Ausgabe 25 Mai 2015 - Max Planck Institute for Chemical Ecology

PULS/CE 25
Foto: Ian Keesey
Public Understanding of Life Sciences / Chemical Ecology
Newsletter Mai 2015
Blattduftstoff lockt Kirschessigfliegen an
Die Kirschessigfliege Drosophila suzukii legt ihre Eier in frisches, noch nicht
geerntetes Obst. Wissenschaftler haben jetzt einen Blattduftstoff identifiziert,
der für Kirschessigfliegen besonders attraktiv ist. Beta-Cyclocitral lockt nur die
Kirschessigfliege, aber keine anderen verwandten Taufliegenarten an … S. 3
Kartoffelkäfer mit RNA-Interferenz bekämpfen
Kartoffelpflanzen können durch RNA-Interferenz (RNAi) vor Kartoffelkäfern geschützt werden. Dazu werden die Pflanzen so verändert, dass sie doppelsträngige
RNA-Moleküle (dsRNAs) in ihren Chloroplasten herstellen, die gegen Gene des
Kartoffelkäfers gerichtet sind ... S. 4
Essenskanäle für Bakterien
Dass Bakterien sich bei Nährstoffmangel gegenseitig aushelfen ist schon länger
bekannt. Wie dieser Nährstoffaustausch praktisch aussehen kann, haben Forscher
jetzt herausgefunden: Manche Bakterien bilden Nanokanäle zwischen einzelnen
Zellen aus, die den direkten Austausch von Nährstoffen ermöglichen … S. 5
PULS/CE 25
2
Newsletter Mai 2015 | Editorial
Lösungsorientierte
Grundlagenforschung
Liebe Leserinnen und Leser!
Im Oktober 2014 erreichte uns eine besorgte
Anfrage des Landratsamtes Heilbronn. Dort war
man über einen Fernsehbericht auf unser Institut,
insbesondere auf die Erforschung der Geruchswahrnehmung von Drosophila-Arten, aufmerksam geworden. Die große Sorge galt der Kirschessigfliege Drosophila suzukii, einer Taufliegenart,
die erst seit wenigen Jahren in unseren Breiten
anzutreffen ist.
Anders als ihre harmlose, aber lästige Verwandte, die Schwarzbäuchige Taufliege Drosophila
melanogaster, einer der am besten untersuchten
Organismen überhaupt, ist die Suzukii-Fliege ein
gefährlicher Schädling, denn sie hat sich auf reifende rote Früchte spezialisiert, noch bevor diese
geerntet werden. Betroffen sind neben Kirschen,
Himbeeren, Brombeeren auch rote Weintrauben.
Gerade im Weinbau ist man daher alarmiert,
mussten doch im vergangenen Jahr erstmals
Insektizide gegen den Neuschädling eingesetzt
werden.
Trauben der Weinsorte Dornfelder
(oben). Männliche Kirschessigfliege
(unten). Der Schädling, der neben
roten Früchten auch rote Weintrauben befällt, ist zu einer Bedrohung im
deutschen Weinbau geworden. Fotos:
Wikipedia (oben); Ian Keesey (unten).
Von unserem Institut wollte man nun wissen, mit
welcher Köderflüssigkeit die Kirschessigfliege
am besten gefangen werden könne. Im Februar
konnten Ian Keesey und seine Kollegen aus der
Abteilung Evolutionäre Neuroethologie in einer
Publikation im Journal of Chemical Ecology erstmals davon berichten, welcher Duft für Drosophila suzukii besonders attraktiv ist (siehe Research
Highlight, S. 3).
Unsere Pressemeldung, dass der Blattduftstoff
Beta-Cyclocitral die Kirschessigfliege anlockt,
wurde daher insbesondere von Obst- und Weinbauern mit großem Interesse aufgenommen. Die
Betroffenen machten aus ihrer Verzweiflung über
die Bedrohung durch den Schädling keinen Hehl.
Einigen Winzern konnte Beta-Cyclocitral für die
Verbesserung der Fangquoten in ihren Fliegenfallen zur Verfügung gestellt werden.
Nicht vergessen darf man bei all dem öffentlichen
Interesse an einer effektiveren Bekämpfung des
Schädlings, dass unsere Wissenschaftler Grundlagenforschung betreiben. Noch interessanter
als die Identifizierung eines Lockstoffes für die
Kirschessigfliege war für sie die Entdeckung,
dass sich ein bestimmter Rezeptor in Drosophila
suzukii so verändert hat, dass sie anstelle des für
Drosophila melanogaster so wichtigen Futterduftes Ethyl-Hexanoat Beta-Cyclocitral wahrnimmt.
Diese „Feinabstimmung“ des Geruchssystems
auf den Duft einer anderen Futterquelle ist für die
Wissenschaftler der Abteilung Evolutionäre Neuroetholgie besonders interessant, daher planen
sie jetzt ähnliche Untersuchungen mit anderen
verwandten Drosophila-Arten, die sich ebenfalls
auf andere Nahrungsquellen spezialisiert haben.
Aber auch die Forschung am Schädling Kirschessigfliege soll weitergeführt werden, nicht zuletzt wegen des zunehmenden Leidensdrucks bei
den Obstbauern.
Angela Overmeyer
PULS/CE
22
3
PULS/CE 253
Research Highlight | Newsletter Mai 2015
Blattduftstoff lockt Kirschessigfliegen an
Die 2014 in Deutschland erstmals verstärkt aufgetretene Kirschessigfliege Drosophila suzukii
legt ihre Eier in frisches, noch nicht geerntetes
Obst. Befallene Früchte sind oftmals zusätzlich
noch mit Bakterien und Pilzen infiziert und somit
für den Verkauf oder eine Weiterverarbeitung ungeeignet. Eine wirksame Bekämpfung des Schädlings ist bislang nur mit Insektiziden möglich. Forscher der Abteilung Evolutionäre Neuroethologie
haben jetzt einen Blattduftstoff identifiziert, der
für Kirschessigfliegen besonders attraktiv ist:
Beta-Cyclocitral lockt nur die Kirschessigfliege,
aber keine anderen verwandten Taufliegenarten
an. Die Forscher konnten zeigen, dass die Vorliebe des Insekts für diesen Blattduft physiologisch
mit einer erhöhten Antwortstärke bestimmter
Geruchssinneshaare auf der Antenne einhergeht
Ungewöhnlich ist, dass die Kirschessigfliege zwar
von Blattgewebe angelockt wird, ihre Eier aber
dennoch in reifende Früchte legt. Die Weibchen
nutzen dabei ihren auffallend langen, mit kleinen
Sägezähnen versehenen Eiablageapparat, um
die Haut der Früchte und Beeren aufzuritzen und
ihre Eier hineinzulegen. „Drosophila suzukii könnte eine Art evolutionäre Brücke zwischen den
Drosophila-Arten sein, die entweder auf Früchte
oder Blätter spezialisiert sind“, meint Ian Keesey,
der Erstautor der Studie. Reifende Früchte und
Beeren sind meist von Blättern umgeben. Durch
den Blattduft angelockt kommen Kirschessigfliegen automatisch in die Nähe der Früchte, wobei
wahrscheinlich visuelle Reize dazu beitragen, die
Früchte im grünen Blätterdach aufzufinden.
Durch ihre Untersuchungen wollen die Wissenschaftler herausfinden, wie und warum sich die
Kirschessigfliege auf reifende Früchte spezialisiert und ihre Duftsensibilität entsprechend verändert hat. Die Forschungsergebnisse sollen auch
dabei helfen, wirksamere Fallen zu entwickeln,
um das Monitoring zu vereinfachen und der Plage
besser Herr zu werden. [AO]
Oben: Ian Keesey injiziert flüchtige
Substanzen aus einer Duftsammlung
pflanzlicher Gewebeproben in ein
GC-MS zwecks Trennung, Analyse und
Identifizierung. Foto: Anna Schroll
Unten rechts: Männchen einer
Kirschessigfliege (Drosophila suzukii).
Von vielen nahe verwandten Arten unterscheiden sich die Männchen durch
die dunklen Flecken an der Spitze der
Flügel. Foto: Ian Keesey, MPI-CE
Originalveröffentlichung:
Keesey, I., Knaden, M., Hansson, B.
S. (2015). Olfactory specialization in
Drosophila suzukii supports an ecological shift in host preference from rotten
to fresh fruit. Journal of Chemical
Ecology, 41( 2), 121-128
PULS/CE 25
4
Newsletter Mai 2015 | Research Highlight
Kartoffelkäfer mit RNAInterferenz bekämpfen
Oben: Der Kartoffelkäfer (Leptinotarsa
decemlineata): Jede seiner Larven
frisst im Durchschnitt 40 bis 50 cm 2
Blattmaterial. Unten rechts: Fütterungsexperiment mit abgetrennten
Kartoffelblättern: Dargestellt sind
Wildtyp-Blätter im Vergleich mit Blättern einer Pflanze, bei der die DNA der
Chloroplasten verändert wurde. Auf
diesen Blättern, die täglich durch neue
ersetzt wurden, hatten Käferlarven
an drei aufeinanderfolgenden Tagen
jeweils 24 Stunden lang gefressen.
Fotos: Sher Afzal Khan, MPI-CE.
Originalveröffentlichung:
Zhang, J., Khan, S. A., Heckel, D. G.,
Bock, R. (2015). Full crop protection
from an insect pest by expression of
long double-stranded RNAs in plastids. Science, 347 (6225), 991-994.
RNA-Interferenz (RNAi) ist ein natürlicher Prozess
der Genregulation. Bei einer Infektion schleusen
die Erreger ihre Erbsubstanz in Form von doppelsträngiger RNA (dsRNA) in die Zellen ihres Wirts
ein, um sich dort zu vermehren. Bei der Vervielfältigung der viralen RNA in der Zelle wird diese
durch das RNAi-System erkannt und in kleinere
Stücke zerlegt. Die Bruchstücke, sogenannte
siRNAs (small interfering RNAs), nutzt die Zelle für
die Erkennung und Zerstörung der fremden RNA.
Dieser Mechanismus lässt sich auch künstlich
nutzen, indem man dsRNAs in eine Zelle einbringt,
die genau zur Boten-RNA (mRNA) eines Zielgens
passt. Wählt man als Ziel ein lebenswichtiges
Gen eines Schädlings, so wird aus der dsRNA ein
sehr präzises und wirkungsvolles Insektizid. Die
dsRNAs gelangen über das Verdauungssystem in
die Zellen des Insekts und können dort die Produktion des entsprechenden Proteins verringern
oder sogar vollständig blockieren. Forscher um
Ralph Bock vom Max-Planck-Institut für Mole-
kulare Pflanzenphysiologie stellten mit Hilfe der
Chloroplastentransformation Kartoffelpflanzen
her, die große Mengen langer dsRNAs stabil in
den Chloroplasten anreichern. Als Zielorganismus
für die dsRNA wählten die Wissenschaftler den
Kartoffelkäfer aus, einen weltweit gefürchteten
Ernteschädling. Am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena wurde die Wirksamkeit
von dsRNA als Insektizid überprüft. „Fressen
Larven Kartoffelblätter, deren dsRNA gegen das
Aktin-Gen des Käfers gerichtet ist, sterben sie
innerhalb von fünf Tagen zu 100 Prozent“, erklärt
Sher Afzal Khan aus der Abteilung Entomologie.
Die Ergebnisse zeigen, dass der Wechsel von der
Transformation des Kerngenoms zur Transformation des Chloroplastengenoms die bisher bestehenden Hürden beim Einsatz von RNAi im Pflanzenschutz überwindet. Da Insekten zunehmend
Resistenzen gegenüber chemischen Pestiziden
und auch biologischen Mitteln wie Bt-Toxinen
entwickeln, stellt die RNAi-Technologie eine zukunftsweisende Strategie in der Schädlingsbekämpfung dar. Die Methode ermöglicht gezielten
Schutz ohne Chemikalien und ohne die Produktion
fremder Proteine in der Pflanze.
Kathleen Dahncke, MPI-MP, Golm
PULS/CE
22
5
PULS/CE 25
Research Highlight | Newsletter Mai 2015
Dass Bakterien sich bei Nährstoffmangel gegenseitig aushelfen ist schon länger bekannt. Wie
dieser Nährstoffaustausch praktisch aussehen
kann, haben jetzt Wissenschaftler der von der
Volkwagen-Stiftung geförderten Forschungsgruppe „Experimentelle Ökologie und Evolution“
herausgefunden. Sie entdeckten, dass manche
Bakterien Nanokanäle zwischen einzelnen Zellen
ausbilden, die den direkten Austausch von Nährstoffen ermöglichen. Bakterien leben zumeist in
artenreichen Gemeinschaften, in denen häufig
Nährstoffe und andere Stoffwechselprodukte
ausgetauscht werden. Es war bislang unklar, ob
Mikroorganismen diese Substanzen ausschließlich über die Umwelt austauschen oder ob sie
dafür direkte Verbindungen zwischen den Zellen
benutzen. Die Forscher um Christian Kost schalteten bakterielle Gene aus, sodass die Bakterien
manche Aminosäuren nicht mehr produzieren
konnten, andere wiederum in erhöhtem Maße
herstellten. Für ihre Experimente nutzten sie das
Bodenbakterium Acinetobacter baylyi, sowie den
Darmkeim Escherichia coli. Wuchsen die so veränderten Bakterien zusammen, konnten sie sich
gegenseitig ernähren, um so den experimentell
erzeugten Aminosäuremangel wieder auszugleichen. Wurden die Bakterien allerdings durch
einen Filter getrennt, der Aminosäuren im Nährmedium zwar durchließ, einen direkten Austausch
zwischen den beiden Bakterienstämmen jedoch
verhinderte, konnte keiner der Stämme wachsen.
„Dies zeigte uns, dass offenbar ein direkter Kontakt zwischen den Zellen notwendig ist, um die
Nährstoffe auszutauschen“, erläutert Samay Pande, der im Rahmen seiner Doktorarbeit an diesem
Projekt forschte und inzwischen wissenschaftlicher Mitarbeiter der ETH Zürich ist. Im Elektronenmikroskop konnten die Wissenschaftler
beobachten, dass sich zwischen beiden Bakterienarten Nanokanäle bildeten, die den Austausch
von Nährstoffen ermöglichten.
Essenskanäle für Bakterien
Auffallend war dabei, dass nur das Darmbakterium Escherichia coli solche Strukturen nutzte, um
sich mit Acinetobacter baylyi-Zellen zu verbinden.
„Die spannendste Frage bleibt für mich, ob es sich
bei Bakterien um einzellige, relativ einfach strukturierte Organismen handelt, oder ob wir es mit
einer anderen Form der Vielzelligkeit zu tun haben. Bakterien könnten ihre Komplexität dadurch
steigern, dass sie sich mit anderen Bakterien verbinden und so ihre Fähigkeiten kombinieren“, sagt
Christian Kost. Seine Arbeitsgruppe widmet sich
der zentralen Frage, warum Lebewesen miteinander kooperieren. Bakterielle Lebensgemeinschaften als experimentelle Modellsysteme sollen
dabei helfen zu verstehen, warum sich bei vielen
Lebewesen im Laufe der Evolution ein kooperativer Lebensstil durchgesetzt hat. [AO/CK]
Lisa Freund, Christian Kost, Shradda
Shitut und (per Skype) Samay Pande.
Die Forschungsgruppe Experimentelle
Ökologie und Evolution wird von der
Volkswagen-Stiftung gefördert. Foto:
Glen D‘Souza, MPI-CE
Elektronenmikroskopische Aufnahme
gentechnisch veränderter Bakterienstämme der Arten Escherichia
coli und Acinetobacter baylyi, die
Aminosäuren über Nanokanäle
Originalveröffentlichung:
(schlauchähnliche Verbindungen
Pande, S., Shitut, S., Freund, L., Westermann, M., Bertels,
zwischen Zellen) austauschen. Bild:
F., Colesie, C., Bischofs, I. B., Kost, C. (2015). Metabolic
Martin Westermann, Elektronenmik-
cross-feeding via intercellular nanotubes among bacte-
roskopisches Zentrum am Klinikum der
ria. Nature Communications, 6: 6238.
Friedrich-Schiller-Universität Jena
PULS/CE 25
6
Newsletter Mai 2015 | News
Thüringer Forschungspreis 2014 für Grundlagenforschung an
Martin Kaltenpoth verliehen
Preisträger Martin Kaltenpoth mit
Minister Wolfgang Tiefensee sowie
dem Laudator Axel Brakhage, Direktor
des Leibniz-Instituts für NaturstoffForschung und Infektionsbiologie.
Foto: Angela Overmeyer, MPI-CE
Der Freistaat Thüringen hat den Leiter der MaxPlanck-Forschungsgruppe Insektensymbiosen,
Martin Kaltenpoth, für seine herausragende Leistung mit dem Thüringer Forschungspreis 2014 in
der Kategorie Grundlagenforschung ausgezeichnet. Die Verleihung durch den Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft,
Wolfgang Tiefensee, erfolgte am 9. März 2015 in
einer feierlichen Zeremonie im Leibniz-Institut für
Phontonische Technologien in Jena. Martin Kaltenpoth erforscht Symbiosen zwischen Insekten
und Bakterien. Dabei gelang ihm unter anderem
der Nachweis von antibiotisch wirksamen Substanzen, die in den Antennen und auf dem Kokon
von Bienenwölfen von symbiontischen Bakterien
produziert werden. Die Insekten nutzen diese Antibiotika, um ihren Nachwuchs vor schädlichen
Erregern zu schützen. „Mich fasziniert, wie zwei
völlig verschiedene Organismen eine beiderseitig
vorteilhafte Symbiose eingehen und über lange
Zeiträume beibehalten. Das ist ein erstaunliches Phänomen“, sagt Martin Kaltenpoth. Seine
Forschung trägt wesentlich zum Verständnis der
Evolution solcher „Schutzsymbiosen“ in der Natur bei. Die Entdeckung und Identifizierung neuer
antibiotischer Wirkstoffe in der Natur und deren
Wirksamkeit über lange evolutionäre Zeiträume
hinweg ist angesichts der zunehmenden Resistenzen gegen herkömmliche Antibiotika auch für
die Humanmedizin von großem Interesse. [AO]
Ian Baldwin mit dem Jean-Marie Delwart Award 2014 ausgezeichnet
Für seine wegweisenden Forschungsarbeiten zur
Pflanzenkommunikation und zu pflanzlichen Verteidigungsmechanismen erhielt Ian T. Baldwin
zusammen mit dem Pflanzenmolekularbiologen
Edward Farmer den Jean-Marie Delwart Award
2014. Die internationale Auszeichnung, die mit
10000 US Dollar dotiert ist, wird von der JeanMarie Delwart-Stiftung vergeben und steht unter
dem Patronat der Académie Royale des Sciences
de Belgique. [AO]
http://www.fondationjeanmariedelwart.org
Ian T. Baldwin. Foto: eLife
Nichts riecht gut ohne Grund
Essigfliegen (Drosophila melanogaster) auf einer überreifen Kirsche.
Foto: Anna Schroll
Antioxidantien sind natürliche Nahrungsinhaltsstoffe, die Körperzellen vor gefährlichen Einflüssen schützen. Ihre Aufgabe ist es insbesondere,
sogenannte freie Radikale zu neutralisieren, die
meist durch Oxidation entstehen und für die Degeneration von Zellen verantwortlich gemacht
werden. Wissenschaftler der Abteilung Evolutionäre Neuroethologie konnten zeigen, dass Essigfliegen die Anwesenheit dieser Schutzstoffe riechen und aufspüren können. Düfte, die durch den
mikrobiellen Abbau dieser Nahrungsinhaltstoffe
entstehen, locken die Fliegen an, steigern ihren
Appetit und lösen bei den Weibchen die Eiablage
aus. [AO]
Originalveröffentlichung:
Dweck, H., Ebrahim, S. A. M., Farhan, A., Hansson, B.
S., Stensmyr, M. C. (2015). Olfactory proxy detection of
dietary antioxidants in Drosophila. Current Biology, 25(4),
455–466.
PULS/CE 25
7
News | Newsletter Mai 2015
Mikrobielle Besiedelungsmaßnahmen
Eisen ist wichtig für jeden Organismus. Bei Tieren
und Menschen ist es vor allem für die Blutbildung
und den Sauerstofftransport maßgeblich. Eisenionen beeinflussen aber auch die Gesamtheit aller
Mikroben im Darm, das sogenannte Mikrobiom:
Darmbakterien benötigen ausreichend Eisenionen, damit sie sich vermehren können. Wissenschaftler der Abteilung Bioorganische Chemie
konnten jetzt nachweisen, dass Insekten aus der
Familie der Eulenfalter in ihrem Darmgewebe eine
Substanz bilden, eine aromatische Chinolincarbonsäure, die in der Lage ist, Eisenionen zu binden und so das Wachstum von Darmmikroben direkt zu kontrollieren. Die aktive Biosynthese eines
Eisenchelators, einer Substanz, die Eisen bindet,
ist jetzt erstmals in einem Insekt nachgewiesen
worden. [AO]
Originalveröffentlichung:
Pesek, J., Svoboda, J., Sattler, M.,
Bartram, S., Boland, W. (2015). Biosynthesis of 8-hydroxyquinoline-2-carboxylic acid, an iron chelator from the
gut of the lepidopteran Spodoptera
littoralis. Organic & Biomolecular
Chemistry, 13, 178-184.
Noni-Frucht macht Fruchtfliegen fruchtbar
Im Laufe der Evolution passen sich Tiere an verschiedenste Nahrungsquellen an – auch an giftige
Pflanzen oder Früchte. Wissenschaftler der Abteilung Evolutionäre Neuroethologie haben jetzt herausgefunden, warum die Fruchtfliege Drosophila
sechellia ausschließlich die giftigen Früchte des
Noni-Baumes als Nahrungsquelle nutzt und für
die Eiablage aufsucht. In den Fliegenweibchen
ist ein Gen mutiert, das zu einer verminderten
Produktion von Eiern führt. Den Fliegen fehlt lDOPA, eine Vorstufe des Hormons Dopamin, das
die Fruchtbarkeit steuert. Die Noni-Frucht enthält
große Mengen genau dieser Substanz. Nehmen
die Fliegen l-DOPA mit ihrer Nahrung auf, können
sie ihr genetisches Defizit ausgleichen und den
Fortpflanzungserfolg deutlich verbessern. [AO]
Originalveröffentlichung:
Lavista Llanos, S., Svatoš, A., Kai, M., Riemensperger,
T., Birman, S., Stensmyr, M. C., Hansson, B. S. (2014).
Sofia Lavista Llanos untersucht die
Dopamine drives Drosophila sechellia adaptation to its
Früchte des Noni-Baums.
toxic host. eLife 2014;3:e03785
Foto: Anna Schroll
Vitamin-Lieferanten im Wanzendarm
Die Europäische Feuerwanze und die Afrikanische
Baumwollwanze ernähren sich überwiegend von
Pflanzensamen, die keine ausreichende Versorgung von B-Vitaminen gewährleisten. Forscher
der Max-Planck-Forschungsgruppe Insektensymbiose haben jetzt herausgefunden, dass
symbiotische Bakterien im Darm der Insekten
die fehlenden Vitamine produzieren und somit
das Überleben der Wanzen sichern. Die VitaminVersorgung durch die Symbionten hat einen direkten Einfluss auf die Genregulation der Insekten:
In Abwesenheit der bakteriellen Helfer leiden
die Wanzen unter typischem Vitamin-Mangel.
Allerdings verläuft die Symbiose wahrscheinlich
nicht harmonisch: Die Wanzen ernten offenbar
aktiv die Vitamine aus den Bakterien, indem sie
mithilfe von speziellen Enzymen die bakteriellen
Zellen aufbrechen. [AO]
Feuerwanzen, wie die unter LindenOriginalveröffentlichung:
bäumen häufig anzutreffende Europäi-
Salem H, Bauer E, Strauss A, Vogel H, Marz M, Kalten-
sche Feuerwanze Pyrrhocoris apterus,
poth M. (2014) Vitamin supplementation by gut symbionts
sichern ihre Vitamin-Versorgung durch
ensures metabolic homeostasis in an insect host. Proc. of
symbiotische Bakterien in ihrem Darm.
the Royal Society B: Biological Sciences. 281, 20141838
Foto: Martin Kaltenpoth, MPI-CE
PULS/CE 25
8
Newsletter Mai 2015 | News & Veranstaltungstipps
Wie das Gehirn gute von schlechten Düften unterscheidet
Die drei Hauptneuronentypen im
lateralen Horn der Taufliege Drosophila
melanogaster: Hemmende Projektionsneurone (grün) reagieren auf attraktive
Düfte, übergeordnete Neurone des
lateralen Horns (orange) reagieren auf
abstoßende Düfte, erregende Projektionsneurone (magenta) übermitteln
wahrscheinlich die Identität eines Geruchs. Image: Antonia Strutz, MPI-CE
Ob ein Duft für ein Lebewesen angenehm oder
widerlich ist, ist nicht nur eine Frage des Geschmacks. Oftmals hängt das Überleben davon
ab, denn Düfte können wichtige Hinweise auf
Futterquellen oder geeignete Paarungspartner
geben, sie können aber auch Signale für tödliche
Gefahren sein. Wissenschaftler der BMBF-Forschungsgruppe Olfaktorische Kodierung fanden
heraus, dass bei Fruchtfliegen die Qualität und
Intensität von Gerüchen im sogenannten lateralen Horn abgebildet werden. Sie erstellten eine
räumliche Aktivitätskarte dieses Teils des Geruchsverarbeitungssystems im Fliegenhirn und
konnten zeigen, dass es im lateralen Horn drei
unterschiedliche Aktivitätsbereiche gibt, die at-
traktiven oder abstoßenden Düften zugeordnet
werden können, aber auch die Duftintensität
abbilden. Die jeweiligen Zuordnungen haben unmittelbare Auswirkungen auf das Verhalten der
Fliegen. Die Ergebnisse legen nahe, dass das
laterale Horn eine ähnliche Funktion hat wie die
Amygdala im Gehirn von Wirbeltieren, die ebenfalls eine entscheidende Rolle bei der Bewertung
von Sinneseindrücken und Gefahren spielt. [AO]
Originalveröffentlichung:
Strutz, A., Soelter, J., Baschwitz, A., Farhan, A., Grabe,
V., Rybak, J., Knaden, M., Schmuker, M., Hansson, B. S.,
Sachse, S. (2014). Decoding odor quality and intensity in
the Drosophila brain. eLife 2014;4:e04147
Vielfalt in der Monokultur
Spuren des flüchtigen Abwehrstoffs trans-αBergamoten (TAB) werden an einer Pflanze aufgefangen. Auch wenn er nur von einer einzigen
Pflanze produziert wird, hat dies Auswirkungen
auf alle benachbarten Pflanzen. Foto: Meredith
Schuman, MPI chem. Ökol. / eLife
In der modernen, maschinengerechten Landwirtschaft überwiegen Monokulturen. Auf großen
Flächen wird nur ein einziger Genotyp einer Nutzpflanzenart angebaut. Verwendet werden Züchtungen, die auf hohe Erträge optimiert sind und oft
nur wenige natürliche Pflanzenabwehrstoffe enthalten. Leider können großflächige Monokulturen
mit identischen Pflanzen eine ökologische Wüste hinterlassen und das Ökosystem nachhaltig
schädigen, insbesondere wenn flächendeckend
Dünger und Pestizide verwendet werden müssen.
Wissenschaftler der Abteilung Molekulare Ökolo-
gie konnten in Freilandexperimenten mit dem Kojotentabak Nicotiana attenuata nachweisen, dass
es ausreicht, in einzelnen Pflanzen die Aktivität
bestimmter Abwehrgene zu verändern, um die
Population zu schützen und die Vielfalt im gesamten Ökosystem zu beeinflussen. [AO]
Originalveröffentlichung:
Schuman, M. C., Allmann, S., Baldwin, I. T. (2015). Plant
defense phenotypes determine the consequences of
volatile emission for individuals and neighbors. eLife
2015;4:e04490
Am Freitag, den 12. Juni 2015, wird das Max-Planck-Institut für chemische Ökologie erstmals Gastgeber der renommierten Reimar-Lüst-Vorlesung sein. Pieter Dorrestein (Foto links) von der University of California in San Diego wird zum Thema „Social and Predictive Computing to Map Our Hidden
Molecular World by Mass Spectrometry“ sprechen. Die Veranstaltung, die um 15 Uhr im Hörsaal des
Abbe-Zentrum Beutenberg beginnt, findet zu Ehren des Astrophysikers, Wissenschaftsmanagers und
ehemaligen Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft Reimar Lüst statt, der selbst anwesend sein wird.
www.ice.mpg.de
Impressum: PULS/CE erscheint zweimal jährlich auf der Homepage des MPI für chemische Ökologie und kann auch kostenlos
abonniert werden. Die Verteilung erfolgt elektronisch als PDF, auf Wunsch werden gedruckte Exemplare verschickt.
Herausgeber: MPI-CE, Jena. Geschäftsführender Direktor: Prof. Dr. David G. Heckel (viSdP).
Redaktion: Dr. Jan-W. Kellmann, Forschungskoordination • Angela Overmeyer M.A., Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
ISSN: 2191-7507 (Print), 2191-7639 (Online)