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Klinische Bewertung (Literaturverfahren)
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Die klinische Bewertung eines Medizinprodukts kann anhand publizierter Daten
nachweisbar äquivalenter Produkte und medizinischer Anwendungsgebiete
erfolgen. Man spricht in diesem Fall auch von „Literaturverfahren“. Für
Medizinprodukte der Risikoklasse III sowie implantierbare Medizinprodukte ist
regelhaft eine klinische Prüfung vorgesehen, es sei denn, es liegen bereits
ausreichend klinische Daten vor. Die Literaturrecherche muss systematisch und
geplant durchgeführt sowie protokolliert werden. Dabei ist die ausgewählte
Literatur nach ihrem Informationsgehalt gewichtet zu betrachten. Kriterien zur
Gewichtung der Literatur sind im Leitfaden MEDDEV 2.7.1 enthalten. Generell
müssen alle relevanten Publikationen berücksichtigt werden, auch wenn sie
für das zu bewertende Produkt unvorteilhaft sind. In der Klinischen Bewertung
müssen sowohl die Methodik zur Auswahl der Literatur als auch die Art der
Studien, die herangezogen wurden, erläutert und transparent gemacht
werden.
Die klinische Bewertung eines Medizinprodukts ist Teil der Technischen
Dokumentation und der Konformitätsbewertung. Sie muss für jedes
Medizinprodukt unabhängig von der Risikoklasse des Medizinprodukts erstellt und
dokumentiert werden. Die klinische Bewertung eines Medizinprodukts hat auf der
Basis eines „definierten, methodisch einwandfreien Verfahrens“ zu erfolgen und
basiert nach § 19 des Medizinproduktegesetzes (MPG) in der Regel auf klinischen
Daten zum Medizinprodukt.
Ziel der klinischen Bewertung eines Medizinprodukts ist:
nachzuweisen, dass sich das Medizinprodukt für den vorgesehenen
Verwendungszweck eignet,
unerwünschte Nebenwirkungen auszuschließen,
das Nutzen-/Risiko-Verhältnis zu beurteilen.
Die klinische Bewertung und das daraus resultierende Ergebnis sind zu
dokumentieren und in die Technische Dokumentation über das Produkt
aufzunehmen. Dies ist ein kontinuierlicher Prozess, der über den ganzen
Lebenszyklus eines Medizinprodukts zu erfolgen hat und parallel zum
Risikomanagement ablaufen sollte. Bereits während der Entwicklung des
Medizinprodukts sollten klinische Daten erhoben bzw. Dokumente (beispielsweise
Testprotokolle) so verfasst werden, dass sie in der klinischen Bewertung genutzt
werden können. Nach ihrem vorläufigen Abschluss wird in festgelegten Intervallen
überprüft, ob die klinische Bewertung weiterhin aktuell ist. Sollten Komplikationen,
Risiken und Vorkommnisse mit dem bewerteten oder einem äquivalenten
Medizinprodukt veröffentlicht werden, muss die vorliegende klinische Bewertung
überprüft werden.
Ablauf einer klinischen Bewertung
Vorbereitung
Bevor mit der klinischen Bewertung begonnen werden kann, wird eine fachlich
qualifizierte Person – der sogenannte klinische Bewerter – benannt. Dieser erstellt
bzw. aktualisiert die Unterlagen, die für den Nachweis, dass die gesetzlichen
Anforderungen erfüllt werden, notwendig sind. Außerdem müssen die
Zweckbestimmung und eine Gebrauchsanweisung des Medizinprodukts vorliegen,
und die normalen Einsatzbedingungen müssen definiert sein.
Protokoll der Literaturrecherche
Das Ziel der Literaturrecherche muss vorab klar definiert werden, sprich es muss
klar sein, welche klinischen Daten benötigt werden. Dabei muss spezifiziert und
festgehalten werden, welche wissenschaftliche Qualität die einzuschließenden
klinischen Daten haben müssen. Außerdem muss dargelegt werden, ob die Daten
vom zu bewertenden Medizinprodukt selbst oder von einem äquivalenten
Medizinprodukt stammen.
Für die Literaturrecherche muss das Protokoll folgende Punkte enthalten:
die Quelle der Daten und eine Begründung für die Auswahl
den Umfang der Recherche sowie das Vorgehen bei der Suche
die Auswahl bzw. Kriterien, die dabei zum Einsatz kommen
Strategien, um die Mehrfachnennung von Publikationen zu vermeiden
Kriterien zur Auswahl eines äquivalenten Medizinprodukts
Die verwendeten Daten sollten nur aus anerkannten Quellen stammen und neben
positiven auch negative Daten enthalten. Mögliche Quellen für klinische Daten aus
der Literatur sind in der MEDDEV 2.7.1 Rev. 3 aufgeführt.
Ein vergleichbares, äquivalentes Medizinproduktes definiert sich über klinische,
technische und biologische Äquivalenz.
Klinische
Äquivalenz
Technische Äquivalenz
Biologische Äquivalenz
gleiche klinische
ähnliche
Benutzung gleicher
Bedingungen
Anwendungsbedingungen
Materialien in Kontakt mit
beziehungsweise
menschlichem Gewebe
gleicher klinischer
oder Flüssigkeiten
Zweck
Anwendung an
ähnliche Spezifikationen und
derselben Stelle
Eigenschaften (zum Beispiel:
im/am Körper
Bruchfestigkeit,
Oberflächenbeschaffenheit)
Anwendung an
ähnliche
ähnlicher
Entwicklungsmethoden
Patientengruppe
(Alter, Anatomie,
Physiologie)
ähnliches
ähnliche
Nutzen/Risiko-
Anwendungsprinzipien
Verhältnis
Dokumentation vor der klinischen Bewertung
Folgende Dokumente muss der Entwickler dem klinischen Bewerter bereitstellen:
die Zweckbestimmung, die Definition der normalen Einsatzbedingungen, die
Gebrauchsanweisung, die Benennung der anzuwendenden Grundlegenden
Anforderungen, die Ergebnisse der Risikoanalyse und Risikobeherrschung sowie die
technische und funktionelle Beschreibung des Medizinproduktes. Der klinische
Bewerter fügt zu diesen Unterlagen einen Nachweis seiner Qualifikation und das
Protokoll zur Literaturrecherche hinzu.
Tätigkeiten während der klinischen Bewertung
Die Study Group 5 der Global Harmonization Task Force (GHTF) hat die klinische
Bewertung in drei Stufen unterteilt: Zunächst müssen die zutreffenden Normen und
klinischen Daten identifiziert werden. Dann müssen diese hinsichtlich ihrer Relevanz,
Anwendbarkeit, Qualität und klinischen Bedeutung bewertet werden. Im dritten
Schritt schließlich müssen die Daten analysiert und Aussagen über Anwendung und
Sicherheit sowie hinsichtlich der Präsentation – Beschriftung, Patienteninformation,
Gebrauchsanweisung – getroffen werden. Sollten die bei der Literaturrecherche
erhobenen klinischen Daten nicht ausreichend sein, so können auch Daten
beispielsweise aus Veröffentlichungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und
Medizinprodukte (BfArM), der US-amerikanischen Food and Drug Administration
(FDA), aus Post-Market-Surveillance-Reports oder Beobachtungsstudien, aus
Laboruntersuchungen oder präklinischen Tests für die klinische Bewertung
herangezogen werden.
Über die Literaturrecherche muss ein Bericht verfasst werden, der auf dem
Protokoll zur Literaturrecherche basiert. Aus dem Bericht muss hervorgehen, ob der
Autor der bewerteten Literatur über die nötige Expertise in Bezug auf das zu
bewertende Medizinprodukt verfügt und seine Folgerungen durch andere
verfügbare Daten bekräftigt werden. Es muss auch sichtbar werden, ob die
Literatur den aktuellen Stand der medizinischen Praxis sowie der Technik darstellt
und ob die Referenzen aus bekannten wissenschaftlichen Publikationen stammen.
Schlussendlich muss der klinische Bewerter darlegen, warum er die dargelegten
Referenzen für die klinische Bewertung gewählt hat.
Bewertung der klinischen Daten aus der Literatur
Für die Einschätzung, ob und in welchem Maße die erhobenen klinischen Daten zum
Medizinprodukt passen, können die Bewertungskriterien der GHTF („Clinical
Evaluation“) herangezogen werden.
Sample Appraisal Criteria for Suitability
Suitability
Criteria
Description
Grading System
Appropriate
Were the data generated from the device in
D1
device
question?
Actual
device
D2
Comparable
device
D3
Other
device
Appropriate
Was the device used for the same intended
device
use (e.g., methods of deployment, application,
application
etc.)?
A1
Same use
A2
Minor
deviation
A3
Major
deviation
Sample Appraisal Criteria for Suitability
Suitability
Criteria
Description
Grading System
Appropriate
Were the data generated from a patient group
P1
Applicable
patient
that is representative of the intended
group
treatment population (e.g., age, sex, etc.) and
P2
Limited
P3
Different
clinical condition (i.e., desease, including state
and severity)?
Acceptable
Do the reports or collations of data contain
report/data
sufficient information to be able to undertake
collation
a rational and objective assessment?
population
R1
High quality
R2
Minor
deficiencies
R3
Insufficient
information
Im Anschluss sollten die klinischen Daten aus der Literatur im Hinblick auf die
Auswirkung ihrer Interpretation gewichtet werden.
Sample Appraisal Criteria for Data Contribution
Suitability
Grading
Criteria
Description
System
Data
Was the design of the study appropriate?
T1
Yes
T2
No
O1
Yes
O2
No
F1
Yes
complications?
F2
No
Statistical
Has a statistical analysis of the data been provided and
S1
Yes
significance
is it appropriate?
S2
No
source
type
Outcome
Do the outcome measures reported reflect the intended
measures
performance of the device?
Follow up
Is the duration of follow-up long enough to assess
whether duration of treatment effects and identify
Sample Appraisal Criteria for Data Contribution
Suitability
Grading
Criteria
Description
System
Clinical
Was the magnitude of the treatment effect observed
C1
Yes
significance
clinically significant?
C2
No
Die klinische Bewertung muss von Anfang an dokumentiert werden. Dabei sind
sowohl Berichte über die Datenrecherche als auch veröffentlichte Artikel sowie
andere relevante Referenzen zu berücksichtigen.
Dokumentation nach der klinischen Bewertung
Folgende Nachweise muss der Hersteller auf Basis der erfolgten
Dokumentationsschritte erbringen:
Nachweis über die Erfüllung der vom Hersteller spezifizierten merkmal- und
leistungsbezogenen Anforderungen unter normalen Einsatzbedingungen
Nachweis des klinischen Zustands und der Sicherheit des Patienten als auch von
Gesundheit und Sicherheit der Anwender und von Dritten
Nachweis, dass die Risiken mit einem hohen Maß an Sicherheit und Schutz von
Gesundheit der Anwender und gegebenenfalls Dritter vereinbar sind
Nachweis, dass die Risiken verglichen mit der nützlichen Wirkung vertretbar sind
Bewertung der unerwünschten Nebenwirkungen des Medizinprodukts
schriftlicher Bericht über eine kritische Würdigung der klinischen Daten
(Anforderungen dazu können MEDDEV 2.7.1 entnommen werden)
Bewertung der Gebrauchstauglichkeit
PMS (postmarket surveillance): „Die klinische Bewertung und ihre
Dokumentation müssen aktiv anhand der aus der Überwachung nach dem
Inverkehrbringen erhaltenen Daten auf dem neuesten Stand gehalten werden.
Wird eine klinische Überwachung nach dem Inverkehrbringen als Bestandteil des
Überwachungsplans nach dem Inverkehrbringen nicht für erforderlich gehalten,
muss dies ordnungsgemäß begründet und dokumentiert werden.“ (RL
93/42/EWG Anhang X Abs. 1.1c). Es gibt bisher allerdings kein standardisiertes
Verfahren zum Erfassen der Daten nach dem Inverkehrbringen.
Die Nachweise sind vom Hersteller in einem schriftlichen Abschlussbericht über den
aktuellen Stand der klinischen Bewertung zusammenzufassen. Dabei sollten
folgende Punkte enthalten sein:
Titel der klinischen Bewertung
eindeutige Identifikation des bewerteten Medizinprodukts, inklusive Name und
Modellbezeichung
Scope und Umfeld der klinischen Bewertung
Weiterempfehlen
Zusammenfassung der klinischen Daten sowie deren Bewertung
Stufen der Analyse und Bewertung der klinischen Daten
Folgerungen zur Sicherheit und Anwendung des bewerteten Medizinprodukts
Beschreibung der Technologie, die dem Medizinprodukt zugrunde liegt, den
Verwendungszweck und alle Anforderungen an die Sicherheit oder Anwendung
des Medizinproduktes
Art und Ausmaß der klinischen Daten, die bewertet wurden
referierte Informationen (anerkannte Standards, klinische Daten), welche klinische
Anwendung und Sicherheit des bewerteten Medizinprodukts darlegen
Bericht über die Datenrecherche
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