.bsw24.de Die Daten werden von uns gemäß Bundesdatenschutzgesetz verarbeitet und nur zu HLJHQHQ=ZHFNHQJHQXW]W(LQH:HLWHUJDEHDQ'ULWWH¿QGHWQLFKWVWDWW6LHKDEHQGDV Recht, jederzeit Auskunft darüber zu verlangen, welche Daten über Sie bei uns zu welchem Zweck gespeichert sind. Darüber hinaus können Sie unrichtige Daten berichtigen oder solche Daten löschen lassen, deren Speicherung nicht mehr erforderlich ist. Für Fragen und Anregungen zum Datenschutz können Sie sich an folgende Adresse wenden: Stiftung BSW, Servicezentrum, Bleicherufer 11, 19053 Schwerin Ort, Datum Unterschrift
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