PULS/CE 25 Foto: Ian Keesey Public Understanding of Life Sciences / Chemical Ecology Newsletter Mai 2015 Blattduftstoff lockt Kirschessigfliegen an Die Kirschessigfliege Drosophila suzukii legt ihre Eier in frisches, noch nicht geerntetes Obst. Wissenschaftler haben jetzt einen Blattduftstoff identifiziert, der für Kirschessigfliegen besonders attraktiv ist. Beta-Cyclocitral lockt nur die Kirschessigfliege, aber keine anderen verwandten Taufliegenarten an … S. 3 Kartoffelkäfer mit RNA-Interferenz bekämpfen Kartoffelpflanzen können durch RNA-Interferenz (RNAi) vor Kartoffelkäfern geschützt werden. Dazu werden die Pflanzen so verändert, dass sie doppelsträngige RNA-Moleküle (dsRNAs) in ihren Chloroplasten herstellen, die gegen Gene des Kartoffelkäfers gerichtet sind ... S. 4 Essenskanäle für Bakterien Dass Bakterien sich bei Nährstoffmangel gegenseitig aushelfen ist schon länger bekannt. Wie dieser Nährstoffaustausch praktisch aussehen kann, haben Forscher jetzt herausgefunden: Manche Bakterien bilden Nanokanäle zwischen einzelnen Zellen aus, die den direkten Austausch von Nährstoffen ermöglichen … S. 5 PULS/CE 25 2 Newsletter Mai 2015 | Editorial Lösungsorientierte Grundlagenforschung Liebe Leserinnen und Leser! Im Oktober 2014 erreichte uns eine besorgte Anfrage des Landratsamtes Heilbronn. Dort war man über einen Fernsehbericht auf unser Institut, insbesondere auf die Erforschung der Geruchswahrnehmung von Drosophila-Arten, aufmerksam geworden. Die große Sorge galt der Kirschessigfliege Drosophila suzukii, einer Taufliegenart, die erst seit wenigen Jahren in unseren Breiten anzutreffen ist. Anders als ihre harmlose, aber lästige Verwandte, die Schwarzbäuchige Taufliege Drosophila melanogaster, einer der am besten untersuchten Organismen überhaupt, ist die Suzukii-Fliege ein gefährlicher Schädling, denn sie hat sich auf reifende rote Früchte spezialisiert, noch bevor diese geerntet werden. Betroffen sind neben Kirschen, Himbeeren, Brombeeren auch rote Weintrauben. Gerade im Weinbau ist man daher alarmiert, mussten doch im vergangenen Jahr erstmals Insektizide gegen den Neuschädling eingesetzt werden. Trauben der Weinsorte Dornfelder (oben). Männliche Kirschessigfliege (unten). Der Schädling, der neben roten Früchten auch rote Weintrauben befällt, ist zu einer Bedrohung im deutschen Weinbau geworden. Fotos: Wikipedia (oben); Ian Keesey (unten). Von unserem Institut wollte man nun wissen, mit welcher Köderflüssigkeit die Kirschessigfliege am besten gefangen werden könne. Im Februar konnten Ian Keesey und seine Kollegen aus der Abteilung Evolutionäre Neuroethologie in einer Publikation im Journal of Chemical Ecology erstmals davon berichten, welcher Duft für Drosophila suzukii besonders attraktiv ist (siehe Research Highlight, S. 3). Unsere Pressemeldung, dass der Blattduftstoff Beta-Cyclocitral die Kirschessigfliege anlockt, wurde daher insbesondere von Obst- und Weinbauern mit großem Interesse aufgenommen. Die Betroffenen machten aus ihrer Verzweiflung über die Bedrohung durch den Schädling keinen Hehl. Einigen Winzern konnte Beta-Cyclocitral für die Verbesserung der Fangquoten in ihren Fliegenfallen zur Verfügung gestellt werden. Nicht vergessen darf man bei all dem öffentlichen Interesse an einer effektiveren Bekämpfung des Schädlings, dass unsere Wissenschaftler Grundlagenforschung betreiben. Noch interessanter als die Identifizierung eines Lockstoffes für die Kirschessigfliege war für sie die Entdeckung, dass sich ein bestimmter Rezeptor in Drosophila suzukii so verändert hat, dass sie anstelle des für Drosophila melanogaster so wichtigen Futterduftes Ethyl-Hexanoat Beta-Cyclocitral wahrnimmt. Diese „Feinabstimmung“ des Geruchssystems auf den Duft einer anderen Futterquelle ist für die Wissenschaftler der Abteilung Evolutionäre Neuroetholgie besonders interessant, daher planen sie jetzt ähnliche Untersuchungen mit anderen verwandten Drosophila-Arten, die sich ebenfalls auf andere Nahrungsquellen spezialisiert haben. Aber auch die Forschung am Schädling Kirschessigfliege soll weitergeführt werden, nicht zuletzt wegen des zunehmenden Leidensdrucks bei den Obstbauern. Angela Overmeyer PULS/CE 22 3 PULS/CE 253 Research Highlight | Newsletter Mai 2015 Blattduftstoff lockt Kirschessigfliegen an Die 2014 in Deutschland erstmals verstärkt aufgetretene Kirschessigfliege Drosophila suzukii legt ihre Eier in frisches, noch nicht geerntetes Obst. Befallene Früchte sind oftmals zusätzlich noch mit Bakterien und Pilzen infiziert und somit für den Verkauf oder eine Weiterverarbeitung ungeeignet. Eine wirksame Bekämpfung des Schädlings ist bislang nur mit Insektiziden möglich. Forscher der Abteilung Evolutionäre Neuroethologie haben jetzt einen Blattduftstoff identifiziert, der für Kirschessigfliegen besonders attraktiv ist: Beta-Cyclocitral lockt nur die Kirschessigfliege, aber keine anderen verwandten Taufliegenarten an. Die Forscher konnten zeigen, dass die Vorliebe des Insekts für diesen Blattduft physiologisch mit einer erhöhten Antwortstärke bestimmter Geruchssinneshaare auf der Antenne einhergeht Ungewöhnlich ist, dass die Kirschessigfliege zwar von Blattgewebe angelockt wird, ihre Eier aber dennoch in reifende Früchte legt. Die Weibchen nutzen dabei ihren auffallend langen, mit kleinen Sägezähnen versehenen Eiablageapparat, um die Haut der Früchte und Beeren aufzuritzen und ihre Eier hineinzulegen. „Drosophila suzukii könnte eine Art evolutionäre Brücke zwischen den Drosophila-Arten sein, die entweder auf Früchte oder Blätter spezialisiert sind“, meint Ian Keesey, der Erstautor der Studie. Reifende Früchte und Beeren sind meist von Blättern umgeben. Durch den Blattduft angelockt kommen Kirschessigfliegen automatisch in die Nähe der Früchte, wobei wahrscheinlich visuelle Reize dazu beitragen, die Früchte im grünen Blätterdach aufzufinden. Durch ihre Untersuchungen wollen die Wissenschaftler herausfinden, wie und warum sich die Kirschessigfliege auf reifende Früchte spezialisiert und ihre Duftsensibilität entsprechend verändert hat. Die Forschungsergebnisse sollen auch dabei helfen, wirksamere Fallen zu entwickeln, um das Monitoring zu vereinfachen und der Plage besser Herr zu werden. [AO] Oben: Ian Keesey injiziert flüchtige Substanzen aus einer Duftsammlung pflanzlicher Gewebeproben in ein GC-MS zwecks Trennung, Analyse und Identifizierung. Foto: Anna Schroll Unten rechts: Männchen einer Kirschessigfliege (Drosophila suzukii). Von vielen nahe verwandten Arten unterscheiden sich die Männchen durch die dunklen Flecken an der Spitze der Flügel. Foto: Ian Keesey, MPI-CE Originalveröffentlichung: Keesey, I., Knaden, M., Hansson, B. S. (2015). Olfactory specialization in Drosophila suzukii supports an ecological shift in host preference from rotten to fresh fruit. Journal of Chemical Ecology, 41( 2), 121-128 PULS/CE 25 4 Newsletter Mai 2015 | Research Highlight Kartoffelkäfer mit RNAInterferenz bekämpfen Oben: Der Kartoffelkäfer (Leptinotarsa decemlineata): Jede seiner Larven frisst im Durchschnitt 40 bis 50 cm 2 Blattmaterial. Unten rechts: Fütterungsexperiment mit abgetrennten Kartoffelblättern: Dargestellt sind Wildtyp-Blätter im Vergleich mit Blättern einer Pflanze, bei der die DNA der Chloroplasten verändert wurde. Auf diesen Blättern, die täglich durch neue ersetzt wurden, hatten Käferlarven an drei aufeinanderfolgenden Tagen jeweils 24 Stunden lang gefressen. Fotos: Sher Afzal Khan, MPI-CE. Originalveröffentlichung: Zhang, J., Khan, S. A., Heckel, D. G., Bock, R. (2015). Full crop protection from an insect pest by expression of long double-stranded RNAs in plastids. Science, 347 (6225), 991-994. RNA-Interferenz (RNAi) ist ein natürlicher Prozess der Genregulation. Bei einer Infektion schleusen die Erreger ihre Erbsubstanz in Form von doppelsträngiger RNA (dsRNA) in die Zellen ihres Wirts ein, um sich dort zu vermehren. Bei der Vervielfältigung der viralen RNA in der Zelle wird diese durch das RNAi-System erkannt und in kleinere Stücke zerlegt. Die Bruchstücke, sogenannte siRNAs (small interfering RNAs), nutzt die Zelle für die Erkennung und Zerstörung der fremden RNA. Dieser Mechanismus lässt sich auch künstlich nutzen, indem man dsRNAs in eine Zelle einbringt, die genau zur Boten-RNA (mRNA) eines Zielgens passt. Wählt man als Ziel ein lebenswichtiges Gen eines Schädlings, so wird aus der dsRNA ein sehr präzises und wirkungsvolles Insektizid. Die dsRNAs gelangen über das Verdauungssystem in die Zellen des Insekts und können dort die Produktion des entsprechenden Proteins verringern oder sogar vollständig blockieren. Forscher um Ralph Bock vom Max-Planck-Institut für Mole- kulare Pflanzenphysiologie stellten mit Hilfe der Chloroplastentransformation Kartoffelpflanzen her, die große Mengen langer dsRNAs stabil in den Chloroplasten anreichern. Als Zielorganismus für die dsRNA wählten die Wissenschaftler den Kartoffelkäfer aus, einen weltweit gefürchteten Ernteschädling. Am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena wurde die Wirksamkeit von dsRNA als Insektizid überprüft. „Fressen Larven Kartoffelblätter, deren dsRNA gegen das Aktin-Gen des Käfers gerichtet ist, sterben sie innerhalb von fünf Tagen zu 100 Prozent“, erklärt Sher Afzal Khan aus der Abteilung Entomologie. Die Ergebnisse zeigen, dass der Wechsel von der Transformation des Kerngenoms zur Transformation des Chloroplastengenoms die bisher bestehenden Hürden beim Einsatz von RNAi im Pflanzenschutz überwindet. Da Insekten zunehmend Resistenzen gegenüber chemischen Pestiziden und auch biologischen Mitteln wie Bt-Toxinen entwickeln, stellt die RNAi-Technologie eine zukunftsweisende Strategie in der Schädlingsbekämpfung dar. Die Methode ermöglicht gezielten Schutz ohne Chemikalien und ohne die Produktion fremder Proteine in der Pflanze. Kathleen Dahncke, MPI-MP, Golm PULS/CE 22 5 PULS/CE 25 Research Highlight | Newsletter Mai 2015 Dass Bakterien sich bei Nährstoffmangel gegenseitig aushelfen ist schon länger bekannt. Wie dieser Nährstoffaustausch praktisch aussehen kann, haben jetzt Wissenschaftler der von der Volkwagen-Stiftung geförderten Forschungsgruppe „Experimentelle Ökologie und Evolution“ herausgefunden. Sie entdeckten, dass manche Bakterien Nanokanäle zwischen einzelnen Zellen ausbilden, die den direkten Austausch von Nährstoffen ermöglichen. Bakterien leben zumeist in artenreichen Gemeinschaften, in denen häufig Nährstoffe und andere Stoffwechselprodukte ausgetauscht werden. Es war bislang unklar, ob Mikroorganismen diese Substanzen ausschließlich über die Umwelt austauschen oder ob sie dafür direkte Verbindungen zwischen den Zellen benutzen. Die Forscher um Christian Kost schalteten bakterielle Gene aus, sodass die Bakterien manche Aminosäuren nicht mehr produzieren konnten, andere wiederum in erhöhtem Maße herstellten. Für ihre Experimente nutzten sie das Bodenbakterium Acinetobacter baylyi, sowie den Darmkeim Escherichia coli. Wuchsen die so veränderten Bakterien zusammen, konnten sie sich gegenseitig ernähren, um so den experimentell erzeugten Aminosäuremangel wieder auszugleichen. Wurden die Bakterien allerdings durch einen Filter getrennt, der Aminosäuren im Nährmedium zwar durchließ, einen direkten Austausch zwischen den beiden Bakterienstämmen jedoch verhinderte, konnte keiner der Stämme wachsen. „Dies zeigte uns, dass offenbar ein direkter Kontakt zwischen den Zellen notwendig ist, um die Nährstoffe auszutauschen“, erläutert Samay Pande, der im Rahmen seiner Doktorarbeit an diesem Projekt forschte und inzwischen wissenschaftlicher Mitarbeiter der ETH Zürich ist. Im Elektronenmikroskop konnten die Wissenschaftler beobachten, dass sich zwischen beiden Bakterienarten Nanokanäle bildeten, die den Austausch von Nährstoffen ermöglichten. Essenskanäle für Bakterien Auffallend war dabei, dass nur das Darmbakterium Escherichia coli solche Strukturen nutzte, um sich mit Acinetobacter baylyi-Zellen zu verbinden. „Die spannendste Frage bleibt für mich, ob es sich bei Bakterien um einzellige, relativ einfach strukturierte Organismen handelt, oder ob wir es mit einer anderen Form der Vielzelligkeit zu tun haben. Bakterien könnten ihre Komplexität dadurch steigern, dass sie sich mit anderen Bakterien verbinden und so ihre Fähigkeiten kombinieren“, sagt Christian Kost. Seine Arbeitsgruppe widmet sich der zentralen Frage, warum Lebewesen miteinander kooperieren. Bakterielle Lebensgemeinschaften als experimentelle Modellsysteme sollen dabei helfen zu verstehen, warum sich bei vielen Lebewesen im Laufe der Evolution ein kooperativer Lebensstil durchgesetzt hat. [AO/CK] Lisa Freund, Christian Kost, Shradda Shitut und (per Skype) Samay Pande. Die Forschungsgruppe Experimentelle Ökologie und Evolution wird von der Volkswagen-Stiftung gefördert. Foto: Glen D‘Souza, MPI-CE Elektronenmikroskopische Aufnahme gentechnisch veränderter Bakterienstämme der Arten Escherichia coli und Acinetobacter baylyi, die Aminosäuren über Nanokanäle Originalveröffentlichung: (schlauchähnliche Verbindungen Pande, S., Shitut, S., Freund, L., Westermann, M., Bertels, zwischen Zellen) austauschen. Bild: F., Colesie, C., Bischofs, I. B., Kost, C. (2015). Metabolic Martin Westermann, Elektronenmik- cross-feeding via intercellular nanotubes among bacte- roskopisches Zentrum am Klinikum der ria. Nature Communications, 6: 6238. Friedrich-Schiller-Universität Jena PULS/CE 25 6 Newsletter Mai 2015 | News Thüringer Forschungspreis 2014 für Grundlagenforschung an Martin Kaltenpoth verliehen Preisträger Martin Kaltenpoth mit Minister Wolfgang Tiefensee sowie dem Laudator Axel Brakhage, Direktor des Leibniz-Instituts für NaturstoffForschung und Infektionsbiologie. Foto: Angela Overmeyer, MPI-CE Der Freistaat Thüringen hat den Leiter der MaxPlanck-Forschungsgruppe Insektensymbiosen, Martin Kaltenpoth, für seine herausragende Leistung mit dem Thüringer Forschungspreis 2014 in der Kategorie Grundlagenforschung ausgezeichnet. Die Verleihung durch den Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft, Wolfgang Tiefensee, erfolgte am 9. März 2015 in einer feierlichen Zeremonie im Leibniz-Institut für Phontonische Technologien in Jena. Martin Kaltenpoth erforscht Symbiosen zwischen Insekten und Bakterien. Dabei gelang ihm unter anderem der Nachweis von antibiotisch wirksamen Substanzen, die in den Antennen und auf dem Kokon von Bienenwölfen von symbiontischen Bakterien produziert werden. Die Insekten nutzen diese Antibiotika, um ihren Nachwuchs vor schädlichen Erregern zu schützen. „Mich fasziniert, wie zwei völlig verschiedene Organismen eine beiderseitig vorteilhafte Symbiose eingehen und über lange Zeiträume beibehalten. Das ist ein erstaunliches Phänomen“, sagt Martin Kaltenpoth. Seine Forschung trägt wesentlich zum Verständnis der Evolution solcher „Schutzsymbiosen“ in der Natur bei. Die Entdeckung und Identifizierung neuer antibiotischer Wirkstoffe in der Natur und deren Wirksamkeit über lange evolutionäre Zeiträume hinweg ist angesichts der zunehmenden Resistenzen gegen herkömmliche Antibiotika auch für die Humanmedizin von großem Interesse. [AO] Ian Baldwin mit dem Jean-Marie Delwart Award 2014 ausgezeichnet Für seine wegweisenden Forschungsarbeiten zur Pflanzenkommunikation und zu pflanzlichen Verteidigungsmechanismen erhielt Ian T. Baldwin zusammen mit dem Pflanzenmolekularbiologen Edward Farmer den Jean-Marie Delwart Award 2014. Die internationale Auszeichnung, die mit 10000 US Dollar dotiert ist, wird von der JeanMarie Delwart-Stiftung vergeben und steht unter dem Patronat der Académie Royale des Sciences de Belgique. [AO] http://www.fondationjeanmariedelwart.org Ian T. Baldwin. Foto: eLife Nichts riecht gut ohne Grund Essigfliegen (Drosophila melanogaster) auf einer überreifen Kirsche. Foto: Anna Schroll Antioxidantien sind natürliche Nahrungsinhaltsstoffe, die Körperzellen vor gefährlichen Einflüssen schützen. Ihre Aufgabe ist es insbesondere, sogenannte freie Radikale zu neutralisieren, die meist durch Oxidation entstehen und für die Degeneration von Zellen verantwortlich gemacht werden. Wissenschaftler der Abteilung Evolutionäre Neuroethologie konnten zeigen, dass Essigfliegen die Anwesenheit dieser Schutzstoffe riechen und aufspüren können. Düfte, die durch den mikrobiellen Abbau dieser Nahrungsinhaltstoffe entstehen, locken die Fliegen an, steigern ihren Appetit und lösen bei den Weibchen die Eiablage aus. [AO] Originalveröffentlichung: Dweck, H., Ebrahim, S. A. M., Farhan, A., Hansson, B. S., Stensmyr, M. C. (2015). Olfactory proxy detection of dietary antioxidants in Drosophila. Current Biology, 25(4), 455–466. PULS/CE 25 7 News | Newsletter Mai 2015 Mikrobielle Besiedelungsmaßnahmen Eisen ist wichtig für jeden Organismus. Bei Tieren und Menschen ist es vor allem für die Blutbildung und den Sauerstofftransport maßgeblich. Eisenionen beeinflussen aber auch die Gesamtheit aller Mikroben im Darm, das sogenannte Mikrobiom: Darmbakterien benötigen ausreichend Eisenionen, damit sie sich vermehren können. Wissenschaftler der Abteilung Bioorganische Chemie konnten jetzt nachweisen, dass Insekten aus der Familie der Eulenfalter in ihrem Darmgewebe eine Substanz bilden, eine aromatische Chinolincarbonsäure, die in der Lage ist, Eisenionen zu binden und so das Wachstum von Darmmikroben direkt zu kontrollieren. Die aktive Biosynthese eines Eisenchelators, einer Substanz, die Eisen bindet, ist jetzt erstmals in einem Insekt nachgewiesen worden. [AO] Originalveröffentlichung: Pesek, J., Svoboda, J., Sattler, M., Bartram, S., Boland, W. (2015). Biosynthesis of 8-hydroxyquinoline-2-carboxylic acid, an iron chelator from the gut of the lepidopteran Spodoptera littoralis. Organic & Biomolecular Chemistry, 13, 178-184. Noni-Frucht macht Fruchtfliegen fruchtbar Im Laufe der Evolution passen sich Tiere an verschiedenste Nahrungsquellen an – auch an giftige Pflanzen oder Früchte. Wissenschaftler der Abteilung Evolutionäre Neuroethologie haben jetzt herausgefunden, warum die Fruchtfliege Drosophila sechellia ausschließlich die giftigen Früchte des Noni-Baumes als Nahrungsquelle nutzt und für die Eiablage aufsucht. In den Fliegenweibchen ist ein Gen mutiert, das zu einer verminderten Produktion von Eiern führt. Den Fliegen fehlt lDOPA, eine Vorstufe des Hormons Dopamin, das die Fruchtbarkeit steuert. Die Noni-Frucht enthält große Mengen genau dieser Substanz. Nehmen die Fliegen l-DOPA mit ihrer Nahrung auf, können sie ihr genetisches Defizit ausgleichen und den Fortpflanzungserfolg deutlich verbessern. [AO] Originalveröffentlichung: Lavista Llanos, S., Svatoš, A., Kai, M., Riemensperger, T., Birman, S., Stensmyr, M. C., Hansson, B. S. (2014). Sofia Lavista Llanos untersucht die Dopamine drives Drosophila sechellia adaptation to its Früchte des Noni-Baums. toxic host. eLife 2014;3:e03785 Foto: Anna Schroll Vitamin-Lieferanten im Wanzendarm Die Europäische Feuerwanze und die Afrikanische Baumwollwanze ernähren sich überwiegend von Pflanzensamen, die keine ausreichende Versorgung von B-Vitaminen gewährleisten. Forscher der Max-Planck-Forschungsgruppe Insektensymbiose haben jetzt herausgefunden, dass symbiotische Bakterien im Darm der Insekten die fehlenden Vitamine produzieren und somit das Überleben der Wanzen sichern. Die VitaminVersorgung durch die Symbionten hat einen direkten Einfluss auf die Genregulation der Insekten: In Abwesenheit der bakteriellen Helfer leiden die Wanzen unter typischem Vitamin-Mangel. Allerdings verläuft die Symbiose wahrscheinlich nicht harmonisch: Die Wanzen ernten offenbar aktiv die Vitamine aus den Bakterien, indem sie mithilfe von speziellen Enzymen die bakteriellen Zellen aufbrechen. [AO] Feuerwanzen, wie die unter LindenOriginalveröffentlichung: bäumen häufig anzutreffende Europäi- Salem H, Bauer E, Strauss A, Vogel H, Marz M, Kalten- sche Feuerwanze Pyrrhocoris apterus, poth M. (2014) Vitamin supplementation by gut symbionts sichern ihre Vitamin-Versorgung durch ensures metabolic homeostasis in an insect host. Proc. of symbiotische Bakterien in ihrem Darm. the Royal Society B: Biological Sciences. 281, 20141838 Foto: Martin Kaltenpoth, MPI-CE PULS/CE 25 8 Newsletter Mai 2015 | News & Veranstaltungstipps Wie das Gehirn gute von schlechten Düften unterscheidet Die drei Hauptneuronentypen im lateralen Horn der Taufliege Drosophila melanogaster: Hemmende Projektionsneurone (grün) reagieren auf attraktive Düfte, übergeordnete Neurone des lateralen Horns (orange) reagieren auf abstoßende Düfte, erregende Projektionsneurone (magenta) übermitteln wahrscheinlich die Identität eines Geruchs. Image: Antonia Strutz, MPI-CE Ob ein Duft für ein Lebewesen angenehm oder widerlich ist, ist nicht nur eine Frage des Geschmacks. Oftmals hängt das Überleben davon ab, denn Düfte können wichtige Hinweise auf Futterquellen oder geeignete Paarungspartner geben, sie können aber auch Signale für tödliche Gefahren sein. Wissenschaftler der BMBF-Forschungsgruppe Olfaktorische Kodierung fanden heraus, dass bei Fruchtfliegen die Qualität und Intensität von Gerüchen im sogenannten lateralen Horn abgebildet werden. Sie erstellten eine räumliche Aktivitätskarte dieses Teils des Geruchsverarbeitungssystems im Fliegenhirn und konnten zeigen, dass es im lateralen Horn drei unterschiedliche Aktivitätsbereiche gibt, die at- traktiven oder abstoßenden Düften zugeordnet werden können, aber auch die Duftintensität abbilden. Die jeweiligen Zuordnungen haben unmittelbare Auswirkungen auf das Verhalten der Fliegen. Die Ergebnisse legen nahe, dass das laterale Horn eine ähnliche Funktion hat wie die Amygdala im Gehirn von Wirbeltieren, die ebenfalls eine entscheidende Rolle bei der Bewertung von Sinneseindrücken und Gefahren spielt. [AO] Originalveröffentlichung: Strutz, A., Soelter, J., Baschwitz, A., Farhan, A., Grabe, V., Rybak, J., Knaden, M., Schmuker, M., Hansson, B. S., Sachse, S. (2014). Decoding odor quality and intensity in the Drosophila brain. eLife 2014;4:e04147 Vielfalt in der Monokultur Spuren des flüchtigen Abwehrstoffs trans-αBergamoten (TAB) werden an einer Pflanze aufgefangen. Auch wenn er nur von einer einzigen Pflanze produziert wird, hat dies Auswirkungen auf alle benachbarten Pflanzen. Foto: Meredith Schuman, MPI chem. Ökol. / eLife In der modernen, maschinengerechten Landwirtschaft überwiegen Monokulturen. Auf großen Flächen wird nur ein einziger Genotyp einer Nutzpflanzenart angebaut. Verwendet werden Züchtungen, die auf hohe Erträge optimiert sind und oft nur wenige natürliche Pflanzenabwehrstoffe enthalten. Leider können großflächige Monokulturen mit identischen Pflanzen eine ökologische Wüste hinterlassen und das Ökosystem nachhaltig schädigen, insbesondere wenn flächendeckend Dünger und Pestizide verwendet werden müssen. Wissenschaftler der Abteilung Molekulare Ökolo- gie konnten in Freilandexperimenten mit dem Kojotentabak Nicotiana attenuata nachweisen, dass es ausreicht, in einzelnen Pflanzen die Aktivität bestimmter Abwehrgene zu verändern, um die Population zu schützen und die Vielfalt im gesamten Ökosystem zu beeinflussen. [AO] Originalveröffentlichung: Schuman, M. C., Allmann, S., Baldwin, I. T. (2015). Plant defense phenotypes determine the consequences of volatile emission for individuals and neighbors. eLife 2015;4:e04490 Am Freitag, den 12. Juni 2015, wird das Max-Planck-Institut für chemische Ökologie erstmals Gastgeber der renommierten Reimar-Lüst-Vorlesung sein. Pieter Dorrestein (Foto links) von der University of California in San Diego wird zum Thema „Social and Predictive Computing to Map Our Hidden Molecular World by Mass Spectrometry“ sprechen. Die Veranstaltung, die um 15 Uhr im Hörsaal des Abbe-Zentrum Beutenberg beginnt, findet zu Ehren des Astrophysikers, Wissenschaftsmanagers und ehemaligen Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft Reimar Lüst statt, der selbst anwesend sein wird. www.ice.mpg.de Impressum: PULS/CE erscheint zweimal jährlich auf der Homepage des MPI für chemische Ökologie und kann auch kostenlos abonniert werden. Die Verteilung erfolgt elektronisch als PDF, auf Wunsch werden gedruckte Exemplare verschickt. Herausgeber: MPI-CE, Jena. Geschäftsführender Direktor: Prof. Dr. David G. Heckel (viSdP). Redaktion: Dr. Jan-W. Kellmann, Forschungskoordination • Angela Overmeyer M.A., Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ISSN: 2191-7507 (Print), 2191-7639 (Online)
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