KMK – Welterbesymposium: Schritte zur Umsetzung der Global Strategy in Deutschland, 05-06-2014 1/12 „Jede Schädigung von Kulturgut, gleichgültig welchem Volke es gehört, bedeutet eine Schädigung des kulturellen Erbes der ganzen Menschheit, weil jedes Volk seinen Beitrag zur Kultur der Welt leistet.“ „Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut“ Sehr geehrte Frau Grzeski, [Beauftragte für Außenwissenschaftliche Politik im Auswärtigen Amt] sehr geehrter Herr Dr. Feist, [MdB] sehr geehrte Frau Professor Albert, [BTU Cottbus-Senftenberg, UNESCO-Lehrstuhl] sehr geehrter Herr Bandarin, meine sehr geehrten Damen und Herren, als Henri-Baptiste Grégoire in der Zeit der Französischen Revolution den Begriff des kulturellen Erbes prägte, konnte er nicht vorhersehen, welch umfassende Bedeutung dieses Thema einst erfahren würde. KMK – Welterbesymposium: Schritte zur Umsetzung der Global Strategy in Deutschland, 05-06-2014 2/12 Seit 1954 ist seine Idee in der „Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut“ bei bewaffneten Konflikten umgesetzt und kodifiziert. Ich denke, ich greife nicht zu weit, wenn ich sage, dass unser Symposium in einer gedanklichen Linie mit Grégoire steht. Denn es gilt zu erörtern, wie wir das Verständnis für und die große Bedeutung der Schutzwürdigkeit wertvoller Denkmale in unsere Gesellschaft tragen. Welterbestätten sind in Konflikten – aus welchen Gründen auch immer diese begonnen werden – stets der Gefahr einer Beschädigung oder unersetzbaren Zerstörung ausgesetzt. Wie akut diese Gefahr ist, zeigt sich im Vorgehen des IS im Irak. Unter dem Vorwand, es handele sich um „Götzenbilder“, wurde die antike Stätte Nimrud im Irak mit Sprengstoff und Presslufthammer zerstört. KMK – Welterbesymposium: Schritte zur Umsetzung der Global Strategy in Deutschland, 05-06-2014 3/12 Der Fall Nimrud schärft das Bewusstsein, worum es im Kern geht: Die Zerstörung eines Welterbes betrifft jeden einzelnen von uns. Sie ist universell, denn sie trifft das Erbe der ganzen Menschheit. Den Anstoß zur Welterbekonvention gab der Bau des Assuan-Staudammes Anfang der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts – als der 3.000 Jahre alte Tempel von Abu Simbel durch die Flutung zu versinken drohte. Seine spektakuläre Rettungsaktion machte allerdings deutlich: Es gibt Orte und Stätten von einer so großen Bedeutung für die Menschheit, dass sie nicht in der Verfügungsgewalt des Staates liegen dürfen, auf dessen Territorium sie stehen. Denn ist eine solche Stätte von Verfall oder Zerstörung bedroht, schmälert dies das Erbe aller Völker. Meine Damen und Herren, in Deutschland wissen wir um die politische Verantwortung für das Welterbe. KMK – Welterbesymposium: Schritte zur Umsetzung der Global Strategy in Deutschland, 05-06-2014 Nach einem verheerenden Jahrhundert Weltkriegen 4/12 mit zwei setzt sich Deutschland umso mehr für die Bewahrung der Natur- und Kulturgüter der Menschheit ein. Artikel 5 der Welterbekonvention formuliert die Verpflichtung der Vertragsstaaten, dafür zu sorgen, dass dem Erhaltungsanspruch und der Pflegeverpflichtung der Welterbekonvention ein Schutzinstrumentarium auf nationaler Ebene zugrunde liegt. Aber: Der Einfluss auf nationale Regierungen ist begrenzt, wenn Welterbestätten von Zerstörungen oder Verfall bedroht sind. Nach der Welterbekonvention ist nur eine Sanktion möglich: Ist eine Stätte gefährdet, kann das Welterbekomitee nach Prüfung und Beratung mit dem betroffenen Staat entscheiden, jene in die "Liste des gefährdeten Welterbes" einzutragen. Sollte sich am Zustand der bedrohten Stätte nichts ändern, wird sie im extremen Fall von der Liste gestrichen. Das ist bislang zweimal geschehen. KMK – Welterbesymposium: Schritte zur Umsetzung der Global Strategy in Deutschland, 05-06-2014 5/12 Meine Damen und Herren, zurzeit umfasst die UNESCO-Welterbeliste 1.007 Stätten aus 161 Ländern. 39 Denkmale befinden sich in Deutschland. Insgesamt liegt etwa die Hälfte aller Welterbestätten in Europa und Nordamerika. Dieses Ungleichgewicht wird durch überproportional viele historische Stadtzentren und christliche Baudenkmale auf der Liste verstärkt. Die UNESCO hat deshalb 1994 die "Globale Strategie" verabschiedet. Sie strebt damit eine geografisch und kulturell ausgewogene Liste an. Dazu räumt sie Nominierungen aus Ländern, die bisher nicht in der Welterbeliste verzeichnet sind, Priorität ein. Seit Verabschiedung der „Globalen Strategie“ haben über 50 Welterbekonvention weitere Staaten ratifiziert, die darunter zahlreiche afrikanische und osteuropäische Länder sowie viele Inselstaaten im Pazifik. KMK – Welterbesymposium: Schritte zur Umsetzung der Global Strategy in Deutschland, 05-06-2014 6/12 Wir tragen diese Entwicklung gern mit, denn die Entscheidung für Berücksichtigung eine aller angemessenere Kontinente ist eine Entscheidung im Geist der Konvention. Damit wird aber auch deutlich, dass es Europa und Deutschland künftig schwerer haben, neue Welterbestätten beim Komitee durchzusetzen. Um dennoch erfolgreich zu sein, haben wir einen Paradigmenwechsel vollzogen. Diesen neuen Weg bei der Auswahl künftiger Nominierungen anzugehen und umzusetzen, war nicht einfach. Doch ich bin froh, sagen zu können, dass den fachlichen Gesichtspunkten künftig bei der Auswahl gegenüber den politischen Interessen ein eindeutiger Vorrang gewährt wird. Allen Beteiligten war von Anfang an klar, dass dabei nicht alle Wünsche und Länderinteressen erfüllt werden können. Dass es Gewinner und Verlierer geben würde. Als aber erst einmal die neuen Spielregeln festgelegt waren, hat sich jeder daran gehalten. Ein großer Erfolg. KMK – Welterbesymposium: Schritte zur Umsetzung der Global Strategy in Deutschland, 05-06-2014 7/12 Zu unserer Entscheidung im Einzelnen: Im Juni 2014 haben wir uns auf die künftige Nominierung folgender Kulturgüter verständigt: • die Höhlen der ältesten Eiszeitkunst (Schwäbische Alb), • der Jüdische Friedhof Altona Königstraße, • Wasserbau und Wasserkraft, Trinkwasser und Brunnenkunst in Augsburg, • die Künstlerkolonie Mathildenhöhe Darmstadt, • die SchUM-Städte Speyer, Worms und Mainz, • die Alte Synagoge und Mikwe in Erfurt – Zeugnisse von Alltag, Religion und Stadtgeschichte zwischen Kontinuität und Wandel, • die alpinen und voralpinen Wiesen- und Moorlandschaften (Historische Kulturlandschaften im Werdenfelser Land, Ammergau, Staffelseegebiet und Murnauer Moos, Landkreis Garmisch-Partenkirchen). KMK – Welterbesymposium: Schritte zur Umsetzung der Global Strategy in Deutschland, 05-06-2014 8/12 Diese Kulturgüter erfüllen nicht nur nach unserer Einschätzung, sondern vor allem nach der Einschätzung des von uns beauftragten Fachbeirats das entscheidende Kriterium des außergewöhnlichen universellen Wertes. Zudem fallen sie nicht in die Kategorie jener Kulturstätten, UNESCO die auf nach der Einschätzung Welterbeliste der bereits überrepräsentiert sind und damit nur geringere Aussichten auf Aufnahme hätten. Außerdem berücksichtigen wir bei unserer Auswahl die folgenden Kulturgüter, die den außergewöhnlichen universellen Wert erfüllen: • Gebaute Träume Neuschwanstein, – die Linderhof Schlösser und Herrenchiemsee des Bayerischen Königs Ludwig II. • und das Residenzensemble Schwerin – Kulturlandschaft des romantischen Historismus. Damit erfüllen wir die Kriterien der ICOMOSLückenstudie „Filling the gaps“. KMK – Welterbesymposium: Schritte zur Umsetzung der Global Strategy in Deutschland, 05-06-2014 9/12 Für mich ist dabei bedeutsam, dass wir als Grundlage unserer Entscheidung das Votum eines elfköpfigen Fachbeirats eingeholt haben – mit Expertinnen und Experten aus Deutschland, den Niederlanden, der Schweiz und Israel. Die Kulturstiftung der Länder hat die Arbeit des Fachbeirats organisatorisch betreut und unterstützt. Und die Politik hat der Empfehlung der Experten vertraut. Wir haben in der Entscheidung allein fachliche Kriterien und Erwägungen zum Zuge kommen lassen. Das war nicht einfach – aber wir haben unsere Linie durchgehalten. Im Ergebnis kann sich die Auswahl mehr als sehen lassen. Ich bin überzeugt, dass wir eine gute, dass wir die richtige Wahl getroffen haben. Ich darf an der Stelle auch sagen, dass ich der Tagung des UNESCO-Welterbekommitees in wenigen Wochen in Bonn mit Spannung entgegen blicke. KMK – Welterbesymposium: Schritte zur Umsetzung der Global Strategy in Deutschland, 05-06-2014 10/12 Meine Damen und Herren, wir verstehen uns als gewissenhafter und verantwortungsvoller Standort von herausragenden Bestandteilen des Welterbes der Menschheit. Das schließt mit ein, die Idee des Schutzes von Natur- und Kulturerbestätten zu verankern und politisch umzusetzen. Das steigende Interesse in den vergangenen Jahren verdeutlicht den Erfolg der Welterbekonvention. Die Welterbeliste ist nach wie vor eine faszinierende Landkarte der kulturellen Unterschiede, der historischen und regionalen Eigenheiten und der geistigen und physischen Schöpferkraft der Menschheit. Auch künftige Generationen werden das Welterbe mit außergewöhnlichen Leistungen prägen. KMK – Welterbesymposium: Schritte zur Umsetzung der Global Strategy in Deutschland, 05-06-2014 11/12 Meine Damen und Herren, wenn ich nun auf die nähere Zukunft, also heute und morgen, blicke, so bin ich gewiss, dass das Symposium einen wichtigen Beitrag leisten wird, die Idee des Welterbeschutzes weiter zu stärken und zu befördern. Dazu werden Sie an den nächsten beiden Tagen die Schritte zur Umsetzung der „Globalen Strategie“ in Deutschland diskutieren. Im Fokus soll dabei auch stehen, wie die Ziele und Inhalte der Welterbekonvention stärker als bislang in unserer Gesellschaft verankert werden können. Das betrifft insbesondere die Anerkennung von Welterbe als identitäts- und friedensstiftendem Element, das die Völker verbindet. Die Kultusministerkonferenz möchte zudem die Empfehlungen des Fachbeirats nutzen, um die Zivilgesellschaft in sensibilisieren: für glaubwürdigen und Umgang mit Welterbe. Deutschland einen zu nachhaltigen, denkmalverträglichen KMK – Welterbesymposium: Schritte zur Umsetzung der Global Strategy in Deutschland, 05-06-2014 12/12 Am Ende des Prozesses sollen neben einem Zeitplan für die Fortschreibung der Tentativliste vor allem Handlungsempfehlungen für Länder und Kommunen stehen. Im Namen der Kultusministerkonferenz lade ich Sie deshalb gern zu reger Mitarbeit und intensiv-konstruktiven Diskussion ein. Vielen Dank!
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