Kanton Bern Strafanzeigen Straftaten gegen Mitarbeitende der kantonalen Verwaltung und gegen Mitglieder von Behörden Gesetzliche Grundlagen: • Strafbare Handlungen Strafgesetzbuch (StGB; SR1 311.0) • Verfahrensablauf Strafprozessordnung (StPO; SR 312.0) • Anzeigepflicht, Anzeigerecht Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung, zur Strafprozessordnung und zur Jugendstrafprozessordnung (EG ZSJ, BSG 271.1) Unterscheidung der strafbaren Handlungen: • Antragsdelikte: Die Straftat wird nur verfolgt, wenn die geschädigte Person einen Strafantrag stellt, d.h. ausdrücklich verlangt, dass die Strafverfolgungsbehörden aktiv werden. Der Gesetzestext enthält den Vermerk auf Antrag. Der Strafantrag kann nach dem Einreichen wieder zurückgezogen werden. Die Frist zur Einreichung eines Strafantrags beträgt 3 Monate. Sie beginnt mit dem Tag, an dem der antragsberechtigten Person der Täter bekannt wird. Beispiele: Drohung (Art. 180 StGB), üble Nachrede (Art. 173 StGB), Beschimpfung (Art. 177 StGB), einfache Körperverletzung (Art. 123 StGB), Tätlichkeit (Art. 126 StGB). • Offizialdelikte: Die Straftat wird von Amtes wegen verfolgt, sobald die Strafverfolgungsbehörden davon Kenntnis erhalten haben (z.B. durch Strafanzeige, eigene Feststellung, nach einer Intervention der Polizei). Das Verfahren kann durch den Anzeiger nicht mehr gestoppt werden. Beispiele: Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (Art. 285 StGB), Nötigung (Art. 181 StGB), schwere Körperverletzung (Art. 122 StGB). Beteiligung am Verfahren: Bei beiden Varianten kann sich die geschädigte Person aktiv als Partei am Verfahren beteiligen und Parteirechte ausüben (sogenannte Privatklage). Oder aber sie kann die Strafverfolgung den Behörden überlassen und sich nicht weiter daran beteiligen. Anzeigepflicht / Anzeigerecht Für Behörden und Angestellte des Kantons Bern besteht eine Anzeigepflicht, wenn sie in ihrer amtlichen Tätigkeit konkrete Verdachtsgründe für 1 SR: Systematische Rechtssammlung des Bundes Kanton Bern ein von Amtes wegen zu verfolgendes Verbrechen erlangen (Art. 48 EG ZSJ). Spezialgesetze können von der Anzeigepflicht befreien. Daneben gibt es ein allgemeines Recht Straftaten anzuzeigen (Art. 301 Abs. 1 StPO). Das Amtsgeheimnis steht dem Anzeigerecht nicht entgegen, besondere Geheimhaltungspflichten müssen jedoch beachtet werden. Weitere Hinweise dazu siehe im Kapitel D. 2 des „Handbuchs Informationsaustausch unter Behörden“ Ablauf des Strafverfahrens: • Die Polizei klärt den Sachverhalt ab und befragt dabei in der Regel die geschädigte Person. • Die Staatsanwaltschaft leitet das Verfahren, erlässt einen Strafbefehl, sofern die Voraussetzungen dafür gegeben sind (leichtere bis mittelschwere Fälle), oder überweist das Verfahren an das urteilende Gericht. • Das Strafgericht führt eine Hauptverhandlung durch, an der in der Regel auch die geschädigte Person befragt wird. Das Strafgericht fällt ein Strafurteil, das mit Berufung an das Obergericht des Kantons Bern weitergezogen werden kann. Strafanzeige bzw. Strafantrag: ja oder nein? • Für Antragsdelikte liegt der Entscheid bei Ihnen selbst, wenn Sie geschädigte Person sind. Besondere Geheimhaltungspflichten, wie sie z.B. für die Sozialhilfebehörden und die Steuerverwaltung gelten, sind zu beachten. Nötigenfalls ist bei der zuständigen Stelle eine Befreiung davon zu beantragen. • Bei Offizialdelikten können alle Person, die davon Kenntnis erhalten haben, eine Strafanzeige einreichen, auch wenn sie nicht selbst betroffen sind. Als geschädigte Person können Sie solche Delikte deshalb selbst anzeigen. Es ist aber auch möglich, dass Ihre Behörde eine Strafanzeige einreicht, was Ihnen die Verantwortung abnimmt. Besprechen Sie die Situation mit Kolleginnen, Kollegen und Vorgesetzten und lassen Sie sich vom Rechtsdienst Ihrer Organisationseinheit beraten. Nehmen Sie allenfalls Kontakt auf mit der Fachstelle Drohung & Gewalt der Kantonspolizei, Telefon 031 638 66 60) • Eine Strafanzeige ist ein klares Signal: Halt, so nicht! • Ein Strafverfahren macht Eindruck auf die Täterschaft und wirkt präventiv. Kanton Bern • Den Verzicht auf eine Strafanzeige kann die Täterschaft so verstehen, dass ihr Verhalten toleriert wird und sie darin bestärken, in dieser Art weiterzufahren. • Repressionen der Täterschaft als Reaktion auf eine Strafanzeige können nicht ausgeschlossen werden, sind aber selten. • Sie können selbst zur Verbesserung Ihrer Sicherheit beitragen, indem Sie überprüfen, welche privaten Informationen von Ihnen auf öffentlich zugänglichen Quellen verfügbar sind (soziale Medien, Telefonnummern, Fahrzeugnummer u.Ä.). Sie können diese löschen oder unterdrücken lassen.
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