Gesundheitsmodelle bestimmen Denken und Handeln "Die Theorie bestimmt was du beobachtest“ Albert Einstein ….. Das systemische Anforderungs- und Ressourcenmodell SAR Modell ist eine Ausdifferenzierung des biopsychosozialen Modells und beruht auf einer systemischen Betrachtungsweise. Subjektive Gesundheitsindikatoren und biologische Parameter stehen hier gleichberechtigt nebeneinander. Die Interaktion zwischen Umwelt und Individuum steht im Fokus der Betrachtung. Ob ein Mensch gesund bleibt, ist nach diesem Modell davon abhängig, inwieweit es ihm gelingt, Anforderungen mit Hilfe der zur Verfügung stehenden Ressourcen zu bewältigen. Bei den Anforderungen und Ressourcen werden jeweils interne und externe Faktoren unterschieden. Externe Anforderungen sind solche aus der Umwelt und können beispielsweise ergonomische Bedingungen, der Zeittakt, der Arbeitsweg, das Schichtmodell, ein neues Softwareprogramm oder auch der Führungsstil des Vorgesetzten sein. Interne Anforderungen sind solche aus der "Innenwelt" und können sich sowohl in biologischen als auch in psychischen Besonderheiten zeigen. Zu den biologischen internen Anforderungen zählt beispielsweise die körperliche Konstitution, zu den psychischen internen Anforderungen gehören etwa der Hang zum Perfektionismus, der übergroße Wunsch nach Anerkennung, fachliche Unsicherheit oder auch der eigene Leistungsanspruch. Diese internen Anforderungen sind manchmal bewusst, häufig aber auch unbewusst. Ein innerer Glaubenssatz wie "ich darf keine Fehler machen“, kann, wie ein PC- Programm, das im Hintergrund läuft - analog einem Virenscanner - alle Arbeitsprozesse begleiten, ohne dass der Betroffene dies bewusst wahrnimmt. Auch ohne bewusste Wahrnehmung wird diese innere Einstellung ( diese innere Anforderung) die Handlungen bewerten und steuern. Eine zentrale Aussage des SAR Modells ist es, dass weder externe noch interne Anforderungen alleine dafür verantwortlich sind, ob jemand gesund bleibt oder krank wird. Dies hängt vielmehr davon ab, welche Ressourcen dem Individuum zur Verfügung stehen, um den Anforderungen angemessen zu begegnen. Unter externen Ressourcen versteht man solche, die aus der Umgebung zur Verfügung gestellt werden, z. B.: geeignete Arbeitsmittel, der Lohn, Anerkennung und Wertschätzung, Weiterbildung. Interne Ressourcen sind diejenigen, auf die das Individuum aus sich selbst heraus zurückgreifen kann, z. B. die körperliche Fitness, das Wissen, die Erfahrung, das Selbstbewusstsein, die soziale und emotionale Kompetenz oder auch der Glaube an die eigenen Fähigkeiten. Ob eine Situation oder gar eine Person als externe Anforderung oder als externe Ressource bewertet wird, liegt ganz im Auge des Betrachters. So kann die Ehefrau, die abends ihren Mann nach der Arbeit an der Haustür begrüßt, mal als externe Ressource, mal als externe Anforderung wahrgenommen werden - je nachdem wie die Begrüßung ausfällt: "Du wolltest doch heute früher kommen, und wir wollten meine Mutter besuchen gehen, außerdem hattest du versprochen noch den Keller aufzuräumen….“ Hier spricht vieles für die Bewertung "externe Anforderung". "Schön, dass du da bist. Ich habe uns etwas Gutes gekocht. Möchtest du erzählen, wie der Tag heute war? " Hier spricht vieles für die Bewertung "externe Ressource". Was die Ehefrau nun aber für den Ehemann wirklich ist, müssen wir seiner 1 Bewertung überlassen. Im Idealfall wechseln die Ehepartner zwischen den Rollen des externen Anforderers und der externen Ressource. So ähnlich sollte es auch im betrieblichen Kontext sein, und einen Vorgesetzten oder auch einen Kollegen findet man im optimalen Fall, gut verteilt, in beiden Rollen wieder. Wird ein Vorgesetzter nur in der Rolle des externen Anforderers erlebt, so ist das zweifellos ungünstig, kann aber durch innere und andere externe Ressourcen unter Umständen kompensiert werden. Im Gegensatz zum biomedizinischen Modell wird im SAR Modell das Phänomen Stress nicht als solches negativ bewertet. Stressoren wirken hier als Anforderungen, und die Bewältigung dieser Anforderungen ist individuell abhängig von den zur Verfügung stehenden Ressourcen. Was für den Einen Druck und Überforderung bedeutet, ist für den Andern Anregung und Entwicklungsmöglichkeit, die mit Freude genutzt wird. Keiner kann also den Stress des anderen bewerten, sondern es bleibt dem Einzelnen überlassen, seine Stressoren zu identifizieren und in ihrer Wirkungsweise auf ihn selbst zu bewerten. Gesundheitsförderung durch Bedürfnisbefriedigung Bedürfnisse des Menschen sind interne Anforderungen, und die Befriedigung dieser Bedürfnisse fördert die Gesundheit ( Becker, 2006). In diesem Modell erfahren positive und negative Gefühle neben biologischen und sozialen Aspekten besondere Berücksichtigung. Das wiederum bedeutet, dass betriebliche Gesundheitsförderung eine multidisziplinäre Aufgabe darstellt. Ziel dieser Aufgabe ist die Stärkung der biologischen, psychischen und sozialen Ressourcen, um den Anforderungen der verschiedenen Lebensbereiche zu entsprechen. Die volkstümliche Meinung "Gefühle haben am Arbeitsplatz nichts verloren " muss neu bewertet werden. Wenn Ärger im Job das Risiko eines Herzinfarktes verdoppelt und „gefühlte“ mangelnde Wertschätzung im Beruf ein Risikofaktor ersten Ranges (Siegrist, 2007) ist, dann muss betriebliche Gesundheitsförderung neben der menschlichen Hardware, den Knochen, Muskeln und Organen auch die dazugehörige Software, das Fühlen und Denken, einbeziehen. Gesundheitsförderung ist viel mehr als Summe aller daran beteiligter Systeme, sondern vielmehr deren komplexes Wechselspiel - vergleichbar mit einem Orchester, dem es wenig nützt, wenn jeder Musiker zwar sein eigenes Instrument beherrscht, aber sich nicht mit den anderen über Tempo, Rhythmus und Einsatz verständigt. Die Selbstwahrnehmung von Bedürfnissen sowie von körperlicher und seelischer Befindlichkeit ist die Voraussetzung dafür, dass Menschen die Chance haben, auf Wohlbefinden, Leistungsfähigkeit und Gesundheit hinzuwirken, lange bevor Krankheit entsteht. Diese Selbstwahrnehmung beginnt mit der erhöhten Achtsamkeit bei einfachen Körpersignalen. ….. Auszug aus Cornelia Schneider: Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz, 2012, Huber Verlag 2
© Copyright 2024 ExpyDoc