Schön, wild und gestaltet

WWW.BIOTERRA.CH
NATURGARTEN
Ein Spezial von Bioterra Schweiz – Natur- und Biogarten
RNATUEN
GART T
SEI
1985
BILD: BENEDIKT DITTLI, SALAMANDER-GARTEN
Schön,
wild und
gestaltet
Blühende Wildpflanzen und die Freude an der reichen Tierwelt im eigenen
Garten oder auf dem Balkon rücken das naturnahe Gärtnern in den
Fokus. Unser Spezialblatt «Naturgarten» ist eine Inspiration, wie man im
Kleinen schöne, wilde und gestaltete Gartenräume schaffen kann.
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Reiche Flora und natürliche
Lebensräume für Tiere
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Stiftung Natur & Wirtschaft:
Millionen Quadratmeter Natur
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Was macht einen Garten zum
Naturgarten?
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Bioterra
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Biodiversität in einem
dynamischen Raum
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Die Gestaltung eines kleinen
naturnahen Gartens
BILD: WINKLER & RICHARD
Wie die Natur in den Siedlungsraum findet
BILD: BEATRIX MÜHLETHALER
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BILD: WINKLER & RICHARD
INHALT
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Die wichtigen Elemente eines
Naturgartens
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BIOTERRA NATURGARTEN
THEMA
BILD: STEFAN WALTER
EDITORIAL
NATUR IM DICHTEN SIEDLUNGSRAUM
Jeder Mauer ihr
Blümchen!
Wie vor 30 Jahren ist die «Natur im Garten» wieder ein viel
diskutiertes Thema. Um sie zu fördern, sind in den zunehmend
dichter werdenden Siedlungen neue Gestaltungsideen gefragt.
ROLF HEINISCH
Fachgruppe Naturgarten, Bioterra
@ Von Clemens Bornhauser, Leiter Fachstelle Bio- und Naturgarten
Die Naturgartenbewegung hat sich in
diesen Jahren verändert und entwickelt.
Der Verband Naturgarten VNG ist
Geschichte, er ist Teil von Bioterra
geworden und wir können nun unsere
Ideen und Visionen einer grösseren
Community zugänglich machen.
In den letzten 30 Jahren ist einiges
gewachsen und entstanden, manches
wild und unvorhersehbar, manches
strukturiert und gut organisiert.
Eigentlich so, wie wir uns Gärten
vorstellen – wild und doch gestaltet.
Auch die folgenden 30 Jahre wollen wir
uns für vielfältige, reichhaltige, aber
auch liebevoll gestaltete Frei- und
Lebensräume einsetzen.
Was früher schlicht «Artenschutz» hiess, nennt sich
heute elegant «Biodiversität». Damit erweitert sich
der Schutz einzelner Arten auf die ganze Vielfalt.
«Biodiversität» umfasst die unterschiedlichen Lebensräume, deren Arten sowie den genetischen Pool jeder
einzelnen Art. Das Zusammenspiel dieser Vielfalt
sichert das Leben und schenkt uns beispielsweise
saubere Luft und Wasser.
Die Biodiversität verarmt weltweit. Eine internationale Konvention über die biologische Vielfalt soll die
Wende bringen. Auch die Schweiz hat diese unterzeichnet und will mit einem Aktionsplan konkrete
Taten folgen lassen. Dazu gehört, die Biodiversität im
Siedlungsraum zu fördern. Die klein strukturierten
Flächen in Siedlungen weisen ein grosses Potenzial
als Lebensräume und vernetzende Trittstein-Biotope
auf. Die Kenntnisse und Praktiken, dieses Potenzial
zu nutzen und naturnahe Strukturen in Siedlungen
zu integrieren, haben sich in den letzten Jahrzehnten
stark erweitert. Ein Blick in die Literatur über
den naturnahen Gartenbau belegt den enormen
Wissenszuwachs.
Spezial N A T U R G A R T E N
Herausgeber: Bioterra
Fachstelle Bio- und Naturgarten
Dubsstrasse 33, 8003 Zürich
Tel. 044 454 48 48, [email protected]
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Jede Siedlungsstruktur hat Potenzial
für naturnahe Freiräume.
Bemühungen deutlich erleben. Der Preis für die
Verdichtung ist schwindender Freiraum. Nutzungsdiffuse Flächen und alte Bausubstanz verschwinden.
Aus der Sicht des Naturgartens erleben wir damit
ein Paradox: Die Bemühungen um nachhaltigen
Städtebau bewirken eine Verarmung der Biodiversität,
weil siedlungstypische Lebensräume verschwinden.
Grün um jeden Preis?
BILD: WINKLER & RICHARD
IMPRESSUM
Redaktion: Beatrix Mühlethaler und
Clemens Bornhauser, [email protected]
Gestaltung: Benedikt Dittli, [email protected]
Korrektorat: Barbara Stuppia
Textbeiträge: Clemens Bornhauser, Rolf Heinisch,
Lukas Hiltbrunner, Marcel Ineichen, Reto Locher,
Peter Lüthi, Rolf Lüthi, Beatrix Mühlethaler,
Stefan Nänni
© 2015 Druck: Somedia Production, Chur
Auflage: 43 000 Ex.
NATÜRLICHE OASE
Das veränderte Umfeld macht die Natur ums Haus
aktueller denn je. «Von den 70er-Jahren, als es noch
hiess, Bauen sei Umweltzerstörung, bis heute ist viel
passiert», sagte der renommierte Architekt Peter
Zumthor kürzlich in einem Interview («Die Zeit»
Nr. 48, 2014). Aus der Sicht des Städtebaus ist tatsächlich etwas passiert: Man baut nachhaltiger und
nutzt Flächen besser aus. Quartiere werden dichter,
Gebäude zugunsten von Minergie-Standards
kompakter und geschlossener gebaut. Wer in einem
der Schweizer Ballungsräume lebt, kann diese
Begleiten und unterstützen Sie uns
weiterhin auf diesem bewegten Weg!
MITTEN IM URBANEN RAUM
Die unvermörtelte Mauer schafft Lebensraum für Insekten
und die einheimische Bepflanzung eine Insel mit Nahrung.
BILD: WINKLER & RICHARD
Vor 30 Jahren wurde die Schweizer
Naturgartenbewegung gegründet.
Damals gehörte ich zu den Besetzern
der Hainburger Aue in Österreich.
Statt im Hörsaal mein erstes Semester
abzusitzen, half ich mit anderen
Aktivisten, ein Flusskraftwerk zu
verhindern. So ist diese einmalig schöne
Donauaue geblieben, was sie schon
immer war – ein Naturparadies. Paradies
und Natur sind heute mehr denn je mein
Thema, vereint im Kontext Garten.
Gärten sind klein geworden, Bäume auf kleinwüchsige
Sorten und Varietäten reduziert. Oft stehen sie auf
Tiefgaragen oder sind nur noch Terrassen und
Balkone. Wir finden noch ein bisschen eingeklemmtes
Grün zur Dekoration. Wenn dieses «Grün» nichts
mehr hergibt, warum nicht darauf verzichten und
stattdessen ganz Stadt bauen? Diese Frage stellt sich
spätestens, wenn mittels Begrünung mässige Architektur nochmals verschlechtert wird. Skimmien oder
Ziergräser, in originelle Töpfe gepflanzt und akkurat
wie Soldaten aufgereiht, ist ein solcher, oft gesehener
und unbeholfener Gestaltungsversuch. Es gibt aber
auch positive Beispiele. Überbauungen, bei denen die
Verdichtung als «Weiterentwicklung im Bestand»
verstanden und die Aussenraumgestaltung in die
Mit verdichtetem Städtebau
geht der Verlust an Freiflächen
einher. Dies bewirkt eine
Verarmung der Biodiversität,
da siedlungstypische
Lebensräume verschwinden.
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BIOTERRA NATURGARTEN
PRAXIS
DER KLEINE NATURNAHE GARTEN
Üppige Vielfalt überrascht
immer wieder
Menschen wollen im Garten wirken, schauen, geniessen. Wie ginge das besser als mit
naturfreundlich gestalteten Wegen und Plätzen, einer reichhaltigen Flora und vielen Nischen
für Tiere? Ein solcher Raum ist dynamisch und herausfordernd, spannend und entspannend.
@
Von Beatrix Mühlethaler, Gartenjournalistin
BILD: PETER STEIGER
Ein Vogel sucht nach Futter oder baut ein Nest, ein
Schmetterling nascht an einer Blüte, auf einem Zweig
krabbelt ein farbenfroher Käfer: Kleine Glücksmomente im naturnahen Garten. Weniger Freude
bereiten manchen die Spinnen, die vielerorts ihre
Netze weben, oder die Läuse, die an Knospen saugen,
oder die Kröte, die unter der Treppe sitzt. Doch mit
der Zeit werden auch Ästhetinnen und Romantiker,
denen anfänglich nur die schönsten Blüten und
Schmetterlinge vor Augen schwebten, vom ganzen
Naturgefüge fasziniert sein.
auch einen schmalen Reihenhausgarten spannend,
wie ein Beispiel in Bern Bümpliz vorführt. Sogar
Wasser liess sich in die kleine Landschaft integrieren:
Von Trockenmauern gebildete Hochbeete begrenzen
den Sitzplatz. Ein Holzsteg verbindet ihn über das
Wasser hinweg mit dem restlichen Garten. Allerdings
endet die durchdachte Gestaltung an den Grenzen der
Nachbargrundstücke. Nicht immer fügen sich die
verschiedenen Gartenträume von Nachbarn in
verdichteten Siedlungen zu einem harmonischen
Ganzen.
Platz für alle planen
Vielfältig dank Sonne und Schatten
Damit sich zahlreiche Lebewesen dauerhaft ansiedeln,
braucht es geeignete Strukturen. Dazu gehören
diverse Flächen für einheimische Pflanzen mit ihren
Blättern, Blüten, Samen und Beeren genauso wie
vielerlei Unterschlüpfe, von den Stein- und Reisighaufen über Totholz und Nisthilfen bis zum Laub und
verfilzten Gras.
Besonnte Kiesflächen und Trockenmauern bilden in
verdichteten Quartieren eine gute Basis für eine
siedlungstypische Pflanzen- und Tierwelt. Ruderalpflanzen und trockenheitsliebende Kräuter, vielleicht
auch einzelne Gehölze wie Wildrosen ziehen
Bestäuber an und dienen als Eiablageplatz für diverse
Insekten. In den Spalten von Trockenmauern können
Wildbienen nisten und Eidechsen hausen.
BILD: GRÜNWERK
FREUNDLICHER EMPFANG
Bunte Ruderalflora begleitet den Zugang zum Haus.
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Keine Ecke zu klein, um ein Naturgarten zu sein.
werden. Die Bioterra-Fachbetriebe können dabei
Unterstützung leisten, sei es vollumfänglich
von der Planung bis zur Ausführung und Pflege, sei
es in einzelnen Phasen.
Jedes Gebäude hat aber auch eine Schattenseite, die zu
erstaunlichem Leben erwachen kann. Die heimische
Natur hält eine breite Palette von Pflanzen mit
schönen Blättern und Blüten bereit, mit denen aus
Böschungen, Senken und Wegrändern stimmungs-
Wünsche erhalten Gestalt
Ein attraktiver Zugang zum Haus sowie ein Sitzplatz
sind wohl die zentralen Wünsche, die jemand auch bei
knappem Platz verwirklichen möchte. Wie das auf
4 mal 15 Metern Realität werden kann, zeigt das
Beispiel eines Vorgartens in Winterthur: Ein Kiesweg
führt zum Haus, umspielt von einer Ruderalfläche mit
Wildstauden. Eine erhöhte Holzterrasse dient als
Sitzplatz, wobei sich ein bestehender Baum sinnvoll
integrieren liess. Als Schmuck und Sichtschutz
wachsen rundum an einem Gerüst Kletterpflanzen
hoch. Sogar eine Ecke von nur 4 mal 6 Metern
wird mit ähnlichen Mitteln zum naturverbundenen
Aufenthaltsort: Elegant verlegte unregelmässige
Steinplatten bilden die Fläche für das Mobiliar,
rundum wachsen im Kiesboden Ruderalpflanzen,
ergänzt mit hohen Gräsern. Einige grosse Steine und
Kletterpflanzen an einem Gerüst formen einen
Rahmen, der Geborgenheit vermittelt.
Auch mit Niveau-Unterschieden lässt sich spielen:
Eine Trockenmauer stützt das Gelände um einen
vertieften Sitzplatz. So hat, wer hier sitzt, eine
lauschige Kulisse aus Pflanzen, die auf der erhöhten
Fläche wachsen. Die Modellierung des Bodens macht
BILD: ÖKOLÜTHI
Beim Planen geht es aber vorerst um die Strukturen
für die menschliche Nutzung: Wege, Plätze, Sichtschutz und besondere Wünsche wie Spielfläche oder
Schwimmteich. Mit einer klugen Gestaltung dieser
Elemente entstehen gleichzeitig Nischen für Pflanzen
und Tiere. Werden Synergien genutzt, lässt sich auch
um Häuser und Wohnungen mit wenig Umschwung
ein pflanzen- und tierfreundliches Terrain schaffen.
Bei Vor- und Kleingärten wird man nicht von der
Magerwiese über die Hecke und den Hochstammbaum
bis zum Teich alles integrieren können, sondern
einen Schwerpunkt setzen müssen. Doch kein Fleck
ist zu klein, um zu einer natürlichen Nische zu
BLICKFANG
KLEINRÄUMIGE VIELFALT
Trockenmauern, einheimische Pflanzen und Wasser
prägen diesen Reihenhausgarten.
Eine kluge Gestaltung eines
Naturgartens beinhaltet sowohl
Strukturen für die Menschen,
die ihn bewohnen, als auch
Nischen für Pflanzen und Tiere.
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BIOTERRA NATURGARTEN
BIOTERRA
FACHBETRIEBE NATURGARTEN UND BIOGÄRTNEREIEN
Für lebendige, vielfältige und
erlebnisreiche Gärten
Fachbetriebe Naturgarten unterstützen Sie bei der Planung und bieten
Ihnen eine kompetente Ausführung und schonende Pflege Ihres Naturgartens.
Sie arbeiten nach den strengen Richtlinien für Bioterra-Fachbetriebe.
Die Biogärtnereien sind den Richtlinien von Bio Suisse verpflichtet. Ihre
Pflanzen eignen sich besonders für robuste und unserem Klima angepasste
Pflanzungen. Alle Betriebe finden Sie auf unserer Homepage.
www.bioterra.ch/fachbetriebe
BILD: UTE STUDER
BILDER: BEATRIX MÜHLETHALER
Ihre Partner für
Bio- und Naturgarten:
Die zertifizierten
Bioterra-Betriebe
garantieren für
nachhaltige Qualität.
TIERE IM NATURGARTEN
Libellen, Wildbienen, Hummeln, Igel, Vögel, Raupen, Schmetterlinge, Frösche und weitere
Kleintiere finden dank den einheimischen Wildpflanzen Nahrung im Bio- und Naturgarten.
Für manche Arten und deren Fortpflanzung sind hiesige Pflanzen sogar lebensnotwendig.
Auch Gewürz-, Tee-, und Kulturpflanzen mit einfachen Blüten wie Krokusse, Mohn, Malven,
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Astern und auch Rosen sind für Wildtiere förderlich. Insekten naschen beispielsweise gerne
deren Nektar oder Vögel freuen sich über Hagebutten als Winterfutter. Wann immer möglich,
ist der Kauf von Biosaatgut und biologisch produzierten Pflanzen zu bevorzugen, damit
keine Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in die Nahrungskette der Tiere gelangen.
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