27. April 2015 Seite: 16 Autor: NADINE ZELLER Süddeutsche Zeitung 81677 München tel. 0049 08921830 www.sueddeutsche.de Auflage Reichweite Erscheint Fläche Wert 407'221 n. a. Mo-Sa 93'442 46'400 Ex. Leser mm2 CHF bekannt. Sofort begannen Diskussionen unter den Winzern, welche Insektizide zum Einsatz kommen könnten. In den USA, wo manbereits Erfahrungen mit der Fliege geWährend die heimische Fruchtfliege sammelt hatte, wusste manbereits, dass eider Schädling jeObst auswählt, das bereits Risse hat, plat- nige Pestizide helfen doch schnell Resistenzen aufbaut. Winzer Betroffenen an den Rand der Verzweif- ziert die Kirschessigfliege aus Japan ihren lung. Die drei Millimeter große asiatische Nachwuchs in intakte Trauben und Bee- in Südbaden bekämpften den Schädling mit dem Insektizid Spintor, dessen WirkFruchtfliege mit den rot en Augen und dem ren. Das Weibchen ritzt mit zwei säge braunen Körper hat in den vergangenen zahnartigen Auswüchsen seines Legeappa- stoff Spinosad im ökologischen Landbau drei Jahren enormen Schaden angerichtet. rats einen Schnitt in die Frucht. Dahinein seit sieben Jahren zugelassen ist. Doch Die Obstbauern haben schonjetzt Angst da- legt der Schädling seine Eier. Die Larven auch wenn das Pflanzenschutzmittel als vor, was passiert, wenn sich die ersten der Kirschessigfliege ernähren sich an- umweltverträglich beworben werde, könnschließend vom Fruchtfleisch, das rasch ten Schmetterlinge und Bienen daran sterFrüchte zeigen. Im Jahr 2011 wiesen Forscher Drosophi- beginnt, rund um die Fraßstellen zu fau- ben, sagt Tomas Brückmann, Insektizid la suzukii erstmals in Deutschland nach. len. Weiche Dellen entstehen. Nach weni- Experte beim BUND. Auch für Wasserorganismen sei der Wirkstoff Spinosad sehr gifEs handele sich um eine für den Obstbau gen Tagen ist die Frucht zersetzt. sehr gefährliche Essigfliege, hieß es daGefährlich ist die Kirschessigfliege auch tig, so Brückmann. „In Flüssen, Bächen mals in der Fachzeitschrift Entomologische durch ihre schwindelerregende Reproduk- und im Grundwasser kann er großen SchaNachrichten und Berichte. Das ist jetzt vier tionsrate. Die Tiere fangen gleich nach dem den anrichten." Michael Breuer, Biologe am Freiburger Jahre her mittlerweile dürfte die Fliege Schlüpfen an, Eier zu legen. In Deutschals Schädling Nummer 1 im Obstbau gel- land bringt es der Schädling auf bis zu acht Weinbauinstitut, ist gelassener: „Wir wenten. In Europa trat sie erstmals im Jahr Generationen pro Jahr in wärmeren Kli- den Spinosad nur an, wenn es notwendig 2008 auf: in einem Waldgebiet in Kataloni- mazonen wie in Japan sogar auf 13. Etwa ist", sagt er. Durch den gezielten Einsatz sei das Risiko für die Bienen geringer. Die besen. Ein Jahr später wurde sie in Italien ge- 400 Eier legt ein Weibchen pro Tag. Manchsichtet. Nun ist sie in Deutschland. mal legt es mehrere Eier in eine Frucht. Oft te Lösung sei, die Rebanlage sauber zu halEgal ob Kirschen, Erdbeeren, Brombee- fliegt es weiter zur nächsten. Es sind unzäh- ten, befallene Früchte sofort zu entfernen ren, Himbeeren, Johannisbeeren oder lige Früchte, die so Schaden nehmen. Die und für ein luftiges Klima zu sorgen. NaturWeintrauben der Schädling mag beinahe Insektenforscherin Heidrun Vogt vom Juli- schützer wie Brückmann sind da anderer jedes Obst. Weil sie so viele Wirtspflanzen us -Kühn-Institut für Kulturpflanzen in Meinung: Wenn Saft aus der Beere austremit dem Spintorbelag vermihat, ist die Fliege schwierig zu bekämpfen. Dossenheim warnte in einem Fachartikel te undseisich das sehr gefährlich für Bienen. Bei Hält man sie von den Kirschen fern, fliegt bereits vor drei Jahren vor dem Schädling. sche, sie eben zu den Himbeeren. Rotes weich- In Spanien und Südfrankreich habe er geringem Nahrungsangebot laben sich Bieschaliges Obst liebt sie besonders. In die- Ernteausfälle von bis zu 100 Prozent an Kir- nen nämlich an dem Fruchtsaft. „Völlig unses legt die Kirschessigfliege ihre Eier. schen verursacht. In Italien seien vier Fünf- geklärt ist zudem, wie Spinosad mit den vielen Rückständen von Fungiziden retel der Himbeeren verdorben. die regelmäßig im Weinanbau geagiert, solange Doch nur Obstbauern betroffen waren, war die Kirschessigfliege ein The- spritzt werden. Häufig verstärken Fungizima, das von der Öffentlichkeit kaumwahr- de die Wirkungen von Insektiziden", so genommen wurde. Als sich der Schädling Brückmann. Vogt Insektenforscherin Heidrun imvergangenen Jahr jedoch den Weintrauben zuwandte, löste das eine regelrechte spricht das Problem offen an: „Es wird einiHysterie aus. Weil die Kirschessigfliege die ges zur Bekämpfung erprobt, aber eine Weinsorten Acolon, Regent, Dunkelfelder nachhaltige Lösung fehlt." Da die Fliege vieund Dornfelder befiel, wandten sich die le Wirtspflanzen b efalle und sich rasch verWinzer an die Presse. Titel wie „Kirsch- mehre, seien wiederholte Insektizid -Einessigfliege bedroht deutschen Wein" mach- sätze notwendig. Sie sei jedoch der Meiten den Schädling über die Fachwelt hin- nung, dass im vergangenen Jahr vor allem VON NADINE ZELLER sie ist nur ein Winzling, doch sie ist gefährlich. Die Rede ist von der Kirschessigfliege. Wäre sie doch in Japan geblieben, wo sie herkommt, denken zunehmend viele Obstbauern und Winzer. Doch der Schädling ist in Europa und bringt die aus Rotes Obst liebt sie besonders. Hält man sie von Kirschen fern, fliegt sie eben zu den Himbeeren — - - — — — tel. 041 624 99 66 www.management-tools.ch Clipping-Nr. 2054053028 Clipping-Seite 1/3 27. April 2015 Seite: 16 Autor: NADINE ZELLER Süddeutsche Zeitung 81677 München tel. 0049 08921830 www.sueddeutsche.de beim Spätburgunder zu viel gespritzt worden sei. 2014 war für den Weinbau ein typisches Essigfäulejahr. Hohe Temperaturen und Niederschläge während der Reifephase schädigten die Beeren und führten zu Mikrorissen. Diese waren ideale Eintrittspforten für Essigsäurebakterien ebenso wie für die heimische Essigfliege, Drosophila melanogaster. Im Nachhinein könne man nicht genau sagen, ob die Kirschessig fliege die Risse verursacht habe oder ob diese bereits vorhanden gewesen seien, sagt Vogt. Die Rolle der Kirschessigfliege als Primär- oder Sekundärschädling müsse noch geklärt werden. Die wichtigste deutsche Rotweinsorte, der Spätburgunder, zählt jedenfalls zu den weniger anfälligen Sorten. „Wein ist eben ein sehr emotionales Pro- dukt”, sagte kürzlich Kilian Schneider vom Badischen Weinbauverband auf einem eigens eingerichteten KirschessigfliegenSymposium in Offenburg. Vergangenes Jahr sei die Sorge der Winzer riesengroß ge- — wesen nach allem, was man aus dem Obstbau gehört habe. Die Folge: Spintor kam großflächig zum Einsatz. Und dieses Jahr? „Wir schauen uns die Situation an", sagt Schneider. „Kommt es zur Eiablage, werden wir spritzen." In Südtirol befiel der Schädling vorwiegend rote Weinsorten. Und auch diese eher ungern. Er bevorzugt eindeutig Kirschen, Himbeeren und anderes Obst. Fakt ist also, dass die Obstbauern das weitaus größere Problem haben. Alternative Bekämpfungsmethoden des Einsatzes von Insektiziden existieren, sind jedoch noch nicht ausgereift: In den USA haben Forscher bereits Schlupfwespen die natürlichen Gegenspieler der statt — — aus Japan und China Kirschessigfliege importiert. „Diese sogenannten Parasitoide legen ihre Eier in die Larven oder Puppen des Schädlings und ernähren sich von deren Innerem", sagt Heidrun Vogt, die in engem Kontakt mit Insektenforschern in Auflage Reichweite Erscheint Fläche Wert In den USA versuchen Forscher, das Insekt mit importierten Schlupfwespen zu bekämpfen Doch Ökosysteme sind empfindlich, und noch ist nicht absehbar, welche Folgen das Einführen der Schlupfwespe in Deutschland für das heimische Ökosystem haben könnte. Aus diesem Grund betreiben die amerikanischen Wissenschaftler ihre Versuche mit der Schlupfwespe bislang unter Quarantänebedingungen. Überall wird fieberhaft geforscht. Auch in Freiburg. Im Weinbauinstitut der südbadischen Stadt beugt sich Diplombiologin Anna -Ma ria Baumann über eine Petrischale und inspiziert den Inhalt einer Fruchtfliegenfalle. Eine wissenschaftliche Helferin stochert mit einer Pinzette darin herum. Bau- mann will herausfinden, ob Kirsch- essigfliegen in die Falle geflogen sind. Seit 2012 läuft ein Monitoring-Programm, an dem das Weinbauinstitut in Freiburg beteiligt ist. Etwa hundert Fallen brachten die Forscher in Südbaden aus. Ort enau, Kaiserstuhl, Markgraflerland alle von der Sonne Südbadens verwöhnten Weingebiete sind auf dem Radar. Von 2012 bis 2013 hat sich die Zahl der gefangenen Kirschessigfliegen verdoppelt. Im Jahr 2014 fanden die Forscher von Sommer bis Herbst etwa 5000 Fruchtfliegen pro Woche in jeder Falle. Im Winter sammelten sie die Fallen alle zwei Wochen ein und zählten nach, wie viele Tiere darin waren. In milden Wintern können die Schädlinge nämlich auch in Deutschland überleben. Um die niedrigen Temperaturen zu überstehen, bilden die Tiere eine spezielle Winterform — einen sogenannten Wintermorph. Dieser ist dunkler gefärbt, — 407'221 n. a. Mo-Sa 93'442 46'400 Ex. Leser mm2 CHF chigen Raum den Namen „Spotted wing Drosophila" eingebracht hat. Die Weibchen erkennt man an ihrem Legeapparat. Je früher im Jahr die Schädlinge auftauchen, umso öfter können sie sich fortpflanzen, und umso stärker ist der Befall. In den Jahren 2012 und 2013 tauchten die ersten Exemplare erst im Juli auf. Im Jahr 2014 wegen des vorangegangenen milden Winters schon im April. Der Insektenforscher Peter Shearer von der Oregon State University im Westen der USA empfiehlt, die Fangmaßnahmen auf die Weibchen zu konzentrieren. In Fallen sollen sie gelockt werden, Apfelessig -Wasser -Gemische schlürfen und darin ertrinken. Eine andere Methode besteht darin, die Essigfliegen -Weibchen mit Stoffen zu vertreiben, die sie nicht mögen sogenannte Repellentien. Doch bislang greift nichts — zuverlässig. Insektenforscherin Heidrun „Am Ende wird es nicht eine einzige Maßnahme sein, die uns hilft, sondern ein Paket aus mehreren Methoden." In Südtirol spannen die Bauern feinmaschige Netze auf. Das hilft, Vogt sagt: ist aber extrem teuer In Südtirol spannen die Obstbauemund Winzer schon seit Längerem feinmaschige Netze auf. Diese halten die Fliegen zwar erfolgreich ab, aber die Angelegenheit ist sehr teuer. 25 000 Euro kostet das Einnetzen einer Kirschanlage pro Hektar. „Es ist eine hohe Investition, und die engen Maschen schränken die Belüftung ein. Für den Weinbau ist diese Maßnahme nicht geeignet", sagt Heidrun Vogt. Viel zu groß seien die Flächen. Auch in Japan hat man noch keine nachhaltige Lösung für das Problem gefunden. Trotz Schlupfwespe wird auch dort nach wie vor stark mit Insektizi- robuster und kälteunempfindlicher als die Gestalt, die die Tiere im Sommer anneh- den gearbeitet. men. Außerdem hat der Wintermorph eine Seit die Kirschessigfliege Deutschland den USA steht. Schlupfwespen könnten die Lebenserwartung von bis zu einem halben erobert hat, haben zahlreiche Experten auf Population der Kirschessigfliege stark re- Jahr. Im Sommer sterben die Fliegen dage- Symposien diskutiert und Express -Risiko duzieren. In Japan sei die Methode durch- gen schon nach zwei bis vier Wochen. Je analysen erstellt. Die Pflanzenschutzdiensaus erfolgreich. mehr Tiere die kalte Jahreszeit überleben, te der Länder wurden unterrichtet und Arumso stärker ist der Befall im folgenden beitskreise einberufen. Doch nach wie vor Sommer. gibt es keine nachhaltige Strategie, die VerBaumann wirft einen Blick durchs Bin- mehrung der Fliege zu stoppen. Es geht okular. „Da haben wir ja einen Kandida- nur noch darum, den Schaden zu begrenten", sagt sie. Die Männchen der Kirsch- zen. Und zu lernen, mit ihr zu leben. essigfliege sind leicht auszumachen, sie Schließlich ist die Fliege gekommen, um weisen einen schwarzen Punkt an den Flü- zu bleiben. gelenden auf, was ihnen im englischspra- - tel. 041 624 99 66 www.management-tools.ch Clipping-Nr. 2054053028 Clipping-Seite 2/3 27. April 2015 Seite: 16 Autor: NADINE ZELLER Süddeutsche Zeitung 81677 München tel. 0049 08921830 www.sueddeutsche.de Auflage Reichweite Erscheint Fläche Wert 407'221 n. a. Mo-Sa 93'442 46'400 Ex. Leser mm2 CHF Rote Augen, brauner Körper und nur drei Millimeter groß: Die ursprünglich aus Japan stammende Kirschessigfliege hat Deutschland erobert. Die Weibchen ritzen FOTO: DPA gesunde Früchte an und legen ihre Eier hinein. Obstbauern und Winzer fürchten um ihre Ernten. tel. 041 624 99 66 www.management-tools.ch Clipping-Nr. 2054053028 Clipping-Seite 3/3
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