MPG-official form - Max Planck Institute for Chemical Ecology

18. März 2015
Nr.5/2015 (139)
Blattduftstoff lockt Kirschessigfliegen an
Beta-Cyclocitral ist für den Obstschädling Drosophila suzukii besonders
attraktiv
Die 2014 in Deutschland erstmals verstärkt aufgetretene Kirschessigfliege
Drosophila suzukii legt ihre Eier in frisches, noch nicht geerntetes Obst. Befallene
Früchte sind oftmals zusätzlich noch mit Bakterien und Pilzen infiziert und somit für
den Verkauf oder eine Weiterverarbeitung ungeeignet. Eine wirksame Bekämpfung
des Schädlings ist bislang nur mit Insektiziden möglich. Wissenschaftler am MaxPlanck-Institut für chemische Ökologie haben jetzt einen Blattduftstoff identifiziert,
der für Kirschessigfliegen besonders attraktiv ist. Beta-Cyclocitral lockt nur die
Kirschessigfliege, aber keine anderen verwandten Taufliegenarten an. Die Forscher
konnten zeigen, dass die Vorliebe des Insekts für diesen Blattduft physiologisch mit
einer erhöhten Antwortstärke bestimmter Geruchssinneshaare auf der Antenne
einhergeht (Journal of Chemical Ecology, Februar 2015).
Geschäftsführender
Direktor
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Anschrift
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Internet
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Männchen einer Kirschessigfliege (Drosophila suzukii). Von vielen
nahe verwandten Arten unterscheiden sich die Männchen durch die
dunklen Flecken an der Spitze der Flügel. Foto: Ian Keesey, MaxPlanck-Institut für chemische Ökologie, Journal of Chemical
Ecology, 41( 2), Cover Image.
Die Kirschessigfliege Drosophila suzukii stammt ursprünglich aus Asien und gehört
zur Familie der Taufliegen. Während die bei uns weit verbreitete Schwarzbäuchige
Taufliege Drosophila melanogaster, die in den Sommermonaten in großer Anzahl
auf überreifen oder bereits verdorbenen Früchten und Obstresten anzutreffen ist,
eher lästig als schädlich ist, kann die asiatische Verwandte erheblichen Schaden im
Obst- und Weinbau anrichten. Denn im Gegensatz zu D. melanogaster legt die
Kirschessigfliege ihre Eier in gesunden Früchten ab, noch bevor diese geerntet
werden. Sie überträgt dabei oft auch Pilze und Bakterien.
2011 wurde Drosophila suzukii erstmals in Deutschland nachgewiesen. Im Sommer
und Herbst 2014 mussten im Weinbau erstmals Insektizide gegen den Schädling
eingesetzt werden. Essigfallen, die auch der zahlenmäßigen Einschätzung von
Schädlingspopulationen dienen, sind nur bedingt hilfreich, da sie neben der
Kirschessigfliege auch andere Taufliegen anlocken. Eine Kontrolle, ob
Kirschessigfliegen in der Falle sind, ist daher sehr zeitaufwändig.
Ian Keesey und seine Kollegen aus Bill Hanssons Abteilung Evolutionäre
Neuroethologie am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie wollten
herausfinden, welche Düfte nur für Kirschessigfliegen attraktiv sind. Im Mittelpunkt
ihrer Untersuchungen stand auch die Frage, wie die Kirschessigfliege im Laufe der
Evolution ihre Vorliebe für frisches Obst ausbilden konnte und wie sich diese
Spezialisierung im Geruchssystem physiologisch messen lässt.
Verhaltensexperimente ergaben, dass Kirschessigfliegen auffallend häufiger von
Blattgewebe angelockt wurden als alle andere Fliegenarten, die im Versuch getestet
wurden.
Daher
untersuchten
die
Forscher
die
Aktivität
einzelner
Geruchssinneshaare (Sensillen) verschiedener Taufliegenarten auf eine Vielzahl
ökologisch relevanter Düfte, darunter auch viele Blattdüfte. Die Kopplung von
Sinnesphysiologie (Einzel-Sensillum-Ableitungen) mit Gaschromatografie ermöglicht
dabei die Untersuchung einzelner Sinneshaare, während parallel mithilfe der
Gaschromatografie unzählige Düfte, die in einer Frucht oder einem Blatt enthalten
sind, getestet werden.
Auf diese Weise identifizierten die Forscher eine Substanz, die nur für die
Kirschessigfliege attraktiv ist: den Blattduft Beta-Cyclocitral. Darüber hinaus reagiert
der Schädling auch stärker auf Düfte, die während früher Phasen des
Fruchtreifungsprozesses verströmt werden und weniger stark auf Substanzen, die
typisch für bereits gärende Früchte sind und oftmals als Köder für Taufliegen
eingesetzt werden.
Interessanterweise reagiert vor allem ein Typ von Sinneshaaren auf diesen Duft, das
sogenannte ab3-Sensillum. „Wir waren erstaunt, dass es erneut das ab3-Sensillum
war, das besondere Antworten zeigte. Immer wenn Fliegen eine neue
Nahrungsnische besetzen, ändern sich die Anforderungen an ihren Geruchssinn.
Sie müssen neue Düfte riechen können und sich nicht von Gerüchen ablenken
lassen, die vorher anziehend waren. Offensichtlich ist es das ab3-Sensillum, das
dabei sein Antwortspektrum verändert,“ erläutert Markus Knaden, der die
Arbeitsgruppe „Duftgesteuertes Verhalten von Insekten“ leitet. Bei der Suche nach
Nahrung oder Eiablageplätzen scheint dieses Sensillum eine besonders wichtige
Rolle zu spielen.
Ungewöhnlich ist, dass die Kirschessigfliege zwar von Blattgewebe angelockt wird,
ihre Eier aber dennoch in reifende Früchte legt. Die Weibchen nutzen dabei ihren
auffallend langen, mit kleinen Sägezähnen versehenen Eiablageapparat, um die
Haut der Früchte und Beeren aufzuritzen und ihre Eier hineinzulegen. „Drosophila
suzukii könnte eine Art evolutionäre Brücke zwischen den Drosophila-Arten sein, die
entweder auf Früchte oder Blätter spezialisiert sind“, meint Ian Keesey, der Erstautor
der Studie. Reifende Früchte und Beeren sind meist von Blättern umgeben. Durch
den Blattduft angelockt kommen Kirschessigfliegen automatisch in die Nähe der
Früchte, wobei wahrscheinlich visuelle Reize dazu beitragen, die Früchte im grünen
Blätterdach aufzufinden.
Durch ihre Untersuchungen wollen die Wissenschaftler besser verstehen, warum
manche Insektenarten zum Problem werden, andere dagegen nicht. In diesem Fall
wollen sie herausfinden, wie und warum sich die Kirschessigfliege auf reifende
Früchte spezialisiert und ihre Duftsensibilität entsprechend verändert hat. Die
Forschungsergebnisse sollen auch dabei helfen, wirksamere Fallen zu entwickeln,
um das Monitoring zu vereinfachen und der Plage besser Herr zu werden. [AO]
Originalveröffentlichung:
Keesey, I., Knaden, M., Hansson, B. S. (2015). Olfactory specialization in Drosophila
suzukii supports an ecological shift in host preference from rotten to fresh fruit.
Journal of Chemical Ecology, 41( 2), 121-128, doi:10.1007/s10886-015-0544-3.
http://dx.doi.org/10.1007/s10886-015-0544-3
Weitere Informationen:
Markus Knaden, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Hans-Knöll-Str. 8,
07743 Jena, +49 3641 57-1421, [email protected]
Ian W. Keesey, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Hans-Knöll-Str. 8,
07743 Jena, +49 3641 57-1410, [email protected]
Kontakt und Bildanfragen
Angela Overmeyer M.A., Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Hans-KnöllStr. 8, 07743 Jena, +49 3641 57-2110, E-Mail [email protected]
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