April 2015 Mitgliederzeitschrift Naturgarten e. V. Heft 2/2015 5.50 € Tagungsband Naturgartentage 2015 Inhalt Inhalt i E X T R ATAG KLIMAWANDEL IN NATURGÄRTEN UND ÖFFENTLICHEM GRÜN 4 Klimawandel und Naturgarten. 8Gewinner und Verlierer der heimischen Fauna im Siedlungsraum unter besonderer Berücksichtigung der Insekten. 10Klimakatastrophen. Die können das: Die Chance für heimische Wild pflanzen. Betrachtungen einiger Unglücksfälle 12Starkregen-Ereignisse und ihre Planung für Naturgärten 15 Auswirkungen des Klimawandels aufs öffentliche Grün. Wie wird es zukünftig aussehen müssen? 18Zwei 15-minütige Impulsreferate zur Podiumsdiskussion: Heimisch oder nicht? Wie sollen die Artenlisten von naturnahen Pflanzungen für die Zukunft aussehen? i TAG U N G NATURERLEBNISRÄUME FÜR KINDER UND JUGENDLICHE 22Tiengemeten – der schmuddeligste Naturspielort der Niederlande. Hintergründe des Entstehens großer Naturspielräume in den Niederlanden 2 Natur & Garten April 2015 25Rechtzeitige Sicherung von attraktiven Freiräumen in Wohnungsnähe/ Fokus Jugendliche 28 Naturerlebnisräume für Kinder und Jugendliche. Die Gesamtschule Bockmühle „wohnt“ und lernt natürlich 30Ergebnisse der Diskussionsrunde: Jugendliche und Natur-ErlebnisRäume: Problem oder Chance? 32Was singt, zirpt und quakt denn da? – Ein akustischer Streifzug durch Natur und Garten GESTALTUNG IM NATURGARTEN 33Naturgarten In Form. Naturgarten und formale Gestaltung – ein Widerspruch? 36Design oder Dynamik – wer komponiert im Blumenbeet? 40Feng Shui im Garten – Inspiration für naturnahe Gestaltungen 42Ex situ-Kulturen gefährdeter Wildpflanzen – ein Mittel zur Erhaltung der biologischen Vielfalt 48Wie können wir Wildbienen im Naturgarten fördern? GEHÖLZE IM NATURGARTEN 52Welt der Weiden 55Hecken – Lebensadern in Garten und Landschaft 58Naturnah Gärtnern ohne Rückschnitte h E N D E D E R TAG U N G EXKURSIONEN 60Naturnah Unterwegs 2014 in GB. Go Wild – The classic Edition 66Internationale Spielnatur Karawane 70 INTERNES Kolumne 75Natur erleben 76 Medienverkauf und Impressum TIERE IM NATURGARTEN 44Von Baumeistern, Blumenschläfern und Pollensammlern: Eine Reise in die faszinierende Welt der heimi schen Wildbienen Titelbild: Aus den Fugen geraten – Wegwarte und Färberkamille (Foto: Andrea Stolz) Vorwort Vorwort Fast 25 Jahre hatten wir uns in der vertrauten Atmosphäre von Grünberg wohl gefühlt. Die Naturgartentage mit hochkarätigen Referenten und ihrem abendlichen, gemütlichen Ausklang in der Bayernstube waren immer ein Highlight im Naturgartenjahr gewesen. Nachdem aus Kapazitätsgründen leider die Entscheidung für ein neues Tagungshaus gefallen war, erwarteten wir mit Spannung die Naturgartentage 2015. So vieles war neu: Der Tagungsort, das Anmeldeverfahren, die Länge der Tagung, der Vereinstag und die hohen Teilnehmerzahlen. Neu und bedeutungsvoll war auch die offizielle Eröffnung durch den Nordrhein-Westfälischen Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz Johannes Remmel (Bündnis 90 / Die Grünen). In seiner Ansprache spannte Remmel den Bogen von seinen ganz persönlichen Beweggründen für den Umwelt- und Klimaschutz bis zum globalen Thema Biodiversität, dem zunehmend auf gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Ebene Beachtung geschenkt wird. Dabei würdigte er u. a. die Bemühungen des Naturgarten e. V., der mit seiner Arbeit einen großen Beitrag zum Naturschutz leistet. Unser großer Dank gilt allen Referenten, die mit ihrem Fachwissen maßgeblich zu einer gelungenen Veranstaltung beitrugen. Das Orgateam hat sich den Herausforderungen eines neuen Tagungsortes erfolgreich gestellt und wir möchten Ulrike Aufderheide, Gerold Baring Liegnitz, Susan Findorff, Silke Gathmann und Robert Schönfeld von Herzen für ihre Arbeit danken. Auch das neue Tagungshaus, die Jugendherberge Düsseldorf, hat diese große Veranstaltung wunderbar gemanagt. Ralf Becker nimmt mit seiner ruhigen, freundlichen und nimmermüden Art inzwischen einen festen Platz als Moderator beim Vereinstag und bei der Mitgliederversammlung ein. Und, ganz wichtig: herzlichen Dank an alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung – erst durch euer Interesse ist diese Veranstaltung möglich geworden! Auch ein Jubiläum gab es noch zu feiern: Der Naturgarten e. V. ist 25 Jahre alt geworden. Mit einem kleinen Sektempfang haben wir dieses schöne Ereignis gefeiert und sehen voller Zuversicht in das nächste Vierteljahrhundert. Ihr Vorstand Mit nachdenklichen Worten zum Klimawandel eröffnete Reinhard Witt den Extratag und traf mit diesem Thema den Nerv der Zeit. Ulrike Aufderheide referierte anschließend über Klimawandel und Naturgarten. Sie stütze ihren eindrucksvollen Vortrag durch zahlreiche wissenschaftliche Veröffentlichungen, Grafiken und Tabellen. Von Kipppunkten, Klimahüllen und Aussterbeschuld war die Rede. Angesichts der Informationsflut ihrer Folien fühlte man sich zurückversetzt in vergangene Studienzeiten. Aus den Vorträgen dieses spannenden Tages lässt sich resümieren: Jeder Beitrag zum Klimaschutz zählt, Xeriscaping ist die Kernkompetenz von Naturgärtnern und wir werden zukünftig unsere Definition von heimischen Wildpflanzen überdenken müssen. Deutlich wurde aber auch: Der Klimawandel ist keine Zukunftsvision mehr, wir stecken bereits mitten drin. Natur & Garten April 2015 3 Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün Klimawandel und Naturgarten Landnutzungsänderung wird noch lange die Hauptursache für Biodiversitätsverlust bleiben – Maisacker direkt beim NSG Garchinger Heide D ie Öffentlichkeit hat sich jahrzehn telang darin geübt, die Rolle der entwickelten Gesellschaften als Verursacher des drohenden Klimawandels, also unsere Rolle als Täter, zu verdrängen bzw. zu verleugnen. Jetzt, wo die Auswir kungen des Klimawandels deutlich wer den, nehmen wir uns hauptsächlich als Op fer der kommenden Entwicklungen wahr. Die Beschäftigung mit Naturgärten in Zei ten des Klimawandels lenkt unseren Blick – wie ich finde, in befreiender Weise – in die andere Richtung: Naturnah angelegte Flächen sind zwar auch dem Klimawandel ausgesetzt, sie bieten aber gerade in Zei ten des Klimawandels zahlreiche Chancen, bedrohliche Auswirkungen des Klimawan dels abzumildern. Teilweise weisen sie so gar den Weg, mit der Natur so umzugehen, dass der Klimawandel selber abgeschwächt werden kann. Naturgärten sind zwar auch Opfer des Problems, sie sind vor allem aber Teil der Lösung. Was gerade geschieht Klima ist nicht dasselbe wie Wetter. Ein küh ler Sommer ist genauso wenig ein Beweis gegen den Klimawandel wie ein Herbst sturm ein Beweis dafür ist. Entscheidend ist die Veränderung von Durchschnittswerten über längere Zeiträume: Seit Beginn des 20. Jahrhunderts ist die globale Mittel temperatur um 0,8 °C gestiegen, in Mit 4 Natur & Garten April 2015 teleuropa beträgt der Anstieg 1,5 °C. Zum Vergleich: bei der u. a. durch verstärkte Vul kanaktivität hervorgerufenen sog. „Kleinen Eiszeit“ im Mittelalter lag die globale Tem peratur um 0,2 – 0,6 Grad niedriger, im „mit telalterlichen Klimaoptimum“ knapp unter dem Niveau, das wir heute erreicht haben. Das Klima wird von zahlreichen Parame tern, wie Sonnenaktivität und Meeres strömungen beeinflusst. Nur einer dieser Parameter hat sich davon seit der Indus trialisierung dramatisch verändert: der CO2-Gehalt der Atmosphäre (von 280 auf 389 ppm). So hoch war der CO2-Gehalt vor ca. 20 Millionen Jahren. Zu Beginn des Tertiär, vor 65 Millionen Jahren, lag er um das 6- bis 10-fache höher. Damals betrug die globale Mitteltemperatur 25 °C. Dass bestimmte Gase in der Atmosphäre (CO2, Methan, Wasserdampf ) die Temperatur in unserer Atmosphäre erhöhen, wurde 1824 von Joseph Fourier entdeckt. Ohne diesen sogenannten Treibhauseffekt läge die glo bale Mitteltemperatur bei -18 °C und nicht bei den angenehmen 14 °C , die wir heute erleben. Gleichzeitig mit der beobachteten Erwär mung schmelzen Gletscher in den Alpen und v. a. in der Arktis. Der Meeresspiegel hat sich seit 1900 um 20 cm erhöht, seit 1995 um 3,4 mm pro Jahr. Tier- und Pflanzenwelt reagieren auf diese Veränderungen: im Alten Land blühen die Obstbäume 2 – 3 Wochen früher, bei man chen Libellenarten gibt es zwei statt einer Generation, wärmeliebende Fisch- und Planktonarten wandern in die Nordsee ein, durchschnittlich breiten sich die Arten Mit teleuropas um 6,1 km pro Dekade von Süd west nach Nordost aus. Dabei wandern aber keine Lebensgemeinschaften, sondern es kommt zu Entkoppelungen von ökologi schen Beziehungen: Während mobile Arten schnell reagieren können (Bienenfresser, Feuerlibelle, Wespenspinne), wandern orts feste Arten mit langer Lebensdauer (z. B. Bäume) langsam. Wandernde Arten besie deln vor allem Flächen in Schutzgebieten, was deren Wert unterstreicht. Was wird geschehen? Klimamodelle sagen je nach der Fähig keit der Menschheit, den CO2-Ausstoß zu reduzieren, eine Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur um 2 bis 5,5 Grad voraus. Um die Erhöhung auf 2 °C zu begrenzen, wäre eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes auf 80 – 95 % des Niveaus von 1990 bis 2050 notwendig. Ab einer Er höhung von 2 °C ist die Gefahr besonders groß, dass globale Kipppunkte wie das Schmelzen des grönländischen Eisschildes (Meeresspiegelerhöhung um 7 m, sonst kann mit 0,5 – 2 m Erhöhung gerechnet Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün werden) oder der Permafrostböden, die Störung der „thermohalinen Zirkulation“ in den Weltmeeren zu plötzlichen und nicht vorhersehbaren Entwicklungen führen. Sicher ist mit einem Anstieg der Tage über +5 °C und mit weniger Frost- und Eistagen zu rechnen. Für das Baugewerbe bedeutet das: es wird also mehr Winter geben, in denen durchgearbeitet werden kann. Höhere Tem peratur und höherer CO2-Gehalt führen aber auch zu verstärktem Pflanzenwachstum: CO2 „düngt“, es wird in Zukunft auf Grünland ein zusätzlicher Schnitt möglich werden. Letztendlich speichert die Biosphäre damit CO2 zurzeit in dieser Weise,, weltweit werden so ca. 1/3 des vom Menschen freigesetz ten CO2 der Atmosphäre wieder entzogen. (In Europa sind es jedoch nur 7 – 12 %.) Der CO2-Anstieg hat so mit ca. 5 – 10 % zu den Ertragsteigerungen in der Landwirtschaft in der Vergangenheit beigetragen. Bei einer weiteren Erhöhung der Tempera tur wird es aber auch zu einer vermehrten CO2-Freisetzung aus Böden, vor allem bei entwässerten Mooren, kommen. Der Anbau von neuen Kulturpflanzen, z. B. von Teff, einer Hirseart aus Äthiopien, wird möglich und aufgrund der trocken-heißen Sommer auch nötig werden. Es wird aber auch die Zahl der Hitze- und Trockentage und Tropennächte zuneh men, was die gesundheitliche Belastung v. a. in Städten im Sommer drastisch erhö hen wird. So starben im Hitzesommer 2003 zwischen 55.000 – 75.000 Menschen an den Folgen der Hitzewelle. Trockenheiße Som mer werden vor allem in jetzt schon eher trockenen Regionen zu einem Anstieg der künstlichen Bewässerung führen. Sparsa me Beregnungssysteme werden zu großen Veränderungen der Landschaft führen, wie wir sie z. B. aus dem Westen der USA ken nen. Nutzung der Wasservorräte für land wirtschaftliche Zwecke wird mit anderen Nutzern (Freizeit, Kühlung, Feuchtgebiete) konkurrieren. Bei niedrigen Wasserständen steigt der Schadstoffgehalt in Flüssen und Bächen, z. B. aus nicht abbaubaren Medika mentenrückständen. Durch die Klimaerwärmung wird Mittel europa die hygienischen Vorteile seiner relativ niedrigen Temperaturen verlieren. Wechselwarme Lebewesen, darunter auch Krankheitserreger von Pflanzen, werden gefördert. (Krankheitserreger können bei gleichwarmen Wirten wie dem Menschen länger außerhalb der Wirte überleben. „Cook it, peel it or forget it“ wird auch bei uns angeraten sein.) Trockenperioden im Sommer stehen in Mitteleuropa vermehrten Starkregenereig nisse (auch im Sommer, v. a. aber im Winter) und vermehrten Regenmengen im Winter gegenüber, was zu erhöhter Bodenerosion und zu vermehrten Überschwemmungen führt. Vor allem die Küstenbereiche werden nach Möglichkeiten suchen müssen, bei höheren Sturmfluten gleichzeitig erhöhte Mengen von Oberflächenwasser zwischen zu speichern. Wie wirkt sich das auf die Lebensräume aus? Klimaschwankungen hat es im Laufe der Erdgeschichte immer wieder gegeben. Außergewöhnlich ist allerdings die Ge Die beobachtete Erwärmung ist nur durch den anthropogen bedingten Anstieg an Treibhausgasen erklärbar (Foto: wikipedia gemeinfrei) schwindigkeit der derzeit ablaufenden Veränderungen. Tiere und Pflanzen sind gezwungen, ihre Lebensräume zu verla gern. Dies müsste mit einer Geschwindig keit von 1,3 – 4 km pro Jahr geschehen, derzeit werden aber nur ca. 600 m/a be obachtet. Erschwerend kommt hinzu, dass die intensive Nutzung unserer Landschaft Wanderung behindert und Landnutzungs änderungen weiterhin der Hauptgrund für den Artenschwund sind (und auch noch eine Weile bleiben wird). Mit einer starken Beschleunigung des Artenrückgangs durch den Klimawandel ist also zu rechnen, denn die Bilanz aus verschwindenden Arten und zuwandernden Arten wird letztendlich negativ sein. Es wird den Lebensgemein schaften nicht gelingen, gemeinsam zu wandern, Entkoppelung von ökologischen Beziehungen ist schon heute zu beobach ten. Typische Verlierer des Klimawandels sind spezialisierte Arten wie monophage Wirbellose und Pflanzen mit spezialisier ten Bestäubern, spezialisierte Topkonsu menten, an kühles Klima gebundene Arten und Arten mit enger Lebensraumbindung, Arten mit geringer Ausbreitungsfähigkeit, kleinen Arealen und geringer Reprodukti onsrate. Gewinner des Klimawandels sind wahrscheinlich: Generalisten, wärmelie bende Arten, Arten der Magerrasen und –säume, Krautfluren, urbane Formationen, einjährige und konkurrenzstarke Arten und vor allem Neobiota (Schon heute sind die meisten von ihnen bei uns wärmeliebend). In städtischen Räumen, die jetzt schon oft 2 °C wärmer sind als das Umland, werden diese Effekte besonders ausgeprägt sein. Dabei ist durch die Trägheit biologischer Systeme mit einem vorübergehenden An stieg der Biodiversität und einer „Ausster beschuld“ zu rechnen: während manche Arten schon eingewandert sind, sind die anderen noch nicht abgewandert, bzw. ausgestorben. Je abrupter der Klimawandel abläuft und je weniger die Zuwanderung von südwesteu ropäischen Arten gelingt, desto mehr wer den sich Neophyten ausbreiten. Dies wird zu artenarmen Lebensgemeinschaften mit weitmaschigen Nahrungsnetzen führen, denn Grund für die Konkurrenzstärke von Neobiota ist ja gerade, dass sie bei dem Sprung in den neuen Lebensraum 90 % bis Natur & Garten April 2015 5 Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün die im Vergleich zum Umland höheren Temperaturen in besiedelten Räumen. Ebenso sorgen sie dafür, dass Feinstäube nicht gebunden werden und immer wieder in die atembare Luft gelangen. Naturgärt ner sind Experten für pEntsiegelung pVersickerungsoffene Bauweisen für Wege und Plätze pFassadenbegrünung pDachbegrünung pFeuchtbiotope Xeriscaping ist die Kernkompetenz der Naturgärtner 50 % ihrer „Parasiten“ = Nutzer verlieren. Völlig neuartige Lebensgemeinschaften und eine allgemeine Homogenisierung des Artenbestandes sind zu erwarten. Mögli che Kandidaten sind: Amaranth, Erdman del, Paulownie, Kirschlorbeer, Hanfpalme, Opuntie, Douglasie, Robinie, Götterbaum, Runzelblättriger Schneeball. Eine besonde re Gefahr geht aus von einem absichtlichen Einbringen potentiell invasiver Arten in die freie Landschaft als Forstgehölz (Douglasie) oder Energiepflanze (z. B. Chinaschilf, Hyb ridpappel, Paulownie) oder an Siedlungs grenzen. Viele Unkräuter, darunter v.a. sog. C4-Pflanzen wie Erdmandel und Amaranth, haben eine höhere Herbizidresistenz bei höheren CO2-Konzentrationen. Der erhöh te Biozideinsatz wird die Biodiversität noch stärker belasten als jetzt schon. Was tut not? Im besiedelten Raum, wo wir als Naturgärt ner ja vornehmlich tätig sind, geht es um pEinen kühlen Kopf – also die Abkühlung des Mikroklimas. pTrockene Füße – also die Vermeidung von Schäden durch Starkregenereignisse und die Förderung der Grundwasserbildung. p Die Erleichterung der Wanderung von Pflanzen und Tieren. Zu allen drei Punkten können Naturgärten in positiver Weise beitragen, naturnahe Bautechniken bieten nachhaltige Lösungen für die Herausforderung, die Folgen des Kli mawandels erträglich(er) zu gestalten. Kühler Kopf – Abkühlung des Mikroklimas durch naturnahe Freiflächen Versiegelte Flächen sind Hauptgrund für 6 Natur & Garten April 2015 Freiraumplanerisch ist es wichtig, Kaltluft schneisen in besiedelten Räumen zu er halten und wieder zu entwickeln. Offene Grünflächen (größte Flächenwirkung bei mehreren Flächen von ca. 10 ha, höchster lo kaler Abkühlungseffekt bei Flächen über 40 ha) sind effektivere Kaltluftproduzenten als bewaldete Flächen, wobei Langgrasfluren effektiver sind als Rasenflächen. Naturgärt ner sind Experten in der Anlage von artenrei chen Wiesen und Säumen. Ebenso sind Was serflächen effektive Kaltluftproduzenten. Die ungebremste Ausweisung von Bauland muss endlich gestoppt werden, bei den ja eigentlich klimafreundlichen Nachverdich tungen muss darauf geachtet werden, dass keine Kaltluftschneisen zerstört werden. Grüne Freiflächen im besiedelten Raum dürfen aber nicht in Konkurrenz zu ande ren Nutzungen der in den Sommermona ten knappen Wasservorräte treten. In der Freiraumplanung ist also „Xeriscaping“ angesagt, die Planung von Grünflächen, die auch bei Trockenheit nicht gewässert werden müssen. Hier liegt eine Kernkom petenz der Naturgärtner. Schaffung von Auwäldern, Grünland statt Ackerland, Siedlungsfläche am Was ser als floating homes pAn der Küste Deicherhöhungen, Einen gung von Mündungen, Sturmflutsperr werke und Deichrückverlegungen p Schaffung von Retentionsflächen für Hochwasserereignisse (küstennah vor al lem bei Sturmfluten) pVersickerung von „Klarwasser“ ( Ablauf wasser der Kläranlagen) statt Ableitung in Flüsse pOptimierung des Wasserbedarfs in der Landwirtschaft durch Förderung der Humusbildung und Minimierung der Evaporation (Hecken, Mulchsaat, öko logische Bewirtschaftung, Erhalt und Förderung von artenreichem Grünland – je artenreicher das Grünland ist, desto mehr Kohlenstoff wird gespeichert) Erleichterung der Wanderung von Pflanzen und Tieren Je höher der Artenreichtum, die Redun danz und die funktionelle Vielfalt eines Lebensraumes sind, desto höher ist die Widerstandskraft (Resilienz) seiner ökosys temaren Prozesse. Es ist also wichtig, dass möglichst viele Arten die Gebiete erreichen können, die ihren Lebensraumansprüchen entsprechen, bevor diese von einfachen, durch Neobiota geprägten Lebensge meinschaften eingenommen wird. Dazu muss die Durchlässigkeit der Landschaft erhöht werden. Neben der Schaffung von Biotopverbundsystemen (hier sind vor al lem lineare Strukturen wie Bahnlinien und Flüsse wichtig) ist die Vergrößerung von vorhandenen Schutzgebieten (damit die Trockene Füße – verantwortlicher Umgang mit Regenwasser Das Janusgesicht des Wassermangels im Sommer bei zeitweisem Wasserüberschuss (vor allem im Winter und Herbst) erfordert eine Freiraumplanung, die Schäden verhin dert und die dafür sorgt, dass Regenwasser versickert und wieder dem Grundwasser zugeführt wird. Dies wird in einem eigenen Beitrag behandelt. Im größeren, landschaftlichen Zusammen hang werden wichtig werden: pVerbesserung der ökologischen Funkti on von Auen: Rückbau von Bauwerken, Grünland speichert Kohlenstoff besser als Ackerland, Hecken schützen vor austrocknenden Winden – Bioland Staatsdomäne Frankenhausen Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün Mikroklimavielfalt erhöht wird) und Redu zierung des Abstandes von Lebensräumen wichtig. Schon jetzt ist der besiedelte Raum Rückzugsort für viele Arten geworden. Na turnahe Freiflächen im besiedelten Raum werden einen wichtigen Beitrag leisten, die Landschaft für Wanderungsbewegungen durchlässiger zu machen. Unabdingbar ist hierzu die Verwendung einheimischer Wildpflanzen standortheimischer Her künfte. Vor diesem Hintergrund braucht es mehr Information auch der Fachöffent lichkeit über die Vorzüge einheimischer, an trockene, strahlungsintensive Standorte angepasster Arten. Ein Beispiel: So ist zwar inzwischen Acer monspessulanum in die Liste der Stadtbaumarten der Gartenamts leiterkonferenz aufgenommen worden, nicht aber Quercus pubescens, obwohl die se Art mit Sicherheit ihre Verbreitung nach Mitteleuropa ausdehnen wird. Was bedeutet das für Naturgärten? Naturgärtner begrüßen die Dynamik der von ihnen angelegten Flächen, gärtnern in besonderem Maße in der vierten Di mension, der Zeit. Diese Kompetenz wird in Zukunft besonders gefragt und heraus gefordert werden. Ebenso zeichnen sich Naturgärten durch einen besonders hohen Strukturreichtum aus. Schattige und kühle Kleinklimata erleichtern die Abwanderung von Arten nach Nordwesten und erleich tern das Überleben in wärmerem Klima. So werden zum Beispiel die Arten der Alpen ei nem erstaunlich geringem Aussterbedruck ausgesetzt sein. Grund ist der Strukturreich tum dieser Lebensräume, der genügend kühle Kleinklimata zur Verfügung stellt. Schon jetzt haben Naturgärtner eine ge wisse Vorliebe für Arten vom südwestlichen Rand des mitteleuropäischen Raumes wie Blasenstrauch, Ysop etc. Dass diese Arten von vielen Insekten genutzt werden, mag damit zusammenhängen, dass die Wande rung der Lebensgemeinschaften in unserem Erdzeitalter, dem Pleistozän, bei Klimaände rungen auf der Achse Südwest-Nordost ver laufen ist. Viele dieser Arten sind ja auch in besonderem Maße für das „Xeriscaping“ ge eignet. Die gewohnten Kategorien indigen, archaeophytisch und neophytisch können die aufgrund des Klimawandels zuwan dernden Arten jedenfalls nicht abbilden. Hier gilt es, die wissenschaftliche Diskussion aufmerksam zu verfolgen. Wichtig bleibt auch der Erhalt der geneti schen Vielfalt innerhalb von Arten. Diese ist auf Grund der Eiszeiten am südlichen Arealrand, wo durch den Klimawandel der größte Aussterbedruck herrscht, besonders groß. Mein Vorschlag zur Verwendung von standortheimischen Herkünften ist: Je lang lebiger die Arten sind, umso mehr sollten bei Neuansiedlungen Herkünfte des süd westlich anschließenden Naturraums mit eingeschlossen werden. Da genetische Ega lisierung von einheimischen Arten schon jetzt im besiedelten Raum zu beobachten ist, sind auch dort, wo möglich, standort heimische Herkünfte zu verwenden. Der Königsweg – Feuchtgebiete Aber was eigentlich Not tut, ist nicht die Anpassung an den Klimawandel, sondern seine Verhinderung! Deshalb möchte ich zum Schluss noch auf den großen Wert von Feuchtgebieten in diesem Zusammenhang hinweisen. 60 % des in Mitteleuropas in der Biosphäre gespeicherten Kohlenstoffs ist in Mooren festgelegt. Entwässerte Feuchtge biete tragen zu 25 % zu den Treibhausgasen des landwirtschaftlichen Sektors bei. Die EU ist da nach Indonesien der zweitgrößte Emittent, noch vor Russland. Moore und andere Feuchtgebiete wieder zu vernässen, ist die kostengünstigste Möglichkeit, CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen, zu „refos silisieren“, wobei die Kohlenstoffaufnahme von Mooren bei steigender Temperatur so gar steigt. Torfabbau, die Verwendung von Torf im Garten ist in Zeiten des Klimawan dels genau das Gegenteil von dem, was Not tut. Da Feuchtgebiete im besiedelten Raum aber auch vielfältige Anpassungsfunktio nen haben, sollte der besiedelte Raum bei diesem Aspekt des Klimaschutzes mit be rücksichtigt werden. Immer wieder wird je doch auf die Krankheiten hingewiesen, die durch Mücken übertragen werden und die mit dem Klimawandel auch in Mitteleuro pa (wieder) auftreten werden wie Malaria, Dengue-Fieber, Krim-Kongo-Hämorrhagi sches Fieber, Gelbfieber und Leishmaniose. Allerdings sind alle Mücken-Vektoren auf temporäre Gewässer angewiesen, auch diese Mückenarten haben in dauerhaft Wasser führenden Gewässern keine Ver breitungsmöglichkeit. Italienische Ochsenzunge, Muskatellersalbei, Ysop, Currykraut – werden submediterrane und mediterrane Arten bald in Mitteleuropa heimisch? Mit Wasserflächen und Feuchtgebieten kann also nicht nur das Stadtklima positiv beeinflusst werden, die Auswirkung von Regenmangel im Sommer und Regenüber schuss bei Starkregenereignissen abgemil dert, die Biodiversität gefördert werden, sondern auch ein gewisser Beitrag zum Kli maschutz geleistet werden. Literatur p Franz Essl, Wolfgang Rabitsch (Hrsg.): Biodiversität und Klimawandel, Springer 2013 pKlimzug Nord Verbund (Hrsg.): Kursbuch Klimaanpassung – Handlungsoptionen für die Metropolregion Hamburg p Horst Korn, Jutta Stadler, Aletta Bonn, Kathrin Bockmühl und Nicholas Macgre gor (Eds.): Proceedings of the European Conference „Climate Change an Nature Conservation in Europe – an ecological, polica an economic perspective“, BfN Skripten 2014 pReinhard Böcker (Hrsg.): Die Natur der Stadt im Wandel des Klimas – eine Her ausforderung für Ökologie und Planung, Schriftenreihe des Kompetenznetzwer kes Stadtökologie 2011 Ulrike Aufderheide, Diplom-Biologin, CALLUNA-naturnahe Garten+GrünPlanung, D - 53177 Bonn, 3 0228 - 326363 [email protected] www.calluna-naturgarten.de Natur & Garten April 2015 7 Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün Gewinner und Verlierer der heimischen Fauna im Siedlungsraum unter b esonderer Berücksichtigung der Insekten Klimawandel und Folgen für die Biologische Vielfalt Bei allen Prognose-Unsicherheiten von be rechneten Klimaszenarien muss von einer weiterhin deutlichen Temperaturerhöhung und zunehmender Trockenheit auch in Mit teleuropa ausgegangen werden. Fraglich (und eher unwahrscheinlich) ist die Einhal tung des im Rahmen der UNFCCC beschlos senen 2 °C-Ziels. Ab einer globalen Erwär mung von 2 °C nehmen die Risiken für die Biologische Vielfalt enorm zu, z. B. das Aus sterberisiko für 20 – 50 % der Arten. Die Kli mawirkungen auf Arten sind vielfältig und betreffen die Phänologie, die Veränderung der Verbreitungsgebiete, das Auftreten und die Verbreitung von Neobiota u. a.m. Phänologische Prozesse könnten entkop pelt werden, wie z. B. der Blühzeitpunkt von Pflanzen und das Erscheinen von speziali sierten Blütenbesuchern. Lebensgemein schaften können neu kombiniert, Lebens räume massiv verändert werden (Zahl der 8 Natur & Garten April 2015 Generationen pflanzenfressender Insekten nimmt bei Klimaerwärmung zu, wie z. B. in der Wechselbeziehung zwischen Buchdru cker und Fichte). Siedlungsraum und Klimawandel Städte haben ihr eigenes Klima. Mit bis zu 8 °C höheren Temperaturen gegenüber dem Umland, einer größeren Trockenheit wegen geringerer Verdunstung (fehlende Pflanzen bei dichter Bebauung) und einem geringen Luftaustausch der bebauten Flä chen mit dem Umland bieten Städte wär meangepassten Arten gute Chancen einer Besiedlung. Manche Arten siedeln sich zunächst in der „Wärmeinsel“ Stadt an und verbreiten sich anschließend in das Um land, insbesondere Neobiota, aber auch Arten im Zuge von Arealerweiterungen. Städte stehen im Kontakt mit dem Umland. „Grüne Verbindungsachsen“ bestehen z. B. an Verkehrswegen. Allerdings liegen Grün flächen vielfach isoliert im Siedlungsraum. Eine „Durchlässigkeit“ der Lebensräume auf einem Gradienten vom Umland in die Stadt ist von entscheidender Bedeutung für die Ausbreitungs- und Besiedlungsfä higkeit von Arten entlang sich ändernder Klimagrößen. Gewinner unter den Insekten Wegen der ohnehin für Insekten oft güns tigen klimatischen Bedingungen in den Städten finden sich hier etliche „Gewinner“, die vom Klimawandel profitieren. Hinsicht lich der Arealerweiterung nach Norden zählen hierzu die Blauschwarze Holzbiene, die Gelbbindige Furchenbiene, die Gottes anbeterin oder die Feuerlibelle. Von den vielen Neubürgern unter den In sekten seien die Asiatische Hornisse und der Asiatische Laubholzbockkäfer erwähnt, die sich ganz aktuell in Deutschland eta blieren. Im Falle des Laubholzbockkäfers kann es wegen seines unspezifischen Be falls einer Vielzahl von Laubbäumen zu dra matischen Veränderungen unserer Wälder kommen. Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün Die wärmeliebende Holzbiene Xylocopa violacea nutzt auch in Siedlungen regelmäßig das Blütenangebot (Foto: Peter Klüber) Verlierer unter den Insekten Es sind keine Insektenarten bekannt, die im Siedlungsraum vorkommen und klima bedingt zurückgehen. In der unbebauten Landschaft sind allerdings Arten, die an feucht-kalte Lebensräume gebunden sind bzw. solche, die in höheren, kühleren Lagen vorkommen, zumindest potenzielle Verlie rer des Klimawandels. Diskutiert wird dies für den Großen Eisvogel, dessen Raupen an Pappeln fressen, für Hochmoorlibellen und eine Gefährdung könnte auch für die alpine Gebirgsschrecke zutreffen. Ein Blick zu anderen Tierartengruppen Neben den Insekten, die in den Siedlun gen momentan eher zu den Gewinnern des Klimawandels zählen, lassen sich auch bei vielen anderen Tierarten(-gruppen) Änderungen in deren Phänologie oder in der Arealentwicklung beobachten. Einige Beispiele: Siebenschläfer wachen deutlich früher aus ihrem Winterschlaf auf und üben einen höheren Räuberdruck auf Singvögel aus. Der aus Südamerika eingeschleppte Sumpfbiber (Nutria) überlebt die zuneh mend milderen Winter in Deutschland und nimmt zu. Die ursprünglich mediterrane Wespenspinne weitet ihr Areal beständig nach Nordeuropa aus. Klimawandel und Naturschutz im Siedlungsraum Um die Erhaltung der biologischen Vielfalt unter den Bedingungen des Klimawandels bestmöglich zu sichern, ist eine Flächen planung notwendig, die für möglichst viele Arten die Durchlässigkeit von Landschaf ten verbessert. Für den Siedlungsraum bedeutet das die Schaffung zahlreicher und in funktionaler Verbindung stehender Flächen als Existenzgrundlage vielfältiger Lebensgemeinschaften. Es bedeutet die „Durchgrünung der Siedlungen“ (Nationa le Strategie zur Biologischen Vielfalt, 2007). Ein Verbund von ausgedehnten Freiräumen (z. B. Parks), grünen Korridoren im Sied lungsraum und Trittsteinbiotopen bietet die beste Gewähr, die Passierbarkeit für Ar ten zu sichern. Je größer die Naturnähe im Siedlungsgrün ist, desto höher das Besied lungspotenzial. Ein vielfältiges Angebot gebietsheimischer Pflanzen sichert eine große Attraktivität für heimische Insekten und für weitere Konsumenten der höheren trophischen Ebenen. Fazit Die exothermen Insekten zählen bereits vielfach zu den „Gewinnern“ des Klimawan dels – auch in unseren Siedlungsräumen. Die Klimaerwärmung macht die Durch lässigkeit der Landschaften notwendiger denn je, damit Arten den veränderten klimatischen Bedingungen „barrierefrei“ folgen können (Arealerweiterung oder Rückzug in kühlere Regionen). Ein Ver bundsystem vielfältiger und naturnaher Lebensräume ermöglicht eine (Neu-)Be siedlung durch Arten entlang sich ändern der Klimagradienten. Der Biotopverbund muss auch die Siedlungsräume umfassen und über Korridore und Trittsteine von der offenen Landschaft in die Städte und Dör fer hinein und durch diese hindurch führen. Im Siedlungsraum ist die Gestaltung und das Management von Grünflächen auf der Grundlage heimischer Pflanzenarten ein gutes Konzept für einen „klimafesten“ Na turschutz. pNABU Baden-Württemberg (2013): Mehr Natur im Siedlungsgrün. Biologische Viel falt in Städten und Gemeinden. pGerd Reder, Matthias Kitt (2014): Erster Brutnachweis der Asiatischen Hornisse – Vespa velutina var. nigrithorax (LEP:) – in der Südpfalz (Hymenoptera: Vespidae). Internet pGewinner und Verlierer des Klimawan dels: www.nabu.de/themen/klimawan del/grundlagen/08146.html Literatur p Bayerische Landesanstalt für Landwirt schaft (2014): Wirtspflanzenliste des Asi atischen Laubholzbockkäfers. p Bundesministerium für Umwelt, Natur schutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.) (2007): Nationale Strategie zur Biologi schen Vielfalt. p Franz Essl, Wolfgang Rabitsch (Hrsg.) (2013): Biodiversität und Klimawandel. Auswirkungen und Handlungsoptionen für den Naturschutz in Mitteleuropa. Springer-Verlag Berlin, Heidelberg. pJulius Kühn-Institut (2014): Leitlinie zur Bekämpfung des Asiatischen Laubholz bockkäfers Anoplophora glabripennis in Deutschland. p Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (Hrsg.)(2007): Klimawandel und Insekten. Ursprünglich im Mittelmeerraum verbreitet, hat die Gottesanbeterin Mantis religiosa mittlerweile Mitteleuropa besiedelt (Foto: Thomas Ullrich) Martin Klatt (Diplom-Biologe) NABU Baden-Württemberg D - 70178 Stuttgart 3 0711 - 966 72 18 martin.klatt@ nabu-bw.de www.NABU-BW.de Natur & Garten April 2015 9 Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün Klimakatastrophen Die können das: Die Chance für heimische Wildpflanzen. Betrachtungen einiger Unglücksfälle 1. Katastrophe 2010. Das Dach vertrocknete fast komplett. Ist damit alles verloren? Vor dem Zusammenbruch 2010. Seit 1997 hat sich ein artenreiches differenziertes Wildblumendach ausgebildet. I m Sommer 2010 verdorrte unser Wild blumendach komplett. Doch bedeu tete das keinesfalls das Ende. In einem spannenden Prozess regenerierten sich die Pflanzen aus dem Wurzelstock der ver trockneten Stauden oder aus ihren Samen. Auffällig zunächst einmal, dass sich das Artenspektrum verändert. Es ist deutlich zugunsten von schnelllebigen Arten ver schoben: Natternkopf, Färberkamille oder Nachtkerze als Beispiel. Doch der 2011 do minant auftretende einjährige Hasenklee wird durch die aufstrebende Macht der mehrjährigen Konkurrenz wieder in sein Nischendasein gezwängt. Anspruchsvol lere Stauden wie Kartäusernelke, Ähriger Ehrenpreis, Scharfer Mauerpfeffer, Filzige Flockenblume, Gelbe Skabiose, Wundklee, Rauer Alant oder Pfirsichglockenblume kommen sichtbarer zum Zuge. Traumhaft: Noch nie war Wiesensalbei so stark auf dem Dach wie 2012! In keinem Jahr waren 10 Natur & Garten April 2015 1. Wiederaufbau 2012. Es beginnt gerade erneut bunt und artenreich zu werden. Astlose Graslilien derart prachtvoll! Dane ben gewinnen konkurrenzstarke Arten wie Tüpfeljohanniskraut, Wilder Majoran und sogar Ackerglockenblume Terrain. Zusam mengefasst schließt das 2. Jahr nach der Katastrophe mit einem deutlich bunteren, artenreicheren Bild ab. Es ist, als ob die Suk zession, die fortschreitende Veränderung vom Einfachen zum Komplizierten, von spontanen Ein- und Zweijährigen zur dau erhaften Gesellschaft Vieljähriger wieder langsam an Fahrt gewinnt. Als strebe es quasi einem Idealzustand zu, als wolle es in eine frühere Version zurückkehren, die vor der großen Dürre. Doch schon kommt der nächste Schlag! In der Julidürre 2013 ver trocknet das Dach zum 2. Mal. Erneut be ginnt ein Wiederaufbau. Einige Arten sind bevorteilt, andere im Nachteil. Doch mit dem nächsten Klimaschlag hatten selbst Zwiebeln Probleme. Denn nach dem in tensiven Sommerregen 2014 legte sich der absterbende Hasenklee übers Dach. Die gerade neu gekeimte Artenvielfalt drohte zu ersticken. Als Notmaßnahme wurde das Dach vorzeitig im August gemäht. Doch selbst nach diesem 3. Kollaps regenerierte sich das Dach erneut. Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün 2. Wiederaufbau 2013. Erneut überleben die Wildpflanzen. Aus Samen und Wurzeln treibt frisches Grün heraus. 3. Wiederaufbau 2014. Schon im September hat sich alles von alleine neu begrünt. Entweder aus den Wurzelstöcken der Stauden oder ihren Samen. 2015 könnte das Jahr des Natternkopfes werden. Falls nichts dazwischenkommt. Aber selbst w eitere Katastrophen werden überwunden: Wildpflanzen können das. Als Zwischenbericht lässt sich folgendes zusammenfassen: p Tendenz eindeutig zu anpassungsfähi gen Arten, darunter viele Ein- und Zwei jährige. Dazu kommen die Trockenheits spezialisten. pSukzession beginnt nach jeder Katastro phe wieder neu, Tendenz zu artenreiche ren stabileren Zuständen. pKlimawandel wird wieder und wieder zu schlagen pEs wird, massiver als je zuvor gekannt, von Zufall und Regengüssen in der rich tigen Woche abhängen, wie und was sich auf diesem Dach halten kann. Katastrophen sind natürlich, sie sind Teil der Evolution. Die Natur hält die Antwort auf Klimakatastrophen seit Millionen Jah ren bereit. Natürliche Lebensräume beherr schen alle Rezepte von Reparatur, Wieder herstellung, Erneuerung, ja sogar Heilung. Das jahrmillionenlang und millionenfach richtige Prinzip für klimatische Eskapaden ist das Prinzip Nachhaltigkeit. Die gezeig ten Katastrophen waren keine, weil pArten versammelt waren, die natürlich Trockenheit aushalten pdies heimische Wildpflanzen sind psie sich über den Wurzelstock regenerie ren können pihr Samenpotenzial auch Stressperioden abfedert Daraus erwachsen elementare Folgerun gen. Das Prinzip Vielfalt ist unabdingbare Voraussetzung für das Prinzip Nachhaltig keit. Naturgärtner sollten artenreich planen und alle Strategietypen und Wuchsformen verwenden. Genau genommen sind solche Katastrophen auch Chancen: pEine Katastrophe heißt natürliche Reini gung. Altes, Verbrauchtes, Unpassendes wird eliminiert, Neues bekommt Platz. Das gilt auch für Erkenntnisse, Gedanken und (Vor)Urteile. p Ein vertrocknetes Wildblumendach ist ein unglaublicher Erkenntnisgewinn, selbst wenn es optisch und psychisch erst mal eine Durststrecke sein mag. pKatastrophen wie Dürre oder Starkrege nereignisse sind eine Chance für Wild pflanzen! pKeine andere Gartenrichtung arbeitet so konsequent mit Wildpflanzen. pKeine andere Gartenrichtung berücksich tigt so stark Nachhaltigkeit, Dynamik und Veränderung. pKatastrophen sind eine Chance für Natur gärten und naturnahes Grün! pKatastrophen sind eine Chance für Natur gärtner! Hinweis: Der komplette Beitrag mit allen Bildern und ausführlichen Texten ist in der 4. Auflage von Nachhaltige Pflanzungen und Ansaaten zu finden, die im April 2015 erscheint. Literatur pHaeupler/Muer: Bildatlas der Farn- Und Blütenpflanzen Deutschlands, Ausgabe 2000 und 2007. Ulmer Verlag, Stuttgart. pWitt, Reinhard: Nachhaltige Pflanzungen und Ansaaten. Kräuter, Stauden, Sträu cher. Für Jahrzehnte erfolgreich, Natur garten Verlag, 4. Auflage 2015. Bezug Buchshop von www.reinhard-witt.de. pWitt, Reinhard: Natur für jeden Garten. 10 Schritte zum Natur-Erlebnis-Garten. Planung, Pflanzen, Tiere, Menschen, Pflege. Das Einsteigerbuch. Naturgar ten Verlag, 2013. Bezug Buchshop von www.reinhard-witt.de. Dr. Reinhard Witt Fachbetrieb für Naturnahes Grün – Empfohlen von Bioland D - 85570 Ottenhofen, 3 08121 - 46483 www.reinhard-witt.de Natur & Garten April 2015 11 Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün Starkregenereignisse und ihre Bedeutung für die Planung von Naturgärten D ie Geschäftsstelle des Naturgarten e.V. wurde am 13. August 2014 zum zweiten Mal geflutet. Grund: ein Starkregenereignis mit 20 bis 25 l/m². In der Nacht zum 27. Juli 2014 fallen in Kö nigswinter und Bonn 60 bis 80 Liter und im Keller des Kindergartens der Pauluskirche steht zum wiederholten Male Wasser. Das erste Ereignis hätte beinahe die Veröffent lichung des Programms der Naturgartenta ge verhindert, durch das zweite musste ich lernen, dass die Veränderung des Geländes allein Überschwemmungen im Gebäude manchmal nicht verhindern kann – mehr Mit steigenden Temperaturen wird es mehr Starkregenereignisse geben (gemeinfrei) 12 Natur & Garten April 2015 dazu weiter unten. Klimawandel war wie der einmal ein Thema, was meine professi onelle Arbeit intensiv beeinflusste. Alle, die Außenanlagen planen und bauen, werden sich in Zukunft vermehrt mit der Verhinde rung von Schäden durch Starkregenereig nissen beschäftigen müssen. Häufen sich Starkregenereignisse oder nur die Schäden durch Wolkenbrüche? Klimamodelle sagen voraus, dass der Kli mawandel zum vermehrten Auftreten von Starkregenereignissen führen wird. Sind wir also schon mitten drin im Klimawandel? Wenn wir die globale Mitteltemperatur, das Abschmelzen von Gletschern und des arktischen Eises, den Meeresspiegelanstieg betrachten, dann können wir diese Fragen bejahen. Aber ausgerechnet bei den Starkregenereignissen kann ein vermehrtes Auf treten kaum nachgewiesen werden, wenn gleich die Regenmenge in Deutschland in den letzten Jahren um ca. 10 % zugenom men hat. Wie passt das mit unser aller Erfahrung zusammen? Der Grund für unsere Wahr nehmung ist wohl, dass das Ausmaß der Links: In der Kita Niederkassel wird Regen wasser oberirdisch abgeleitet und steht den Kindern zum Spiel zur Verfügung Oben: Rinnen zur oberirdischen Regenwasser führung machen Wasser wieder erlebbar durch Starkregenereignisse verursachten Schäden zugenommen hat. So hat zwi schen 1997 und 2007 die versiegelte Fläche in den Städten um 20 % zugenommen, das bedeutet eben auch, dass durchschnittlich 20 % mehr Regenwasser, das in 1997 noch im Siedlungsraum versickern konnte, jetzt an der Oberfläche bleibt. Aber auch in der freien Landschaft nehmen versiegelte Flä chen durch den Anbau unter Folie rasant zu. Diese zunehmende Versiegelung ist bis dato wohl der Hauptgrund für die Zunahme der Schäden, zumindest im Siedlungsraum. Die Schäden durch Starkregenereignisse werden zunehmen Mit dem Klimawandel werden jedoch auch die Starkregenereignisse selber häufiger auftreten. So geht eine Studie des Gesamt verbandes der deutschen Versicherungs wirtschaft davon aus, dass Tage mit mehr als 25 mm Niederschlag (das ist eine mög liche Definition von „Starkregenereignis“, es gibt weitere, z. B. 30 mm) in den meisten Regionen bis zur Mitte des Jahrhunderts um ca. 30 % zunehmen werden. Die glei che Studie zeigt, dass die Schadenshöhe mit der Regenmenge je Starkregenereignis korrelliert. Schäden treten dann auf, wenn die Bemessungswerte nach DIN EN 752 – 2 Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün überschritten werden, also dann, wenn die Bauwerke zur Abführung des Regenwas sers versagen. Hier liegt die Herausforde rung für die Freianlagenplanung: Auch bei Versagen der Ableitung des Regenwassers Schäden, vor allem am Gebäude, so weit wie möglich zu verhindern. Ja, wo läuft das Wasser denn? Oberflächenwasser bei Starkregen Schäden sind dann zu befürchten, wenn das Regenwasser nicht mehr abgeleitet werden kann, das meiste Regenwasser also an der Geländeoberfläche bleibt. Denn bei einem Starkregen sind in den meisten Fäl len die Poren des Bodens nach kurzer Zeit mit Wasser gefüllt, Wasser kann nicht im Boden versickern. Aufgabe der Freiraum planung ist, das auf der Geländeoberflä che stehende oder fließende Wasser so zu führen, dass es nicht in Gebäude eintreten kann. Dies ist auch unter dem Aspekt wich tig, dass ja auch die Kanalisation überlastet ist und an der Rückstauebene, also an den Straßeneinläufen austritt. Straßen verwan deln sich bei Starkregen in (Ab-)Wasser wege. Wenn es im Bereich der Freianlagen Einläufe gibt, die mit der Kanalisation ver bunden sind und unter der Rückstauebene liegen, dann wird auch dort Abwasser aus treten, z. B. wenn Rückstauklappen nicht vorhanden sind oder versagen (letzteres war im Büro des Naturgarten e.V. der Fall.) Neben dem Eintritt von Oberflächen- und Abwasser in Gebäude sind bei Starkregen weitere Schäden an Grundstücken mög lich: Hangrutsche und Grundbrüche, Hin terspülen von Mauern, Überschwemmun gen an Fließgewässern, Geländeabbrüche an Gewässern. Besonders gefährdet sind nicht nur Grundstücke an Bächen und Flüs sen, sondern auch solche an Hanglagen und in Senken. Notwasserwege planen Ziel der Freianlagenplanung muss es also sein, Notwasserwege vorzusehen, die das Wasser von den Gebäuden wegführen und Orte der gefahrlosen Zwischenspeicherung zu planen, die das Wasser aufnehmen, bis die Kanalisation wieder aufnahmefähig ist und/oder Wasser wieder im Boden versi ckern kann. Schon im Rahmen der Grund lagenermittlung sollte deshalb über den Rand der zu beplanenden Fläche hinaus geschaut werden: Wie ist die topographi sche Lage? Wo wird Wasser fließen, wenn es nur an der Oberfläche abfließen kann? Oft haben Grundstücke „Wassereinzugsge biete“, die weit über die Fläche des Grund stücks hinausgehen. An Hängen und in Senken sollten abflusslose Situationen deshalb, wo möglich, vermieden werden. Wenn das nicht geht, sollten diese Berei che durch Aufkantungen/Wälle geschützt werden. Wenn Austritte unterhalb des Stra ßenniveaus liegen, dann sollte ebenfalls durch Wälle/ Aufkantungen dafür gesorgt werden, dass das aus den Straßeneinläufen austretende Wasser nicht zum Gebäude ge langen kann. Garageneinfahrten sind hier ein besonders kritischer Bereich. Schutz des Gebäudes vor eindringendem Regenwasser Nun haben wir an fast jedem Gebäude Kel lerschächte und Kellertreppen, typische ab flusslose Situationen und typische Stellen, Abflusslose Situation mit Kellerfenster ohne Beachtung der Regelwerke wo bei Starkregen Regen- oder Abwasser ins Gebäude eindringt. Hier sind funktio nierende Abläufe unabdingbar. Wenn die Abläufe unter der Rückstauebene liegen, sollten sie nicht an die Kanalisation ange schlossen sein, sondern in separate Rigolen entwässern. Zusätzlich sollte so geplant werden, dass auch bei Versagen der Ent wässerung bei einem Starkregenereignis die Regenmenge unterhalb der Türschwel le zwischengespeichert werden kann. Bei einem extremen Regenereignis fallen 80 – 100 l/m². Wenn ein Kellerschacht regel gerecht ausgebildet ist, also die GOK 15 cm tiefer liegt als die Unterkante des Fensters, dann können 150 l/m² zwischengespei chert werden. Bei einer Kellertreppe kommt natürlich noch die Fläche der Treppenstu fen dazu, da kann es dann bei einer Schwel le von 15 cm Höhe schon knapp werden. Hier hilft manchmal nur ein Regendach über dem Kellereingang, vor allem, wenn die Kellertür keine erhöhte Schwelle hat. Besonderer Planungsaufwand für barrierearme Austritte Wir sehen also: In abflusslosen Situationen sollte auf barrierefreie oder -arme Austrit te verzichtet werden. Der Anschluss der vorgeschriebenen Entwässerungsrinnen vor dem barrierearmen Austritt an die Ka nalisation sollte vermieden werden, selbst wenn der Einlauf über der Rückstauebene liegt. Denn bei einem Starkregenereignis füllen sich Grundleitungen und Regenfall rohre, eine Ableitung des Wassers ist nicht mehr möglich. Rigolen können dann in der Regel noch Wasser aufnehmen. Oft versu chen Bauherren, die Entwässerungseinrich Hier sind Probleme zu erwarten: Fallrohr neben barrierefreiem Austritt Natur & Garten April 2015 13 Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün Entwässerungseinrichtungen an Rigolen anzuschließen schützt vor Rückstau aus der Kanalisation tungen vor barrierearmen Austritten einzu sparen. Eine mögliche Argumentationshilfe ist die Berechnung des anfallenden Fassa denablaufwassers. Bei höheren Gebäuden kommen da beeindruckende Mengen zu sammen. Bei der hydraulischen Berech nung geht die Fassadenfläche mit dem Faktor 0,5 ein, auf dem laufenden Meter einer 10 m hohen Fassade fallen bei einem Jahrhundertregen (880 l/sec/ha)1, das sind 0,088 l/sec/ha in der Minute 26,4 l (in einer halben Stunde 792 l) an, die abgeführt wer den müssen. Die hydraulische Leistungsfä higkeit der Entwässerungsrinne muss der anfallenden Wassermenge entsprechen. Ausgesprochen ungünstig wirken sich Re genfallrohre neben barrierefreien Austritten oder neben Austritten in abflusslosen Situa tionen aus. Die DIN 1986-100 schreibt näm lich vor, dass jede Dachentwässerung über einen Notüberlauf verfügen muss. Die Ent wässerungssysteme nehmen nur die Regen mengen eines Regenereignisses mit zwei jähriger Wiederkehr auf (das sind z. B. 230 l/s/ha in Kiel oder 416 l/s/ha in Bad Tölz) auf. Darüber hinausgehende Regenmengen, z. B. bei einem hundertjährigen Ereignis, bei dem je nach Region bis zu 900 l/s/ha fallen, dürfen nicht in die Kanalisation eingeleitet werden. Bei Regenrinnen ist der Notüber lauf die vordere Kante. Und da die Rinnen ein Gefälle zum Fallrohr haben, laufen sie di rekt über den Fallrohren über. Zum „Wasser einzugsgebiet“ einer abflusslosen Situation mit Regenfallrohr kann also auch noch die Dachfläche gehören! Da helfen dann frei raumplanerische Maßnahmen nicht mehr weiter, hier muss das Regenfallrohr umge setzt werden. (Bei dem oben erwähnten Kindergarten war genau das der Fall.) 14 Natur & Garten April 2015 Naturnahe Versickerung Viele empfinden die Sichtbarkeit von Was ser in Versickerungseinrichtungen als be drohlich. Wie wir gesehen haben, schützt die Versickerung von Regenwasser auf dem Grundstück jedoch vor Schäden durch Star kregenereignisse. Gleichzeitig haben Versi ckerungseinrichtungen weitere Vorteile: pDie Überlastung der Kanalisation und der Vorfluter wird vermieden. p Regenwasser wird dem (in Zeiten des Klimawandels im Sommer besonders schützenswerten) Grundwasserkörper zugeführt. Im Naturgarten lassen wir das Regenwasser ungern unterirdisch „verschwinden“. Die oberirdische Führung von Regenwasser hat vielfältige Vorteile, vor allem, wenn die nur temporär gefüllte Versickerungsmulde mit einem Dauergewässer (Verdunstungsteich) kombiniert wird: pFeuchtbiotope fördern die Biodiversität im besiedelten Raum und schaffen Rück zugsbiotope für Arten, die kühlere Stand orte bevorzugen. pSie wirken abkühlend auf das Kleinklima. p Das Entstehen von Mückenmassenver mehrungen wird verhindert, da genü gend Mückenjäger (z. B. Libellenlarven) vorhanden sind. pIn Feuchtbiotopen wird CO2 gespeichert. Die oberirdische Ableitung des Regenwas sers bietet spannende Möglichkeiten der Freiflächengestaltung. Die entstehenden flachen Senken und Mulden nehmen nicht nur das Dachflächenwasser auf, sondern dienen gleichzeitig als Notwasserwege, wobei der Anschluss an die topographi sche Situation der Umgebung bedacht werden muss. Naturnahe Wegebefestigungen sind ver sickerungsoffen und belebt. Naturnahe Umgestaltungen, z. B. von Schulhöfen oder Kindergärten, beginnen in der Regel mit großflächigen Entsiegelungsmaßnahmen. In Zukunft wird unsere Arbeit noch wichti ger werden. Literatur: p Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (Hrsg): Extremwertstatistische Untersu chung von Starkniederschlägen in NRW, Recklinghausen 2010 pClimate Service Center: Machbarkeitsstu die „Starkregenrisiko 2050“-Abschluss bericht, Kooperationsprojekt des Gesamtverbandes der Deutschen Versiche rungswirtschaft e.V. (GDV) und des Climate Service Centers pReinhard Witt, Fritz Hilgenstock: Das Naturgartenbaubuch, Callwey p Paula Polak: Regenwasser im Garten nachhaltig nutzen, pala-Verlag p Ulrike Aufderheide: Schöne Wege im Naturgarten, pala Verlag (erscheint Früh jahr 2015) p DIN EN 12056-3: Schwerkraftentwässe rungsanlagen innerhalb von Gebäuden Teil 3 – Dachentwässerung, Planung und Bemessung pDIN 1986-100: Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke, Teil 100 – Zu sätzliche Bestimmungen zu DIN EN 752 und DIN EN 12056 pFachinformation ZVSHK: Bemessung von vorgehängten und innenliegenden Rin nen p DIN EN 752: Entwässerung außerhalb von Gebäuden 1 | Regenereignisse werden in den Einheiten [l/s/ha] angegeben Prävention Zum Schluss sei noch einmal erwähnt, dass naturnahe Bauweisen auch in anderer Hin sicht Schäden durch Starkregenereignisse verhindern: Dachbegrünungen mindern Abflussspit zen. Das wurde auch im Mittelmeerraum nachgewiesen, der ja jetzt schon Starkrege nereignisse in Trockenperioden kennt und damit ein ähnliches Klima hat, wie wir es in Mitteleuropa in den kommenden Jahr zehnten erwarten können. Ulrike Aufderheide, Diplom-Biologin, CALLUNA-naturnahe Garten+GrünPlanung, D - 53177 Bonn, 3 0228 - 326363 [email protected] www.calluna-naturgarten.de Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün Auswirkungen des Klimawandels auf das Öffentliche Grün Wie wird es zukünftig aussehen müssen? Veitshöchheimer Blütenzauber Das Klima Der Klimawandel steht nicht mehr vor der Tür, er steht schon in der Tür, wie Kölling (2007) richtig bemerkt. Der „Klimabericht Bayern“ stellt fest, dass es in Bayern bereits zu einer merklichen Änderung von wichti gen klimatischen Kenngrößen gekommen ist, die durch die natürliche Variabilität al lein nicht mehr erklärbar sind. Bei der mitt leren Lufttemperatur ist im Zeitraum von 1931 – 2010 ein Anstieg um 1,1 °C feststell bar. Wenn man nur die vergangenen zehn Jahre betrachtet, fällt der Temperaturan stieg noch höher aus. Die Niederschläge im hydrologischen Winterhalbjahr (November bis April) nahmen im gleichen Zeitraum um 22 % zu, während sie im hydrologischen Sommerhalbjahr (Mai bis Oktober) um 1 % abnahmen und in der Zukunft noch weiter abnehmen werden. Bis zur Jahr hundertmitte wird mit einer Abnahme von 10 % gerechnet. Damit verbunden ist eine zunehmende Zahl von Trockentagen mit weniger als 1 mm Niederschlag sowie die Zunahme von Trockenperioden, die länger als sieben Tage dauern. In Zusammenhang mit diesen Werten ist auch ein Anstieg der Sommertage und heißen Tage zu beobach ten. Im Gegenzug wird die Zahl der Frostund Eistage deutlich abnehmen. Mit diesen Änderungen einher geht die Verlängerung der Vegetationsperiode. Diese Trends sind in Süddeutschland genauso zu beobach ten wie in Norddeutschland, auch wenn die Werte im Detail unterschiedlich sind. Bei der standortgerechten Auswahl von Pflanzen reicht es nicht aus, nur die Licht verhältnisse und die Bodenart sowie die Bodeneigenschaften, chemisch als auch physikalisch, zu betrachten. Die örtlichen Klimaverhältnisse spielen eine entschei dende Rolle dabei, ob eine Pflanzung sich auf Dauer erfolgreich entwickeln wird. Zwar kann man z. B. mangelnde Niederschläge durch Zusatzbewässerung ausgleichen oder frostempfindliche Arten zusätzlich schützen, aber solche Maßnahmen laufen im Prinzip dem Gedanken einer standort gerechten und möglichst wenige Eingriffe erforderlichen Pflanzung zuwider. Ein weiteres Problem des Klimawandels sind Krankheiten und Schädlinge. Durch den zunehmenden Stress werden die Pflanzen geschwächt und stärker von Schwächeparasiten befallen. Insbesondere wärmeliebende Schädlinge, z. B. Eichen prozessionsspinner, vermehren sich stärker als früher. Andere Arten, wie z. B. die Pla tanenminiermotte, breiten sich seit Ende des 20. Jahrhunderts, ausgehend von Süd europa, rasch über ganz Mitteleuropa aus. (Schmidt, 2011) Natur & Garten April 2015 15 Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün Silbersommer Würzburg Öffentliches Grün Der beginnende Klimawandel hat nicht nur Auswirkungen auf die Pflanzenverwen dung, sondern auch auf die Anordnung, Zahl, Größe und Gestaltung der öffentli chen Grünanlagen. Die klimatologischen Funktionen, Schatten spenden und Ab kühlung, rücken stärker als in der Ver gangenheit in den Vordergrund. Das hat Konsequenzen sowohl für die Anordnung und Größe der Grünflächen als auch de ren Gestaltung. In Zukunft wird es wichtig sein, statt einzelner großer Grünflächen ein Netz von kleineren Grünanlagen zu schaf fen und diese zu Grüngürteln zu vernetzen. Ein messbares Eigenklima entsteht in Grün anlagen allerdings erst ab einer Größe von 1 ha. Der Wirkungsbereich in die Umge bung entspricht ungefähr 2 x der Freiraum Acer monspessulanum 16 Natur & Garten April 2015 grundfläche, maximal jedoch 200 – 400 m. Zwar haben größere Grünflächen bedingt durch das größere Grünvolumen einen höheren Abkühlungseffekt und einen wei teren Wirkungsbereich, dieser vergrößert sich allerdings nicht proportional, sondern bleibt in den o.a. Grenzen. Deshalb kann ein Netz von kleineren Grünflächen wir kungsvoller sein als einige wenige große. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass sich durch ein derartiges Netz für die Bewoh ner die Wege zu den Grünflächen verkür zen. An heißen Sommertagen ist das ein unschätzbarer Vorteil. Die Abkühlung in der Umgebung verringert sich, je dichter, höher und gleichförmiger die Bebauung ist. Eine lockere Bebauungsstruktur mit ho hem Grünanteil hingegen begünstigt die Abkühlung (Schneider, 2012) Nicht nur die Größe und Verteilung der Grünanlagen und Freiräume, sondern auch deren Gestaltung wird sich verändern müs sen. Bisher waren die Grünanlagen von ei nem Gehölzgürtel umschlossen, damit der Kernbereich geschützt war. Im Interesse einer möglichst hohen stadtklimatischen Wirkung wird man dieses Gestaltungsmus ter ändern müssen. Die Ränder sollten of fen gestaltet sein, um den Luftaustausch mit der angrenzenden Bebauung zu ver bessern. Bei der eigentlichen Bepflanzung ist ein ausgewogenes Verhältnis von Ge hölzflächen zu Rasenflächen anzustreben. Fraxinus pennsylvanica Bäume und Baumgruppen spenden zwar tagsüber den ersehnten Schatten und ent falten die stärkste Abkühlungswirkung am Nachmittag, behindern allerdings nachts den Luftaustausch. Rasenflächen hingegen bieten tagsüber keinen Schatten, dafür ha ben sie nachts einen starken Abkühlungs effekt sowie einen ungehinderten Luft austausch. Somit muss beides vorhanden sein – sowohl Baumhaine als auch offene Rasenflächen. Ergänzend bietet sich der Einsatz von Vegetationssubstraten mit er höhter Wasserspeicherkapazität an, wie es in Form von Baum- und Dachsubstraten bereits geschieht. Automatische Bewässe rungsanlagen verteilen das Wasser effektiv und halten die Vegetation über länger an dauernde Trockenperioden hinweg funkti onsfähig. Verdorrte Rasenflächen und weit gehend entlaubte Gehölze können keine abkühlende Wirkung mehr entfalten. Klimatisch günstig wirken sich auch Was serflächen und/oder Brunnen aus. Sehr gut wirken ebenfalls innerstädtische, naturnah gestaltete Wasserläufe. Ein gutes Beispiel dafür ist die renaturierte Isar in München. Neben den städtischen Grünanlagen steigt die Bedeutung von Fassaden-, Dach- sowie Hofbegrünungen, insbesondere in dicht bebauten Stadtteilen. Gut entwickelte und gesunde Straßenbäume sind wichtiger denn je. Ostrya carpinifolia Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün Versuchsbaumarten Klimahülle der Europäischen Lärche (Larix decidua) Quelle: Kölling Frosttoleranz „Stadtgrün 2021“ Winterhärte KLAM „-“ 1 Acer buergerianum Acer monspessulanum „++“ 2 Alnus x spaethii „ +„ 1 „+“ 1 Carpinus betulus Frans Fontaine Klimahülle der Sommer-Linde (Tilia platiphyllus) Quelle: Kölling Celtis australis „- -“ 3 Fraxinus ornus „++“ 4 Fraxinus pennsylvanica Summit „++“ 1 Ginkgo biloba (männl. Selektion) „+“ 2 Gleditsia triacanthos Skyline „++“ 2 Liquidambar styraciflua * „++“ 3 Magnolia kobus „++“ 2 Ostrya carpinifolia „+“ 1 Parrotia persica „+“ k. A. „++“ 2 ? 2 Quercus cerris Quercus frainetto Trump Quercus x hispanica Wageningen ? k. A. Sophora japonica Regent „-“ 2 Tilia tomentosa Brabant „-“ 2 Ulmus Lobel Zelkova serrata Green Vase „++“ 1 „-“ 2 * Schneebruchgefährdet Frosthärte der Versuchsbaumarten „Stadtgrün 2021“ im Vergleich mit den Angaben der KlimaArtenMatrix. Literatur p Bayerisches Landesamt für Umwelt (Hrsg.) (2012): Der Klimawandel in Bay ern. Auswertung regionaler Klimaprojek tionen, Klimabericht Bayern. p Kölling, C. (2007): Klimahüllen für 27 Waldbaumarten. Allgemeine Forstzeit schrift / Der Wald, 23, S. 1242-1245 p Kölling, C., Konnert, M., Schmidt, O. (2008): Wald- und Forstwirtschaft im Kli mawandel. 20 häufig gestellte Fragen. Allgemeine Forstzeitschrift / Der Wald, 15, S. 804 – 807 p Roloff, A.; Bärtels, A. (2008): Flora der Gehölze. 3. korrigierte Auflage, Verlag Eugen Ulmer (Stuttgart) pSchmidt, O. (2011): Neozoen an Gehölzen – Ausweitung der Verbreitungsgebiete wärmeliebender Insektenarten. Veits höchheimer Berichte aus der Landespfle ge, 152, S. 71–77 Art Land Niederschlag Mai – September (mm) Jahresdurchschnittstemperatur (°C) Tilia tomentosa Bulgarien 305 10,2 Pinus peuce Bulgarien 233 8,1 Fagus orientalis Türkei 230 10,6 Cedrus libani Türkei 104 9,7 Abies bornmuelleriana Türkei 213 8,4 Tsuga heterophylla USA k.A k.A. Herkunftsangaben und Klimaparameter der Versuchsbaumarten „Klip 18“ p Schneider, U. (2012): Klimawandelge rechter Ausbau von städtischen Grünflä chen. München, Vortrag pÖsterreichischer Verband für Bauwerks begrünung (Hrsg.) (2014): Grüne Bauwei sen für Städte der Zukunft. Leitfaden, 31 S. Download unter: http://www.gruen stadtklima.at/download/leitfaden_GSK. pdf Dr. Philipp Schönfeld c/o Bayerische Landes anstalt für Weinbau und Gartenbau, Abt. Landespflege D - 97209 Veitshöchheim 3 0931 - 9801-409 philipp.schoenfeld@ lwg.bayern.de www.lwg.bayern.de Natur & Garten April 2015 17 Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün Über 170 Teilnehmerinnen und Teilnehmer besuchten die Naturgartentage 2015 Heimisch oder nicht? Wie sollen die Artenlisten von naturnahen Pflanzungen für die Zukunft aussehen? Impulsreferat 1 Ohne fremdländische Arten wird es in Zukunft nicht mehr gehen. Viele heimische Pflanzenarten leiden unter den Folgen des Klimawandels. Die Zunah me der Sommertage und heißen Tage, die verringerten Sommerniederschläge und die längeren Trockenperioden (Tage mit weniger als 1 mm Niederschlag) setzen ihnen zu. Das betrifft vor allem Gehölze im Siedlungsraum, die herausgelöst aus ihrem Ökosystem, im „Lebensraum Stadt“ gepflanzt werden. Die auf diese Weise ge schwächten Arten werden dann anfällig für Schwächeparasiten und neue Schädlinge, deren Entwicklung bei uns durch den Kli mawandel begünstigt wird. Es stellt sich die Frage, welche Arten in Zukunft noch verwendbar sind. Eine Hilfestellung dazu geben die beiden folgenden Modelle KlimaArtenMatrix Roloff, Gillner und Bonn (2008) weisen in ihrer Untersuchung „Klimawandel und Ge hölze“ darauf hin, dass neben der Tempe raturerhöhung es immer noch Fröste und/ oder lange Winter sowie Spätfröste geben wird. Das Klima wird nicht einfach wärmer, sondern „erweitert“ sich um einige Klimaer scheinungen. Auf Grund der Ergebnisse ih rer Recherchen und unter Einbeziehung der „Lebensbereich der Gehölze“ nach Kiermei er (1995) haben sie v.a. unter den Aspekten Trockentoleranz und Winterhärte eine Kli 18 Natur & Garten April 2015 maArtenMatrix für Bäume, Sträucher und Kletterpflanzen aufgestellt. Aus den Listen lässt sich entnehmen, welche Arten in Zu kunft von den Klimaänderungen profitie ren werden, welche Arten diesbezüglich indifferent sind und welche Arten voraus sichtlich im Nachteil sein werden. Beim Versuch „Stadtgrün 2021“ der Bay erischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (Veitshöchheim) werden 20 zukunftsträchtige Straßenbaumarten seit 2009/2010 getestet. Der Vergleich dieser Versuchsergebnisse mit den Einstufungen von Roloff, Gillner und Bonn in Bezug auf Frosthärte zeigt keine völlige Übereinstim mung. Acer monspessulanum und Fraxinus ornus z. B. sind bisher im Versuch frosthärter als nach der Einstufung von Roloff. Bei den Arten Sophora japonica und Tilia tomentosa ist es genau umgekehrt. Das zeigt, dass neben umfangreicher und sorgfältiger Lite raturarbeit Versuche zur Überprüfung nach wie vor wichtig sind. Für die Stauden liegt eine vergleichbare Stu die nicht vor und ist wahrscheinlich auch nicht erforderlich. Sie sind deutlich kurzlebi ger als Gehölze und damit von den Klimaän derungen, die bis in z. B. 50 Jahren eintreten werden, kaum berührt. In den wichtigen Lebensbereichen Gehölz, Gehölzrand, Frei fläche und Beet wird man bei der Zunahme von Trockenperioden in der Vegetationspe riode wohl stärker auf Arten zurückgreifen müssen, die trockeneren Boden verlangen oder ertragen, also z. B. Arten aus dem Le bensbereich G1, GR1 oder FR1. Langfristig werden Arten wie Aconitum, Angelica, Lysimachia und Phlox paniculata zu den Arten gehören, die unter dem Klimawandel leiden und nur noch eingeschränkt verwendet werden können. Umgekehrt verbessern sich die Bedingungen für wärmeliebende Arten wie z. B. Achillea millefolium, Anthericum-Ar ten, Dianthus carthusianorum, Linum flavum, Pulsatilla vulgaris und Verbascum-Arten. Das gilt neben Einzelarten sinngemäß auch für die Staudenmischpflanzungen. Hier wer den die Mischungen für trockene Standorte langfristig im Vorteil sein. Die Staudenarten von eher trockenen Standorten reagieren meist empfindlich auf Winternässe. Bei der sich abzeichnenden Zunahme der Nieder schläge im hydrologischen Winterhalbjahr kann es schnell zu Nässeschäden und Pflan zenausfällen kommen. Für die Bodenvor bereitung ist es dementsprechend erfor derlich, neben einer guten Wasserkapazität des Bodens verstärkt auch auf eine entspre chende Wasserdurchlässigkeit zu achten. Das schließt die Wasserdurchlässigkeit des Untergrundes mit ein. Das gilt im Übrigen auch für Gehölze. Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün Verschiedene Staudenarten blühen inzwi schen deutlich früher als bisher. Das kann bei vielen Astern-Arten, Rudbeckia ‚Gold sturm‘, Phlox und Helenium beobachtet werden und trifft wahrscheinlich auch auf viele heimische Arten zu. Die Verlänge rung der Vegetationsperiode führt z. B. bei manchen Astern-Arten dazu, dass sie sich stärker als bisher versamen. Ähnliches gilt für viele Gräser. Besonders deutlich wird das bei Miscanthus. Das erfordert Anpas sungen in der Pflege, z. B. Rückschnitt zum Verzögern der Blüte oder rechtzeitiger Rückschnitt zur Verhinderung einer uner wünschten Versamung. Klimahüllen Für die Forstwissenschaft ist es sehr wich tig zu wissen, welche Baumarten sich unter den prognostizierten Klimaverhältnissen gut entwickeln werden. Hierfür hat Kölling (2007) die sogenannten Klimahüllen vorge stellt. Klimahüllen sind zweidimensionale Häufigkeitsverteilungen der Jahresnieder schlagssumme sowie der Jahresmitteltem peratur. Sie können für beliebige geogra fische Einheiten aber auch für die Areale von Baumarten dargestellt werden. Die Kli mahüllen geben eine erste Möglichkeit, das Klima innerhalb des natürlichen Ver breitungsgebiets der Baumarten mit dem gegenwärtigen und zukünftigen Klima in Deutschland zu vergleichen. Die Darstellung des gegenwärtigen Klimas basiert auf den Daten von 1950 – 2000. Die Darstellung des zukünftigen Klimas umfasst die Periode von 2071 – 2100 und beruht auf einem Szenario mit einer Temperaturerhöhung um 1,8 °C. Die Klimahüllen der einzelnen Baumarten zeigen einen unterschiedlichen Grad der Übereinstimmung mit den Klimahüllen des gegenwärtigen und zukünftigen Klimas. Nach diesem Modell werden in Zukunft südliche Arten wie Flaum-Eiche (Quercus pubescens) oder Edel-Kastanie (Castanea sativa) zu den Gewinnern zählen. Die in Mit teleuropa nach wie vor vorhandenen Win terfröste setzen dem Anbau solcher Arten allerdings Grenzen. Aber auch Feldahorn (Acer campestre), Trauben-Eiche (Quercus petraea), Rotbuche (Fagus sylvatica), Som mer-Linde (Tilia platiphyllos) oder SchwarzKiefer (Pinus nigra) können weiterhin guten Gewissens angebaut werden. Schwierig wird es für Baumarten mit nördlicher Ver breitung, z. B. Fichte, Tanne, Lärche, die an das zukünftige Klima schlecht angepasst sind. Ihr Anbau findet heute schon am Ran de ihrer klimatischen Möglichkeiten statt. Klimahüllen liegen bisher für 27 forstlich wichtige Baumarten vor. Es wäre hilfreich, wenn in Zukunft für noch mehr Baumarten diese Klimahüllen vorliegen würden. Darüber hinaus testet die Bayerische Lan desanstalt für Wald- und Forstwirtschaft im Rahmen des groß angelegten Versuchs „Versuchsanbauten mit wärme- und tro ckenheitstolerante Baumarten vor dem Hintergrund des Klimawandels“ (Klip 18) klimarelevante Gastbaumarten. Die Aus wahl der sechs Baumarten erfolgte auf Grund der Ergebnisse einer weltweiten Su che nach Klimaregionen, in welchen die für Bayern sowohl aktuellen als auch gemäß dem Szenario B1 prognostizierten Klima bedingungen herrschen. Fazit Die eben genannten Untersuchungen und Modelle sind erste Versuche, die Auswir kungen des Klimawandels auf die Pflanzenund insbesondere Gehölzverwendung ab zuschätzen und den Planern Hinweise zu geben für die Pflanzenauswahl. Die nächs ten Jahre und Jahrzehnte werden zeigen, in welchem Maße diese Prognosen und Empfehlungen der tatsächlich eintreten den Entwicklung entsprechen. Weitere Be obachtungen und Anpassungen sind erfor derlich. Kölling (2007) schlägt vor, weitere Klimakennwerte, die jahreszeitliche Ver teilung von Niederschlag und Temperatur sowie Bodeneigenschaften mit einzubezie hen. Für die Praktiker wäre es eine große Er leichterung, wenn es nicht mehrere Model le gäbe, sondern nur eins. Aber das ist wohl noch Zukunftsmusik … Dennoch wird es in Zukunft unumgänglich sein, bei der Pflan zenauswahl neben den klassischen Aus wahlkriterien die Klimafaktoren verstärkt zu berücksichtigen. Literatur p Bayerisches Landesamt für Umwelt (Hrsg.) (2012): Der Klimawandel in Bay ern. Auswertung regionaler Klimaprojek tionen, Klimabericht Bayern. pHeinze, W. und Schreiber, D. (1984): Eine neue Kartierung der Winterhärtezonen für Gehölze in Mitteleuropa. Mitteilun gen der Deutschen Dendrologischen Ge sellschaft, 75 pKiermeier, P. (1995): Die Lebensbereiche der Gehölze. 3. Auflage. Verlagsgesell schaft Grün ist Leben (Pinneberg) p Kölling, C. (2007): Klimahüllen für 27 Wald baumarten. Allgemeine Forstzeit schrift / Der Wald, 23, S. 1242-1245; Download der Klimahüllen unter folgen dem Link: http://www.lwf.bayern.de/ waldoekologie/standort-bodenschutz/ aktuell/2010/38038/index.php p Kölling, C., Konnert, M., Schmidt, O. (2008): Wald- und Forstwirtschaft im Kli mawandel. 20 häufig gestellte Fragen. Allgemeine Forstzeitschrift / Der Wald, 15, S. 804 – 807 pRoloff, A.; Gillner, S. und Bonn, S. (2008): Klimawandel und Gehölze. Sonderausga be Grün ist Leben, Hrsg.: Bund deutscher Baumschulen, 42 S. p Sippel-Boland, M. (2012): Wenn Stau den schwitzen. TASPO Magazin, Juni, S. 26 – 27 pSchmidt, O. (2011): Neozoen an Gehölzen – Ausweitung der Verbreitungsgebiete wärmeliebender Insektenarten. Veits höchheimer Berichte aus der Landespfle ge, 152, S. 71 – 77 pInternetseiten mit Informationen zu den Winterhärtezonen: http://www.stauden.de/winterhaerteund-frostvertraeglichkeit.html Winterhärte von Stauden: http://www. stauden.de/cms/kompetenzzeichen/ Frostvertraeglichkeit_alphabetisch.pdf Dr. Philipp Schönfeld c/o Bayerische Landes anstalt für Weinbau und Gartenbau, Abt. Landespflege D - 97209 Veitshöchheim 3 0931 - 9801-409 philipp.schoenfeld@ lwg.bayern.de www.lwg.bayern.de Natur & Garten April 2015 19 Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün Altbürger Zwergglockenblume. Seit Urzeiten heimisch und bei Wildbienen und Co. beliebt. Impulsreferat 2 Klimawandel verlangt … pGroße genetische Breite im pflanzlichen Erbgut, um auf wechselnde und unbe kannte Herausforderungen reagieren zu können: Die Verwendung von genetisch uniformen Sorten, wie bei Zierstauden üblich, ist kontraproduktiv. p Hohe Regenerationskraft ist nötig, um Verluste ausgleichen zu können: Pflan zen, die unfruchtbar sind und sich nicht über natürliche Aussaat vermehren kön nen, haben wenig Zukunft. pPflanzenplanung mit der Vielfalt der Stra tegietypen: R-, S-, C- Strategen: Gerade R-Strategen können durch Wiederausaat Ausfälle und Lücken in Pflanzungen und Ansaaten schließen. pArtenreiche Planung: Weil nicht vorher sehbar ist, was geschehen wird, ist eine artenreiche Lebensgemeinschaft stabiler als eine artenarme. Ausfälle können eher kompensiert werden. pVielfalt der Erscheinungsformen: Stand orte mit Ein- und Zweijährigen, Stauden, Gräsern, Farnen, Zwiebeln, Klein- und Großgehölze reagieren flexibler auf Ext reme. p Vielfalt der Lebensräume an einem Standort: Auch das gibt eine höhere Si cherheit gegen Extreme. p Vielfalt der Elemente und Strukturen: Blumenwiesen, Blumenrasen, Wildblu mensäume, Trockenmauern, Sumpfbee te, Naturteiche, unversiegelte Naturwege federn Extremereignisse für Flora und Fauna sanfter ab als Uniformität. pBevorzugung wärmeliebender Pflanzen: Sie halten Hitze und Dürre besser aus. 20 Natur & Garten April 2015 Neubürger Dalmatiner Glockenblume. Seit kurzem hierzulande und bei Wildbiene und Co. beliebt. pBevorzugung feuchter mit Regenwasser gespeister Standorte: Feuchtwiese, Na turteich, Sumpfbeet und Wassergraben tragen zur Kühlung im Siedlungsraum bei und fungieren als Ersatzbiotop verlo rener Naturlebensräume. Aktuell starke Veränderung der Flora von Deutschland Heimische Wildpflanzen weiterhin wichtig Die Flora von Deutschland verändert sich aktuell stark. Das zeigt ein Vergleich der zwi schen 2000 und 2007 neu aufgenommen Wildpflanzen in unserem Referenz- und Standardwerk Bildatlas der Farn- und Blüten pflanzen Deutschlands. Die nachfolgenden Tabellen geben einen begrenzten Einblick. pIndigene und archäophytische Arten ha ben Vorrang. pNicht nur für sich, sondern auch als Basis für die Tierwelt. Besonders bedeutend: regionale Herkunft (genetische Vielfalt). pUmstellung und Förderung auf heimisch, wo immer möglich: Gärten, Industrie, Schulhöfe etc. p Siedlungsraum übergeordnete Bedeu tung, potentielles Rückzugsgebiet pNaturnahes öffentliches Grün und Ver kehrsgrün besonders wichtig, wegen An passungsfähigkeit der Wildpflanzen und als Wanderwege für Tiere: Aktuell hinken Schmetterlinge 135 und Vögel 212 km hinter der Temperaturerhöhung her. Diese Auswahl ist eine Auflistung, keine Be wertung. Die Tabellen sagen nicht, was wir tun sollen, sie zeigen nur, was geschieht. Einige der Arten verwenden wir schon seit langem und mit großem Erfolg auch in Na turgärten wie etwa Dalmatiner Glockenblu me, Prächtige Königskerze, Kaukasischer Blaustern oder Blauminze. Mit anderen können wir uns aus ökologischen Grün den weniger anfreunden, etwa Amurschilf, Kanadischem Hartriegel oder Julianes Ber beritze, weil beispielsweise der heimische Vertreter Wilde Berberitze und Roter Hart riegel ökologisch wertvoller ist und engere Anpassungen unserer Wildtiere aufweisen. Neophytische Wildpflanzen immer wichtiger p Die Trennung zwischen indigen/archä opytisch (= heimisch) und neophytisch (= nicht heimisch) verliert an Relevanz. pNeophytische Arten werden an manchen Standorten zu Hauptakteuren, vor allem im Siedlungsraum und in durch den Kli mawandel gestörten Lebensräumen. pDarunter besonders viele wärmelieben de und anpassungsfähige Arten. pDas sollte in einer Naturgartenplanung mit berücksichtigt werden. Mit dem Klimawandel werden Zeiten des Chaos und der (Begriffs-)Verwirrung bezüglich der Wildpflanzen kommen: Beispiel Drüsige Kugeldistel Echinops sphaerocephalon pLaut Haeupler/Muer 2007: Archäopyt = heimische Pflanze pFloraweb des BfN: neuerdings invasiver Neophyt = nicht heimische Wildpflanze pArchäophyt kann nicht gleichzeitig Neo phyt sein pKönnen alteingebürgerte heimische Wild pflanzen plötzlich Probleme bereiten? pIn Teilen Baden Württembergs: aktuell ja Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün p Andererseits: Die bei Neophyten sehr scharfe und genaue Schweiz führt die Art weder auf der Schwarzen Liste der invasi ven Neophyten noch auf der Watch-Liste der potentiell gefährlichen Arten. pIn der Schweiz ist die Drüsige Kugeldistel sogar eine indigene Art und im Kanton Waadt eigens geschützt Mehr Flexibilität pPlanung, Bau und Nutzung von naturna hem Grün wird sich in Zukunft weniger auf Tradition gründen können. p Altbewährte Rezepte werden bei sich wandelnden Umweltbedingungen teil weise nutzlos sein. pBei der Pflanzenverwendung ist zukünf tig unabhängig von der Herkunft der jeweilige ökologische Wert für Tiere be sonders zu prüfen und von großer Be deutung für das Überleben unserer Wild tiere pDer Klimawandel sorgt zwingend dafür, dass allein jenes naturnahes Grün Be stand hat, das diesen Bedingungen an gepasst ist. p An die Adresse der Naturgartenprofis heißt das: mehr Offenheit für Neues. Literatur pHaeupler, Muer: Bildatlas der Farn- Und Blütenpflanzen Deutschlands, Ausgabe 2000 und 2007. Ulmer Verlag, Stuttgart. pWitt, Reinhard: Nachhaltige Pflanzungen und Ansaaten. Kräuter, Stauden, Sträu cher. Für Jahrzehnte erfolgreich, Natur garten Verlag, 4. Auflage 2015. Bezug Buchshop von www.reinhard-witt.de. pWitt, Reinhard: Natur für jeden Garten. 10 Schritte zum Natur-Erlebnis-Garten. Pla nung, Pflanzen, Tiere, Menschen, Pflege. Das Einsteigerbuch. Naturgarten Verlag, 2013. Bezug Buchshop von www.rein hard-witt.de. Dr. Reinhard Witt Fachbetrieb für Naturnahes Grün – Empfohlen von Bioland D - 85570 Ottenhofen, 3 08121 - 46483 www.reinhard-witt.de Neue Wildpflanzen Deutschlands: Neophyten Vergleich von Haeupler/Muer: Bildatlas der Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands. Ausgabe 2000 und 2007. Stauden Name Herkunft Arum italicum Italienischer Aronstab Mittelmeer Campanula poscharskyana Hängepolster-Glockenblume Balkan Campanula portenschlagiana Dalmatiner Glockenblume Balkan Cephalaria giganthea Riesen-Schuppenkopf Kaukasus Coreopsis lanceolata Lanzettblättriges Mädchenauge Nordamerika Dianthus gigantheus Riesennelke Östlicher Balkan Euphorbia myrsinities Warzenwolfsmilch Südeuropa Foenicum vulgare Fenchel Südeuropa Fumaria capreolata Rankender Erdrauch Mittelmeergebiet Iris pumila Zwergschwertlilie Südosteuropa Macleaya cordata Weißer Federmohn Japan, China Miscanthus sacchariflorus Amur-Schilf Ostasien Nepeta faassenii Blauminze Südeuropa Nepeta grandiflora Großblütige Katzenminze Kaukasus Nicotiana rustica Bauerntabak Südamerika Papaver atlanticum Marokko-Mohn Marokko Pontederia cordata Herzförmiges Hechtkraut Nordamerika Sedum caespitosum Rasige Fetthenne Südosteuropa Stachys byzantina Wollziest Kaukasus Verbascum speciosum Prächtige Königskerze Südosteuropa Veronica cymbalaria Zimbelkraut Mittelmeer Waldsteinia ternata Waldsteinie Südosteuropa Zwiebeln Name Herkunft Allium flavum Gelber Lauch Osteuropa Anemone apennina Apennin-Windröschen Südeuropa Anemone blanda Balkan-Windröschen Südosteuropa Crocus chrysanthus Kleiner Krokus Balkan Crocus sieberi Siebers Krokus Südosteuropa Crocus speciosus Prachtkrokus Türkei Galanthus elwesii Großblütiges Schneeglöckchen Südosteuropa Hyacinthoides italica Italienisches Hasenglöckchen Mittelmeer Scilla mitschenkoana Kaukasischer Blaustern Kaukasien Gehölze Name Herkunft Acer saccharinum Silberahorn Nordamerika Actinidia deliciosa Großfrüchtige Kiwi China Aristolochia macrophylla Amerikanische Pfeifenwinde Nordamerika Berberis julianae Julianes Berberitze Mittelchina Celastrus orbiculatus Rundblättriger Baumwürger Asien Clematis tangutica Mongolische Waldrebe Mongolei, China Cornus canadensis Kanadischer Hartriegel Ostasien, Nordamerika Corylus colurna Baumhasel Südosteuropa Crataegus pedicella Scharlachroter Weißdorn Nordamerika Ficus carica Feige Mittelmeer Natur & Garten April 2015 21 Naturerlebnisräume für Kinder und Jugendliche Tiengemeten – der schmuddeligste Naturspielort der Niederlande Hintergründe des Entstehens großer Naturspielräume in den Niederlanden Spiel- & Freiraumplanung und pädagogi schen Konzepten von Gemeinden, Schulen und Kindergärten. Die Arbeit der Stiftung Springzaad richtet sich darum in den kommenden Jahren auf Vertiefung und Qualitätssteigerung. Wäh rend der internationalen Karawane wurde deutlich, wo dabei das Potenzial liegt: vor allem mangelnde Biodiversität und das Fehlen von Material- & Raumangeboten für komplexes freies Spiel wurden vielerorts entdeckt. Naturschutzorganisation Natuurmonumenten und die Insel Tiengemeten Wasserspiele Seitdem ich zum letzten Mal im Jahr 2010 auf der Jahrestagung über die Entwicklungen auf dem Gebiet des Naturspielens berichtete, ist einiges passiert in den Niederlanden. Seit 2013 ist das ehemalige interdiszipli näre Netzwerk SPRINGZAAD für ‘alle, die sich einsetzten für mehr Raum für Natur und Kinder’ eine offizielle Stiftung. Mari anne van Lier und Willy Leufgen, Gründer und Herz des Netzwerkes (oder Myzeliums, wie sie es lieber nennen) ziehen sich seit dem langsam zurück. Sie übertragen ihre Aufgaben auf einen 8-köpfigen Vorstand, ein Sekretariat, regionale Konsulenten und viele andere aktive Pädagogen, Entwerfer, Landschaftsgärtner, Lehrer und Kindergärt ner, Beamte und andere Professionelle oder leidenschaftliche Laien. Ungefähr 400 Naturspielorte sind auf den interaktiven Spielnaturkarten der Spring 22 Natur & Garten April 2015 zaad-Internetseiten verzeichnet. Von kleinsten Spielplätzen bei Kindergärten und Schulen bis hin zu den großen Spiel wäldern des Staatsforstes. Öffentlich oder privat, mit oder ohne Öffnungszeiten, Ein trittsgeldern und Betreuern. Die Vielfalt ist inzwischen so groß, wie die Qualitätsan sprüche verschieden sind. Im September 2014 zog eine fast 40-köpfi ge internationale Spielnaturkarawane eine Woche lang durch die Niederlande, um sich ein Bild von dieser Vielfalt zu verschaffen und miteinander Erfahrungen und Ideen auszutauschen. Außer Springzaad gibt es zahlreiche andere mehr oder weniger professionelle Organi sationen, die sich mit den Thema Speelnatuur (= Spielnatur) beschäftigen. Qualitäts siegel, Branchenorganisationen, Märkte und Konferenzen. Speelnatuur ist ein fest verankerter Term im Sprachgebrauch von Auch die größte Naturschutzorganisation ‚Natuurmonumenten’ hat sich die Jugend als neue Zielgruppe auf die Fahnen ge schrieben. Während der großangelegten Werbekampagne für OERRR, einer Art Ju gendorganisation, haben sich innerhalb von zwei Jahren mehr als 195.000 Kinder angeschlossen. Ziel ist es hierbei vor allem, den veralternden Mitgliederstamm zu er gänzen durch junge Familien und Kinder. Interessant ist hierbei der beschworene Imagewandel: Naturerleben wird moderni siert und vom angestaubten Naturschutz stigma der ‚Wollsockenträger’ befreit. Die Botschaft: Natur ist ‚in’ und salonfähig auch für junge mode/trendbewusste moderne (sub)urbane Familien. Seit dem Jahr 1997 ist auch die Insel Tienge meten im Rhein/Maasdelta vollständig im Besitz von Natuurmonumenten. Tiengeme ten ist die letzte echte Insel im Delta, ohne Brücke, Tunnel oder Deichzugang. Seit un gefähr dem 17. Jahrhundert wuchs diese ehemalige Sandplatte durch kontinuierli che Einpolderung von den ursprünglichen ‚Tien’ = 10 ‚gemeten’ = ±0,5 ha, also 5 ha bis zur ihrer heutigen Größe von ca. 1000 ha. Durch die Jahrhunderte entwickelte sich Naturerlebnisräume für Kinder und Jugendliche hier eine reiche Landwirtschaftskultur. Vor allem Kartoffeln und Getreide wurden von den ungefähr 10 Inselbauern angebaut und per Schiff zu nahegelegenen Absatz märkten geliefert. Als diese Methode nicht mehr effizient war, wurden verschiedene Neunutzungen für die Insel geplant. Von Flughäfen, Schlammdepots oder großen Hafenbecken war die Rede. Schließlich be kam Natuurmonumenten den Zuschlag und wurde die Insel zum Naturschutzgebiet. Mittels Deichdurchstichen und großflächi gen Abgrabungen des Ackerbodens wur den die Ausgangsbedingungen geschaffen für die Entwicklung von sogenannter ‚Neuer Natur’. Die Insel wurde dabei in drei Zonen geteilt: Weemoed (=Wehmut) steht für den ältesten Polder, in dem durch eine Zorgboerderij (= Gehöft bewirtschaftet durch Pa tienten einer psychiatrischen Einrichtung) Landwirtschaft betrieben wird, so wie das am Beginn der Inselnutzung war. Weelde (= Üppigkeit) ist ein Inselteil, der jährlich während der hohen Wasserstände im Del ta unter Wasser gesetzt wird und in dem sich im Tempo natürlicher Sukzession ein Auwald entwickeln soll. Wildernis (= Wild nis) ist schließlich der Hauptteil der Insel, der sich unter dem Einfluss des täglichen Wechsels im Gezeitendelta, des Brachwas sers und einer großen Herde Schottischer Spaß an der Matschrutsche Matschkinder Entwurfzeichnung Hochlandrinder zu einem dynamischen Feuchtgebiet entwickelt, das vor allem ein Reservat für Wasser- und Wattvögel ist. Für den zuständigen Verwalter der Insel war das Einbeziehen von Kindern und Jugend lichen ein großes Anliegen. Die Fragestel lung war dabei: wie kann man für Kinder und Familien die Insel attraktiver machen und wie kann man sie für das spielerische Entdecken einheimischer Landschaft, Tiere und Pflanzen begeistern? Das besondere an der Inselnatur ist, dass diese auch abseits der Wege zugänglich ist. Was in den meisten anderen Naturschutz gebieten verboten ist, ist hier ausdrücklich erlaubt: das Streunen durch die Landschaft. Das Wasser schafft hierbei klare Voraus setzungen: wer nicht abenteuerlustig und entsprechend ausgerüstet ist, kommt nicht weiter als bis an die Ränder der Feucht gebiete. Hierdurch findet eine ‚natürliche Auslese’ statt und die empfindliche Gezei tennatur wird nur selten und durch echte Naturliebhaber besucht. Junge Familien gehören hier nicht dazu. Auch in den Niederlanden hält die Sorge um die Sicherheit und Gesundheit ihrer Kinder in Kombination mit wachsender Unkenntnis und Bequemlichkeit die aller meisten Familien davon ab, sich in freier Natur zu bewegen. Sonntagsausflüge kon zentrieren sich auf die Einrichtungen und Rundwanderwege in der Umgebung von Besucherzentren, Parkplätzen, Picknickan lagen und Waldspielplätzen. Andererseits wächst ein Bewusstsein für die positiven Einflüsse von Natur und freiem Spiel auf die Entwicklung von Kindern. SN10G = Speelnatuur Tiengemeten 4,5 ha feuchte Spiellandschaft Speelnatuur (= Spielnatur) ist ein Konzept, das hierfür entwickelt ist: Naturnahe Spiel gelände, die ausgehend von den Bedürf nissen von Kindern und Eltern/Begleitern angelegt und gepflegt werden. Je nach Ausgangssituation und Ambition der Trä ger/Betreiber handelt es sich um mehr oder weniger gestaltete, naturnahe und abenteuerliche Spielräume. Mit oder ohne Zaun und Öffnungszeiten, sanitären oder gastronomischen Einrichtungen, Betreuern und Programm. Für die Insel Tiengemeten entschied sich der Auftraggeber für die Intensiv-Variante: ein 4,5 ha großes Gelände mit pumpge steuertem Wasserspiel, einem Empfangs gebäude mit sanitären Einrichtungen und mehreren anwesenden ehrenamtlichen Gastfrauen/herren, Erste Hilfe-Posten und Kiosk. Das Gelände ist umzäunt und die Eintrittspreise orientieren sich an denen anderer Tagesausflugsziele. Natur & Garten April 2015 23 Naturerlebnisräume für Kinder und Jugendliche Die Ausstattung des Spielgeländes an sich überrascht dann eher: es gibt kein einzi ges vorgefertigtes Spielgerät und nur we nige, meist funktionale Bauwerke. Die in die Landschaft gefügten Elemente dienen dazu, einen längeren Aufenthalt mög lich und angenehm zu machen. Es gibt eine massive Schutzhütte mit Feuerstelle, Trinkwasserhähne, Freiluftduschen und Umkleidekabinen, dazu eine möblierte Terrasse am Haus beim Kaffeeautomaten und viele Picknick- und Sitzbänke im Ge lände. Für das Spiel der Kinder gibt es vor allem ganz viel Raum in einer kleinteiligen, abenteuerlichen Spiellandschaft voll von verschiedensten Wasserläufen, Hügeln und Kanaltunneln, Blumen, Gehölzen, Wasser pflanzen, Wildnis und reichhaltigem Bau material: Äste und Pflöcke, Seile, Kanister, Bojen, Mörtelwannen. Gespielt wird mit Wasser und Schlamm, Fröschen und Würmern, selbstgebauten Wasserfahrzeugen, Hütten und Blumen. Dabei wird so manche folgenschwere Ent deckung gemacht, wie z. B. die, dass Wasser auf Erdhang zu Rutschvergnügen führt und vielfaches Rutschvergnügen die Landschaft einschneidend, besser ’einrutschend’ ver ändert … Die (Groß-)Eltern bauen mit, fotografieren, sitzen zeitunglesend neben dem Esskorb an der Picknickbank oder liegen im Gras. Übersicht Insel SN10G 2012 – 2014 50.000 Besucher zwischen Blumensee und Schlammkuhle SN10G (eine schicke Abkürzung für Speelnatuur 10-gemeten) öffnete im Juni 2012 ihre Tore. Seitdem haben mehr als 50.000 Kinder, (Groß-)Eltern, Lehrer u. a. die Spiel landschaft besucht. Eine Gruppe von bei nahe 50 ehrenamtlichen Helfern kümmert sich um den täglichen Service, Sanitär und erste Hilfe, die Pflege der Landschaft, die organisierten Aktivitäten und empfängt Klassenfahrten. Das Gelände ist jährlich geöffnet von An fang April bis Ende Oktober, an den schul freien Mittwochnachmittagen, den Wo chenenden und in den Schulferien täglich. Natuurmonumenten führt regelmäßig brei te Werbekampagnen durch, um noch mehr Menschen auf die Insel zu locken. Die Insel ist ein Modellprojekt und soll die Frage klä ren, inwiefern Naturschutz finanzierbar ist aus Geldern von Besuchern. Das Gelände wurde im März 2012 mit 42 kg Saat der Firma www.cruydthoeck.nl einge sät. Hierfür ist ein detaillierter Einsaatplan in Zusammenarbeit mit Gerrit Roukens und Reinhard Witt erstellt worden. Die Einsaat erfolgte per Hand und Harke durch beina he 20 freiwillige Helfer und die Teilnehmer eines eigens organisierten Workshops un ter Leitung von Reinhard Witt. Ich könnte hier noch viel erzählen über den langen Weg von der ersten Geländebege hung, die ersten Kinderwünsche in Sand kästen gebaut, unerwartete Wendungen im Baugeschehen, die fantastischen ehren amtlichen Mitarbeiter, die erste Orchidee, die wunderbare Symbiose von Sandbienen und schlammrutschenden Kindern bis zum täglichen sommerlichen Spielvergnügen, voll Anekdoten und Aha-Erlebnissen. Das aber tue ich am liebsten vor Ort, Anruf genügt. Blühendes Gelände Juni 2014 Bachlauf 24 Natur & Garten April 2015 Sigrun Lobst Landschaftsarchitektin AARDRIJK, Vorstand SPRINGZAAD NL - 3022 LL Rotterdam 3 +31-(0)10-437 22 78 3 +31-(0)6 18014237 [email protected] aardrijk-sigrunlobst.nl Naturerlebnisräume für Kinder und Jugendliche Flüchtige, kaum greifbare Lebensphase von Jugendlichen Rechtzeitige Sicherung von attraktiven Freiräumen in Wohnungsnähe / Fokus Jugendliche U m einen 45-minütigen Einblick in meine Arbeit zu geben, erläutere ich den Kern von Naturnahen Spiel räumen und von Wohnumfeld-Planungen wie der Spielleitplanung. Es folgt eine Be schreibung der eigentlich nicht greifbaren Nutzergruppe der Jugendlichen und mei ne Erfahrungen mit deren Verhaltenswei sen. Ich versuche Ihnen in Kürze die Frage zu beantworten, was für Jugendliche im Wohnumfeld bedeutsam ist und wie man Jugendliche heute ggf. beteiligen kann. Auf der anderen Seite scheint mir wichtig, Ihre Aufmerksamkeit auf die Gesundheitsförde rung durch Freiräume auch für Jugendliche zu lenken. Zuletzt schildere ich, wie es zum Thema Freiräume und (jugendliche) Men schen weitergeht. Naturnahe Spielräume sind ähnlich den auf Bundesebene per Gesetz eingeführten „Na turerfahrungsräumen“, unterliegen jedoch dem pragmatischen Ziel, so attraktiv wie möglich zu sein. Sie sollen einer Mehrheit von Menschen zur Gesundheitsförderung dienen und zu einer Wertschätzung von Natur beitragen. D. h. sie sind hinreichend zu gestalten und zu pflegen. Der Naturnahe Spielraum „Paradies“, die Modellfläche, anhand der ich vieles de monstriere, ist eine „öffentliche Grünflä che“ mit der besonderen Zweckbestim mung „Naturnaher Spielraum“. Dieser ist (s. nähere Definition und Erläuterung in der Bauleitplanung) im Wesentlichen eine Brachfläche mit vielfältigen Teilräumen und Vegetationsstadien, die insbesondere im Hinblick auf die Anwohner, aber auch die benachbarten Schulen auf dem kürzesten Weg erreichbar ist, eine große Erlebnis- und Nutzungsvielfalt aufweist, gestaltbar ist, ausreichend Rückzugsräume enthält sowie dem Sicherheitsbedürfnis der Menschen gerecht wird. Zur Klärung: Ein Naturnaher Spielraum sieht aus wie eine „Wildnisfläche“, wird aber intensiv gepflegt und kontrolliert. Er ist „Öffentliche Grünfläche“, aber sehr viel gepflegter und betreuter als die meisten heutigen Grünflächen. Es ist ein „Garten“, wird aber auf großen Teilen der Flächen selbstbestimmt bespielt und nicht nur „beschaut“. Es ist ein ausgewiesener Spielraum, weist aber bestenfalls keine konventionellen Spielgeräte auf. Das „Paradies“ ist ein Modell gegen die be stehende Praxis der Grünflächenplanung, -pflege und -entwicklung. Es wird nach einem Pflege- und Entwicklungsplan, ent sprechend zugeteilter Zuständigkeiten und unter einer möglichst hohen Beteili gung gepflegt. Das Ehrenamt unterstützt bis heute seine Entwicklung, da es immer wieder zu großen Verzögerungen bei den Pflegemaßnahmen kommt. Die Dauerpfle ge wie Mahd und Rückschnitt sowie viele temporäre Aufgaben werden in der Regel vom städtischen Bauhof vorgenommen. Das Paradies ist ein Vorbild für Kommunen, die 1. die Lebensqualität Ihrer Wohnbe reiche für 6 – 12-Jährige und auch Ältere nachhaltig verbessern, 2. etwas zur nach haltigen Gesundheitsförderung und 3. zur nachhaltigen Umweltbildung und 4. zur Biodiversität und zum Klimaschutz beitra gen wollen. Es zeigt die Machbarkeit eines Konzeptes, was alle heutigen Anforderun gen (z. B. Sicherheit) bedient. Anhand des Modells können detaillierte Aufwandsermittlungen für ausreichend at traktive Freiräume stattfinden. Natur & Garten April 2015 25 Naturerlebnisräume für Kinder und Jugendliche Modellfläche mit vielfältigen Räumen, Wegen, Erlebnisangeboten Bei verschiedenen Anlässen sieht man Kinder mit Verkleidungen Zu der Frage nach der Nutzung durch Ju gendliche: Die Nutzergruppe der Jugend lichen ist inhomogen und eine kurzfristige Erscheinung. Dennoch sollte die jeweils be stehende Jugendlichen-Generation in ner halb der Freiraumplanung und der städte baulichen Planung Berücksichtigung finden. Wenige bauen in großer Gruppe ein ei genes Bauwerk, schleppen Material zu sammen, bauen etwas, beteiligen sich bei Pflanzungen, bei der Anlage von Pflanzun gen, übernehmen Patenpflanzen. In Einzel fällen führen Sie Begräbnisse für ihr „Lieb lingstier“ durch oder sammeln Obst für Kuchen, Marmeladen, Süßspeisen. Einzelne bauen so etwas wie ein Kunstwerk. Im Prin zip machen sie also das weiter, was auch die jüngeren Besucher gerne machen. Das wenige Erlebte hinterlässt aber oft bleiben den Eindruck, was ich von den Besuchen ehemaliger „Paradies“-Kinder ableite. Bezüglich der Jugendlichen-Nutzung ver hält es sich im Wohnumfeld ähnlich wie in einem Spielraum. Man kann die Nutzung nicht planen, kann aber mit Glück oder auch durch eine qualifizierte Beteiligung das aufgreifen, was Teile der Jugendlichen gerade bewegt. Dabei kommt es nicht so sehr darauf an, wie sich der Freiraum für die Jugendlichen ändert, sondern wie man eine halbwegs vernünftige Kommunikati on ohne bleibende „Fehlkonstruktionen“ vor Ort zustande bringt. Man muss sie nämlich gleichzeitig respektieren und ach ten, andererseits muss man ihre Wünsche und Anregungen als das annehmen, was sie sind: eine vorübergehende Äußerung, ein Versuch, ernstgenommen zu werden, ein Versuch zu kommunizieren, ohne damit ausgefahrene Pfade zu betreten. Aufwand: Für Jugendliche muss man in ei nem Spielraum und im Wohnumfeld im Ver gleich mehr Zeit als für die 6 – 12-Jährigen aufwenden, insbesondere, wenn sie in jün geren Jahren oder durch die Familiensitua tion sich selbst überlassen waren oder sind. Sie haben die Kraft und manchmal den Wil len, schwere Elemente zu bewegen, was aus Sicherheitsgründen ggf. wieder rück gängig gemacht werden muss. Sie suchen manchmal die Herausforderung, also Berei che im Gelände, die gewisse Risiken bieten. Manchmal verwüsten sie etwas im Anfall von Aggression oder auch Verzweiflung. Sie zwingen den Träger bzw. die Aufsichts personen, immer wachsam zu sein, um re gulierend eingreifen zu können. Unvermeidbarer Einsatz: Die Unkalkulier barkeit der Jugendlichen hängt mit ihrer Entwicklung zusammen und muss in den meisten Fällen hingenommen werden. Es hat meines Erachtens keinen Zweck, Ju gendliche auszusperren oder sie zu stark zu reglementieren. Man muss sie so anneh men, wie sie sind und sich mit Ihnen aus Im Paradies war wahrnehmbar: Jugendli che nehmen ihre Umgebung nur indirekt wahr. Eine naturnahe Umgebung scheint in ihrer Lebensphase eher nebensächlich, manchmal irrelevant. Die meisten Jugendlichen legen aber Wert auf Sicherheit und auf Sauberkeit, auch wenn sie selbst oder ihre Altersgenossen immer wieder selbst zur Vermüllung beitra gen. Manchmal stehen massive Bewegungen wie waghalsige Klettereien, Hetzjagden, Sprünge, sonstige Kunststücke, Kraftpro ben im Vordergrund. Manchmal sitzen sie, „lümmeln“ sich, chillen, bzw. „hängen“ ab. In unüberschaubaren Bereichen sammeln sie ihre ersten sexuellen Erfahrungen. 26 Natur & Garten April 2015 „Botschaftsgarten“ zum intensiven Kennenlernen von „Allerweltspflanzen“ Naturerlebnisräume für Kinder und Jugendliche Temporäre Gestelle laden zum Weiterbau ein Tierfriedhof – aufwendig, aber magnetisch Transportfahrzeuge sind dringend notwendig und sehr beliebt einandersetzen. Nur in Ausnahmefällen, wenn Jugendliche sich selbst oder andere zu stark gefährden, muss man Polizei oder Jugendamt u. ä. hinzuziehen. Eine späte re Aussöhnung sollte gelingen. Um den Handlungsbedarf einschätzen zu können, muss man sich selbst Erfahrungen und ein dickes Fell beschaffen. Oder erfahrene So zialpädagogen und Haftungssachverstän dige hinzuziehen. Meine Erfahrungen und Verbindung zur Handhabung können ge nutzt werden (auch 0176 - 83017868). Jugendlichen insgesamt positive Eindrü cke über die Freiräume zurückbleiben. Also dass sie sich gerne an einen Raum, eine Zeit, an Leute erinnern. Man sollte angemessene Gestaltungsmög lichkeiten für Jugendliche anbieten, wenn nachgefragt wird. Was man als Mindestausstattung für Ju gendliche in großen Freiräumen und auch im Wohnumfeld ansehen kann: pVerschiedene Treffmöglichkeiten mit einfachen Einrichtungen, sich zu setzen, sich zurückzuziehen oder auch etwas zu überblicken. Diese sollte man dauernd sauber und sicher halten, sonst werden sie nicht mehr hinreichend genutzt. pMöglichkeiten für starke Bewegung (wie Ballspielplätze, Skateplätze, Kleinspielfel der u. ä.) pMöglichkeiten, sich auszuprobieren (Ba lancieren, Hangeln, Kletterparcours u. ä.) Die Wahrnehmung von Pflanzen und Tie ren ist Zufallsprodukt. Als betreuender Er wachsener wird man (nebenbei) beobach tet. Man zieht Schlüsse aus dem, was man sieht. Ob man sich „achtvoll“ oder „achtlos“ verhält: Es setzt sich später bei den jungen Menschen fort. Gelegenheiten zum Kennenlernen von Natur gibt es bei Jugendlichen eher nicht. Ein Hinführen und Begleiten sollte man in Bröckchen mit jüngeren Schülern ab 6 Jah re praktizieren. Wichtig ist, dass auch bei Gesundheitliche Förderung Obwohl eine Handhabung der Nutzung durch Jugendliche zeit- und kraftzehrend ist, lohnt es sich im Hinblick auf die Ge sundheit der Jugendlichen sehr wohl, ihnen ausreichend attraktive Freiräume zu bieten. Sie erlangen wie auch die jün geren Kinder und Erwachsene durch eine alltägliche Nutzung von Freiräumen Wider standskraft (s. Resilienz). Freiräume haben entspannende und gleich zeitig reizende Wirkung. Depressionen wie Aggressionen können abgefedert werden. Wenn Jugendliche sich hinreichend selbstbestimmt bewegen, bzw. sich durch Natur oder auch durch ein Treffen mit anderen Menschen stimulieren lassen, sind sie stabiler. Möglichst vermeiden oder zumindest hin terfragen sollte man kommunale Vorge henswesen, Ereignisse wie pGrößere Investitionen für vorübergehen de Wünsche, die zu Elementen führen, die nicht dem Bedarf entsprechen und die eine Kommune nicht hinreichend pflegen kann, pweitere Planlosigkeit im Hinblick auf die Bedarfe aller Altersgruppen und im Hin blick auf die verschiedensten Freiräume, pweitere „Verhässlichungen“ durch falsche Schnittmaßnahmen, durch „Vermüllung“, p weiterer Verlust von strukturierenden Elementen aus der Vornutzung, pweitere Konsumangebote in Form von Spielfesten, Events zur Darstellung der Politik. Ausblick, Resümee Es laufen mehrere Forschungsvorhaben, durch die man versucht, die Wirksamkeit von geeigneten Freiräumen für den Men schen zu ermitteln. Ich versuche, Planer und Humanexperten zusammenzuführen. Es gibt kaum Rezepte zum Umgang und zur Beteiligung von Jugendlichen. Bei neuen Projekten sollten qualifizierte Grünpfleger evtl. mit Sozialpädagogen zusammenar beiten. Die Umweltbildung in Form eines direkten Kennenlernens von Natur sollte möglichst früh einsetzen. Für das Alter ab 12 Jahre aufwärts kann man keine merk lichen Effekte bzgl. einer Umweltbildung erwarten. Kommunen sollten Jugendlichen aber machbare Möglichkeiten einer Betei ligung an politischen Beratungen, an Ge staltungsmaßnahmen einräumen. Bedingt kann man Jugendlichen auch Verantwor tung übertragen, sollte aber ein Scheitern, ein rasches Abspringen einkalkulieren. Der Erfolg kann schon darin liegen, dass man Gesprächspartner bleibt. Ein völliges Schei tern von Kontakten mit Jugendlichen darf eigentlich nicht passieren. Henriette Degünther Dipl.-Ing. für Grün- und Landschaftsplanung Interessengemeinschaft „Mensch-NaturSiedlungsraum“ D - 55276 Oppenheim 3 0176 - 830 178 68 [email protected] Natur & Garten April 2015 27 Naturerlebnisräume für Kinder und Jugendliche Im Innenhof unserer Schule bauten einige Schülerinnen und Schüler unserer Schü lerfirma „Gaflo“ zusammen mit anderen Mitschülern und unserem Kooperations partner, dem Galabau-Betrieb Banzhaf, den bereits vorhandenen Betonbrunnen zum Alpinum um. Dort konnten sich in den letzten Jahren schon viele verschiedene Pflanzen- und Tierarten ansiedeln und un ter unserer weiteren Pflege wachsen und gedeihen. Vor den naturwissenschaftlichen Fach räumen legten wir zusammen mit den Schülern und Schülerinnen aus dem Wahl pflichtbereich Naturwissenschaften inner halb der Unterrichtseinheit „Wiese“ eine Wildwiese an, auf der sich mittlerweile viele Wildkräuter ausbreiten. Naturerlebnisräume für Kinder und Jugendliche Die Gesamtschule Bockmühle „wohnt“ und lernt natürlich Unser Feuchtbiotop W ir, die Schülerinnen und Schüler der Arbeitsgemeinschaft „Na tur und Garten“ der städtischen Gesamtschule Bockmühle versuchen im Schulgarten und in einem Teil unseres of fenen Schulgeländes mit vielen verschie denen Projekten naturnah zu gärtnern und dabei „Vielfalt“ zu schaffen, seit dem Jahr 2000 zusammen mit unserer Schülerfirma „Gaflo“, Gartenbau und Floristik. Mit Steinen, Sandplätzen, Tonscherben haufen, Trockenmauern, modernden Holz stämmen, Schnittholzhaufen, Hecken, Kräutern, Hügeln, Mulden, Gewässern und an deren Gartenelementen bieten wir Lebens raum für viele Tiere und Pflanzenarten. 28 Natur & Garten April 2015 Wir bauten und bauen für Nützlinge, wie z. B. Wildbienen, „Wohnungen“, die wir dann im Schulgarten und im Schulgelände auf hängen und aufstellen. Mit Informations tafeln und verschiedenen Aktionen, unter anderem mit einem Infostand auf den letz ten drei Umweltjahrmärkten in Essen, ver suchen wir die Bevölkerung und Mitschü ler und Mitschülerinnen über die wichtige Bedeutung dieser Tiere und Pflanzen für die Umwelt aufzuklären. Wir möchten er reichen, dass Leute, die unsere Aktionen sehen und unsere Informationstafeln lesen, sich vielleicht auch in ihrem Garten oder in ihrer Umgebung mehr um diese nützlichen Tiere kümmern. Unser „Gaflo“ -Haus versuchen wir mit ver schiedenen Kletterpflanzen zu begrünen. Den Hang vor unserem Schülerfirmenhaus haben wir mit naturnahen Elementen be festigt. Mit senkrechten und waagerech ten Baumstämmen, sowie mit einer Tro ckenmauer als Lebensraum für viele Tiere und Pflanzen. Statt ein Geländer zu bauen, pflanzten wir an der oberen Kante des Han ges 26 verschiedene kleine Bäume an, die wir immer in Schulterhöhe als Hecke be schneiden. Mit entsprechender Beschilde rung gestalteten wir daraus einen kleinen Baumlehrpfad. Im gesamten Schulgelände versuchen wir ebenfalls einen Baumlehrpfad anzulegen, mittlerweile sind über 40 verschiedene Baumarten in unserem Gelände vorhan den. In den letzten Jahren konnten wir mit den Schülern und Schülerinnen, dank Sponsorengeldern, ca. 20 neue Bäume und sehr viele Sträucher und Stauden anpflan zen. Leider wurden davon immer wieder einige entwendet oder auch zerstört. Aber unser Motto ist: „Wir geben nicht auf“. Unseren Schulgarten gestalten wir schon seit vielen Jahren naturnah mit einfachen Mitteln. Die Mitglieder der AG Natur und Garten haben von Anfang an leere Fla schen gesammelt und eingelöst, Taschen gelder gespendet, selbst gebastelte Ge genstände an Aktionstagen verkauft, um von den Erträgen Naturschutz-Projekte zu verwirklichen. Naturerlebnisräume für Kinder und Jugendliche Brunnen / Alpinum Von dem ersten, auf diese Weise angespar ten Geld konnten wir Teichfolie für unseren Schulgartenteich kaufen. Wir legten dann nach und nach ein Feuchtbiotop an, in dem unter anderem Molche, Grasfrösche, Li bellen- und Köcherfliegenlarven und viele andere Tiere und Pflanzen ohne Teichpum pe in einem ökologischen Gleichgewicht leben. Wir haben einen 1000 Liter Wasser tank in die Erde eingelassen, um Regen wasser aufzufangen, das wir dann mit einer Schwengelpumpe heraufbefördern wollen, um es anschließend zum Gießen benutzen zu können. Unsere Wege im Schulgarten haben die AG Schüler und Schülerinnen mit ausgedienten Gehwegplatten, die wir vom benachbarten Kindergarten bekommen hatten, selber gepflastert. Dafür wurden diese Platten erst mit einem Hammer zer teilt und dann bruchsteinartig aneinander Mit Schülern für die Pausen erbautes Aufenthaltshäuschen gelegt, so dass sich in den Zwischenräu men wieder Pflanzen ansiedeln können. Für Wegbegrenzungen wurden auch Baum stümpfe eingesetzt als Kleinbiotope für viele Tiere und Pflanzen. Wir gestalteten ein „Grünes Klassenzimmer“, in dem alle Schü ler und Schülerinnen die Vielfalt der Natur hautnah erleben und erkunden können. Schule und Natur – die Brombeermarmelade lockt Unser Schulgarten wird von vielen als ein kleines Paradies bezeichnet. Rund um unser großes Schulgebäude gibt es vie le Grünflächen. Unser naturnaher Garten bildet jedoch ein ganz eigenes Reich mit einem Teich, vielen verschlungenen We gen und mehreren Sitznischen, duftenden Blumen, schwirrenden Insekten und vielen anderen Tieren. Ein dichtes Laubdach von sehr hohen Sil berweiden spendet Schatten über Tischen und Bänken. Für viele Schüler ist der Garten ein Rückzugsort. Sie können sich dort in den Pausen entspannen, sie können aber auch forschen, bauen, basteln, pflanzen, graben, sägen usw. und somit ihre über schüssige Energie loswerden. Häufig gibt es am Ende der „aktiven Mittagspause“ ein Marmeladenbrot mit selbst gemachter Brombeermarmelade aus Brombeeren von unserer großen Brombeerhecke entlang des Gartenzaunes. Dieser „Abenteuer-Garten“ wurde inner halb der letzten ca. 25 Jahre zusammen mit Schülern aufgebaut. Wer sich bei dem Aufbau und der Pflege des Gartens be währt, bekommt einen Gartenausweis aus gestellt, der dazu berechtigt, an besonde ren Gartenveranstaltungen teilzunehmen, wie zum Beispiel Lagerfeuer-Abende und Grillfeste, Übernachtungen in den Garten hütten und in Zelten auf der Gartenwiese, Gruselaktionen zu Halloween usw. Während der Übernachtungen können die Schüler endlich intensiver unsere dämme rungs- und nachtaktiven Schulgartentiere (wie zum Beispiel Igel und Fledermäuse) beobachten. Es gibt ab und zu auch inter nationale Jugendbegegnungen in unse rem Schulgarten, bei denen dann kleine Naturgegenstände gebastelt und anschlie ßend Pizza und Brot im selbstgebauten Steinbackofen gebacken werden. Ein naturnaher Garten ändert sich ständig. Jedes Jahr kommt neues hinzu, altes fällt weg. Baumstämme als Wegbegrenzung Pflastern Natur & Garten April 2015 29 Naturerlebnisräume für Kinder und Jugendliche Ergebnisse der Jugendliche und N Schulgarten verrotten im Laufe der Zeit. Immer wieder müssen Wege und Begrenzungen erneuert und überwuchernde Pflanzen eingedämmt werden. Die Schüler finden immer wieder neue Aufgaben und Herausforderungen. Manche Schüler haben völlig den Kontakt zur Natur verloren und entdecken Flora und Fauna in unserem Garten zum ersten Mal. Sie kommen in den Garten und fragen, ob es dort auch Tiere gibt, oder sie kamen im Winter und meinten nur enttäuscht: „Es blüht hier ja gar nichts!“ Darauf haben wir direkt am Eingang einen Winterjasmin an gepflanzt. Viele Schüler entdecken in diesem ge schützten Areal überhaupt erst die Ge heimnisse der Natur, sie lernen viele Pflan zen und Tiere kennen, die sie vorher nie wahrgenommen haben. Sie fangen Insek ten, Spinnentiere, manchmal auch Lurche, setzen sie in ein Terrarium, das sie im Gar ten dafür eingerichtet haben, beobachten sie für kurze Zeit und lassen sie dann wie der frei. Sie lernen dabei auch, Verantwor tung für diese Tiere zu übernehmen. Unser Schulgelände und unser Schulgar ten müssen nicht nur ökologische Auf gaben erfüllen, sondern sie müssen auch von den Schülern, den Lehrern sowie an deren Besuchern vielseitig benutzt wer den können, so dass die Natur mit allen Sinnen – mit Kopf, Herz, Fuß und Hand – auch erlebt werden kann. Der Schulgarten im Sommer 30 Natur & Garten April 2015 Christel Wortmann Lehrerin an der Städt. Gesamtschule Bockmühle Sekundarstufen I + II D - 45143 Essen 3 0201 - 88 40 800 3 0201 - 88 40 855 (NW-Mediothek) atur-Erlebnis-Räume werden oft für Kinder gebaut, aber wer das Glück hat, sich öfter in solchen Räumen aufzuhalten, weiß: Natur-Erleb nis-Räume bieten Menschen aller Alters gruppen eine ganzheitliche Naturerfah rung, die weit über das hinaus geht, was normale Grünflächen, Sportanlagen und – in vielen Fällen – sogar das Bewegen in der freien, aber heute ja oft sehr ausge räumten Landschaft bieten kann. Da ist es klar, dass auch Jugendliche von Natur-Er lebnis-Räumen angezogen werden. Aber wie immer, wenn Jugendliche unerwartet und ja auch zumeist in Gruppen in öffent lichen Räumen auftauchen, wird das erst einmal als Problem wahrgenommen. Es gibt Ängste vor und auch Erfahrungen mit Vandalismus, Glasscherben, Zigaretten kippen ... Am Nachmittag des ersten Ta ges der Haupttagung traf sich ein Großteil der Tagungsteilnehmer, um gemeinsam zu überlegen, ob in diesem Problem nicht eigentlich eine riesige Chance steckt. Die Vortragenden des Vormittags waren mit eingeladen, darunter auch echte Experten und Expertinnen zum Thema, nämlich die Jugendlichen aus der Schülerfirma GaFlo der Gesamtschule Bockmühle in Essen. Es war beeindruckend, wie selbstsicher und kompetent sie sich in die Diskussio nen des von Ralf Becker geleiteten Open Space einbrachten. Viele Vor-Urteile aus Gesprächen über Jugendliche konnten im Gespräch mit ihnen überprüft und ver ändert werden. Da gab es das eine oder andere AHA-Erlebnis. Hier sind die zwei Beispiele: VorUrteil 1: Jugendliche sehen Erwachsene am liebsten nur aus der Ferne und bevorzugen gleichaltrige Gruppen? Jugendliche tauchen in der Öffentlichkeit hauptsächlich in gleichaltrigen Cliquen auf. Aber eigentlich, das war eines der AHA-Erlebnisse des Nachmittags, suchen Naturerlebnisräume für Kinder und Jugendliche Diskussionsrunde: Natur-Erlebnis-Räume – Problem oder Chance? und brauchen sie eine zweite, neue Fami lie, die sie sich selber wählen. Die ideale Zweitfamilie sieht so aus: Jede und Jeder darf in seiner/ihrer Individualität dazu ge hören, darf Fehler machen, die Jugendli chen können sich selber Regeln aufstellen. Eigene Projekte, vor allem auch solche, die den Lebensraum (um-)gestalten, dürfen umgesetzt werden. In der Familie gibt es verlässliche, erwachsene „Zweiteltern“, die einladen, ermutigen, inspirieren und be geistern und ältere Jugendliche, die aus eigener Erfahrung dasselbe tun. Hier gibt es die Freiheit, in der Gruppe abzuhängen. Daraus ergibt sich, dass öffentliche Räu me nicht so gut geeignet sind. Hier sind die Auflagen, z. B. Altersbegrenzungen auf Spielplätzen, oft zu groß. Auch die Räume selbst sind oft zu groß, Jugendliche suchen eher begrenzte Räume. Es gibt aber auch eine große Fluktuation: ein Raum, der heute regelmäßig aufgesucht wird, wird morgen links liegen gelassen, weil nicht der Raum bindet, sondern die Beziehungen zu den anderen in der Zweitfamilie. Wenn öffent liche Räume für Jugendliche gestaltet wer den, oder besser, mit ihnen, dann sollten gebaute Elemente einfach und robust sein. Es geht also nicht darum, zu akzeptieren, dass Jugendliche eben so sind und dass man halt warten muss, bis diese schwierige Phase vorbei ist. Für die Erwachsenen geht es darum, in eine konstante und verlässli che Beziehung zu gehen. Dies gelingt wohl eher in halböffentlichen Räumen, z. B. bei freien Trägern (mit öffentlicher Förderung). Auch Generationenwohnprojekte sind viel leicht eine Möglichkeit, dass Jugendliche eine „Zweitfamilie“ finden. Wenn sie aber – vielleicht auch aus Man gel an Zweitfamilien mit Erwachsenen sich spontan Treffpunkte schaffen, dann ist es wichtig, dort in Beziehung zu gehen, das Gespräch zu suchen und immer wieder zu erkunden, was die genauen Bedürfnisse dieser Gruppe sind, wobei auch diese Be dürfnisse sich sehr schnell ändern können. VorUrteil 2: Jugendliche suchen in Natur-ErlebnisRäumen Naturerfahrung? Leider eher nicht. Natur-Erlebnis-Räume bieten einen attraktiven, weil geborgenen Rahmen für das Leben in der „Zweit-Fami lie“. Aber was in diesem Raum als Beziehung passiert, ist der Grund, warum der Raum aufgesucht wird. Natur ist also ein Kraftort, kein Lerngegenstand. Es ist für die Jugendli chen jedoch wichtig, sich als kompetent, ja, sogar als Elite erleben zu können, nicht in einem Schutzraum zu agieren, sondern in der wirklichen Welt Erfolg zu erleben. Bäu me zu fällen, einen Gewinn erwirtschaften, eine Institution repräsentieren, Jugendliche wollen sich – wie Erwachsene auch – als Ex perten auf Ihrem Gebiet erleben. Gleichzeitig haben sie aber auch eine enge Bindung an die Orte ihrer Kindheit. Bei der Umgestaltung „Ihres“ Spielplatzes eigenverantwortlich mitzuwirken, dort auch einen Ort für Jugendliche zu bauen, als Spielplatzpaten oder Streetworker in Anbindung an die „Zweitfamilie“ dort mit Kindern zu arbeiten, oder auch als Umwelt bildner in der Offenen Ganztagsschule Kin dern die Natur nahe zu bringen, so könnten sich Jugendliche in Natur-Erlebnis-Räumen als ExpertInnen erleben. Sich als Elite zu erleben wird Jugendlichen vor allem in Sportvereinen geboten. Auch wenn viele Sportarten im Freien ausgeübt werden, so liegt hier doch noch ein weites Feld brach. Das Umfeld von Sportanlagen naturnah – mit den Nutzern, also den Ju gendlichen – zu gestalten, in Anbindung an die „Zweitfamilie“ Sportverein, das wäre eine Riesenchance für die Jugendlichen und die Natur im besiedelten Raum. Experten und … Expertinnen brachten sich … in den Open-Space Workshop ein, der … Dank der inspirierenden Moderation von Ralf Becker zu überraschenden Ergebnissen kam. Ulrike Aufderheide, Diplom-Biologin, CALLUNA-naturnahe Garten+GrünPlanung, D - 53177 Bonn, 3 0228 - 326363 [email protected] www.calluna-naturgarten.de Natur & Garten April 2015 31 Naturerlebnisräume für Kinder und Jugendliche Was singt, zirpt und quakt denn da? Ein akustischer Streifzug durch Natur und Garten Sucht im Herbst und Winter gerne Naturgärten mit Wilder Karde und Nachtkerze auf: Der Distelfink / Stieglitz Carduelis carduelis erscheint zur Nahrungssuche im Schwarm (Foto: Kerstin Lüchow) U nter diesem Motto entführte uns der Biologe und Tierstimmen-Imi tator Dr. Uwe Westphal, seit vielen Jahren Naturgarten-Mitglied und bekannt durch zahlreiche Auftritte in Funk und Fern sehen, auf humorvolle Art und mit meisterli chen Imitationen in eine vertraut klingende und doch weithin unbekannte Klangwelt. Erstaunliches kam da zutage: Westphal demonstrierte eindrucksvoll das Balzduett der Waldohreulen („Das Weibchen klingt echt beknackt!“), den „Kontergesang“ von Grashüpfern oder den quiekenden Ab wehrruf eines Erdkrötenmännchens, das von einem gleichgeschlechtlichen Artge nossen umklammert wird. Er zeigte dem staunenden Publikum, wie man an den spezifischen Rufen des Schwarzspechts erkennt, ob der Vogel gerade sitzt oder fliegt, wie der Gesang einer Singdrossel aus der Nähe und aus der Entfernung klingt und mit welchen unterschiedlichen Rufen die Amsel vor einer Katze oder vor einem Sperber warnt. Ein ganzes Vogelkonzert er klang im Vortragssaal, aufgelockert durch 32 Natur & Garten April 2015 Anekdoten und einprägsame Merkverse. Ob Kohlmeise („Siehste mich, siehste mich, siehste mich? – Da sitz´ i, da sitz´ i, da sitz´ i!“), Buchfink („Ich, ich, ich bin drrrr Unterof fizihier!“), Mönchsgrasmücke („ein orgeln der Überschlag in Sopranstimmlage“) oder ein ganzer Spatzenschwarm – das Publi kum war begeistert und bald geriet die au ßergewöhnliche Vorstellung zum Wunsch konzert: Selbst so ausgefallene heimische Vogelarten wie Großtrappe, Wendehals und Wachtelkönig imitierte Uwe Westphal auf Zuruf. Wer diesen Vortrag verpasst hat oder sich dieses Klangerlebnis noch einmal gönnen möchte: Auf den CDs „Vogelexkursion“ und „Naturexkursion“ hat Uwe Westphal eine Fülle von Vogel- und Tierstimmen mit aus führlichen, von ihm selbst gesprochenen Erläuterungen zusammengestellt. Näheres dazu auf seiner Homepage www.westphalnaturerleben.de. Dort finden sich auch Hörproben, Bücher und Veranstaltungster mine. Kerstin Lüchow D - Heilbronn 3 07131 - 17 21 33 [email protected] Gestaltung im Naturgarten Naturgarten In Form Naturgarten und formale Gestaltung – ein Widerspruch? Liebe Naturgartenfreunde, Wenn ich Sie fragen würde, welche Form der Naturgarten hat, würden vermutlich die meisten eine geschwungene, frei flie ßende Form zuordnen. Warum eigentlich? Ist die Form des Naturgartens wirklich nur wild und ungezähmt oder haben auch for male Strukturen ihre Verwendung? Dazu müssen wir uns klar werden, was mit Form gemeint ist, was wir darunter ver stehen. Form ist die Prägung, die äußere Gestalt des Gartens. Es ist die bewusste Gestaltung eines Ortes durch eine gestal tende Hand. Wie entsteht Form? Die Form eines abge ernteten Reisfeldes entsteht aus der Funk tion. Der japanische Zen-Garten ist das Resultat einer gestalterischen Intention. Er wurde bewusst durch Menschenhand angelegt und mit der Form des Gartens wird eine gezielte Stimmung erzeugt. Es entsteht ein Bild. Die Form der Alpen ist ein Resultat von Zeit und Dynamik. Garten gestaltung ist in jedem Fall eine bewusste Formgebung für diesen Ort unter Berück sichtigung der klimatischen Verhältnisse, der Umgebung, der Architektur und der Menschen, die diesen Ort beleben werden. pFormales Konzept: Intuition, entwickelt aus dem Ort, der Architektur, der Histo rie, dem Geschmack und Vorlieben der Kunden, dem Budget Die Form des Gartens ist ein Ausdruck des Gestalters. Es braucht manchmal auch Mut, einem Ort ein Gesicht zu geben und nicht einfach die gängigen Klischees zu bedie nen. Letztendlich soll die Form des Gartens zu einem harmonischen Ganzen verhelfen. Der Naturgarten ist in jedem Fall ein ge stalteter Raum. Die Form an sich sagt über haupt nichts darüber aus, ob natürliche Dynamik in einem Garten Platz hat. Dass Naturgärten fließend sein müssen und weiche Formen die richtigen sind, sehe ich persönlich als ein Vorurteil, das sich in den Köpfen festgesetzt hat. Die Art, wie mit dem Garten umgegangen wird, macht den Naturgarten zu einem natürlichen Lebens raum und nicht die Form des Gartens. „Natürliche“ Formen entstehen durch Zu lassen, Zeit lassen, weglassen … Das Weiche, Geschwungene, das Roman tische und Wilde, das Chaotische und Un geplante macht die Natur von selbst, wenn wir es zulassen. Je klarer die Grundstruktur ist, desto besser wirken später die unge planten Formen der Natur. Fragen, die man sich als Naturgartengestal ter stellen sollte: pWill ich als Gestalter spürbar sein? pWill ich Natur imitieren oder Grundlage schaffen für eine natürliche Entwicklung? pWie viel Natur, im Sinne von dynamischer Entwicklung lassen wir zu? »Es ist nicht das Design, was Naturgärten schön macht, sondern dass wir in ihnen das Leben erleben.« Andreas Winkler, Naturgartenpionier Wie finde ich die richtige Form? Ich erkläre es aus meiner Arbeit. Wie gehe ich persön lich vor, bei der Gestaltung eines Gartens. p Analyse der Situation: Geländeaufnah men, Aufnahmen der bestehenden Vege tation, Erfassen von bestehenden Struk turen wie Wege, Plätze, Bauten. Bezüge zur Landschaft. Bezüge zu den Nachbarn. p Analyse des Mikroklimas: Klimaregion, Mikroklima am Ort, Mikroklima im Gar ten, Analyse des Bodens (Auge, Hand, Zeigerpflanzen) pRäumliches Konzept: Wünsche des Kun den, Potenziale, Rahmenbedingungen Natur & Garten April 2015 33 Gestaltung im Naturgarten Gestaltungsbeispiele Wohnhaus mit Bürotrakt (oben): In diesem Garten zeige ich der Bauherrschaft eine Variante mit geschwungenen Mauern, die sich aus dem vorhandenen Geländeverlauf ergeben. Villengarten mit Badeteich: im hausnahen Gartenbereich orientiere ich mich an der Architektur des Gebäudes und gestalte einen formalen Badegarten. In den restlichen Gartenteilen, die zum Teil auf anderen Ebenen liegen, wähle ich eine landschaftliche Gestaltungsform mit geschwungenen Wegen und einem Teich mit Naturufern. 34 Natur & Garten April 2015 Gestaltung im Naturgarten Modernes Einfamilienhaus für eine junge Familie (oben): Die strenge und auch etwas kühle Architektur, die flache, eher langweilige Ausdehnung des Gartens hat mich dazu bewogen ein fließendes, geschwungenes Grundkonzept zu wählen. Einfamilienhaus für ein berufstätiges Ehepaar: Der Wunsch der Bauherrschaft das abschüssige, steile Gelände besser nutzen zu können, die moderne Architektur und die bautechnischen Vorteile führen zu einer architektonischen, strengen Formgebung. Die Böschungen werden terrassiert und ermöglichen es, viele der Wünsche und Ansprüche der Bauherrschaft in die Realität umzusetzen. Peter Richard Winkler & Richard AG CH - 9545 Wängi 3 +41 52 378 21 84 [email protected] www.gartenland.ch Natur & Garten April 2015 35 Gestaltung im Naturgarten Design oder Dynamik – wer komponiert im Blumenbeet? Glockenblumen in einem „offenen Garten“ in Bredenbek bei Kiel Einleitung Der Blickwinkel Im Sommer 2013 war der Naturgarten e. V. für kurze Zeit auf der Internationalen Gar tenschau in Hamburg präsent: Die Regio nalgruppe SH entwarf für die Blumenhalle ein Beet, Flyer sowie ein kleines Vortrags programm. Meine Urgroßmutter hatte einen Garten direkt am Ostseestrand bei Crantz in Ost preußen. Die Töchter durften hier ihre Fe rien verleben und auf einem Foto ordnet meine Großmutter prachtvolle Blumen. Rundherum gab es sicher die Wildblumen, die ich heute gerne in meinem Garten sehe. Wie aber war ihre Einstellung zu die sen Kräutern und Gräsern? Obwohl ich sie nicht kennenlernte, weiß ich es: sie machte kunstvolle Scherenschnitte von filigranen Wildpflanzen und malte sie, wie es auch mein Großvater tat. „Design oder Dynamik – wer komponiert im Blumenbeet?“ stellte bildreich einen kleinen Vortrag für Menschen zusammen, die möglicherweise noch nie etwas von Naturgärten gehört haben. Ich zeigte das Spektrum möglicher Standorte in einem Naturgarten und wie diese mit wilden und wildartigen Pflanzen, aber auch ihren tie rischen Bewohnern und Nutzern besiedelt werden können. Wichtig war mir die Bot schaft, dass auch Naturgärtner ganz be wusst gestalten und pflegen, statt einfach alles wachsen zu lassen. Wenn ich jetzt das Thema wieder aufgreife und vertiefe, geht es mir um die Liebe zu gewöhnlichen Wildpflanzen und die Frage, wo und wie sie im Garten zusammen pas sen. Das Gärtnern und Gestalten mit Wild pflanzen ist hier eine persönliche Ausein andersetzung mit ‚Design und Dynamik‘ in einem Naturgarten in Ostholstein. 36 Natur & Garten April 2015 Als Schleswig-Holsteinerin aufgewachsen, störten mich die vorherrschenden „Gärten“ mit geschorenen Gehölzen und schieren Beeten. Über Jahre verändert sich dort nichts, nicht einmal die Höhe und Wuchs form der Sträucher und Hecken. Seitdem träumte ich von einem naturnahen Garten paradies. Als Studentin in Berlin begeister ten mich die üppigen Stadtbrachen. Sehr beeindruckt war ich 1983 von der Ausstel lung „Grün Kaputt – Landschaft und Gärten der Deutschen“. Braunwurz Später in meinem winzigen Reihenhaus garten erschienen zwischen normalen Gar tenblumen Huflattich, Hundskamille und ein riesiger Beifuß. Plötzlich waren das für mich die schönsten Pflanzen. Dazu kam eine seltsame, mir bis dahin unbekannte Pflanze – die Wilde Karde. Das war 1990, als der Naturgartenverein gegründet wur Gestaltung im Naturgarten de und die Gründer die Karde für das Logo wählten. Seitdem bin ich Mitglied. Ein Buch, das mich weiter umkrempelte, war „Das Na turgarten Handbuch für Praktiker“ (1989). Das Titelbild zeigt einen eingesenkten Sitz platz inmitten hoher Karden und Nachtker zen. So entwickelte sich mein persönlicher Blickwinkel für „dynamische Wildblumen beete“ in Naturgärten. Blumenbeete entwickeln „Was kann ich in mein Beet pflanzen? Es soll immer etwas blühen.“ Diese Frage wurde mir als Gärtnerin und (ehemalige) Pflanzenverkäuferin häufig gestellt und hat mich stets sehr verunsichert. Denn ich weiß es in dem Moment nicht. Ich kenne den Blickwinkel, die Vorbilder und Sehnsüchte des Fragenden nicht, noch kenne ich den jeweiligen Garten und seine Standorte. Dies herauszufinden ist aber wichtig und aufwändig. Mir hilft da ein planerisches Vorgehen, bei dem pragmatisch ein Schritt nach dem anderen gemacht wird. Ein Prag matiker und Planer war ein erfolgreicher dänischer Gartenarchitekt mit dem Namen Carl Sörensen. In den 30er Jahren erfand er die Bau- und Gerümpel-Spielplätze, die in den 60er Jahren als Abenteuerspielplätze in Deutschland für Diskussionen sorgten. Seine „39 Gartenpläne für ein Stück Land“ (1979) sind bestechend klar und immer wieder eine gute Anleitung. Er entwickelt Grundideen und Raumstrukturen, jeweils nur 1 je Grundstück, und möchte damit klä ren helfen, was der Gartenbesitzer/-nutzer wünscht und erwartet. Er betont mehrfach, dass es um Einfachheit und Zurückhaltung geht. Was heißt das nun für unsere Blumen beete? Dazu habe ich einige Naturgartentaugliche Beispiele ausgewählt: Im Vernünftigen Garten ist der Hingucker eine 60 bis 80 cm hohe Steinmauer, der den Wohn- vom Küchengarten trennt. Sie sorgt für Räume, aber auch für eine Vielfalt von Standorten für Blumen, die auf, an und ne ben der Mauer die Fugen besiedeln. Ein Heckengarten für heimische Vögel aus heimischen, dichten Wildgehölzen schafft an Wegrändern und Lichtungen Standor te für Blumensäume und im Schatten der Sträucher „Beete“ für Frühlingsgeophyten. Der Versenkte Blumengarten schafft eine geniale Ordnung, Schutz und Wärme, die entsprechende wilde Blumen darin gut aussehen lässt. Auch die Materialverwen dung kann wunderbar je nach Vorlieben und Region variiert werden. Mit den Grünen Wällen sind langsam ge wachsene Pflanzskulpturen gemeint. Der Naturgärtner könnte aber auch aus Schutt, Kies oder Boden ganz eigene Wälle und Räume schaffen und Blumen darauf setzen. Es kann ein guter Weg sein, erst Raum und Rahmen, Bodenrelief und Funktionen zu erdenken, bevor sich daraus Anordnung, Form und Standorte für „Blumenbeete“ er geben. Unten: Hochstaudenflur mit Weidenröschen und Mädesüß Name Herkunft Anthemis tinctoria Färberkamille a Atriplex hortensis rubra Rote Gartenmelde a Bellis perenne Gänseblümchen a Cymbalaria muralis Zimbelkraut a Cytisus scoparius Ginster a Digitalis purpurea Fingerhut a Epilobium angustifolium Weidenröschen a Eupatorium cannabium Wasserdost a Filipendula ulmaria Mädesüß a Galium mollugo Wiesen-Labkraut a Galium odorata Waldmeister a Humulus lupulus Hopfen a Melilotus albus Steinklee a Oenothera biennis Nachtkerze a Rosa canina Hundsrose a Rubus idaeus Himbeere a Scrophularia nodosa Knotige Braunwurz a Tanacetum vulgare Rainfarn a Verbascum nigrum Schwarze Königskerze a Standort im Garten Selbstaussaat im Gemüsegarten im Rasen und in den Fugen der Steintreppe Säume und Wege Natur & Garten April 2015 37 Gestaltung im Naturgarten Wildarten im Garten tummeln – geliebt, ge duldet, aber auch kontrolliert und gejätet. Immer willkommen ist die Knotige Braun wurz (Scrophularia nodosa). Die braunen Blüten werden von Juni bis September von Bienen und Wespen bestäubt und die trockenen Stauden stehen auch im Dezem ber noch. Gern sehe ich auch den Rainkohl (Lapsana communis), eine alte Heil- und Nahrungspflanze und Kulturbegleiter seit der jüngeren Steinzeit. Die Charakterart der Lauchkrautsäume wird durch Wind und Tie re, auch Ameisen verbreitet. Willkommen, aber manchmal lästig sind Schwarze Königskerze (Verbascum nigrum) und Schöllkraut (Chelidonium major). Beide bilden enorme Pfahlwurzeln und drängeln sich überall zwischen. Sie werden wun derschön und blühen lange, lassen sich aber nicht herausziehen. Daher werden sie schnell „unkontrollierbar“ und aufdringlich. Säen sich im Gemüsegarten selbst aus: Rote Gartenmelde und Schlafmohn Geliebte und nervige Wildblumen „Was passt, wächst von alleine.“ (Grün ka putt, S. 32 Naturgarten) – … aber was passt? Angenommen, wir haben die passenden Gartenräume angelegt, den Boden ein gebaut und modelliert, Plätze und Wege gebaut und Beete angelegt. Nun ist die Bepflanzung nach Wünschen, Erfahrungen (Blickwinkel) und Wissen an der Reihe. Ge plant oder spontan erscheinen Wildpflan zen, die mitmischen wollen. Interessant fin de ich jeden Tag aufs Neue, wie ich darauf reagiere. Sind sie willkommen, passen sie ins Konzept oder nerven sie mich? Vor einigen Jahren habe ich mit einer Be standsaufnahme begonnen. Von den 165 erfassten Arten sind über 50 % spontan erschienen. Sie sind Teil des Gar tens und bleiben durch Samenbildung und Tierverbreitung seit Jahren. Und es kom men immer wieder neue dazu. Aber auch aktiv angesiedelte Wildarten haben sich etabliert (Entnahme aus der Umgebung oder Ansaat). Von den geplan ten und gekauften heimischen Arten hat sich die Hälfte selbstständig gemacht - sie sorgen für ihren Fortbestand. Das bedeu tet, dass sich etwa 140 von mir bekannte 38 Natur & Garten April 2015 Rein in die Blumenbeete Meine „Blumenbeete“ sind gebaute Wald lichtungen, Wegränder, Kiesstreifen, Grün dächer, Heckensäume, Hackfruchtbeete, Moosrasen und Pflasterfugen. Der Garten liegt an einem Nordosthang und hat sandi ge Böden. Ein Sitzplatz inmitten einer Hochstaudenflur entstand nach Abtragen und Auf schüttung in einem Hang. Hier wachsen Schmalblättrige Weidenröschen, Wasser dost, Mädesüß, Klebriger Salbei, Astern, Goldruten und Beifuß. Einmal jährlich muss ich gründlich aufräumen, um Altlasten wie Brennnesseln und ausläufertreibende Grä ser und auch Giersch einzudämmen. Ein gefasst ist der Staudenhang durch einen Regenwasser-Kiesbach. Hier hätte ich gern mehr Struktur durch niedrige Staudenparti en, die aber durch die wüchsigen Arten kei ne Chance haben. So schneide ich im Som mer manchmal eine ordnende Sichtachse durch den Blumen-Dschungel. Es kompo niert auch ein Reh mit: Wenn es die lecke ren Weidenröschen verbeißt, verzweigen sie sich und blühen später buschig und zart. In einem belichteten, trockenen Heckensaum siedelte ich einst die Schwarze Kö nigskerze, Rainfarn, Lupine, Seifenkraut und Wiesenlabkraut an. Sie haben sich stark vermehrt und vermischen sich mit dem einstigen Rasen- Queckensaum. Ei chelhäher und Eichhörnchen hätten hier gern einen Eichen-Haselnusswald. Flower-Power in der Pflasterfuge Gestaltung im Naturgarten Mein Garten in Ostholstein mit sichtbarer Kaltluftsenke In den Pflasterfugen und Kieselstreifen am „Regenwasser-Bach“ erlebe ich die schönsten Überraschungen. Ich lege sie immer wieder frei und steche Rasenkanten. Dadurch entstehen klare Linien, neben der sich einzelne Wildblumen einfinden wie Fingerhut, Wiesenglockenblume, Spitzwe gerich und Schlüsselblumen. In den Pflas terfugen will fast alles wachsen und trotzt hier der manchmal wochenlangen Trocken heit. Manche der von mir erwünschten und angepflanzten Arten überleben nur dort. Da gedeihen Mohn, Akeleien, Moschusmal ven, Thymian, Veilchen, aber auch Arten, die mir dort nicht gefallen oder zu viel wer den. So mancher Sommerabend vergeht hier mit kreativem Jäten. Mein Gemüsegarten wird spätestens im Spätsommer ein Blumenbeet aus einjäh rigen Kulturpflanzen und – Begleitern. Besonders finde ich die Übersehene Mal ve (Malva neglecta), Erdrauch (Fumaria officinalis) und Ackergauchheil (Anagallis arvensis). Üppig und bunt sind Borretsch, Ringelblume, Schlaf- und andere Mohnar ten sowie die Rote Gartenmelde. Sie alle kommen von allein, wenn ich den Boden nur jährlich wieder freilege und abräume. Manchmal gehen die angesäten Gemüse sorten darin unter. Vor drei Jahren legte ich ein neues Beet an, pflanzte Stauden aus einer Gärtnerei und erlebte eine Überraschung: Unerwar tet schossen Königskerzen in die Höhe und Färberkamillen blühten monatelang. Ich hatte etwas Erde aus dem Hühnerhaag ver wendet und diese war voll mit „Unkraut“- Samen. Meine Hühner kratzen in ihrem „Garten“ alles kurz und klein, nicht aber Mutterkraut (Tanacetum parthenium) und Andorn (Marrubium). So entstehen sogar am Hühnerstall interessante Kompositio nen. Zum Schluss „Man braucht das Unkraut nur nicht auszurotten und keine Chemikalien auszustreuen. (…) Und schon hat man ein Bild vom Garten wie das „Rasenstück“ von Dürer. Das wären Gärten von ganz besonderem Zauber. Gärten, in den man beginnen könnte, den stillen Reiz der alten verhaltenen Farben und der Blatt- und Blütenformen zu entdecken. Bevor die modernen Züchter mit ihrer Sucht nach Grellerem und Lauterem den Farbenlärm von der Straße auch in unsere Gärten gebracht haben“ (aus „Grün kaputt“,1983, S. 33). Plötzlich da, eine Wiesenglockenblume im Kiesstreifen Diesen wunderbaren Vorschlag greife ich immer wieder gerne auf. Aber ich überlege mir dazu Konturen und Nutzungen, versu che Passendes anzusiedeln und jäte. Ich brauche beides: Design + Dynamik! Literatur pDas Naturgarten Handbuch für Praktiker von Andreas Winkler und Hans C. Salz mann ( 1989), AT Verlag Aarau – Stuttgart pGrün kaputt – Landschaft und Gärten der Deutschen von Dieter Wieland, Peter M. Bode und Rüdiger Disko (1983) Raben Verlag München p39 Gartenpläne für ein Stück Land von C. Th. Sörensen (1979) Abakon Verlag Lichterfelde IGS 2013 - Hier komponiert die Regionalgruppe SH Andrea Stolz D - 23701 ZarnekauEutin 3 04521- 74 3 64 [email protected] Natur & Garten April 2015 39 Gestaltung im Naturgarten Feng Shui im Garten Inspiration für naturnahe Gestaltungen Was ist Feng Shui? Früher waren Feng Shui Meister Priester und Ärzte in einer Person. Als Priester hat ten sie die Aufgabe, die sichtbaren und unsichtbaren Zeichen und die positiven Kräfte im Kosmos wahrzunehmen und zu interpretieren. In ihrer Aufgabe als Ärzte erspürten sie den Pulsschlag der Erde und bestimmten den Ort, an dem der Mensch das produktivste, ertragreichste und glück lichste Leben führen konnte und sie be stimmten die Orte, wo Bauten den Kreislauf der Erde am wenigsten störten. In diesem Sinn ist Feng Shui ein Teil der traditionellen chinesischen Medizin (TCM), die sich über Jahrtausende aus dem Gedankengut der chinesischen Philosophie entwickelt hat und deren Hauptaugenmerk auf den The men Heilung und Ordnung liegt. „Wir sind nicht hier, um die Welt in Ordnung zu bringen. Die Welt ist in Ordnung. Unsere Aufgabe ist es, uns in diese Ordnung einzufügen.“ Henry Miller Die grundlegenden Prinzipien entwickel ten sich durch die genaue Beobachtung und die Analyse der Wechselwirkung (Re sonanzprinzip) zwischen dem Menschen und seiner Umwelt. Im Kern dessen wird davon ausgegangen, dass alles miteinan der in Verbindung und in gegenseitiger Wechselwirkung steht und von der Lebens energie „Qi“ – bekannt aus der Akupunktur – durchströmt wird, die überall um uns, in jedem Wesen und jeder Zelle fließt und al les belebt und gestaltet. „In der Natur ist alles mit allem verbunden; alles durchkreuzt sich, alles wechselt mit allem, alles verändert sich, eines in das andere.“ Gotthold Ephraim Lessing Ein Hauptanliegen des Feng Shui war und ist es, diese Kräfte zu erkennen, zu deuten und zu nutzen. Feng Shui gibt den Men schen Hilfestellungen, wie sie ein Leben auf harmonische Weise mit ihrer Umwelt errei chen können. Gelingt es den Menschen, sich in die Gesetzmäßigkeiten der Natur einzufügen, erschaffen sie für sich und ihr Umfeld die besten Voraussetzungen für Gesundheit und Wohlstand. Ähnlich wie in der TCM geht es auch im Feng Shui darum, den Menschen in seiner Selbst-Heilung zu unterstützen, wodurch er wieder zu seiner Mitte finden- und sich der Zugang zu sei nem Potenzial entfalten kann. So, wie in der TCM, gehören zum Hand werkszeug eines Feng Shui Beraters das Wissen und der Umgang mit der Lebens energie Qi, die Lehre von Yin und Yang, die Fünf-Elemente-Lehre, die BaGua u. a. Sie alle sind als Hilfsmittel zu verstehen, Lö sungswege zu finden, die auf ganzheitliche Weise den Bedürfnissen der Natur und des Menschen gerecht werden. Mikrokosmos Haus, Garten, Firma … oder, wie der Inhalt die Form bestimmt Jedes Biotop, jedes Atom, alles, was sich aus Teilen zusammenfügt, unterliegt einer ihm gemäßen Ordnung. Ist diese Ordnung gesund, stellt sich Harmonie ein. Harmonie bedeutet Einklang oder Wohlklang und be schreibt das richtige Verhältnis aller Teile zum Ganzen. Die BaGua stellt symbolisch eine solche Ordnung dar, in der der Mensch im Mittelpunkt seines Umfeldes steht und auf alle Teile seines Lebens Einfluss nimmt. Hier greift das Prinzip – wie Innen, so Au ßen – alles, was der Mensch denkt, fühlt und tut, findet immer auch seinen Aus druck in seinem Umfeld (räumlich wie zwi schenmenschlich). Somit können, mit Hilfe der BaGua, Dinge aus allen Bereichen des Lebens auf das Lebensumfeld des Men schen übertragen- und Zusammenhänge festgestellt werden. Letztendlich finden sie über Farben, Formen und Materialien ihren Ausdruck im räumlichen Umfeld. Die acht Felder, welche sich um das Zent rum verteilen, werden den wichtigsten Be reichen unseres Lebens zugeordnet (Abb.: Die BaGua). Sie tragen die Namen „Karriere“, „Partnerschaft“, „Familie und Gesundheit“, „Reichtum“, „Hilfreiche Freunde“, „Kinder und Kreativität“, „Wissen“ und „Ruhm“. Diese Begriffe sind allerdings eher Umschreibun gen, welche den Charakter der einzelnen Qualitäten zum Ausdruck bringen. Die Ba Gua ist als energetisches, bewegliches Sys tem und nicht dogmatisch zu verstehen. Ein Garten mit vielen Aufenthaltsmöglichkeiten und -qualitäten (© Fotos: Klaus M. Auen und Pascal Manthey) 40 Natur & Garten April 2015 Gestaltung im Naturgarten Die BaGua Die Zuordnungen der einzelnen BaGua Felder dienen dazu, eine Ist-Situation beim Menschen, in Gebäuden oder Außenräu men aufzunehmen und zu erkennen, in welchem „Zustand“ sich bestimmte Le bensbereiche zeigen (wie Innen, so Au ßen). Lebensphasen, Himmelsrichtungen, Jahreszeiten, Farbqualitäten, Sinne, Or gansprache, Emotionen, und vieles mehr werden in Beziehung gesetzt. Über das Ein bringen verschiedener Bausteine aus den BaGua Feldern hat man die Möglichkeit, Begebenheiten zu harmonisieren, Span nungen auf- oder abzubauen, zu lenken und zu verbinden. „Diese elementaren Gesetzmäßigkeiten kann man nicht mit Logik entdecken, sondern nur mit Intuition und dem Gefühl für die Ordnung, die sich hinter dem äußeren Erscheinungsbild verbirgt.“ Albert Einstein Einblick in die Vorgehensweise Im Mittelpunkt stehen der Mensch und der Ort, mit dem der Mensch in direkter Bezie hung steht (Garten). Ähnlich wie bei der konventionellen Bestandsaufnahme vor ei ner Gartengestaltung beschäftige ich mich mit den Fragen „Wie fühlt sich das Gelän de an?“, „Wie ist der Energiefluss?“, “Was ist vorhanden?“ und “Wo befindet sich was?“, „Welche Mängel oder Potenziale hat ein Ort?“, „Wo ist welche Aufenthaltsqualität?“. Sind Disharmonien vorhanden, stimmen die Proportionen? Ist die Nutzung einsei tig / ausgewogen, zu viel / zu wenig? Ist der Ort in „seiner Ordnung“? Dies ist sozusagen die Diagnose, die ich vor Ort vornehme. In der Bauphase Wesentlich bei der Aufnahme sind ein offe ner Geist, sowie die Bereitschaft, auf seine Intuition zu hören und dieser zu folgen. Dies bietet eine gute Voraussetzung, um das Qi eines Ortes zu erspüren. Die Orts begehung ist dabei weit mehr als eine Be sichtigung. Man betrachtet jeden Bereich, erspürt den Ort mit allen Sinnen und geht mit ihm und mit allem Lebendigen in Kon takt. Beispielsweise werden bestehende Bäume nicht bloß aufgenommen, sondern vor Ort beurteilt, nach ihrer Ausstrahlung, die von ihnen ausgeht und in wie weit sie den Bauherrn unterstützen. Ebenso wird auch der Lichteinfall und Schatten nicht bloß berücksichtigt, sondern auch in seiner Qualität erfasst. Das „Wie“ steht im Vorder grund. Wichtig ist es, sich bei der Aufnahme viel Zeit zu lassen und insgesamt wertfrei und ohne Vorbehalte vorzugehen. Ganz essentiell ist es ebenso, stets mit den Bewohnern / Nutzern des Ortes in Verbin dung zu sein. Wie nehmen sie ihren Ort wahr, wie fühlen sie sich? Die Stichworte, wie – der Ort ist – freundlich, hell, dunkel, langweilig, unheimlich etc. geben wertvol le Informationen über Aspekte, die über die Gestaltung harmonisiert, gemildert oder verstärkt werden können. So konkretisieren sich vor Ort meist erste Gestaltungsideen. Sie sind mit der Über legung eng verknüpft, zuerst für evtl. be stehende Ungleichgewichte Ausgleich zu schaffen. Gewisse Hilfsmittel (wie die BaGua) helfen zusätzlich, Kreativität zu entfalten. Die BaGua oder die Fünf-Elemen te-Lehre zeigen, wie das eine mit dem an deren in Beziehung steht. Das gibt weitere Gestaltungsideen. Auf diese Weise wird im Feng Shui nicht nur die Intuition genutzt, sondern sie kann auch erklärt werden. Warum etwas intuitiv erlebt „in eine Landschaft passt oder nicht“ ist über das Feng Shui-Wissen erklärbar und damit fällt es leichter, einem Kunden zu transportieren, weshalb welches Gestal tungselement Sinn macht und welche Wir kung eine andere Gestaltung in Bezug auf das Gewünschte haben kann. Alle Bauvorschriften und Sicherheitsbe dingungen werden im Feng Shui ebenso berücksichtigt. Das Funktionale steht nicht für sich alleine da, sondern in Verbindung mit allen anderen Aspekten. Die Betrach tung ist ganzheitlich. Alles wird als Teil des Ganzen gesehen. Die funktionalen und emotionalen (ästhetischen) Aspekte wer den zusammengebracht, so dass ein har monisches Ganzes entsteht. Ziel ist es, eine Ausgewogenheit zu erreichen, indem un terschiedliche Aspekte gezielt eingebracht und Einseitigkeiten vermieden werden, ganz unabhängig von der Stilrichtung, die sich der Bauherr wünscht. Khristin D. Randazzo holicon – holistic concepts® D - 53844 Troisdorf [email protected] Pascal Manthey, M.Sc. Gartenplaner und Feng Shui Berater D - 53123 Bonn [email protected] Natur & Garten April 2015 41 Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün Ex situ-Kulturen gefährdeter Wildpflanzen Ein Mittel zur Erhaltung der biologischen Vielfalt E ine Ex situ- bzw. Erhaltungskultur, die Begriffe werden oft synonym verwandt, ist eine Population eines einheimischen Pflanzentaxons (Art, Unter art etc.) regionaler Wildherkunft in einem Garten. Ziel ist es, das Aussterben dieser Population zu verhindern und dabei die genetische Vielfalt ebenso zu erhalten wie die Anpassungsfähigkeit an sich ändernde Umweltbedingungen. Erhaltungskulturen können und dürfen den Artenschutz am Naturstandort nicht ersetzen, dieser hat immer höchste Priorität. Jedoch können Erhaltungskulturen, die Einlagerung von Sä mereien in Saatgutbanken und Wiederan siedlungen ergänzende Artenschutzmaß nahmen sein, insbesondere dann, wenn der Naturstandort z. B. durch Baumaßnahmen akut von Vernichtung bedroht ist. Die Pflan zen aus den Erhaltungskulturen im Garten können darüber hinaus für wissenschaftli che Studien und Öffentlichkeitsarbeit ver wendet werden, so dass die gefährdeten Wildpopulationen entlastet werden. Eingepackte Blütenstände von Scabiosa canescens zum Schutz vor Fremdbestäubung (Foto: Dr. Michael Burkart) 42 Natur & Garten April 2015 Erhaltungskultur einer gefährdeten Wildpopulation der seltenen Pfingst-Nelke (Dianthus gratianopolitanus) im Botanischen Garten der Universität Potsdam (Foto: Dr. Daniel Lauterbach) Im Rahmen der Globalen Strategie zur Er haltung der Pflanzen (GSPC, www.cbd.int/ gspc/), einem international verbindlichen Dokument, hat sich Deutschland verpflich tet, für die Erhaltung wildlebender Pflanzen Sorge zu tragen. Die AG Erhaltungskulturen des Verbandes Botanischer Gärten koordi niert die Ex situ-Aktivitäten zahlreicher Bo tanischer Gärten und weiterer Akteure in Deutschland (Burkart & von den Driesch 2006; www.ex-situ-erhaltung.de). Es gibt verschiedene Formen der Ex situKultivierung, die Topfkultur, die Beetkultur und die naturnahe Biotopkultur. Die Topf kultur eignet sich nur für sehr kurze Zeit räume und experimentelle Ansätze. Am verbreitetsten ist die Beetkultur. Hier lassen sich relativ hohe Individuenanzahlen auf kleiner Fläche kultivieren. Bei der Biotop kultur werden mehrere Arten einer Lebens gemeinschaft unter naturnahen biotischen (Konkurrenz, Mykorrhiza) und abiotischen (Substrat, Wasserversorgung) Bedingun gen kultiviert. Hier ist sicherlich der „gärtne rische“ Einfluss am geringsten, jedoch kön nen besonders konkurrenzschwache Arten auch schnell im Biotopbeet verlorengehen. Hybridisierungsgefährdete Gattungen (z. B. Pulsatilla, Dianthus) und verschiedene geo grafische Herkünfte einer Art sollten gegen Fremdbestäubung geschützt werden bzw. kontrolliert bestäubt werden, sofern durch Samen vermehrt werden soll, zum Beispiel für Wiederansiedlungen und Populations stützungen. Aus dem Material in Erhaltungskulturen und Saatgutbanken können bei Bedarf Wiederansiedlungen und Stützungen von wildlebenden Populationen durchgeführt werden. Solche Maßnahmen dürfen jedoch nur in Absprache mit den zuständigen Na turschutzbehörden erfolgen und müssen gut dokumentiert werden. Dazu gehört auch ein längerfristiges Monitoring. Erfolg Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün reich sind sie nur dann, wenn die Pflanzen sich reproduzieren und sich nachfolgende Generationen etablieren können. Geeig nete Lebensbedingungen für die jeweilige Art sind der entscheidende Faktor für den Erfolg. Bei Wiederansiedlungen ist nur ge bietseigenes Saat- und Pflanzgut zu ver wenden. Gut gemeinte Versuche, die Land schaft mit „Bunten Blumenmischungen“ aufzuwerten, können auch negative Effek te auf gebietseigene Populationen haben (Frank & John 2007). Die Ex situ-Kultivierung birgt auch verschie dene Risiken wie genetische Veränderun gen (Inzucht, genetische Drift etc.) der Po pulationen (Guerrant et al. 2004). Fallstudien konnten belegen, dass es bereits nach we nigen Generationen zu einer genetischen Abweichung und Verlust an genetischer Vielfalt von Gartenkulturen kommen kann (Lauterbach et al. 2012; Lauterbach 2013). Auch die Fähigkeit der Keimruhe (Dormanz) von Sämereien, welche eine wichtige Funk tion zur Risikostreuung unter ungünstigen Bedingungen darstellt, kann innerhalb weniger Generation ausselektiert werden (Enßlin et al. 2011). Die Samen keimen dann zu hohen Anteilen in der ersten Saison, das freut den Gärtner, aber die Anpassungsfä higkeit der Population an unterschiedliche Umweltbedingungen (z. B. trockene Jahre) geht verloren. Daher sind die repräsenta tive Besammlung des Ausgangsmaterials (ENSCONET 2009), große Populationsgrö Beetkultur von Trollius europaeus (Foto: Dr. Daniel Lauterbach) ßen (mind. 50 Individuen, besser 200) und die Vermeidung „gärtnerischer“ Selektion sowie die Verhinderung von Hybridisierung besonders zu beachten. Unter Berücksichti gung dieser Faktoren können Ex situ-Kultu ren einen wertvollen Beitrag zur Erhaltung der biologischen Vielfalt leisten. In einem bundesweiten Verbundprojekt für 15 Wildpflanzenarten, für die Deutsch land im Rahmen des Bundesprogramms „Biologische Vielfalt“ eine besondere Ver antwortung übernommen hat, wird ein Schutzprogramm mit verschiedenen Er haltungsstrategien aufgebaut (www.wild pflanzenschutz.de). Literatur: pBurkart, M., von den Driesch, M. (2006): Global denken, regional handeln: Schutz der heimischen Wildpflanzen in bota nischen Gärten. Palmengarten 70(2): 146 –157. pENSCONET (2009): ENSCONET Anleitung zum Sammeln von Wildpflanzensamen. http://ensconet.maich.gr/PDF/Collecting _protocol_German.pdf (Zugriff 15.05.2013). p Enßlin, A., Sandner, T.M., Matthies, D. (2011): Consequences of ex situ cultiva tion of plants: Genetic diversity, fitness and adaptation of the monocarpic Cyno glossum officinale L. in botanic gardens. – Biological Conservation 144: 272 – 278. pFrank, D., John, H. (2007): Bunte Blumen wiesen – Erhöhung der Biodiversität oder Verstoß gegen Naturschutzrecht? Mittei lungen aus der floristischen Kartierung Sachsen-Anhalt 12: 31– 45. p Guerrant, E. O., Havens, K., Maunder, M. (2004): Ex situ plant conservation: supporting species survival in the wild. Island Press, 536 p., Washington. pLauterbach, D., Burkart, M., Gemeinhol zer, B. (2012): Rapid genetic differenti ation between ex situ and their in situ source populations: an example of the endangered Silene otites (Caryophylla ceae). – Botanical Journal of the Linnean Society 168: 64 – 75. p Lauterbach, D. (2013) Ex situ-Kulturen gefährdeter Wildpflanzen – Populations genetische Aspekte und Empfehlungen für Besammlung, Kultivierung und Wie derausbringung. ANLiegen Natur 35(2): 32 – 39. • • • • • • • • • • Dr. Daniel Lauterbach Botanischer Garten der Universität Potsdam D - 14469 Potsdam, 3 0331 977 1971 [email protected] www.botanischer-garten-potsdam.de Natur & Garten April 2015 43 Tiere im Naturgarten Von Baumeistern, Blumenschläfern und Pollensammlern Eine Reise in die faszinierende Welt der heimischen Wildbienen Die Salbei-Schmalbiene (Lasioglossum xanthopus) ist vielfach bei der Pollenernte an Wiesen-Salbei (Salvia pratensis) zu beobachten. Ein Weibchen der Gehörnten Mauerbiene (Osmia cornuta) mit pollengefüllter Bauch bürste beim Anflug an das Nest in einem Bambusröhrchen. Die Zweifarbige Schneckenhaus-Mauerbiene (Osmia bicolor) nistet in leeren Gehäusen von Schnirkelschnecken. Hier beklebt ein Weibchen das Haus mit zerkauten Blättchen, einer Art Pflanzenmörtel. D ie landläufige Vorstellung davon, was eine Biene ist, wird immer noch von der Honigbiene derart bestimmt, dass es vielen Menschen schwer fällt, außer dieser Hausbiene des Imkers auch noch andere Insekten als Bienen zu bezeichnen. Tatsächlich wurden aber bis lang weltweit mehr als 17.000 Bienenarten beschrieben. Da diese fast durchweg wild lebend sind, nennen wir sie Wildbienen. Dies ist kein Begriff der zoologischen Ter minologie, sondern dient der begrifflichen Abgrenzung von der Honigbiene, der Nutz biene schlechthin. In Deutschland wurden ca. 560 Arten von Wildbienen bekannt, 41 Arten von Hummeln und Schmarotzer hummeln eingeschlossen. Im Hinblick auf Größe, Farbe und Behaarung gibt es gro ße Unterschiede. So ist z. B. die Sand-Step penbiene (Nomioides minutissimus) nur ca. 4 mm groß, während die Blauschwarze Holzbiene (Xylocopa violacea) eine nahe zu zehnfache Körperlänge erreicht. Es gibt schwarze, rote, gelb-schwarze, bläuliche und grünlich gefärbte Arten, pelzig dicht behaarte ebenso wie nahezu unbehaarte und solche mit leuchtend weißen Schup 44 Natur & Garten April 2015 penhaaren. Erkennen können wir die zu den Hautflüglern zählenden Wildbienen neben bestimmten Körpermerkmalen (z. B. Fühlerlänge, zwei Paar durchsichtige Flü gel, Wespentaille) an typischen Verhaltens weisen, mit etwas Übung auch am Flug, am ehesten fallen die mit gesammeltem Pollen beladenen Weibchen auf. Die Vielfalt der Lebensweisen der Wildbie nen ist fast unüberschaubar. Es gibt nest bauende und parasitische Arten und unter den nestbauenden solitäre und soziale. Die meisten Wildbienen leben solitär, d. h. je des Weibchen baut sein Nest und versorgt seine Brut für sich allein, ohne Mithilfe von Artgenossen. Eine charakteristische Solitär biene ist die Gehörnte Mauerbiene (Osmia cornuta). Bei den wegen der dichten Behaa rung oft mit kleinen Hummeln verwechsel ten Weibchen ist der Hinterleib leuchtend rostrot. Die ebenfalls pelzigen, aber etwas kleineren Männchen erkennt man leicht an ihrer weißen Gesichtsbehaarung. Nur die Weibchen haben am Vorderkopf zwei klei ne, zwischen den Haaren versteckte Hörn chen (Name!). Die völlig friedfertige Mau erbiene kommt vor allem in Dörfern und Städten vor, wo Hohlräume an Gebäuden die benötigten Nistplätze und frühblühen de Bäume ein reiches Nahrungsangebot lie fern. An sonnigen Frühlingstagen sieht man die Mauerbienen schon ab 10 °C Lufttempe ratur sogar mitten in Großstädten beim Be such der Primeln und Hyazinthen vor den Blumenläden und auf Wochenmärkten. Bei den einzeln lebenden Bienen baut und versorgt ein Weibchen im Laufe seines vierbis achtwöchigen Lebens ganz allein 4 – 30 Brutzellen. Stets wird eine Zelle fertigge stellt, bevor mit der nächsten begonnen wird. In jeder wird zunächst ein Gemisch aus Pollen und Nektar deponiert. Dann wird auf diesen Futtervorrat ein Ei gelegt und die Zelle verschlossen. Das eiweißreiche Futter reicht für eine Larve, die es in 3 – 4 Wochen verzehrt und sich dann bis zur fertigen Bie ne weiterentwickelt. Das Weibchen stirbt, bevor seine Nachkommenschaft voll ent wickelt ist und meist erst Monate später schlüpft. Männchen entstehen wie bei allen Bienen aus unbefruchteten, Weibchen aus befruchteten Eiern. Tiere im Naturgarten Nach dem Verzehren des Futters spinnt die Larve einen Kokon, in dem sie sich verpuppt und sich noch im Sommer zur adulten Bie ne entwickelt. Herbst und Winter werden als Vollinsekt (Imago) überdauert. Im nächs ten Frühling verlassen zuerst die Männchen und dann die Weibchen ihr Nest, nachdem sie in Kokon, Querwände und Lehmpropfen ein Schlupfloch genagt haben. Die Gehörn te Mauerbiene hat somit einen einjährigen das zunächst wie eine solitäre Biene arbei tet und alle notwendigen Funktionen des Nestbaus, des Eierlegens, des Futtersam melns und der Versorgung der Larven über nimmt. Später, wenn die Töchter schlüpfen, beginnt das eigentliche Staatenleben, das Arbeitsteilung zwischen der Nestgründe rin (Königin) und den Arbeiterinnen ein schließt. Solche Staaten brechen meist mit der Erzeugung von Geschlechtstieren – u. a. in abgestorbenem Holz, in markhal tigen, dürren Pflanzenstängeln, in leeren Schneckenhäusern, in Fraßgängen anderer Insekten oder an Felsen. Fast drei Viertel der Arten nisten in der Erde. Viele Bienenarten verwenden für die Auskleidung ihrer Brut zellen bestimmte Sekrete, die in speziellen Drüsen produziert werden. Bei Hummeln und Honigbienen heißt das Produkt dieser Drüsen Wachs. Einige Mauerbienen, Sche Die mit der Honigbiene nah verwandten Hummeln gehören ebenfalls zu den Wildbienen. Das Bild zeigt eine Königin der Baumhummel (Bombus hypnorum) im Nest mit Arbeiterinnen. Ein Weibchen der Garten-Wollbiene (Anthidium manicatum) gewinnt von einer Strohblume (Helichrysum) Pflanzenhaare für den Nestbau. Lebenszyklus und nur eine Generation pro Jahr. Den größten Teil des Jahres vollzieht sich die Entwicklung im Nest, vor unseren Augen verborgen. Zu den sozialen Wildbienen, die nur 5 % der nestbauenden Bienen stellen, gehören außer einigen Furchen- und Schmalbie nen auch die Hummeln, die in einjährigen Staaten leben. Sie bestehen aus zwei oder mehr Weibchen, die in einem Nest zusam menleben und sich unterscheiden lassen in (1) eine bis viele Arbeiterinnen, die den Hauptteil der Sammeltätigkeiten ausfüh ren, sich um die Brut kümmern und das Nest bewachsen und in (2) eine Königin, die gewöhnlich begattet ist, und den größten Teil der Eier legt. Während sich bei der Honigbiene mit ihrem besonders hoch entwickelten Staatenleben Königin und Arbeiterinnen auch im Körper bau stark unterscheiden, sind diese Kasten bei den Schmalbienen (Lasioglossum) und Hummeln (Bombus teilweise) einander sehr ähnlich. Meistens werden die Staaten von einem einzelnen Weibchen gegründet, Männchen der langrüsseligen Frühlings- Pelzbiene (Anthophora plumipes) beim Besuch des Blaukissens (Aubrieta deltoidea). (Jungköniginnen, Männchen) zusammen und sind daher vergleichsweise kurzlebig (meist eine Vegetationsperiode). Die parasitischen Bienen oder „Kuckucks bienen“, in der heimischen Fauna ca. 25 % der Arten, sind Brutparasiten, die die Brut fürsorgeleistungen anderer Bienen ausnut zen. Sie bauen wie die sozialparasitischen Hummeln keine eigenen Nester und ver proviantieren auch keine eigenen Brutzel len mit Pollen. Sie schmuggeln ihre Eier in die Brutzellen ihrer Wirte. Die Schmarotzer larve vernichtet zuerst das Wirtsei oder die junge Wirtslarve und macht sich dann über den Futtervorrat her. Die Nestbauten der Bienen sind im Tier reich einzigartig. Das Nest ist ein von den Bienen konstruierter Bau, in dem die Eier abgelegt werden und die Brut aufgezogen wird. Grundelemente des Nestes sind die Brutzellen. Sie sind fast immer abgegrenzte und durch Trennwände isolierte Kammern, in denen die gesamte Entwicklung vom Ei bis zum Vollinsekt verläuft. Bienennester findet man – von Art zu Art verschieden ren- und Mörtelbienen verwenden mine ralische Baustoffe (Lehm, Sand, Steinchen). Pflanzliches Material hingegen nutzen Wollund Harzbienen, Löcher und Blattschnei derbienen sowie Holz- und Keulhornbie nen. Bei ihnen finden wir Ausschnitte von Laubblättern, Stücke von Blütenblättern, breiartig zerkleinerte Blattstücke (Pflanzen mörtel), abgeschabte Pflanzenhaare, kurze Holzfasern, Markpartikel und Baumharz. Immer sind die Arten auf die jeweiligen Baustoffe spezialisiert. Bienen sind ohne Blüten nicht vorstellbar. Manchen Arten dienen sie als Baustofflie ferant. Glockenförmige Blüten werden bei Regenwetter zum Schutz und am Abend regelmäßig zum Schlafen aufgesucht. Der Hauptzweck des Blütenbesuchs ist aber die Nutzung spezifischer Blütenprodukte, durch die Bienen angelockt werden. Da ist einerseits der zuckerhaltige Nektar, der den adulten Insekten als Treibstoff für den Flug dient, teilweise aber auch der Larvennah rung hinzugefügt wird, andererseits der ei weißreiche Pollen, der gesammelt und bei den meisten Bienenarten für die Ernährung Natur & Garten April 2015 45 Tiere im Naturgarten der Larven benötigt wird. Wenige Pflanzen arten – in Mitteleuropa Gilbweiderich-Arten (Lysimachia) – enthalten in ihren Blüten an Stelle des Nektars fette Öle, die von den Weibchen der Schenkelbienen (Macropis) zur Auskleidung der Brutzellen geerntet und dem Larvenfutter beigemischt wird. Beim Pollensammeln nutzen manche Bie nenarten entweder ein breites Spektrum von Pflanzenarten oder sie beschränken oligolektischer Bienenarten zu insgesamt 26 Pflanzenfamilien. In der Regel sind die Blühzeiten der spezifischen Pollenquellen mit den Flugzeiten der entsprechenden oli golektischen Arten synchronisiert, die da her meist nur eine Generation besitzen. Auf Weiden (Salix) spezialisierte Arten wie die Große Weiden-Sandbiene (Andrena vaga) fliegen daher im Frühling, während das Gegenstück zu ihr, die Efeu-Seidenbiene (Colletes hederae) aufgrund ihrer Bindung an Efeu (Hedera) erst im Spätsommer und erbiene (Osmia bicornis), von der Vertreter von 18 Pflanzenfamilien als Pollenquellen belegt sind oder die Gelbfüßige Sandbiene (Andrena flavipes), von der bisher Vertreter von 17 Pflanzenfamilien als Pollenquellen bekannt wurden. Auf alle nestbauenden Bienen bezogen überwiegt der Anteil der polylektischen Arten gegenüber den oligo lektischen. Die Sand-Steppenbiene (Nomioides minutissimus) ist mit 4 – 5 mm eine der kleinsten heimischen Wildbienen. Hier auf dem Blütenstand des Sand-Thymians (Thymus serpyllum). Wespenbienen wie Nomada melathoracica bauen keine eigenen Nester, sondern ent wickeln sich als Futterparasiten in den Nestern ihrer Wirte, meistens Sandbienen (Andrena). Manche Wildbienen nisten ausschließlich in markhaltigen Stängeln wie z. B. einer Königskerze. Hier ist ein Weibchen der Dreizahn-Mauerbiene (Osmia tridentata) dabei, einen Gang in das Mark zu nagen. sich auf wenige und immer wieder diesel ben Pflanzenarten. Wenn sämtliche Weib chen im gesamten Verbreitungsgebiet auch beim Vorhandensein anderer Pollenquellen ausschließlich Pollen einer Pflanzenart oder nah verwandter Pflanzenarten sammeln, nennen wir sie oligolektisch. Da sich die Spezialisierung immer auf das Pollensam meln bezieht, können wir bei oligolekti schen Bienen auch von Pollenspezialisten sprechen. Die Oligolektie ist im Normalfall auf Arten einer oder mehrerer Pflanzen gattungen oder auf eine Pflanzenfamilie beschränkt. Von den ca. 419 nestbauenden Bienenarten Deutschlands sind 117 (ca. 30 %) oligolektisch. Auf den mitteleuropäi schen Raum bezogen gibt es Beziehungen Herbst aktiv ist. So kann man zu jeder Jah reszeit unterschiedliche Arten beobachten, so dass im gleichen Lebensraum sich etwa alle vier Wochen die Zusammensetzung der Arten ändert. Arten, die sich beim Pollensammeln oppor tunistisch verhalten und keine Bindung an bestimmte Pflanzenarten haben, nennen wir polylektisch. Man kann sie auch als Pollengeneralisten bezeichnen. Unter den Wildbienen gibt es ausgesprochene Pol lengeneralisten wie z. B. die Rostrote Mau Die meisten insektenblütigen Pflanzen sind auf Wildbienen als Pollenüberträger ange wiesen. Diese Hautflügler ernähren sich nicht nur als adulte Insekten von Pollen und Nektar, diese Blütenprodukte werden von den nestbauenden Arten auch zur Ver sorgung ihrer Brut ausgiebig gesammelt. Deshalb sind viel mehr Blütenbesuche als zur Eigenversorgung nötig. Gerade das macht Wildbienen im Vergleich zu anderen blütenbesuchenden Insekten zu besonders effizienten Bestäubern nicht nur von Wild kräutern, sondern auch von Nutzpflanzen wie Obstbäumen, Beerensträuchern und Feldfrüchten. Gute Beispiele sind die Saat gutproduktion und die Pflanzenzüchtung, für die weltweit zunehmend Wildbienen eingesetzt werden. Häufig werden seit eini gen Jahren Erdhummeln (Bombus terrestris) in Gewächshäusern für die Bestäubung von Nest der Gehörnten Mauerbiene (Osmia cornuta) mit acht Brutzellen in einem Bambusröhrchen. Jede der durch Querwände aus Lehm getrennten Zellen enthält den pollenreichen Larvenvorrat und ein Ei. 46 Natur & Garten April 2015 Tiere im Naturgarten Tomaten verwendet. Ihr Einsatz ist aller dings umstritten, da entflogene reproduk tionsfähige Hummeln sich mit lokalen Po pulationen vermischen und deren Erbgut verändern können. In den USA, in Kanada und in einigen anderen Ländern wird die Luzerne-Blattschneiderbiene (Megachile rotundata) in riesiger Zahl vermehrt und in speziellen Nistanlagen zu den Luzernefel dern gebracht, damit sie dort ihrer Bestäu bungstätigkeit nachgehen kann. in der Landschaft durch Straßen- und Sied lungsbau, vor allem aber durch die immer intensivere Landwirtschaft beeinträchtigen oder schädigen seit fünf Jahrzehnten die Bestände der Wildbienen. Die Qualität der Äcker und Wiesen als Nist- bzw. Nahrungs raum hat sich im Vergleich zur früheren Situ ation derart verschlechtert, dass heute nur noch Fragmente des früheren Artenreich Viele Wildbienenarten sind wichtige Bestäuber von Wildpflanzen wie die Lappländische Sandbiene (Andrena lapponica), hier beim Besuch der Heidelbeerblüte und Böschungen, Lesesteinhaufen, kleine Steilwände und Löss-Hohlwege, vegeta tionsarme Erdwege oder lückige Ruderal stellen als Nist- oder Nahrungsplätze („Öd land“) angewiesen sind. Wirksame Maßnahmen zur Förderung und zum Schutz der Wildbienen, insbesondere der gefährdeten Arten, sind also dringend erforderlich. Jeder kann hierzu seinen eige nen Beitrag leisten. Männchen der Mai-Langhornbiene (Eucera nigrescens) mit charakteristisch langen Fühlern. Nest der im Erdboden nistenden staatenbildenden Pförtner-Schmalbiene (Lasioglossum malachurum) mit Larvenvorrat, Ei und Larven in den fünf Brutzellen. Nicht nur unzählige Pflanzen brauchen Wildbienen als Bestäuber, auch Vertreter verschiedenster anderer Organismengrup pen (u. a. bestimmte Käfer, Schmetterlinge, Fliegen, Schlupfwespen, Goldwespen, Vö gel) leben von ihnen oder entwickeln sich in ihren Nestern. Viele dieser Organismen sind derart spezialisiert, dass sie ohne ganz bestimmte Bienenwirte überhaupt nicht existieren können. Die Erhaltung und För derung von Wildbienen ist somit die Vor aussetzung für die Bestandssicherung auch dieser Lebewesen. Da die meisten Wildbienen in der Wahl des Nistplatzes, des Baumaterials und der Nah rungspflanzen spezialisiert sind, reagieren sie besonders empfindlich auf Beeinträchti gungen ihres Lebensraumes. Dies ist einer der Gründe für die mittlerweile hohe Zahl gefährdeter Arten. Menschliche Aktivitäten tums in der Agrarlandschaft vorhanden sind. Wichtige Bienenlebensräume waren, bzw. sind z. B. ein- bis zweischürige Wiesen trockenwarmer oder frischer Standorte in der Ebene oder im Hügelland (FFH-Lebens raumtyp „Magere Flachland-Mähwiesen“), in Hütehaltung beweidete Kalk-Magerrasen (u. a. „Wacholderheiden“ Süddeutschlands), Calluna-Heiden des Flachlandes und Berg heiden der Mittelgebirge sowie Äcker mit charakteristischer Segetalflora (vor allem in den Sandgebieten). Das lokale Verschwin den einer Pflanzenart bedeutet bei den Pollenspezialisten oft, dass deren Bestand erlischt. Die Zerstörung einer Steilwand führt zum Erlöschen von Arten, die vertika le Strukturen als Nistplatz benötigen. Nach der aktuellen Roten Liste ist mit 293 Arten über die Hälfte der heimischen Bienenarten (52 %) mehr oder weniger im Bestand be droht. 39 Arten gelten in Deutschland be reits als ausgestorben. Besonders kritisch ist die Bestandssituation solcher Arten, die auf die immer seltener werdenden landwirt schaftlich nicht genutzten Kleinstrukturen in der Feldflur wie Wegränder, Stufenraine Literatur: pWestrich, P., Frommer, U., Mandery, K., Rie mann, H., Ruhnke, H., Saure, C., & Voith, J. (2012): Rote Liste und Gesamtartenlis te der Bienen (Hymenoptera, Apidae) Deutschlands. 5. Fassung, Stand Februar 2011. – Naturschutz und Biologische Viel falt 70 (3), 2012 (2011), S. 373–416. Bun desamt für Naturschutz. pWestrich, P. (2014): Wildbienen – Die an deren Bienen. 4. Aufl., 168 S., 471 Farb fotos, Dr. F. Pfeil Verlag, München. pDipl.-Biol. Dr. Paul Westrich, Institut für Biologie und Naturschutz, Raichbergstr. 38, D-72127 Kusterdingen. [email protected] Dr. Paul Westrich, Wildbienenexperte und Buchautor, Institut für Bio logie und Naturschutz D - 72127 Kusterdingen [email protected] www.wildbienen.info Natur & Garten April 2015 47 Tiere im Naturgarten Bunte Wiesen bieten vielen Wildbienenarten ein reiches Nahrungsangebot. Wie können wir Wildbienen im Naturgarten fördern? W ildbienen kann man vom zeiti gen Frühjahr bis zum Herbst in den unterschiedlichsten Lebens räumen antreffen, im kühlen Moor ebenso wie auf einem trocken-heißen Felshang. Auch in Hausgärten kann eine ganze Reihe von Arten leben, vorausgesetzt, sie finden dort vor, was sie für den Nestbau und für die Versorgung ihrer Nachkommenschaft benötigen. Naturgärten bieten schon allein aufgrund ihrer Ausrichtung auf naturnahe Verhältnisse prinzipiell gute Vorausset Ein Bestand des Rainfarns (Tanacetum vulgare) neben der Garage fördert die Buckel-Seidenbiene (Colletes daviesanus) und andere an Korbblütler gebundene Wildbienen. 48 Natur & Garten April 2015 zungen für die Förderung verschiedener Wildbienenarten. In diesem Beitrag sollen einige grundsätzliche Hinweise gegeben werden, auf was zu achten ist, wenn man Wildbienen in den eigenen Garten locken bzw. dort ansiedeln will. Der anhaltend starke Rückgang vieler Bie nenarten in den vergangenen Jahrzehnten erfordert wirksame Maßnahmen zu ihrem Schutz, der vor allem ihren Lebensräumen gelten muss. Wildbienen stellen von Art zu Art aber ganz unterschiedliche Ansprüche an ihre Lebensräume. Daher ist das Spekt rum der Arten nicht überall gleich. Grund sätzlich muss der Lebensraum einer Wild biene folgende Bedingungen erfüllen: pEr muss den von der Art benötigen Nist platz aufweisen. pEr muss Nahrungspflanzen in ausreichen der Menge enthalten. p Bei zahlreichen Arten muss außerdem das für den Bau der Brutzellen erforder liche Baumaterial zur Verfügung stehen. Der Gesamtlebensraum kann sich aus meh reren Teillebensräumen zusammensetzen, Die Rainfarn-Seidenbiene (Colletes similis) bei der Pollenernte auf dem Blütenstand des Rainfarns (Tanacetum vulgare). die jeweils als Nistplatz, Nahrungsraum oder Materialentnahmestelle dienen, sich räumlich aber oft nicht decken. Deshalb ist deren Verbund in erreichbarer Entfernung ausschlaggebend. Letztlich gilt dies auch für alle Maßnahmen im Naturgarten, denn dieser kann einerseits als Teillebensraum fungieren und z. B. „nur“ als Nahrungsraum für Nahrungsgäste dienen, er kann aber durchaus auch Gesamtlebensraum sein, wenn alle Ansprüche erfüllt sind. Bei kleine ren Gärten lässt sich dieses Ziel aber nicht immer erreichen. Während eine ganze Reihe typischer Wild bienen-Lebensräume nur durch die Auswei sung von Naturschutzgebieten gesichert werden kann (Binnendünen, Magerrasen, Sandheiden, Felsfluren, Steinbrüche, Groß röhrichte, aufgelassene Sand- Kies- und Tiere im Naturgarten Lehmgruben), lassen sich viele Wildbienen aber durchaus auch am Haus und im Garten fördern. In der Regel zielen die unterschied lichen Maßnahmen auf die Bereitstellung von Nistmöglichkeiten und bzw. oder die Bereicherung des Nahrungsangebots ab. Mit der Schaffung von Wohnraum für Wild bienen (und verwandten Hautflüglern), sogenannten Nisthilfen, können vom Früh jahr bis zum Herbst nicht nur verschiedene Arten als Besiedler angelockt, sondern auch allerlei Beobachtungen angestellt werden. Dies gilt für alle Altersstufen. Kindern bietet sich hier eine besonders gute Möglichkeit, faszinierende Phänomene aus allernächs ter Nähe zu beobachten. Nisthilfen können wir schaffen für Bewohner vorhandener Hohlräume, für Bewohner von Totholz und Morschholz, für Bewohner markhaltiger Stängel, für Bewohner von Steilwänden und für im Erdboden nistende Arten. Spezi elle Hummelkästen können auch Hummeln zum Nisten anregen. Wir müssen uns stets an den natürlichen Ansprüchen der Arten orientieren, um erfolgreich zu sein. Dies ist leider vielfach nicht der Fall, wie unzählige Fotos im Internet oder dem Verfasser zuge schickte Bilder zeigen. Bedauerlicherweise gibt es unzählige Beispiele für untaugliche Nisthilfen, die es auch in Internetshops oder in Baumärkten zu kaufen gibt. In der Mehrheit der Fälle nennen sie sich „Insek tenhotel“ oder „Wildbienenhotel“, Begriffe, die aus Sicht der Arten, die hier angeblich gefördert werden sollen, falsch sind. Die zu fördernden Arten nutzen die Objekte ja nicht als kurzfristige Übernachtungs- oder Rückzugsmöglichkeit, sondern brauchen nach Abschluss des Brutzellenbaus manch mal bis zu zwei Jahre für ihre Entwicklung. Der Begriff „Hotel“ vermittelt daher ein fal sches Bild. Auch wir Menschen würden ja als Gast in einem Hotel nicht Möbelstücke nach draußen befördern, putzen, Zimmer tapezieren, Wände hochziehen oder Türen einbauen. All dies machen aber die Weib chen, die die Nisthilfen für ihre Brutfürsor ge nutzen. Außerdem umfasst der Begriff »Nisthilfen« ein viel größeres Spektrum an Nistangeboten als der Begriff »Wildbie nenhotel«, unter dem in aller Regel nur das sehr eingeschränkte Angebot für Be siedler vorhandener Hohlräume verstan den wird. Ein Naturgarten sollte aber ein breites Spektrum an Nistmöglichkeiten bieten. Der Hauptgrund für unwirksame Nistobjekte sind in der Regel falsche Ma terialien (Nadelholz, Baumscheiben) und/ oder falsche Herstellungsweisen (Bohren in das Stirnholz). Vor allem in der Kinder- und Jugendarbeit ist es wichtig, dass die ge bauten Nisthilfen auch besiedelt werden, damit die unmittelbare Erfahrung möglich wird. Durch die Betreuung von Nisthilfen und die Beobachtung ihrer Besiedler lassen sich auch Berührungsängste mit Insekten abbauen. Dabei entwickelt sich meist auch eine emotionale Bindung an diese Kleinle bewelt, die ein unverzichtbares Moment der Umwelterziehung und eine besonders wichtige Voraussetzung für einen verant wortungsvollen Umgang mit der Natur darstellt. Kinder können den Aktivitäten der Wildbienen an Nisthilfen völlig gefahr los aus nächster Nähe zuschauen, da die Besiedler völlig friedfertig sind. Nisthilfen für Hohlraumbewohner sind meistens Blöcke aus abgelagertem Hart holz (z. B. Esche) mit unterschiedlich weiten Bohrungen (3 bis 8 mm), außerdem Bam busröhrchen, Schilfstängel, Strangfalzziegel oder speziell als Niststein hergestellte käuf liche Blöcke aus gebranntem Ton. Bei den Holzblöcken wird die Holzoberfläche nach dem Bohren mit feinem Sandpapier geglät tet, damit die Nesteingänge nicht durch eventuell querstehende Fasern versperrt werden. 20 Arten von Wildbienen und mehr können diese Nistgelegenheiten nutzen. Die Blauschillernde Sandbiene (Andrena agilissima) ist auf Kreuzblütler spezialisiert. Hier besammelt ein Weibchen die Blüte des Hederichs (Raphanus raphanistrum). Für Bewohner markhaltiger Stängel eignen sich am besten dürre Brombeerranken oder verholzte Stängel von Königskerzen. Ent scheidend ist die vertikale Ausrichtung des Stängels, weil sich in markhaltigen Stän geln nistende Wildbienen bei der Suche nach einem geeigneten Nistplatz an verti kalen Strukturen orientieren. Gebündelte und waagrecht angebotene Stängel wer den von solchen Arten nicht angenommen. Manche Wildbienenarten nagen ihre Nest gänge für die Aufnahme der Brutzellen ausschließlich in Totholz, das für Holzbie nen fest, für die Wald-Pelzbiene aber wei cher, also morscher sein sollte. Wir können sie anlocken, indem wir im Garten einen abgestorbenen Laubbaumstamm, größere morsche Holzklötze, Balken oder dickere Äste einzeln aufstellen oder zu einem Sta pel aufschichten. Bei abgängigen Obstbäu men sollte wenigstens ein Teil des Stammes oder ein größerer Strunk bis zur völligen Verrottung stehen gelassen werden. Den in Steilwänden nistenden, grabenden Arten kann man künstliche Strukturen an bieten, indem asbestfreie Blumenkästen oder Hohlkammerelemente für Ziermau ern aus Beton mit Löß oder sandigem (!) Lehm gefüllt und zu mehreren übereinan der vertikal aufgestellt werden. Leider wird vielfach zu wenig auf eine ausreichende Weichheit des Materials geachtet, denn bei zu hartem, d. h. zu tonhaltigem Substrat bleibt eine Besiedlung aus. In einem Wildbienengarten sollten Glocken blumen wie die Acker-Glockenblume (Campanula rapunculoides) nicht fehlen. Den Erdnistern, die horizontale Flächen besiedeln, kann man vor allem in Sandge bieten eine kleinere Fläche (hier genügen bereits wenige Quadratmeter) anbieten, Natur & Garten April 2015 49 Tiere im Naturgarten indem man die Pflanzendecke und die Hu musschicht entfernt und die sich im Laufe der Zeit einstellende Vegetation ebenfalls bei Bedarf auslichtet. Es gibt allerdings keine Gewähr, welche Arten dieses Ange bot annehmen. Man sollte also nicht zu optimistisch sein, denn die Ansprüche der in der Erde nistenden Arten sind höher, als man denkt. Auch eine Pflasterung von We gen und Plätzen über sandigem Substrat und mit breiten Fugen wird von einigen Arten durchaus als Nistplatz angenommen. Die besten Nisthilfen und ein noch so ge eigneter Nistplatz nützen nichts, wenn nicht gleichzeitig die entsprechenden Nah rungspflanzen in der Umgebung zu finden sind. Natürlich bringen wir als Naturgärtner der spontan auftretenden Vegetation mehr Toleranz entgegen, als es im Siedlungs raum des Menschen allgemein der Fall ist. Die Lauch-Maskenbiene (Hylaeus punctulatissimus), hier ein Weibchen am Gelben Lauch (Allium flavum), kann im Naturgarten durch die Kultur sommerblühender Laucharten gefördert werden. Viele als „Unkräuter“ missliebige Wildpflan zen sind wichtige Nahrungsquellen von Wildbienen und sollten daher generell viel stärker toleriert werden. Für welche und wie viele Wildbienenarten ein Naturgarten Lebensraum sein kann, das hängt von sei nen Strukturen und seiner Pflanzenwelt ab. Es ist immer wieder erstaunlich festzustel len, dass auch seltene Arten in Naturgärten dauerhaft leben können. Damit ergeben sich mitunter auch spannende Beobach tungen über das Verhalten solcher Arten. Daraus können durchaus auch für die Wis senschaft neue Erkenntnisse resultieren, denn von vielen Wildbienenarten wissen wir noch zu wenig, um sie nachhaltig schüt zen zu können. 50 Natur & Garten April 2015 Die Zaunrüben-Sandbiene (Andrena florea) benötigt männliche Zaunrüben (Bryonica dioica), die an nährstoffreichen Heckenrändern besonders gut gedeihen. Auch wenn innerhalb des Naturgartens kein artspezifischer Nistplatz vorhanden ist, so können Wildbienen zumindest Nahrungs gäste sein. Entscheidend für das Auftreten von Wildbienen ist die Verfügbarkeit einer ausreichenden Menge an Pollen, der für die Brutversorgung benötigt wird, wobei rund ein Viertel der heimischen Arten auf ganz bestimmte Pflanzen als Pollenquel len spezialisiert ist. Krautige Pflanzen – und um die geht es – unterscheiden sich sehr in ihrer Bedeutung für Wildbienen. Es genügt nicht, irgendwelche Pflanzen zu kultivieren, selbst wenn es sich um heimische Arten handelt. Ausschlagend ist die Berücksich tigung der Ansprüche der spezialisierten Bienenarten und hier kann viel mehr für den Artenschutz getan werden, als wenn man sich auf Nisthilfen beschränkt. Die von den ca. 117 heimischen Pollenspezialisten benötigten Pflanzenarten finden sich in insgesamt 26 Pflanzenfamilien. Für eine vielfältige Pflanzenwelt zu sorgen ist daher der beste Weg, auch Wildbienen zu fördern. Immerhin ist es bei sorgfältig geplanter Vorgehensweise möglich, erstaunlich viele Bienenarten in einen Naturgarten zu lo cken. Dies zeigen die eigenen Erhebungen des Verfassers, der innerhalb von sechs Jah ren 115 Arten in seinem Garten nachwei sen konnte, in dem in dem Untersuchungs zeitraum allerdings auch ca. 200 Arten krautiger Pflanzen wuchsen und blühten, darunter alle wichtigen Pollenquellen der in der Region bekannten Bienenarten. Die Pollenspezialisten orientieren sich bei ih rer Nahrungssuche am (Pollen-)Duft ihrer Futterpflanzen und finden dann auch aus größerer Entfernung „ihre“ Blumen. Aber allein die große Zahl der unterschiedlichen Spezialisierungen zeigt schon, dass auch in einem größeren Naturgarten kaum alle Ansprüche berücksichtigt werden können. Deshalb empfiehlt es sich, die Pflanzen be sonders zu fördern, die für die vorhande nen oder vorgesehenen Pflanzengemein schaften typisch sind und gleichzeitig als Pollenquellen bevorzugt werden. Nehmen wir als Beispiel die Glockenblumen (Campanula), von denen der Autor in manchen Jahren bis zu 16 Arten in seinem Garten und auf seiner Terrasse kultiviert. Von den elf in Deutschland vorkommenden, auf Glockenblumen spezialisierten Bienenar ten können sechs bis acht allein durch das Anpflanzen bestimmter Glockenblumen im Garten dauerhaft gefördert werden, vor al lem, wenn man auch die unterschiedlichen Blühzeiten und Wuchsorte der Glockenblu Spontan auf Rohböden entstehende Pioniergesellschaften haben für Wildbienen als Nahrungsräume eine hohe Bedeutung. Tiere im Naturgarten Büchern des Verfassers und auf seinem In ternetportal „Faszination Wildbienen“ vor gestellt und besprochen. Eine Nisthilfen-Anlage im Botanischen Garten Tübingen, deren Objekte die unterschiedlichen Ansprüche der Wildbienen beim Nisten berücksichtigen. men beachtet. Die Wiesen-Glockenblume (Campanula patula) ist für Frischwiesen ty pisch. Der Verfasser beobachtet alljährlich in seiner Gartenwiese die gefährdete Grau schuppige Sandbiene (Andrena pandellei) in den Blüten dieser frühblühenden Glo ckenblume. Die nahverwandte, ebenfalls bestandsbedrohte Braunschuppige Sand biene (Andrena curvungula) hingegen nutzt die Pfirschblättrige Glockenblume (Campanula persicifolia) in der besonnten Saumge sellschaft, während die Glockenblumen-Sä gehornbiene (Melitta haemorrhoidalis) die Nesselblättrige Glockenblume (Campanula trachelium) in der halbschattigen Stauden pflanzung liebt. Zu guter Letzt werden die Rundblättrige Glockenblume (Campanula rotundifolia) im Steingarten und die Ran kenblättrige Glockenblume (Campanula poscharskyna) in der Terrassen-Ampel von der Glockenblumen-Scherenbiene (Osmia rapunculi) bevorzugt, die gleichzeitig von den Nisthilfen im Wildbienenhaus profi tiert. Glockenblumen sollten daher in kei nem Wildbienengarten fehlen. Je nach Größe, Topographie, Höhenstufe und Bodentyp kann ein Naturgarten mit einer entsprechend bepflanzen Stauden rabatte, mit einem Steingarten bzw. Schot terbeet oder mit einer Ansaat zweijähriger Pionierpflanzen wildbienenfreundlich ge staltet werden. Selbst im Nutzgarten sowie auf Terrasse und Balkon können wir das Nahrungsangebot für Wildbienen verbes sern. Die dafür besonders geeigneten und empfohlenen Pflanzenarten werden in den Im Handel werden eine ganze Reihe un tauglicher Saatmischungen angeboten, die aufgrund ihrer bunten Farbenpracht für viele Menschen zweifellos attraktiv sind, für Wildbienen jedoch nahezu wertlos („Mös singer Sommer“). Der Grund: Entweder handelt es sich in der Mehrzahl um fremd ländische Arten, an welche die heimischen Wildbienen nicht angepasst sind, oder die Blüten sind züchterisch verändert („gefüllt“) und deshalb pollenlos. Das Wirtschaftsle ben hat sich mittlerweile darauf eingestellt, dass es neben der Honigbiene auch Hun derte anderer Bienenarten gibt (zweifellos ein Ergebnis intensiver Öffentlichkeitsar beit in den vergangenen 30 Jahren). In Gar tenmärkten kann man heute regelmäßig Saatgut kaufen, das angeblich für Honig bienen und für Wildbienen förderlich sein soll. Mit den in den Mischungen enthalte nen Pflanzenarten ist zwar der Honigbiene und damit der Imkerei, den bedrohten und oft hochspezialisierten Wildbienenarten jedoch nicht geholfen. Viele Pflanzen, die für die ausgesprochen flexible Honigbiene attraktiv sind, eignen sich nämlich nicht für Wildbienen, z. B. die in manchen Mischun gen enthaltenen Kulturpflanzen (Buchwei zen etc.). Besser ist die selektive Kultur ganz bestimmter Pflanzenarten, um die Bienen arten zu unterstützen, die es besonders nötig haben. Um dem Mangel an geeigne ten Pollenquellen für kurzlebige Pflanzen gemeinschaften abzuhelfen, hat der Autor in Zusammenarbeit mit dem Naturgärtner Bernd Dittrich (www.syringa-samen.de) zwei Wildblumenmischungen konzipiert, die vor allem auf die spezialisierten Pollen sammler abzielen und im Siedlungsraum für Blühstreifen und -flächen geeignet sind. Die Braunbürstige Hosenbiene (Dasypoda hirtipes) sammelt nur an bestimmten Korbblütlern den für die Brutversorgung notwendigen Pollen, hier an der Wegwarte (Cichorium intybus). Literatur pWestrich, P. (1989): Die Wildbienen Ba den-Württembergs. 2 Bände, 972 S., 496 Farbfotos; Stuttgart (E. Ulmer). [1990 2., verb. Auflage]. pWestrich, P. (2014): Wildbienen – Die an deren Bienen. 4. Aufl., 168 S., 471 Farb fotos, Dr. F. Pfeil Verlag, München. pWestrich, P., Frommer, U., Mandery, K., Riemann, H., Ruhnke, H., Saure, C., & Voith, J. (2012): Rote Liste und Gesamtarten liste der Bienen (Hymenoptera, Apidae) Deutschlands. 5. Fassung, Stand Febru ar 2011. – Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (3), 2012 (2011), S. 373 – 416. Bundesamt für Naturschutz. Internet pFaszination Wildbienen: http://www.wildbienen.info Selbst auf der Terrasse kann man attraktive Pollen für bestimmte Wildbienen kultivieren, z. B. den Gewöhnlichen Natterkopf (Echium vulgare) in einem Container. Dr. Paul Westrich, Wildbienenexperte und Buchautor, Institut für Bio logie und Naturschutz D - 72127 Kusterdingen [email protected] www.wildbienen.info Natur & Garten April 2015 51 Gehölze im Naturgarten Fuchs auf Reifweide (Salix daphnoides) Welt der Weiden Silberweide (Salix alba) Kopfbaum Die Weide ist ein attraktives Gehölz für Garten und Landschaft. Frühblühende Arten erfreuen nicht nur das Auge mit schmucken Kätzchen, sondern bieten meist die ersten Nektar- und Pollenquellen nach kargen Wintermonaten. Die Vielfalt an Weiden ist immens, für große und kleine Gärten, zur Gewinnung von Flechtmaterial, aus ökologischer Überlegung oder einfach zur Zierde. Weidengewächse sind ein Geheimtipp – nicht nur für Bienen und Bienenfreunde! 52 Natur & Garten April 2015 Kahle Weide (Salix glabra) Systematik und Botanik der Weidengewächse Die Vertreter der Gattung Salix beim Na men zu nennen ist angesichts der Vielfalt und der teilweise großen Ähnlichkeit nicht immer einfach. Sind doch zur gegebenen Zeit meist entweder nur Kätzchen, Knos pen oder Blätter als Richtwert vorhanden. Es lohnt sich jedoch, genauer hinzuschau en, denn die Verwendungsmöglichkeiten sind ebenso vielseitig wie die Gestalt der einzelnen Arten. Weltweit soll es über 400 Vertreter der Gat tung Salix geben, zu den in Mitteleuropa heimischen zählen etwa 30. Obwohl die unzähligen Kreuzungen und Sorten nicht eingerechnet sind, ist die Mannigfaltigkeit immens: Große, über 20-Meter hoch stre bende Baumweiden wie die Silberweide (Salix alba), die weniger hoch werdenden, strauchförmig wachsenden Arten Hanf weide (S. viminalis) und Purpurweide (S. purpurea) sowie viele Kleinstrauchweiden der Alpen, namentlich die Blaugrüne, die Gehölze im Naturgarten Kurzzähnige und die Kahle Weide (S. caesia, S. breviserrata, S. glabra). Nur wenige Zentimeter hoch wachsende Zwergwei den hochalpiner Rasen komplettieren die Arten-Vielfalt. Bei der Systematisierung der Weidengewächse behilft man sich dann auch mit der Einteilung in Untergattungen zur Handhabung der Mannigfaltigkeit. Wei tere Charakteristiken der Weidengewäch se sind die wechselständig angeordneten Blätter und die Zweihäusigkeit, d. h. es gibt männliche und weibliche Individuen. Die Ansammlung von Einzelblüten der jeweili gen Geschlechter ist zusammengefasst im Mehrfachblütenstand Kätzchen. Sowohl die männlichen als auch die weiblichen Blü ten besitzen Nektardrüsen an ihrer Basis als Angebot für bestäubende Insekten. Aber nicht alle Weidenarten sind Frühblüher und zeigen ihren Flor vor der Blattentwicklung. Gewisse Arten entwickeln ihre Kätzchen pa rallel zum Blattaustrieb, andere wiederum blühen erst nach der Entfaltung des Lau bes. Zur botanischen Bestimmung hilfreich kann die Form der Blätter, die Behaarung und das Vorhandensein bzw. die Abwesen heit von zusätzlichen Nebenblättern sein. Die meisten Weiden sind Pionierarten und entsprechend anspruchslos an die Boden verhältnisse. Dank ihrer zahlreich durch den Wind verbreiteten Samen besiedeln sie rasch Rohböden (Rohboden- und Lichtkei mer). Mit der Fähigkeit, an lebendem Ast Systematik Weidengewächse (Salicaceae) material rasch neue Wurzeln auszutreiben, wird die Anpassung an Überschüttungen begünstigt und ermöglicht zudem eine ef fiziente ungeschlechtliche Vermehrung. So lassen sich viele Weiden problemlos durch Stecklinge vermehren – probieren Sie es aus! Ökologisch wertvoll Neben der Bedeutung der frühblühenden Weiden für die Bienenwelt ist die Gattung Salix Lebensgrundlage zahlreicher Vögelund Insektenarten. Insbesondere die durch Schnitt geformten hochstämmigen Kopf bäume bieten durch das dichte Zweigwerk und die Hohlräume im weichen Weiden holz gute Nistmöglichkeiten für Garten rotschwanz und Wendehals. Durch das saisonal anfallende Laub entsteht zudem nährstoffreicher Mulmhumus, begünstigt durch harmlose Pilzstämme und eine ge mischte Population von Würmern, Asseln, Tausendfüssler und Käferarten. Ein wahr lich reichhaltiges Futterangebot für Specht, Wiedehopf und Co.! Für das Blattwerk von Weiden sind ebenfalls Liebhaber bekannt, z. B. die Raupen der Schmetterlinge Großer Schillerfalter und Trauermantel. Zuweilen zeigen sich bizarr geformte Gewebewuche rungen an den Blättern – sogenannte Gallen. Verursacher sind Insekten der Gattungen Gallmücke und Blattwespen, welche diese Veränderungen induzieren, sie für die eige ne Fortpflanzung nutzen, der Weide selbst damit aber keinerlei Schaden zufügen. Lorbeerweide (Salix pentandra) Moschusbock auf Silberweide (Salix alba) Pflanzengalle an Reifweide (Salix daphnoides) Lebendverbau Weidenzaun – nachwachsender Rohstoff Natur & Garten April 2015 53 Gehölze im Naturgarten Biegsam und vielseitig Von Baumweiden und großen Strauchwei den lässt sich Bau- und Flechtmaterial ge winnen. Seit Jahrhunderten bedient sich die Korbflechterei am nachwachsenden Rohstoff Weide. Strenge Qualitätsansprü che an langen, geraden, unverzweigten Ruten mit guter Flexibilität haben hierbei zur Selektion von entsprechenden Flecht weidensorten geführt. Zur Anzucht von qualitativ hochwertigen Flechtruten wird die Weide in Ackerkultur angebaut und jeweils im Winter ganz tief (1–2 Augen) „auf den Stock“ gesetzt. Die unterjährigen Stockausschläge werden getrocknet und nach Wiedereinweichen für die Flechterei verwendet. Schnittgut von Kopfweidenkul tur erfüllt die Qualität für die Korbflechterei in der Regel kaum. Ingenieurbiologen nutzen die einfache Be wurzelung von Weiden zur Stabilisierung vernässter Böden, zur Ufersicherung an Fliessgewässern oder zur Böschungsbe festigung. Im Gartenbau ist Gestalten und Flechten mit Weiden mancherorts zum Trend avanciert. Je nach Verwendung eig nen sich bestimmte Weidentypen besser als andere. Für Bauwerke wie Skulpturen, Zäune oder Weidenhäuschen wird an spruchsloses, schnell wurzelndes Pflanzgut eingesetzt, das schnittverträglich und sta bil ist. Bei Lebendverbau in kleineren Gär ten hält man sich besser an Vertreter mit gemäßigtem Wachstum aus der Gruppe der Strauchweiden und an deren männli che Individuen. Außer, die Nachbarschaft gehört zufällig auch zu den Weidenliebha bern – oder kann es durchaus werden. Das Weiden-Virus ist ansteckend! Literatur p Lautenschlager-Fleury D., Lautenschla ger E. (1994): Die Weiden von Mittel- und Nordeuropa (Gattung Salix L.). Birkhäuser Verlag, Basel. pNewsholme, C. (1992): Willows: The Ge nus Salix. Timber Press: Portland, OR. p Tinner U., Schumacher H. (2009): Wei den (Salix) und ihre Artenvielfalt in der Schweiz. Heft zur Ausstellung „Verflixt und verflochten – Von Weiden und Korb flechtern“. Publikation des Botanischen Gartens St. Gallen. Schwarzweide (Salix nigricans ssp nigricans) Gestutzte Weide (Salix retusa) Purpurweide (Salix purpurea) – Flechtweidenanbau Blüte mit Bienen auf Purpurweide Korb aus Purpurweide Kurzzähnige Weide (Salix breviserrata) Dr. sc. nat. Sonja Züllig-Morf CH - 8408 Winterthur Zuellig-Morf@ bluewin.ch www.salicetum.ch Krautweide (Salix herbacea) 54 Natur & Garten April 2015 Gehölze im Naturgarten Hecken – Lebensadern in Garten und Landschaft Naturnahe Hecken sind Lebensräume für eine Vielzahl von Tieren und Pflanzen H ecken wurden einst als Kultur biotope angelegt. Sie dienten als lebende Weidezäune (mhd. „hegga“ = Einfriedung, Verhau), schützten den Boden vor Winderosion und liefer ten den Menschen gleichzeitig Nutz- und Brennholz, Laubfutter für das Vieh, zudem vielerlei Früchte und Heilpflanzen. Durch regelmäßige wirtschaftliche Nutzung, bei der die Bauern in mehrjährigem Rhythmus ganze Heckenabschnitte in bestimmter nutzungsabhängiger Weise abschlugen, wurde der Gehölzbestand verjüngt und produktiv gehalten. Seit Jahrhunderten dienen geschnittene Hecken auch zur Um friedung und Gliederung von Parks und Gärten. Quasi als Nebeneffekt entwickelten sie sich über die Jahrhunderte zu wertvol len Lebensräumen für eine artenreiche Tier- und Pflanzenwelt. Zahlreiche wissen schaftliche Untersuchungen belegen die enorme Artenfülle der Hecken: Mehr als 1000 Pflanzen- und 7000 Tierarten wurden dort nachgewiesen. Andere Autoren gehen sogar von 10.000 Tierarten aus, die in Mitteleuropa dauerhaft oder zeitweilig in Hecken und Feldgehölzen leben können, wobei jede einzelne Hecke natürlich nur einen mehr oder weniger großen Aus schnitt des möglichen Artenspektrums beherbergt. Die Gründe für den herausra genden Artenreichtum sind vielfältig: Gut gepflegte Hecken bieten unterschiedliche Standortverhältnisse auf engem Raum (Mikroklima, Licht, Bodenfeuchte) und ein üppiges Nahrungsangebot (Knospen, Blät ter, Blüten, Samen, Früchte, Rinde, Holz, Insekten, Spinnen). In der Hecke treffen Wald(rand)bewohner und Tiere des Offen landes auf solche, die im Laufe ihrer Ent wicklung oder im Jahreslauf unterschiedli che Biotope benötigen und daher auf eine möglichst enge Nachbarschaft von Gehölzund Offenlandlebensräumen angewiesen sind. Die Übergänge zwischen verschiede nen Lebensräumen (Ökotone) bilden stets besonders artenreiche Lebensgemein schaften aus. Gerade der bei Hecken stark ausgeprägte Randeffekt hat einen inten siven Austausch mit der Umgebung zur Folge und begründet den herausragenden Wert gut ausgeprägter Hecken für Flora Der Gemeine Bienenkäfer (Bienenwolf) Trichodes apiarius entwickelt sich in Nestern von Solitärbienen. Der Pollen dieser Rosenblüte dient ihm als Nahrung Mai-Langhornbiene Eucera nigrescens auf Himbeere Natur & Garten April 2015 55 Gehölze im Naturgarten Kombination mit Parks, Grünanlagen und gehölzreichen Friedhöfen, dem Bild der durch zahlreiche Hecken, Feldgehölze und Kleinstrukturen reich gegliederten Feldflur vergangener Tage recht nahe – wenn auch in kleinerem Maßstab. Artenreiche Staudensäume gehören zu einer intakten Hecke und Fauna, der deutlich höher ist als es an gesichts ihrer relativ geringen Fläche zu er warten wäre. Kleinstrukturen in der Hecke (z. B. Wälle, Gräben, Stein- und Holzhaufen) sowie heckenbegleitende Krautsäume er höhen deren ökologischen Wert zusätzlich. Hecken haben vielfältige ökologische Funktionen Hecken bieten der Tierwelt Schutz vor Wit terung und Feinden, Winterquartiere und Rückzugsräume in der intensiv genutzten Agrarsteppe, sie strukturieren die Land schaft und können als Leitlinien und Wan derwege dienen (Biotopverbund und -ver netzung). Das gilt durchaus auch für Hecken im Sied lungsraum, denn viele Tier- und Pflanzen arten, deren Lebensräume in der „freien Landschaft“ durch intensive Land- und Forstwirtschaft zunehmend schwinden, ha ben in Städten und Dörfern neue Lebensräume gefunden. Tatsächlich kommt die sogenannte Gartenstadt, die Gesamtheit aus unterschiedlich genutzten Gärten in Die Beeren der Roten Heckenkirsche Lonicera xylosteum sind für Menschen ungenießbar und giftig Diese Gartenrose lebt in enger Freundschaft mit einem Obstbaum Der Weißdorn Crataegus monogyna ist eine wunderschöne Bienenweide und bietet im Herbst Nahrung für unsere Vögel Die Eberesche (Vogelbeere) Sorbus aucuparia kann als Gruppen-, Einzel- oder Heckengehölz gepflanzt werden 56 Natur & Garten April 2015 Insbesondere für viele Vögel stellen Hecken wichtige Bruthabitate dar, wenn gleich typische Bewohner von Feldhecken wie Goldammer, Neuntöter oder Dorn grasmücke im Siedlungsraum fehlen und der Bruterfolg von Heckenbrütern von Art zu Art sehr unterschiedlich ausfallen kann. Für einige Arten wie die Amsel, eigentlich eine typische Waldbewohnerin, stellen He cken häufig regelrechte ökologische Fallen dar, anderen Arten ermöglichen gerade die von Naturgärtnern oft geschmähten Thu jahecken ein Vordringen in den Siedlungsraum. Ökologisch ungleich wertvoller sind jedoch dichte Hecken aus heimischen Dornsträuchern wie Weißdorn, Schlehen, Wildrosen, Brombeeren und Berberitzen. Sie bieten Schutz vor Katzen, Elstern und anderen Nesträubern, ihre Blüten und Beeren sind zudem ein wichtiges Nah rungsangebot für Insekten bzw. Vögel. Viele Gärten sind allerdings zu klein, um hier ausladende freiwachsende Hecken aus großwüchsigen Wildsträuchern anzulegen. Doch findet sich in der Regel ein Platz für einzelne freiwachsende Sträucher oder Strauchgruppen wie Holunder, Weiß dorn oder Wildrosen. In Kombination mit den verbreiteten Schnitthecken ergeben sie eine ideale Struktur: Die Schnitthecken entsprechen der für viele Vögel so wichtigen geschlossenen Strauchschicht in Bo dennähe, die vielen durchgewachsenen Feldhecken inzwischen fehlt. Höhere Sträu cher und Bäume erfüllen weitere notwendige strukturelle Lebensraumansprüche wie Sing- und Ansitzwarten und liefern Nahrung in Form von Insekten- und Beeren kost. Insofern muss Platzmangel in kleinen Gärten, der die Entfaltung frei wachsender, wuchtiger Hecken nicht erlaubt, nicht not wendigerweise ein Nachteil sein. Durch ge schickte Auswahl heimischer Wildgehölze lassen sich Insekten, Vögel und Säugetiere gezielt fördern, denn die unterschiedlichen Straucharten sind bei den einzelnen Tier gruppen unterschiedlich beliebt. Gehölze im Naturgarten Weibliche Mönchsgrasmücke Viele Vögel brüten in Hecken Ein Buntspecht sucht Nahrung in einem morschen Stubben Hecken als ökologisches Rückgrat des Siedlungsraumes die letzten verbliebenen Hecken in der Agrarlandschaft, die häufig nur noch als Bewirtschaftungshindernisse angesehen werden. Daher kommt den Hecken und Ge büschen im Siedlungsraum eine große, bisher völlig unterschätzte Rolle zu. Auch und gerade Gartenbesitzer können im wahrsten Sinne des Wortes eine ganze Menge aushecken! Vielleicht ergibt sich die Möglichkeit, mit den Nachbarn zusammen eine Wild strauchhecke zu pflanzen. Auf Schulhöfen und an Kindertagesstätten sorgen Hecken für ein lebendiges Spielumfeld. Auch private Firmengrundstücke könnten mit Hecken Man sollte Gehölze mit unterschiedlicher Wüchsigkeit und unterschiedlichem Aus schlagverhalten allerdings nicht wild durcheinander pflanzen, weil sonst die späte re Pflege ungemein erschwert wird. Heckensträucher sind schnell gepflanzt, oft mangelt es aber an der notwendigen re gelmäßigen fach- und naturschutzgerech ten Pflege. Häufige Fehler sind das seitliche Abschlegeln und Rückschnittmaßnahmen auf zu großer Heckenlänge. Falsche oder gänzlich ausbleibende Pflege gefährdet sträuchern und Säumen aus Wildstauden begrünt werden. Und wenn dann auch noch in Parks und Grünanlagen in stärkerem Maße als bisher Hecken und Gebüsche aus standortheimischen Gehölzen angelegt und fachgerecht gepflegt werden, dann kann durch viele kleine, im Einzelnen vielleicht unbedeutend erscheinende Maßnahmen mit der Zeit ein neues, lebendiges Hecken netzwerk entstehen, ein ökologisches Rück grat des Siedlungsraumes. Eine ausführlichere Darstellung des Themas findet sich in Natur & Garten Heft 4/2013 (S. 36-41) Literaturauswahl zum Thema p Westphal, U.: Hecken – Lebensräume in Garten und Landschaft. pala-Verlag, Darmstadt 2011 pWitt, R.: Wildsträucher und Wildrosen – bestimmen und anpflanzen. Kosmos Na turführer, Stuttgart 1995 pWitt, R.: Wildrosen und Wildsträucher für den Garten. Kosmos, Stuttgart 1998 Artenreiche Hecken – Lebens(t)raum vor der Haustür Dr. Uwe Westphal D - 21220 Seevetal 3 04105 - 82236 [email protected] www.westphalnaturerleben.de und w ww.westphaltextdienst.de Natur & Garten April 2015 57 Gehölze im Naturgarten Naturnah gärtnern ohne Rückschnitte D er Gegenstand Schnitt oder Schnittfreiheit im Naturgarten be schäftigt uns mit Recht längerfris tig. Ulrike Aufderheide hat ja letztes Jahr dargelegt, wie man schonend schneidet, wenn man denn schneidet. Wir haben uns für die pflanzen- und gärtnerschonendste Lösung entschieden und legen seit 25 Jah ren schnittfreie Naturgärten an. naturnahe historische Rosen, Wildrosen, Wildrosen-Hybriden, Ramblerrosen aus eigener Kultur Onlineshop www.rosenhof-schultheis.de Bestellkatalog mit 700 Rosenbildern - 3,90 Euro Bad Nauheimer Str. 3 • 61231 Bad Nauheim Tel: 06032 - 9 25 28 0 • Fax: - 9 25 28 23 Naturhölzer TÜV zertifizierte Sachkunde für sicheren Spielplatz nach DIN/EN 1176 KASTANIE ROBINIE EICHE Spezialisierung: Begleiteter SELBSTBAU von Naturspielgeräten von Material bis Komplettbau Christian Kaufmann Holzunternehmen - Manufaktur www.lignumplus.de 58 Natur & Garten April 2015 Auch bei der Arbeit mit den Kunden unserer Baumschule stoßen wir immer wieder auf die Schnittfrage, meistens verursacht durch die weitverbreitete Ansicht, Gehölze müssten halt geschnitten werden. Da ruft eine Kundin an und beschwert sich darüber, dass ihre Wildrosen nicht blüh ten. Im Gespräch ergibt sich dann, dass sie besonders enttäuscht ist, weil sie sie doch so gut gepflegt und jedes Jahr zurückge schnitten hat. Sehr überrascht war sie, zu erfahren, dass gerade ihr Rückschnitt das Problem verursacht hatte. Ein anderer Kunde klagt über den Zustand seiner schon älteren Herlitze (Kornelkirsche). Für mich erstmal erstaunlich, denn Herlitzen sind ja eigentlich strotzgesund. Er berichtet, er habe den Strauch kräf tig zurückgeschnitten und heuer habe er kränkliche, gefleckte Blätter, die überdies keinerlei Herbstfärbung entwickelten, sondern einfach grün blieben. Nach der Erklärung, dass der durch den Schnitt hervor gerufene Neuwuchs anfälliger ist und des sen Blätter im Herbst dann auch nicht die Zeit haben, zu einer normalen Verfärbung heranzureifen, war seine Schlussfolgerung: „Dann hab ich wohl einen Riesenfehler ge macht.“ haben. In kleinere Pflanzbereiche gehören dann eben Kleinsträucher oder Schmalgehölze. Es leuchtet ein, dass das nur mit ausreichender Fachkompetenz möglich ist. Es heißt auch, dass ich zum Beispiel bei Wildgehölzen Düngemaßnahmen unter lassen muss. Eine in Komposterde gepflanzte Wildrose geht eben ab wie eine Rakete oder wie eine Mastsau und platzt dann so zusagen aus den Nähten. 2. Schnitt hat naturgemäß etliche schädliche Folgen. a) Schnittstellen sind ein Einfallstor für Pil ze und andere Infektionen. Der bei der Pflanze ausgelöste Nottrieb ist weich und deswegen ebenfalls anfälliger als ausgereifte Pflanzenteile. Der Schnitt an sich schwächt natürlich den Pflanzenor ganismus, denn er ist eben eine Verlet zung. b) Die natürliche Wuchsgestalt der Pflanze wird gestört oder zerstört. Ein zurück geschnittener ausgewachsener Holun der zum Beispiel treibt senkrechte Was serschosse und büßt seine natürliche Anmut ein. Wie an dem Beispiel gesehen, kann auch die Herbstfärbung auf der Strecke bleiben. Einige Grund-Erkenntnisse zum Thema Schnitt aus unserer Praxis: 1. Schnitt ist praktisch nicht notwendig, wenn ich vernünftig plane und pflege. Das heißt, dass ich Gehölze so und mit sol chen Pflanzabständen einsetze, dass sie genug Raum für ihre artgemäße Entfaltung Rückschnitte sind sehr beliebt in Deutschland Gehölze im Naturgarten Sachkundige Pflanzplanung erspart weitestgehend den Schnitt Ungeschnittene heimische Rosen sind eine Augenweide Der schnittfreie Naturgarten – Heimat für Elfen Ein Apfelbaum, wie er selbst wachsen möchte Ungeschnitten zeigt der Liguster seine Qualitäten c) Rückschnitte verursachen in unter schiedlichem Maße Einbußen bei Blüten und Früchten. Viele Menschen sind zum Beispiel sehr erstaunt, dass die Rainweide (Liguster), die sie nur aus Schnitthecken kennen, freiwachsend ein prächtiger Blüten-, Duft- und Fruchtstrauch ist. auch keine starren Anlagen mit konserviertem Jetztzustand, sondern sagen Ja zu natürlichen Weiterentwicklungen. Deswe gen und aus den genannten übrigen Grün den gibt es einen gewissen Widerspruch zwischen regelmäßigen Rückschnitten und dem Naturgartengedanken. 3. Da wir Naturgärtner sind, gehört zu unserem geistigen Grundbestand, dass Pflanzen eine Würde als Mitlebewesen ha ben und eben keine grüne Dekorations masse sind. Wer eine artgerechte Tierhal tung fordert, darf auch die Pflanzen nicht einfach ausklammern. Wie wir letztes Jahr in Vorträgen erfahren konnten, besitzen Pflanzen fast alle Sinne, die wir auch haben. Wir wollen in den naturnahen Gärten ja Differenzierend ist noch zu sagen, dass die Schnittfreiheit in der Praxis nicht bedeu tet, dass eine Schere niemals und unter keinen Umständen zum Einsatz kommt. Selbst bei sorgfältiger Planung kann es ge schehen, dass der eine oder andere Zweig über einen Weg ragt oder sonst ernsthaft stört. In einem solchen Falle ist es wichtig, keine glatten Strauchschnitte vorzunehmen, sondern ausschließlich den stören den Zweig möglichst weit unten an der Ansatzstelle herauszunehmen. So wird die natürliche Wuchsgestalt nicht gestört. Schnittfreie Gärten sind gewaltfreie Gärten, wo sich Elfen noch wohlfühlen könnten. Das macht einen Großteil ihrer heilsamen Ausstrahlung aus. Dr. Norbert Kleinz Ahornblatt GmbH D - 55001 Mainz 3 06131 - 72354 [email protected] www.ahornblatt-garten.de Natur & Garten April 2015 59 Exkursionen Gibt es den Deutschen Garten? Hhhm, na ja, weiß nicht … Da gerät man schon gleich ins Stocken … Gibt es den Englischen Garten? Ja, klar. Da gibt es doch so einen Park in München. Ja, ja, und natürlich all die schönen Beete und Rabatten, die immer wiederkehrend in zahllosen Gartenzeitschriften und Life-Style-Magazinen gezeigt werden. Die Hüte, die Schürzen, die Decken, die Jacken – Bänke, Gießkannen, Scheren, Schnüre und endlos viele andere Accessoires atmen englische Luft. So durften und konnten auf unserer Reise auch drei der bekanntesten englischen Gärten nicht fehlen: Manor House in Upton Grey, Great Dixter und Sissinghurst Castle. Nein, nicht zum „Blümchen-schauen“! Das hier ist schließlich eine Exkursion! Wir sollen vor allem ein Gefühl für das englische Naturgartenverständnis entwickeln. Naturnah Unterwegs 2014 in GB Go Wild – The classic Edition Links: Die Terrassen sind unterschiedlich breit angelegt, die seitlichen Rabatten nur schmal. Die seitlichen Wege enden mit kurzen Treppen auf der jeweils darunter liegenden Ebene, so dass man sowohl über die Mittelachse als auch über die seitlichen Wege von einer Terrasse zur anderen gelangt. Jekyll hat es verstanden, die verschiedenen Ebenen und Höhen so geschickt miteinander zu verzahnen, dass alles sehr selbstverständlich wirkt. lig. Das Mosaik aus Feldern, Hecken, Einzel bäumen und kleinen Waldstücken verleiht der Landschaft einen lieblichen, parkarti gen Charakter. Dazwischen eingestreut im mer wieder kleine Häuser und Ortschaften in einem durchgängigen Materialkanon aus Backstein, Dachziegeln, Holz und Putz. Dazu passende Mauern und Zäune, die Kletterrose am Eingang, die Bank und die Blumenrabatte – es gibt keine Klischees – das Klischee ist echt! Manor House in Upton Grey – oder wie alles begann Die englischen Naturgärten sind anders als unsere Deutschen. Sie wurzeln tief in der englischen Gartentradition, sowohl was die Ästhetik anbelangt als auch die Bepflanzung. Es wird weniger Wert auf heimische Pflanzen gelegt. Hauptsache die Pflanzen werden von Insekten beflo gen. Man bedient sich gern und ungeniert aus dem fremdländischen Sortiment, um den Blühaspekt zu verlängern. Marc Carl ton (Chepstow), der uns mit seinen wert vollen Beiträgen und Erläuterungen im Reiseskript durch die Exkursion begleitet, bezeichnet den englischen Naturgarten daher auch nicht als `wildlife garden´, son dern als `wildlife friendly garden´. 60 Natur & Garten April 2015 Englische Naturgärten verstehen zu wollen, funktioniert nicht ohne den Blick zurück in die Vergangenheit. Also setzen wir uns in die Zeitmaschine und lösen den Fahrschein „back to the roots“. Die Anreise und die kurze Nacht auf der Fähre stecken den Meisten noch in den Knochen. Das Gehirn ist im Stand-By-Mo dus. Die Augenlider sind behäbig, die Ge spräche verhalten. Dennoch, kaum haben wir die Autobahn verlassen, kehren die Lebensgeister zurück. Neugierde und Ent zücken lassen viele reflexartig zur Kamera greifen. Der Rest drückt sich die Nase an der Busscheibe platt. Unser Nesthäkchen, Bus fahrer Benjamin mit seinen mind. 1,90 m Körpergröße, manövriert uns geschickt über schmale Sträßchen hinein ins ländli che England. Die Landschaft ist sanft hüge In Upton Grey nimmt uns der langjährige Gärtner von Mrs. Rosemary Walllinger in Empfang. Er wartet schon eine ganze Weile im Schatten der uralten Eibe an der ehema ligen Römerstraße. Der Verkehr rund um London hat unseren Zeitplan durcheinan der gebracht. Aber Gärtner sind ausgegli chene Menschen. Er freut sich trotz unserer Verspätung, dass wir da sind und bringt uns umgehend zu seiner Chefin. Mrs. Wal linger ist ebenso zierlich wie energisch. Es ist nicht zu übersehen: Sie hat zu tun - im Garten. Die grauen Haare sind aus der Stirn gesteckt, sie hat die Gärtnerschürze um und trägt Schuhe, die den Kontakt mit Erde gewohnt sind. Sie heißt uns herzlich will kommen und gibt uns eine straffe Erläute rung zum Wichtigsten im Garten und zur Rekonstruktion des Gartens. Dann zeigt sie uns, wo wir die Pläne für den Garten nebst Beschreibung und Pflanzenliste finden und entlässt uns in ihr kleines Paradies. Ja, es ist wahrhaft ein Paradies, auf das sie zu Recht stolz sein darf! Exkursionen Die Wallingers hatten das Haus vor 30 Jah ren gekauft, nicht ahnend, dass der ver wahrloste Garten einen historischen Schatz birgt. Beim Freilegen des Gartens stießen sie auf eine Gartenanlage von Gertrude Je kyll. Mühevolle Recherchearbeiten folgten. Pläne und Pflanzenlisten wurden von der Universität von Kalifornien in Berkeley, wo der Nachlass von Gertrude Jekyll archiviert ist, besorgt und die Gartenanlage und die Pflanzpläne akribisch genau rekonstruiert. Bis auf wenige Ausnahmen entspricht die heutige Bepflanzung der von Gertrude Je kyll aus dem Jahr 1908. So instruiert und voll des Respekts strömen wir aus. Ah- und Oh-Rufe, sehnsuchtsvol les Seufzen, Laute des Entzückens und der Begeisterung begleiten unsere Streifzüge. Das Anwesen ist wohltuend übersichtlich. Wir sind relativ schnell überall gewesen. Es verbleibt noch etwas Zeit, sich noch einmal das ein oder andere ein zweites Mal anzu sehen und die Atmosphäre auf sich wirken zu lassen. Das Herrenhaus steht etwa in der Mitte des lang gestreckten Grundstücks. Das Gelände fällt von der Straße aus leicht ab. Hangauf wärts, zwischen Straße und Wohnhaus be findet sich der einzige erhaltene und origi nalgetreu rekonstruierte wilde Garten von Gertrude Jekyll. Auf dieser Seite ist dem Haus ein kleiner, mit Mauern und Toren um fasster Hof vorgelagert. Über eine englisch kurz gehaltene Rasenfläche in Form einer Jakobsmuschel, die mit ganz leichten Ra senstufen nach oben abgesetzt ist, gelangt man auf eine Blumenwiese mit Obstbäu men und vornehmlich Wildrosenbüschen. Die Wiese ist durchzogen mit einem Netz aus Rasenwegen. An Stellen mit schöner Aussicht sind Bänke aufgestellt. Die Wege leiten auf einen in den Hang eingelassenen Teich hin. Auch hier wieder Bänke und Plät ze zum Verweilen. Das Plätschern des Zu laufs und die umherschwirrenden Libellen nehmen die Gedanken schnell mit sich fort. Man wird ruhig. Es ist ein stiller Garten. Der talseitige Garten hat einen gänzlich an deren Charakter. Er ist streng geometrisch angelegt. Wie ein Teppich, der den Hang hinabgerollt wurde, ergießt sich der Garten über eine Rasenfläche hinab in den Rosen garten und weiter zur bowling-lawn und zur tennis-lawn. In der Mittelachse leitet die „main pergola“ aus Eichenhölzern und dicken Tauen den Weg hinab. Die drei Ter rassen sind seitlich durch höher liegende Rabatten und Wege begrenzt und gefasst. Als Hintergrund und Rahmen dient eine Eibenhecke. Die Terrassen sind durch Tro ckenmauern abgefangen. Die Trockenmau ern waren ursprünglich dicht bepflanzt. Je kyll wollte sie als „vertikale“ Gärten sehen, so dass sowohl der Blick von oben als auch von unten grün erscheint. Außerhalb dieses inneren Rahmens liegt rechter Hand der Nussgarten (nuttery). Hier werden Haselnussbüsche kultiviert. Neben den Nüssen werden auch die Triebe als Stütz- und Bindematerial im Garten ver wendet. Linker Hand liegt der Nutzgarten (kitchen garden). Hier wachsen Gemüse und Blumen in friedlicher Eintracht. Ein paar kleine Schuppen und ein Cottage ergänzen die Anlage. Unterhalb davon liegt der Obst garten. Alles ist umgeben von einer alten Backsteinmauer. Vom Küchengarten geht es durch eine rosenbewachsene Pergola wie der zurück zur Terrasse des Herrenhauses. Zu einer späteren Jahreszeit soll der Garten am schönsten sein. Dann zeigen die Rabat ten die für Gertrude Jekyll typischen Farb verläufe von Rot über Gelb zu Silber, Violett und Blau. Bei uns dominiert das liebliche Rosa der Pfingstrosen und im Küchengar ten das bestechende Blau des Rittersporns (Schnecken scheint es in England nicht zu geben). Hie und da darf das freche Rot des Mohns die Harmonie stören. Gertrude Jekyll hatte Malerei studiert und kam erst im Alter von 48 Jahren wegen ei nes Augenleidens zur Gartengestaltung. Während ihres Studiums beschäftigte sie sich u. a. mit William Turner. Turner markiert mit seinem damals sphärisch wirkenden Stil den Umbruch zur Moderne und gilt als Vorläufer der Expressionisten. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass sie ver suchte, die Lichtwirkung und die Farbhar monien seiner Bilder auf die Bepflanzung zu übertragen. Ihr kam es bei der Pflanzen zusammenstellung daher weniger auf die Seltenheit oder Besonderheit der Einzel pflanze an, als vielmehr auf die Gesamtwir kung einer Rabatte und im Detail um die geschickte Kombination von Pflanzen un terschiedlicher Struktur und unterschiedli cher Blattformen. Aber noch weitere Einflüsse machen ihre Handschrift aus. So. Jetzt graben wir erst einmal tief – sehr, sehr tief in der Mottenkiste unserer Erinne rungen an den Geschichtsunterricht. Was war da noch? Industrielle Revolution, Elend der Arbeiterklasse, Beginn der Massenpro duktion. 1850 veröffentlichten Marx und Engels ihr Kommunistisches Manifest in London. Königin Viktoria (1819-1901) trug die Kro ne. Jedenfalls die meiste Zeit. Ihre Söhne, Enkel und Urenkel haben nicht so lange durchgehalten. Erst die heutige Königin Eli sabeth II beweist wieder dieselbe Zähigkeit wie ihre Ur-Ur-Großmutter. In den Zeitraum zwischen 1837 und 1936 fällt die große Zeit der englischen Kolonien und damit der englischen Weltmacht. Suez- und Panama kanal machten die Welt kleiner. Missernten und Hungersnöte führten zu einer unglaublichen Auswanderungswelle gen Westen. Die einstige Kolonie Amerika erlebte ihren Bürgerkrieg. Charles Darwin rüttelte mit seiner Evoluti onstheorie am Bild vom Menschen als alles überragende Krone der Schöpfung. Der Erfindungsrausch der damaligen Zeit war sagenhaft. Er bescherte der Mensch heit eine bisher noch nicht da gewesene Fülle an Neuerungen, v. a. im technischen und medizinischen Bereich – mit den ent sprechenden sozialen Umwälzungen und politischen Problemen. In der Folge muss ten Wahlrecht, Gesundheits- und Bildungs wesen reformiert werden. Aber das hat ge dauert. Eisenbahnen wurden gebaut und Eisen bahnnetze ausgebaut. Das Phänomen „Tou rismus“ trat auf die Bühne. „Sport“ etablierte sich als sinnfreier Zeitvertreib für besser Be tuchte. (Da gab’s doch auch so einen ver rückten Engländer, der unbedingt das Mat terhorn besteigen wollte und es auch tat.) Gertrude Jekyll (1843 – 1932) stammte aus der damals erstarkenden bürgerlichen Mit telschicht. Ihr Vater, Captain Edward Jekyll, ermöglichte seiner Tochter wahrscheinlich aus Prestigegründen das Studium der Ma lerei. Keine Selbstverständlichkeit für eine junge Frau. Der Zugang zu Bildung war vielen, wenn nicht gar den meisten Frau en verschlossen. Erst 1869 wurde das erste College für Frauen gegründet. Als Gertrude Natur & Garten April 2015 61 Exkursionen Wildflower Meadows zieren viele englische Gärten – häufig bilden sie einen hohen Kontrast zum gestalteten Garten. Jekyll 1908 hier in Upton Grey den Garten des Herrenhauses anlegte, hatte sich das schon deutlich gewandelt. Miss Jekyll war jedoch nicht nur Malerin. In ihrer Jugend setzte sie sich auch mit Ar chitektur auseinander, reiste viel, u. a. nach Griechenland, in die Türkei, nach Rom, Alge rien und in die Schweiz. Ideologisch stand sie der Arts and Crafts-Bewegung nahe und verfolgte einen einfachen, bewussten und kreativen Lebensstil. Mit William Morris, einem der Begründer der Arts and Crafts-Bewegung, und William Lethaby war sie befreundet. Unter dem Einfluss von William Morris (1834 – 1896) stickte, modellierte, schnitzte, vergoldete und schmiedete sie. Sie entwarf Tapeten, Stickmuster und Schmuck, zeichnete und fotografierte, oft auch Architekturdetails alter Landhäuser. Auch mit John Ruskin (1819 – 1900) setzte sie sich auseinander. Ruskin war einer der Hauptdenker der Arts und Crafts-Bewegung. Bemerkenswert sind neben seinen Werken zur Architekturtheo rie auch seine Schriften zur Sozialethik und seine sozialen Reformvorschläge. Aber was trieb die Arts and Crafts-Leute um? Nach ihrer Auffassung zerstörten und ver wirrten die technischen Erfindungen alle Künste. Sie verabscheuten die billigen Mas senwaren aus den Fabriken und propagier ten qualitätsvoll gefertigte Produkte nach alter handwerklicher Tradition. Sie wollten einen neuen Stil entwickeln, einen identi tätsstiftenden, modernen englischen Stil. Für sie bestand der Stil der Viktorianischen Zeit nur aus billigen und beliebig aus tauschbaren Repliken aller Zeiten und aller Kulturen. Sinnbefreiter Billig-Kitsch würde man heute wahrscheinlich sagen. Hauptsa che pompös. Ramsch statt Qualität. Geistlo se Kopien statt eigenständigem Ausdruck. 62 Natur & Garten April 2015 Das Produktdesign der Arts and CraftsBewegung war einfach, funktional und sorgfältig im Umgang mit den Materia lien. Der künstlerische Ausdruck nimmt Elemente des Jugendstils vorweg. Ihren Höhepunkt hatte die Bewegung zwischen 1870 und 1920. In Deutschland führte sie zur Gründung des deutschen Werkbundes (1920 – heute) in Darmstadt. Auch das Bau haus und die Wiener Sezession waren von der Arts and Crafts-Bewegung beeinflusst. Mit der Arts und Crafts-Bewegung interes sierte sich zum ersten Mal eine Gruppie rung für die Baukultur Großbritanniens. William Morris gilt mit seiner „Society for the Protection of Ancient Buildings“, aus der später der National Trust hervorging, als Begründer der Denkmalpflege. mit seinen Bauten das koloniale Gesicht von Neu Dehli. Auch die britische Botschaft in Washington D. C. ist sein Entwurf. „Edwin Lutyens hatte nur sechs Monate in der Kanzlei von (Sir Ernest) Georges ver bracht, bevor er sich 1889 mit nur 20 selbst ständig machte (im selben Jahr lernten sich Jekyll und Lutyens kennen). Er machte sich einen Namen durch eine Reihe von ausge zeichneten Entwürfen für Gutshäuser, oft indem er vorhandene Gebäude vergrößer te oder umbaute und immer ein außerge wöhnliches Gespür für regionale Materiali en und Bautraditionen bewies. Durch seine Zusammenarbeit mit der Gartenspezialis tin Gertrude Jekyll wurde er auch dafür be kannt, dass er Häuser und Gärten so mitei nander verband, dass dies zu einem neuen Stil im englischen Gartenbau führte. (…)“ In der Malerei schloss sich Morris mit an deren Anhängern der Bewegung zur „Prä raffaelitischen Bruderschaft“ zusammen. Sie wollten in ihrem Malstil an die Zeit vor Raffael (1482 – 1520) anknüpfen, denn al les was danach folgte, war in ihren Augen „schlecht“. Sie glorifizierten das Mittelalter und verwoben die Motive ihrer Bilder oft mit Themen und Stimmungen aus der mit telalterlichen Sagenwelt. Ihre Werke haben daher etwas „Altes“, oft auch eine mystischentrückte Ausstrahlung. Die Nähe zum spä teren Jugendstil wird auch hier spürbar. Einen weiteren, maßgeblichen Impuls setzte der Gartenautor William Robinson. Gertrude Jekyll lernte ihn 1875 kennen. Sein Buch „Der wilde Garten“ mag ursäch lich dazu beigetragen haben, dass sie ei nen natürlich wirkenden Bepflanzungsstil entwickelte. Sie gruppierte Stauden zu zwanglosen Rabatten und arbeitete dabei vorwiegend mit unterschiedlichen Tönen einer Farbe und gelegentlichen Akzenten in Komplementärfarben. Ferner legte sie sehr viel Wert auf die Rhythmik und Struk tur einer Pflanzung. In der Gartengestaltung waren sie dem Werk Raffaels und seiner Zeitgenossen dann nicht mehr so abgeneigt (so viel zum Thema Konsequenz). Der Stil der Arts and Crafts-Gärten nimmt Bezug auf die Italieni schen Gärten der Renaissance. Die meisten Arts and Crafts-Gärten fielen in die Zeit, als der älteste Sohn von Königin Viktoria, Ed ward VII (1841 – 1910) bereits sehr viel Öf fentlichkeitsarbeit wahrnahm und später dann selbst Herrscher des Königreichs war. Der Gartenstil der Arts and Crafts-Bewe gung wurde stilprägend für seine Zeit (da her auch der Untertitel von Rose Wallinger’s Buch: The Restauration of an Edwardian Masterpiece). Aber warum war das, was Gertrude Jekyll entwickelte, so anders? Warum wurde Sie zur Trendsetterin? Was macht Ihren Einfluss bis in die heutige Zeit hinein aus? Haben nicht bereits im 18. Jahrhundert die englischen Landschaftsgärten den strengen Formalismus und die absolute Naturbeherrschung der französischen Gärten abgelöst? Entstanden nicht auch bei uns Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts die berühmten Landschaftsgärten von Skell, Lenné und Fürst Pückler-Muskau? Schon, aber was hat man zur „Verschö nerung“ der von den Besitzern oft als zu schlicht und schmucklos empfundenen Landschaftsgärten gemacht? Medaillons aus einjährigen Pflanzen in strengen Mus tern prangten auf den Rasenflächen. Meist wurden sie in Gebäudenähe, an Eingängen und an Auffahrten angelegt. Man stand trotz aller Aufklärung noch fest verankert im Feudalismus. 1889 traf Gertrude Jekyll auf den 20 Jah re jüngeren Architekten Edwin Lutyens (1869 – 1944). Es begann eine Zeit der fruchtbaren Zusammenarbeit. Lutyens gilt als einer der bedeutendsten britischen Ar chitekten des 20 Jahrhunderts. Er prägte Exkursionen Im Vergleich dazu sind die Bepflanzungen von Gertrude Jekyll unprätentiös und geer det. Sie knüpfen an die Tradition der länd lichen Cottages, die Gärten der einfachen Landarbeiter an, wo Gemüse und Blumen aus Mangel an Platz und Geld auf engstem Raum zusammen kultiviert werden muss ten. Aus dem „Bauerngarten“ der kleinen Leute wird das, was man heute als Cottage Garden oder Landhausgarten bezeichnet. Zwar musste von den Eigentümern der damaligen Land- und Herrenhäuser keiner mehr um sein Abendessen bangen, auch war ein solcher Garten weich gebettete Ge sellschaftskritik auf hohem intellektuellem Niveau. Er gab den Besitzern jedoch vor Waltham Place – a Dutchman in UK Die Annäherung an Waltham Place muss leider durch den Seiteneingang stattfinden. In dem schmalen Zufahrtssträßchen finden Bauarbeiten statt – unser Bus kann nicht bis zum Haupteingang vorfahren. Aber wir sind angemeldet und werden abgeholt. Beim Vorübergehen am Herrenhaus ist klar: Nicky und Strilli Oppenheimer müssen sich keine Sorgen um ihre Rente machen. Wie uns Beatrice mit charmantem Schweizer Fotografieren ist nicht erlaubt – wer Erinnerungen an den Garten mit nach Hause nehmen möchte, kann jedoch gerne Literatur über den Garten erwerben. allem Eines: Nationale, ideologische und emotionale Identität. Lassen wir das Gesehene also noch einmal Revue passieren: Da sind die Tradition und die Erdung: Wir haben den Wirtschaftsteil mit Küchengar ten, Obsthain und Nussgarten. Wir haben die Bepflanzung, die sich im Wesentlichen aus dem Sortiment der ursprünglichen Cottage-Gärten bedient. Wir haben die Verfeinerung: Sie drückt sich in der Sorgfalt der farblichen Abstimmung und der bis ins Detail geplanten Strukturen und Pflanzenkombinationen aus. Da ist der Zeitgeist: Dem Bedürfnis nach Sport wird Rechnung getragen. Die For mensprache des Gartens ist formal, die Be pflanzung frei, die Materialien regional. Und da ist das Neue und Unorthodoxe: Wir haben den wilden Garten. Gärten werden erstmals auch als wertvolles Refugium für wilde Tiere begriffen. Der Mensch über nimmt Verantwortung. Puh!!! Erst Mal durchatmen. Das war jetzt ein heftiger Exkurs! Standen da nicht noch Tee und Gebäck? Hhm – lecker! [Weiter lesen > siehe Homepages] Akzent erzählt, leben die Oppenheimers sowohl in Südafrika als auch hier in Walt ham Place. Für ihr Auskommen sorgt der Handel mit Diamanten. Beatrice ist Head Gardener hier in Waltham Place und wird uns gleich durch den Garten führen. Die Gartenphilosophie von Strilli Oppen heimer ist einfach: „Wir arbeiten mit der Natur, nicht gegen sie.“ In Waltham Place wird noch Gartenbau und Landwirt schaft betrieben. Das Gemüse kann im Hofladen erworben werden. Das Restau rant bietet Gerichte aus eigenen Zutaten an. Der Anbau von Obst und Gemüse er folgt nach ökologischen und biodynami schen Grundsätzen. Und auch der Zier garten wird so bewirtschaftet, dass hier nur Pflanzen ihren Platz finden, die ohne Kunstdünger und Pestizide auskommen. Schädlingsbefall und Fäulen werden hin genommen. Den Pflanzen wird erlaubt, ihren kompletten Lebenszyklus zu durch laufen. Sie bleiben bis in den Winter hin ein stehen, können sich aussamen und werden erst im späten Winter zurück geschnitten. Vögel und Insekten, aber auch wir Menschen sollen vom Gang der Jahreszeiten und der Veränderung der Pflanzen profitieren. Für Strilli Oppenhei mer ist der Prozess der Alterung bis zum Absterben der Pflanzen genauso faszi nierend wie das Erwachen des frischen Grüns im Frühjahr – vielleicht weniger Aufsehen erregend, aber jede Jahreszeit hat ihre Schönheit. [Weiter lesen > siehe Homepages] Zunächst nimmt uns Andy Roberts mit auf einen Rundgang durch den Garten. Es geht bergan über den sogenannten woodland-walk. Spinners Garden – alles Rhodo oder was? Die Beschreibung des Gartens liest sich überaus spannend. Vor Ort sind wir et was irritiert. Vicky und Andy Roberts sind wie ihre Vorbesitzer Sammler von sel tenen Bäumen und Sträuchern. Hatten es den Vorbesitzern vor allem Kamelien und Magnolien angetan, so sind Rho dodendren und Azaleen unverkenn bar die Leidenschaft von Andy Roberts. Was hat dieser Garten mit einem Natur garten zu tun? Gefühlterweise so viel wie eine Aldi-Gurke mit gesunder Lebensweise. Aber nicht so schnell. Kerstin mahnt uns zu mehr Offenheit. Schließlich sei Spinners Garden ein gutes Beispiel für einen „Wood land Garden“. Aha … [Weiter lesen > siehe Homepages] Natur & Garten April 2015 63 Exkursionen Great Dixter – im Rausch der Farben Aua! Was ist denn das? Sollte bis gerade noch jemand behaglich und verträumt auf seinem inneren Sofa gesessen haben, so hat es ihn soeben mit einem heftigen Stoß davon herunter ge schleudert. Die grelle Farbigkeit, die uns hier entgegenschlägt, schmerzt schon fast in den Augen. Es ist wie ein Paukenschlag. Da ist nichts mehr leise, fein abgestuft oder Nathanial Lloyd, der Vater von Christopher Lloyd, war Anhänger der Arts and Craft-Bewegung und liebte alte Häuser. Nachdem er 1910 Great Dixter gekauft hatte, beauftragte er Edwin Lutyens mit der Restaurierung des Hauses. Der selbstbewusste und ungeduldige Nathanial Lloyd forderte seinen Architekten nicht nur bei der Restaurierung des Hauses, sondern auch bei der Anlage des Gartens. harmonisch. Hier kreischt und tobt es. Das ist nicht mehr William Turner. Das ist Emil Nolde in Höchstform! ausfordert. Es ist kein Garten, in den man sich zurückzieht, um zur Ruhe zu kommen oder seine Gedanken zu sammeln oder sich fallen zu lassen. Er ist aufgeregt. Er erzeugt Spannung, bringt einen aus dem Gleichge wicht. Fast schon strahlt er Gereiztheit aus. Die Farben sind kräftig, die Farbzusammen stellungen sind gewagt. Great Dixter ist ein Garten, der zur Auseinandersetzung her [Weiter lesen > siehe Homepages] Sissinghurst Castle und Vita Sackville-West Eine Woche bestes Wetter und eine Fülle von Eindrücken liegt hinter uns. Wir kom men gerade aus Great Dixter; Sissinghurst wird die letzte Station auf unserer Exkursi on sein. Er soll einer der schönsten Gärten Englands sein. Wir sind also gespannt, was uns hier erwartet. Vorbei am obligaten Info-, Shop- und Res taurant-Bereich steuern wir zielstrebig auf den Eingang zum Garten zu. Vor Jahren hat man begonnen, die Anzahl der Besucher in Sissinghurst zu begrenzen, um den Garten zu schonen. Das ist auch gut. Der Trubel ist groß genug. Mit viel Idealismus und unter unglaublichen körperlichen und finanziellen Anstrengungen begannen die Nicolsons 1930 den Wiederaufbau der verfallenen Gebäude und mit der Anlage ihres Gartens. Er war bereits 1937 gegen einen kleinen Obolus für die Öffentlichkeit zugänglich. 64 Natur & Garten April 2015 Sissinghurst Castle wird in der Regel in einem Atemzug mit Vita Sackville-West (1892 – 1962) genannt. Sie ist nicht nur die Gestalterin des Gartens, sondern vor allem Schriftstellerin. Darüber hinaus umweht sie der Klatsch und der Tratsch der Jahrhunder te. Sie war eine Dame des englischen Hoch adels, eine romantische Intellektuelle mit homosexuellen Neigungen. Bekannt ist vor allem ihre Affäre und Freundschaft zu Virgi nia Woolf (1882 – 1941). Verheiratet war sie mit Harold Nicolson (1886 – 1968), einem Baron in diplomatischen und politischen Diensten. Wenn er nicht gerade zusammen mit Lady Nicolson (so die offizielle Anrede von Victoria Mary Sackville-West, genannt Vita) den gemeinsamen Garten anlegte oder Bücher schrieb, war er ein Regierungs bediensteter in gehobener Stellung. Er war sowohl Mitglied der britischen Delegation bei den Friedensverhandlungen der Pariser Konferenz nach dem 1. Weltkrieg, als auch später im Stab eines gewissen Winston Churchill. Auch Nicolson nahm es mit der ehelichen Treue nicht so genau und fand nicht nur Gefallen an Frauen. Die Boule vard-Presse hätte ihre wahre Freude an dem Paar gehabt. Wir sind also nicht bei irgend jemandem zu Hause. Wir bewegen uns in höchsten Kreisen und in einer Welt aus Reichtum, Bildung, Eleganz, Kreativität, Sinnlichkeit, Mondäne, Intellekt, Abenteuer und Mut. Jetzt aber weg von der Society und rein in den Garten! [Weiter lesen > siehe Homepages] Exkursionen Zusammenfassung Wir sitzen im Bus und sind auf dem Weg zu unserem letzten Hotel. Morgen werden wir wieder zu Hause sein. Kerstin greift zum Mikrophon. Sie hat eine Aufgabe für uns für die morgige Heimreise. „Was können wir für die Naturgartenge staltung von Great Dixter und Sissinghurst lernen, was könnten wir auf unsere Gärten übertragen?“ Freiwillige werden gesucht. Oh – diese Frau hat Energie für zwei! Blitzartig schnellen 18 Hände nach oben. Es kommt zu Streit und Handgreiflichkeiten. Schließlich fährt Ben auf die Standspur und sorgt für Ruhe! Das ist natürlich Unsinn. Der Andrang ist so „immens“, dass die Aufgabe als Strafarbeit fürs Zu-spät-kommen deklariert wird. Wer war denn noch zu spät? Reinhard? Reinhard! Und Jürgen? Jürgen dementiert heftig, zeigt sich dann aber doch solidarisch. Das Urteil am nächsten Tag ist vernichtend: NICHTS! Nein, nichts! Keine Nisthilfen, die hohen Ge bäude wären prädestiniert für Mauersegler gewesen, kein Totholz, nur wenige heimi sche Pflanzen, viele Rosen waren stark ge füllt, allenfalls der Umgang mit Farben … Kerstin ist nicht zufrieden. Sie fasst nach. Gibt es wirklich nichts? Ist es nicht die gestalterische Qualität? Die Bildung von Räumen, Höhenunterschieden und Hintergründen, die Verzahnung von Gebäude und Garten sowie der Anspruch an Ästhetik? Ist es nicht mutig, ungewöhn liche Farbkombinationen auszuprobieren und sich fernab aller Schönheitsideale durch Zufallsergebnisse inspirieren zu las sen? Wie gelingt die dichte Bepflanzung in den Mixed Borders? Können Naturgärten formal gestaltet werden? Was bedeutet die ser Rahmen für die Gesamtwirkung? So nach und nach tröpfeln Gedanken und Beiträge: pRasen wurde als Gestaltungselement ein gesetzt. pUm die Blumenwiesen liegen akkurat ge mähte Rasenstreifen, um zu zeigen, dass das Wilde Absicht ist. Sie unterstreichen die Wirkung der Wiese und präsentieren sie besser. pDer Rasen war in Mustern gemäht. Es wird demonstriert, dass man sich küm mert – in Waltham Place wurde das Mäh muster geschickt dazu eingesetzt, den Blick zu lenken. pBei einer Klientel, die nicht originär Na turgarten-affin ist oder unentschlossen im Stil und Ausrichtung, können Natur gartenelemente und -bereiche in einer vertrauten „Verpackung“ angeboten wer den, um die Akzeptanz von Naturgärten zu erhöhen oder die Annäherung zu er leichtern. pJa, Farbe und Gestaltung – auch mit Wild pflanzen kann man in Farben, Strukturen, Höhenstaffelung und Übergängen arbei ten. p Die geschlossenen Pflanzungen von Great Dixter lassen kein Unkraut durch kommen und sind wahrscheinlich nicht so pflegeintensiv. pDas „Spiel mit dem Zufall“ kann kultiviert werden: Beobachten, was kommt und zulassen, was sich bewährt (oder gefällt). pIn einer der hohen Rankrosen am Gebäu de war ein Nest von einem Rotkehlchen. Die alten Schuppen haben an sich viel Potential. pSo wenige heimische Pflanzen waren es gar nicht. Eine Liste wird rumgegeben und jeder kann angeben, was ihm aufge fallen ist: p Von Frühblühern und Wiesenpflanzen, Großer Sterndolde über Königskerzen, Primeln, Storchschnäbel, Türkenbundli lien bis zu Wildrosen und Weißdorn wa ren auch in den bekannten Gärten einige Wildpflanzen vertreten. Das salbungsvolle Schlusswort spare ich mir. Wir hatten riesiges Glück mit dem Wet ter und den besten Busfahrer der Welt. Das Programm war abwechslungsreich und rund. Kurzum: Es war eine absolut gelungene Woche! Danke Kerstin. Anm. d. Redaktion: Aus Platz- und Kostengründen können wir die wunderbaren Exkursionsberichte von Danièle Bastian leider nicht in voller Länge in Natur&Garten veröffentlichen. Alle Artikel über Waltham Place, Spinners, Great Dixter und Sissinghurst sowie alle bisher veröffentlichten Berichte finden Sie in der ungekürzten Originalversion auf den Homepages: www.naturgartenvielfalt.de/exkursionen/ oder www.naturgarten.org/veranstaltungen/ exkursionen Danièle Bastian D - 76744 Wörth a. Rhein 3 07271 – 42512 [email protected] Natur & Garten April 2015 65 Exkursionen Internationale Spielnatur Karawane Vom 29.9. – 3.10.2014 in den Niederlanden Im Frühjahr 2014 erhielten etwa 40 aus gewählte VertreterInnen der SpielnaturBewegung in Holland und anderen Län dern Europas elektronische Post von der Nordsee-Insel Texel: Die Stichting Oase, seit etwa 30 Jahren der Motor der niederländi schen Spielnatur-Bewegung, lud zu einem lehrreich-lustvollen Abenteuer der beson deren Art. Willy Leufgen und Marianne van Lier hatten sich der überaus komplexen Aufgabe unterzogen, in fünf Tagen mit 20 TeilnehmerInnen aus Holland und 20 aus anderen Ländern Europas etwa 30 Beispie le für naturnahe Spielräume abzuklappern und gemeinsam Erfahrungen zu sammeln und auszutauschen. Die Wettergöttin meinte es gut und bescherte unserer Ex kursion fünf milde, weitgehend regen- und windfreie Tage. Die TeilnehmerInnen aus Deutschland und Österreich fanden, dass Wasserspielplatz aus wiederverwerteten Materialien. Der Handgriff der Pumpe wurde behindertengerecht als Bügel ausgeführt 66 Natur & Garten April 2015 sie ihre vielfältigen Eindrücke und Erfah rungen der „Naturgarten-Community“ im deutschen Sprachraum nicht vorenthalten dürften. So entstand der folgende Kurzbe richt, der natürlich nur einige Blitzlichter auf die Veranstaltung werfen kann. Die AutorInnen geben auf Anfrage gerne Aus kunft bei weitergehenden Fragen. (Renate Froese-Genz, Markus Kumpfmüller, Konstanze Schäfer, Antje Schwabersberger, Reinhard Witt) Im Namen aller TeilnehmerInnen danken wir ganz besonders Marianne van Lier und Willy Leufgen für die wunderbare Exkursi on. Hartstikke bedankt!!! Der Nordwesten – Erste Eindrücke Beverwijk ist eine Kleinstadt mit etwa 40.000 Einwohnern im Nordwesten der Niederlande, zwischen Alkmaar und Ams terdam. Eine private Elterninitiative hat hier inmitten einer Wohnsiedlung zwei kon PUK, der Spielgarten für die kleinen Knirpse, im Überblick. Organische Formen, RecyclingMaterialien, Holz, Sand und Weiden fügen sich mit den Kindern zu einem harmonischen Bild . ventionelle betreute Kindertagesstätten zu wunderbaren Naturspielanlagen umge stalten lassen: PUK und Moby Dick (www. speeltuin-mobydick.nl). Der Ökologische Gartenbaubetrieb „De Twee Heren“ (www.detweeheren.nl) hat hier mit viel Gespür und technischem Sachverstand rund um alte konventionelle Spielstrukturen zwei kleinräumig struktu rierte Naturoasen geschaffen. Die großflä chig vorhandenen Plattenbeläge aus Beton im Format 30 x 30 cm wurden zu Sitzmau ern und Spielbächen aufgeschichtet. Die ursprünglich ebenen Flächen wurden im Massenausgleich zu einer Hügellandschaft umgestaltet. Mit Robinienstämmen und ausschlagfähigen Weiden wurden Klein strukturen eingefügt, die von den Kindern in vielfältiger Weise erobert, bespielt, ver ändert werden. Wir haben die Gelegenheit, den Kindern beim Spielen zuzuschauen und uns mit den BetreuerInnen Jetske van den Bijtel, Marjan Kaufmann und Marichel Weel über ihre Intentionen und Erfahrungen zu un terhalten. Die Kinder können für einen ge ringen finanziellen Beitrag von weniger als 20 € pro Jahr nachmittags hierherkommen, vorzugsweise gemeinsam mit ihren Eltern. Gemütliche Sitzplätze und eine Hütte mit Sanitäreinrichtungen und kleiner Kochge legenheit sorgen dafür, dass die beiden An lagen zu einem beliebten Treffpunkt auch für die Eltern geworden sind. Ein wesentli cher Schlüssel zum Erfolg ist die Mitarbeit Exkursionen Moby Dick, der Spielgarten für die etwas Größeren, im Überblick. Konventionelle Elemente aus der ursprünglichen Gestaltung wurden in die neu geschaffene „Wildnis“ integriert freiwilliger Helfer, die einen wesentlichen Teil der Betreuungsarbeit übernehmen. Eine Besonderheit von Moby Dick ist die Anpassung des Geländes für behinderte Kinder. Besonders beeindruckend war für uns, dass die erforderlichen Anpassungen so vorgenommen wurden, dass sie erst bei genauem Hinschauen erkennbar werden und den Erlebniswert für „normale“ Besu cher in keiner Weise beeinträchtigen. (Markus Kumpfmüller) Ein Tag in Amsterdam – die „geballte Ladung“ Als es um die Aufteilung der Berichter stattung ging, habe ich mir den phantasti schen Tag in Amsterdam ausgesucht. Eine geballte Ladung wunderbarer Eindrücke und Erlebnisse gilt es nun, in Kürze weiter zu geben. Keine leichte Aufgabe, obwohl wir uns in zwei Gruppen aufgeteilt und verschiedene Projekte angesehen haben. Zuerst starteten wir alle gemeinsam mit Fahrrädern vom Hauptbahnhof, allein das war schon ein Abenteuer. Nach einem klei nen Zwischenstopp im Westerpark auf dem ehemaligen Gelände der Westergasfabriek landeten alle wohlbehalten im Naturspiel garten Het Woeste Westen. Martin Hup, der Direktor des HWW, der auch mit unserer Karawane reiste, erzählte uns Interessantes über die Entstehung und den Betrieb des Geländes. Besonders beeindruckend war die Einweisung einer Schulklasse durch ei nen jungen, äußerst temperamentvollen Mitarbeiter in die Möglichkeiten, die das Gelände bietet. Auch ohne holländische Sprachkennnisse war es ein Vergnügen, die sen Ganzkörpereinsatz mitzuerleben. Eini ge Kinder schauten etwas verstört, wir hin gegen gingen, ohne zu zögern, ungeniert spielen und probierten alles aus!! Wie so oft in Holland, war auch auf diesem Gelände Wasser ein entscheidendes Element, das für ganz konkrete Spielangebote besonde rer Art genutzt wurde. Ob als Kanäle, klei ner Matschtümpel oder Wasserlauf, den es in vielfältiger Weise, manchmal Mutproben ähnlich, zu überqueren galt, immer gab es etwas zu entdecken. Bevor es dann, in zwei Gruppen geteilt, weiterging, wurden wir noch mit selbstgekochter Suppe, Pizza aus dem Backofen und vielen anderen Lecke reien verwöhnt. Gut gestärkt, galt es dann, sich zu entscheiden, sich größere Projekte am Rande Amsterdams anzuschauen oder eine Fülle kleinerer in der Innenstadt. Ich entschied mich für letztere und kam so in den Genuss, mir mehrere wunderbare Ge lände anzusehen, die Jan van Schaik gestal tet hat. Wer sich mal um seine Steuererklä rung oder anderes, das wenig Spaß macht, herumdrücken möchte, dem empfehle ich hiermit, sich auf der Website von Jan um zuschauen. Ich bin absolut sicher, dass an diesem Abend keine Zeit mehr bleibt, um sich noch um die Steuererklärung zu küm mern! Es ist schon faszinierend, welchen Ideenreichtum manche Menschen an den Tag legen und diesen dann noch mit vol lem Herzen umsetzen und andere daran teilhaben lassen. Zu beschreiben, was wir alles an Schönem auf Schulgeländen und Berna ganz oben auf!! Spielgelände Het Woeste Westen Schulgelände ‚de kleine Nicolaas‘, gestaltet von Jan van Schaik Natur & Garten April 2015 67 Exkursionen integrierten Kindergärten gesehen haben, ist schier unmöglich. Nur so viel: Jan van Schaik hat ein umwerfendes Gespür für Raumbildung und Details, vor allem beim Bau von bespielbaren Holzkonstruktionen. Zusammen mit seinem Gärtner-Kollegen Wouter van Santen kommt auch in Punkto Pflanzen die naturnahe Gestaltung nicht zu kurz. Ein wirklich tolles Team. Und ansonsten? Nein, wir waren nicht im Coffeeshop (was mein 15-Jähriger zu Hause kaum fassen konnte). Dafür hat uns Sigrun Lobst bis zum Dunkelwerden genießerisch durch die wunderschöne „Grachten-Land schaft“ Amsterdams radeln lassen. Wir wa ren dann nur eine kleine Gruppe von fünf Menschlein und beschlossen den Abend im Bolhoed, einem netten kleinen vegeta rischen Restaurant, natürlich mit Blick aufs Wasser und noch ganz berauscht von all dem, was wir an diesem einen Tag alles er lebt und gesehen hatten. (Antje Schwabersberger) Vielseitiger geht es nicht: Speeldernis und Vuurvogel Ich nehme mir zwei Anlagen dieses sehr reichhaltigen Tages heraus, die hier unbe dingt vor den Vorhang müssen. Zum einen war da der Garten der Waldorfgrundschule De Vuurvogel in Zoetermeer, einer 100.000EW Stadt im Dreieck Rotterdam-De HaagZoetermeer gelegen. Im spielgerätefreien Schulgelände von De Vuurvogel (Der Feuervogel) wurde klein räumig und liebevoll geplant (das Gelände ist max. 500 m² groß): Viele Abgrenzungen von Elementen wie Sandmulde, Beete, Wegeführungen erfolgen durch liegende Holzstämme jeden Durchmessers, wobei alle Weidenstücke wieder ausschlagen und zusätzliche Strukturen ergeben. Der Gar ten rund ums Gebäude wirkt dadurch sehr lebendig und es gibt viel zu entdecken. Highlight der Anlage ist eine stark ver zweigte, vielfach bespielbare Riesen-Weide (mit viel Hartnäckigkeit organisiert von Jan van Schaik, einem der genialsten Planer und ausführenden Betriebe dieser Exkursi on), im Fallschutzsand gelegen, und natür lich munter austreibend … 68 Natur & Garten April 2015 Weiter zeichnet die Anlage der fehlende Zaun aus, es gibt nur abgrenzende Ge hölze: Ein Schulgarten, der alle Kinder der Umgebung einlädt und einen zusätzlichen öffentlichen (Natur)Spielplatz ersetzt. Das ist eine Besonderheit auch in Holland. Eine Besonderheit der niederländischen öffentlichen Spielplätze für UNS in D und Ö ist wiederum eine Gepflogenheit, nach mittags betreute Spielplätze anzubieten (s. Markus). Einen solchen besuchten wir am Ende des Tages in Rotterdam: De Speel dernis. Hier treffen das Engagement einer Fachfrau, deren Kinder hier ihre Nachmit tage verbringen, die Sehnsucht nach Natur am Rande einer Metropole und das Glück, jede Menge Grachten-Wasser zur Verfü gung zu haben, ideal zusammen. De Speel dernis ist der Geburtsort der holländischen Spielnaturbewegung. Geplant, koordiniert und betreut von der aus Leipzig nach Rot terdam ausgewanderten Landschaftspla nerin Siegrun Lobst. Hier können Kinder 3 x die Woche am Nachmittag und am Wochenende spielen, es sind immer ehrenamtliche Betreuungspersonen da. Also steht einem Spiel mit herumliegen den Steinen, Stecken, dem Paddeln im Was ser in diversen „Booten“, dem Feuermachen und dergleichen nichts mehr im Weg. Möglich und notwendig ist dies, weil die SchülerInnen hier bis zur 6. Schulstufe kei ne Hausaufgaben haben und sich die meist nur halbtags berufstätigen Mütter (ja: Müt ter) sich mit Kind und Kegel gerne treffen. Sie zahlen einen sehr geringen Eintritt, kön nen Essen und Trinken mitnehmen oder z. T. auch vor Ort Kleinigkeiten kaufen. Betrie ben wird der Spielplatz wie ein perfekter Al ternativkindergarten mit Programm durch die Jahreszeiten, inkl. Übernachtungen. Bei unserem Eintreffen war es schon dämm rig, ich habe Alma, Siegruns 11-Jährige, um eine schnelle Führung zu ihren Lieblings plätzen gebeten. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus: Auf zwei Seiten von Grachten umgeben, haben die Kinder ein Paradies mit großzü gigen, herrlich verwachsenen Sand-Was serbereichen, querenden Wasserläufen, Bauspielbereich Tiengemeten Wasserspeicher in De Enk Kreative Recyclingmauern im De Enk Der Drachen in De Enk Exkursionen verwunschenen Wegen unter Bäumen und über überbaute Container. Baumstämme liegen als Brücken über den „Wasserstra ßen“, kleine Mauern aus Ziegeln und Platten dienen als Umrandungen einzelner Plätze. Die einst offene und großzügige Gestaltung ist nach mittlerweile 12 Jahren eine wilde Naturoase geworden. Sie wurde einst künst lich erhöht angelegt, um ein Einfließen des umgebenden Wassers zu verhindern. Zum Abschluss gab es für uns ein fantasti sches Buffet und, wer wollte, konnte Fotos aus dem Alltag hier bestaunen. (Konstanze Schäfer) Kinder-Abenteuer: De Enk und Tiengemieten Rotterdam: Gestärkt durch ein türkisches Frühstück durften wir den wunderbaren Lehrgarten „De Enk“ – ähnlich den deut schen „Gartenarbeitsschulen“ – besichti gen. Wir wurden herzlich empfangen durch Gerrit Roukens, der diesen Garten über viele Jahre gestaltet hat und konnten sei nen Erläuterungen lauschen. Der zentrale Bereich dieses Geländes ist den Kindern vorbehalten, die jeweils auf 10 m² Gemü se, Blumen und Kräuter anbauen. Gerrit Roukens baute den Rand des Geländes – in weiten Teilen ein ehemaliger breiter Asphaltweg, von dem nun nichts mehr zu sehen ist – in einen unglaublich abwechs lungsreichen Abenteuer- und Spielweg um. Wir laufen über Knüppelpfade, Stege, entdecken Strauchhöhlen, Recyclingmau ern, Türme und Skulpturen aus jeglichen Recyclingmaterialien. Beglückt durch Kaffee, Tee und einem köst lichen Früchtebrot starten wir nach Nieu wendijk, um von dort mit der Fähre nach Tiengemeten zu gelangen, einer Flussinsel im Mündungsdelta von Rhein und Maas. Hier wurde vor zwei Jahren aus einer ehe maligen intensiv landwirtschaftlich genutz ten Fläche auf ca. 2 ha eine „Spielnaturflä che“ gebaut , die von Sigrun Lobst geplant und von Reinhard Witt mit 42 kg heimi schen Saatgut angesät wurde. Wie immer in Holland steht das Spiel mit dem Wasser im Vordergrund: Schlickrutschen, waghal sige Fluss-Überquerungen über Stämme, Hangelseile, Floße. Viel Platz zum Toben, verstecken, Buden bauen, spielen und aus probieren. Die vielen Relikte wie Stämme und Kanister im Wasser zeugen von inten sivem Spiel. Untermauert wurden diese lebhaften Ein drücke von den Vorträgen von Reinhard Witt zur „ Heimischen Artenvielfalt in NaturErlebnis-Räumen. Von der Notwendigkeit und dem Nutzen der floristischen Vielfalt“, den Erläuterungen unserer türkischen Teil nehmerin Dr. Berna Coker, Professorin für Pädagogik an der Universität Izmir über ihr Forschungsprojekt zum Verhalten von Kin dern im Freiräumen, von Mike Jones, Tot ness, GB, mit seinem Beitrag „About play, evolution and how it relates to the transi tion movement“ sowie dem abschließen den Vortrag von Antje Schwabersberger über ihr Projekt „Naturcamping Elbogen see“. Diesen Tag schließen wir mit einem Essen in einem besonderen Restaurant in Rotterdam Süd „Hotspot-Hutspot“ ab: hier werden Gourmet-3 Gänge-Menüs aus nicht mehr benötigten Lebensmitteln von zu in tegrierenden Jugendlichen sowie von Kin dern aus einem sozialem Brennpunkt unter Leitung eines Kochs gezaubert: Lecker! (Renate Froese-Genz) Den Haag – ein kleines Grundschulgelände mit viel Natur Die Stadt kennen viele, weil hier der inter nationale Menschengerichtshof residiert. Die Grundschule Het Startpunt, gelegen im eher problematischen Stadtviertel Schilderswijk mit hohem Ausländeranteil, wohl eher nicht. Die beiden Planer und Gärtner Wouter van Santen und Jan van Schaik haben hier auf wenigen Quadrat metern Innenhof einen Kindertraum ver wirklicht. Um eine hohe Linde schmiegt sich ein herausforderndes Baumhaus, von dem aus sich Kinder an einem langen Seil zu Boden schwingen. Ein Stück weiter das Sandspiel, der Feuerplatz, ein umzäunter Naturteich, Blumenbeete. Ein Weggewirr verbindet und trennt die mit Trockenmau ern und Holzstämmen vor vielen Kinder füßen in Sicherheit gebrachten Pflanzen. Den Schwerpunkt bilden heimische Arten. Die Aggression sei merklich zurückgegan gen, hören wir. Und die Begeisterung der Kinder ist ungebrochen. Da es gerade viele Kreuzspinnen in den Büschen hat, beginnt ein Mädchen, sich mit ihr abzuseilen. Das Schulhof, natunah. Het Startpunkt, vorderer Bereich mit Baumhaus und kleineren Blumen beeten. Eine Grundschule mit dem in den Niederlanden üblichen viel zu kleinen Außengelände und doch mit überraschend viel Natur. Het Startpunkt. Das Spinnenspiel. Ein Mädchen fängt an, und bald krabbeln sie über bloße Hände und Finger. Und dann holt die Lehrerin noch eine Bestimmungstafel. Welche Spinne ist das wohl? Aha, eine Kreuzpinne! bleibt natürlich nicht unentdeckt, so riesig ist das Gelände auch wieder nicht. Wie herr lich man Mitschüler mit einer Spinne in der Hand erschrecken kann. Großes Gelächter. Wir sind Teil eines friedlichen Miteinanders verschiedener Kulturen und Meinungen. Ein gelungener, kraftvoller Abschluss ei ner beeindruckenden Exkursion. Es tut so unendlich gut, anderen über die Schulter zu schauen und dabei sich selbst zu sehen. Dazu passen auch die weiteren Fachvorträ ge im Niederländischen Wirtschaftsminis terium von Anna Lenninger aus Schweden, Manfred Dietzen und Ulrike Wolf aus Berlin und Jean-Francois Abele aus Gent. Sie öff nen die Augen für das, was so notwendig ist auf dieser Welt: Natur, im Spiel, in der Landschaft, im Herzen. Im Geiste fallen wir alle auf die Knie und danken Marianne van Lier und Willy Leufgen für diese großartige Idee, ihre Zeit und Kraft, Menschen, schöne Plätze, Beispiele, Erlebnisse und Begegnun gen zu verbinden. (Reinhard Witt) Natur & Garten April 2015 69 Internes Internes und Neues Februar bis März 2015 Liebe Mitglieder, hier sind wieder unsere Ergebnisse aus mehreren Monaten Vereins- und Vorstandsarbeit. Weitere Infos befinden sich auch im Mitgliederbereich der Naturgarten-Webseite: www.naturgarten.org/ mitgliederbereich/mv, Benutzername: mgnv, Kennwort: wildekarde. Bericht von der Mitgliederversammlung am 22.1.2015/City-Hostel, Düsseldorf Der Vereinstag des Naturgarten e.V. vom Donnerstag, dem 22.1.2015 begann, für die meisten überraschend, mit der Begrü ßung und Moderation durch Ralf Becker. Die Tagesordnung der MV wurde um den Punkt Neuwahlen erweitert. Das im Vorjahr gewählte Vorstandsteam hatte dieses ge schlossen beantragt. Der Vorstand wurde für ein Jahr gewählt. Auf der nächsten MV soll ein neuer Vorstand wieder für 3 Jahre gewählt werden, wie es die Satzung vor sieht. Basis für diese Wahl in 2016 soll ein von der MV 2016 zu beschließendes neu es Vereinskonzept sein. Wir begrüßen die Neuvorstände Carmen Lefeber und Rolf Hüttmann. Protokoll der MV steht im Passwort ge schützten Mitgliederbereich. Das erweiterte Vorstandstreffen vom Vor abend und die Jahresmitgliederversamm lung haben neben der Neuwahl eine Menge neuer Ergebnisse gebracht. Das pHelmut stellte den Jahresabschluss 2013 vor. Der Überschuss aus 2013 wird zur Fi nanzierung der Unterdeckung der Folge jahre verwendet. Das Wichtigste in Kürze: pNeben Dorothee, Kerstin und Reinhard wurden zwei neue Mitglieder in den Vor stand gewählt. Carmen Lefeber (Land schaftsarchitektin und Naturgarten-Profi) und Rolf Hüttmann (Bank- und Dipl.-Kfm., Kassenprüfer des Vereins für 2013) erklär ten sich bereit, das kommende Jahr und die Zukunft des Vereins als Vorstand mit zugestalten. Helmut und Werner traten nicht wieder an. Wir danken ihnen sehr für die gute Arbeit und hoffen, dass sie dem Verein noch lange erhalten bleiben. pAls Kassenprüfer für das Jahr 2014 wur den Friedhelm Strickler (Neuwahl) und Robert Schönfeld gewählt. Carmen Lefeber Rolf Hüttmann 70 Natur & Garten April 2015 pDer Umzug der „Naturgartentage“ nach Düsseldorf war ein voller Erfolg. Beson ders neu war, dass ein Umweltminister (Land NRW) neben Grußworten auch konkrete Ansätze einer Zusammenarbeit vorstellte. Wir danken Johannes Remmel. Die Teilnehmerzahlen von max. 150 Ta genden am Samstag wären in Grünberg räumlich nicht möglich gewesen. Leider müssen wir uns erneut um ein anderes Tagungshaus bemühen, da Düsseldorf im kommenden Jahr terminlich nicht zur Verfügung steht. Inzwischen wurde die Jugendherberge in Heidelberg mit einem vergleichbaren Kosten-Nutzen-Verhältnis für 2016 gebucht. Die Tagungskosten sol len im bisherigen Rahmen bleiben. pDas erfolgreiche Konzept der „Naturgar tentage“ wird konsequent vom Orga- Team weiter entwickelt. Viele neue The menfelder wurden angeregt und sind beim Orga-Team in Bearbeitung. Eine in flationsbereinigte Erhöhung des Budgets für Referentenhonorare wurde beschlos sen. Das Orga-Team bittet um tatkräftige Unterstützung durch Mitglieder bei der Werbung für die Naturgartentage. pKerstin stellte mit der „Filmwerkstatt Heil bronn“ drei wunderbare Filmproduktio nen vor. Diese werden demnächst online gestellt, damit jedes Mitglied diese Filme für seine Arbeit verwenden kann. Ak tuelle Anregungen aus der MV werden noch eingearbeitet. Das junge Team be geisterte mit seiner frischen und unkom plizierten Art, die Themen Naturgarten umzusetzen. Eine spontane Spenden sammlung zur Unterstützung des Film projekts erbrachte € 1.260,-! Weiter wurde beschlossen, aus dem bestehenden Film material zwei weitere Themenfilme „Na turnahes Öffentliches Grün“ und „NaturErlebnis-Räume“ zusätzlich zu erstellen. pEine Broschüre „Naturnahes öffentliches Grün“ wird in Zusammenarbeit mit dem NABU erstellt, um eine aussagekräftige „Handreichung“ für die Akteure in Kom munen zu haben. Ein nächster Schritt in unserer Kampagne „Trendwende im öf fentlichen Grün“! pRegionaltage werden 2015 an fünf ver schiedenen Orten stattfinden (Lübeck, Neuss, Rüsselsheim, Karlsruhe, Haar bei München), und werden künftig in zeitna her Abstimmung mit den Regionalgrup pen durchgeführt. Termine siehe Home page. p Das Sommertreffen findet in Freiberg/ Sachsen vom 2. bis 5.7.2015 statt. In die ser Zeit wird auch ein zweitägiger, als Zukunftswerkstatt gestalteter Workshop Internes stattfinden, auf dem von interessierten Vereinsmitgliedern das o.g. neue Vereins konzept erarbeitet werden soll. Struk turen des Vereins sind zu überdenken, Vorstandsbereiche neu zu definieren, neue Kampagnen und Arbeitskreise sol len angedacht werden. Um rege Teilnah me wird gebeten! Die ausgearbeiteten Vorschläge werden der nächsten MV zur Entscheidung vorgelegt werden! Ausschreibung Vereinspowerpoint Powerpoint 2 – lang: p Ausführlicher Powerpoint Basisvortrag „Was ist ein Naturgarten?“ pInsgesamt 25 Folien mit 21 Fotos. Der Bildautor besitzt die Urheberrechte und überträgt dem Naturgarten e.V. und sei nen Mitgliedern die uneingeschränkten Nutzungsrechte für die Fotos. p Einleitung Naturgarten 5 Folien (Um-, Neugestaltung / selbst angelegt oder Fir men / Vorgarten etc.). pIntro max. 10 Folien Einstieg naturnahes Grün allgemein: NER, Privatgärten, Ge werbe, öffentliches Grün. pHauptteil 10 Folien über Merkmale von Naturgärten. pDer Vortrag und die Fotos können von al len Naturgartenmitgliedern für beliebige Zwecke verwendet werden. pAbgabe eines offenen ppt-Dokumentes, welches jederzeit durch den Naturgar ten e.V. überarbeitet/aktualisiert werden kann p Offenes Worddokument als Begleittext zum Basis-ppt-Vortrag „Naturgarten“ Bitte sendet uns bei Interesse eine Nach richt bis 1. Mai 2015 an die Bundesge schäftsstelle geschaeftsstelle@naturgarten. org oder Tel. 07131 – 65 9999 6. Auf der Mitgliederversammlung 2014 wur de beschlossen, zur Unterstützung der Re gionalgruppen, Referenten und Aktiven eine Vereinspowerpoint zu erstellen, die von allen Interessierten bei der Öffentlich keitsarbeit eingesetzt werden könnte. Kers tin Lüchow wurde im Oktober 2014 (bei eigener Enthaltung) vom Vorstandsteam damit beauftragt, zwei Powerpoints bis Fe bruar/März 2015 gemäß Angebot und ge gen ein Honorar zu erstellen. Auf der MV 2015 in Düsseldorf wurde bei der Haushaltsdiskussion angeregt, die Po werpoints, wenn möglich, auf ehrenamt licher Basis zu erstellen. Diesem Wunsch möchten wir aufgreifen und fragen: Wer hätte Zeit und Interesse, die Powerpoints für den Verein zu erarbeiten? Sie sollte möglichst noch in 2015 fertig werden und folgende Inhalte aufgreifen: Powerpoint 1 – kurz: p Erstellung einer Masterfolie mit NG- Logos pVorstellung Naturgarten e.V. auf 6 Folien mit 7 Fotos. Der Bildautor besitzt die Ur heberrechte und überträgt dem Natur garten e.V. und seinen Mitgliedern die uneingeschränkten Nutzungsrechte für die Fotos. pFür Einsteiger, mit Link zum Kurzfilm. pAbgabe eines offenen ppt-Dokumentes, welches jederzeit durch den Naturgar ten e.V. überarbeitet/aktualisiert werden kann. pDer Vortrag und die Fotos können von al len Naturgartenmitgliedern für beliebige Zwecke verwendet und erweitert werden. Naturgarten-Talk Karin Stottmeister und Christoph Schallert, die diesjährigen Moderatoren des Natur garten-Talks, beschäftigen sich beruflich beide mit Xeriscaping, der Auseinander setzung mit extrem trockenen Biotopen. Bei Karin Stottmeister sind es die Finanzen unseres Vereins, bei Christoph Schallert juristische Fragestellungen. Um in diesen mörderischen Extrembiotopen überleben zu können, haben beide einen erfrischend trockenen Humor entwickelt, der für ei nen angenehmen, entspannten Rahmen dieser Talkrunde sorgte. Als Hommage an den Kultklassiker „Dinner for one“, jene le gendäre Geburtstagsfeier der 90-jährigen Miss Sophie, ihrem Butler James und ihrer – leider längst verstorbenen – vier engsten Freunde übernahm Robert Schönfeld die Rolle des hingebungsvollen Kellners. Ein echtes Tigerfell kam aus Naturschutzgrün den leider nicht in Frage, Robert stolperte daher wiederholt mit souveräner Hingabe über einen Plüschtiger. James wäre stolz auf ihn gewesen! Die ellenlange Reihe der Fachvorträge auf den Naturgartentagen stellte die Konzen trationsfähigkeit der Teilnehmer manch mal auf eine harte Probe, zumal die eher rudimentär arbeitende Lüftung nach kur zer Zeit für ein nahezu anaerobes Raum klima sorgte. Der Naturgarten-Talk diente hier als willkommener und entspannen der Ausgleich. Viele Naturgartenmitglie der kennt man schon seit vielen Jahren, trotzdem weiß man fast nichts über sie. Diese Wissenslücken werden in einer ge mütlichen Plauderatmosphäre gefüllt und man erfährt ein wenig mehr über die Menschen hinter ihrem Namen. Gerade in der völlig neuen, unvertrauten und vergli chen mit Grünberg doch etwas „unkusch ligen“ Atmosphäre in Düsseldorf war die ser familiäre Plausch wirklich wohltuend. Über die Maßnahmen die erforderlich wa ren, um die ausgewählten Mitglieder zur Teilnahme zu bewegen, verweigern Karin und Christoph allerdings jede Auskunft :-) Werner David Natur & Garten April 2015 71 Internes Interviews Ulrike Aufderheide, Martin Klatt, Dr. Philipp Schönfeld und Reinhard Witt wurden auf den Naturgartentagen von Frau Susanne Kuhlmann (DLF) zum Thema Klimawandel interviewt. Der Audio-Beitrag kann hier ge hört werden http://www.deutschlandfunk. de/klimawandel-neue-bewohner-im-hei mischen-garten.697.de.html?dram:article_ id=311133 Ein weiteres, knapp einstündiges AudioInterview wurde von Michael Bonke (Sun Pod) mit Kerstin Lüchow zum Thema Natur garten durchgeführt und als Permalink hier veröffentlicht: h ttp://www.sunpod.de/2015/02/152_ sunpod-interview-dipl-ing-agr-kerstinluechow-ein-herz-fuer-den-naturgarten/ Angebote Henriette Degünther – Referentin der NGT 2015 Die Referentin der Naturgartentage und Neumitglied Henriette Degünther stellt al len Mitgliedern einen vertiefenden Begleit text mit dem Thema „Förderung von woh nungsnahen naturnahen Freiräumen und die Beschleunigung einer ausreichenden Flächensicherung und Qualitätsverbesse rung“ zur Verfügung. Er kann im passwort geschützten Mitgliederbereich herunter geladen werden. Darüber hinaus bietet Frau Degünther die „Begleitung/Betreuung von Modellflächen zum Zwecke einer Forschung zur gesund heitlichen Wirksamkeit von geeigneten na turnahen Freiräumen“ an. Dazu gehören: Ausweisung, Planung, Be treuung, Weiterentwicklung, Dokumentati on von bestimmten Freiräumen Dieser Vorstoß ist eine grundsätzliche Son dierung, ob von sachverständiger Gärt nerseite die Bereitschaft da ist, bestimmte kommunale und öffentliche Modelle nach vergleichbaren Kriterien so zu planen, ein zurichten, zu begleiten und zu betreuen, dass eine ausreichende Attraktivität be steht. Sie soll Anwohner zu einer fast alltäg lichen Nutzung bewegen, ohne eine bloße Möblierung und Effekthascherei einzuset zen. Dynamische Natur und deren Förde 72 Natur & Garten April 2015 rung soll eine zentrale Rolle spielen. Die Finanzierung dazu muss nach der Er klärung einer grundsätzlichen Bereitschaft erst gefunden werden. Überlegung ist, dass man Kommunen in der BRD findet, die sich unter Bereitstellung bestimmter Frei raumflächen zur Entwicklung bestimmter Freiräume bereit sind. Es sollen sich dabei bisher getrennt agierende Seiten (Planung, Bauen, Gärtnern, Haftung, Sozialwissen schaften, Psychologie, Medizin) aufein ander zu bewegen, um quantifizierbare Bewertungen zu erzeugen und Bilanzierun gen zuzulassen. Rückfragen und Beratung: H. Degünther, [email protected] EINLADUNG: Vereinsworkshop & Sommerbaustelle in Brand-Erbisdorf / Sachsen vom 3. – 5. Juli 2015 Nach einem Jahr Zusammenarbeit bean tragte der Vereinsvorstand vorgezogene Neuwahlen auf der MV in Düsseldorf. Aus diesem Anlass wurde beim Vereinstag am 22.1.2015 über eine Weiterentwicklung des Vereins diskutiert. Die anschließende MV wählte einen Über gangsvorstand für ein Jahr, der mit der Auf gabe betraut ist, eine Neustrukturierung des Naturgartenvereins vorzubereiten und interessierte Mitglieder in Form eines Workshops einzubinden. Wir erhoffen uns ähnlich wie vor 13 Jahren in Linden einen qualitativen Sprung für unsere Vereinsent wicklung. Während des Vereins-Workshops sollen mit der Methode der Zukunftswerkstatt Ant worten auf bestehende Unzufriedenheiten in der Entwicklung des Naturgartenvereins gefunden werden. Eine Zukunftswerkstatt spitzt zunächst be stehende Schwächen in Form von Kritik aussagen zu. Diese Kritikaussagen werden daraufhin in ihr positives Gegenteil als Vi sion umformuliert. Diese – zunächst noch abstrakte – Vision wird anschließend mittels einer Kreativ- und einer Konkretisierungs phase durch einen möglichst konkreten Maßnahmenkatalog unterfüttert, der dann den zuständigen Gremien (Geschäftsstel le, Arbeitskreise, Vorstand, Mitgliederver sammlung) zur Umsetzung empfohlen wird. Die 3 Schritte der Zukunftswerkstatt wer den wir am Samstag mit einem Praxistag Naturgartenbau in Karin Stottmeisters Gar ten unterbrechen. Beim gemeinsamen Tun und abendlichen Feiern können die ange rissenen Themen im lockeren Gespräch und kleineren Gruppen weiterbewegt wer den. Sonntagvormittag geht es dann in die oben beschriebene Konkretisierungsphase. Zur umfassenden Sammlung der Kritikaus sagen für die Zukunftswerkstatt soll u. a. ein Vorbereitungskreis beitragen, in dessen Rahmen vorab wesentliche – möglichst knappe und treffende - Kritikaussagen ge sammelt werden, die dann in die eigentli che Zukunftswerkstatt mit einfließen. Wer sich bei der Vorbereitung so einbringen möchte sollte sich umgehend bei Rolf Hütt mann oder Dorothee Dernbach melden. Kontakt: Dorothee Dernbach: [email protected] Rolf Hüttmann: [email protected] Neue Kooperationspartner für den Naturgarten e. V. So allmählich entsteht eine lange Liste von Organisationen, die mit uns auf verschie denen Ebenen zusammenarbeiten. In der Vergangenheit waren dies Naturgucker und Bioland. Seit wir ab 2014 aktiv für eine Trendwende zum naturnahen öffentlichen Grün unterwegs sind und eigene Praxista ge über Deutschland verteilt dazu anbie ten, konnten wir namhafte Verbände dazu gewinnen. NABU, BUND, LBV, NBL und die Kommunen für biologische Vielfalt. Außer dem sind auf unserer Landkarte des Lebens noch Naturvielfalt in der Gemeinde und Netzwerk blühendes Vorarlberg/Bodensee akademie dabei. So weit, so gut. Aber noch nicht das Ende. Denn jüngst konnten wir zwei weitere Partner auf unsere Seite holen. Einmal die Hochschule Sachsen-Anhalt, mit Internes der uns seit Jahren eine ausgezeichnete Kooperation bei der Fortbildung zum Na turgarten-Profi verbindet. Dr. Anita Kirmer ist eine der Referenten zum Thema Roh bodenbegrünung. Zum anderen aber der Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e.V. (BGL). Das ist ein weite rer wichtiger Meilenstein auf der Öffnung des Vereins in Gesellschaft und Politik. Erin nern wir uns: Es ging bei der Mitgliederver sammlung im Jahr 2014 (noch in Grünberg) darum, dass wir aus der ökologischen Ni sche, in der wir uns so wohlfühlen, heraus kommen, um unsere Ideen einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen. „Naturgarten e.V. als Marke etablieren“, hieß es da. Und natürlich werden auch an Galabauverbän de naturnahe Umgestaltungen im öffentli chen Bereich herangetragen. Da ist es doch besser, wenn man weiß, wie das wirklich geht. An unserer Fachkompetenz in diesem Bereich kommt heute keiner mehr vorbei. In diesem Rahmen konnte der Naturgarten e.V. auch die vom BGL initiierte Charta Zu kunft Stadt und Grün mit unterzeichnen. Sie ist eine ganz klare politische Aussage und Hinwendung zum Stellenwert von Grün insgesamt und naturnahem Grün im Speziellen. Wobei wir als Naturgarten e.V. unter naturnahem Grün ja eher naturnahes Bunt verstehen. Gerade da hat sich beim BGL die letzten Jahre viel getan. Oder hät ten Sie folgende Aussage dort lokalisiert? Ich zitiere aus dem Handlungsfeld 6 der Charta, in dem es um den Erhalt des Arten reichtums geht: „Wir fordern, die Vielfalt der Pflanzen- und Tierarten in unseren Städten zu schützen und zu vergrößern, u. a. durch die Verwendung gebietsheimischer Arten auf naturnahen Flächen, ein ökologisches Grünflächenmanagement und die Einrich tung eines innerstädtischen Biotopverbun des.“ Besser hätte der Naturgarten e.V. das auch nicht formulieren können. Wir grüßen die alten und begrüßen herzlich unsere neuen Mitstreiter. Allein sind wir stark, zu sammen stärker. Reinhard Witt Links: www.naturgarten.org/beispiele/ oeffentlichesGruen www.naturgarten.org/aktivitaeten/ regionaltage www.galabau.de/charta.aspx Profitreffen vom 25. – 27. Juli 2014 in Lübeck und Ostholstein Unser zweites Profitreffen organisierte Rai ner Kahns in Lübeck und Umgebung. Wir waren eine bunte Truppe aus allen drei Profikursen und Himmelsrichtungen. An beiden Tagen begleitete uns noch je eine Besucherin aus der Regionalgruppe Schles wig-Holstein. Selbst wer Rainer kennt, wurde noch über rascht: Zu Beginn gab es für jeden einen umfangreichen Exkursionsführer mit al len Zielen, dazu Pflanzenlisten und Fotos. Herzlichen Dank auch an seine Mitarbeite rin Sandra für die tolle Organisation eines wunderschönen und spannenden Wo chenendes. Es begann am Freitagabend in Eutin in der Kita Kinderinsel mit einem reichhaltigen Abendessen. Am nächsten Morgen erwar tete uns zunächst ein desillusionierender Bericht zum Thema Haftpflichtversiche rungen. Anschließend quetschten wir uns nach alter Sitte in möglichst wenige Autos und düsten los: Bei herrlichstem Sommer wetter besichtigten wir verschiedene Kitas, eine Grundschule sowie eine weiterführen de Schule. Der „geografische Höhepunkt“ war die Besichtigung eines besonderen, von Rainer entworfenen Spielelementes auf der Seebrücke in Niendorf und dem an schließenden Bad in der Ostsee. Besonders in Lübeck gibt es großzügige Stiftungen, so dass die Projekte sehr hoch wertig ausgeführt werden konnten. So konnten wir verschiedenste Spielgeräte namhafter Hersteller in Augenschein neh men. Auch bei den Nebengebäuden gab es originelle Holzbauten zu sehen, die wun derbar zu der naturnahen Gestaltung pass ten. Rainers Qualitäten als Landschaftsar chitekt konnten wir bei allen Entwürfen bewundern: geschwungene, aufwändige Pflasterbilder, Hochbeete mit schönen Tro ckenmauern und einfallsreiche Strukturen. Bei allen Projekten erläuterte uns Rainer seine gelungenen und aber auch schwie rigen Versuche mit naturnahen Pflanzun gen und Ansaaten. Der Knackpunkt bleibt immer die Pflege. Ordnungsliebende Men schen, Hausmeister unter Zeitdruck und mangelnde gärtnerische Kenntnisse bei den Nutzern lassen auch die schönsten An lagen leiden. Schönheit und Ordnung sind eben subjektive Empfindungen. Alle Einrichtungen wirkten sehr gepflegt und ordentlich, nicht zuletzt aufgrund Rainers engagierten Einsatzes. Er ist eben ein Pflanzenliebhaber mit Leib und Seele: wenn er ein Kraut entdeckt, was dort nicht wachsen soll, dann greift er beherzt ein. Zu guter Letzt picknickten wir in Rainers üppigem und gemütlichem Garten und konnten den Entstehungsort seiner wun derschönen Pläne und Sandras kalter Füße besichtigen. Es war ein Wochenende voller Eindrücke, vieler Informationen und dank Exkursi onsführer und Autokorso das echte ProfiKurs-Feeling. Die Treffen sind immer ein wunderbarer Anlass, sich wiederzusehen, Erfahrungen auszutauschen und weiße Fle cken auf der Landkarte zu kolorieren. Das nächste Treffen organisiert Silke Kaden im Raum Chemnitz und Erzgebirge. Silke Kaden D - 09437 Waldkirchen, 3 037294 - 7483 [email protected] Ina Blum D - 26506 Norden, 3 04931- 959495 [email protected] Die ganze Mannschaft auf der Seebrücke Niendorf (Foto: Passant) Rainer in Aktion (Foto: Ina Blum) Natur & Garten April 2015 73 Internes Saatgutliste 2015 der Saatgutbörse online Dorothea Schulte hat wieder zahlreiche Wildpflanzensamen für Naturgartenmit glieder getrocknet, gereinigt und abge packt. Seit Anfang Februar können die Samen per frankiertem Rückumschlag bei ihr bestellt werden. Die Liste kann im pass wortgeschützten Mitgliederbereich herun ter geladen werden www.naturgarten.org/ mitgliederbereich/saatgutboerse Naturnah Unterwegs in Schleswig-Holstein + Hamburg vom 6. – 13. Juni 2015 Bereits zum 8. Mal findet die Exkursion Naturnah Unterwegs statt. In diesem Jahr besichtigen wir private Naturgärten, den Baumpark Ratzeburg, Naturnahes Öffent liches Grün in verschiedenen Kommunen, Natur-Erlebnis-Räume und einen Wildsa menbetrieb. Viel Zeit ist auch für den Na turstandort Geltinger Birk an der Ostsee und den Nationalpark Wattenmeer an der Nordsee eingeplant. Am letzten Tag sehen wir uns u. a. naturnahe Schrebergärten an. : Grundung einer nRegiogruppe Rheinhesse Kurpfalz-Sudhessen Start: Sonntag, 7. Juni 2015 um 9.00 Uhr bei Rita Schütt in 23881 Breitenfelde (oder am Zusatztag Samstag, 6. Juni 2015 um 9.00 Uhr in Bremen – angefragt) Ende: Samstag, 13. Juni 2015 gegen 17.00 Uhr in Hamburg Fuhlsbüttel Programm und Anmeldeformular: http://www.naturgartenvielfalt.de/ exkursionen/ http://www.naturgarten.org/ aktivitaeten/exkursionen Kontakt: Kerstin Lüchow, 3 07131 - 172133 [email protected] Wir, die Familie Mangold vom gem einnützigen Verein faktor NATUR, setzen uns dafür ein, dass Menschen die Potenziale der Natur erkennen und für sich nutz en können. Der Naturgarten spielt dabei eine wichtige Rolle. Er ist ein riesiger Lern- und Entwicklungsraum für alle, die bere it sind, sich der Natur in ihren Gärten zu öffnen und sich mit ihr auseinanderzusetzen. Wir möchten dazu beitragen, dass Menschen den Wert von Naturgärten erkennen – nicht nur für die Pflanzen und Tiere, die im Garten leben, sondern auch für sich selbst. Aus diesem Grun d haben wir uns entschlossen, eine Regionalgruppe des Naturgarten Vereins am Bodensee zu grün den und uns damit aktiv an der Naturgartenbewegung zu beteilige n. Über Gleichgesinnte aus der Region, die uns in dieser Sache unterstützen wollen, freuen wir uns! Unser Hof am Degersee (in Tettnang, nahe bei Lindau) mit 3 ha Garten wäre dafür ein gute s „Headquarter“. Wer hat Interesse, mit uns zusa mmen eine neue Regiogruppe zu gründen? Alexandra, Angelika, Roland und Jutta Mangold: A - 6912 Hörbranz 3, ange [email protected] , 3 +43 5573 82626, ww w.faktornatur.com Stadtrand von Büroraum am ftsplanerIn zu Kiel an Landscha vermieten. Marxen-Drewes Kontakt: Heinke planung Naturnahe Grün 74 3 04340 - 4023 74 Natur & Garten April 2015 rgartenWeißer Fleck auf der Natu chen zwis nd Gege Die e: kart Land elberg Frankfurt im Norden, Heid und im Süden, Alzey im Westen bisher Aschaffenburg im Osten ist tenland. wenig bekannt im Naturgar der Das soll sich künftig mit RheinGründung einer Regiogruppe n ändern. hessen-Kurpfalz-Südhesse dee werden Rund um die Naturgarteni drehen, sich unsere Aktivitäten Kreatives sind wir offen. für ? Wer hat Lust, dabei zu sein Bitte melden bei: Friedhelm Strickler, [email protected] oder Jürgen Schmidt, lt.de kontakt@lebendige-vielfa r, die an rgartenmitgliede 10 weitere Natu enomilg te 15 20 en ntag den Naturgarte on eine gi hten in ihrer Re men haben, möc einer h sic er od e gründen Regionalgrupp : en ieß schl Regiogruppe an nburg, rd-West Meckle 3D - 1920e5ReNoiter, 3 038853 - 183099 Susann , gion Hannover 3 D - 3183rd2 JaReesch, 3 05045 - 8383, Bernha ten-jaesch.de info@immengar ederrhein, Ni er hint 3D - 4764So7 hn f.de , info@hilfsho Sascha ln), Kö ich stl (ö dlar 3D - 5178d9 Lin 3 02266 er, fn op W us Katja un Kla ine.de k.wopfner@t-onl 44846, in erkste 3D - 52134nrMath, nördlich Aachen), (Herzoge 888, 3 02406 - 9248 Armin Bollhorst, e e.d in nl t-o armin.bollhorst@ Vernetzu N a t u rg a r n g H a m bu rg e r tenmitg lieder Wünschst du dir au ch (noch) über unse mehr Aust re Naturg ausch a rten-Idee zugsquell , über reg en usw.? io nale BeM ö chtest du mithelfen vielleicht , dass sich (s ogar) d a s einer Gro naturnah ßstadt wie e Gärtnern Hamburg in Wir habe mehr durc n dazu sc hsetzt? hon erste uns, wen Ideen und n auch du freuen zu uns stö unserer G ßt. Und w ruppe mit e nn aus telfristig e gruppe H ine neue amburg Regionalentsteht – umso bess Interesse er…! ? Dann m elde dich 3 040-40 bei Stefa 7682 ode n Behr: r stefa n.behr@k abelmail .de dlich Aachen, 159 Roetgen (sü 52 D 3 Nordeifel), , 3 02471- 2756 Christa Heners , m .co ail lem og go Christa.heners@ k, ec ilb erl-H 3D - 59457teWna, 3 02922 - 861315 Ingrid Al Karlsruhe, 94 35, 3D - 7622la7Se nk, 3 0721- 40 98 ae ich M elraum.de senk@gartenspi u, na ur M 8 41 3D - 82 lker, 3 08841- 672655, Vö id gr In rrueckt.de ingrid@naturve en, ssart/Unterfrank pe -S ain M 0 45 97 D 3 363 - 996846, Jonas Züll, 3 09 x.n J.Zuell@gm et besonders lle steht allen – Die Geschäftsste ratend be gionalgruppen den neuen – Re den je it m te acht mit? Bit zur Seite. Wer m ehmen. fn au t ak nt Ko nten weiligen Interesse © Thomas - Fotolia.com Gr ün du ng ein er Re gio na lgr up pe Bo de ns ee : MitgliederPinnwand Kolumne sie genügend Gelegenheiten zur kreativen Naturberührung bieten, vom naturnahen Garten bis zu Spielen im Gelände, vom Na schen wilder Beeren bis zum Beobachten und Benennen von Pflanzen und Tieren. NATUR ERLEBEN I m Frühling zieht es uns hinaus in Gärten, Feld und Wald. Die Wahrnehmung der Natur um uns kann auch einen Weg zu unserer inneren Natur öffnen und helfen, in unserem Leben Sinn und Glück zu finden. Wir genießen die milde Luft und den ju belnden Gesang der Vögel, laben uns am Anblick erster Blumen und grünender Zweige. Das allgegenwärtige Erwachen aus der Winterstarre erfrischt uns an Körper, Geist und Seele. Je tiefer wir mit der Natur verbunden sind, desto mehr Kräfte schenkt uns der frohe Aufbruch des Lebens ringsum, aber auch manche Einsichten. In unserem eigenen Ta tendrang, in unserer Neugier auf das Leben erkennen wir ein Spiegelbild der äußeren Welt. Umgekehrt erschließt die aufmerksa me Beobachtung der Natur draußen auch etwas von unserer eigenen Natur. Denn sie gehören zusammen wie die zwei Seiten ei ner Medaille. Wir gehören dieser einzigartigen Biosphäre unseres Planeten an. Daher müssen wir sie im eigenen Interesse achten und pflegen. Diese Erkenntnis reicht über ökologische Erfordernisse für ein menschenwürdiges Überleben hinaus. Wirksam wird sie nur, wenn sie auch in unserem Wertesystem und Gefühlsleben verwurzelt ist. Durch in tensiven Naturkontakt und achtsame Zu wendung fühlen wir uns im großen Strom des Lebens geborgen und werden der Na Auch wenn ich ganz alleine an einem freundlichen Platz in der Natur sitze oder liege, inne halte und aufmerksam schaue, lausche, rieche und berühre, was sich hier alles tut, werden mehr als nur Sinne und Wahrnehmung trainiert. Die Größe und Schönheit der Natur auch in den kleinen Dingen, ihr geheimnisvolles Werden und Vergehen, hilft bei der Suche nach der ei genen Mitte. Ihre Kraft und Ruhe weckt Ver trauen und bringt uns ins Gleichgewicht. Hier fühle ich mich aufgehoben. tur und unseren Mitmenschen liebevoller begegnen. Umgekehrt hat die Achtlosigkeit und Stumpfheit, mit der Schönheiten und Schätze dieser Welt für schnelles Geld ver nichtet werden, mit der Naturentfremdung zu tun, unter der viele Menschen leiden. Manche halten zum Beispiel einen Park mit englischem Rasen schon für Natur, andere fürchten sich davor, sich auch nur in einem Wald abseits eines bezeichneten Weges zu bewegen. Aber immer mehr empfinden selber diese Fremdheit als Mangel und ah nen die gute Wirkung, welche eine tiefere Beziehung zur Natur auch für die Gesund heit ihrer Seele hätte. Seit einiger Zeit haben Naturvermittler mit Angeboten von Exkursionen und Natur schauspielen, Themen- und Erlebnisfüh rungen regen Zulauf. Der neue Beruf „Na tur- und Landschaftsführer“ wird offenbar zunehmend gebraucht. In Zukunft wird die reine Wissensvermittlung ergänzt werden durch Übungen in Meditation, Kontemplation und Selbsterfahrung, durch Konzentrations- und Entspannungstherapien in der Natur. Dabei könnte das alles vom frühen Kindes alter an ganz nebenbei gelernt werden, denn viele Kinder fühlen sich spontan von der Natur und ihren Elementen angezo gen. Verständige Erwachsene fördern eine positive Beziehung zu Natürlichem, indem Dipl. Ing. Werner Gamerith A - Waldhausen 3 +43 - (0) 7260 - 4116 gamerithwerner@ gmail.com Natur & Garten April 2015 75 Medienverkauf Naturgarten e. V. Liebe Leserinnen und Leser, Mit diesem Vordruck können Sie bequem einige Bücher und Medien des Naturgarten e.V. bestellen. Einfach per Post, Fax oder eingescannt Bestellliste (alle Artikel zzgl. Versand): Vereinsmedien Medienkoffer Natur-Erlebnis-Räume Medienkoffer NER – nur DVD Euro / Stück 60,00 Natur & Garten, Ausgaben 2013/14 für Werbezwecke 2,50 Natur & Garten – Jubiläumsausgabe, 2. Auflage 2012, 40 Beispiele 6,00 Natur & Garten – Sonderausgabe 3/2012, 50 Beispiele 7,00 Natur & Garten – Sonderausgabe 3/2014, 24 Beispiele 2,50 Naturgartenkalender – Restexemplare 8,00 Naturgartenschild 22,00 Bio-Poloshirt mit Vereinslogo vorn + hinten: S/M/L 27,00 Naturgarten e.V. Sweatshirt mit Vereinslogo vorn + hinten: S/M/L/XL 30,00 Kernerstr. 64 Bücher 74076 Heilbronn blv Verlag: Mit Kindern die Nacht entdecken 14,95 [email protected] blv Verlag: Die Pflanzen Mitteleuropas 29,95 Fax: 07131 - 64 9999 7 Gamerith, Werner: Mein Naturgarten 25,00 als Email senden an: Name Straße PLZ, Ort E-Mail (für Rückfragen) Haupt: Stiftung Umwelt….Trockenmauern 110,00 h.e.p. verlag, Peter Steiger: Esche, Espe, Erle? Doppelband 140,00 Hintermeier, Helmut: Blütenpflanzen und Gäste II 12,50 Hintermeier, Helmut: Blütenpflanzen und Gäste III 18,00 Hintermeier, Helmut: Blütenpflanzen und Gäste IV 19,80 Pfeil Verlag, Paul Westrich: Wildbienen – die anderen Bienen 19,80 Spektrum: Rothmaler Atlasband – Sonderpreis, da ältere Ausgabe (statt 34,99) 25,00 Ulmer Verlag: Bildatlas der Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands 49,90 Ulmer Verlag: Natur sucht Garten 19,90 Witt, Reinhard (2013): Natur für jeden Garten 24,95 Witt, Rolf: Bestimmungshilfen Wildbienen Datum, Unterschrift Anzahl 120,00 4,00 Witt, Rolf: Einblicke in das Leben und Verhalten unserer einheimischen Hornisse 10,00 Wohlleben, Peter: Der Wald – ein Nachruf 19,99 Wohlleben, Peter: Mein Wald (Ulmer) 39,90 Herausgeber:Naturgarten – Verein für naturnahe Garten- und Landschaftsgestaltung e. V. Bundesgeschäftsstelle: Kernerstraße 64, 74076 Heilbronn / Telefon: +49 (0)7131 - 64 9999 6 / Fax: +49 (0)7131 - 64 9999 7 / E-Mail: [email protected] / Internet: www.naturgarten.org / Internet Fachbetriebe: www.naturgarten-fachbetriebe.de Auflage: 2.500 ISSN:2199-7012 Redaktion: Kerstin Lüchow, Reinhard Witt Layout: Birgit Oesterle Lektorat: Norbert Steininger, Kerstin Lüchow Bildbearbeitung: Werner David Druck: Druckerei Lokay e.K. Reinheim (www.lokay24.de). Lokay arbeitet als „nachhaltige, grüne Druckerei“ ausschließlich mit Ökostrom, wirtschaftet klimaneutral in Produktion und Logistik, ist EMAS- und FSC-zertifiziert und bietet umweltfreundliche Recyclingpapiere an. Sie druckt mit Farben auf Pflanzenölbasis nach DIN ISO 12647-2 und verzichtet auf den Einsatz von Isopropylalkohol (IPA). Diese Mitgliederzeitschrift wurde ressourcenschonend mit Farben auf Basis nachwachsender Rohstoffe und dem Papier „Lokay 3-32 hochweiß“ Recycling matt Bilderdruck, Umschlag 150 g/m² + Inhalt 115 g/m², 100 % FSC-Recycling hergestellt. Nächste Ausgabe:Titel vorläufig: Nisthilfen für Wildbienen Redaktionsschluss: 1. Mai 2015 Erscheinungsdatum: ca. 1. Juli 2015 Hinweise:Für den Inhalt der Texte sind die jeweiligen Autoren verantwortlich. Bei Rückfragen stehen wir gern zur Verfügung (Geschäftsstelle Naturgarten e. V.) Natur & Garten wird an Mitglieder des Naturgarten e. V. verschickt und ist im jährlichen Mitgliedsbeitrag enthalten. Auf Anfrage und gegen Spende können gern weitere Exemplare älterer Ausgaben für Werbezwecke bestellt werden. Über Spenden, auch für bestimmte Projekte, freuen wir uns sehr. Alle Mitgliedsbeiträge und Spenden sind steuerlich absetzbar, da der Verein gemeinnützig ist. Bankverbindung: KSK Heilbronn, BLZ: 620 500 00, Konto Nr. 100 69 622, BIC: HEISDE66, IBAN: DE15 6205 0000 0010 0696 22
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