Tagungsband Naturgartentage 2015

April 2015 Mitgliederzeitschrift Naturgarten e. V.
Heft 2/2015
5.50 €
Tagungsband
Naturgartentage
2015
Inhalt
Inhalt
i E X T R ATAG
KLIMAWANDEL IN NATURGÄRTEN
UND ÖFFENTLICHEM GRÜN
4
Klimawandel und Naturgarten.
8Gewinner und Verlierer der
heimischen Fauna im Siedlungsraum
unter besonderer Berücksichtigung
der Insekten.
10Klimakatastrophen. Die können das:
Die Chance für heimische Wild­
pflanzen. Betrachtungen einiger
Unglücksfälle
12Starkregen-Ereignisse und ihre
Planung für Naturgärten
15
Auswirkungen des Klimawandels
aufs öffentliche Grün. Wie wird es
zukünftig aussehen müssen?
18Zwei 15-minütige Impulsreferate zur
Podiumsdiskussion: Heimisch oder
nicht? Wie sollen die Artenlisten
von naturnahen Pflanzungen für die
Zukunft aussehen?
i TAG U N G
NATURERLEBNISRÄUME FÜR KINDER
UND JUGENDLICHE
22Tiengemeten – der schmuddeligste
Naturspielort der Niederlande.
Hintergründe des Entstehens großer
Naturspielräume in den Niederlanden
2 Natur & Garten April 2015
25Rechtzeitige Sicherung von attraktiven Freiräumen in Wohnungsnähe/
Fokus Jugendliche
28
Naturerlebnisräume für Kinder
und Jugendliche. Die Gesamtschule
Bockmühle „wohnt“ und lernt
natürlich
30Ergebnisse der Diskussionsrunde:
Jugendliche und Natur-ErlebnisRäume: Problem oder Chance?
32Was singt, zirpt und quakt denn da? –
Ein akustischer Streifzug durch
Natur und Garten
GESTALTUNG IM NATURGARTEN
33Naturgarten In Form.
Naturgarten und formale Gestaltung
– ein Widerspruch?
36Design oder Dynamik –
wer komponiert im Blumenbeet?
40Feng Shui im Garten – Inspiration
für naturnahe Gestaltungen
42Ex situ-Kulturen gefährdeter Wildpflanzen – ein Mittel zur Erhaltung
der biologischen Vielfalt
48Wie können wir Wildbienen im
Naturgarten fördern?
GEHÖLZE IM NATURGARTEN
52Welt der Weiden
55Hecken – Lebensadern in Garten und
Landschaft
58Naturnah Gärtnern ohne Rückschnitte
h E N D E D E R TAG U N G
EXKURSIONEN
60Naturnah Unterwegs 2014 in GB.
Go Wild – The classic Edition
66Internationale Spielnatur Karawane
70 INTERNES
Kolumne
75Natur erleben
76 Medienverkauf und Impressum
TIERE IM NATURGARTEN
44Von Baumeistern, Blumenschläfern
und Pollensammlern: Eine Reise
in die faszinierende Welt der heimi­
schen Wildbienen
Titelbild: Aus den Fugen geraten –
Wegwarte und Färberkamille
(Foto: Andrea Stolz)
Vorwort
Vorwort
Fast 25 Jahre hatten wir uns in der vertrauten Atmosphäre von Grünberg wohl gefühlt. Die Naturgartentage mit hochkarätigen Referenten und ihrem abendlichen, gemütlichen Ausklang in der Bayernstube
waren immer ein Highlight im Naturgartenjahr gewesen.
Nachdem aus Kapazitätsgründen leider die Entscheidung für ein neues
Tagungshaus gefallen war, erwarteten wir mit Spannung die Naturgartentage 2015. So vieles war neu: Der Tagungsort, das Anmeldeverfahren, die Länge der Tagung, der Vereinstag und die hohen Teilnehmerzahlen. Neu und bedeutungsvoll war auch die offizielle Eröffnung durch
den Nordrhein-Westfälischen Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz Johannes Remmel (Bündnis
90 / Die Grünen). In seiner Ansprache spannte Remmel den Bogen von
seinen ganz persönlichen Beweggründen für den Umwelt- und Klimaschutz bis zum globalen Thema Biodiversität, dem zunehmend auf
gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Ebene Beachtung
geschenkt wird. Dabei würdigte er u. a. die Bemühungen des Naturgarten e. V., der mit seiner Arbeit einen großen Beitrag zum Naturschutz
leistet.
Unser großer Dank gilt allen Referenten, die mit ihrem Fachwissen maßgeblich zu einer gelungenen Veranstaltung beitrugen. Das Orgateam
hat sich den Herausforderungen eines neuen Tagungsortes erfolgreich
gestellt und wir möchten Ulrike Aufderheide, Gerold Baring Liegnitz,
Susan Findorff, Silke Gathmann und Robert Schönfeld von Herzen für
ihre Arbeit danken. Auch das neue Tagungshaus, die Jugendherberge
Düsseldorf, hat diese große Veranstaltung wunderbar gemanagt. Ralf
Becker nimmt mit seiner ruhigen, freundlichen und nimmermüden Art
inzwischen einen festen Platz als Moderator beim Vereinstag und bei der
Mitgliederversammlung ein. Und, ganz wichtig: herzlichen Dank an alle
Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung – erst durch euer Interesse
ist diese Veranstaltung möglich geworden!
Auch ein Jubiläum gab es noch zu feiern: Der Naturgarten e. V. ist 25
Jahre alt geworden. Mit einem kleinen Sektempfang haben wir dieses
schöne Ereignis gefeiert und sehen voller Zuversicht in das nächste Vierteljahrhundert.
Ihr Vorstand
Mit nachdenklichen Worten zum Klimawandel eröffnete Reinhard Witt
den Extratag und traf mit diesem Thema den Nerv der Zeit. Ulrike Aufderheide referierte anschließend über Klimawandel und Naturgarten. Sie
stütze ihren eindrucksvollen Vortrag durch zahlreiche wissenschaftliche
Veröffentlichungen, Grafiken und Tabellen. Von Kipppunkten, Klimahüllen und Aussterbeschuld war die Rede. Angesichts der Informationsflut ihrer Folien fühlte man sich zurückversetzt in vergangene Studienzeiten. Aus den Vorträgen dieses spannenden Tages lässt sich resümieren: Jeder Beitrag zum Klimaschutz zählt, Xeriscaping ist die Kernkompetenz von Naturgärtnern und wir werden zukünftig unsere Definition
von heimischen Wildpflanzen überdenken müssen. Deutlich wurde aber
auch: Der Klimawandel ist keine Zukunftsvision mehr, wir stecken bereits mitten drin.
Natur & Garten April 2015
3
Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün
Klimawandel
und Naturgarten
Landnutzungsänderung wird noch lange die Hauptursache für Biodiversitätsverlust bleiben – Maisacker direkt beim NSG Garchinger Heide
D
ie Öffentlichkeit hat sich jahrzehn­
telang darin geübt, die Rolle der
entwickelten Gesellschaften als
Verursacher des drohenden Klimawandels,
also unsere Rolle als Täter, zu verdrängen
bzw. zu verleugnen. Jetzt, wo die Auswir­
kungen des Klimawandels deutlich wer­
den, nehmen wir uns hauptsächlich als Op­
fer der kommenden Entwicklungen wahr.
Die Beschäftigung mit Naturgärten in Zei­
ten des Klimawandels lenkt unseren Blick
– wie ich finde, in befreiender Weise – in
die andere Richtung: Naturnah angelegte
Flächen sind zwar auch dem Klimawandel
ausgesetzt, sie bieten aber gerade in Zei­
ten des Klimawandels zahlreiche Chancen,
bedrohliche Auswirkungen des Klimawan­
dels abzumildern. Teilweise weisen sie so­
gar den Weg, mit der Natur so umzugehen,
dass der Klimawandel selber abgeschwächt
werden kann. Naturgärten sind zwar auch
Opfer des Problems, sie sind vor allem aber
Teil der Lösung.
Was gerade geschieht
Klima ist nicht dasselbe wie Wetter. Ein küh­
ler Sommer ist genauso wenig ein Beweis
gegen den Klimawandel wie ein Herbst­
sturm ein Beweis dafür ist. Entscheidend ist
die Veränderung von Durchschnittswerten
über längere Zeiträume: Seit Beginn des
20. Jahrhunderts ist die globale Mittel­
temperatur um 0,8 °C gestiegen, in Mit­
4 Natur & Garten April 2015
teleuropa beträgt der Anstieg 1,5 °C. Zum
Vergleich: bei der u. a. durch verstärkte Vul­
kanaktivität hervorgerufenen sog. „Kleinen
Eiszeit“ im Mittelalter lag die globale Tem­
peratur um 0,2 – 0,6 Grad niedriger, im „mit­
telalterlichen Klimaoptimum“ knapp unter
dem Niveau, das wir heute erreicht haben.
Das Klima wird von zahlreichen Parame­
tern, wie Sonnenaktivität und Meeres­
strömungen beeinflusst. Nur einer dieser
Parameter hat sich davon seit der Indus­
trialisierung dramatisch verändert: der
CO2-Gehalt der Atmosphäre (von 280 auf
389 ppm). So hoch war der CO2-Gehalt
vor ca. 20 Millionen Jahren. Zu Beginn des
Tertiär, vor 65 Millionen Jahren, lag er um
das 6- bis 10-fache höher. Damals betrug
die globale Mitteltemperatur 25 °C. Dass
bestimmte Gase in der Atmosphäre (CO2,
Methan, Wasserdampf ) die Temperatur in
unserer Atmosphäre erhöhen, wurde 1824
von Joseph Fourier entdeckt. Ohne diesen
sogenannten Treibhauseffekt läge die glo­
bale Mitteltemperatur bei -18 °C und nicht
bei den angenehmen 14 °C , die wir heute
erleben.
Gleichzeitig mit der beobachteten Erwär­
mung schmelzen Gletscher in den Alpen
und v. a. in der Arktis. Der Meeresspiegel
hat sich seit 1900 um 20 cm erhöht, seit
1995 um 3,4 mm pro Jahr.
Tier- und Pflanzenwelt reagieren auf diese
Veränderungen: im Alten Land blühen die
Obstbäume 2 – 3 Wochen früher, bei man­
chen Libellenarten gibt es zwei statt einer
Generation, wärmeliebende Fisch- und
Planktonarten wandern in die Nordsee ein,
durchschnittlich breiten sich die Arten Mit­
teleuropas um 6,1 km pro Dekade von Süd­
west nach Nordost aus. Dabei wandern aber
keine Lebensgemeinschaften, sondern es
kommt zu Entkoppelungen von ökologi­
schen Beziehungen: Während mobile Arten
schnell reagieren können (Bienenfresser,
Feuerlibelle, Wespenspinne), wandern orts­
feste Arten mit langer Lebensdauer (z. B.
Bäume) langsam. Wandernde Arten besie­
deln vor allem Flächen in Schutzgebieten,
was deren Wert unterstreicht.
Was wird geschehen?
Klimamodelle sagen je nach der Fähig­
keit der Menschheit, den CO2-Ausstoß zu
reduzieren, eine Erhöhung der globalen
Durchschnittstemperatur um 2 bis 5,5
Grad voraus. Um die Erhöhung auf 2 °C
zu begrenzen, wäre eine Reduzierung des
CO2-Ausstoßes auf 80 – 95 % des Niveaus
von 1990 bis 2050 notwendig. Ab einer Er­
höhung von 2 °C ist die Gefahr besonders
groß, dass globale Kipppunkte wie das
Schmelzen des grönländischen Eisschildes
(Meeresspiegelerhöhung um 7 m, sonst
kann mit 0,5 – 2 m Erhöhung gerechnet
Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün
werden) oder der Permafrostböden, die
Störung der „thermohalinen Zirkulation“ in
den Weltmeeren zu plötzlichen und nicht
vorhersehbaren Entwicklungen führen.
Sicher ist mit einem Anstieg der Tage über
+5 °C und mit weniger Frost- und Eistagen zu
rechnen. Für das Baugewerbe bedeutet das:
es wird also mehr Winter geben, in denen
durchgearbeitet werden kann. Höhere Tem­
peratur und höherer CO2-Gehalt führen aber
auch zu verstärktem Pflanzenwachstum:
CO2 „düngt“, es wird in Zukunft auf Grünland
ein zusätzlicher Schnitt möglich werden.
Letztendlich speichert die Biosphäre damit
CO2 zurzeit in dieser Weise,, weltweit werden
so ca. 1/3 des vom Menschen freigesetz­
ten CO2 der Atmosphäre wieder entzogen.
(In Europa sind es jedoch nur 7 – 12 %.) Der
CO2-Anstieg hat so mit ca. 5 – 10 % zu den
Ertragsteigerungen in der Landwirtschaft in
der Vergangenheit beigetragen.
Bei einer weiteren Erhöhung der Tempera­
tur wird es aber auch zu einer vermehrten
CO2-Freisetzung aus Böden, vor allem bei
entwässerten Mooren, kommen.
Der Anbau von neuen Kulturpflanzen, z.  B.
von Teff, einer Hirseart aus Äthiopien, wird
möglich und aufgrund der trocken-heißen
Sommer auch nötig werden.
Es wird aber auch die Zahl der Hitze- und
Trockentage und Tropennächte zuneh­
men, was die gesundheitliche Belastung
v. a. in Städten im Sommer drastisch erhö­
hen wird. So starben im Hitzesommer 2003
zwischen 55.000 – 75.000 Menschen an den
Folgen der Hitzewelle. Trockenheiße Som­
mer werden vor allem in jetzt schon eher
trockenen Regionen zu einem Anstieg der
künstlichen Bewässerung führen. Sparsa­
me Beregnungssysteme werden zu großen
Veränderungen der Landschaft führen, wie
wir sie z. B. aus dem Westen der USA ken­
nen. Nutzung der Wasservorräte für land­
wirtschaftliche Zwecke wird mit anderen
Nutzern (Freizeit, Kühlung, Feuchtgebiete)
konkurrieren. Bei niedrigen Wasserständen
steigt der Schadstoffgehalt in Flüssen und
Bächen, z. B. aus nicht abbaubaren Medika­
mentenrückständen.
Durch die Klimaerwärmung wird Mittel­
europa die hygienischen Vorteile seiner
relativ niedrigen Temperaturen verlieren.
Wechselwarme Lebewesen, darunter auch
Krankheitserreger von Pflanzen, werden
gefördert. (Krankheitserreger können bei
gleichwarmen Wirten wie dem Menschen
länger außerhalb der Wirte überleben.
„Cook it, peel it or forget it“ wird auch bei
uns angeraten sein.)
Trockenperioden im Sommer stehen in
Mitteleuropa vermehrten Starkregenereig­
nisse (auch im Sommer, v. a. aber im Winter)
und vermehrten Regenmengen im Winter
gegenüber, was zu erhöhter Bodenerosion
und zu vermehrten Überschwemmungen
führt. Vor allem die Küstenbereiche werden
nach Möglichkeiten suchen müssen, bei
höheren Sturmfluten gleichzeitig erhöhte
Mengen von Oberflächenwasser zwischen
zu speichern.
Wie wirkt sich das auf
die Lebensräume aus?
Klimaschwankungen hat es im Laufe der
Erdgeschichte immer wieder gegeben.
Außergewöhnlich ist allerdings die Ge­
Die beobachtete Erwärmung ist nur durch den anthropogen bedingten Anstieg an Treibhausgasen
erklärbar (Foto: wikipedia gemeinfrei)
schwindigkeit der derzeit ablaufenden
Veränderungen. Tiere und Pflanzen sind
gezwungen, ihre Lebensräume zu verla­
gern. Dies müsste mit einer Geschwindig­
keit von 1,3 – 4 km pro Jahr geschehen,
derzeit werden aber nur ca. 600 m/a be­
obachtet. Erschwerend kommt hinzu, dass
die intensive Nutzung unserer Landschaft
Wanderung behindert und Landnutzungs­
änderungen weiterhin der Hauptgrund für
den Artenschwund sind (und auch noch
eine Weile bleiben wird). Mit einer starken
Beschleunigung des Artenrückgangs durch
den Klimawandel ist also zu rechnen, denn
die Bilanz aus verschwindenden Arten und
zuwandernden Arten wird letztendlich
negativ sein. Es wird den Lebensgemein­
schaften nicht gelingen, gemeinsam zu
wandern, Entkoppelung von ökologischen
Beziehungen ist schon heute zu beobach­
ten. Typische Verlierer des Klimawandels
sind spezialisierte Arten wie monophage
Wirbellose und Pflanzen mit spezialisier­
ten Bestäubern, spezialisierte Topkonsu­
menten, an kühles Klima gebundene Arten
und Arten mit enger Lebensraumbindung,
Arten mit geringer Ausbreitungsfähigkeit,
kleinen Arealen und geringer Reprodukti­
onsrate. Gewinner des Klimawandels sind
wahrscheinlich: Generalisten, wärmelie­
bende Arten, Arten der Magerrasen und
–säume, Krautfluren, urbane Formationen,
einjährige und konkurrenzstarke Arten und
vor allem Neobiota (Schon heute sind die
meisten von ihnen bei uns wärmeliebend).
In städtischen Räumen, die jetzt schon oft
2 °C wärmer sind als das Umland, werden
diese Effekte besonders ausgeprägt sein.
Dabei ist durch die Trägheit biologischer
Systeme mit einem vorübergehenden An­
stieg der Biodiversität und einer „Ausster­
beschuld“ zu rechnen: während manche
Arten schon eingewandert sind, sind die
anderen noch nicht abgewandert, bzw.
ausgestorben.
Je abrupter der Klimawandel abläuft und je
weniger die Zuwanderung von südwesteu­
ropäischen Arten gelingt, desto mehr wer­
den sich Neophyten ausbreiten. Dies wird
zu artenarmen Lebensgemeinschaften mit
weitmaschigen Nahrungsnetzen führen,
denn Grund für die Konkurrenzstärke von
Neobiota ist ja gerade, dass sie bei dem
Sprung in den neuen Lebensraum 90 % bis
Natur & Garten April 2015
5
Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün
die im Vergleich zum Umland höheren
Temperaturen in besiedelten Räumen.
Ebenso sorgen sie dafür, dass Feinstäube
nicht gebunden werden und immer wieder
in die atembare Luft gelangen. Naturgärt­
ner sind Experten für
pEntsiegelung
pVersickerungsoffene Bauweisen für Wege
und Plätze
pFassadenbegrünung
pDachbegrünung
pFeuchtbiotope
Xeriscaping ist die Kernkompetenz der
Naturgärtner
50 % ihrer „Parasiten“ = Nutzer verlieren.
Völlig neuartige Lebensgemeinschaften
und eine allgemeine Homogenisierung des
Artenbestandes sind zu erwarten. Mögli­
che Kandidaten sind: Amaranth, Erdman­
del, Paulownie, Kirschlorbeer, Hanfpalme,
Opuntie, Douglasie, Robinie, Götterbaum,
Runzelblättriger Schneeball. Eine besonde­
re Gefahr geht aus von einem absichtlichen
Einbringen potentiell invasiver Arten in die
freie Landschaft als Forstgehölz (Douglasie)
oder Energiepflanze (z. B. Chinaschilf, Hyb­
ridpappel, Paulownie) oder an Siedlungs­
grenzen. Viele Unkräuter, darunter v.a. sog.
C4-Pflanzen wie Erdmandel und Amaranth,
haben eine höhere Herbizidresistenz bei
höheren CO2-Konzentrationen. Der erhöh­
te Biozideinsatz wird die Biodiversität noch
stärker belasten als jetzt schon.
Was tut not?
Im besiedelten Raum, wo wir als Naturgärt­
ner ja vornehmlich tätig sind, geht es um
pEinen kühlen Kopf – also die Abkühlung
des Mikroklimas.
pTrockene Füße – also die Vermeidung von
Schäden durch Starkregenereignisse und
die Förderung der Grundwasserbildung.
p
Die Erleichterung der Wanderung von
Pflanzen und Tieren.
Zu allen drei Punkten können Naturgärten
in positiver Weise beitragen, naturnahe
Bautechniken bieten nachhaltige Lösungen
für die Herausforderung, die Folgen des Kli­
mawandels erträglich(er) zu gestalten.
Kühler Kopf – Abkühlung
des Mikroklimas durch
naturnahe Freiflächen
Versiegelte Flächen sind Hauptgrund für
6 Natur & Garten April 2015
Freiraumplanerisch ist es wichtig, Kaltluft­
schneisen in besiedelten Räumen zu er­
halten und wieder zu entwickeln. Offene
Grünflächen (größte Flächenwirkung bei
mehreren Flächen von ca. 10 ha, höchster lo­
kaler Abkühlungseffekt bei Flächen über 40
ha) sind effektivere Kaltluftproduzenten als
bewaldete Flächen, wobei Langgrasfluren
effektiver sind als Rasenflächen. Naturgärt­
ner sind Experten in der Anlage von artenrei­
chen Wiesen und Säumen. Ebenso sind Was­
serflächen effektive Kaltluftproduzenten.
Die ungebremste Ausweisung von Bauland
muss endlich gestoppt werden, bei den ja
eigentlich klimafreundlichen Nachverdich­
tungen muss darauf geachtet werden, dass
keine Kaltluftschneisen zerstört werden.
Grüne Freiflächen im besiedelten Raum
dürfen aber nicht in Konkurrenz zu ande­
ren Nutzungen der in den Sommermona­
ten knappen Wasservorräte treten. In der
Freiraumplanung ist also „Xeriscaping“
angesagt, die Planung von Grünflächen,
die auch bei Trockenheit nicht gewässert
werden müssen. Hier liegt eine Kernkom­
petenz der Naturgärtner.
Schaffung von Auwäldern, Grünland
statt Ackerland, Siedlungsfläche am Was­
ser als floating homes
pAn der Küste Deicherhöhungen, Einen­
gung von Mündungen, Sturmflutsperr­
werke und Deichrückverlegungen
p
Schaffung von Retentionsflächen für
Hochwasserereignisse (küstennah vor al­
lem bei Sturmfluten)
pVersickerung von „Klarwasser“ ( Ablauf­
wasser der Kläranlagen) statt Ableitung
in Flüsse
pOptimierung des Wasserbedarfs in der
Landwirtschaft durch Förderung der
Humusbildung und Minimierung der
Evaporation (Hecken, Mulchsaat, öko­
logische Bewirtschaftung, Erhalt und
Förderung von artenreichem Grünland
– je artenreicher das Grünland ist, desto
mehr Kohlenstoff wird gespeichert)
Erleichterung der Wanderung
von Pflanzen und Tieren
Je höher der Artenreichtum, die Redun­
danz und die funktionelle Vielfalt eines
Lebensraumes sind, desto höher ist die
Widerstandskraft (Resilienz) seiner ökosys­
temaren Prozesse. Es ist also wichtig, dass
möglichst viele Arten die Gebiete erreichen
können, die ihren Lebensraumansprüchen
entsprechen, bevor diese von einfachen,
durch Neobiota geprägten Lebensge­
meinschaften eingenommen wird. Dazu
muss die Durchlässigkeit der Landschaft
erhöht werden. Neben der Schaffung von
Biotopverbundsystemen (hier sind vor al­
lem lineare Strukturen wie Bahnlinien und
Flüsse wichtig) ist die Vergrößerung von
vorhandenen Schutzgebieten (damit die
Trockene Füße – verantwortlicher
Umgang mit Regenwasser
Das Janusgesicht des Wassermangels im
Sommer bei zeitweisem Wasserüberschuss
(vor allem im Winter und Herbst) erfordert
eine Freiraumplanung, die Schäden verhin­
dert und die dafür sorgt, dass Regenwasser
versickert und wieder dem Grundwasser
zugeführt wird. Dies wird in einem eigenen
Beitrag behandelt.
Im größeren, landschaftlichen Zusammen­
hang werden wichtig werden:
pVerbesserung der ökologischen Funkti­
on von Auen: Rückbau von Bauwerken,
Grünland speichert Kohlenstoff besser als
Ackerland, Hecken schützen vor austrocknenden Winden – Bioland Staatsdomäne Frankenhausen
Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün
Mikroklimavielfalt erhöht wird) und Redu­
zierung des Abstandes von Lebensräumen
wichtig. Schon jetzt ist der besiedelte Raum
Rückzugsort für viele Arten geworden. Na­
turnahe Freiflächen im besiedelten Raum
werden einen wichtigen Beitrag leisten, die
Landschaft für Wanderungsbewegungen
durchlässiger zu machen. Unabdingbar
ist hierzu die Verwendung einheimischer
Wildpflanzen standortheimischer Her­
künfte. Vor diesem Hintergrund braucht
es mehr Information auch der Fachöffent­
lichkeit über die Vorzüge einheimischer, an
trockene, strahlungsintensive Standorte
angepasster Arten. Ein Beispiel: So ist zwar
inzwischen Acer monspessulanum in die
Liste der Stadtbaumarten der Gartenamts­
leiterkonferenz aufgenommen worden,
nicht aber Quercus pubescens, obwohl die­
se Art mit Sicherheit ihre Verbreitung nach
Mitteleuropa ausdehnen wird.
Was bedeutet das für
Naturgärten?
Naturgärtner begrüßen die Dynamik der
von ihnen angelegten Flächen, gärtnern
in besonderem Maße in der vierten Di­
mension, der Zeit. Diese Kompetenz wird
in Zukunft besonders gefragt und heraus­
gefordert werden. Ebenso zeichnen sich
Naturgärten durch einen besonders hohen
Strukturreichtum aus. Schattige und kühle
Kleinklimata erleichtern die Abwanderung
von Arten nach Nordwesten und erleich­
tern das Überleben in wärmerem Klima. So
werden zum Beispiel die Arten der Alpen ei­
nem erstaunlich geringem Aussterbedruck
ausgesetzt sein. Grund ist der Strukturreich­
tum dieser Lebensräume, der genügend
kühle Kleinklimata zur Verfügung stellt.
Schon jetzt haben Naturgärtner eine ge­
wisse Vorliebe für Arten vom südwestlichen
Rand des mitteleuropäischen Raumes wie
Blasenstrauch, Ysop etc. Dass diese Arten
von vielen Insekten genutzt werden, mag
damit zusammenhängen, dass die Wande­
rung der Lebensgemeinschaften in unserem
Erdzeitalter, dem Pleistozän, bei Klimaände­
rungen auf der Achse Südwest-Nordost ver­
laufen ist. Viele dieser Arten sind ja auch in
besonderem Maße für das „Xeriscaping“ ge­
eignet. Die gewohnten Kategorien indigen,
archaeophytisch und neophytisch können
die aufgrund des Klimawandels zuwan­
dernden Arten jedenfalls nicht abbilden.
Hier gilt es, die wissenschaftliche Diskussion
aufmerksam zu verfolgen.
Wichtig bleibt auch der Erhalt der geneti­
schen Vielfalt innerhalb von Arten. Diese
ist auf Grund der Eiszeiten am südlichen
Arealrand, wo durch den Klimawandel der
größte Aussterbedruck herrscht, besonders
groß. Mein Vorschlag zur Verwendung von
standortheimischen Herkünften ist: Je lang­
lebiger die Arten sind, umso mehr sollten
bei Neuansiedlungen Herkünfte des süd­
westlich anschließenden Naturraums mit
eingeschlossen werden. Da genetische Ega­
lisierung von einheimischen Arten schon
jetzt im besiedelten Raum zu beobachten
ist, sind auch dort, wo möglich, standort­
heimische Herkünfte zu verwenden.
Der Königsweg – Feuchtgebiete
Aber was eigentlich Not tut, ist nicht die
Anpassung an den Klimawandel, sondern
seine Verhinderung! Deshalb möchte ich
zum Schluss noch auf den großen Wert von
Feuchtgebieten in diesem Zusammenhang
hinweisen. 60 % des in Mitteleuropas in der
Biosphäre gespeicherten Kohlenstoffs ist in
Mooren festgelegt. Entwässerte Feuchtge­
biete tragen zu 25 % zu den Treibhausgasen
des landwirtschaftlichen Sektors bei. Die
EU ist da nach Indonesien der zweitgrößte
Emittent, noch vor Russland. Moore und
andere Feuchtgebiete wieder zu vernässen,
ist die kostengünstigste Möglichkeit, CO2
aus der Atmosphäre zu entfernen, zu „refos­
silisieren“, wobei die Kohlenstoffaufnahme
von Mooren bei steigender Temperatur so­
gar steigt. Torfabbau, die Verwendung von
Torf im Garten ist in Zeiten des Klimawan­
dels genau das Gegenteil von dem, was Not
tut. Da Feuchtgebiete im besiedelten Raum
aber auch vielfältige Anpassungsfunktio­
nen haben, sollte der besiedelte Raum bei
diesem Aspekt des Klimaschutzes mit be­
rücksichtigt werden. Immer wieder wird je­
doch auf die Krankheiten hingewiesen, die
durch Mücken übertragen werden und die
mit dem Klimawandel auch in Mitteleuro­
pa (wieder) auftreten werden wie Malaria,
Dengue-Fieber, Krim-Kongo-Hämorrhagi­
sches Fieber, Gelbfieber und Leishmaniose.
Allerdings sind alle Mücken-Vektoren auf
temporäre Gewässer angewiesen, auch
diese Mückenarten haben in dauerhaft
Wasser führenden Gewässern keine Ver­
breitungsmöglichkeit.
Italienische Ochsenzunge, Muskatellersalbei,
Ysop, Currykraut – werden submediterrane
und mediterrane Arten bald in Mitteleuropa
heimisch?
Mit Wasserflächen und Feuchtgebieten
kann also nicht nur das Stadtklima positiv
beeinflusst werden, die Auswirkung von
Regenmangel im Sommer und Regenüber­
schuss bei Starkregenereignissen abgemil­
dert, die Biodiversität gefördert werden,
sondern auch ein gewisser Beitrag zum Kli­
maschutz geleistet werden.
Literatur
p
Franz Essl, Wolfgang Rabitsch (Hrsg.):
Biodiversität und Klimawandel, Springer
2013
pKlimzug Nord Verbund (Hrsg.): Kursbuch
Klimaanpassung – Handlungsoptionen
für die Metropolregion Hamburg
p
Horst Korn, Jutta Stadler, Aletta Bonn,
Kathrin Bockmühl und Nicholas Macgre­
gor (Eds.): Proceedings of the European
Conference „Climate Change an Nature
Conservation in Europe – an ecological,
polica an economic perspective“, BfN
Skripten 2014
pReinhard Böcker (Hrsg.): Die Natur der
Stadt im Wandel des Klimas – eine Her­
ausforderung für Ökologie und Planung,
Schriftenreihe des Kompetenznetzwer­
kes Stadtökologie 2011
Ulrike Aufderheide, Diplom-Biologin,
CALLUNA-naturnahe Garten+GrünPlanung,
D - 53177 Bonn, 3 0228 - 326363
[email protected]
 www.calluna-naturgarten.de
Natur & Garten April 2015
7
Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün
Gewinner und Verlierer
der heimischen Fauna im
Siedlungsraum unter b
­ esonderer
Berücksichtigung der Insekten
Klimawandel und Folgen für
die Biologische Vielfalt
Bei allen Prognose-Unsicherheiten von be­
rechneten Klimaszenarien muss von einer
weiterhin deutlichen Temperaturerhöhung
und zunehmender Trockenheit auch in Mit­
teleuropa ausgegangen werden. Fraglich
(und eher unwahrscheinlich) ist die Einhal­
tung des im Rahmen der UNFCCC beschlos­
senen 2 °C-Ziels. Ab einer globalen Erwär­
mung von 2 °C nehmen die Risiken für die
Biologische Vielfalt enorm zu, z. B. das Aus­
sterberisiko für 20 – 50 % der Arten. Die Kli­
mawirkungen auf Arten sind vielfältig und
betreffen die Phänologie, die Veränderung
der Verbreitungsgebiete, das Auftreten und
die Verbreitung von Neobiota u. a.m.
Phänologische Prozesse könnten entkop­
pelt werden, wie z. B. der Blühzeitpunkt von
Pflanzen und das Erscheinen von speziali­
sierten Blütenbesuchern. Lebensgemein­
schaften können neu kombiniert, Lebens­
räume massiv verändert werden (Zahl der
8 Natur & Garten April 2015
Generationen pflanzenfressender Insekten
nimmt bei Klimaerwärmung zu, wie z. B. in
der Wechselbeziehung zwischen Buchdru­
cker und Fichte).
Siedlungsraum und Klimawandel
Städte haben ihr eigenes Klima. Mit bis zu
8 
°C höheren Temperaturen gegenüber
dem Umland, einer größeren Trockenheit
wegen geringerer Verdunstung (fehlende
Pflanzen bei dichter Bebauung) und einem
geringen Luftaustausch der bebauten Flä­
chen mit dem Umland bieten Städte wär­
meangepassten Arten gute Chancen einer
Besiedlung. Manche Arten siedeln sich
zunächst in der „Wärmeinsel“ Stadt an und
verbreiten sich anschließend in das Um­
land, insbesondere Neobiota, aber auch
Arten im Zuge von Arealerweiterungen.
Städte stehen im Kontakt mit dem Umland.
„Grüne Verbindungsachsen“ bestehen z. B.
an Verkehrswegen. Allerdings liegen Grün­
flächen vielfach isoliert im Siedlungsraum.
Eine „Durchlässigkeit“ der Lebensräume
auf einem Gradienten vom Umland in die
Stadt ist von entscheidender Bedeutung
für die Ausbreitungs- und Besiedlungsfä­
higkeit von Arten entlang sich ändernder
Klimagrößen.
Gewinner unter den Insekten
Wegen der ohnehin für Insekten oft güns­
tigen klimatischen Bedingungen in den
Städten finden sich hier etliche „Gewinner“,
die vom Klimawandel profitieren. Hinsicht­
lich der Arealerweiterung nach Norden
zählen hierzu die Blauschwarze Holzbiene,
die Gelbbindige Furchenbiene, die Gottes­
anbeterin oder die Feuerlibelle.
Von den vielen Neubürgern unter den In­
sekten seien die Asiatische Hornisse und
der Asiatische Laubholzbockkäfer erwähnt,
die sich ganz aktuell in Deutschland eta­
blieren. Im Falle des Laubholzbockkäfers
kann es wegen seines unspezifischen Be­
falls einer Vielzahl von Laubbäumen zu dra­
matischen Veränderungen unserer Wälder
kommen.
Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün
Die wärmeliebende Holzbiene Xylocopa violacea nutzt auch in Siedlungen regelmäßig das
Blütenangebot (Foto: Peter Klüber)
Verlierer unter den Insekten
Es sind keine Insektenarten bekannt, die
im Siedlungsraum vorkommen und klima­
bedingt zurückgehen. In der unbebauten
Landschaft sind allerdings Arten, die an
feucht-kalte Lebensräume gebunden sind
bzw. solche, die in höheren, kühleren Lagen
vorkommen, zumindest potenzielle Verlie­
rer des Klimawandels. Diskutiert wird dies
für den Großen Eisvogel, dessen Raupen an
Pappeln fressen, für Hochmoorlibellen und
eine Gefährdung könnte auch für die alpine
Gebirgsschrecke zutreffen.
Ein Blick zu anderen
Tierartengruppen
Neben den Insekten, die in den Siedlun­
gen momentan eher zu den Gewinnern
des Klimawandels zählen, lassen sich auch
bei vielen anderen Tierarten(-gruppen)
Änderungen in deren Phänologie oder in
der Arealentwicklung beobachten. Einige
Beispiele: Siebenschläfer wachen deutlich
früher aus ihrem Winterschlaf auf und üben
einen höheren Räuberdruck auf Singvögel
aus. Der aus Südamerika eingeschleppte
Sumpfbiber (Nutria) überlebt die zuneh­
mend milderen Winter in Deutschland und
nimmt zu. Die ursprünglich mediterrane
Wespenspinne weitet ihr Areal beständig
nach Nordeuropa aus.
Klimawandel und Naturschutz
im Siedlungsraum
Um die Erhaltung der biologischen Vielfalt
unter den Bedingungen des Klimawandels
bestmöglich zu sichern, ist eine Flächen­
planung notwendig, die für möglichst viele
Arten die Durchlässigkeit von Landschaf­
ten verbessert. Für den Siedlungsraum
bedeutet das die Schaffung zahlreicher
und in funktionaler Verbindung stehender
Flächen als Existenzgrundlage vielfältiger
Lebensgemeinschaften. Es bedeutet die
„Durchgrünung der Siedlungen“ (Nationa­
le Strategie zur Biologischen Vielfalt, 2007).
Ein Verbund von ausgedehnten Freiräumen
(z. B. Parks), grünen Korridoren im Sied­
lungsraum und Trittsteinbiotopen bietet
die beste Gewähr, die Passierbarkeit für Ar­
ten zu sichern. Je größer die Naturnähe im
Siedlungsgrün ist, desto höher das Besied­
lungspotenzial. Ein vielfältiges Angebot
gebietsheimischer Pflanzen sichert eine
große Attraktivität für heimische Insekten
und für weitere Konsumenten der höheren
trophischen Ebenen.
Fazit
Die exothermen Insekten zählen bereits
vielfach zu den „Gewinnern“ des Klimawan­
dels – auch in unseren Siedlungsräumen.
Die Klimaerwärmung macht die Durch­
lässigkeit der Landschaften notwendiger
denn je, damit Arten den veränderten
klimatischen Bedingungen „barrierefrei“
folgen können (Arealerweiterung oder
Rückzug in kühlere Regionen). Ein Ver­
bundsystem vielfältiger und naturnaher
Lebensräume ermöglicht eine (Neu-)Be­
siedlung durch Arten entlang sich ändern­
der Klimagradienten. Der Biotopverbund
muss auch die Siedlungsräume umfassen
und über Korridore und Trittsteine von der
offenen Landschaft in die Städte und Dör­
fer hinein und durch diese hindurch führen.
Im Siedlungsraum ist die Gestaltung und
das Management von Grünflächen auf der
Grundlage heimischer Pflanzenarten ein
gutes Konzept für einen „klimafesten“ Na­
turschutz.
pNABU Baden-Württemberg (2013): Mehr
Natur im Siedlungsgrün. Biologische Viel­
falt in Städten und Gemeinden.
pGerd Reder, Matthias Kitt (2014): Erster
Brutnachweis der Asiatischen Hornisse –
Vespa velutina var. nigrithorax (LEP:) –
in der Südpfalz (Hymenoptera: Vespidae).
Internet
pGewinner und Verlierer des Klimawan­
dels: www.nabu.de/themen/klimawan­
del/grundlagen/08146.html
Literatur
p
Bayerische Landesanstalt für Landwirt­
schaft (2014): Wirtspflanzenliste des Asi­
atischen Laubholzbockkäfers.
p
Bundesministerium für Umwelt, Natur­
schutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.)
(2007): Nationale Strategie zur Biologi­
schen Vielfalt.
p
Franz Essl, Wolfgang Rabitsch (Hrsg.)
(2013): Biodiversität und Klimawandel.
Auswirkungen und Handlungsoptionen
für den Naturschutz in Mitteleuropa.
Springer-Verlag Berlin, Heidelberg.
pJulius Kühn-Institut (2014): Leitlinie zur
Bekämpfung des Asiatischen Laubholz­
bockkäfers Anoplophora glabripennis in
Deutschland.
p
Landesanstalt für Umwelt, Messungen
und Naturschutz Baden-Württemberg
(Hrsg.)(2007): Klimawandel und Insekten.
Ursprünglich im Mittelmeerraum verbreitet,
hat die Gottesanbeterin Mantis religiosa
mittlerweile Mitteleuropa besiedelt
(Foto: Thomas Ullrich)
Martin Klatt
(Diplom-Biologe)
NABU Baden-Württemberg
D - 70178 Stuttgart
3 0711 - 966 72 18
martin.klatt@
nabu-bw.de
 www.NABU-BW.de
Natur & Garten April 2015
9
Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün
Klimakatastrophen
Die können das: Die Chance für
heimische Wildpflanzen.
Betrachtungen einiger Unglücksfälle
1. Katastrophe 2010.
Das Dach vertrocknete fast komplett.
Ist damit alles verloren?
Vor dem Zusammenbruch 2010.
Seit 1997 hat sich ein artenreiches differenziertes
­Wildblumendach ausgebildet.
I
m Sommer 2010 verdorrte unser Wild­
blumendach komplett. Doch bedeu­
tete das keinesfalls das Ende. In einem
spannenden Prozess regenerierten sich
die Pflanzen aus dem Wurzelstock der ver­
trockneten Stauden oder aus ihren Samen.
Auffällig zunächst einmal, dass sich das
Artenspektrum verändert. Es ist deutlich
zugunsten von schnelllebigen Arten ver­
schoben: Natternkopf, Färberkamille oder
Nachtkerze als Beispiel. Doch der 2011 do­
minant auftretende einjährige Hasenklee
wird durch die aufstrebende Macht der
mehrjährigen Konkurrenz wieder in sein
Nischendasein gezwängt. Anspruchsvol­
lere Stauden wie Kartäusernelke, Ähriger
Ehrenpreis, Scharfer Mauerpfeffer, Filzige
Flockenblume, Gelbe Skabiose, Wundklee,
Rauer Alant oder Pfirsichglockenblume
kommen sichtbarer zum Zuge. Traumhaft:
Noch nie war Wiesensalbei so stark auf
dem Dach wie 2012! In keinem Jahr waren
10 Natur & Garten April 2015
1. Wiederaufbau 2012.
Es beginnt gerade erneut bunt und artenreich zu werden.
Astlose Graslilien derart prachtvoll! Dane­
ben gewinnen konkurrenzstarke Arten wie
Tüpfeljohanniskraut, Wilder Majoran und
sogar Ackerglockenblume Terrain. Zusam­
mengefasst schließt das 2. Jahr nach der
Katastrophe mit einem deutlich bunteren,
artenreicheren Bild ab. Es ist, als ob die Suk­
zession, die fortschreitende Veränderung
vom Einfachen zum Komplizierten, von
spontanen Ein- und Zweijährigen zur dau­
erhaften Gesellschaft Vieljähriger wieder
langsam an Fahrt gewinnt. Als strebe es
quasi einem Idealzustand zu, als wolle es in
eine frühere Version zurückkehren, die vor
der großen Dürre. Doch schon kommt der
nächste Schlag! In der Julidürre 2013 ver­
trocknet das Dach zum 2. Mal. Erneut be­
ginnt ein Wiederaufbau. Einige Arten sind
bevorteilt, andere im Nachteil. Doch mit
dem nächsten Klimaschlag hatten selbst
Zwiebeln Probleme. Denn nach dem in­
tensiven Sommerregen 2014 legte sich der
absterbende Hasenklee übers Dach. Die
gerade neu gekeimte Artenvielfalt drohte
zu ersticken. Als Notmaßnahme wurde das
Dach vorzeitig im August gemäht. Doch
selbst nach diesem 3. Kollaps regenerierte
sich das Dach erneut.
Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün
2. Wiederaufbau 2013.
Erneut überleben die Wildpflanzen. Aus Samen und
­Wurzeln treibt frisches Grün heraus.
3. Wiederaufbau 2014.
Schon im September hat sich alles von alleine neu begrünt. Entweder
aus den Wurzelstöcken der Stauden oder ihren Samen. 2015 könnte das
Jahr des Natternkopfes werden. Falls nichts dazwischenkommt. Aber
selbst w
­ eitere Katastrophen werden überwunden: Wildpflanzen können das.
Als Zwischenbericht lässt sich folgendes
zusammenfassen:
p
Tendenz eindeutig zu anpassungsfähi­
gen Arten, darunter viele Ein- und Zwei­
jährige. Dazu kommen die Trockenheits­
spezialisten.
pSukzession beginnt nach jeder Katastro­
phe wieder neu, Tendenz zu artenreiche­
ren stabileren Zuständen.
pKlimawandel wird wieder und wieder zu­
schlagen
pEs wird, massiver als je zuvor gekannt,
von Zufall und Regengüssen in der rich­
tigen Woche abhängen, wie und was sich
auf diesem Dach halten kann.
Katastrophen sind natürlich, sie sind Teil
der Evolution. Die Natur hält die Antwort
auf Klimakatastrophen seit Millionen Jah­
ren bereit. Natürliche Lebensräume beherr­
schen alle Rezepte von Reparatur, Wieder­
herstellung, Erneuerung, ja sogar Heilung.
Das jahrmillionenlang und millionenfach
richtige Prinzip für klimatische Eskapaden
ist das Prinzip Nachhaltigkeit. Die gezeig­
ten Katastrophen waren keine, weil
pArten versammelt waren, die natürlich
Trockenheit aushalten
pdies heimische Wildpflanzen sind
psie sich über den Wurzelstock regenerie­
ren können
pihr Samenpotenzial auch Stressperioden
abfedert
Daraus erwachsen elementare Folgerun­
gen. Das Prinzip Vielfalt ist unabdingbare
Voraussetzung für das Prinzip Nachhaltig­
keit. Naturgärtner sollten artenreich planen
und alle Strategietypen und Wuchsformen
verwenden. Genau genommen sind solche
Katastrophen auch Chancen:
pEine Katastrophe heißt natürliche Reini­
gung. Altes, Verbrauchtes, Unpassendes
wird eliminiert, Neues bekommt Platz.
Das gilt auch für Erkenntnisse, Gedanken
und (Vor)Urteile.
p
Ein vertrocknetes Wildblumendach ist
ein unglaublicher Erkenntnisgewinn,
selbst wenn es optisch und psychisch
erst mal eine Durststrecke sein mag.
pKatastrophen wie Dürre oder Starkrege­
nereignisse sind eine Chance für Wild­
pflanzen!
pKeine andere Gartenrichtung arbeitet so
konsequent mit Wildpflanzen.
pKeine andere Gartenrichtung berücksich­
tigt so stark Nachhaltigkeit, Dynamik und
Veränderung.
pKatastrophen sind eine Chance für Natur­
gärten und naturnahes Grün!
pKatastrophen sind eine Chance für Natur­
gärtner!
Hinweis: Der komplette Beitrag mit allen
Bildern und ausführlichen Texten ist in der
4. Auflage von Nachhaltige Pflanzungen
und Ansaaten zu finden, die im April 2015
erscheint.
Literatur
pHaeupler/Muer: Bildatlas der Farn- Und
Blütenpflanzen Deutschlands, Ausgabe
2000 und 2007. Ulmer Verlag, Stuttgart.
pWitt, Reinhard: Nachhaltige Pflanzungen
und Ansaaten. Kräuter, Stauden, Sträu­
cher. Für Jahrzehnte erfolgreich, Natur­
garten Verlag, 4. Auflage 2015. Bezug
Buchshop von www.reinhard-witt.de.
pWitt, Reinhard: Natur für jeden Garten.
10 Schritte zum Natur-Erlebnis-Garten.
Planung, Pflanzen, Tiere, Menschen,
Pflege. Das Einsteigerbuch. Naturgar­
ten Verlag, 2013. Bezug Buchshop von
www.reinhard-witt.de.
Dr. Reinhard Witt
Fachbetrieb für
Natur­nahes Grün –
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Natur & Garten April 2015
11
Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün
Starkregenereignisse
und ihre Bedeutung für die
Planung von Naturgärten
D
ie Geschäftsstelle des Naturgarten
e.V. wurde am 13. August 2014
zum zweiten Mal geflutet. Grund:
ein Starkregenereignis mit 20 bis 25 l/m².
In der Nacht zum 27. Juli 2014 fallen in Kö­
nigswinter und Bonn 60 bis 80 Liter und im
Keller des Kindergartens der Pauluskirche
steht zum wiederholten Male Wasser. Das
erste Ereignis hätte beinahe die Veröffent­
lichung des Programms der Naturgartenta­
ge verhindert, durch das zweite musste ich
lernen, dass die Veränderung des Geländes
allein Überschwemmungen im Gebäude
manchmal nicht verhindern kann – mehr
Mit steigenden Temperaturen wird es mehr
Starkregenereignisse geben (gemeinfrei)
12 Natur & Garten April 2015
dazu weiter unten. Klimawandel war wie­
der einmal ein Thema, was meine professi­
onelle Arbeit intensiv beeinflusste. Alle, die
Außenanlagen planen und bauen, werden
sich in Zukunft vermehrt mit der Verhinde­
rung von Schäden durch Starkregenereig­
nissen beschäftigen müssen.
Häufen sich Starkregenereignisse oder
nur die Schäden durch Wolkenbrüche?
Klimamodelle sagen voraus, dass der Kli­
mawandel zum vermehrten Auftreten von
Starkregenereignissen führen wird. Sind
wir also schon mitten drin im Klimawandel?
Wenn wir die globale Mitteltemperatur,
das Abschmelzen von Gletschern und des
arktischen Eises, den Meeresspiegelanstieg
betrachten, dann können wir diese Fragen
bejahen. Aber ausgerechnet bei den Starkregenereignissen kann ein vermehrtes Auf­
treten kaum nachgewiesen werden, wenn­
gleich die Regenmenge in Deutschland in
den letzten Jahren um ca. 10 % zugenom­
men hat.
Wie passt das mit unser aller Erfahrung
zusammen? Der Grund für unsere Wahr­
nehmung ist wohl, dass das Ausmaß der
Links: In der Kita Niederkassel wird Regen­
wasser oberirdisch abgeleitet und steht den
Kindern zum Spiel zur Verfügung
Oben: Rinnen zur oberirdischen Regenwasser­
führung machen Wasser wieder erlebbar
durch Starkregenereignisse verursachten
Schäden zugenommen hat. So hat zwi­
schen 1997 und 2007 die versiegelte Fläche
in den Städten um 20 % zugenommen, das
bedeutet eben auch, dass durchschnittlich
20 % mehr Regenwasser, das in 1997 noch
im Siedlungsraum versickern konnte, jetzt
an der Oberfläche bleibt. Aber auch in der
freien Landschaft nehmen versiegelte Flä­
chen durch den Anbau unter Folie rasant
zu. Diese zunehmende Versiegelung ist bis
dato wohl der Hauptgrund für die Zunahme
der Schäden, zumindest im Siedlungsraum.
Die Schäden durch Starkregenereignisse
werden zunehmen
Mit dem Klimawandel werden jedoch auch
die Starkregenereignisse selber häufiger
auftreten. So geht eine Studie des Gesamt­
verbandes der deutschen Versicherungs­
wirtschaft davon aus, dass Tage mit mehr
als 25 mm Niederschlag (das ist eine mög­
liche Definition von „Starkregenereignis“,
es gibt weitere, z. B. 30 mm) in den meisten
Regionen bis zur Mitte des Jahrhunderts
um ca. 30 % zunehmen werden. Die glei­
che Studie zeigt, dass die Schadenshöhe
mit der Regenmenge je Starkregenereignis
korrelliert. Schäden treten dann auf, wenn
die Bemessungswerte nach DIN EN 752 – 2
Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün
überschritten werden, also dann, wenn die
Bauwerke zur Abführung des Regenwas­
sers versagen. Hier liegt die Herausforde­
rung für die Freianlagenplanung: Auch bei
Versagen der Ableitung des Regenwassers
Schäden, vor allem am Gebäude, so weit
wie möglich zu verhindern.
Ja, wo läuft das Wasser denn?
Oberflächenwasser bei Starkregen
Schäden sind dann zu befürchten, wenn
das Regenwasser nicht mehr abgeleitet
werden kann, das meiste Regenwasser also
an der Geländeoberfläche bleibt. Denn bei
einem Starkregen sind in den meisten Fäl­
len die Poren des Bodens nach kurzer Zeit
mit Wasser gefüllt, Wasser kann nicht im
Boden versickern. Aufgabe der Freiraum­
planung ist, das auf der Geländeoberflä­
che stehende oder fließende Wasser so zu
führen, dass es nicht in Gebäude eintreten
kann. Dies ist auch unter dem Aspekt wich­
tig, dass ja auch die Kanalisation überlastet
ist und an der Rückstauebene, also an den
Straßeneinläufen austritt. Straßen verwan­
deln sich bei Starkregen in (Ab-)Wasser­
wege. Wenn es im Bereich der Freianlagen
Einläufe gibt, die mit der Kanalisation ver­
bunden sind und unter der Rückstauebene
liegen, dann wird auch dort Abwasser aus­
treten, z. B. wenn Rückstauklappen nicht
vorhanden sind oder versagen (letzteres
war im Büro des Naturgarten e.V. der Fall.)
Neben dem Eintritt von Oberflächen- und
Abwasser in Gebäude sind bei Starkregen
weitere Schäden an Grundstücken mög­
lich: Hangrutsche und Grundbrüche, Hin­
terspülen von Mauern, Überschwemmun­
gen an Fließgewässern, Geländeabbrüche
an Gewässern. Besonders gefährdet sind
nicht nur Grundstücke an Bächen und Flüs­
sen, sondern auch solche an Hanglagen
und in Senken.
Notwasserwege planen
Ziel der Freianlagenplanung muss es also
sein, Notwasserwege vorzusehen, die das
Wasser von den Gebäuden wegführen und
Orte der gefahrlosen Zwischenspeicherung
zu planen, die das Wasser aufnehmen, bis
die Kanalisation wieder aufnahmefähig ist
und/oder Wasser wieder im Boden versi­
ckern kann. Schon im Rahmen der Grund­
lagenermittlung sollte deshalb über den
Rand der zu beplanenden Fläche hinaus
geschaut werden: Wie ist die topographi­
sche Lage? Wo wird Wasser fließen, wenn
es nur an der Oberfläche abfließen kann?
Oft haben Grundstücke „Wassereinzugsge­
biete“, die weit über die Fläche des Grund­
stücks hinausgehen. An Hängen und in
Senken sollten abflusslose Situationen
deshalb, wo möglich, vermieden werden.
Wenn das nicht geht, sollten diese Berei­
che durch Aufkantungen/Wälle geschützt
werden. Wenn Austritte unterhalb des Stra­
ßenniveaus liegen, dann sollte ebenfalls
durch Wälle/ Aufkantungen dafür gesorgt
werden, dass das aus den Straßeneinläufen
austretende Wasser nicht zum Gebäude ge­
langen kann. Garageneinfahrten sind hier
ein besonders kritischer Bereich.
Schutz des Gebäudes vor
eindringendem Regenwasser
Nun haben wir an fast jedem Gebäude Kel­
lerschächte und Kellertreppen, typische ab­
flusslose Situationen und typische Stellen,
Abflusslose Situation mit Kellerfenster ohne Beachtung der Regelwerke
wo bei Starkregen Regen- oder Abwasser
ins Gebäude eindringt. Hier sind funktio­
nierende Abläufe unabdingbar. Wenn die
Abläufe unter der Rückstauebene liegen,
sollten sie nicht an die Kanalisation ange­
schlossen sein, sondern in separate Rigolen
entwässern. Zusätzlich sollte so geplant
werden, dass auch bei Versagen der Ent­
wässerung bei einem Starkregenereignis
die Regenmenge unterhalb der Türschwel­
le zwischengespeichert werden kann.
Bei einem extremen Regenereignis fallen
80 – 100 l/m². Wenn ein Kellerschacht regel­
gerecht ausgebildet ist, also die GOK 15 cm
tiefer liegt als die Unterkante des Fensters,
dann können 150 
l/m² zwischengespei­
chert werden. Bei einer Kellertreppe kommt
natürlich noch die Fläche der Treppenstu­
fen dazu, da kann es dann bei einer Schwel­
le von 15 cm Höhe schon knapp werden.
Hier hilft manchmal nur ein Regendach
über dem Kellereingang, vor allem, wenn
die Kellertür keine erhöhte Schwelle hat.
Besonderer Planungsaufwand
für barrierearme Austritte
Wir sehen also: In abflusslosen Situationen
sollte auf barrierefreie oder -arme Austrit­
te verzichtet werden. Der Anschluss der
vorgeschriebenen Entwässerungsrinnen
vor dem barrierearmen Austritt an die Ka­
nalisation sollte vermieden werden, selbst
wenn der Einlauf über der Rückstauebene
liegt. Denn bei einem Starkregenereignis
füllen sich Grundleitungen und Regenfall­
rohre, eine Ableitung des Wassers ist nicht
mehr möglich. Rigolen können dann in der
Regel noch Wasser aufnehmen. Oft versu­
chen Bauherren, die Entwässerungseinrich­
Hier sind Probleme zu erwarten: Fallrohr neben barrierefreiem Austritt
Natur & Garten April 2015
13
Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün
Entwässerungseinrichtungen an Rigolen
anzuschließen schützt vor Rückstau aus der
Kanalisation
tungen vor barrierearmen Austritten einzu­
sparen. Eine mögliche Argumentationshilfe
ist die Berechnung des anfallenden Fassa­
denablaufwassers. Bei höheren Gebäuden
kommen da beeindruckende Mengen zu­
sammen. Bei der hydraulischen Berech­
nung geht die Fassadenfläche mit dem
Faktor 0,5 ein, auf dem laufenden Meter
einer 10 m hohen Fassade fallen bei einem
Jahrhundertregen (880 l/sec/ha)1, das sind
0,088 l/sec/ha in der Minute 26,4 l (in einer
halben Stunde 792 l) an, die abgeführt wer­
den müssen. Die hydraulische Leistungsfä­
higkeit der Entwässerungsrinne muss der
anfallenden Wassermenge entsprechen.
Ausgesprochen ungünstig wirken sich Re­
genfallrohre neben barrierefreien Austritten
oder neben Austritten in abflusslosen Situa­
tionen aus. Die DIN 1986-100 schreibt näm­
lich vor, dass jede Dachentwässerung über
einen Notüberlauf verfügen muss. Die Ent­
wässerungssysteme nehmen nur die Regen­
mengen eines Regenereignisses mit zwei­
jähriger Wiederkehr auf (das sind z. B. 230
l/s/ha in Kiel oder 416 l/s/ha in Bad Tölz) auf.
Darüber hinausgehende Regenmengen,
z. B. bei einem hundertjährigen Ereignis, bei
dem je nach Region bis zu 900 l/s/ha fallen,
dürfen nicht in die Kanalisation eingeleitet
werden. Bei Regenrinnen ist der Notüber­
lauf die vordere Kante. Und da die Rinnen
ein Gefälle zum Fallrohr haben, laufen sie di­
rekt über den Fallrohren über. Zum „Wasser­
einzugsgebiet“ einer abflusslosen Situation
mit Regenfallrohr kann also auch noch die
Dachfläche gehören! Da helfen dann frei­
raumplanerische Maßnahmen nicht mehr
weiter, hier muss das Regenfallrohr umge­
setzt werden. (Bei dem oben erwähnten
Kindergarten war genau das der Fall.)
14 Natur & Garten April 2015
Naturnahe Versickerung
Viele empfinden die Sichtbarkeit von Was­
ser in Versickerungseinrichtungen als be­
drohlich. Wie wir gesehen haben, schützt
die Versickerung von Regenwasser auf dem
Grundstück jedoch vor Schäden durch Star­
kregenereignisse. Gleichzeitig haben Versi­
ckerungseinrichtungen weitere Vorteile:
pDie Überlastung der Kanalisation und der
Vorfluter wird vermieden.
p
Regenwasser wird dem (in Zeiten des
Klimawandels im Sommer besonders
schützenswerten) Grundwasserkörper
zu­geführt.
Im Naturgarten lassen wir das Regenwasser
ungern unterirdisch „verschwinden“. Die
oberirdische Führung von Regenwasser hat
vielfältige Vorteile, vor allem, wenn die nur
temporär gefüllte Versickerungsmulde mit
einem Dauergewässer (Verdunstungsteich)
kombiniert wird:
pFeuchtbiotope fördern die Biodiversität
im besiedelten Raum und schaffen Rück­
zugsbiotope für Arten, die kühlere Stand­
orte bevorzugen.
pSie wirken abkühlend auf das Kleinklima.
p
Das Entstehen von Mückenmassenver­
mehrungen wird verhindert, da genü­
gend Mückenjäger (z. B. Libellenlarven)
vorhanden sind.
pIn Feuchtbiotopen wird CO2 gespeichert.
Die oberirdische Ableitung des Regenwas­
sers bietet spannende Möglichkeiten der
Freiflächengestaltung. Die entstehenden
flachen Senken und Mulden nehmen nicht
nur das Dachflächenwasser auf, sondern
dienen gleichzeitig als Notwasserwege,
wobei der Anschluss an die topographi­
sche Situation der Umgebung bedacht
werden muss.
Naturnahe Wegebefestigungen sind ver­
sickerungsoffen und belebt. Naturnahe
Umgestaltungen, z. B. von Schulhöfen oder
Kindergärten, beginnen in der Regel mit
großflächigen Entsiegelungsmaßnahmen.
In Zukunft wird unsere Arbeit noch wichti­
ger werden.
Literatur:
p
Landesamt für Natur, Umwelt und
­Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen
(Hrsg): Extremwertstatistische Untersu­
chung von Starkniederschlägen in NRW,
Recklinghausen 2010
pClimate Service Center: Machbarkeitsstu­
die „Starkregenrisiko 2050“-Abschluss­
bericht, Kooperationsprojekt des Ge­samt­verbandes der Deutschen Versiche­
rungswirtschaft e.V. (GDV) und des
­Climate Service Centers
pReinhard Witt, Fritz Hilgenstock:
Das Naturgartenbaubuch, Callwey
p
Paula Polak: Regenwasser im Garten
nachhaltig nutzen, pala-Verlag
p
Ulrike Aufderheide: Schöne Wege im
­Naturgarten, pala Verlag (erscheint Früh­
jahr 2015)
p
DIN EN 12056-3: Schwerkraftentwässe­
rungsanlagen innerhalb von Gebäuden
Teil 3 – Dachentwässerung, Planung und
Bemessung
pDIN 1986-100: Entwässerungsanlagen für
Gebäude und Grundstücke, Teil 100 – Zu­
sätzliche Bestimmungen zu DIN EN 752
und DIN EN 12056
pFachinformation ZVSHK: Bemessung von
vorgehängten und innenliegenden Rin­
nen
p
DIN EN 752: Entwässerung außerhalb
von Gebäuden
1 | Regenereignisse werden in den Einheiten
[l/s/ha] angegeben
Prävention
Zum Schluss sei noch einmal erwähnt, dass
naturnahe Bauweisen auch in anderer Hin­
sicht Schäden durch Starkregenereignisse
verhindern:
Dachbegrünungen mindern Abflussspit­
zen. Das wurde auch im Mittelmeerraum
nachgewiesen, der ja jetzt schon Starkrege­
nereignisse in Trockenperioden kennt und
damit ein ähnliches Klima hat, wie wir es
in Mitteleuropa in den kommenden Jahr­
zehnten erwarten können.
Ulrike Aufderheide, Diplom-Biologin,
CALLUNA-naturnahe Garten+GrünPlanung,
D - 53177 Bonn, 3 0228 - 326363
[email protected]
 www.calluna-naturgarten.de
Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün
Auswirkungen des Klimawandels
auf das Öffentliche Grün
Wie wird es zukünftig aussehen müssen?
Veitshöchheimer
Blütenzauber
Das Klima
Der Klimawandel steht nicht mehr vor der
Tür, er steht schon in der Tür, wie Kölling
(2007) richtig bemerkt. Der „Klimabericht
Bayern“ stellt fest, dass es in Bayern bereits
zu einer merklichen Änderung von wichti­
gen klimatischen Kenngrößen gekommen
ist, die durch die natürliche Variabilität al­
lein nicht mehr erklärbar sind. Bei der mitt­
leren Lufttemperatur ist im Zeitraum von
1931 – 2010 ein Anstieg um 1,1 °C feststell­
bar. Wenn man nur die vergangenen zehn
Jahre betrachtet, fällt der Temperaturan­
stieg noch höher aus. Die Niederschläge im
hydrologischen Winterhalbjahr (November
bis April) nahmen im gleichen Zeitraum um
22 % zu, während sie im hydrologischen
Sommerhalbjahr (Mai bis Oktober) um
1 % abnahmen und in der Zukunft noch
weiter abnehmen werden. Bis zur Jahr­
hundertmitte wird mit einer Abnahme von
10 % gerechnet. Damit verbunden ist eine
zunehmende Zahl von Trockentagen mit
weniger als 1 mm Niederschlag sowie die
Zunahme von Trockenperioden, die länger
als sieben Tage dauern. In Zusammenhang
mit diesen Werten ist auch ein Anstieg der
Sommertage und heißen Tage zu beobach­
ten. Im Gegenzug wird die Zahl der Frostund Eistage deutlich abnehmen. Mit diesen
Änderungen einher geht die Verlängerung
der Vegetationsperiode. Diese Trends sind
in Süddeutschland genauso zu beobach­
ten wie in Norddeutschland, auch wenn die
Werte im Detail unterschiedlich sind.
Bei der standortgerechten Auswahl von
Pflanzen reicht es nicht aus, nur die Licht­
verhältnisse und die Bodenart sowie die
Bodeneigenschaften, chemisch als auch
physikalisch, zu betrachten. Die örtlichen
Klimaverhältnisse spielen eine entschei­
dende Rolle dabei, ob eine Pflanzung sich
auf Dauer erfolgreich entwickeln wird. Zwar
kann man z. B. mangelnde Niederschläge
durch Zusatzbewässerung ausgleichen
oder frostempfindliche Arten zusätzlich
schützen, aber solche Maßnahmen laufen
im Prinzip dem Gedanken einer standort­
gerechten und möglichst wenige Eingriffe
erforderlichen Pflanzung zuwider.
Ein weiteres Problem des Klimawandels
sind Krankheiten und Schädlinge. Durch
den zunehmenden Stress werden die
Pflanzen geschwächt und stärker von
Schwächeparasiten befallen. Insbesondere
wärmeliebende Schädlinge, z. B. Eichen­
prozessionsspinner, vermehren sich stärker
als früher. Andere Arten, wie z. B. die Pla­
tanenminiermotte, breiten sich seit Ende
des 20. Jahrhunderts, ausgehend von Süd­
europa, rasch über ganz Mitteleuropa aus.
(Schmidt, 2011)
Natur & Garten April 2015
15
Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün
Silbersommer Würzburg
Öffentliches Grün
Der beginnende Klimawandel hat nicht
nur Auswirkungen auf die Pflanzenverwen­
dung, sondern auch auf die Anordnung,
Zahl, Größe und Gestaltung der öffentli­
chen Grünanlagen. Die klimatologischen
Funktionen, Schatten spenden und Ab­
kühlung, rücken stärker als in der Ver­
gangenheit in den Vordergrund. Das hat
Konsequenzen sowohl für die Anordnung
und Größe der Grünflächen als auch de­
ren Gestaltung. In Zukunft wird es wichtig
sein, statt einzelner großer Grünflächen ein
Netz von kleineren Grünanlagen zu schaf­
fen und diese zu Grüngürteln zu vernetzen.
Ein messbares Eigenklima entsteht in Grün­
anlagen allerdings erst ab einer Größe von
1 ha. Der Wirkungsbereich in die Umge­
bung entspricht ungefähr 2 x der Freiraum­
Acer monspessulanum
16 Natur & Garten April 2015
grundfläche, maximal jedoch 200 – 400 m.
Zwar haben größere Grünflächen bedingt
durch das größere Grünvolumen einen
höheren Abkühlungseffekt und einen wei­
teren Wirkungsbereich, dieser vergrößert
sich allerdings nicht proportional, sondern
bleibt in den o.a. Grenzen. Deshalb kann
ein Netz von kleineren Grünflächen wir­
kungsvoller sein als einige wenige große.
Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass sich
durch ein derartiges Netz für die Bewoh­
ner die Wege zu den Grünflächen verkür­
zen. An heißen Sommertagen ist das ein
unschätzbarer Vorteil. Die Abkühlung in
der Umgebung verringert sich, je dichter,
höher und gleichförmiger die Bebauung
ist. Eine lockere Bebauungsstruktur mit ho­
hem Grünanteil hingegen begünstigt die
Abkühlung (Schneider, 2012)
Nicht nur die Größe und Verteilung der
Grünanlagen und Freiräume, sondern auch
deren Gestaltung wird sich verändern müs­
sen. Bisher waren die Grünanlagen von ei­
nem Gehölzgürtel umschlossen, damit der
Kernbereich geschützt war. Im Interesse
einer möglichst hohen stadtklimatischen
Wirkung wird man dieses Gestaltungsmus­
ter ändern müssen. Die Ränder sollten of­
fen gestaltet sein, um den Luftaustausch
mit der angrenzenden Bebauung zu ver­
bessern. Bei der eigentlichen Bepflanzung
ist ein ausgewogenes Verhältnis von Ge­
hölzflächen zu Rasenflächen anzustreben.
Fraxinus pennsylvanica
Bäume und Baumgruppen spenden zwar
tagsüber den ersehnten Schatten und ent­
falten die stärkste Abkühlungswirkung am
Nachmittag, behindern allerdings nachts
den Luftaustausch. Rasenflächen hingegen
bieten tagsüber keinen Schatten, dafür ha­
ben sie nachts einen starken Abkühlungs­
effekt sowie einen ungehinderten Luft­
austausch. Somit muss beides vorhanden
sein – sowohl Baumhaine als auch offene
Rasenflächen. Ergänzend bietet sich der
Einsatz von Vegetationssubstraten mit er­
höhter Wasserspeicherkapazität an, wie es
in Form von Baum- und Dachsubstraten
bereits geschieht. Automatische Bewässe­
rungsanlagen verteilen das Wasser effektiv
und halten die Vegetation über länger an­
dauernde Trockenperioden hinweg funkti­
onsfähig. Verdorrte Rasenflächen und weit­
gehend entlaubte Gehölze können keine
abkühlende Wirkung mehr entfalten.
Klimatisch günstig wirken sich auch Was­
serflächen und/oder Brunnen aus. Sehr gut
wirken ebenfalls innerstädtische, naturnah
gestaltete Wasserläufe. Ein gutes Beispiel
dafür ist die renaturierte Isar in München.
Neben den städtischen Grünanlagen steigt
die Bedeutung von Fassaden-, Dach- sowie
Hofbegrünungen, insbesondere in dicht
bebauten Stadtteilen. Gut entwickelte und
gesunde Straßenbäume sind wichtiger
denn je.
Ostrya carpinifolia
Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün
Versuchsbaumarten
Klimahülle der Europäischen Lärche (Larix decidua)
Quelle: Kölling
Frosttoleranz
„Stadtgrün 2021“
Winterhärte
KLAM
„-“
1
Acer buergerianum
Acer monspessulanum
„++“
2
Alnus x spaethii
„ +„
1
„+“
1
Carpinus betulus Frans Fontaine
Klimahülle der Sommer-Linde (Tilia platiphyllus)
Quelle: Kölling
Celtis australis
„- -“
3
Fraxinus ornus
„++“
4
Fraxinus pennsylvanica Summit
„++“
1
Ginkgo biloba (männl. Selektion)
„+“
2
Gleditsia triacanthos Skyline
„++“
2
Liquidambar styraciflua *
„++“
3
Magnolia kobus
„++“
2
Ostrya carpinifolia
„+“
1
Parrotia persica
„+“
k. A.
„++“
2
?
2
Quercus cerris
Quercus frainetto Trump
Quercus x hispanica Wageningen
?
k. A.
Sophora japonica Regent
„-“
2
Tilia tomentosa Brabant
„-“
2
Ulmus Lobel
Zelkova serrata Green Vase
„++“
1
„-“
2
* Schneebruchgefährdet
Frosthärte der Versuchsbaumarten „Stadtgrün 2021“ im Vergleich mit den
Angaben der KlimaArtenMatrix.
Literatur
p
Bayerisches Landesamt für Umwelt
(Hrsg.) (2012): Der Klimawandel in Bay­
ern. Auswertung regionaler Klimaprojek­
tionen, Klimabericht Bayern.
p
Kölling, C. (2007): Klimahüllen für 27
Waldbaumarten. Allgemeine Forstzeit­
schrift / Der Wald, 23, S. 1242-1245
p
Kölling, C., Konnert, M., Schmidt, O.
(2008): Wald- und Forstwirtschaft im Kli­
mawandel. 20 häufig gestellte Fragen.
Allgemeine Forstzeitschrift / Der Wald, 15,
S. 804 – 807
p
Roloff, A.; Bärtels, A. (2008): Flora der
Gehölze. 3. korrigierte Auflage, Verlag
­
­Eugen Ulmer (Stuttgart)
pSchmidt, O. (2011): Neozoen an Gehölzen
– Ausweitung der Verbreitungsgebiete
wärmeliebender Insektenarten. Veits­
höchheimer Berichte aus der Landespfle­
ge, 152, S. 71–77
Art
Land
Niederschlag Mai –
September (mm)
Jahresdurchschnittstemperatur (°C)
Tilia tomentosa
Bulgarien
305
10,2
Pinus peuce
Bulgarien
233
8,1
Fagus orientalis
Türkei
230
10,6
Cedrus libani
Türkei
104
9,7
Abies bornmuelleriana
Türkei
213
8,4
Tsuga heterophylla
USA
k.A
k.A.
Herkunftsangaben und Klimaparameter der Versuchsbaumarten „Klip 18“
p
Schneider, U. (2012): Klimawandelge­
rechter Ausbau von städtischen Grünflä­
chen. München, Vortrag
pÖsterreichischer Verband für Bauwerks­
begrünung (Hrsg.) (2014): Grüne Bauwei­
sen für Städte der Zukunft. Leitfaden, 31
S. Download unter: http://www.gruen­
stadtklima.at/download/leitfaden_GSK.
pdf
Dr. Philipp Schönfeld
c/o Bayerische Landes­
anstalt für Weinbau
und Gartenbau,
Abt. Landespflege
D - 97209 Veitshöchheim
3 0931 - 9801-409
philipp.schoenfeld@
lwg.bayern.de
 www.lwg.bayern.de
Natur & Garten April 2015
17
Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün
Über 170 Teilnehmerinnen und Teilnehmer
besuchten die Naturgartentage 2015
Heimisch oder nicht?
Wie sollen die Artenlisten von naturnahen
­Pflanzungen für die Zukunft aussehen?
Impulsreferat 1
Ohne fremdländische Arten wird
es in Zukunft nicht mehr gehen.
Viele heimische Pflanzenarten leiden unter
den Folgen des Klimawandels. Die Zunah­
me der Sommertage und heißen Tage, die
verringerten Sommerniederschläge und
die längeren Trockenperioden (Tage mit
weniger als 1 mm Niederschlag) setzen
ihnen zu. Das betrifft vor allem Gehölze
im Siedlungsraum, die herausgelöst aus
ihrem Ökosystem, im „Lebensraum Stadt“
gepflanzt werden. Die auf diese Weise ge­
schwächten Arten werden dann anfällig für
Schwächeparasiten und neue Schädlinge,
deren Entwicklung bei uns durch den Kli­
mawandel begünstigt wird. Es stellt sich
die Frage, welche Arten in Zukunft noch
verwendbar sind. Eine Hilfestellung dazu
geben die beiden folgenden Modelle
KlimaArtenMatrix
Roloff, Gillner und Bonn (2008) weisen in
ihrer Untersuchung „Klimawandel und Ge­
hölze“ darauf hin, dass neben der Tempe­
raturerhöhung es immer noch Fröste und/
oder lange Winter sowie Spätfröste geben
wird. Das Klima wird nicht einfach wärmer,
sondern „erweitert“ sich um einige Klimaer­
scheinungen. Auf Grund der Ergebnisse ih­
rer Recherchen und unter Einbeziehung der
„Lebensbereich der Gehölze“ nach Kiermei­
er (1995) haben sie v.a. unter den Aspekten
Trockentoleranz und Winterhärte eine Kli­
18 Natur & Garten April 2015
maArtenMatrix für Bäume, Sträucher und
Kletterpflanzen aufgestellt. Aus den Listen
lässt sich entnehmen, welche Arten in Zu­
kunft von den Klimaänderungen profitie­
ren werden, welche Arten diesbezüglich
indifferent sind und welche Arten voraus­
sichtlich im Nachteil sein werden.
Beim Versuch „Stadtgrün 2021“ der Bay­
erischen Landesanstalt für Weinbau und
Gartenbau (Veitshöchheim) werden 20
zukunftsträchtige Straßenbaumarten seit
2009/2010 getestet. Der Vergleich dieser
Versuchsergebnisse mit den Einstufungen
von Roloff, Gillner und Bonn in Bezug auf
Frosthärte zeigt keine völlige Übereinstim­
mung. Acer monspessulanum und Fraxinus
ornus z. B. sind bisher im Versuch frosthärter
als nach der Einstufung von Roloff. Bei den
Arten Sophora japonica und Tilia tomentosa ist es genau umgekehrt. Das zeigt, dass
neben umfangreicher und sorgfältiger Lite­
raturarbeit Versuche zur Überprüfung nach
wie vor wichtig sind.
Für die Stauden liegt eine vergleichbare Stu­
die nicht vor und ist wahrscheinlich auch
nicht erforderlich. Sie sind deutlich kurzlebi­
ger als Gehölze und damit von den Klimaän­
derungen, die bis in z. B. 50 Jahren eintreten
werden, kaum berührt. In den wichtigen
Lebensbereichen Gehölz, Gehölzrand, Frei­
fläche und Beet wird man bei der Zunahme
von Trockenperioden in der Vegetationspe­
riode wohl stärker auf Arten zurückgreifen
müssen, die trockeneren Boden verlangen
oder ertragen, also z. B. Arten aus dem Le­
bensbereich G1, GR1 oder FR1. Langfristig
werden Arten wie Aconitum, Angelica, Lysimachia und Phlox paniculata zu den Arten
gehören, die unter dem Klimawandel leiden
und nur noch eingeschränkt verwendet
werden können. Umgekehrt verbessern sich
die Bedingungen für wärmeliebende Arten
wie z. B. Achillea millefolium, Anthericum-Ar­
ten, Dianthus carthusianorum, Linum flavum,
Pulsatilla vulgaris und Verbascum-Arten. Das
gilt neben Einzelarten sinngemäß auch für
die Staudenmischpflanzungen. Hier wer­
den die Mischungen für trockene Standorte
langfristig im Vorteil sein. Die Staudenarten
von eher trockenen Standorten reagieren
meist empfindlich auf Winternässe. Bei der
sich abzeichnenden Zunahme der Nieder­
schläge im hydrologischen Winterhalbjahr
kann es schnell zu Nässeschäden und Pflan­
zenausfällen kommen. Für die Bodenvor­
bereitung ist es dementsprechend erfor­
derlich, neben einer guten Wasserkapazität
des Bodens verstärkt auch auf eine entspre­
chende Wasserdurchlässigkeit zu achten.
Das schließt die Wasserdurchlässigkeit des
Untergrundes mit ein. Das gilt im Übrigen
auch für Gehölze.
Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün
Verschiedene Staudenarten blühen inzwi­
schen deutlich früher als bisher. Das kann
bei vielen Astern-Arten, Rudbeckia ‚Gold­
sturm‘, Phlox und Helenium beobachtet
werden und trifft wahrscheinlich auch auf
viele heimische Arten zu. Die Verlänge­
rung der Vegetationsperiode führt z. B. bei
manchen Astern-Arten dazu, dass sie sich
stärker als bisher versamen. Ähnliches gilt
für viele Gräser. Besonders deutlich wird
das bei Miscanthus. Das erfordert Anpas­
sungen in der Pflege, z. B. Rückschnitt zum
Verzögern der Blüte oder rechtzeitiger
Rückschnitt zur Verhinderung einer uner­
wünschten Versamung.
Klimahüllen
Für die Forstwissenschaft ist es sehr wich­
tig zu wissen, welche Baumarten sich unter
den prognostizierten Klimaverhältnissen
gut entwickeln werden. Hierfür hat Kölling
(2007) die sogenannten Klimahüllen vorge­
stellt. Klimahüllen sind zweidimensionale
Häufigkeitsverteilungen der Jahresnieder­
schlagssumme sowie der Jahresmitteltem­
peratur. Sie können für beliebige geogra­
fische Einheiten aber auch für die Areale
von Baumarten dargestellt werden. Die Kli­
mahüllen geben eine erste Möglichkeit,
das Klima innerhalb des natürlichen Ver­
breitungsgebiets der Baumarten mit dem
gegenwärtigen und zukünftigen Klima in
Deutschland zu vergleichen. Die Darstellung
des gegenwärtigen Klimas basiert auf den
Daten von 1950 – 2000. Die Darstellung des
zukünftigen Klimas umfasst die Periode von
2071 – 2100 und beruht auf einem Szenario
mit einer Temperaturerhöhung um 1,8 °C.
Die Klimahüllen der einzelnen Baumarten
zeigen einen unterschiedlichen Grad der
Übereinstimmung mit den Klimahüllen des
gegenwärtigen und zukünftigen Klimas.
Nach diesem Modell werden in Zukunft
südliche Arten wie Flaum-Eiche (Quercus
pubescens) oder Edel-Kastanie (Castanea
sativa) zu den Gewinnern zählen. Die in Mit­
teleuropa nach wie vor vorhandenen Win­
terfröste setzen dem Anbau solcher Arten
allerdings Grenzen. Aber auch Feldahorn
(Acer campestre), Trauben-Eiche (Quercus
petraea), Rotbuche (Fagus sylvatica), Som­
mer-Linde (Tilia platiphyllos) oder SchwarzKiefer (Pinus nigra) können weiterhin guten
Gewissens angebaut werden. Schwierig
wird es für Baumarten mit nördlicher Ver­
breitung, z. B. Fichte, Tanne, Lärche, die an
das zukünftige Klima schlecht angepasst
sind. Ihr Anbau findet heute schon am Ran­
de ihrer klimatischen Möglichkeiten statt.
Klimahüllen liegen bisher für 27 forstlich
wichtige Baumarten vor. Es wäre hilfreich,
wenn in Zukunft für noch mehr Baumarten
diese Klimahüllen vorliegen würden.
Darüber hinaus testet die Bayerische Lan­
desanstalt für Wald- und Forstwirtschaft
im Rahmen des groß angelegten Versuchs
„Versuchsanbauten mit wärme- und tro­
ckenheitstolerante Baumarten vor dem
Hintergrund des Klimawandels“ (Klip 18)
klimarelevante Gastbaumarten. Die Aus­
wahl der sechs Baumarten erfolgte auf
Grund der Ergebnisse einer weltweiten Su­
che nach Klimaregionen, in welchen die für
Bayern sowohl aktuellen als auch gemäß
dem Szenario B1 prognostizierten Klima­
bedingungen herrschen.
Fazit
Die eben genannten Untersuchungen und
Modelle sind erste Versuche, die Auswir­
kungen des Klimawandels auf die Pflanzenund insbesondere Gehölzverwendung ab­
zuschätzen und den Planern Hinweise zu
geben für die Pflanzenauswahl. Die nächs­
ten Jahre und Jahrzehnte werden zeigen,
in welchem Maße diese Prognosen und
Empfehlungen der tatsächlich eintreten­
den Entwicklung entsprechen. Weitere Be­
obachtungen und Anpassungen sind erfor­
derlich. Kölling (2007) schlägt vor, weitere
Klimakennwerte, die jahreszeitliche Ver­
teilung von Niederschlag und Temperatur
sowie Bodeneigenschaften mit einzubezie­
hen. Für die Praktiker wäre es eine große Er­
leichterung, wenn es nicht mehrere Model­
le gäbe, sondern nur eins. Aber das ist wohl
noch Zukunftsmusik … Dennoch wird es in
Zukunft unumgänglich sein, bei der Pflan­
zenauswahl neben den klassischen Aus­
wahlkriterien die Klimafaktoren verstärkt
zu berücksichtigen.
Literatur
p
Bayerisches Landesamt für Umwelt
(Hrsg.) (2012): Der Klimawandel in Bay­
ern. Auswertung regionaler Klimaprojek­
tionen, Klimabericht Bayern.
pHeinze, W. und Schreiber, D. (1984): Eine
neue Kartierung der Winterhärtezonen
für Gehölze in Mitteleuropa. Mitteilun­
gen der Deutschen Dendrologischen Ge­
sellschaft, 75
pKiermeier, P. (1995): Die Lebensbereiche
der Gehölze. 3. Auflage. Verlagsgesell­
schaft Grün ist Leben (Pinneberg)
p
Kölling, C. (2007): Klimahüllen für 27
Wald­
baumarten. Allgemeine Forstzeit­
schrift / Der Wald, 23, S. 1242-1245;
Download der Klimahüllen unter folgen­
dem Link: http://www.lwf.bayern.de/
waldoekologie/standort-bodenschutz/
aktuell/2010/38038/index.php
p
Kölling, C., Konnert, M., Schmidt, O.
(2008): Wald- und Forstwirtschaft im Kli­
mawandel. 20 häufig gestellte Fragen.
Allgemeine Forstzeitschrift / Der Wald, 15,
S. 804 – 807
pRoloff, A.; Gillner, S. und Bonn, S. (2008):
Klimawandel und Gehölze. Sonderausga­
be Grün ist Leben, Hrsg.: Bund deutscher
Baumschulen, 42 S.
p
Sippel-Boland, M. (2012): Wenn Stau­
den schwitzen. TASPO Magazin, Juni,
S. 26 – 27
pSchmidt, O. (2011): Neozoen an Gehölzen
– Ausweitung der Verbreitungsgebiete
wärmeliebender Insektenarten. Veits­
höchheimer Berichte aus der Landespfle­
ge, 152, S. 71 – 77
pInternetseiten mit Informationen zu den
Winterhärtezonen:
http://www.stauden.de/winterhaerteund-frostvertraeglichkeit.html
Winterhärte von Stauden: http://www.
stauden.de/cms/kompetenzzeichen/
Frostvertraeglichkeit_alphabetisch.pdf
Dr. Philipp Schönfeld
c/o Bayerische Landes­
anstalt für Weinbau
und Gartenbau,
Abt. Landespflege
D - 97209 Veitshöchheim
3 0931 - 9801-409
philipp.schoenfeld@
lwg.bayern.de
 www.lwg.bayern.de
Natur & Garten April 2015
19
Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün
Altbürger Zwergglockenblume.
Seit Urzeiten heimisch und bei Wildbienen und Co. beliebt.
Impulsreferat 2
Klimawandel verlangt …
pGroße genetische Breite im pflanzlichen
Erbgut, um auf wechselnde und unbe­
kannte Herausforderungen reagieren zu
können: Die Verwendung von genetisch
uniformen Sorten, wie bei Zierstauden
üblich, ist kontraproduktiv.
p
Hohe Regenerationskraft ist nötig, um
Verluste ausgleichen zu können: Pflan­
zen, die unfruchtbar sind und sich nicht
über natürliche Aussaat vermehren kön­
nen, haben wenig Zukunft.
pPflanzenplanung mit der Vielfalt der Stra­
tegietypen: R-, S-, C- Strategen: Gerade
R-Strategen können durch Wiederausaat
Ausfälle und Lücken in Pflanzungen und
Ansaaten schließen.
pArtenreiche Planung: Weil nicht vorher­
sehbar ist, was geschehen wird, ist eine
artenreiche Lebensgemeinschaft stabiler
als eine artenarme. Ausfälle können eher
kompensiert werden.
pVielfalt der Erscheinungsformen: Stand­
orte mit Ein- und Zweijährigen, Stauden,
Gräsern, Farnen, Zwiebeln, Klein- und
Großgehölze reagieren flexibler auf Ext­
reme.
p
Vielfalt der Lebensräume an einem
Standort: Auch das gibt eine höhere Si­
cherheit gegen Extreme.
p
Vielfalt der Elemente und Strukturen:
Blumenwiesen, Blumenrasen, Wildblu­
mensäume, Trockenmauern, Sumpfbee­
te, Naturteiche, unversiegelte Naturwege
federn Extremereignisse für Flora und
Fauna sanfter ab als Uniformität.
pBevorzugung wärmeliebender Pflanzen:
Sie halten Hitze und Dürre besser aus.
20 Natur & Garten April 2015
Neubürger Dalmatiner Glockenblume.
Seit kurzem hierzulande und bei Wildbiene und Co. beliebt.
pBevorzugung feuchter mit Regenwasser
gespeister Standorte: Feuchtwiese, Na­
turteich, Sumpfbeet und Wassergraben
tragen zur Kühlung im Siedlungsraum
bei und fungieren als Ersatzbiotop verlo­
rener Naturlebensräume.
Aktuell starke Veränderung
der Flora von Deutschland
Heimische Wildpflanzen
weiterhin wichtig
Die Flora von Deutschland verändert sich
aktuell stark. Das zeigt ein Vergleich der zwi­
schen 2000 und 2007 neu aufgenommen
Wildpflanzen in unserem Referenz- und
Standardwerk Bildatlas der Farn- und Blüten­
pflanzen Deutschlands. Die nachfolgenden
Tabellen geben einen begrenzten Einblick.
pIndigene und archäophytische Arten ha­
ben Vorrang.
pNicht nur für sich, sondern auch als Basis
für die Tierwelt. Besonders bedeutend:
regionale Herkunft (genetische Vielfalt).
pUmstellung und Förderung auf heimisch,
wo immer möglich: Gärten, Industrie,
Schulhöfe etc.
p
Siedlungsraum übergeordnete Bedeu­
tung, potentielles Rückzugsgebiet
pNaturnahes öffentliches Grün und Ver­
kehrsgrün besonders wichtig, wegen An­
passungsfähigkeit der Wildpflanzen und
als Wanderwege für Tiere: Aktuell hinken
Schmetterlinge 135 und Vögel 212 km
hinter der Temperaturerhöhung her.
Diese Auswahl ist eine Auflistung, keine Be­
wertung. Die Tabellen sagen nicht, was wir
tun sollen, sie zeigen nur, was geschieht.
Einige der Arten verwenden wir schon seit
langem und mit großem Erfolg auch in Na­
turgärten wie etwa Dalmatiner Glockenblu­
me, Prächtige Königskerze, Kaukasischer
Blaustern oder Blauminze. Mit anderen
können wir uns aus ökologischen Grün­
den weniger anfreunden, etwa Amurschilf,
Kanadischem Hartriegel oder Julianes Ber­
beritze, weil beispielsweise der heimische
Vertreter Wilde Berberitze und Roter Hart­
riegel ökologisch wertvoller ist und engere
Anpassungen unserer Wildtiere aufweisen.
Neophytische Wildpflanzen
immer wichtiger
p
Die Trennung zwischen indigen/archä­
opytisch (= heimisch) und neophytisch
(= nicht heimisch) verliert an Relevanz.
pNeophytische Arten werden an manchen
Standorten zu Hauptakteuren, vor allem
im Siedlungsraum und in durch den Kli­
mawandel gestörten Lebensräumen.
pDarunter besonders viele wärmelieben­
de und anpassungsfähige Arten.
pDas sollte in einer Naturgartenplanung
mit berücksichtigt werden.
Mit dem Klimawandel werden Zeiten des
Chaos und der (Begriffs-)Verwirrung
bezüglich der Wildpflanzen kommen:
Beispiel Drüsige Kugeldistel
Echinops sphaerocephalon
pLaut Haeupler/Muer 2007: Archäopyt =
heimische Pflanze
pFloraweb des BfN: neuerdings invasiver
Neophyt = nicht heimische Wildpflanze
pArchäophyt kann nicht gleichzeitig Neo­
phyt sein
pKönnen alteingebürgerte heimische Wild­
pflanzen plötzlich Probleme bereiten?
pIn Teilen Baden Württembergs: aktuell ja
Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün
p
Andererseits: Die bei Neophyten sehr
scharfe und genaue Schweiz führt die Art
weder auf der Schwarzen Liste der invasi­
ven Neophyten noch auf der Watch-Liste
der potentiell gefährlichen Arten.
pIn der Schweiz ist die Drüsige Kugeldistel
sogar eine indigene Art und im Kanton
Waadt eigens geschützt
Mehr Flexibilität
pPlanung, Bau und Nutzung von naturna­
hem Grün wird sich in Zukunft weniger
auf Tradition gründen können.
p
Altbewährte Rezepte werden bei sich
wandelnden Umweltbedingungen teil­
weise nutzlos sein.
pBei der Pflanzenverwendung ist zukünf­
tig unabhängig von der Herkunft der
jeweilige ökologische Wert für Tiere be­
sonders zu prüfen und von großer Be­
deutung für das Überleben unserer Wild­
tiere
pDer Klimawandel sorgt zwingend dafür,
dass allein jenes naturnahes Grün Be­
stand hat, das diesen Bedingungen an­
gepasst ist.
p
An die Adresse der Naturgartenprofis
heißt das: mehr Offenheit für Neues.
Literatur
pHaeupler, Muer: Bildatlas der Farn- Und
Blütenpflanzen Deutschlands, Ausgabe
2000 und 2007. Ulmer Verlag, Stuttgart.
pWitt, Reinhard: Nachhaltige Pflanzungen
und Ansaaten. Kräuter, Stauden, Sträu­
cher. Für Jahrzehnte erfolgreich, Natur­
garten Verlag, 4. Auflage 2015. Bezug
Buchshop von www.reinhard-witt.de.
pWitt, Reinhard: Natur für jeden Garten. 10
Schritte zum Natur-Erlebnis-Garten. Pla­
nung, Pflanzen, Tiere, Menschen, Pflege.
Das Einsteigerbuch. Naturgarten Verlag,
2013. Bezug Buchshop von www.rein­
hard-witt.de.
Dr. Reinhard Witt
Fachbetrieb für
Natur­nahes Grün –
Empfohlen von Bioland
D - 85570 Ottenhofen,
3 08121 - 46483
 www.reinhard-witt.de
Neue Wildpflanzen Deutschlands: Neophyten
Vergleich von Haeupler/Muer: Bildatlas der Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands.
Ausgabe 2000 und 2007.
Stauden
Name
Herkunft
Arum italicum
Italienischer Aronstab
Mittelmeer
Campanula poscharskyana
Hängepolster-Glockenblume
Balkan
Campanula portenschlagiana
Dalmatiner Glockenblume
Balkan
Cephalaria giganthea
Riesen-Schuppenkopf
Kaukasus
Coreopsis lanceolata
Lanzettblättriges Mädchenauge
Nordamerika
Dianthus gigantheus
Riesennelke
Östlicher Balkan
Euphorbia myrsinities
Warzenwolfsmilch
Südeuropa
Foenicum vulgare
Fenchel
Südeuropa
Fumaria capreolata
Rankender Erdrauch
Mittelmeergebiet
Iris pumila
Zwergschwertlilie
Südosteuropa
Macleaya cordata
Weißer Federmohn
Japan, China
Miscanthus sacchariflorus
Amur-Schilf
Ostasien
Nepeta faassenii
Blauminze
Südeuropa
Nepeta grandiflora
Großblütige Katzenminze
Kaukasus
Nicotiana rustica
Bauerntabak
Südamerika
Papaver atlanticum
Marokko-Mohn
Marokko
Pontederia cordata
Herzförmiges Hechtkraut
Nordamerika
Sedum caespitosum
Rasige Fetthenne
Südosteuropa
Stachys byzantina
Wollziest
Kaukasus
Verbascum speciosum
Prächtige Königskerze
Südosteuropa
Veronica cymbalaria
Zimbelkraut
Mittelmeer
Waldsteinia ternata
Waldsteinie
Südosteuropa
Zwiebeln
Name
Herkunft
Allium flavum
Gelber Lauch
Osteuropa
Anemone apennina
Apennin-Windröschen
Südeuropa
Anemone blanda
Balkan-Windröschen
Südosteuropa
Crocus chrysanthus
Kleiner Krokus
Balkan
Crocus sieberi
Siebers Krokus
Südosteuropa
Crocus speciosus
Prachtkrokus
Türkei
Galanthus elwesii
Großblütiges Schneeglöckchen
Südosteuropa
Hyacinthoides italica
Italienisches Hasenglöckchen
Mittelmeer
Scilla mitschenkoana
Kaukasischer Blaustern
Kaukasien
Gehölze
Name
Herkunft
Acer saccharinum
Silberahorn
Nordamerika
Actinidia deliciosa
Großfrüchtige Kiwi
China
Aristolochia macrophylla
Amerikanische Pfeifenwinde
Nordamerika
Berberis julianae
Julianes Berberitze
Mittelchina
Celastrus orbiculatus
Rundblättriger Baumwürger
Asien
Clematis tangutica
Mongolische Waldrebe
Mongolei, China
Cornus canadensis
Kanadischer Hartriegel
Ostasien, Nordamerika
Corylus colurna
Baumhasel
Südosteuropa
Crataegus pedicella
Scharlachroter Weißdorn
Nordamerika
Ficus carica
Feige
Mittelmeer
Natur & Garten April 2015
21
Naturerlebnisräume für Kinder und Jugendliche
Tiengemeten –
der schmuddeligste Naturspielort der Niederlande
Hintergründe des Entstehens großer Naturspielräume in den Niederlanden
Spiel- & Freiraumplanung und pädagogi­
schen Konzepten von Gemeinden, Schulen
und Kindergärten.
Die Arbeit der Stiftung Springzaad richtet
sich darum in den kommenden Jahren auf
Vertiefung und Qualitätssteigerung. Wäh­
rend der internationalen Karawane wurde
deutlich, wo dabei das Potenzial liegt: vor
allem mangelnde Biodiversität und das
Fehlen von Material- & Raumangeboten für
komplexes freies Spiel wurden vielerorts
entdeckt.
Naturschutzorganisation
Natuurmonumenten und
die Insel Tiengemeten
Wasserspiele
Seitdem ich zum letzten Mal im Jahr 2010
auf der Jahrestagung über die Entwicklungen auf dem Gebiet des Naturspielens berichtete, ist einiges passiert in den Niederlanden.
Seit 2013 ist das ehemalige interdiszipli­
näre Netzwerk SPRINGZAAD für ‘alle, die
sich einsetzten für mehr Raum für Natur
und Kinder’ eine offizielle Stiftung. Mari­
anne van Lier und Willy Leufgen, Gründer
und Herz des Netzwerkes (oder Myzeliums,
wie sie es lieber nennen) ziehen sich seit­
dem langsam zurück. Sie übertragen ihre
Aufgaben auf einen 8-köpfigen Vorstand,
ein Sekretariat, regionale Konsulenten und
viele andere aktive Pädagogen, Entwerfer,
Landschaftsgärtner, Lehrer und Kindergärt­
ner, Beamte und andere Professionelle oder
leidenschaftliche Laien.
Ungefähr 400 Naturspielorte sind auf den
interaktiven Spielnaturkarten der Spring­
22 Natur & Garten April 2015
zaad-Internetseiten
verzeichnet.
Von
kleinsten Spielplätzen bei Kindergärten
und Schulen bis hin zu den großen Spiel­
wäldern des Staatsforstes. Öffentlich oder
privat, mit oder ohne Öffnungszeiten, Ein­
trittsgeldern und Betreuern. Die Vielfalt ist
inzwischen so groß, wie die Qualitätsan­
sprüche verschieden sind.
Im September 2014 zog eine fast 40-köpfi­
ge internationale Spielnaturkarawane eine
Woche lang durch die Niederlande, um sich
ein Bild von dieser Vielfalt zu verschaffen
und miteinander Erfahrungen und Ideen
auszutauschen.
Außer Springzaad gibt es zahlreiche andere
mehr oder weniger professionelle Organi­
sationen, die sich mit den Thema Speelnatuur (= Spielnatur) beschäftigen. Qualitäts­
siegel, Branchenorganisationen, Märkte
und Konferenzen. Speelnatuur ist ein fest
verankerter Term im Sprachgebrauch von
Auch die größte Naturschutzorganisation
‚Natuurmonumenten’ hat sich die Jugend
als neue Zielgruppe auf die Fahnen ge­
schrieben. Während der großangelegten
Werbekampagne für OERRR, einer Art Ju­
gendorganisation, haben sich innerhalb
von zwei Jahren mehr als 195.000 Kinder
angeschlossen. Ziel ist es hierbei vor allem,
den veralternden Mitgliederstamm zu er­
gänzen durch junge Familien und Kinder.
Interessant ist hierbei der beschworene
Imagewandel: Naturerleben wird moderni­
siert und vom angestaubten Naturschutz­
stigma der ‚Wollsockenträger’ befreit. Die
Botschaft: Natur ist ‚in’ und salonfähig auch
für junge mode/trendbewusste moderne
(sub)urbane Familien.
Seit dem Jahr 1997 ist auch die Insel Tienge­
meten im Rhein/Maasdelta vollständig im
Besitz von Natuurmonumenten. Tiengeme­
ten ist die letzte echte Insel im Delta, ohne
Brücke, Tunnel oder Deichzugang. Seit un­
gefähr dem 17. Jahrhundert wuchs diese
ehemalige Sandplatte durch kontinuierli­
che Einpolderung von den ursprünglichen
‚Tien’ = 10 ‚gemeten’ = ±0,5 ha, also 5 ha bis
zur ihrer heutigen Größe von ca. 1000 ha.
Durch die Jahrhunderte entwickelte sich
Naturerlebnisräume für Kinder und Jugendliche
hier eine reiche Landwirtschaftskultur. Vor
allem Kartoffeln und Getreide wurden von
den ungefähr 10 Inselbauern angebaut
und per Schiff zu nahegelegenen Absatz­
märkten geliefert. Als diese Methode nicht
mehr effizient war, wurden verschiedene
Neunutzungen für die Insel geplant. Von
Flughäfen, Schlammdepots oder großen
Hafenbecken war die Rede. Schließlich be­
kam Natuurmonumenten den Zuschlag und
wurde die Insel zum Naturschutzgebiet.
Mittels Deichdurchstichen und großflächi­
gen Abgrabungen des Ackerbodens wur­
den die Ausgangsbedingungen geschaffen
für die Entwicklung von sogenannter ‚Neuer
Natur’. Die Insel wurde dabei in drei Zonen
geteilt: Weemoed (=Wehmut) steht für den
ältesten Polder, in dem durch eine Zorgboerderij (= Gehöft bewirtschaftet durch Pa­
tienten einer psychiatrischen Einrichtung)
Landwirtschaft betrieben wird, so wie das
am Beginn der Inselnutzung war. Weelde
(= Üppigkeit) ist ein Inselteil, der jährlich
während der hohen Wasserstände im Del­
ta unter Wasser gesetzt wird und in dem
sich im Tempo natürlicher Sukzession ein
Auwald entwickeln soll. Wildernis (= Wild­
nis) ist schließlich der Hauptteil der Insel,
der sich unter dem Einfluss des täglichen
Wechsels im Gezeitendelta, des Brachwas­
sers und einer großen Herde Schottischer
Spaß an der Matschrutsche
Matschkinder
Entwurfzeichnung
Hochlandrinder zu einem dynamischen
Feuchtgebiet entwickelt, das vor allem ein
Reservat für Wasser- und Wattvögel ist.
Für den zuständigen Verwalter der Insel war
das Einbeziehen von Kindern und Jugend­
lichen ein großes Anliegen. Die Fragestel­
lung war dabei: wie kann man für Kinder
und Familien die Insel attraktiver machen
und wie kann man sie für das spielerische
Entdecken einheimischer Landschaft, Tiere
und Pflanzen begeistern?
Das besondere an der Inselnatur ist, dass
diese auch abseits der Wege zugänglich ist.
Was in den meisten anderen Naturschutz­
gebieten verboten ist, ist hier ausdrücklich
erlaubt: das Streunen durch die Landschaft.
Das Wasser schafft hierbei klare Voraus­
setzungen: wer nicht abenteuerlustig und
entsprechend ausgerüstet ist, kommt nicht
weiter als bis an die Ränder der Feucht­
gebiete. Hierdurch findet eine ‚natürliche
Auslese’ statt und die empfindliche Gezei­
tennatur wird nur selten und durch echte
Naturliebhaber besucht.
Junge Familien gehören hier nicht dazu.
Auch in den Niederlanden hält die Sorge
um die Sicherheit und Gesundheit ihrer
Kinder in Kombination mit wachsender
Unkenntnis und Bequemlichkeit die aller­
meisten Familien davon ab, sich in freier
Natur zu bewegen. Sonntagsausflüge kon­
zentrieren sich auf die Einrichtungen und
Rundwanderwege in der Umgebung von
Besucherzentren, Parkplätzen, Picknickan­
lagen und Waldspielplätzen. Andererseits
wächst ein Bewusstsein für die positiven
Einflüsse von Natur und freiem Spiel auf die
Entwicklung von Kindern.
SN10G = Speelnatuur
Tiengemeten 4,5 ha
feuchte Spiellandschaft
Speelnatuur (= Spielnatur) ist ein Konzept,
das hierfür entwickelt ist: Naturnahe Spiel­
gelände, die ausgehend von den Bedürf­
nissen von Kindern und Eltern/Begleitern
angelegt und gepflegt werden. Je nach
Ausgangssituation und Ambition der Trä­
ger/Betreiber handelt es sich um mehr
oder weniger gestaltete, naturnahe und
abenteuerliche Spielräume. Mit oder ohne
Zaun und Öffnungszeiten, sanitären oder
gastronomischen Einrichtungen, Betreuern
und Programm.
Für die Insel Tiengemeten entschied sich
der Auftraggeber für die Intensiv-Variante:
ein 4,5 ha großes Gelände mit pumpge­
steuertem Wasserspiel, einem Empfangs­
gebäude mit sanitären Einrichtungen und
mehreren anwesenden ehrenamtlichen
Gastfrauen/herren, Erste Hilfe-Posten und
Kiosk. Das Gelände ist umzäunt und die
Eintrittspreise orientieren sich an denen
anderer Tagesausflugsziele.
Natur & Garten April 2015
23
Naturerlebnisräume für Kinder und Jugendliche
Die Ausstattung des Spielgeländes an sich
überrascht dann eher: es gibt kein einzi­
ges vorgefertigtes Spielgerät und nur we­
nige, meist funktionale Bauwerke. Die in
die Landschaft gefügten Elemente dienen
dazu, einen längeren Aufenthalt mög­
lich und angenehm zu machen. Es gibt
eine massive Schutzhütte mit Feuerstelle,
Trinkwasserhähne, Freiluftduschen und
Umkleidekabinen, dazu eine möblierte
Terrasse am Haus beim Kaffeeautomaten
und viele Picknick- und Sitzbänke im Ge­
lände. Für das Spiel der Kinder gibt es vor
allem ganz viel Raum in einer kleinteiligen,
abenteuerlichen Spiellandschaft voll von
verschiedensten Wasserläufen, Hügeln und
Kanaltunneln, Blumen, Gehölzen, Wasser­
pflanzen, Wildnis und reichhaltigem Bau­
material: Äste und Pflöcke, Seile, Kanister,
Bojen, Mörtelwannen.
Gespielt wird mit Wasser und Schlamm,
Fröschen und Würmern, selbstgebauten
Wasserfahrzeugen, Hütten und Blumen.
Dabei wird so manche folgenschwere Ent­
deckung gemacht, wie z. B. die, dass Wasser
auf Erdhang zu Rutschvergnügen führt und
vielfaches Rutschvergnügen die Landschaft
einschneidend, besser ’einrutschend’ ver­
ändert …
Die (Groß-)Eltern bauen mit, fotografieren,
sitzen zeitunglesend neben dem Esskorb
an der Picknickbank oder liegen im Gras.
Übersicht Insel
SN10G 2012 – 2014
50.000 Besucher zwischen
Blumensee und Schlammkuhle
SN10G (eine schicke Abkürzung für Speelnatuur 10-gemeten) öffnete im Juni 2012
ihre Tore. Seitdem haben mehr als 50.000
Kinder, (Groß-)Eltern, Lehrer u. a. die Spiel­
landschaft besucht. Eine Gruppe von bei­
nahe 50 ehrenamtlichen Helfern kümmert
sich um den täglichen Service, Sanitär und
erste Hilfe, die Pflege der Landschaft, die
organisierten Aktivitäten und empfängt
Klassenfahrten.
Das Gelände ist jährlich geöffnet von An­
fang April bis Ende Oktober, an den schul­
freien Mittwochnachmittagen, den Wo­
chenenden und in den Schulferien täglich.
Natuurmonumenten führt regelmäßig brei­
te Werbekampagnen durch, um noch mehr
Menschen auf die Insel zu locken. Die Insel
ist ein Modellprojekt und soll die Frage klä­
ren, inwiefern Naturschutz finanzierbar ist
aus Geldern von Besuchern.
Das Gelände wurde im März 2012 mit 42 kg
Saat der Firma www.cruydthoeck.nl einge­
sät.
Hierfür ist ein detaillierter Einsaatplan in
Zusammenarbeit mit Gerrit Roukens und
Reinhard Witt erstellt worden. Die Einsaat
erfolgte per Hand und Harke durch beina­
he 20 freiwillige Helfer und die Teilnehmer
eines eigens organisierten Workshops un­
ter Leitung von Reinhard Witt.
Ich könnte hier noch viel erzählen über den
langen Weg von der ersten Geländebege­
hung, die ersten Kinderwünsche in Sand­
kästen gebaut, unerwartete Wendungen
im Baugeschehen, die fantastischen ehren­
amtlichen Mitarbeiter, die erste Orchidee,
die wunderbare Symbiose von Sandbienen
und schlammrutschenden Kindern bis zum
täglichen sommerlichen Spielvergnügen,
voll Anekdoten und Aha-Erlebnissen.
Das aber tue ich am liebsten vor Ort, Anruf
genügt.
Blühendes Gelände Juni 2014 Bachlauf
24 Natur & Garten April 2015
Sigrun Lobst
Landschaftsarchitektin
AARDRIJK,
Vorstand SPRINGZAAD
NL - 3022 LL Rotterdam
3 +31-(0)10-437 22 78
3 +31-(0)6 18014237
[email protected]
 aardrijk-sigrunlobst.nl
Naturerlebnisräume für Kinder und Jugendliche
Flüchtige, kaum greifbare Lebensphase
von Jugendlichen
Rechtzeitige Sicherung von
attraktiven Freiräumen in
Wohnungsnähe / Fokus Jugendliche
U
m einen 45-minütigen Einblick in
meine Arbeit zu geben, erläutere
ich den Kern von Naturnahen Spiel­
räumen und von Wohnumfeld-Planungen
wie der Spielleitplanung. Es folgt eine Be­
schreibung der eigentlich nicht greifbaren
Nutzergruppe der Jugendlichen und mei­
ne Erfahrungen mit deren Verhaltenswei­
sen. Ich versuche Ihnen in Kürze die Frage
zu beantworten, was für Jugendliche im
Wohnumfeld bedeutsam ist und wie man
Jugendliche heute ggf. beteiligen kann. Auf
der anderen Seite scheint mir wichtig, Ihre
Aufmerksamkeit auf die Gesundheitsförde­
rung durch Freiräume auch für Jugendliche
zu lenken. Zuletzt schildere ich, wie es zum
Thema Freiräume und (jugendliche) Men­
schen weitergeht.
Naturnahe Spielräume sind ähnlich den auf
Bundesebene per Gesetz eingeführten „Na­
turerfahrungsräumen“, unterliegen jedoch
dem pragmatischen Ziel, so attraktiv wie
möglich zu sein. Sie sollen einer Mehrheit
von Menschen zur Gesundheitsförderung
dienen und zu einer Wertschätzung von
Natur beitragen. D. h. sie sind hinreichend
zu gestalten und zu pflegen.
Der Naturnahe Spielraum „Paradies“, die
Modellfläche, anhand der ich vieles de­
monstriere, ist eine „öffentliche Grünflä­
che“ mit der besonderen Zweckbestim­
mung „Naturnaher Spielraum“. Dieser ist
(s. nähere Definition und Erläuterung in
der Bauleitplanung) im Wesentlichen eine
Brachfläche mit vielfältigen Teilräumen und
Vegetationsstadien, die insbesondere im
Hinblick auf die Anwohner, aber auch die
benachbarten Schulen auf dem kürzesten
Weg erreichbar ist, eine große Erlebnis- und
Nutzungsvielfalt aufweist, gestaltbar ist,
ausreichend Rückzugsräume enthält sowie
dem Sicherheitsbedürfnis der Menschen
gerecht wird.
Zur Klärung: Ein Naturnaher Spielraum sieht
aus wie eine „Wildnisfläche“, wird aber intensiv gepflegt und kontrolliert. Er ist „Öffentliche
Grünfläche“, aber sehr viel gepflegter und betreuter als die meisten heutigen Grünflächen.
Es ist ein „Garten“, wird aber auf großen Teilen der Flächen selbstbestimmt bespielt und
nicht nur „beschaut“. Es ist ein ausgewiesener
Spielraum, weist aber bestenfalls keine konventionellen Spielgeräte auf.
Das „Paradies“ ist ein Modell gegen die be­
stehende Praxis der Grünflächenplanung,
-pflege und -entwicklung. Es wird nach
einem Pflege- und Entwicklungsplan, ent­
sprechend zugeteilter Zuständigkeiten
und unter einer möglichst hohen Beteili­
gung gepflegt. Das Ehrenamt unterstützt
bis heute seine Entwicklung, da es immer
wieder zu großen Verzögerungen bei den
Pflegemaßnahmen kommt. Die Dauerpfle­
ge wie Mahd und Rückschnitt sowie viele
temporäre Aufgaben werden in der Regel
vom städtischen Bauhof vorgenommen.
Das Paradies ist ein Vorbild für Kommunen,
die 1. die Lebensqualität Ihrer Wohnbe­
reiche für 6 – 12-Jährige und auch Ältere
nachhaltig verbessern, 2. etwas zur nach­
haltigen Gesundheitsförderung und 3. zur
nachhaltigen Umweltbildung und 4. zur
Biodiversität und zum Klimaschutz beitra­
gen wollen. Es zeigt die Machbarkeit eines
Konzeptes, was alle heutigen Anforderun­
gen (z. B. Sicherheit) bedient.
Anhand des Modells können detaillierte
Aufwandsermittlungen für ausreichend at­
traktive Freiräume stattfinden.
Natur & Garten April 2015
25
Naturerlebnisräume für Kinder und Jugendliche
Modellfläche mit vielfältigen Räumen, Wegen,
Erlebnisangeboten
Bei verschiedenen Anlässen sieht man Kinder
mit Verkleidungen
Zu der Frage nach der Nutzung durch Ju­
gendliche: Die Nutzergruppe der Jugend­
lichen ist inhomogen und eine kurzfristige
Erscheinung. Dennoch sollte die jeweils be­
stehende Jugendlichen-Generation in­
ner­
halb der Freiraumplanung und der städte­
baulichen Planung Berücksichtigung finden.
Wenige bauen in großer Gruppe ein ei­
genes Bauwerk, schleppen Material zu­
sammen, bauen etwas, beteiligen sich bei
Pflanzungen, bei der Anlage von Pflanzun­
gen, übernehmen Patenpflanzen. In Einzel­
fällen führen Sie Begräbnisse für ihr „Lieb­
lingstier“ durch oder sammeln Obst für
Kuchen, Marmeladen, Süßspeisen. Einzelne
bauen so etwas wie ein Kunstwerk. Im Prin­
zip machen sie also das weiter, was auch
die jüngeren Besucher gerne machen. Das
wenige Erlebte hinterlässt aber oft bleiben­
den Eindruck, was ich von den Besuchen
ehemaliger „Paradies“-Kinder ableite.
Bezüglich der Jugendlichen-Nutzung ver­
hält es sich im Wohnumfeld ähnlich wie in
einem Spielraum. Man kann die Nutzung
nicht planen, kann aber mit Glück oder
auch durch eine qualifizierte Beteiligung
das aufgreifen, was Teile der Jugendlichen
gerade bewegt. Dabei kommt es nicht so
sehr darauf an, wie sich der Freiraum für
die Jugendlichen ändert, sondern wie man
eine halbwegs vernünftige Kommunikati­
on ohne bleibende „Fehlkonstruktionen“
vor Ort zustande bringt. Man muss sie
nämlich gleichzeitig respektieren und ach­
ten, andererseits muss man ihre Wünsche
und Anregungen als das annehmen, was
sie sind: eine vorübergehende Äußerung,
ein Versuch, ernstgenommen zu werden,
ein Versuch zu kommunizieren, ohne damit
ausgefahrene Pfade zu betreten.
Aufwand: Für Jugendliche muss man in ei­
nem Spielraum und im Wohnumfeld im Ver­
gleich mehr Zeit als für die 6 – 12-Jährigen
aufwenden, insbesondere, wenn sie in jün­
geren Jahren oder durch die Familiensitua­
tion sich selbst überlassen waren oder sind.
Sie haben die Kraft und manchmal den Wil­
len, schwere Elemente zu bewegen, was
aus Sicherheitsgründen ggf. wieder rück­
gängig gemacht werden muss. Sie suchen
manchmal die Herausforderung, also Berei­
che im Gelände, die gewisse Risiken bieten.
Manchmal verwüsten sie etwas im Anfall
von Aggression oder auch Verzweiflung.
Sie zwingen den Träger bzw. die Aufsichts­
personen, immer wachsam zu sein, um re­
gulierend eingreifen zu können.
Unvermeidbarer Einsatz: Die Unkalkulier­
barkeit der Jugendlichen hängt mit ihrer
Entwicklung zusammen und muss in den
meisten Fällen hingenommen werden. Es
hat meines Erachtens keinen Zweck, Ju­
gendliche auszusperren oder sie zu stark
zu reglementieren. Man muss sie so anneh­
men, wie sie sind und sich mit Ihnen aus­
Im Paradies war wahrnehmbar: Jugendli­
che nehmen ihre Umgebung nur indirekt
wahr. Eine naturnahe Umgebung scheint
in ihrer Lebensphase eher nebensächlich,
manchmal irrelevant.
Die meisten Jugendlichen legen aber Wert
auf Sicherheit und auf Sauberkeit, auch
wenn sie selbst oder ihre Altersgenossen
immer wieder selbst zur Vermüllung beitra­
gen.
Manchmal stehen massive Bewegungen
wie waghalsige Klettereien, Hetzjagden,
Sprünge, sonstige Kunststücke, Kraftpro­
ben im Vordergrund. Manchmal sitzen sie,
„lümmeln“ sich, chillen, bzw. „hängen“ ab.
In unüberschaubaren Bereichen sammeln
sie ihre ersten sexuellen Erfahrungen.
26 Natur & Garten April 2015
„Botschaftsgarten“ zum intensiven Kennenlernen von „Allerweltspflanzen“
Naturerlebnisräume für Kinder und Jugendliche
Temporäre Gestelle laden zum Weiterbau ein
Tierfriedhof – aufwendig, aber magnetisch
Transportfahrzeuge sind dringend notwendig
und sehr beliebt
einandersetzen. Nur in Ausnahmefällen,
wenn Jugendliche sich selbst oder andere
zu stark gefährden, muss man Polizei oder
Jugendamt u. ä. hinzuziehen. Eine späte­
re Aussöhnung sollte gelingen. Um den
Handlungsbedarf einschätzen zu können,
muss man sich selbst Erfahrungen und ein
dickes Fell beschaffen. Oder erfahrene So­
zialpädagogen und Haftungssachverstän­
dige hinzuziehen. Meine Erfahrungen und
Verbindung zur Handhabung können ge­
nutzt werden (auch 0176 - 83017868).
Jugendlichen insgesamt positive Eindrü­
cke über die Freiräume zurückbleiben. Also
dass sie sich gerne an einen Raum, eine
Zeit, an Leute erinnern.
Man sollte angemessene Gestaltungsmög­
lichkeiten für Jugendliche anbieten, wenn
nachgefragt wird.
Was man als Mindestausstattung für Ju­
gendliche in großen Freiräumen und auch
im Wohnumfeld ansehen kann:
pVerschiedene Treffmöglichkeiten mit
einfachen Einrichtungen, sich zu setzen,
sich zurückzuziehen oder auch etwas zu
überblicken. Diese sollte man dauernd
sauber und sicher halten, sonst werden
sie nicht mehr hinreichend genutzt.
pMöglichkeiten für starke Bewegung (wie
Ballspielplätze, Skateplätze, Kleinspielfel­
der u. ä.)
pMöglichkeiten, sich auszuprobieren (Ba­
lancieren, Hangeln, Kletterparcours u. ä.)
Die Wahrnehmung von Pflanzen und Tie­
ren ist Zufallsprodukt. Als betreuender Er­
wachsener wird man (nebenbei) beobach­
tet. Man zieht Schlüsse aus dem, was man
sieht. Ob man sich „achtvoll“ oder „achtlos“
verhält: Es setzt sich später bei den jungen
Menschen fort.
Gelegenheiten zum Kennenlernen von
Natur gibt es bei Jugendlichen eher nicht.
Ein Hinführen und Begleiten sollte man in
Bröckchen mit jüngeren Schülern ab 6 Jah­
re praktizieren. Wichtig ist, dass auch bei
Gesundheitliche Förderung
Obwohl eine Handhabung der Nutzung
durch Jugendliche zeit- und kraftzehrend
ist, lohnt es sich im Hinblick auf die Ge­
sundheit der Jugendlichen sehr wohl,
ihnen ausreichend attraktive Freiräume
zu bieten. Sie erlangen wie auch die jün­
geren Kinder und Erwachsene durch eine
alltäg­liche Nutzung von Freiräumen Wider­
standskraft (s. Resilienz).
Freiräume haben entspannende und gleich­
zeitig reizende Wirkung. Depressionen wie
Aggressionen können abgefedert werden.
Wenn Jugendliche sich hinreichend selbstbestimmt bewegen, bzw. sich durch Natur
oder auch durch ein Treffen mit anderen Menschen stimulieren lassen, sind sie stabiler.
Möglichst vermeiden oder zumindest hin­
terfragen sollte man kommunale Vorge­
henswesen, Ereignisse wie
pGrößere Investitionen für vorübergehen­
de Wünsche, die zu Elementen führen,
die nicht dem Bedarf entsprechen und
die eine Kommune nicht hinreichend
pflegen kann,
pweitere Planlosigkeit im Hinblick auf die
Bedarfe aller Altersgruppen und im Hin­
blick auf die verschiedensten Freiräume,
pweitere „Verhässlichungen“ durch falsche
Schnittmaßnahmen, durch „Vermüllung“,
p
weiterer Verlust von strukturierenden
Elementen aus der Vornutzung,
pweitere Konsumangebote in Form von
Spielfesten, Events zur Darstellung der
Politik.
Ausblick, Resümee
Es laufen mehrere Forschungsvorhaben,
durch die man versucht, die Wirksamkeit
von geeigneten Freiräumen für den Men­
schen zu ermitteln. Ich versuche, Planer
und Humanexperten zusammenzuführen.
Es gibt kaum Rezepte zum Umgang und zur
Beteiligung von Jugendlichen. Bei neuen
Projekten sollten qualifizierte Grünpfleger
evtl. mit Sozialpädagogen zusammenar­
beiten. Die Umweltbildung in Form eines
direkten Kennenlernens von Natur sollte
möglichst früh einsetzen. Für das Alter ab
12 Jahre aufwärts kann man keine merk­
lichen Effekte bzgl. einer Umweltbildung
erwarten. Kommunen sollten Jugendlichen
aber machbare Möglichkeiten einer Betei­
ligung an politischen Beratungen, an Ge­
staltungsmaßnahmen einräumen. Bedingt
kann man Jugendlichen auch Verantwor­
tung übertragen, sollte aber ein Scheitern,
ein rasches Abspringen einkalkulieren. Der
Erfolg kann schon darin liegen, dass man
Gesprächspartner bleibt. Ein völliges Schei­
tern von Kontakten mit Jugendlichen darf
eigentlich nicht passieren.
Henriette Degünther
Dipl.-Ing. für Grün- und
Landschaftsplanung
Interessengemeinschaft
„Mensch-NaturSiedlungsraum“
D - 55276 Oppenheim
3 0176 - 830 178 68
[email protected]
Natur & Garten April 2015
27
Naturerlebnisräume für Kinder und Jugendliche
Im Innenhof unserer Schule bauten einige
Schülerinnen und Schüler unserer Schü­
lerfirma „Gaflo“ zusammen mit anderen
Mitschülern und unserem Kooperations­
partner, dem Galabau-Betrieb Banzhaf,
den bereits vorhandenen Betonbrunnen
zum Alpinum um. Dort konnten sich in den
letzten Jahren schon viele verschiedene
Pflanzen- und Tierarten ansiedeln und un­
ter unserer weiteren Pflege wachsen und
gedeihen.
Vor den naturwissenschaftlichen Fach­
räumen legten wir zusammen mit den
Schülern und Schülerinnen aus dem Wahl­
pflichtbereich Naturwissenschaften inner­
halb der Unterrichtseinheit „Wiese“ eine
Wildwiese an, auf der sich mittlerweile viele
Wildkräuter ausbreiten.
Naturerlebnisräume für Kinder
und Jugendliche
Die Gesamtschule Bockmühle
„wohnt“ und lernt natürlich
Unser Feuchtbiotop
W
ir, die Schülerinnen und Schüler
der Arbeitsgemeinschaft „Na­
tur und Garten“ der städtischen
Gesamtschule Bockmühle versuchen im
Schulgarten und in einem Teil unseres of­
fenen Schulgeländes mit vielen verschie­
denen Projekten naturnah zu gärtnern und
dabei „Vielfalt“ zu schaffen, seit dem Jahr
2000 zusammen mit unserer Schülerfirma
„Gaflo“, Gartenbau und Floristik.
Mit Steinen, Sandplätzen, Tonscherben­
haufen, Trockenmauern, modernden Holz­
stämmen, Schnittholzhaufen, Hecken, Kräu­tern, Hügeln, Mulden, Gewässern und an­
deren Gartenelementen bieten wir Lebens­
raum für viele Tiere und Pflanzenarten.
28 Natur & Garten April 2015
Wir bauten und bauen für Nützlinge, wie
z. B. Wildbienen, „Wohnungen“, die wir dann
im Schulgarten und im Schulgelände auf­
hängen und aufstellen. Mit Informations­
tafeln und verschiedenen Aktionen, unter
anderem mit einem Infostand auf den letz­
ten drei Umweltjahrmärkten in Essen, ver­
suchen wir die Bevölkerung und Mitschü­
ler und Mitschülerinnen über die wichtige
Bedeutung dieser Tiere und Pflanzen für
die Umwelt aufzuklären. Wir möchten er­
reichen, dass Leute, die unsere Aktionen
sehen und unsere Informationstafeln lesen,
sich vielleicht auch in ihrem Garten oder in
ihrer Umgebung mehr um diese nützlichen
Tiere kümmern.
Unser „Gaflo“ -Haus versuchen wir mit ver­
schiedenen Kletterpflanzen zu begrünen.
Den Hang vor unserem Schülerfirmenhaus
haben wir mit naturnahen Elementen be­
festigt. Mit senkrechten und waagerech­
ten Baumstämmen, sowie mit einer Tro­
ckenmauer als Lebensraum für viele Tiere
und Pflanzen. Statt ein Geländer zu bauen,
pflanzten wir an der oberen Kante des Han­
ges 26 verschiedene kleine Bäume an, die
wir immer in Schulterhöhe als Hecke be­
schneiden. Mit entsprechender Beschilde­
rung gestalteten wir daraus einen kleinen
Baumlehrpfad.
Im gesamten Schulgelände versuchen wir
ebenfalls einen Baumlehrpfad anzulegen,
mittlerweile sind über 40 verschiedene
Baumarten in unserem Gelände vorhan­
den. In den letzten Jahren konnten wir
mit den Schülern und Schülerinnen, dank
Sponsorengeldern, ca. 20 neue Bäume und
sehr viele Sträucher und Stauden anpflan­
zen. Leider wurden davon immer wieder
einige entwendet oder auch zerstört. Aber
unser Motto ist: „Wir geben nicht auf“.
Unseren Schulgarten gestalten wir schon
seit vielen Jahren naturnah mit einfachen
Mitteln. Die Mitglieder der AG Natur und
Garten haben von Anfang an leere Fla­
schen gesammelt und eingelöst, Taschen­
gelder gespendet, selbst gebastelte Ge­
genstände an Aktionstagen verkauft, um
von den Erträgen Naturschutz-Projekte zu
verwirklichen.
Naturerlebnisräume für Kinder und Jugendliche
Brunnen / Alpinum
Von dem ersten, auf diese Weise angespar­
ten Geld konnten wir Teichfolie für unseren
Schulgartenteich kaufen. Wir legten dann
nach und nach ein Feuchtbiotop an, in dem
unter anderem Molche, Grasfrösche, Li­
bellen- und Köcherfliegenlarven und viele
andere Tiere und Pflanzen ohne Teichpum­
pe in einem ökologischen Gleichgewicht
leben. Wir haben einen 1000 Liter Wasser­
tank in die Erde eingelassen, um Regen­
wasser aufzufangen, das wir dann mit einer
Schwengelpumpe heraufbefördern wollen,
um es anschließend zum Gießen benutzen
zu können. Unsere Wege im Schulgarten
haben die AG Schüler und Schülerinnen mit
ausgedienten Gehwegplatten, die wir vom
benachbarten Kindergarten bekommen
hatten, selber gepflastert. Dafür wurden
diese Platten erst mit einem Hammer zer­
teilt und dann bruchsteinartig aneinander
Mit Schülern für die Pausen erbautes Aufenthaltshäuschen
gelegt, so dass sich in den Zwischenräu­
men wieder Pflanzen ansiedeln können. Für
Wegbegrenzungen wurden auch Baum­
stümpfe eingesetzt als Kleinbiotope für
viele Tiere und Pflanzen. Wir gestalteten ein
„Grünes Klassenzimmer“, in dem alle Schü­
ler und Schülerinnen die Vielfalt der Natur
hautnah erleben und erkunden können.
Schule und Natur –
die Brombeermarmelade lockt
Unser Schulgarten wird von vielen als ein
kleines Paradies bezeichnet. Rund um
unser großes Schulgebäude gibt es vie­
le Grünflächen. Unser naturnaher Garten
bildet jedoch ein ganz eigenes Reich mit
einem Teich, vielen verschlungenen We­
gen und mehreren Sitznischen, duftenden
Blumen, schwirrenden Insekten und vielen
anderen Tieren.
Ein dichtes Laubdach von sehr hohen Sil­
berweiden spendet Schatten über Tischen
und Bänken. Für viele Schüler ist der Garten
ein Rückzugsort. Sie können sich dort in
den Pausen entspannen, sie können aber
auch forschen, bauen, basteln, pflanzen,
graben, sägen usw. und somit ihre über­
schüssige Energie loswerden. Häufig gibt
es am Ende der „aktiven Mittagspause“
ein Marmeladenbrot mit selbst gemachter
Brombeermarmelade aus Brombeeren von
unserer großen Brombeerhecke entlang
des Gartenzaunes.
Dieser „Abenteuer-Garten“ wurde inner­
halb der letzten ca. 25 Jahre zusammen
mit Schülern aufgebaut. Wer sich bei dem
Aufbau und der Pflege des Gartens be­
währt, bekommt einen Gartenausweis aus­
gestellt, der dazu berechtigt, an besonde­
ren Gartenveranstaltungen teilzunehmen,
wie zum Beispiel Lagerfeuer-Abende und
Grillfeste, Übernachtungen in den Garten­
hütten und in Zelten auf der Gartenwiese,
Gruselaktionen zu Halloween usw.
Während der Übernachtungen können die
Schüler endlich intensiver unsere dämme­
rungs- und nachtaktiven Schulgartentiere
(wie zum Beispiel Igel und Fledermäuse)
beobachten. Es gibt ab und zu auch inter­
nationale Jugendbegegnungen in unse­
rem Schulgarten, bei denen dann kleine
Naturgegenstände gebastelt und anschlie­
ßend Pizza und Brot im selbstgebauten
Steinbackofen gebacken werden.
Ein naturnaher Garten ändert sich ständig.
Jedes Jahr kommt neues hinzu, altes fällt
weg. Baumstämme als Wegbegrenzung
Pflastern
Natur & Garten April 2015
29
Naturerlebnisräume für Kinder und Jugendliche
Ergebnisse der
Jugendliche und N
Schulgarten
verrotten im Laufe der Zeit. Immer wieder
müssen Wege und Begrenzungen erneuert
und überwuchernde Pflanzen eingedämmt
werden. Die Schüler finden immer wieder
neue Aufgaben und Herausforderungen.
Manche Schüler haben völlig den Kontakt
zur Natur verloren und entdecken Flora
und Fauna in unserem Garten zum ersten
Mal. Sie kommen in den Garten und fragen,
ob es dort auch Tiere gibt, oder sie kamen
im Winter und meinten nur enttäuscht: „Es
blüht hier ja gar nichts!“ Darauf haben wir
direkt am Eingang einen Winterjasmin an­
gepflanzt.
Viele Schüler entdecken in diesem ge­
schützten Areal überhaupt erst die Ge­
heimnisse der Natur, sie lernen viele Pflan­
zen und Tiere kennen, die sie vorher nie
wahrgenommen haben. Sie fangen Insek­
ten, Spinnentiere, manchmal auch Lurche,
setzen sie in ein Terrarium, das sie im Gar­
ten dafür eingerichtet haben, beobachten
sie für kurze Zeit und lassen sie dann wie­
der frei. Sie lernen dabei auch, Verantwor­
tung für diese Tiere zu übernehmen.
Unser Schulgelände und unser Schulgar­
ten müssen nicht nur ökologische Auf­
gaben erfüllen, sondern sie müssen auch
von den Schülern, den Lehrern sowie an­
deren Besuchern vielseitig benutzt wer­
den können, so dass die Natur mit allen
Sinnen – mit Kopf, Herz, Fuß und Hand –
auch erlebt werden kann.
Der Schulgarten im Sommer
30 Natur & Garten April 2015
Christel Wortmann
Lehrerin an der Städt.
­Gesamtschule Bockmühle
Sekundarstufen I + II
D - 45143 Essen
3 0201 - 88 40 800
3 0201 - 88 40 855
(NW-Mediothek)
atur-Erlebnis-Räume werden oft
für Kinder gebaut, aber wer das
Glück hat, sich öfter in solchen
Räumen aufzuhalten, weiß: Natur-Erleb­
nis-Räume bieten Menschen aller Alters­
gruppen eine ganzheitliche Naturerfah­
rung, die weit über das hinaus geht, was
normale Grünflächen, Sportanlagen und
– in vielen Fällen – sogar das Bewegen in
der freien, aber heute ja oft sehr ausge­
räumten Landschaft bieten kann. Da ist es
klar, dass auch Jugendliche von Natur-Er­
lebnis-Räumen angezogen werden. Aber
wie immer, wenn Jugendliche unerwartet
und ja auch zumeist in Gruppen in öffent­
lichen Räumen auftauchen, wird das erst
einmal als Problem wahrgenommen. Es
gibt Ängste vor und auch Erfahrungen mit
Vandalismus, Glasscherben, Zigaretten­
kippen ... Am Nachmittag des ersten Ta­
ges der Haupttagung traf sich ein Großteil
der Tagungsteilnehmer, um gemeinsam
zu überlegen, ob in diesem Problem nicht
eigentlich eine riesige Chance steckt. Die
Vortragenden des Vormittags waren mit
eingeladen, darunter auch echte Experten
und Expertinnen zum Thema, nämlich die
Jugendlichen aus der Schülerfirma GaFlo
der Gesamtschule Bockmühle in Essen.
Es war beeindruckend, wie selbstsicher
und kompetent sie sich in die Diskussio­
nen des von Ralf Becker geleiteten Open
Space einbrachten. Viele Vor-Urteile aus
Gesprächen über Jugendliche konnten
im Gespräch mit ihnen überprüft und ver­
ändert werden. Da gab es das eine oder
andere AHA-Erlebnis.
Hier sind die zwei Beispiele:
VorUrteil 1:
Jugendliche sehen Erwachsene am
liebsten nur aus der Ferne und bevorzugen gleichaltrige Gruppen?
Jugendliche tauchen in der Öffentlichkeit
hauptsächlich in gleichaltrigen Cliquen
auf. Aber eigentlich, das war eines der
AHA-Erlebnisse des Nachmittags, suchen
Naturerlebnisräume für Kinder und Jugendliche
Diskussionsrunde:
Natur-Erlebnis-Räume –
Problem oder Chance?
und brauchen sie eine zweite, neue Fami­
lie, die sie sich selber wählen. Die ideale
Zweitfamilie sieht so aus: Jede und Jeder
darf in seiner/ihrer Individualität dazu ge­
hören, darf Fehler machen, die Jugendli­
chen können sich selber Regeln aufstellen.
Eigene Projekte, vor allem auch solche, die
den Lebensraum (um-)gestalten, dürfen
umgesetzt werden. In der Familie gibt es
verlässliche, erwachsene „Zweiteltern“, die
einladen, ermutigen, inspirieren und be­
geistern und ältere Jugendliche, die aus
eigener Erfahrung dasselbe tun. Hier gibt
es die Freiheit, in der Gruppe abzuhängen.
Daraus ergibt sich, dass öffentliche Räu­
me nicht so gut geeignet sind. Hier sind
die Auflagen, z. B. Altersbegrenzungen auf
Spielplätzen, oft zu groß. Auch die Räume
selbst sind oft zu groß, Jugendliche suchen
eher begrenzte Räume. Es gibt aber auch
eine große Fluktuation: ein Raum, der heute
regelmäßig aufgesucht wird, wird morgen
links liegen gelassen, weil nicht der Raum
bindet, sondern die Beziehungen zu den
anderen in der Zweitfamilie. Wenn öffent­
liche Räume für Jugendliche gestaltet wer­
den, oder besser, mit ihnen, dann sollten
gebaute Elemente einfach und robust sein.
Es geht also nicht darum, zu akzeptieren,
dass Jugendliche eben so sind und dass
man halt warten muss, bis diese schwierige
Phase vorbei ist. Für die Erwachsenen geht
es darum, in eine konstante und verlässli­
che Beziehung zu gehen. Dies gelingt wohl
eher in halböffentlichen Räumen, z. B. bei
freien Trägern (mit öffentlicher Förderung).
Auch Generationenwohnprojekte sind viel­
leicht eine Möglichkeit, dass Jugendliche
eine „Zweitfamilie“ finden.
Wenn sie aber – vielleicht auch aus Man­
gel an Zweitfamilien mit Erwachsenen sich
spontan Treffpunkte schaffen, dann ist es
wichtig, dort in Beziehung zu gehen, das
Gespräch zu suchen und immer wieder zu
erkunden, was die genauen Bedürfnisse
dieser Gruppe sind, wobei auch diese Be­
dürfnisse sich sehr schnell ändern können.
VorUrteil 2:
Jugendliche suchen in Natur-ErlebnisRäumen Naturerfahrung?
Leider eher nicht. Natur-Erlebnis-Räume
bieten einen attraktiven, weil geborgenen
Rahmen für das Leben in der „Zweit-Fami­
lie“. Aber was in diesem Raum als Beziehung
passiert, ist der Grund, warum der Raum
aufgesucht wird. Natur ist also ein Kraftort,
kein Lerngegenstand. Es ist für die Jugendli­
chen jedoch wichtig, sich als kompetent, ja,
sogar als Elite erleben zu können, nicht in
einem Schutzraum zu agieren, sondern in
der wirklichen Welt Erfolg zu erleben. Bäu­
me zu fällen, einen Gewinn erwirtschaften,
eine Institution repräsentieren, Jugendliche
wollen sich – wie Erwachsene auch – als Ex­
perten auf Ihrem Gebiet erleben.
Gleichzeitig haben sie aber auch eine
enge Bindung an die Orte ihrer Kindheit.
Bei der Umgestaltung „Ihres“ Spielplatzes
eigenverantwortlich mitzuwirken, dort
auch einen Ort für Jugendliche zu bauen,
als Spielplatzpaten oder Streetworker in
Anbindung an die „Zweitfamilie“ dort mit
Kindern zu arbeiten, oder auch als Umwelt­
bildner in der Offenen Ganztagsschule Kin­
dern die Natur nahe zu bringen, so könnten
sich Jugendliche in Natur-Erlebnis-Räumen
als ExpertInnen erleben.
Sich als Elite zu erleben wird Jugendlichen
vor allem in Sportvereinen geboten. Auch
wenn viele Sportarten im Freien ausgeübt
werden, so liegt hier doch noch ein weites
Feld brach. Das Umfeld von Sportanlagen
naturnah – mit den Nutzern, also den Ju­
gendlichen – zu gestalten, in Anbindung
an die „Zweitfamilie“ Sportverein, das wäre
eine Riesenchance für die Jugendlichen
und die Natur im besiedelten Raum.
Experten und …
Expertinnen brachten sich …
in den Open-Space Workshop ein, der …
Dank der inspirierenden Moderation von Ralf
Becker zu überraschenden Ergebnissen kam.
Ulrike Aufderheide, Diplom-Biologin,
CALLUNA-naturnahe Garten+GrünPlanung,
D - 53177 Bonn, 3 0228 - 326363
[email protected]
 www.calluna-naturgarten.de
Natur & Garten April 2015
31
Naturerlebnisräume für Kinder und Jugendliche
Was singt, zirpt und
quakt denn da?
Ein akustischer Streifzug
durch Natur und Garten
Sucht im Herbst und Winter gerne Naturgärten mit Wilder Karde und Nachtkerze auf: Der Distelfink / Stieglitz Carduelis carduelis erscheint zur Nahrungssuche im Schwarm (Foto: Kerstin Lüchow)
U
nter diesem Motto entführte uns
der Biologe und Tierstimmen-Imi­
tator Dr. Uwe Westphal, seit vielen
Jahren Naturgarten-Mitglied und bekannt
durch zahlreiche Auftritte in Funk und Fern­
sehen, auf humorvolle Art und mit meisterli­
chen Imitationen in eine vertraut klingende
und doch weithin unbekannte Klangwelt.
Erstaunliches kam da zutage: Westphal
demonstrierte eindrucksvoll das Balzduett
der Waldohreulen („Das Weibchen klingt
echt beknackt!“), den „Kontergesang“ von
Grashüpfern oder den quiekenden Ab­
wehrruf eines Erdkrötenmännchens, das
von einem gleichgeschlechtlichen Artge­
nossen umklammert wird. Er zeigte dem
staunenden Publikum, wie man an den
spezifischen Rufen des Schwarzspechts
erkennt, ob der Vogel gerade sitzt oder
fliegt, wie der Gesang einer Singdrossel aus
der Nähe und aus der Entfernung klingt
und mit welchen unterschiedlichen Rufen
die Amsel vor einer Katze oder vor einem
Sperber warnt. Ein ganzes Vogelkonzert er­
klang im Vortragssaal, aufgelockert durch
32 Natur & Garten April 2015
Anekdoten und einprägsame Merkverse.
Ob Kohlmeise („Siehste mich, siehste mich,
siehste mich? – Da sitz´ i, da sitz´ i, da sitz´
i!“), Buchfink („Ich, ich, ich bin drrrr Unterof­
fizihier!“), Mönchsgrasmücke („ein orgeln­
der Überschlag in Sopranstimmlage“) oder
ein ganzer Spatzenschwarm – das Publi­
kum war begeistert und bald geriet die au­
ßergewöhnliche Vorstellung zum Wunsch­
konzert: Selbst so ausgefallene heimische
Vogelarten wie Großtrappe, Wendehals
und Wachtelkönig imitierte Uwe Westphal
auf Zuruf.
Wer diesen Vortrag verpasst hat oder sich
dieses Klangerlebnis noch einmal gönnen
möchte: Auf den CDs „Vogelexkursion“ und
„Naturexkursion“ hat Uwe Westphal eine
Fülle von Vogel- und Tierstimmen mit aus­
führlichen, von ihm selbst gesprochenen
Erläuterungen zusammengestellt. Näheres
dazu auf seiner Homepage www.westphalnaturerleben.de. Dort finden sich auch
Hörproben, Bücher und Veranstaltungster­
mine.
Kerstin Lüchow
D - Heilbronn
3 07131 - 17 21 33
[email protected]
Gestaltung im Naturgarten
Naturgarten In Form
Naturgarten und formale Gestaltung – ein Widerspruch?
Liebe Naturgartenfreunde,
Wenn ich Sie fragen würde, welche Form
der Naturgarten hat, würden vermutlich
die meisten eine geschwungene, frei flie­
ßende Form zuordnen. Warum eigentlich?
Ist die Form des Naturgartens wirklich nur
wild und ungezähmt oder haben auch for­
male Strukturen ihre Verwendung?
Dazu müssen wir uns klar werden, was mit
Form gemeint ist, was wir darunter ver­
stehen. Form ist die Prägung, die äußere
Gestalt des Gartens. Es ist die bewusste
Gestaltung eines Ortes durch eine gestal­
tende Hand.
Wie entsteht Form? Die Form eines abge­
ernteten Reisfeldes entsteht aus der Funk­
tion. Der japanische Zen-Garten ist das
Resultat einer gestalterischen Intention.
Er wurde bewusst durch Menschenhand
angelegt und mit der Form des Gartens
wird eine gezielte Stimmung erzeugt. Es
entsteht ein Bild. Die Form der Alpen ist
ein Resultat von Zeit und Dynamik. Garten­
gestaltung ist in jedem Fall eine bewusste
Formgebung für diesen Ort unter Berück­
sichtigung der klimatischen Verhältnisse,
der Umgebung, der Architektur und der
Menschen, die diesen Ort beleben werden.
pFormales Konzept: Intuition, entwickelt
aus dem Ort, der Architektur, der Histo­
rie, dem Geschmack und Vorlieben der
Kunden, dem Budget
Die Form des Gartens ist ein Ausdruck des
Gestalters. Es braucht manchmal auch Mut,
einem Ort ein Gesicht zu geben und nicht
einfach die gängigen Klischees zu bedie­
nen. Letztendlich soll die Form des Gartens
zu einem harmonischen Ganzen verhelfen.
Der Naturgarten ist in jedem Fall ein ge­
stalteter Raum. Die Form an sich sagt über­
haupt nichts darüber aus, ob natürliche
Dynamik in einem Garten Platz hat. Dass
Naturgärten fließend sein müssen und
weiche Formen die richtigen sind, sehe
ich persönlich als ein Vorurteil, das sich in
den Köpfen festgesetzt hat. Die Art, wie mit
dem Garten umgegangen wird, macht den
Naturgarten zu einem natürlichen Lebens­
raum und nicht die Form des Gartens.
„Natürliche“ Formen entstehen durch Zu­
lassen, Zeit lassen, weglassen …
Das Weiche, Geschwungene, das Roman­
tische und Wilde, das Chaotische und Un­
geplante macht die Natur von selbst, wenn
wir es zulassen. Je klarer die Grundstruktur
ist, desto besser wirken später die unge­
planten Formen der Natur.
Fragen, die man sich als Naturgartengestal­
ter stellen sollte:
pWill ich als Gestalter spürbar sein?
pWill ich Natur imitieren oder Grundlage
schaffen für eine natürliche Entwicklung?
pWie viel Natur, im Sinne von dynamischer
Entwicklung lassen wir zu?
»Es ist nicht das Design,
was Naturgärten schön macht,
sondern dass wir in ihnen das Leben erleben.«
Andreas Winkler, Naturgartenpionier
Wie finde ich die richtige Form? Ich erkläre
es aus meiner Arbeit. Wie gehe ich persön­
lich vor, bei der Gestaltung eines Gartens.
p
Analyse der Situation: Geländeaufnah­
men, Aufnahmen der bestehenden Vege­
tation, Erfassen von bestehenden Struk­
turen wie Wege, Plätze, Bauten. Bezüge
zur Landschaft. Bezüge zu den Nachbarn.
p
Analyse des Mikroklimas: Klimaregion,
Mikroklima am Ort, Mikroklima im Gar­
ten, Analyse des Bodens (Auge, Hand,
Zeigerpflanzen)
pRäumliches Konzept: Wünsche des Kun­
den, Potenziale, Rahmenbedingungen
Natur & Garten April 2015
33
Gestaltung im Naturgarten
Gestaltungsbeispiele
Wohnhaus mit Bürotrakt (oben):
In diesem Garten zeige ich der Bauherrschaft
eine Variante mit geschwungenen Mauern,
die sich aus dem vorhandenen Geländeverlauf
ergeben.
Villengarten mit Badeteich:
im hausnahen Gartenbereich orientiere ich
mich an der Architektur des Gebäudes und gestalte einen formalen Badegarten. In den restlichen Gartenteilen, die zum Teil auf anderen
Ebenen liegen, wähle ich eine landschaftliche
Gestaltungsform mit geschwungenen Wegen
und einem Teich mit Naturufern.
34 Natur & Garten April 2015
Gestaltung im Naturgarten
Modernes Einfamilienhaus
für eine junge Familie (oben):
Die strenge und auch etwas kühle Architektur, die flache, eher langweilige Ausdehnung
des Gartens hat mich dazu bewogen ein
fließendes, geschwungenes Grundkonzept
zu wählen.
Einfamilienhaus
für ein berufstätiges Ehepaar:
Der Wunsch der Bauherrschaft das abschüssige, steile Gelände besser nutzen zu
können, die moderne Architektur und die
bautechnischen Vorteile führen zu einer
architektonischen, strengen Formgebung.
Die Böschungen werden terrassiert und
ermöglichen es, viele der Wünsche und
Ansprüche der Bauherrschaft in die Realität
umzusetzen.
Peter Richard
Winkler & Richard AG
CH - 9545 Wängi
3 +41 52 378 21 84
[email protected]
 www.gartenland.ch
Natur & Garten April 2015
35
Gestaltung im Naturgarten
Design oder Dynamik –
wer komponiert im Blumenbeet?
Glockenblumen in einem „offenen Garten“ in Bredenbek bei Kiel
Einleitung
Der Blickwinkel
Im Sommer 2013 war der Naturgarten e. V.
für kurze Zeit auf der Internationalen Gar­
tenschau in Hamburg präsent: Die Regio­
nalgruppe SH entwarf für die Blumenhalle
ein Beet, Flyer sowie ein kleines Vortrags­
programm.
Meine Urgroßmutter hatte einen Garten
direkt am Ostseestrand bei Crantz in Ost­
preußen. Die Töchter durften hier ihre Fe­
rien verleben und auf einem Foto ordnet
meine Großmutter prachtvolle Blumen.
Rundherum gab es sicher die Wildblumen,
die ich heute gerne in meinem Garten
sehe. Wie aber war ihre Einstellung zu die­
sen Kräutern und Gräsern? Obwohl ich sie
nicht kennenlernte, weiß ich es: sie machte
kunstvolle Scherenschnitte von filigranen
Wildpflanzen und malte sie, wie es auch
mein Großvater tat.
„Design oder Dynamik – wer komponiert
im Blumenbeet?“ stellte bildreich einen
kleinen Vortrag für Menschen zusammen,
die möglicherweise noch nie etwas von
Naturgärten gehört haben. Ich zeigte das
Spektrum möglicher Standorte in einem
Naturgarten und wie diese mit wilden und
wildartigen Pflanzen, aber auch ihren tie­
rischen Bewohnern und Nutzern besiedelt
werden können. Wichtig war mir die Bot­
schaft, dass auch Naturgärtner ganz be­
wusst gestalten und pflegen, statt einfach
alles wachsen zu lassen.
Wenn ich jetzt das Thema wieder aufgreife
und vertiefe, geht es mir um die Liebe zu
gewöhnlichen Wildpflanzen und die Frage,
wo und wie sie im Garten zusammen pas­
sen. Das Gärtnern und Gestalten mit Wild­
pflanzen ist hier eine persönliche Ausein­
andersetzung mit ‚Design und Dynamik‘ in
einem Naturgarten in Ostholstein.
36 Natur & Garten April 2015
Als Schleswig-Holsteinerin aufgewachsen,
störten mich die vorherrschenden „Gärten“
mit geschorenen Gehölzen und schieren
Beeten. Über Jahre verändert sich dort
nichts, nicht einmal die Höhe und Wuchs­
form der Sträucher und Hecken. Seitdem
träumte ich von einem naturnahen Garten­
paradies. Als Studentin in Berlin begeister­
ten mich die üppigen Stadtbrachen. Sehr
beeindruckt war ich 1983 von der Ausstel­
lung „Grün Kaputt – Landschaft und Gärten
der Deutschen“.
Braunwurz
Später in meinem winzigen Reihenhaus­
garten erschienen zwischen normalen Gar­
tenblumen Huflattich, Hundskamille und
ein riesiger Beifuß. Plötzlich waren das für
mich die schönsten Pflanzen. Dazu kam
eine seltsame, mir bis dahin unbekannte
Pflanze – die Wilde Karde. Das war 1990,
als der Naturgartenverein gegründet wur­
Gestaltung im Naturgarten
de und die Gründer die Karde für das Logo
wählten. Seitdem bin ich Mitglied. Ein Buch,
das mich weiter umkrempelte, war „Das Na­
turgarten Handbuch für Praktiker“ (1989).
Das Titelbild zeigt einen eingesenkten Sitz­
platz inmitten hoher Karden und Nachtker­
zen. So entwickelte sich mein persönlicher
Blickwinkel für „dynamische Wildblumen­
beete“ in Naturgärten.
Blumenbeete entwickeln
„Was kann ich in mein Beet pflanzen? Es
soll immer etwas blühen.“ Diese Frage
wurde mir als Gärtnerin und (ehemalige)
Pflanzenverkäuferin häufig gestellt und hat
mich stets sehr verunsichert. Denn ich weiß
es in dem Moment nicht. Ich kenne den
Blickwinkel, die Vorbilder und Sehnsüchte
des Fragenden nicht, noch kenne ich den
jeweiligen Garten und seine Standorte.
Dies herauszufinden ist aber wichtig und
aufwändig. Mir hilft da ein planerisches
Vorgehen, bei dem pragmatisch ein Schritt
nach dem anderen gemacht wird. Ein Prag­
matiker und Planer war ein erfolgreicher
dänischer Gartenarchitekt mit dem Namen
Carl Sörensen. In den 30er Jahren erfand er
die Bau- und Gerümpel-Spielplätze, die in
den 60er Jahren als Abenteuerspielplätze
in Deutschland für Diskussionen sorgten.
Seine „39 Gartenpläne für ein Stück Land“
(1979) sind bestechend klar und immer
wieder eine gute Anleitung. Er entwickelt
Grundideen und Raumstrukturen, jeweils
nur 1 je Grundstück, und möchte damit klä­
ren helfen, was der Gartenbesitzer/-nutzer
wünscht und erwartet. Er betont mehrfach,
dass es um Einfachheit und Zurückhaltung
geht. Was heißt das nun für unsere Blumen­
beete? Dazu habe ich einige Naturgartentaugliche Beispiele ausgewählt:
Im Vernünftigen Garten ist der Hingucker
eine 60 bis 80 cm hohe Steinmauer, der den
Wohn- vom Küchengarten trennt. Sie sorgt
für Räume, aber auch für eine Vielfalt von
Standorten für Blumen, die auf, an und ne­
ben der Mauer die Fugen besiedeln.
Ein Heckengarten für heimische Vögel aus
heimischen, dichten Wildgehölzen schafft
an Wegrändern und Lichtungen Standor­
te für Blumensäume und im Schatten der
Sträucher „Beete“ für Frühlingsgeophyten.
Der Versenkte Blumengarten schafft eine
geniale Ordnung, Schutz und Wärme, die
entsprechende wilde Blumen darin gut
aussehen lässt. Auch die Materialverwen­
dung kann wunderbar je nach Vorlieben
und Region variiert werden.
Mit den Grünen Wällen sind langsam ge­
wachsene Pflanzskulpturen gemeint. Der
Naturgärtner könnte aber auch aus Schutt,
Kies oder Boden ganz eigene Wälle und
Räume schaffen und Blumen darauf setzen.
Es kann ein guter Weg sein, erst Raum und
Rahmen, Bodenrelief und Funktionen zu
erdenken, bevor sich daraus Anordnung,
Form und Standorte für „Blumenbeete“ er­
geben.
Unten: Hochstaudenflur mit
Weidenröschen und Mädesüß
Name
Herkunft
Anthemis tinctoria
Färberkamille
a
Atriplex hortensis rubra
Rote Gartenmelde
a
Bellis perenne
Gänseblümchen
a
Cymbalaria muralis
Zimbelkraut
a
Cytisus scoparius
Ginster
a
Digitalis purpurea
Fingerhut
a
Epilobium angustifolium
Weidenröschen
a
Eupatorium cannabium
Wasserdost
a
Filipendula ulmaria
Mädesüß
a
Galium mollugo
Wiesen-Labkraut
a
Galium odorata
Waldmeister
a
Humulus lupulus
Hopfen
a
Melilotus albus
Steinklee
a
Oenothera biennis
Nachtkerze
a
Rosa canina
Hundsrose
a
Rubus idaeus
Himbeere
a
Scrophularia nodosa
Knotige Braunwurz
a
Tanacetum vulgare
Rainfarn
a
Verbascum nigrum
Schwarze Königskerze
a
Standort im Garten
Selbstaussaat im
Gemüsegarten
im Rasen und in den
Fugen der Steintreppe
Säume und Wege
Natur & Garten April 2015
37
Gestaltung im Naturgarten
Wildarten im Garten tummeln – geliebt, ge­
duldet, aber auch kontrolliert und gejätet.
Immer willkommen ist die Knotige Braun­
wurz (Scrophularia nodosa). Die braunen
Blüten werden von Juni bis September
von Bienen und Wespen bestäubt und die
trockenen Stauden stehen auch im Dezem­
ber noch. Gern sehe ich auch den Rainkohl
(Lapsana communis), eine alte Heil- und
Nahrungspflanze und Kulturbegleiter seit
der jüngeren Steinzeit. Die Charakterart der
Lauchkrautsäume wird durch Wind und Tie­
re, auch Ameisen verbreitet.
Willkommen, aber manchmal lästig sind
Schwarze Königskerze (Verbascum nigrum)
und Schöllkraut (Chelidonium major). Beide
bilden enorme Pfahlwurzeln und drängeln
sich überall zwischen. Sie werden wun­
derschön und blühen lange, lassen sich
aber nicht herausziehen. Daher werden sie
schnell „unkontrollierbar“ und aufdringlich.
Säen sich im Gemüsegarten selbst aus:
Rote Gartenmelde und Schlafmohn
Geliebte und nervige Wildblumen
„Was passt, wächst von alleine.“ (Grün ka­
putt, S. 32 Naturgarten) – … aber was passt?
Angenommen, wir haben die passenden
Gartenräume angelegt, den Boden ein­
gebaut und modelliert, Plätze und Wege
gebaut und Beete angelegt. Nun ist die
Bepflanzung nach Wünschen, Erfahrungen
(Blickwinkel) und Wissen an der Reihe. Ge­
plant oder spontan erscheinen Wildpflan­
zen, die mitmischen wollen. Interessant fin­
de ich jeden Tag aufs Neue, wie ich darauf
reagiere. Sind sie willkommen, passen sie
ins Konzept oder nerven sie mich?
Vor einigen Jahren habe ich mit einer Be­
standsaufnahme begonnen.
Von den 165 erfassten Arten sind über 50 %
spontan erschienen. Sie sind Teil des Gar­
tens und bleiben durch Samenbildung und
Tierverbreitung seit Jahren. Und es kom­
men immer wieder neue dazu.
Aber auch aktiv angesiedelte Wildarten
haben sich etabliert (Entnahme aus der
Umgebung oder Ansaat). Von den geplan­
ten und gekauften heimischen Arten hat
sich die Hälfte selbstständig gemacht - sie
sorgen für ihren Fortbestand. Das bedeu­
tet, dass sich etwa 140 von mir bekannte
38 Natur & Garten April 2015
Rein in die Blumenbeete
Meine „Blumenbeete“ sind gebaute Wald­
lichtungen, Wegränder, Kiesstreifen, Grün­
dächer, Heckensäume, Hackfruchtbeete,
Moosrasen und Pflasterfugen. Der Garten
liegt an einem Nordosthang und hat sandi­
ge Böden.
Ein Sitzplatz inmitten einer Hochstaudenflur entstand nach Abtragen und Auf­
schüttung in einem Hang. Hier wachsen
Schmalblättrige Weidenröschen, Wasser­
dost, Mädesüß, Klebriger Salbei, Astern,
Goldruten und Beifuß. Einmal jährlich muss
ich gründlich aufräumen, um Altlasten wie
Brennnesseln und ausläufertreibende Grä­
ser und auch Giersch einzudämmen. Ein­
gefasst ist der Staudenhang durch einen
Regenwasser-Kiesbach. Hier hätte ich gern
mehr Struktur durch niedrige Staudenparti­
en, die aber durch die wüchsigen Arten kei­
ne Chance haben. So schneide ich im Som­
mer manchmal eine ordnende Sichtachse
durch den Blumen-Dschungel. Es kompo­
niert auch ein Reh mit: Wenn es die lecke­
ren Weidenröschen verbeißt, verzweigen
sie sich und blühen später buschig und zart.
In einem belichteten, trockenen Heckensaum siedelte ich einst die Schwarze Kö­
nigskerze, Rainfarn, Lupine, Seifenkraut
und Wiesenlabkraut an. Sie haben sich
stark vermehrt und vermischen sich mit
dem einstigen Rasen- Queckensaum. Ei­
chelhäher und Eichhörnchen hätten hier
gern einen Eichen-Haselnusswald.
Flower-Power in der Pflasterfuge
Gestaltung im Naturgarten
Mein Garten in Ostholstein mit sichtbarer Kaltluftsenke
In den Pflasterfugen und Kieselstreifen
am „Regenwasser-Bach“ erlebe ich die
schönsten Überraschungen. Ich lege sie
immer wieder frei und steche Rasenkanten.
Dadurch entstehen klare Linien, neben der
sich einzelne Wildblumen einfinden wie
Fingerhut, Wiesenglockenblume, Spitzwe­
gerich und Schlüsselblumen. In den Pflas­
terfugen will fast alles wachsen und trotzt
hier der manchmal wochenlangen Trocken­
heit. Manche der von mir erwünschten und
angepflanzten Arten überleben nur dort.
Da gedeihen Mohn, Akeleien, Moschusmal­
ven, Thymian, Veilchen, aber auch Arten,
die mir dort nicht gefallen oder zu viel wer­
den. So mancher Sommerabend vergeht
hier mit kreativem Jäten.
Mein Gemüsegarten wird spätestens im
Spätsommer ein Blumenbeet aus einjäh­
rigen Kulturpflanzen und – Begleitern.
Besonders finde ich die Übersehene Mal­
ve (Malva neglecta), Erdrauch (Fumaria
officinalis) und Ackergauchheil (Anagallis
arvensis). Üppig und bunt sind Borretsch,
Ringelblume, Schlaf- und andere Mohnar­
ten sowie die Rote Gartenmelde. Sie alle
kommen von allein, wenn ich den Boden
nur jährlich wieder freilege und abräume.
Manchmal gehen die angesäten Gemüse­
sorten darin unter.
Vor drei Jahren legte ich ein neues Beet
an, pflanzte Stauden aus einer Gärtnerei
und erlebte eine Überraschung: Unerwar­
tet schossen Königskerzen in die Höhe und
Färberkamillen blühten monatelang. Ich
hatte etwas Erde aus dem Hühnerhaag ver­
wendet und diese war voll mit „Unkraut“-
Samen. Meine Hühner kratzen in ihrem
„Garten“ alles kurz und klein, nicht aber
Mutterkraut (Tanacetum parthenium) und
Andorn (Marrubium). So entstehen sogar
am Hühnerstall interessante Kompositio­
nen.
Zum Schluss
„Man braucht das Unkraut nur nicht auszurotten und keine Chemikalien auszustreuen.
(…) Und schon hat man ein Bild vom Garten
wie das „Rasenstück“ von Dürer. Das wären
Gärten von ganz besonderem Zauber. Gärten, in den man beginnen könnte, den stillen
Reiz der alten verhaltenen Farben und der
Blatt- und Blütenformen zu entdecken. Bevor
die modernen Züchter mit ihrer Sucht nach
Grellerem und Lauterem den Farbenlärm von
der Straße auch in unsere Gärten gebracht
haben“ (aus „Grün kaputt“,1983, S. 33).
Plötzlich da, eine Wiesenglockenblume
im Kiesstreifen
Diesen wunderbaren Vorschlag greife ich
immer wieder gerne auf. Aber ich überlege
mir dazu Konturen und Nutzungen, versu­
che Passendes anzusiedeln und jäte. Ich
brauche beides: Design + Dynamik!
Literatur
pDas Naturgarten Handbuch für Praktiker
von Andreas Winkler und Hans C. Salz­
mann ( 1989), AT Verlag Aarau – Stuttgart
pGrün kaputt – Landschaft und Gärten der
Deutschen von Dieter Wieland, Peter M.
Bode und Rüdiger Disko (1983) Raben
Verlag München
p39 Gartenpläne für ein Stück Land von
C. Th. Sörensen (1979) Abakon Verlag
Lichterfelde
IGS 2013 - Hier komponiert die
Regionalgruppe SH
Andrea Stolz
D - 23701 ZarnekauEutin
3 04521- 74 3 64
[email protected]
Natur & Garten April 2015
39
Gestaltung im Naturgarten
Feng Shui im Garten
Inspiration für naturnahe Gestaltungen
Was ist Feng Shui?
Früher waren Feng Shui Meister Priester
und Ärzte in einer Person. Als Priester hat­
ten sie die Aufgabe, die sichtbaren und
unsichtbaren Zeichen und die positiven
Kräfte im Kosmos wahrzunehmen und zu
interpretieren. In ihrer Aufgabe als Ärzte
erspürten sie den Pulsschlag der Erde und
bestimmten den Ort, an dem der Mensch
das produktivste, ertragreichste und glück­
lichste Leben führen konnte und sie be­
stimmten die Orte, wo Bauten den Kreislauf
der Erde am wenigsten störten. In diesem
Sinn ist Feng Shui ein Teil der traditionellen
chinesischen Medizin (TCM), die sich über
Jahrtausende aus dem Gedankengut der
chinesischen Philosophie entwickelt hat
und deren Hauptaugenmerk auf den The­
men Heilung und Ordnung liegt.
„Wir sind nicht hier, um die Welt
in Ordnung zu bringen. Die Welt ist in
­Ordnung. Unsere Aufgabe ist es,
uns in diese Ordnung einzufügen.“
Henry Miller
Die grundlegenden Prinzipien entwickel­
ten sich durch die genaue Beobachtung
und die Analyse der Wechselwirkung (Re­
sonanzprinzip) zwischen dem Menschen
und seiner Umwelt. Im Kern dessen wird
davon ausgegangen, dass alles miteinan­
der in Verbindung und in gegenseitiger
Wechselwirkung steht und von der Lebens­
energie „Qi“ – bekannt aus der Akupunktur
– durchströmt wird, die überall um uns, in
jedem Wesen und jeder Zelle fließt und al­
les belebt und gestaltet.
„In der Natur ist alles mit allem
verbunden; alles durchkreuzt sich, alles
wechselt mit allem, alles verändert sich,
eines in das andere.“
Gotthold Ephraim Lessing
Ein Hauptanliegen des Feng Shui war und
ist es, diese Kräfte zu erkennen, zu deuten
und zu nutzen. Feng Shui gibt den Men­
schen Hilfestellungen, wie sie ein Leben auf
harmonische Weise mit ihrer Umwelt errei­
chen können. Gelingt es den Menschen,
sich in die Gesetzmäßigkeiten der Natur
einzufügen, erschaffen sie für sich und ihr
Umfeld die besten Voraussetzungen für
Gesundheit und Wohlstand. Ähnlich wie in
der TCM geht es auch im Feng Shui darum,
den Menschen in seiner Selbst-Heilung zu
unterstützen, wodurch er wieder zu seiner
Mitte finden- und sich der Zugang zu sei­
nem Potenzial entfalten kann.
So, wie in der TCM, gehören zum Hand­
werkszeug eines Feng Shui Beraters das
Wissen und der Umgang mit der Lebens­
energie Qi, die Lehre von Yin und Yang, die
Fünf-Elemente-Lehre, die BaGua u. a. Sie
alle sind als Hilfsmittel zu verstehen, Lö­
sungswege zu finden, die auf ganzheitliche
Weise den Bedürfnissen der Natur und des
Menschen gerecht werden.
Mikrokosmos Haus, Garten,
Firma … oder, wie der
Inhalt die Form bestimmt
Jedes Biotop, jedes Atom, alles, was sich
aus Teilen zusammenfügt, unterliegt einer
ihm gemäßen Ordnung. Ist diese Ordnung
gesund, stellt sich Harmonie ein. Harmonie
bedeutet Einklang oder Wohlklang und be­
schreibt das richtige Verhältnis aller Teile
zum Ganzen. Die BaGua stellt symbolisch
eine solche Ordnung dar, in der der Mensch
im Mittelpunkt seines Umfeldes steht und
auf alle Teile seines Lebens Einfluss nimmt.
Hier greift das Prinzip – wie Innen, so Au­
ßen – alles, was der Mensch denkt, fühlt
und tut, findet immer auch seinen Aus­
druck in seinem Umfeld (räumlich wie zwi­
schenmenschlich). Somit können, mit Hilfe
der BaGua, Dinge aus allen Bereichen des
Lebens auf das Lebensumfeld des Men­
schen übertragen- und Zusammenhänge
festgestellt werden. Letztendlich finden sie
über Farben, Formen und Materialien ihren
Ausdruck im räumlichen Umfeld.
Die acht Felder, welche sich um das Zent­
rum verteilen, werden den wichtigsten Be­
reichen unseres Lebens zugeordnet (Abb.:
Die BaGua). Sie tragen die Namen „Karriere“,
„Partnerschaft“, „Familie und Gesundheit“,
„Reichtum“, „Hilfreiche Freunde“, „Kinder
und Kreativität“, „Wissen“ und „Ruhm“. Diese
Begriffe sind allerdings eher Umschreibun­
gen, welche den Charakter der einzelnen
Qualitäten zum Ausdruck bringen. Die Ba­
Gua ist als energetisches, bewegliches Sys­
tem und nicht dogmatisch zu verstehen.
Ein Garten mit vielen Aufenthaltsmöglichkeiten und -qualitäten
(© Fotos: Klaus M. Auen und Pascal Manthey)
40 Natur & Garten April 2015
Gestaltung im Naturgarten
Die BaGua
Die Zuordnungen der einzelnen BaGua
Felder dienen dazu, eine Ist-Situation beim
Menschen, in Gebäuden oder Außenräu­
men aufzunehmen und zu erkennen, in
welchem „Zustand“ sich bestimmte Le­
bensbereiche zeigen (wie Innen, so Au­
ßen). Lebensphasen, Himmelsrichtungen,
Jahreszeiten, Farbqualitäten, Sinne, Or­
gansprache, Emotionen, und vieles mehr
werden in Beziehung gesetzt. Über das Ein­
bringen verschiedener Bausteine aus den
BaGua Feldern hat man die Möglichkeit,
Begebenheiten zu harmonisieren, Span­
nungen auf- oder abzubauen, zu lenken
und zu verbinden.
„Diese elementaren Gesetzmäßigkeiten
kann man nicht mit Logik entdecken,
­sondern nur mit Intuition und dem Gefühl
für die Ordnung, die sich hinter dem
­äußeren Erscheinungsbild verbirgt.“
Albert Einstein
Einblick in die Vorgehensweise
Im Mittelpunkt stehen der Mensch und der
Ort, mit dem der Mensch in direkter Bezie­
hung steht (Garten). Ähnlich wie bei der
konventionellen Bestandsaufnahme vor ei­
ner Gartengestaltung beschäftige ich mich
mit den Fragen „Wie fühlt sich das Gelän­
de an?“, „Wie ist der Energiefluss?“, “Was ist
vorhanden?“ und “Wo befindet sich was?“,
„Welche Mängel oder Potenziale hat ein
Ort?“, „Wo ist welche Aufenthaltsqualität?“.
Sind Disharmonien vorhanden, stimmen
die Proportionen? Ist die Nutzung einsei­
tig / ausgewogen, zu viel / zu wenig? Ist der
Ort in „seiner Ordnung“? Dies ist sozusagen
die Diagnose, die ich vor Ort vornehme.
In der Bauphase
Wesentlich bei der Aufnahme sind ein offe­
ner Geist, sowie die Bereitschaft, auf seine
Intuition zu hören und dieser zu folgen.
Dies bietet eine gute Voraussetzung, um
das Qi eines Ortes zu erspüren. Die Orts­
begehung ist dabei weit mehr als eine Be­
sichtigung. Man betrachtet jeden Bereich,
erspürt den Ort mit allen Sinnen und geht
mit ihm und mit allem Lebendigen in Kon­
takt. Beispielsweise werden bestehende
Bäume nicht bloß aufgenommen, sondern
vor Ort beurteilt, nach ihrer Ausstrahlung,
die von ihnen ausgeht und in wie weit sie
den Bauherrn unterstützen. Ebenso wird
auch der Lichteinfall und Schatten nicht
bloß berücksichtigt, sondern auch in seiner
Qualität erfasst. Das „Wie“ steht im Vorder­
grund. Wichtig ist es, sich bei der Aufnahme
viel Zeit zu lassen und insgesamt wertfrei
und ohne Vorbehalte vorzugehen.
Ganz essentiell ist es ebenso, stets mit den
Bewohnern / Nutzern des Ortes in Verbin­
dung zu sein. Wie nehmen sie ihren Ort
wahr, wie fühlen sie sich? Die Stichworte,
wie – der Ort ist – freundlich, hell, dunkel,
langweilig, unheimlich etc. geben wertvol­
le Informationen über Aspekte, die über die
Gestaltung harmonisiert, gemildert oder
verstärkt werden können.
So konkretisieren sich vor Ort meist erste
Gestaltungsideen. Sie sind mit der Über­
legung eng verknüpft, zuerst für evtl. be­
stehende Ungleichgewichte Ausgleich
zu schaffen. Gewisse Hilfsmittel (wie die
BaGua) helfen zusätzlich, Kreativität zu
entfalten. Die BaGua oder die Fünf-Elemen­
te-Lehre zeigen, wie das eine mit dem an­
deren in Beziehung steht. Das gibt weitere
Gestaltungsideen.
Auf diese Weise wird im Feng Shui nicht
nur die Intuition genutzt, sondern sie kann
auch erklärt werden. Warum etwas intuitiv
erlebt „in eine Landschaft passt oder nicht“
ist über das Feng Shui-Wissen erklärbar
und damit fällt es leichter, einem Kunden
zu transportieren, weshalb welches Gestal­
tungselement Sinn macht und welche Wir­
kung eine andere Gestaltung in Bezug auf
das Gewünschte haben kann.
Alle Bauvorschriften und Sicherheitsbe­
dingungen werden im Feng Shui ebenso
berücksichtigt. Das Funktionale steht nicht
für sich alleine da, sondern in Verbindung
mit allen anderen Aspekten. Die Betrach­
tung ist ganzheitlich. Alles wird als Teil des
Ganzen gesehen. Die funktionalen und
emotionalen (ästhetischen) Aspekte wer­
den zusammengebracht, so dass ein har­
monisches Ganzes entsteht. Ziel ist es, eine
Ausgewogenheit zu erreichen, indem un­
terschiedliche Aspekte gezielt eingebracht
und Einseitigkeiten vermieden werden,
ganz unabhängig von der Stilrichtung, die
sich der Bauherr wünscht.
Khristin D. Randazzo
holicon – holistic concepts®
D - 53844 Troisdorf
[email protected]
Pascal Manthey, M.Sc.
Gartenplaner und
Feng Shui Berater
D - 53123 Bonn
[email protected]
Natur & Garten April 2015
41
Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün
Ex situ-Kulturen
gefährdeter Wildpflanzen
Ein Mittel zur Erhaltung
der biologischen Vielfalt
E
ine Ex situ- bzw. Erhaltungskultur,
die Begriffe werden oft synonym
verwandt, ist eine Population eines
einheimischen Pflanzentaxons (Art, Unter­
art etc.) regionaler Wildherkunft in einem
Garten. Ziel ist es, das Aussterben dieser
Population zu verhindern und dabei die
genetische Vielfalt ebenso zu erhalten wie
die Anpassungsfähigkeit an sich ändernde
Umweltbedingungen. Erhaltungskulturen
können und dürfen den Artenschutz am
Naturstandort nicht ersetzen, dieser hat
immer höchste Priorität. Jedoch können
Erhaltungskulturen, die Einlagerung von Sä­
mereien in Saatgutbanken und Wiederan­
siedlungen ergänzende Artenschutzmaß­
nahmen sein, insbesondere dann, wenn der
Naturstandort z. B. durch Baumaßnahmen
akut von Vernichtung bedroht ist. Die Pflan­
zen aus den Erhaltungskulturen im Garten
können darüber hinaus für wissenschaftli­
che Studien und Öffentlichkeitsarbeit ver­
wendet werden, so dass die gefährdeten
Wildpopulationen entlastet werden.
Eingepackte Blütenstände von Scabiosa
­canescens zum Schutz vor Fremdbestäubung
(Foto: Dr. Michael Burkart)
42 Natur & Garten April 2015
Erhaltungskultur einer gefährdeten Wildpopulation der seltenen Pfingst-Nelke
(Dianthus gratianopolitanus) im Botanischen Garten der Universität Potsdam
(Foto: Dr. Daniel Lauterbach)
Im Rahmen der Globalen Strategie zur Er­
haltung der Pflanzen (GSPC, www.cbd.int/
gspc/), einem international verbindlichen
Dokument, hat sich Deutschland verpflich­
tet, für die Erhaltung wildlebender Pflanzen
Sorge zu tragen. Die AG Erhaltungskulturen
des Verbandes Botanischer Gärten koordi­
niert die Ex situ-Aktivitäten zahlreicher Bo­
tanischer Gärten und weiterer Akteure in
Deutschland (Burkart & von den Driesch
2006; www.ex-situ-erhaltung.de).
Es gibt verschiedene Formen der Ex situKultivierung, die Topfkultur, die Beetkultur
und die naturnahe Biotopkultur. Die Topf­
kultur eignet sich nur für sehr kurze Zeit­
räume und experimentelle Ansätze. Am
verbreitetsten ist die Beetkultur. Hier lassen
sich relativ hohe Individuenanzahlen auf
kleiner Fläche kultivieren. Bei der Biotop­
kultur werden mehrere Arten einer Lebens­
gemeinschaft unter naturnahen biotischen
(Konkurrenz, Mykorrhiza) und abiotischen
(Substrat, Wasserversorgung) Bedingun­
gen kultiviert. Hier ist sicherlich der „gärtne­
rische“ Einfluss am geringsten, jedoch kön­
nen besonders konkurrenzschwache Arten
auch schnell im Biotopbeet verlorengehen.
Hybridisierungsgefährdete Gattungen (z. B.
Pulsatilla, Dianthus) und verschiedene geo­
grafische Herkünfte einer Art sollten gegen
Fremdbestäubung geschützt werden bzw.
kontrolliert bestäubt werden, sofern durch
Samen vermehrt werden soll, zum Beispiel
für Wiederansiedlungen und Populations­
stützungen.
Aus dem Material in Erhaltungskulturen
und Saatgutbanken können bei Bedarf
Wiederansiedlungen und Stützungen von
wildlebenden Populationen durchgeführt
werden. Solche Maßnahmen dürfen jedoch
nur in Absprache mit den zuständigen Na­
turschutzbehörden erfolgen und müssen
gut dokumentiert werden. Dazu gehört
auch ein längerfristiges Monitoring. Erfolg­
Klimawandel in Naturgärten und Öffentlichem Grün
reich sind sie nur dann, wenn die Pflanzen
sich reproduzieren und sich nachfolgende
Generationen etablieren können. Geeig­
nete Lebensbedingungen für die jeweilige
Art sind der entscheidende Faktor für den
Erfolg. Bei Wiederansiedlungen ist nur ge­
bietseigenes Saat- und Pflanzgut zu ver­
wenden. Gut gemeinte Versuche, die Land­
schaft mit „Bunten Blumenmischungen“
aufzuwerten, können auch negative Effek­
te auf gebietseigene Populationen haben
(Frank & John 2007).
Die Ex situ-Kultivierung birgt auch verschie­
dene Risiken wie genetische Veränderun­
gen (Inzucht, genetische Drift etc.) der Po­
pulationen (Guerrant et al. 2004). Fallstudien
konnten belegen, dass es bereits nach we­
nigen Generationen zu einer genetischen
Abweichung und Verlust an genetischer
Vielfalt von Gartenkulturen kommen kann
(Lauterbach et al. 2012; Lauterbach 2013).
Auch die Fähigkeit der Keimruhe (Dormanz)
von Sämereien, welche eine wichtige Funk­
tion zur Risikostreuung unter ungünstigen
Bedingungen darstellt, kann innerhalb
weniger Generation ausselektiert werden
(Enßlin et al. 2011). Die Samen keimen dann
zu hohen Anteilen in der ersten Saison, das
freut den Gärtner, aber die Anpassungsfä­
higkeit der Population an unterschiedliche
Umweltbedingungen (z. B. trockene Jahre)
geht verloren. Daher sind die repräsenta­
tive Besammlung des Ausgangsmaterials
(ENSCONET 2009), große Populationsgrö­
Beetkultur von Trollius europaeus
(Foto: Dr. Daniel Lauterbach)
ßen (mind. 50 Individuen, besser 200) und
die Vermeidung „gärtnerischer“ Selektion
sowie die Verhinderung von Hybridisierung
besonders zu beachten. Unter Berücksichti­
gung dieser Faktoren können Ex situ-Kultu­
ren einen wertvollen Beitrag zur Erhaltung
der biologischen Vielfalt leisten.
In einem bundesweiten Verbundprojekt
für 15 Wildpflanzenarten, für die Deutsch­
land im Rahmen des Bundesprogramms
„Biologische Vielfalt“ eine besondere Ver­
antwortung übernommen hat, wird ein
Schutzprogramm mit verschiedenen Er­
haltungsstrategien aufgebaut (www.wild­
pflanzenschutz.de).
Literatur:
pBurkart, M., von den Driesch, M. (2006):
Global denken, regional handeln: Schutz
der heimischen Wildpflanzen in bota­
nischen Gärten. Palmengarten 70(2):
146 –157.
pENSCONET (2009): ENSCONET Anleitung
zum Sammeln von Wildpflanzensamen.
http://ensconet.maich.gr/PDF/Collec­ting
_protocol_German.pdf
(Zugriff 15.05.2013).
p
Enßlin, A., Sandner, T.M., Matthies, D.
(2011): Consequences of ex situ cultiva­
tion of plants: Genetic diversity, fitness
and adaptation of the monocarpic Cyno­
glossum officinale L. in botanic gardens.
– Biological Conservation 144: 272 – 278.
pFrank, D., John, H. (2007): Bunte Blumen­
wiesen – Erhöhung der Biodiversität oder
Verstoß gegen Naturschutzrecht? Mittei­
lungen aus der floristischen Kartierung
Sachsen-Anhalt 12: 31– 45.
p
Guerrant, E. O., Havens, K., Maunder,
M. (2004): Ex situ plant conservation:
supporting species survival in the wild.
­Island Press, 536 p., Washington.
pLauterbach, D., Burkart, M., Gemeinhol­
zer, B. (2012): Rapid genetic differenti­
ation between ex situ and their in situ
source populations: an example of the
endangered Silene otites (Caryophylla­
ceae). – Botanical Journal of the Linnean
Society 168: 64 – 75.
p
Lauterbach, D. (2013) Ex situ-Kulturen
gefährdeter Wildpflanzen – Populations­
genetische Aspekte und Empfehlungen
für Besammlung, Kultivierung und Wie­
derausbringung. ANLiegen Natur 35(2):
32 – 39.
• • • • • • •
•
•
•
Dr. Daniel Lauterbach
Botanischer Garten der ­Universität Potsdam
D - 14469 Potsdam, 3 0331 977 1971
[email protected]
 www.botanischer-garten-potsdam.de
Natur & Garten April 2015
43
Tiere im Naturgarten
Von Baumeistern, Blumenschläfern
und Pollensammlern
Eine Reise in die faszinierende Welt der heimischen Wildbienen
Die Salbei-Schmalbiene (Lasioglossum
­xanthopus) ist vielfach bei der Pollenernte an
Wiesen-Salbei (Salvia pratensis) zu beobachten.
Ein Weibchen der Gehörnten Mauerbiene
­(Osmia cornuta) mit pollengefüllter Bauch­
bürste beim Anflug an das Nest in einem
Bambusröhrchen.
Die Zweifarbige Schneckenhaus-Mauerbiene
(Osmia bicolor) nistet in leeren Gehäusen von
Schnirkelschnecken. Hier beklebt ein Weibchen
das Haus mit zerkauten Blättchen, einer Art
Pflanzenmörtel.
D
ie landläufige Vorstellung davon,
was eine Biene ist, wird immer
noch von der Honigbiene derart
bestimmt, dass es vielen Menschen schwer
fällt, außer dieser Hausbiene des Imkers
auch noch andere Insekten als Bienen zu
bezeichnen. Tatsächlich wurden aber bis­
lang weltweit mehr als 17.000 Bienenarten
beschrieben. Da diese fast durchweg wild­
lebend sind, nennen wir sie Wildbienen.
Dies ist kein Begriff der zoologischen Ter­
minologie, sondern dient der begrifflichen
Abgrenzung von der Honigbiene, der Nutz­
biene schlechthin. In Deutschland wurden
ca. 560 Arten von Wildbienen bekannt, 41
Arten von Hummeln und Schmarotzer­
hummeln eingeschlossen. Im Hinblick auf
Größe, Farbe und Behaarung gibt es gro­
ße Unterschiede. So ist z. B. die Sand-Step­
penbiene (Nomioides minutissimus) nur
ca. 4 mm groß, während die Blauschwarze
Holzbiene (Xylocopa violacea) eine nahe­
zu zehnfache Körperlänge erreicht. Es gibt
schwarze, rote, gelb-schwarze, bläuliche
und grünlich gefärbte Arten, pelzig dicht
behaarte ebenso wie nahezu unbehaarte
und solche mit leuchtend weißen Schup­
44 Natur & Garten April 2015
penhaaren. Erkennen können wir die zu
den Hautflüglern zählenden Wildbienen
neben bestimmten Körpermerkmalen (z. B.
Fühlerlänge, zwei Paar durchsichtige Flü­
gel, Wespentaille) an typischen Verhaltens­
weisen, mit etwas Übung auch am Flug, am
ehesten fallen die mit gesammeltem Pollen
beladenen Weibchen auf.
Die Vielfalt der Lebensweisen der Wildbie­
nen ist fast unüberschaubar. Es gibt nest­
bauende und parasitische Arten und unter
den nestbauenden solitäre und soziale. Die
meisten Wildbienen leben solitär, d. h. je­
des Weibchen baut sein Nest und versorgt
seine Brut für sich allein, ohne Mithilfe von
Artgenossen. Eine charakteristische Solitär­
biene ist die Gehörnte Mauerbiene (Osmia
cornuta). Bei den wegen der dichten Behaa­
rung oft mit kleinen Hummeln verwechsel­
ten Weibchen ist der Hinterleib leuchtend
rostrot. Die ebenfalls pelzigen, aber etwas
kleineren Männchen erkennt man leicht an
ihrer weißen Gesichtsbehaarung. Nur die
Weibchen haben am Vorderkopf zwei klei­
ne, zwischen den Haaren versteckte Hörn­
chen (Name!). Die völlig friedfertige Mau­
erbiene kommt vor allem in Dörfern und
Städten vor, wo Hohlräume an Gebäuden
die benötigten Nistplätze und frühblühen­
de Bäume ein reiches Nahrungsangebot lie­
fern. An sonnigen Frühlingstagen sieht man
die Mauerbienen schon ab 10 °C Lufttempe­
ratur sogar mitten in Großstädten beim Be­
such der Primeln und Hyazinthen vor den
Blumenläden und auf Wochenmärkten.
Bei den einzeln lebenden Bienen baut und
versorgt ein Weibchen im Laufe seines vierbis achtwöchigen Lebens ganz allein 4 – 30
Brutzellen. Stets wird eine Zelle fertigge­
stellt, bevor mit der nächsten begonnen
wird. In jeder wird zunächst ein Gemisch
aus Pollen und Nektar deponiert. Dann wird
auf diesen Futtervorrat ein Ei gelegt und die
Zelle verschlossen. Das eiweißreiche Futter
reicht für eine Larve, die es in 3 – 4 Wochen
verzehrt und sich dann bis zur fertigen Bie­
ne weiterentwickelt. Das Weibchen stirbt,
bevor seine Nachkommenschaft voll ent­
wickelt ist und meist erst Monate später
schlüpft. Männchen entstehen wie bei allen
Bienen aus unbefruchteten, Weibchen aus
befruchteten Eiern.
Tiere im Naturgarten
Nach dem Verzehren des Futters spinnt die
Larve einen Kokon, in dem sie sich verpuppt
und sich noch im Sommer zur adulten Bie­
ne entwickelt. Herbst und Winter werden
als Vollinsekt (Imago) überdauert. Im nächs­
ten Frühling verlassen zuerst die Männchen
und dann die Weibchen ihr Nest, nachdem
sie in Kokon, Querwände und Lehmpropfen
ein Schlupfloch genagt haben. Die Gehörn­
te Mauerbiene hat somit einen einjährigen
das zunächst wie eine solitäre Biene arbei­
tet und alle notwendigen Funktionen des
Nestbaus, des Eierlegens, des Futtersam­
melns und der Versorgung der Larven über­
nimmt. Später, wenn die Töchter schlüpfen,
beginnt das eigentliche Staatenleben, das
Arbeitsteilung zwischen der Nestgründe­
rin (Königin) und den Arbeiterinnen ein­
schließt. Solche Staaten brechen meist
mit der Erzeugung von Geschlechtstieren
– u. a. in abgestorbenem Holz, in markhal­
tigen, dürren Pflanzenstängeln, in leeren
Schneckenhäusern, in Fraßgängen anderer
Insekten oder an Felsen. Fast drei Viertel der
Arten nisten in der Erde. Viele Bienenarten
verwenden für die Auskleidung ihrer Brut­
zellen bestimmte Sekrete, die in speziellen
Drüsen produziert werden. Bei Hummeln
und Honigbienen heißt das Produkt dieser
Drüsen Wachs. Einige Mauerbienen, Sche­
Die mit der Honigbiene nah verwandten Hummeln gehören ebenfalls zu den Wildbienen.
Das Bild zeigt eine Königin der Baumhummel
(Bombus hypnorum) im Nest mit Arbeiterinnen.
Ein Weibchen der Garten-Wollbiene (Anthidium
manicatum) gewinnt von einer Strohblume
(Helichrysum) Pflanzenhaare für den Nestbau.
Lebenszyklus und nur eine Generation pro
Jahr. Den größten Teil des Jahres vollzieht
sich die Entwicklung im Nest, vor unseren
Augen verborgen.
Zu den sozialen Wildbienen, die nur 5 %
der nestbauenden Bienen stellen, gehören
außer einigen Furchen- und Schmalbie­
nen auch die Hummeln, die in einjährigen
Staaten leben. Sie bestehen aus zwei oder
mehr Weibchen, die in einem Nest zusam­
menleben und sich unterscheiden lassen
in (1) eine bis viele Arbeiterinnen, die den
Hauptteil der Sammeltätigkeiten ausfüh­
ren, sich um die Brut kümmern und das
Nest bewachsen und in (2) eine Königin, die
gewöhnlich begattet ist, und den größten
Teil der Eier legt.
Während sich bei der Honigbiene mit ihrem
besonders hoch entwickelten Staatenleben
Königin und Arbeiterinnen auch im Körper­
bau stark unterscheiden, sind diese Kasten
bei den Schmalbienen (Lasioglossum) und
Hummeln (Bombus teilweise) einander
sehr ähnlich. Meistens werden die Staaten
von einem einzelnen Weibchen gegründet,
Männchen der langrüsseligen Frühlings-­
Pelzbiene (Anthophora plumipes) beim Besuch
des Blaukissens (Aubrieta deltoidea).
(Jungköniginnen, Männchen) zusammen
und sind daher vergleichsweise kurzlebig
(meist eine Vegetationsperiode).
Die parasitischen Bienen oder „Kuckucks­
bienen“, in der heimischen Fauna ca. 25 %
der Arten, sind Brutparasiten, die die Brut­
fürsorgeleistungen anderer Bienen ausnut­
zen. Sie bauen wie die sozialparasitischen
Hummeln keine eigenen Nester und ver­
proviantieren auch keine eigenen Brutzel­
len mit Pollen. Sie schmuggeln ihre Eier in
die Brutzellen ihrer Wirte. Die Schmarotzer­
larve vernichtet zuerst das Wirtsei oder die
junge Wirtslarve und macht sich dann über
den Futtervorrat her.
Die Nestbauten der Bienen sind im Tier­
reich einzigartig. Das Nest ist ein von den
Bienen konstruierter Bau, in dem die Eier
abgelegt werden und die Brut aufgezogen
wird. Grundelemente des Nestes sind die
Brutzellen. Sie sind fast immer abgegrenzte
und durch Trennwände isolierte Kammern,
in denen die gesamte Entwicklung vom Ei
bis zum Vollinsekt verläuft. Bienennester
findet man – von Art zu Art verschieden
ren- und Mörtelbienen verwenden mine­
ralische Baustoffe (Lehm, Sand, Steinchen).
Pflanzliches Material hingegen nutzen Wollund Harzbienen, Löcher und Blattschnei­
derbienen sowie Holz- und Keulhornbie­
nen. Bei ihnen finden wir Ausschnitte von
Laubblättern, Stücke von Blütenblättern,
breiartig zerkleinerte Blattstücke (Pflanzen­
mörtel), abgeschabte Pflanzenhaare, kurze
Holzfasern, Markpartikel und Baumharz.
Immer sind die Arten auf die jeweiligen
Baustoffe spezialisiert.
Bienen sind ohne Blüten nicht vorstellbar.
Manchen Arten dienen sie als Baustofflie­
ferant. Glockenförmige Blüten werden bei
Regenwetter zum Schutz und am Abend
regelmäßig zum Schlafen aufgesucht. Der
Hauptzweck des Blütenbesuchs ist aber
die Nutzung spezifischer Blütenprodukte,
durch die Bienen angelockt werden. Da ist
einerseits der zuckerhaltige Nektar, der den
adulten Insekten als Treibstoff für den Flug
dient, teilweise aber auch der Larvennah­
rung hinzugefügt wird, andererseits der ei­
weißreiche Pollen, der gesammelt und bei
den meisten Bienenarten für die Ernährung
Natur & Garten April 2015
45
Tiere im Naturgarten
der Larven benötigt wird. Wenige Pflanzen­
arten – in Mitteleuropa Gilbweiderich-­Arten
(Lysimachia) – enthalten in ihren Blüten an
Stelle des Nektars fette Öle, die von den
Weibchen der Schenkelbienen (Macropis)
zur Auskleidung der Brutzellen geerntet
und dem Larvenfutter beigemischt wird.
Beim Pollensammeln nutzen manche Bie­
nenarten entweder ein breites Spektrum
von Pflanzenarten oder sie beschränken
oligolektischer Bienenarten zu insgesamt
26 Pflanzenfamilien. In der Regel sind die
Blühzeiten der spezifischen Pollenquellen
mit den Flugzeiten der entsprechenden oli­
golektischen Arten synchronisiert, die da­
her meist nur eine Generation besitzen. Auf
Weiden (Salix) spezialisierte Arten wie die
Große Weiden-Sandbiene (Andrena vaga)
fliegen daher im Frühling, während das
Gegenstück zu ihr, die Efeu-Seidenbiene
(Colletes hederae) aufgrund ihrer Bindung
an Efeu (Hedera) erst im Spätsommer und
erbiene (Osmia bicornis), von der Vertreter
von 18 Pflanzenfamilien als Pollenquellen
belegt sind oder die Gelbfüßige Sandbiene
(Andrena flavipes), von der bisher Vertreter
von 17 Pflanzenfamilien als Pollenquellen
bekannt wurden. Auf alle nestbauenden
Bienen bezogen überwiegt der Anteil der
polylektischen Arten gegenüber den oligo­
lektischen.
Die Sand-Steppenbiene (Nomioides minutissimus) ist mit 4 – 5 mm eine der kleinsten heimischen Wildbienen. Hier auf dem Blütenstand
des Sand-Thymians (Thymus serpyllum).
Wespenbienen wie Nomada melathoracica
bauen keine eigenen Nester, sondern ent­
wickeln sich als Futterparasiten in den Nestern
ihrer Wirte, meistens Sandbienen (Andrena).
Manche Wildbienen nisten ausschließlich in
markhaltigen Stängeln wie z. B. einer Königskerze. Hier ist ein Weibchen der Dreizahn-Mauerbiene (Osmia tridentata) dabei, einen Gang
in das Mark zu nagen.
sich auf wenige und immer wieder diesel­
ben Pflanzenarten. Wenn sämtliche Weib­
chen im gesamten Verbreitungsgebiet auch
beim Vorhandensein anderer Pollenquellen
ausschließlich Pollen einer Pflanzenart oder
nah verwandter Pflanzenarten sammeln,
nennen wir sie oligolektisch. Da sich die
Spezialisierung immer auf das Pollensam­
meln bezieht, können wir bei oligolekti­
schen Bienen auch von Pollenspezialisten
sprechen. Die Oligolektie ist im Normalfall
auf Arten einer oder mehrerer Pflanzen­
gattungen oder auf eine Pflanzenfamilie
beschränkt. Von den ca. 419 nestbauenden
Bienenarten Deutschlands sind 117 (ca.
30 %) oligolektisch. Auf den mitteleuropäi­
schen Raum bezogen gibt es Beziehungen
Herbst aktiv ist. So kann man zu jeder Jah­
reszeit unterschiedliche Arten beobachten,
so dass im gleichen Lebensraum sich etwa
alle vier Wochen die Zusammensetzung
der Arten ändert.
Arten, die sich beim Pollensammeln oppor­
tunistisch verhalten und keine Bindung an
bestimmte Pflanzenarten haben, nennen
wir polylektisch. Man kann sie auch als
Pollengeneralisten bezeichnen. Unter den
Wildbienen gibt es ausgesprochene Pol­
lengeneralisten wie z. B. die Rostrote Mau­
Die meisten insektenblütigen Pflanzen sind
auf Wildbienen als Pollenüberträger ange­
wiesen. Diese Hautflügler ernähren sich
nicht nur als adulte Insekten von Pollen
und Nektar, diese Blütenprodukte werden
von den nestbauenden Arten auch zur Ver­
sorgung ihrer Brut ausgiebig gesammelt.
Deshalb sind viel mehr Blütenbesuche als
zur Eigenversorgung nötig. Gerade das
macht Wildbienen im Vergleich zu anderen
blütenbesuchenden Insekten zu besonders
effizienten Bestäubern nicht nur von Wild­
kräutern, sondern auch von Nutzpflanzen
wie Obstbäumen, Beerensträuchern und
Feldfrüchten. Gute Beispiele sind die Saat­
gutproduktion und die Pflanzenzüchtung,
für die weltweit zunehmend Wildbienen
eingesetzt werden. Häufig werden seit eini­
gen Jahren Erdhummeln (Bombus terrestris)
in Gewächshäusern für die Bestäubung von
Nest der Gehörnten Mauerbiene (Osmia cornuta) mit acht Brutzellen in einem Bambusröhrchen. Jede der durch Querwände aus Lehm getrennten
Zellen enthält den pollenreichen Larvenvorrat und ein Ei.
46 Natur & Garten April 2015
Tiere im Naturgarten
Tomaten verwendet. Ihr Einsatz ist aller­
dings umstritten, da entflogene reproduk­
tionsfähige Hummeln sich mit lokalen Po­
pulationen vermischen und deren Erbgut
verändern können. In den USA, in Kanada
und in einigen anderen Ländern wird die
Luzerne-Blattschneiderbiene (Megachile
rotundata) in riesiger Zahl vermehrt und in
speziellen Nistanlagen zu den Luzernefel­
dern gebracht, damit sie dort ihrer Bestäu­
bungstätigkeit nachgehen kann.
in der Landschaft durch Straßen- und Sied­
lungsbau, vor allem aber durch die immer
intensivere Landwirtschaft beeinträchtigen
oder schädigen seit fünf Jahrzehnten die
Bestände der Wildbienen. Die Qualität der
Äcker und Wiesen als Nist- bzw. Nahrungs­
raum hat sich im Vergleich zur früheren Situ­
ation derart verschlechtert, dass heute nur
noch Fragmente des früheren Artenreich­
Viele Wildbienenarten sind wichtige Bestäuber
von Wildpflanzen wie die Lappländische Sandbiene (Andrena lapponica), hier beim Besuch
der Heidelbeerblüte
und Böschungen, Lesesteinhaufen, kleine
Steilwände und Löss-Hohlwege, vegeta­
tionsarme Erdwege oder lückige Ruderal­
stellen als Nist- oder Nahrungsplätze („Öd­
land“) angewiesen sind.
Wirksame Maßnahmen zur Förderung und
zum Schutz der Wildbienen, insbesondere
der gefährdeten Arten, sind also dringend
erforderlich. Jeder kann hierzu seinen eige­
nen Beitrag leisten.
Männchen der Mai-Langhornbiene (Eucera
nigrescens) mit charakteristisch langen Fühlern.
Nest der im Erdboden nistenden staatenbildenden Pförtner-Schmalbiene (Lasioglossum
malachurum) mit Larvenvorrat, Ei und Larven
in den fünf Brutzellen.
Nicht nur unzählige Pflanzen brauchen
Wildbienen als Bestäuber, auch Vertreter
verschiedenster anderer Organismengrup­
pen (u. a. bestimmte Käfer, Schmetterlinge,
Fliegen, Schlupfwespen, Goldwespen, Vö­
gel) leben von ihnen oder entwickeln sich
in ihren Nestern. Viele dieser Organismen
sind derart spezialisiert, dass sie ohne ganz
bestimmte Bienenwirte überhaupt nicht
existieren können. Die Erhaltung und För­
derung von Wildbienen ist somit die Vor­
aussetzung für die Bestandssicherung auch
dieser Lebewesen.
Da die meisten Wildbienen in der Wahl des
Nistplatzes, des Baumaterials und der Nah­
rungspflanzen spezialisiert sind, reagieren
sie besonders empfindlich auf Beeinträchti­
gungen ihres Lebensraumes. Dies ist einer
der Gründe für die mittlerweile hohe Zahl
gefährdeter Arten. Menschliche Aktivitäten
tums in der Agrarlandschaft vorhanden
sind. Wichtige Bienenlebensräume waren,
bzw. sind z. B. ein- bis zweischürige Wiesen
trockenwarmer oder frischer Standorte in
der Ebene oder im Hügelland (FFH-Lebens­
raumtyp „Magere Flachland-Mähwiesen“),
in Hütehaltung beweidete Kalk-Magerrasen
(u. a. „Wacholderheiden“ Süddeutschlands),
Calluna-Heiden des Flachlandes und Berg­
heiden der Mittelgebirge sowie Äcker mit
charakteristischer Segetalflora (vor allem in
den Sandgebieten). Das lokale Verschwin­
den einer Pflanzenart bedeutet bei den
Pollenspezialisten oft, dass deren Bestand
erlischt. Die Zerstörung einer Steilwand
führt zum Erlöschen von Arten, die vertika­
le Strukturen als Nistplatz benötigen. Nach
der aktuellen Roten Liste ist mit 293 Arten
über die Hälfte der heimischen Bienenarten
(52 %) mehr oder weniger im Bestand be­
droht. 39 Arten gelten in Deutschland be­
reits als ausgestorben. Besonders kritisch ist
die Bestandssituation solcher Arten, die auf
die immer seltener werdenden landwirt­
schaftlich nicht genutzten Kleinstrukturen
in der Feldflur wie Wegränder, Stufenraine
Literatur:
pWestrich, P., Frommer, U., Mandery, K., Rie­
mann, H., Ruhnke, H., Saure, C., & Voith, J.
(2012): Rote Liste und Gesamtartenlis­
te der Bienen (Hymenoptera, Apidae)
Deutschlands. 5. Fassung, Stand Februar
2011. – Naturschutz und Biologische Viel­
falt 70 (3), 2012 (2011), S. 373–416. Bun­
desamt für Naturschutz.
pWestrich, P. (2014): Wildbienen – Die an­
deren Bienen. 4. Aufl., 168 S., 471 Farb­
fotos, Dr. F. Pfeil Verlag, München.
pDipl.-Biol. Dr. Paul Westrich, Institut für
Biologie und Naturschutz, Raichbergstr.
38, D-72127 Kusterdingen. [email protected]
Dr. Paul Westrich,
Wildbienenexperte und
­Buchautor, Institut für Bio­
logie und Naturschutz
D - 72127 Kusterdingen
[email protected]
 www.wildbienen.info
Natur & Garten April 2015
47
Tiere im Naturgarten
Bunte Wiesen bieten vielen Wildbienenarten ein reiches Nahrungsangebot.
Wie können wir Wildbienen
im Naturgarten fördern?
W
ildbienen kann man vom zeiti­
gen Frühjahr bis zum Herbst in
den unterschiedlichsten Lebens­
räumen antreffen, im kühlen Moor ebenso
wie auf einem trocken-heißen Felshang.
Auch in Hausgärten kann eine ganze Reihe
von Arten leben, vorausgesetzt, sie finden
dort vor, was sie für den Nestbau und für
die Versorgung ihrer Nachkommenschaft
benötigen. Naturgärten bieten schon allein
aufgrund ihrer Ausrichtung auf naturnahe
Verhältnisse prinzipiell gute Vorausset­
Ein Bestand des Rainfarns (Tanacetum vulgare)
neben der Garage fördert die Buckel-Seidenbiene (Colletes daviesanus) und andere an
Korbblütler gebundene Wildbienen.
48 Natur & Garten April 2015
zungen für die Förderung verschiedener
Wildbienenarten. In diesem Beitrag sollen
einige grundsätzliche Hinweise gegeben
werden, auf was zu achten ist, wenn man
Wildbienen in den eigenen Garten locken
bzw. dort ansiedeln will.
Der anhaltend starke Rückgang vieler Bie­
nenarten in den vergangenen Jahrzehnten
erfordert wirksame Maßnahmen zu ihrem
Schutz, der vor allem ihren Lebensräumen
gelten muss. Wildbienen stellen von Art zu
Art aber ganz unterschiedliche Ansprüche
an ihre Lebensräume. Daher ist das Spekt­
rum der Arten nicht überall gleich. Grund­
sätzlich muss der Lebensraum einer Wild­
biene folgende Bedingungen erfüllen:
pEr muss den von der Art benötigen Nist­
platz aufweisen.
pEr muss Nahrungspflanzen in ausreichen­
der Menge enthalten.
p
Bei zahlreichen Arten muss außerdem
das für den Bau der Brutzellen erforder­
liche Baumaterial zur Verfügung stehen.
Der Gesamtlebensraum kann sich aus meh­
reren Teillebensräumen zusammensetzen,
Die Rainfarn-Seidenbiene (Colletes similis)
bei der Pollenernte auf dem Blütenstand des
Rainfarns (Tanacetum vulgare).
die jeweils als Nistplatz, Nahrungsraum
oder Materialentnahmestelle dienen, sich
räumlich aber oft nicht decken. Deshalb ist
deren Verbund in erreichbarer Entfernung
ausschlaggebend. Letztlich gilt dies auch
für alle Maßnahmen im Naturgarten, denn
dieser kann einerseits als Teillebensraum
fungieren und z. B. „nur“ als Nahrungsraum
für Nahrungsgäste dienen, er kann aber
durchaus auch Gesamtlebensraum sein,
wenn alle Ansprüche erfüllt sind. Bei kleine­
ren Gärten lässt sich dieses Ziel aber nicht
immer erreichen.
Während eine ganze Reihe typischer Wild­
bienen-Lebensräume nur durch die Auswei­
sung von Naturschutzgebieten gesichert
werden kann (Binnendünen, Magerrasen,
Sandheiden, Felsfluren, Steinbrüche, Groß­
röhrichte, aufgelassene Sand- Kies- und
Tiere im Naturgarten
Lehmgruben), lassen sich viele Wildbienen
aber durchaus auch am Haus und im Garten
fördern. In der Regel zielen die unterschied­
lichen Maßnahmen auf die Bereitstellung
von Nistmöglichkeiten und bzw. oder die
Bereicherung des Nahrungsangebots ab.
Mit der Schaffung von Wohnraum für Wild­
bienen (und verwandten Hautflüglern),
sogenannten Nisthilfen, können vom Früh­
jahr bis zum Herbst nicht nur verschiedene
Arten als Besiedler angelockt, sondern auch
allerlei Beobachtungen angestellt werden.
Dies gilt für alle Altersstufen. Kindern bietet
sich hier eine besonders gute Möglichkeit,
faszinierende Phänomene aus allernächs­
ter Nähe zu beobachten. Nisthilfen können
wir schaffen für Bewohner vorhandener
Hohlräume, für Bewohner von Totholz und
Morschholz, für Bewohner markhaltiger
Stängel, für Bewohner von Steilwänden
und für im Erdboden nistende Arten. Spezi­
elle Hummelkästen können auch Hummeln
zum Nisten anregen. Wir müssen uns stets
an den natürlichen Ansprüchen der Arten
orientieren, um erfolgreich zu sein. Dies ist
leider vielfach nicht der Fall, wie unzählige
Fotos im Internet oder dem Verfasser zuge­
schickte Bilder zeigen. Bedauerlicherweise
gibt es unzählige Beispiele für untaugliche
Nisthilfen, die es auch in Internetshops
oder in Baumärkten zu kaufen gibt. In der
Mehrheit der Fälle nennen sie sich „Insek­
tenhotel“ oder „Wildbienenhotel“, Begriffe,
die aus Sicht der Arten, die hier angeblich
gefördert werden sollen, falsch sind. Die
zu fördernden Arten nutzen die Objekte ja
nicht als kurzfristige Übernachtungs- oder
Rückzugsmöglichkeit, sondern brauchen
nach Abschluss des Brutzellenbaus manch­
mal bis zu zwei Jahre für ihre Entwicklung.
Der Begriff „Hotel“ vermittelt daher ein fal­
sches Bild. Auch wir Menschen würden ja
als Gast in einem Hotel nicht Möbelstücke
nach draußen befördern, putzen, Zimmer
tapezieren, Wände hochziehen oder Türen
einbauen. All dies machen aber die Weib­
chen, die die Nisthilfen für ihre Brutfürsor­
ge nutzen. Außerdem umfasst der Begriff
»Nisthilfen« ein viel größeres Spektrum
an Nistangeboten als der Begriff »Wildbie­
nenhotel«, unter dem in aller Regel nur
das sehr eingeschränkte Angebot für Be­
siedler vorhandener Hohlräume verstan­
den wird. Ein Naturgarten sollte aber ein
breites Spektrum an Nistmöglichkeiten
bieten. Der Hauptgrund für unwirksame
Nistobjekte sind in der Regel falsche Ma­
terialien (Nadelholz, Baumscheiben) und/
oder falsche Herstellungsweisen (Bohren in
das Stirnholz). Vor allem in der Kinder- und
Jugendarbeit ist es wichtig, dass die ge­
bauten Nisthilfen auch besiedelt werden,
damit die unmittelbare Erfahrung möglich
wird. Durch die Betreuung von Nisthilfen
und die Beobachtung ihrer Besiedler lassen
sich auch Berührungsängste mit Insekten
abbauen. Dabei entwickelt sich meist auch
eine emotionale Bindung an diese Kleinle­
bewelt, die ein unverzichtbares Moment
der Umwelterziehung und eine besonders
wichtige Voraussetzung für einen verant­
wortungsvollen Umgang mit der Natur
darstellt. Kinder können den Aktivitäten
der Wildbienen an Nisthilfen völlig gefahr­
los aus nächster Nähe zuschauen, da die
Besiedler völlig friedfertig sind.
Nisthilfen für Hohlraumbewohner sind
meistens Blöcke aus abgelagertem Hart­
holz (z. B. Esche) mit unterschiedlich weiten
Bohrungen (3 bis 8 mm), außerdem Bam­
busröhrchen, Schilfstängel, Strangfalzziegel
oder speziell als Niststein hergestellte käuf­
liche Blöcke aus gebranntem Ton. Bei den
Holzblöcken wird die Holzoberfläche nach
dem Bohren mit feinem Sandpapier geglät­
tet, damit die Nesteingänge nicht durch
eventuell querstehende Fasern versperrt
werden. 20 Arten von Wildbienen und mehr
können diese Nistgelegenheiten nutzen.
Die Blauschillernde Sandbiene (Andrena agilissima) ist auf Kreuzblütler spezialisiert. Hier besammelt ein Weibchen die Blüte des Hederichs
(Raphanus raphanistrum).
Für Bewohner markhaltiger Stängel eignen
sich am besten dürre Brombeerranken oder
verholzte Stängel von Königskerzen. Ent­
scheidend ist die vertikale Ausrichtung des
Stängels, weil sich in markhaltigen Stän­
geln nistende Wildbienen bei der Suche
nach einem geeigneten Nistplatz an verti­
kalen Strukturen orientieren. Gebündelte
und waagrecht angebotene Stängel wer­
den von solchen Arten nicht angenommen.
Manche Wildbienenarten nagen ihre Nest­
gänge für die Aufnahme der Brutzellen
ausschließlich in Totholz, das für Holzbie­
nen fest, für die Wald-Pelzbiene aber wei­
cher, also morscher sein sollte. Wir können
sie anlocken, indem wir im Garten einen
abgestorbenen Laubbaumstamm, größere
morsche Holzklötze, Balken oder dickere
Äste einzeln aufstellen oder zu einem Sta­
pel aufschichten. Bei abgängigen Obstbäu­
men sollte wenigstens ein Teil des Stammes
oder ein größerer Strunk bis zur völligen
Verrottung stehen gelassen werden.
Den in Steilwänden nistenden, grabenden
Arten kann man künstliche Strukturen an­
bieten, indem asbestfreie Blumenkästen
oder Hohlkammerelemente für Ziermau­
ern aus Beton mit Löß oder sandigem (!)
Lehm gefüllt und zu mehreren übereinan­
der vertikal aufgestellt werden. Leider wird
vielfach zu wenig auf eine ausreichende
Weichheit des Materials geachtet, denn bei
zu hartem, d. h. zu tonhaltigem Substrat
bleibt eine Besiedlung aus.
In einem Wildbienengarten sollten Glocken­
blumen wie die Acker-Glockenblume
(Campanula rapunculoides) nicht fehlen.
Den Erdnistern, die horizontale Flächen
besiedeln, kann man vor allem in Sandge­
bieten eine kleinere Fläche (hier genügen
bereits wenige Quadratmeter) anbieten,
Natur & Garten April 2015
49
Tiere im Naturgarten
indem man die Pflanzendecke und die Hu­
musschicht entfernt und die sich im Laufe
der Zeit einstellende Vegetation ebenfalls
bei Bedarf auslichtet. Es gibt allerdings
keine Gewähr, welche Arten dieses Ange­
bot annehmen. Man sollte also nicht zu
optimistisch sein, denn die Ansprüche der
in der Erde nistenden Arten sind höher, als
man denkt. Auch eine Pflasterung von We­
gen und Plätzen über sandigem Substrat
und mit breiten Fugen wird von einigen
Arten durchaus als Nistplatz angenommen.
Die besten Nisthilfen und ein noch so ge­
eigneter Nistplatz nützen nichts, wenn
nicht gleichzeitig die entsprechenden Nah­
rungspflanzen in der Umgebung zu finden
sind. Natürlich bringen wir als Naturgärtner
der spontan auftretenden Vegetation mehr
Toleranz entgegen, als es im Siedlungs­
raum des Menschen allgemein der Fall ist.
Die Lauch-Maskenbiene (Hylaeus punctulatissimus), hier ein Weibchen am Gelben Lauch
(Allium flavum), kann im Naturgarten durch
die Kultur sommerblühender Laucharten
gefördert werden.
Viele als „Unkräuter“ missliebige Wildpflan­
zen sind wichtige Nahrungsquellen von
Wildbienen und sollten daher generell viel
stärker toleriert werden. Für welche und
wie viele Wildbienenarten ein Naturgarten
Lebensraum sein kann, das hängt von sei­
nen Strukturen und seiner Pflanzenwelt ab.
Es ist immer wieder erstaunlich festzustel­
len, dass auch seltene Arten in Naturgärten
dauerhaft leben können. Damit ergeben
sich mitunter auch spannende Beobach­
tungen über das Verhalten solcher Arten.
Daraus können durchaus auch für die Wis­
senschaft neue Erkenntnisse resultieren,
denn von vielen Wildbienenarten wissen
wir noch zu wenig, um sie nachhaltig schüt­
zen zu können.
50 Natur & Garten April 2015
Die Zaunrüben-Sandbiene (Andrena florea)
benötigt männliche Zaunrüben (Bryonica
dioica), die an nährstoffreichen Heckenrändern
besonders gut gedeihen.
Auch wenn innerhalb des Naturgartens kein
artspezifischer Nistplatz vorhanden ist, so
können Wildbienen zumindest Nahrungs­
gäste sein. Entscheidend für das Auftreten
von Wildbienen ist die Verfügbarkeit einer
ausreichenden Menge an Pollen, der für
die Brutversorgung benötigt wird, wobei
rund ein Viertel der heimischen Arten auf
ganz bestimmte Pflanzen als Pollenquel­
len spezialisiert ist. Krautige Pflanzen – und
um die geht es – unterscheiden sich sehr in
ihrer Bedeutung für Wildbienen. Es genügt
nicht, irgendwelche Pflanzen zu kultivieren,
selbst wenn es sich um heimische Arten
handelt. Ausschlagend ist die Berücksich­
tigung der Ansprüche der spezialisierten
Bienenarten und hier kann viel mehr für
den Artenschutz getan werden, als wenn
man sich auf Nisthilfen beschränkt. Die von
den ca. 117 heimischen Pollenspezialisten
benötigten Pflanzenarten finden sich in
insgesamt 26 Pflanzenfamilien. Für eine
vielfältige Pflanzenwelt zu sorgen ist daher
der beste Weg, auch Wildbienen zu fördern.
Immerhin ist es bei sorgfältig geplanter
Vorgehensweise möglich, erstaunlich viele
Bienenarten in einen Naturgarten zu lo­
cken. Dies zeigen die eigenen Erhebungen
des Verfassers, der innerhalb von sechs Jah­
ren 115 Arten in seinem Garten nachwei­
sen konnte, in dem in dem Untersuchungs­
zeitraum allerdings auch ca. 200 Arten
krautiger Pflanzen wuchsen und blühten,
darunter alle wichtigen Pollenquellen der
in der Region bekannten Bienenarten. Die
Pollenspezialisten orientieren sich bei ih­
rer Nahrungssuche am (Pollen-)Duft ihrer
Futterpflanzen und finden dann auch aus
größerer Entfernung „ihre“ Blumen. Aber
allein die große Zahl der unterschiedlichen
Spezialisierungen zeigt schon, dass auch
in einem größeren Naturgarten kaum alle
Ansprüche berücksichtigt werden können.
Deshalb empfiehlt es sich, die Pflanzen be­
sonders zu fördern, die für die vorhande­
nen oder vorgesehenen Pflanzengemein­
schaften typisch sind und gleichzeitig als
Pollenquellen bevorzugt werden. Nehmen
wir als Beispiel die Glockenblumen (Campanula), von denen der Autor in manchen
Jahren bis zu 16 Arten in seinem Garten
und auf seiner Terrasse kultiviert. Von den
elf in Deutschland vorkommenden, auf
Glockenblumen spezialisierten Bienenar­
ten können sechs bis acht allein durch das
Anpflanzen bestimmter Glockenblumen im
Garten dauerhaft gefördert werden, vor al­
lem, wenn man auch die unterschiedlichen
Blühzeiten und Wuchsorte der Glockenblu­
Spontan auf Rohböden entstehende Pioniergesellschaften haben für Wildbienen als
­Nahrungsräume eine hohe Bedeutung.
Tiere im Naturgarten
Büchern des Verfassers und auf seinem In­
ternetportal „Faszination Wildbienen“ vor­
gestellt und besprochen.
Eine Nisthilfen-Anlage im Botanischen Garten
Tübingen, deren Objekte die unterschiedlichen
Ansprüche der Wildbienen beim Nisten berücksichtigen.
men beachtet. Die Wiesen-Glockenblume
(Campanula patula) ist für Frischwiesen ty­
pisch. Der Verfasser beobachtet alljährlich
in seiner Gartenwiese die gefährdete Grau­
schuppige Sandbiene (Andrena pandellei)
in den Blüten dieser frühblühenden Glo­
ckenblume. Die nahverwandte, ebenfalls
bestandsbedrohte Braunschuppige Sand­
biene (Andrena curvungula) hingegen nutzt
die Pfirschblättrige Glockenblume (Campanula persicifolia) in der besonnten Saumge­
sellschaft, während die Glockenblumen-Sä­
gehornbiene (Melitta haemorrhoidalis) die
Nesselblättrige Glockenblume (Campanula
trachelium) in der halbschattigen Stauden­
pflanzung liebt. Zu guter Letzt werden die
Rundblättrige Glockenblume (Campanula
rotundifolia) im Steingarten und die Ran­
kenblättrige Glockenblume (Campanula
poscharskyna) in der Terrassen-Ampel von
der Glockenblumen-Scherenbiene (Osmia
rapunculi) bevorzugt, die gleichzeitig von
den Nisthilfen im Wildbienenhaus profi­
tiert. Glockenblumen sollten daher in kei­
nem Wildbienengarten fehlen.
Je nach Größe, Topographie, Höhenstufe
und Bodentyp kann ein Naturgarten mit
einer entsprechend bepflanzen Stauden­
rabatte, mit einem Steingarten bzw. Schot­
terbeet oder mit einer Ansaat zweijähriger
Pionierpflanzen wildbienenfreundlich ge­
staltet werden. Selbst im Nutzgarten sowie
auf Terrasse und Balkon können wir das
Nahrungsangebot für Wildbienen verbes­
sern. Die dafür besonders geeigneten und
empfohlenen Pflanzenarten werden in den
Im Handel werden eine ganze Reihe un­
tauglicher Saatmischungen angeboten,
die aufgrund ihrer bunten Farbenpracht für
viele Menschen zweifellos attraktiv sind, für
Wildbienen jedoch nahezu wertlos („Mös­
singer Sommer“). Der Grund: Entweder
handelt es sich in der Mehrzahl um fremd­
ländische Arten, an welche die heimischen
Wildbienen nicht angepasst sind, oder die
Blüten sind züchterisch verändert („gefüllt“)
und deshalb pollenlos. Das Wirtschaftsle­
ben hat sich mittlerweile darauf eingestellt,
dass es neben der Honigbiene auch Hun­
derte anderer Bienenarten gibt (zweifellos
ein Ergebnis intensiver Öffentlichkeitsar­
beit in den vergangenen 30 Jahren). In Gar­
tenmärkten kann man heute regelmäßig
Saatgut kaufen, das angeblich für Honig­
bienen und für Wildbienen förderlich sein
soll. Mit den in den Mischungen enthalte­
nen Pflanzenarten ist zwar der Honigbiene
und damit der Imkerei, den bedrohten und
oft hochspezialisierten Wildbienenarten
jedoch nicht geholfen. Viele Pflanzen, die
für die ausgesprochen flexible Honigbiene
attraktiv sind, eignen sich nämlich nicht für
Wildbienen, z. B. die in manchen Mischun­
gen enthaltenen Kulturpflanzen (Buchwei­
zen etc.). Besser ist die selektive Kultur ganz
bestimmter Pflanzenarten, um die Bienen­
arten zu unterstützen, die es besonders
nötig haben. Um dem Mangel an geeigne­
ten Pollenquellen für kurzlebige Pflanzen­
gemeinschaften abzuhelfen, hat der Autor
in Zusammenarbeit mit dem Naturgärtner
Bernd Dittrich (www.syringa-samen.de)
zwei Wildblumenmischungen konzipiert,
die vor allem auf die spezialisierten Pollen­
sammler abzielen und im Siedlungsraum
für Blühstreifen und -flächen geeignet sind.
Die Braunbürstige Hosenbiene (Dasypoda hirtipes) sammelt nur an bestimmten Korbblütlern
den für die Brutversorgung notwendigen Pollen, hier an der Wegwarte (Cichorium intybus).
Literatur
pWestrich, P. (1989): Die Wildbienen Ba­
den-Württembergs. 2 Bände, 972 S., 496
Farbfotos; Stuttgart (E. Ulmer). [1990 2.,
verb. Auflage].
pWestrich, P. (2014): Wildbienen – Die an­
deren Bienen. 4. Aufl., 168 S., 471 Farb­
fotos, Dr. F. Pfeil Verlag, München.
pWestrich, P., Frommer, U., Mandery, K.,
Riemann, H., Ruhnke, H., Saure, C., & Voith,
J. (2012): Rote Liste und Gesamtarten­
liste der Bienen (Hymenoptera, Apidae)
Deutschlands. 5. Fassung, Stand Febru­
ar 2011. – Naturschutz und Biologische
­Vielfalt 70 (3), 2012 (2011), S. 373 – 416.
Bundesamt für Naturschutz.
Internet
pFaszination Wildbienen:
http://www.wildbienen.info
Selbst auf der Terrasse kann man attraktive
­Pollen für bestimmte Wildbienen kultivieren,
z. B. den Gewöhnlichen Natterkopf (Echium
vulgare) in einem Container.
Dr. Paul Westrich,
Wildbienenexperte und
­Buchautor, Institut für Bio­
logie und Naturschutz
D - 72127 Kusterdingen
[email protected]
 www.wildbienen.info
Natur & Garten April 2015
51
Gehölze im Naturgarten
Fuchs auf Reifweide (Salix daphnoides)
Welt der Weiden
Silberweide (Salix alba) Kopfbaum
Die Weide ist ein attraktives Gehölz für Garten und Landschaft. Frühblühende Arten
erfreuen nicht nur das Auge mit schmucken
Kätzchen, sondern bieten meist die ersten
Nektar- und Pollenquellen nach kargen
Wintermonaten. Die Vielfalt an Weiden ist
immens, für große und kleine Gärten, zur
Gewinnung von Flechtmaterial, aus ökologischer Überlegung oder einfach zur Zierde. Weidengewächse sind ein Geheimtipp
– nicht nur für Bienen und Bienenfreunde!
52 Natur & Garten April 2015
Kahle Weide (Salix glabra)
Systematik und Botanik
der Weidengewächse
Die Vertreter der Gattung Salix beim Na­
men zu nennen ist angesichts der Vielfalt
und der teilweise großen Ähnlichkeit nicht
immer einfach. Sind doch zur gegebenen
Zeit meist entweder nur Kätzchen, Knos­
pen oder Blätter als Richtwert vorhanden.
Es lohnt sich jedoch, genauer hinzuschau­
en, denn die Verwendungsmöglichkeiten
sind ebenso vielseitig wie die Gestalt der
einzelnen Arten.
Weltweit soll es über 400 Vertreter der Gat­
tung Salix geben, zu den in Mitteleuropa
heimischen zählen etwa 30. Obwohl die
unzähligen Kreuzungen und Sorten nicht
eingerechnet sind, ist die Mannigfaltigkeit
immens: Große, über 20-Meter hoch stre­
bende Baumweiden wie die Silberweide
(Salix alba), die weniger hoch werdenden,
strauchförmig wachsenden Arten Hanf­
weide (S. viminalis) und Purpurweide (S.
purpurea) sowie viele Kleinstrauchweiden
der Alpen, namentlich die Blaugrüne, die
Gehölze im Naturgarten
Kurzzähnige und die Kahle Weide (S. caesia, S. breviserrata, S. glabra). Nur wenige
Zentimeter hoch wachsende Zwergwei­
den hochalpiner Rasen komplettieren die
Arten-Vielfalt. Bei der Systematisierung der
Weidengewächse behilft man sich dann
auch mit der Einteilung in Untergattungen
zur Handhabung der Mannigfaltigkeit. Wei­
tere Charakteristiken der Weidengewäch­
se sind die wechselständig angeordneten
Blätter und die Zweihäusigkeit, d. h. es gibt
männliche und weibliche Individuen. Die
Ansammlung von Einzelblüten der jeweili­
gen Geschlechter ist zusammengefasst im
Mehrfachblütenstand Kätzchen. Sowohl
die männlichen als auch die weiblichen Blü­
ten besitzen Nektardrüsen an ihrer Basis als
Angebot für bestäubende Insekten. Aber
nicht alle Weidenarten sind Frühblüher und
zeigen ihren Flor vor der Blattentwicklung.
Gewisse Arten entwickeln ihre Kätzchen pa­
rallel zum Blattaustrieb, andere wiederum
blühen erst nach der Entfaltung des Lau­
bes. Zur botanischen Bestimmung hilfreich
kann die Form der Blätter, die Behaarung
und das Vorhandensein bzw. die Abwesen­
heit von zusätzlichen Nebenblättern sein.
Die meisten Weiden sind Pionierarten und
entsprechend anspruchslos an die Boden­
verhältnisse. Dank ihrer zahlreich durch
den Wind verbreiteten Samen besiedeln sie
rasch Rohböden (Rohboden- und Lichtkei­
mer). Mit der Fähigkeit, an lebendem Ast­
Systematik Weidengewächse (Salicaceae)
material rasch neue Wurzeln auszutreiben,
wird die Anpassung an Überschüttungen
begünstigt und ermöglicht zudem eine ef­
fiziente ungeschlechtliche Vermehrung. So
lassen sich viele Weiden problemlos durch
Stecklinge vermehren – probieren Sie es aus!
Ökologisch wertvoll
Neben der Bedeutung der frühblühenden
Weiden für die Bienenwelt ist die Gattung
Salix Lebensgrundlage zahlreicher Vögelund Insektenarten. Insbesondere die durch
Schnitt geformten hochstämmigen Kopf­
bäume bieten durch das dichte Zweigwerk
und die Hohlräume im weichen Weiden­
holz gute Nistmöglichkeiten für Garten­
rotschwanz und Wendehals. Durch das
saisonal anfallende Laub entsteht zudem
nährstoffreicher Mulmhumus, begünstigt
durch harmlose Pilzstämme und eine ge­
mischte Population von Würmern, Asseln,
Tausendfüssler und Käferarten. Ein wahr­
lich reichhaltiges Futterangebot für Specht,
Wiedehopf und Co.! Für das Blattwerk von
Weiden sind ebenfalls Liebhaber bekannt,
z. B. die Raupen der Schmetterlinge Großer
Schillerfalter und Trauermantel. Zuweilen
zeigen sich bizarr geformte Gewebewuche­
rungen an den Blättern – sogenannte Gallen.
Verursacher sind Insekten der Gattungen
Gallmücke und Blattwespen, welche diese
Veränderungen induzieren, sie für die eige­
ne Fortpflanzung nutzen, der Weide selbst
damit aber keinerlei Schaden zufügen.
Lorbeerweide (Salix pentandra)
Moschusbock auf Silberweide (Salix alba)
Pflanzengalle an Reifweide (Salix daphnoides)
Lebendverbau Weidenzaun – nachwachsender
Rohstoff
Natur & Garten April 2015
53
Gehölze im Naturgarten
Biegsam und vielseitig
Von Baumweiden und großen Strauchwei­
den lässt sich Bau- und Flechtmaterial ge­
winnen. Seit Jahrhunderten bedient sich
die Korbflechterei am nachwachsenden
Rohstoff Weide. Strenge Qualitätsansprü­
che an langen, geraden, unverzweigten
Ruten mit guter Flexibilität haben hierbei
zur Selektion von entsprechenden Flecht­
weidensorten geführt. Zur Anzucht von
qualitativ hochwertigen Flechtruten wird
die Weide in Ackerkultur angebaut und
jeweils im Winter ganz tief (1–2 Augen)
„auf den Stock“ gesetzt. Die unterjährigen
Stockausschläge werden getrocknet und
nach Wiedereinweichen für die Flechterei
verwendet. Schnittgut von Kopfweidenkul­
tur erfüllt die Qualität für die Korbflechterei
in der Regel kaum.
Ingenieurbiologen nutzen die einfache Be­
wurzelung von Weiden zur Stabilisierung
vernässter Böden, zur Ufersicherung an
Fliessgewässern oder zur Böschungsbe­
festigung. Im Gartenbau ist Gestalten und
Flechten mit Weiden mancherorts zum
Trend avanciert. Je nach Verwendung eig­
nen sich bestimmte Weidentypen besser
als andere. Für Bauwerke wie Skulpturen,
Zäune oder Weidenhäuschen wird an­
spruchsloses, schnell wurzelndes Pflanzgut
eingesetzt, das schnittverträglich und sta­
bil ist. Bei Lebendverbau in kleineren Gär­
ten hält man sich besser an Vertreter mit
gemäßigtem Wachstum aus der Gruppe
der Strauchweiden und an deren männli­
che Individuen. Außer, die Nachbarschaft
gehört zufällig auch zu den Weidenliebha­
bern – oder kann es durchaus werden. Das
Weiden-Virus ist ansteckend!
Literatur
p
Lautenschlager-Fleury D., Lautenschla­
ger E. (1994): Die Weiden von Mittel- und
Nordeuropa (Gattung Salix L.). Birkhäuser
Verlag, Basel.
pNewsholme, C. (1992): Willows: The Ge­
nus Salix. Timber Press: Portland, OR.
p
Tinner U., Schumacher H. (2009): Wei­
den (Salix) und ihre Artenvielfalt in der
Schweiz. Heft zur Ausstellung „Verflixt
und verflochten – Von Weiden und Korb­
flechtern“. Publikation des Botanischen
Gartens St. Gallen.
Schwarzweide (Salix nigricans ssp nigricans)
Gestutzte Weide (Salix retusa)
Purpurweide (Salix purpurea) –
Flechtweidenanbau
Blüte mit Bienen auf Purpurweide
Korb aus Purpurweide
Kurzzähnige Weide (Salix breviserrata)
Dr. sc. nat.
Sonja Züllig-Morf
CH - 8408 Winterthur
Zuellig-Morf@
bluewin.ch
 www.salicetum.ch
Krautweide (Salix herbacea)
54 Natur & Garten April 2015
Gehölze im Naturgarten
Hecken – Lebensadern in
Garten und Landschaft
Naturnahe Hecken sind Lebensräume für eine
Vielzahl von Tieren und Pflanzen
H
ecken wurden einst als Kultur­
biotope angelegt. Sie dienten
als lebende Weidezäune (mhd.
„hegga“ = Einfriedung, Verhau), schützten
den Boden vor Winderosion und liefer­
ten den Menschen gleichzeitig Nutz- und
Brennholz, Laubfutter für das Vieh, zudem
vielerlei Früchte und Heilpflanzen. Durch
regelmäßige wirtschaftliche Nutzung, bei
der die Bauern in mehrjährigem Rhythmus
ganze Heckenabschnitte in bestimmter
nutzungsabhängiger Weise abschlugen,
wurde der Gehölzbestand verjüngt und
produktiv gehalten. Seit Jahrhunderten
dienen geschnittene Hecken auch zur Um­
friedung und Gliederung von Parks und
Gärten. Quasi als Nebeneffekt entwickelten
sie sich über die Jahrhunderte zu wertvol­
len Lebensräumen für eine artenreiche
Tier- und Pflanzenwelt. Zahlreiche wissen­
schaftliche Untersuchungen belegen die
enorme Artenfülle der Hecken: Mehr als
1000 Pflanzen- und 7000 Tierarten wurden dort nachgewiesen. Andere Autoren
gehen sogar von 10.000 Tierarten aus, die
in Mitteleuropa dauerhaft oder zeitweilig
in Hecken und Feldgehölzen leben können, wobei jede einzelne Hecke natürlich
nur einen mehr oder weniger großen Aus­
schnitt des möglichen Artenspektrums
beherbergt. Die Gründe für den herausra­
genden Artenreichtum sind vielfältig: Gut
gepflegte Hecken bieten unterschiedliche
Standortverhältnisse auf engem Raum
(Mikroklima, Licht, Bodenfeuchte) und ein
üppiges Nahrungsangebot (Knospen, Blät­
ter, Blüten, Samen, Früchte, Rinde, Holz,
Insekten, Spinnen). In der Hecke treffen
Wald(rand)bewohner und Tiere des Offen­
landes auf solche, die im Laufe ihrer Ent­
wicklung oder im Jahreslauf unterschiedli­
che Biotope benötigen und daher auf eine
möglichst enge Nachbarschaft von Gehölzund Offenlandlebensräumen angewiesen
sind. Die Übergänge zwischen verschiede­
nen Lebensräumen (Ökotone) bilden stets
besonders artenreiche Lebensgemein­
schaften aus. Gerade der bei Hecken stark
ausgeprägte Randeffekt hat einen inten­
siven Austausch mit der Umgebung zur
Folge und begründet den herausragenden
Wert gut ausgeprägter Hecken für Flora
Der Gemeine Bienenkäfer (Bienenwolf) Trichodes apiarius entwickelt sich in Nestern von
Solitärbienen. Der Pollen dieser Rosenblüte
dient ihm als Nahrung
Mai-Langhornbiene Eucera nigrescens
auf Himbeere
Natur & Garten April 2015
55
Gehölze im Naturgarten
Kombination mit Parks, Grünanlagen und
gehölzreichen Friedhöfen, dem Bild der
durch zahlreiche Hecken, Feldgehölze und
Kleinstrukturen reich gegliederten Feldflur
vergangener Tage recht nahe – wenn auch
in kleinerem Maßstab.
Artenreiche Staudensäume gehören zu einer intakten Hecke
und Fauna, der deutlich höher ist als es an­
gesichts ihrer relativ geringen Fläche zu er­
warten wäre. Kleinstrukturen in der Hecke
(z. B. Wälle, Gräben, Stein- und Holzhaufen)
sowie heckenbegleitende Krautsäume er­
höhen deren ökologischen Wert zusätzlich.
Hecken haben vielfältige
ökologische Funktionen
Hecken bieten der Tierwelt Schutz vor Wit­
terung und Feinden, Winterquartiere und
Rückzugsräume in der intensiv genutzten
Agrarsteppe, sie strukturieren die Land­
schaft und können als Leitlinien und Wan­
derwege dienen (Biotopverbund und -ver­
netzung).
Das gilt durchaus auch für Hecken im Sied­
lungsraum, denn viele Tier- und Pflanzen­
arten, deren Lebensräume in der „freien
Landschaft“ durch intensive Land- und
Forstwirtschaft zunehmend schwinden, ha­
ben in Städten und Dörfern neue Lebensräume gefunden. Tatsächlich kommt die
sogenannte Gartenstadt, die Gesamtheit
aus unterschiedlich genutzten Gärten in
Die Beeren der Roten Heckenkirsche Lonicera
xylosteum sind für Menschen ungenießbar
und giftig
Diese Gartenrose lebt in enger Freundschaft
mit einem Obstbaum
Der Weißdorn Crataegus monogyna ist eine
wunderschöne Bienenweide und bietet im
Herbst Nahrung für unsere Vögel
Die Eberesche (Vogelbeere) Sorbus aucuparia
kann als Gruppen-, Einzel- oder Heckengehölz
gepflanzt werden
56 Natur & Garten April 2015
Insbesondere für viele Vögel stellen Hecken wichtige Bruthabitate dar, wenn­
gleich typische Bewohner von Feldhecken
wie Goldammer, Neuntöter oder Dorn­
grasmücke im Siedlungsraum fehlen und
der Bruterfolg von Heckenbrütern von Art
zu Art sehr unterschiedlich ausfallen kann.
Für einige Arten wie die Amsel, eigentlich
eine typische Waldbewohnerin, stellen He­
cken häufig regelrechte ökologische Fallen
dar, anderen Arten ermöglichen gerade die
von Naturgärtnern oft geschmähten Thu­
jahecken ein Vordringen in den Siedlungsraum. Ökologisch ungleich wertvoller sind
jedoch dichte Hecken aus heimischen
Dornsträuchern wie Weißdorn, Schlehen,
Wildrosen, Brombeeren und Berberitzen.
Sie bieten Schutz vor Katzen, Elstern und
anderen Nesträubern, ihre Blüten und
Beeren sind zudem ein wichtiges Nah­
rungsangebot für Insekten bzw. Vögel.
Viele Gärten sind allerdings zu klein, um
hier ausladende freiwachsende Hecken
aus großwüchsigen Wildsträuchern anzulegen. Doch findet sich in der Regel ein
Platz für einzelne freiwachsende Sträucher
oder Strauchgruppen wie Holunder, Weiß­
dorn oder Wildrosen. In Kombination mit
den verbreiteten Schnitthecken ergeben
sie eine ideale Struktur: Die Schnitthecken
entsprechen der für viele Vögel so wichtigen geschlossenen Strauchschicht in Bo­
dennähe, die vielen durchgewachsenen
Feldhecken inzwischen fehlt. Höhere Sträu­
cher und Bäume erfüllen weitere notwendige strukturelle Lebensraumansprüche
wie Sing- und Ansitzwarten und liefern
Nahrung in Form von Insekten- und Beeren­
kost. Insofern muss Platzmangel in kleinen
Gärten, der die Entfaltung frei wachsender,
wuchtiger Hecken nicht erlaubt, nicht not­
wendigerweise ein Nachteil sein. Durch ge­
schickte Auswahl heimischer Wildgehölze
lassen sich Insekten, Vögel und Säugetiere
gezielt fördern, denn die unterschiedlichen
Straucharten sind bei den einzelnen Tier­
gruppen unterschiedlich beliebt.
Gehölze im Naturgarten
Weibliche Mönchsgrasmücke
Viele Vögel brüten in Hecken
Ein Buntspecht sucht Nahrung in einem morschen Stubben
Hecken als ökologisches
Rückgrat des Siedlungsraumes
die letzten verbliebenen Hecken in der
Agrarlandschaft, die häufig nur noch als
Bewirtschaftungshindernisse
angesehen
werden. Daher kommt den Hecken und Ge­
büschen im Siedlungsraum eine große, bisher völlig unterschätzte Rolle zu. Auch und
gerade Gartenbesitzer können im wahrsten
Sinne des Wortes eine ganze Menge aushecken! Vielleicht ergibt sich die Möglichkeit,
mit den Nachbarn zusammen eine Wild­
strauchhecke zu pflanzen. Auf Schulhöfen
und an Kindertagesstätten sorgen Hecken
für ein lebendiges Spielumfeld. Auch private
Firmengrundstücke könnten mit Hecken­
Man sollte Gehölze mit unterschiedlicher
Wüchsigkeit und unterschiedlichem Aus­
schlagverhalten allerdings nicht wild durcheinander pflanzen, weil sonst die späte­
re Pflege ungemein erschwert wird. Heckensträucher sind schnell gepflanzt, oft
mangelt es aber an der notwendigen re­
gelmäßigen fach- und naturschutzgerech­
ten Pflege. Häufige Fehler sind das seitliche
Abschlegeln und Rückschnittmaßnahmen
auf zu großer Heckenlänge. Falsche oder
gänzlich ausbleibende Pflege gefährdet
sträuchern und Säumen aus Wildstauden
begrünt werden. Und wenn dann auch
noch in Parks und Grünanlagen in stärkerem
Maße als bisher Hecken und Gebüsche aus
standortheimischen Gehölzen angelegt und
fachgerecht gepflegt werden, dann kann
durch viele kleine, im Einzelnen vielleicht
unbedeutend erscheinende Maßnahmen
mit der Zeit ein neues, lebendiges Hecken­
netzwerk entstehen, ein ökologisches Rück­
grat des Siedlungsraumes.
Eine ausführlichere Darstellung des Themas
findet sich in Natur & Garten Heft 4/2013
(S. 36-41)
Literaturauswahl zum Thema
p
Westphal, U.: Hecken – Lebensräume
in Garten und Landschaft. pala-Verlag,
Darmstadt 2011
pWitt, R.: Wildsträucher und Wildrosen –
bestimmen und anpflanzen. Kosmos Na­
turführer, Stuttgart 1995
pWitt, R.: Wildrosen und Wildsträucher für
den Garten. Kosmos, Stuttgart 1998
Artenreiche Hecken – Lebens(t)raum vor der Haustür
Dr. Uwe Westphal
D - 21220 Seevetal
3 04105 - 82236
[email protected]
 www.westphalnaturerleben.de und
w
 ww.westphaltextdienst.de
Natur & Garten April 2015
57
Gehölze im Naturgarten
Naturnah gärtnern
ohne Rückschnitte
D
er Gegenstand Schnitt oder
Schnittfreiheit im Naturgarten be­
schäftigt uns mit Recht längerfris­
tig. Ulrike Aufderheide hat ja letztes Jahr
dargelegt, wie man schonend schneidet,
wenn man denn schneidet. Wir haben uns
für die pflanzen- und gärtnerschonendste
Lösung entschieden und legen seit 25 Jah­
ren schnittfreie Naturgärten an.
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58 Natur & Garten April 2015
Auch bei der Arbeit mit den Kunden unserer Baumschule stoßen wir immer wieder
auf die Schnittfrage, meistens verursacht
durch die weitverbreitete Ansicht, Gehölze müssten halt geschnitten werden. Da
ruft eine Kundin an und beschwert sich
darüber, dass ihre Wildrosen nicht blüh­
ten. Im Gespräch ergibt sich dann, dass sie
besonders enttäuscht ist, weil sie sie doch
so gut gepflegt und jedes Jahr zurückge­
schnitten hat. Sehr überrascht war sie, zu
erfahren, dass gerade ihr Rückschnitt das
Problem verursacht hatte.
Ein anderer Kunde klagt über den Zustand
seiner schon älteren Herlitze (Kornelkirsche). Für mich erstmal erstaunlich, denn
Herlitzen sind ja eigentlich strotzgesund.
Er berichtet, er habe den Strauch kräf­
tig zurückgeschnitten und heuer habe er
kränkliche, gefleckte Blätter, die überdies
keinerlei Herbstfärbung entwickelten, sondern einfach grün blieben. Nach der Erklärung, dass der durch den Schnitt hervor­
gerufene Neuwuchs anfälliger ist und des­
sen Blätter im Herbst dann auch nicht die
Zeit haben, zu einer normalen Verfärbung
heranzureifen, war seine Schlussfolgerung:
„Dann hab ich wohl einen Riesenfehler ge­
macht.“
haben. In kleinere Pflanzbereiche gehören
dann eben Kleinsträucher oder Schmalgehölze. Es leuchtet ein, dass das nur mit
ausreichender Fachkompetenz möglich
ist. Es heißt auch, dass ich zum Beispiel bei
Wildgehölzen Düngemaßnahmen unter­
lassen muss. Eine in Komposterde gepflanzte Wildrose geht eben ab wie eine Rakete
oder wie eine Mastsau und platzt dann so­
zusagen aus den Nähten.
2. Schnitt hat naturgemäß etliche
­schädliche Folgen.
a) Schnittstellen sind ein Einfallstor für Pil­
ze und andere Infektionen. Der bei der
Pflanze ausgelöste Nottrieb ist weich
und deswegen ebenfalls anfälliger als
ausgereifte Pflanzenteile. Der Schnitt an
sich schwächt natürlich den Pflanzenor­
ganismus, denn er ist eben eine Verlet­
zung.
b) Die natürliche Wuchsgestalt der Pflanze
wird gestört oder zerstört. Ein zurück­
geschnittener ausgewachsener Holun­
der zum Beispiel treibt senkrechte Was­
serschosse und büßt seine natürliche
Anmut ein. Wie an dem Beispiel gesehen, kann auch die Herbstfärbung auf
der Strecke bleiben.
Einige Grund-Erkenntnisse
zum Thema Schnitt aus
unserer Praxis:
1. Schnitt ist praktisch nicht notwendig,
wenn ich vernünftig plane und pflege.
Das heißt, dass ich Gehölze so und mit sol­
chen Pflanzabständen einsetze, dass sie
genug Raum für ihre artgemäße Entfaltung
Rückschnitte sind sehr beliebt in Deutschland
Gehölze im Naturgarten
Sachkundige Pflanzplanung erspart weitestgehend den Schnitt
Ungeschnittene heimische Rosen sind eine Augenweide
Der schnittfreie Naturgarten – Heimat für Elfen
Ein Apfelbaum, wie er selbst wachsen möchte
Ungeschnitten zeigt der Liguster seine Qualitäten
c) Rückschnitte verursachen in unter­
schiedlichem Maße Einbußen bei Blüten
und Früchten. Viele Menschen sind zum
Beispiel sehr erstaunt, dass die Rainweide (Liguster), die sie nur aus Schnitthecken kennen, freiwachsend ein prächtiger Blüten-, Duft- und Fruchtstrauch ist.
auch keine starren Anlagen mit konserviertem Jetztzustand, sondern sagen Ja zu
natürlichen Weiterentwicklungen. Deswe­
gen und aus den genannten übrigen Grün­
den gibt es einen gewissen Widerspruch
zwischen regelmäßigen Rückschnitten und
dem Naturgartengedanken.
3. Da wir Naturgärtner sind, gehört zu
unserem geistigen Grundbestand, dass
Pflanzen eine Würde als Mitlebewesen ha­
ben und eben keine grüne Dekorations­
masse sind. Wer eine artgerechte Tierhal­
tung fordert, darf auch die Pflanzen nicht
einfach ausklammern. Wie wir letztes Jahr
in Vorträgen erfahren konnten, besitzen
Pflanzen fast alle Sinne, die wir auch haben.
Wir wollen in den naturnahen Gärten ja
Differenzierend ist noch zu sagen, dass die
Schnittfreiheit in der Praxis nicht bedeu­
tet, dass eine Schere niemals und unter
keinen Umständen zum Einsatz kommt.
Selbst bei sorgfältiger Planung kann es ge­
schehen, dass der eine oder andere Zweig
über einen Weg ragt oder sonst ernsthaft
stört. In einem solchen Falle ist es wichtig,
keine glatten Strauchschnitte vorzunehmen, sondern ausschließlich den stören­
den Zweig möglichst weit unten an der
Ansatzstelle herauszunehmen. So wird die
natürliche Wuchsgestalt nicht gestört.
Schnittfreie Gärten sind gewaltfreie Gärten,
wo sich Elfen noch wohlfühlen könnten.
Das macht einen Großteil ihrer heilsamen
Ausstrahlung aus.
Dr. Norbert Kleinz
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Natur & Garten April 2015
59
Exkursionen
Gibt es den Deutschen Garten? Hhhm, na ja, weiß nicht … Da
gerät man schon gleich ins Stocken … Gibt es den Englischen
Garten? Ja, klar. Da gibt es doch so einen Park in München.
Ja, ja, und natürlich all die schönen Beete und Rabatten, die
immer wiederkehrend in zahllosen Gartenzeitschriften und
Life-Style-Magazinen gezeigt werden. Die Hüte, die Schürzen, die Decken, die Jacken – Bänke, Gießkannen, Scheren,
Schnüre und endlos viele andere Accessoires atmen englische Luft. So durften und konnten auf unserer Reise auch
drei der bekanntesten englischen Gärten nicht fehlen: Manor
House in Upton Grey, Great Dixter und Sissinghurst Castle.
Nein, nicht zum „Blümchen-schauen“! Das hier ist schließlich
eine Exkursion! Wir sollen vor allem ein Gefühl für das englische Naturgartenverständnis entwickeln.
Naturnah Unterwegs 2014 in GB
Go Wild – The classic Edition
Links: Die Terrassen sind unterschiedlich breit
angelegt, die seitlichen Rabatten nur schmal.
Die seitlichen Wege enden mit kurzen Treppen
auf der jeweils darunter liegenden Ebene, so
dass man sowohl über die Mittelachse als auch
über die seitlichen Wege von einer Terrasse zur
anderen gelangt. Jekyll hat es verstanden, die
verschiedenen Ebenen und Höhen so geschickt
miteinander zu verzahnen, dass alles sehr
selbstverständlich wirkt.
lig. Das Mosaik aus Feldern, Hecken, Einzel­
bäumen und kleinen Waldstücken verleiht
der Landschaft einen lieblichen, parkarti­
gen Charakter. Dazwischen eingestreut im­
mer wieder kleine Häuser und Ortschaften
in einem durchgängigen Materialkanon
aus Backstein, Dachziegeln, Holz und Putz.
Dazu passende Mauern und Zäune, die
Kletterrose am Eingang, die Bank und die
Blumenrabatte – es gibt keine Klischees –
das Klischee ist echt!
Manor House in
Upton Grey – oder
wie alles begann
Die englischen Naturgärten sind anders
als unsere Deutschen. Sie wurzeln tief in
der englischen Gartentradition, sowohl
was die Ästhetik anbelangt als auch die
Bepflanzung. Es wird weniger Wert auf
heimische Pflanzen gelegt. Hauptsache
die Pflanzen werden von Insekten beflo­
gen. Man bedient sich gern und ungeniert
aus dem fremdländischen Sortiment, um
den Blühaspekt zu verlängern. Marc Carl­
ton (Chepstow), der uns mit seinen wert­
vollen Beiträgen und Erläuterungen im
Reiseskript durch die Exkursion begleitet,
bezeichnet den englischen Naturgarten
daher auch nicht als `wildlife garden´, son­
dern als `wildlife friendly garden´.
60 Natur & Garten April 2015
Englische Naturgärten verstehen zu wollen,
funktioniert nicht ohne den Blick zurück in
die Vergangenheit. Also setzen wir uns in
die Zeitmaschine und lösen den Fahrschein
„back to the roots“.
Die Anreise und die kurze Nacht auf der
Fähre stecken den Meisten noch in den
Knochen. Das Gehirn ist im Stand-By-Mo­
dus. Die Augenlider sind behäbig, die Ge­
spräche verhalten. Dennoch, kaum haben
wir die Autobahn verlassen, kehren die
Lebensgeister zurück. Neugierde und Ent­
zücken lassen viele reflexartig zur Kamera
greifen. Der Rest drückt sich die Nase an der
Busscheibe platt. Unser Nesthäkchen, Bus­
fahrer Benjamin mit seinen mind. 1,90 m
Körpergröße, manövriert uns geschickt
über schmale Sträßchen hinein ins ländli­
che England. Die Landschaft ist sanft hüge­
In Upton Grey nimmt uns der langjährige
Gärtner von Mrs. Rosemary Walllinger in
Empfang. Er wartet schon eine ganze Weile
im Schatten der uralten Eibe an der ehema­
ligen Römerstraße. Der Verkehr rund um
London hat unseren Zeitplan durcheinan­
der gebracht. Aber Gärtner sind ausgegli­
chene Menschen. Er freut sich trotz unserer
Verspätung, dass wir da sind und bringt
uns umgehend zu seiner Chefin. Mrs. Wal­
linger ist ebenso zierlich wie energisch. Es
ist nicht zu übersehen: Sie hat zu tun - im
Garten. Die grauen Haare sind aus der Stirn
gesteckt, sie hat die Gärtnerschürze um
und trägt Schuhe, die den Kontakt mit Erde
gewohnt sind. Sie heißt uns herzlich will­
kommen und gibt uns eine straffe Erläute­
rung zum Wichtigsten im Garten und zur
Rekonstruktion des Gartens. Dann zeigt sie
uns, wo wir die Pläne für den Garten nebst
Beschreibung und Pflanzenliste finden und
entlässt uns in ihr kleines Paradies. Ja, es ist
wahrhaft ein Paradies, auf das sie zu Recht
stolz sein darf!
Exkursionen
Die Wallingers hatten das Haus vor 30 Jah­
ren gekauft, nicht ahnend, dass der ver­
wahrloste Garten einen historischen Schatz
birgt. Beim Freilegen des Gartens stießen
sie auf eine Gartenanlage von Gertrude Je­
kyll. Mühevolle Recherchearbeiten folgten.
Pläne und Pflanzenlisten wurden von der
Universität von Kalifornien in Berkeley, wo
der Nachlass von Gertrude Jekyll archiviert
ist, besorgt und die Gartenanlage und die
Pflanzpläne akribisch genau rekonstruiert.
Bis auf wenige Ausnahmen entspricht die
heutige Bepflanzung der von Gertrude Je­
kyll aus dem Jahr 1908.
So instruiert und voll des Respekts strömen
wir aus. Ah- und Oh-Rufe, sehnsuchtsvol­
les Seufzen, Laute des Entzückens und der
Begeisterung begleiten unsere Streifzüge.
Das Anwesen ist wohltuend übersichtlich.
Wir sind relativ schnell überall gewesen. Es
verbleibt noch etwas Zeit, sich noch einmal
das ein oder andere ein zweites Mal anzu­
sehen und die Atmosphäre auf sich wirken
zu lassen.
Das Herrenhaus steht etwa in der Mitte des
lang gestreckten Grundstücks. Das Gelände
fällt von der Straße aus leicht ab. Hangauf­
wärts, zwischen Straße und Wohnhaus be­
findet sich der einzige erhaltene und origi­
nalgetreu rekonstruierte wilde Garten von
Gertrude Jekyll. Auf dieser Seite ist dem
Haus ein kleiner, mit Mauern und Toren um­
fasster Hof vorgelagert. Über eine englisch
kurz gehaltene Rasenfläche in Form einer
Jakobsmuschel, die mit ganz leichten Ra­
senstufen nach oben abgesetzt ist, gelangt
man auf eine Blumenwiese mit Obstbäu­
men und vornehmlich Wildrosenbüschen.
Die Wiese ist durchzogen mit einem Netz
aus Rasenwegen. An Stellen mit schöner
Aussicht sind Bänke aufgestellt. Die Wege
leiten auf einen in den Hang eingelassenen
Teich hin. Auch hier wieder Bänke und Plät­
ze zum Verweilen. Das Plätschern des Zu­
laufs und die umherschwirrenden Libellen
nehmen die Gedanken schnell mit sich fort.
Man wird ruhig. Es ist ein stiller Garten.
Der talseitige Garten hat einen gänzlich an­
deren Charakter. Er ist streng geometrisch
angelegt. Wie ein Teppich, der den Hang
hinabgerollt wurde, ergießt sich der Garten
über eine Rasenfläche hinab in den Rosen­
garten und weiter zur bowling-lawn und
zur tennis-lawn. In der Mittelachse leitet
die „main pergola“ aus Eichenhölzern und
dicken Tauen den Weg hinab. Die drei Ter­
rassen sind seitlich durch höher liegende
Rabatten und Wege begrenzt und gefasst.
Als Hintergrund und Rahmen dient eine
Eibenhecke. Die Terrassen sind durch Tro­
ckenmauern abgefangen. Die Trockenmau­
ern waren ursprünglich dicht bepflanzt. Je­
kyll wollte sie als „vertikale“ Gärten sehen,
so dass sowohl der Blick von oben als auch
von unten grün erscheint.
Außerhalb dieses inneren Rahmens liegt
rechter Hand der Nussgarten (nuttery).
Hier werden Haselnussbüsche kultiviert.
Neben den Nüssen werden auch die Triebe
als Stütz- und Bindematerial im Garten ver­
wendet. Linker Hand liegt der Nutzgarten
(kitchen garden). Hier wachsen Gemüse
und Blumen in friedlicher Eintracht. Ein paar
kleine Schuppen und ein Cottage ergänzen
die Anlage. Unterhalb davon liegt der Obst­
garten. Alles ist umgeben von einer alten
Backsteinmauer. Vom Küchengarten geht es
durch eine rosenbewachsene Pergola wie­
der zurück zur Terrasse des Herrenhauses.
Zu einer späteren Jahreszeit soll der Garten
am schönsten sein. Dann zeigen die Rabat­
ten die für Gertrude Jekyll typischen Farb­
verläufe von Rot über Gelb zu Silber, Violett
und Blau. Bei uns dominiert das liebliche
Rosa der Pfingstrosen und im Küchengar­
ten das bestechende Blau des Rittersporns
(Schnecken scheint es in England nicht zu
geben). Hie und da darf das freche Rot des
Mohns die Harmonie stören.
Gertrude Jekyll hatte Malerei studiert und
kam erst im Alter von 48 Jahren wegen ei­
nes Augenleidens zur Gartengestaltung.
Während ihres Studiums beschäftigte sie
sich u. a. mit William Turner. Turner markiert
mit seinem damals sphärisch wirkenden
Stil den Umbruch zur Moderne und gilt
als Vorläufer der Expressionisten. So ist es
nicht weiter verwunderlich, dass sie ver­
suchte, die Lichtwirkung und die Farbhar­
monien seiner Bilder auf die Bepflanzung
zu übertragen. Ihr kam es bei der Pflanzen­
zusammenstellung daher weniger auf die
Seltenheit oder Besonderheit der Einzel­
pflanze an, als vielmehr auf die Gesamtwir­
kung einer Rabatte und im Detail um die
geschickte Kombination von Pflanzen un­
terschiedlicher Struktur und unterschiedli­
cher Blattformen.
Aber noch weitere Einflüsse machen ihre
Handschrift aus.
So. Jetzt graben wir erst einmal tief – sehr,
sehr tief in der Mottenkiste unserer Erinne­
rungen an den Geschichtsunterricht. Was
war da noch? Industrielle Revolution, Elend
der Arbeiterklasse, Beginn der Massenpro­
duktion. 1850 veröffentlichten Marx und
Engels ihr Kommunistisches Manifest in
London.
Königin Viktoria (1819-1901) trug die Kro­
ne. Jedenfalls die meiste Zeit. Ihre Söhne,
Enkel und Urenkel haben nicht so lange
durchgehalten. Erst die heutige Königin Eli­
sabeth II beweist wieder dieselbe Zähigkeit
wie ihre Ur-Ur-Großmutter. In den Zeitraum
zwischen 1837 und 1936 fällt die große Zeit
der englischen Kolonien und damit der
englischen Weltmacht. Suez- und Panama­
kanal machten die Welt kleiner.
Missernten und Hungersnöte führten zu
einer unglaublichen Auswanderungswelle
gen Westen. Die einstige Kolonie Amerika
erlebte ihren Bürgerkrieg.
Charles Darwin rüttelte mit seiner Evoluti­
onstheorie am Bild vom Menschen als alles
überragende Krone der Schöpfung.
Der Erfindungsrausch der damaligen Zeit
war sagenhaft. Er bescherte der Mensch­
heit eine bisher noch nicht da gewesene
Fülle an Neuerungen, v. a. im technischen
und medizinischen Bereich – mit den ent­
sprechenden sozialen Umwälzungen und
politischen Problemen. In der Folge muss­
ten Wahlrecht, Gesundheits- und Bildungs­
wesen reformiert werden. Aber das hat ge­
dauert.
Eisenbahnen wurden gebaut und Eisen­
bahnnetze ausgebaut. Das Phänomen „Tou­
rismus“ trat auf die Bühne. „Sport“ etablierte
sich als sinnfreier Zeitvertreib für besser Be­
tuchte. (Da gab’s doch auch so einen ver­
rückten Engländer, der unbedingt das Mat­
terhorn besteigen wollte und es auch tat.)
Gertrude Jekyll (1843 – 1932) stammte aus
der damals erstarkenden bürgerlichen Mit­
telschicht. Ihr Vater, Captain Edward Jekyll,
ermöglichte seiner Tochter wahrscheinlich
aus Prestigegründen das Studium der Ma­
lerei. Keine Selbstverständlichkeit für eine
junge Frau. Der Zugang zu Bildung war
vielen, wenn nicht gar den meisten Frau­
en verschlossen. Erst 1869 wurde das erste
College für Frauen gegründet. Als Gertrude
Natur & Garten April 2015
61
Exkursionen
Wildflower Meadows zieren viele englische
Gärten – häufig bilden sie einen hohen Kontrast
zum gestalteten Garten.
Jekyll 1908 hier in Upton Grey den Garten
des Herrenhauses anlegte, hatte sich das
schon deutlich gewandelt.
Miss Jekyll war jedoch nicht nur Malerin.
In ihrer Jugend setzte sie sich auch mit Ar­
chitektur auseinander, reiste viel, u. a. nach
Griechenland, in die Türkei, nach Rom, Alge­
rien und in die Schweiz. Ideologisch stand
sie der Arts and Crafts-Bewegung nahe und
verfolgte einen einfachen, bewussten und
kreativen Lebensstil.
Mit William Morris, einem der Begründer
der Arts and Crafts-Bewegung, und William
Lethaby war sie befreundet. Unter dem
Einfluss von William Morris (1834 – 1896)
stickte, modellierte, schnitzte, vergoldete
und schmiedete sie. Sie entwarf Tapeten,
Stickmuster und Schmuck, zeichnete und
fotografierte, oft auch Architekturdetails
alter Landhäuser. Auch mit John Ruskin
(1819 – 1900) setzte sie sich auseinander.
Ruskin war einer der Hauptdenker der Arts
und Crafts-Bewegung. Bemerkenswert sind
neben seinen Werken zur Architekturtheo­
rie auch seine Schriften zur Sozialethik und
seine sozialen Reformvorschläge.
Aber was trieb die Arts and Crafts-Leute um?
Nach ihrer Auffassung zerstörten und ver­
wirrten die technischen Erfindungen alle
Künste. Sie verabscheuten die billigen Mas­
senwaren aus den Fabriken und propagier­
ten qualitätsvoll gefertigte Produkte nach
alter handwerklicher Tradition. Sie wollten
einen neuen Stil entwickeln, einen identi­
tätsstiftenden, modernen englischen Stil.
Für sie bestand der Stil der Viktorianischen
Zeit nur aus billigen und beliebig aus­
tauschbaren Repliken aller Zeiten und aller
Kulturen. Sinnbefreiter Billig-Kitsch würde
man heute wahrscheinlich sagen. Hauptsa­
che pompös. Ramsch statt Qualität. Geistlo­
se Kopien statt eigenständigem Ausdruck.
62 Natur & Garten April 2015
Das Produktdesign der Arts and CraftsBewegung war einfach, funktional und
sorgfältig im Umgang mit den Materia­
lien. Der künstlerische Ausdruck nimmt
Elemente des Jugendstils vorweg. Ihren
Höhepunkt hatte die Bewegung zwischen
1870 und 1920. In Deutschland führte sie
zur Gründung des deutschen Werkbundes
(1920 – heute) in Darmstadt. Auch das Bau­
haus und die Wiener Sezession waren von
der Arts and Crafts-Bewegung beeinflusst.
Mit der Arts und Crafts-Bewegung interes­
sierte sich zum ersten Mal eine Gruppie­
rung für die Baukultur Großbritanniens.
William Morris gilt mit seiner „Society for
the Protection of Ancient Buildings“, aus
der später der National Trust hervorging,
als Begründer der Denkmalpflege.
mit seinen Bauten das koloniale Gesicht
von Neu Dehli. Auch die britische Botschaft
in Washington D. C. ist sein Entwurf.
„Edwin Lutyens hatte nur sechs Monate in
der Kanzlei von (Sir Ernest) Georges ver­
bracht, bevor er sich 1889 mit nur 20 selbst­
ständig machte (im selben Jahr lernten sich
Jekyll und Lutyens kennen). Er machte sich
einen Namen durch eine Reihe von ausge­
zeichneten Entwürfen für Gutshäuser, oft
indem er vorhandene Gebäude vergrößer­
te oder umbaute und immer ein außerge­
wöhnliches Gespür für regionale Materiali­
en und Bautraditionen bewies. Durch seine
Zusammenarbeit mit der Gartenspezialis­
tin Gertrude Jekyll wurde er auch dafür be­
kannt, dass er Häuser und Gärten so mitei­
nander verband, dass dies zu einem neuen
Stil im englischen Gartenbau führte. (…)“
In der Malerei schloss sich Morris mit an­
deren Anhängern der Bewegung zur „Prä­
raffaelitischen Bruderschaft“ zusammen.
Sie wollten in ihrem Malstil an die Zeit vor
Raffael (1482 – 1520) anknüpfen, denn al­
les was danach folgte, war in ihren Augen
„schlecht“. Sie glorifizierten das Mittelalter
und verwoben die Motive ihrer Bilder oft
mit Themen und Stimmungen aus der mit­
telalterlichen Sagenwelt. Ihre Werke haben
daher etwas „Altes“, oft auch eine mystischentrückte Ausstrahlung. Die Nähe zum spä­
teren Jugendstil wird auch hier spürbar.
Einen weiteren, maßgeblichen Impuls
setzte der Gartenautor William Robinson.
Gertrude Jekyll lernte ihn 1875 kennen.
Sein Buch „Der wilde Garten“ mag ursäch­
lich dazu beigetragen haben, dass sie ei­
nen natürlich wirkenden Bepflanzungsstil
entwickelte. Sie gruppierte Stauden zu
zwanglosen Rabatten und arbeitete dabei
vorwiegend mit unterschiedlichen Tönen
einer Farbe und gelegentlichen Akzenten
in Komplementärfarben. Ferner legte sie
sehr viel Wert auf die Rhythmik und Struk­
tur einer Pflanzung.
In der Gartengestaltung waren sie dem
Werk Raffaels und seiner Zeitgenossen
dann nicht mehr so abgeneigt (so viel zum
Thema Konsequenz). Der Stil der Arts and
Crafts-Gärten nimmt Bezug auf die Italieni­
schen Gärten der Renaissance. Die meisten
Arts and Crafts-Gärten fielen in die Zeit, als
der älteste Sohn von Königin Viktoria, Ed­
ward VII (1841 – 1910) bereits sehr viel Öf­
fentlichkeitsarbeit wahrnahm und später
dann selbst Herrscher des Königreichs war.
Der Gartenstil der Arts and Crafts-Bewe­
gung wurde stilprägend für seine Zeit (da­
her auch der Untertitel von Rose Wallinger’s
Buch: The Restauration of an Edwardian
Masterpiece).
Aber warum war das, was Gertrude Jekyll
entwickelte, so anders?
Warum wurde Sie zur Trendsetterin? Was
macht Ihren Einfluss bis in die heutige
Zeit hinein aus? Haben nicht bereits im
18. Jahrhundert die englischen Landschaftsgärten den strengen Formalismus
und die absolute Naturbeherrschung der
französischen Gärten abgelöst? Entstanden
nicht auch bei uns Ende des 18. und Anfang
des 19. Jahrhunderts die berühmten Landschaftsgärten von Skell, Lenné und Fürst
Pückler-Muskau?
Schon, aber was hat man zur „Verschö­
nerung“ der von den Besitzern oft als zu
schlicht und schmucklos empfundenen
Landschaftsgärten gemacht? Medaillons
aus einjährigen Pflanzen in strengen Mus­
tern prangten auf den Rasenflächen. Meist
wurden sie in Gebäudenähe, an Eingängen
und an Auffahrten angelegt. Man stand
trotz aller Aufklärung noch fest verankert
im Feudalismus.
1889 traf Gertrude Jekyll auf den 20 Jah­
re jüngeren Architekten Edwin Lutyens
(1869 – 1944). Es begann eine Zeit der
fruchtbaren Zusammenarbeit. Lutyens gilt
als einer der bedeutendsten britischen Ar­
chitekten des 20 Jahrhunderts. Er prägte
Exkursionen
Im Vergleich dazu sind die Bepflanzungen
von Gertrude Jekyll unprätentiös und geer­
det. Sie knüpfen an die Tradition der länd­
lichen Cottages, die Gärten der einfachen
Landarbeiter an, wo Gemüse und Blumen
aus Mangel an Platz und Geld auf engstem
Raum zusammen kultiviert werden muss­
ten. Aus dem „Bauerngarten“ der kleinen
Leute wird das, was man heute als Cottage
Garden oder Landhausgarten bezeichnet.
Zwar musste von den Eigentümern der
damaligen Land- und Herrenhäuser keiner
mehr um sein Abendessen bangen, auch
war ein solcher Garten weich gebettete Ge­
sellschaftskritik auf hohem intellektuellem
Niveau. Er gab den Besitzern jedoch vor
Waltham Place –
a Dutchman in UK
Die Annäherung an Waltham Place muss
leider durch den Seiteneingang stattfinden.
In dem schmalen Zufahrtssträßchen finden
Bauarbeiten statt – unser Bus kann nicht
bis zum Haupteingang vorfahren. Aber wir
sind angemeldet und werden abgeholt.
Beim Vorübergehen am Herrenhaus ist klar:
Nicky und Strilli Oppenheimer müssen sich
keine Sorgen um ihre Rente machen. Wie
uns Beatrice mit charmantem Schweizer
Fotografieren ist nicht erlaubt – wer Erinnerungen an den Garten mit nach Hause nehmen
möchte, kann jedoch gerne Literatur über den
Garten erwerben.
allem Eines: Nationale, ideologische und
emotionale Identität.
Lassen wir das Gesehene also noch einmal
Revue passieren:
Da sind die Tradition und die Erdung: Wir
haben den Wirtschaftsteil mit Küchengar­
ten, Obsthain und Nussgarten. Wir haben
die Bepflanzung, die sich im Wesentlichen
aus dem Sortiment der ursprünglichen
Cottage-Gärten bedient.
Wir haben die Verfeinerung: Sie drückt sich
in der Sorgfalt der farblichen Abstimmung
und der bis ins Detail geplanten Strukturen
und Pflanzenkombinationen aus.
Da ist der Zeitgeist: Dem Bedürfnis nach
Sport wird Rechnung getragen. Die For­
mensprache des Gartens ist formal, die Be­
pflanzung frei, die Materialien regional.
Und da ist das Neue und Unorthodoxe: Wir
haben den wilden Garten. Gärten werden
erstmals auch als wertvolles Refugium für
wilde Tiere begriffen. Der Mensch über­
nimmt Verantwortung.
Puh!!! Erst Mal durchatmen. Das war jetzt
ein heftiger Exkurs!
Standen da nicht noch Tee und Gebäck?
Hhm – lecker!
[Weiter lesen > siehe Homepages]
Akzent erzählt, leben die Oppenheimers
sowohl in Südafrika als auch hier in Walt­
ham Place. Für ihr Auskommen sorgt der
Handel mit Diamanten. Beatrice ist Head
Gardener hier in Waltham Place und wird
uns gleich durch den Garten führen.
Die Gartenphilosophie von Strilli Oppen­
heimer ist einfach: „Wir arbeiten mit der
Natur, nicht gegen sie.“ In Waltham Place
wird noch Gartenbau und Landwirt­
schaft betrieben. Das Gemüse kann im
Hofladen erworben werden. Das Restau­
rant bietet Gerichte aus eigenen Zutaten
an. Der Anbau von Obst und Gemüse er­
folgt nach ökologischen und biodynami­
schen Grundsätzen. Und auch der Zier­
garten wird so bewirtschaftet, dass hier
nur Pflanzen ihren Platz finden, die ohne
Kunstdünger und Pestizide auskommen.
Schädlingsbefall und Fäulen werden hin­
genommen. Den Pflanzen wird erlaubt,
ihren kompletten Lebenszyklus zu durch­
laufen. Sie bleiben bis in den Winter hin­
ein stehen, können sich aussamen und
werden erst im späten Winter zurück­
geschnitten. Vögel und Insekten, aber
auch wir Menschen sollen vom Gang der
Jahreszeiten und der Veränderung der
Pflanzen profitieren. Für Strilli Oppenhei­
mer ist der Prozess der Alterung bis zum
Absterben der Pflanzen genauso faszi­
nierend wie das Erwachen des frischen
Grüns im Frühjahr – vielleicht weniger
Aufsehen erregend, aber jede Jahreszeit
hat ihre Schönheit.
[Weiter lesen > siehe Homepages]
Zunächst nimmt uns Andy Roberts mit auf
einen Rundgang durch den Garten. Es geht
bergan über den sogenannten woodland-walk.
Spinners Garden –
alles Rhodo oder was?
Die Beschreibung des Gartens liest sich
überaus spannend. Vor Ort sind wir et­
was irritiert. Vicky und Andy Roberts sind
wie ihre Vorbesitzer Sammler von sel­
tenen Bäumen und Sträuchern. Hatten
es den Vorbesitzern vor allem Kamelien
und Magnolien angetan, so sind Rho­
dodendren und Azaleen unverkenn­
bar die Leidenschaft von Andy Roberts.
Was hat dieser Garten mit einem Natur­
garten zu tun? Gefühlterweise so viel wie
eine Aldi-Gurke mit gesunder Lebensweise.
Aber nicht so schnell. Kerstin mahnt uns
zu mehr Offenheit. Schließlich sei Spinners
Garden ein gutes Beispiel für einen „Wood­
land Garden“. Aha …
[Weiter lesen > siehe Homepages]
Natur & Garten April 2015
63
Exkursionen
Great Dixter –
im Rausch der Farben
Aua! Was ist denn das?
Sollte bis gerade noch jemand behaglich
und verträumt auf seinem inneren Sofa
gesessen haben, so hat es ihn soeben mit
einem heftigen Stoß davon herunter ge­
schleudert. Die grelle Farbigkeit, die uns
hier entgegenschlägt, schmerzt schon fast
in den Augen. Es ist wie ein Paukenschlag.
Da ist nichts mehr leise, fein abgestuft oder
Nathanial Lloyd, der Vater von Christopher
Lloyd, war Anhänger der Arts and Craft-Bewegung und liebte alte Häuser. Nachdem er 1910
Great Dixter gekauft hatte, beauftragte er Edwin Lutyens mit der Restaurierung des Hauses.
Der selbstbewusste und ungeduldige Nathanial
Lloyd forderte seinen Architekten nicht nur bei
der Restaurierung des Hauses, sondern auch bei
der Anlage des Gartens.
harmonisch. Hier kreischt und tobt es. Das
ist nicht mehr William Turner. Das ist Emil
Nolde in Höchstform!
ausfordert. Es ist kein Garten, in den man
sich zurückzieht, um zur Ruhe zu kommen
oder seine Gedanken zu sammeln oder sich
fallen zu lassen. Er ist aufgeregt. Er erzeugt
Spannung, bringt einen aus dem Gleichge­
wicht. Fast schon strahlt er Gereiztheit aus.
Die Farben sind kräftig, die Farbzusammen­
stellungen sind gewagt. Great Dixter ist ein
Garten, der zur Auseinandersetzung her­
[Weiter lesen > siehe Homepages]
Sissinghurst Castle und
Vita Sackville-West
Eine Woche bestes Wetter und eine Fülle
von Eindrücken liegt hinter uns. Wir kom­
men gerade aus Great Dixter; Sissinghurst
wird die letzte Station auf unserer Exkursi­
on sein. Er soll einer der schönsten Gärten
Englands sein. Wir sind also gespannt, was
uns hier erwartet.
Vorbei am obligaten Info-, Shop- und Res­
taurant-Bereich steuern wir zielstrebig auf
den Eingang zum Garten zu. Vor Jahren hat
man begonnen, die Anzahl der Besucher in
Sissinghurst zu begrenzen, um den Garten
zu schonen. Das ist auch gut. Der Trubel ist
groß genug.
Mit viel Idealismus und unter unglaublichen
körperlichen und finanziellen Anstrengungen
begannen die Nicolsons 1930 den Wiederaufbau der verfallenen Gebäude und mit der
Anlage ihres Gartens. Er war bereits 1937 gegen
einen kleinen Obolus für die Öffentlichkeit
zugänglich.
64 Natur & Garten April 2015
Sissinghurst Castle wird in der Regel in
einem Atemzug mit Vita Sackville-West
(1892 – 1962) genannt. Sie ist nicht nur die
Gestalterin des Gartens, sondern vor allem
Schriftstellerin. Darüber hinaus umweht sie
der Klatsch und der Tratsch der Jahrhunder­
te. Sie war eine Dame des englischen Hoch­
adels, eine romantische Intellektuelle mit
homosexuellen Neigungen. Bekannt ist vor
allem ihre Affäre und Freundschaft zu Virgi­
nia Woolf (1882 – 1941). Verheiratet war sie
mit Harold Nicolson (1886 – 1968), einem
Baron in diplomatischen und politischen
Diensten. Wenn er nicht gerade zusammen
mit Lady Nicolson (so die offizielle Anrede
von Victoria Mary Sackville-West, genannt
Vita) den gemeinsamen Garten anlegte
oder Bücher schrieb, war er ein Regierungs­
bediensteter in gehobener Stellung. Er war
sowohl Mitglied der britischen Delegation
bei den Friedensverhandlungen der Pariser
Konferenz nach dem 1.  Weltkrieg, als auch
später im Stab eines gewissen Winston
Churchill. Auch Nicolson nahm es mit der
ehelichen Treue nicht so genau und fand
nicht nur Gefallen an Frauen. Die Boule­
vard-Presse hätte ihre wahre Freude an
dem Paar gehabt.
Wir sind also nicht bei irgend jemandem
zu Hause. Wir bewegen uns in höchsten
Kreisen und in einer Welt aus Reichtum,
Bildung, Eleganz, Kreativität, Sinnlichkeit,
Mondäne, Intellekt, Abenteuer und Mut.
Jetzt aber weg von der Society und rein in
den Garten!
[Weiter lesen > siehe Homepages]
Exkursionen
Zusammenfassung
Wir sitzen im Bus und sind auf dem Weg zu
unserem letzten Hotel. Morgen werden wir
wieder zu Hause sein.
Kerstin greift zum Mikrophon. Sie hat eine
Aufgabe für uns für die morgige Heimreise.
„Was können wir für die Naturgartenge­
staltung von Great Dixter und Sissinghurst
lernen, was könnten wir auf unsere Gärten
übertragen?“ Freiwillige werden gesucht.
Oh – diese Frau hat Energie für zwei!
Blitzartig schnellen 18 Hände nach oben. Es
kommt zu Streit und Handgreiflichkeiten.
Schließlich fährt Ben auf die Standspur und
sorgt für Ruhe!
Das ist natürlich Unsinn. Der Andrang ist so
„immens“, dass die Aufgabe als Strafarbeit
fürs Zu-spät-kommen deklariert wird. Wer
war denn noch zu spät?
Reinhard? Reinhard! Und Jürgen? Jürgen
dementiert heftig, zeigt sich dann aber
doch solidarisch.
Das Urteil am nächsten Tag ist vernichtend:
NICHTS!
Nein, nichts! Keine Nisthilfen, die hohen Ge­
bäude wären prädestiniert für Mauersegler
gewesen, kein Totholz, nur wenige heimi­
sche Pflanzen, viele Rosen waren stark ge­
füllt, allenfalls der Umgang mit Farben …
Kerstin ist nicht zufrieden. Sie fasst nach.
Gibt es wirklich nichts?
Ist es nicht die gestalterische Qualität? Die
Bildung von Räumen, Höhenunterschieden
und Hintergründen, die Verzahnung von
Gebäude und Garten sowie der Anspruch
an Ästhetik? Ist es nicht mutig, ungewöhn­
liche Farbkombinationen auszuprobieren
und sich fernab aller Schönheitsideale
durch Zufallsergebnisse inspirieren zu las­
sen? Wie gelingt die dichte Bepflanzung in
den Mixed Borders? Können Naturgärten
formal gestaltet werden? Was bedeutet die­
ser Rahmen für die Gesamtwirkung?
So nach und nach tröpfeln Gedanken und
Beiträge:
pRasen wurde als Gestaltungselement ein­
gesetzt.
pUm die Blumenwiesen liegen akkurat ge­
mähte Rasenstreifen, um zu zeigen, dass
das Wilde Absicht ist. Sie unterstreichen
die Wirkung der Wiese und präsentieren
sie besser.
pDer Rasen war in Mustern gemäht. Es
wird demonstriert, dass man sich küm­
mert – in Waltham Place wurde das Mäh­
muster geschickt dazu eingesetzt, den
Blick zu lenken.
pBei einer Klientel, die nicht originär Na­
turgarten-affin ist oder unentschlossen
im Stil und Ausrichtung, können Natur­
gartenelemente und -bereiche in einer
vertrauten „Verpackung“ angeboten wer­
den, um die Akzeptanz von Naturgärten
zu erhöhen oder die Annäherung zu er­
leichtern.
pJa, Farbe und Gestaltung – auch mit Wild­
pflanzen kann man in Farben, Strukturen,
Höhenstaffelung und Übergängen arbei­
ten.
p
Die geschlossenen Pflanzungen von
Great Dixter lassen kein Unkraut durch­
kommen und sind wahrscheinlich nicht
so pflegeintensiv.
pDas „Spiel mit dem Zufall“ kann kultiviert
werden: Beobachten, was kommt und
zulassen, was sich bewährt (oder gefällt).
pIn einer der hohen Rankrosen am Gebäu­
de war ein Nest von einem Rotkehlchen.
Die alten Schuppen haben an sich viel
Potential.
pSo wenige heimische Pflanzen waren es
gar nicht. Eine Liste wird rumgegeben
und jeder kann angeben, was ihm aufge­
fallen ist:
p
Von Frühblühern und Wiesenpflanzen,
Großer Sterndolde über Königskerzen,
Primeln, Storchschnäbel, Türkenbundli­
lien bis zu Wildrosen und Weißdorn wa­
ren auch in den bekannten Gärten einige
Wildpflanzen vertreten.
Das salbungsvolle Schlusswort spare ich
mir. Wir hatten riesiges Glück mit dem Wet­
ter und den besten Busfahrer der Welt. Das
Programm war abwechslungsreich und
rund.
Kurzum: Es war eine absolut gelungene
Woche! Danke Kerstin.
Anm. d. Redaktion: Aus Platz- und Kostengründen können wir die wunderbaren Exkursionsberichte von Danièle Bastian leider
nicht in voller Länge in Natur&Garten veröffentlichen. Alle Artikel über Waltham Place,
Spinners, Great Dixter und Sissinghurst sowie
alle bisher veröffentlichten Berichte finden Sie
in der ungekürzten Originalversion auf den
Homepages:
www.naturgartenvielfalt.de/exkursionen/
oder
www.naturgarten.org/veranstaltungen/
exkursionen
Danièle Bastian
D - 76744 Wörth a. Rhein
3 07271 – 42512
[email protected]
Natur & Garten April 2015
65
Exkursionen
Internationale Spielnatur Karawane
Vom 29.9. – 3.10.2014
in den Niederlanden
Im Frühjahr 2014 erhielten etwa 40 aus­
gewählte VertreterInnen der SpielnaturBewegung in Holland und anderen Län­
dern Europas elektronische Post von der
Nordsee-Insel Texel: Die Stichting Oase, seit
etwa 30 Jahren der Motor der niederländi­
schen Spielnatur-Bewegung, lud zu einem
lehrreich-lustvollen Abenteuer der beson­
deren Art. Willy Leufgen und Marianne van
Lier hatten sich der überaus komplexen
Aufgabe unterzogen, in fünf Tagen mit 20
TeilnehmerInnen aus Holland und 20 aus
anderen Ländern Europas etwa 30 Beispie­
le für naturnahe Spielräume abzuklappern
und gemeinsam Erfahrungen zu sammeln
und auszutauschen. Die Wettergöttin
meinte es gut und bescherte unserer Ex­
kursion fünf milde, weitgehend regen- und
windfreie Tage. Die TeilnehmerInnen aus
Deutschland und Österreich fanden, dass
Wasserspielplatz aus wiederverwerteten
Materialien. Der Handgriff der Pumpe wurde
behindertengerecht als Bügel ausgeführt
66 Natur & Garten April 2015
sie ihre vielfältigen Eindrücke und Erfah­
rungen der „Naturgarten-Community“ im
deutschen Sprachraum nicht vorenthalten
dürften. So entstand der folgende Kurzbe­
richt, der natürlich nur einige Blitzlichter
auf die Veranstaltung werfen kann. Die
AutorInnen geben auf Anfrage gerne Aus­
kunft bei weitergehenden Fragen.
(Renate Froese-Genz, Markus Kumpfmüller,
Konstanze Schäfer, Antje Schwabersberger,
Reinhard Witt)
Im Namen aller TeilnehmerInnen danken
wir ganz besonders Marianne van Lier und
Willy Leufgen für die wunderbare Exkursi­
on. Hartstikke bedankt!!!
Der Nordwesten – Erste Eindrücke
Beverwijk ist eine Kleinstadt mit etwa
40.000 Einwohnern im Nordwesten der
Niederlande, zwischen Alkmaar und Ams­
terdam. Eine private Elterninitiative hat hier
inmitten einer Wohnsiedlung zwei kon­
PUK, der Spielgarten für die kleinen Knirpse,
im Überblick. Organische Formen, RecyclingMaterialien, Holz, Sand und Weiden fügen sich
mit den Kindern zu einem harmonischen Bild .
ventionelle betreute Kindertagesstätten
zu wunderbaren Naturspielanlagen umge­
stalten lassen: PUK und Moby Dick (www.
speeltuin-mobydick.nl).
Der Ökologische Gartenbaubetrieb „De
Twee Heren“ (www.detweeheren.nl) hat
hier mit viel Gespür und technischem
Sachverstand rund um alte konventionelle
Spielstrukturen zwei kleinräumig struktu­
rierte Naturoasen geschaffen. Die großflä­
chig vorhandenen Plattenbeläge aus Beton
im Format 30 x 30 cm wurden zu Sitzmau­
ern und Spielbächen aufgeschichtet. Die
ursprünglich ebenen Flächen wurden im
Massenausgleich zu einer Hügellandschaft
umgestaltet. Mit Robinienstämmen und
ausschlagfähigen Weiden wurden Klein­
strukturen eingefügt, die von den Kindern
in vielfältiger Weise erobert, bespielt, ver­
ändert werden.
Wir haben die Gelegenheit, den Kindern
beim Spielen zuzuschauen und uns mit
den BetreuerInnen Jetske van den Bijtel,
Marjan Kaufmann und Marichel Weel über
ihre Intentionen und Erfahrungen zu un­
terhalten. Die Kinder können für einen ge­
ringen finanziellen Beitrag von weniger als
20 € pro Jahr nachmittags hierherkommen,
vorzugsweise gemeinsam mit ihren Eltern.
Gemütliche Sitzplätze und eine Hütte mit
Sanitäreinrichtungen und kleiner Kochge­
legenheit sorgen dafür, dass die beiden An­
lagen zu einem beliebten Treffpunkt auch
für die Eltern geworden sind. Ein wesentli­
cher Schlüssel zum Erfolg ist die Mitarbeit
Exkursionen
Moby Dick, der Spielgarten für die etwas Größeren, im Überblick. Konventionelle Elemente aus der
ursprünglichen Gestaltung wurden in die neu geschaffene „Wildnis“ integriert
freiwilliger Helfer, die einen wesentlichen
Teil der Betreuungsarbeit übernehmen.
Eine Besonderheit von Moby Dick ist die
Anpassung des Geländes für behinderte
Kinder. Besonders beeindruckend war für
uns, dass die erforderlichen Anpassungen
so vorgenommen wurden, dass sie erst bei
genauem Hinschauen erkennbar werden
und den Erlebniswert für „normale“ Besu­
cher in keiner Weise beeinträchtigen.
(Markus Kumpfmüller)
Ein Tag in Amsterdam –
die „geballte Ladung“
Als es um die Aufteilung der Berichter­
stattung ging, habe ich mir den phantasti­
schen Tag in Amsterdam ausgesucht. Eine
geballte Ladung wunderbarer Eindrücke
und Erlebnisse gilt es nun, in Kürze weiter
zu geben. Keine leichte Aufgabe, obwohl
wir uns in zwei Gruppen aufgeteilt und
verschiedene Projekte angesehen haben.
Zuerst starteten wir alle gemeinsam mit
Fahrrädern vom Hauptbahnhof, allein das
war schon ein Abenteuer. Nach einem klei­
nen Zwischenstopp im Westerpark auf dem
ehemaligen Gelände der Westergasfabriek
landeten alle wohlbehalten im Naturspiel­
garten Het Woeste Westen. Martin Hup, der
Direktor des HWW, der auch mit unserer
Karawane reiste, erzählte uns Interessantes
über die Entstehung und den Betrieb des
Geländes. Besonders beeindruckend war
die Einweisung einer Schulklasse durch ei­
nen jungen, äußerst temperamentvollen
Mitarbeiter in die Möglichkeiten, die das
Gelände bietet. Auch ohne holländische
Sprachkennnisse war es ein Vergnügen, die­
sen Ganzkörpereinsatz mitzuerleben. Eini­
ge Kinder schauten etwas verstört, wir hin­
gegen gingen, ohne zu zögern, ungeniert
spielen und probierten alles aus!! Wie so oft
in Holland, war auch auf diesem Gelände
Wasser ein entscheidendes Element, das
für ganz konkrete Spielangebote besonde­
rer Art genutzt wurde. Ob als Kanäle, klei­
ner Matschtümpel oder Wasserlauf, den es
in vielfältiger Weise, manchmal Mutproben
ähnlich, zu überqueren galt, immer gab es
etwas zu entdecken. Bevor es dann, in zwei
Gruppen geteilt, weiterging, wurden wir
noch mit selbstgekochter Suppe, Pizza aus
dem Backofen und vielen anderen Lecke­
reien verwöhnt. Gut gestärkt, galt es dann,
sich zu entscheiden, sich größere Projekte
am Rande Amsterdams anzuschauen oder
eine Fülle kleinerer in der Innenstadt. Ich
entschied mich für letztere und kam so in
den Genuss, mir mehrere wunderbare Ge­
lände anzusehen, die Jan van Schaik gestal­
tet hat. Wer sich mal um seine Steuererklä­
rung oder anderes, das wenig Spaß macht,
herumdrücken möchte, dem empfehle ich
hiermit, sich auf der Website von Jan um­
zuschauen. Ich bin absolut sicher, dass an
diesem Abend keine Zeit mehr bleibt, um
sich noch um die Steuererklärung zu küm­
mern! Es ist schon faszinierend, welchen
Ideenreichtum manche Menschen an den
Tag legen und diesen dann noch mit vol­
lem Herzen umsetzen und andere daran
teilhaben lassen. Zu beschreiben, was wir
alles an Schönem auf Schulgeländen und
Berna ganz oben auf!!
Spielgelände Het Woeste Westen
Schulgelände ‚de kleine Nicolaas‘,
gestaltet von Jan van Schaik
Natur & Garten April 2015
67
Exkursionen
integrierten Kindergärten gesehen haben,
ist schier unmöglich. Nur so viel: Jan van
Schaik hat ein umwerfendes Gespür für
Raumbildung und Details, vor allem beim
Bau von bespielbaren Holzkonstruktionen.
Zusammen mit seinem Gärtner-Kollegen
Wouter van Santen kommt auch in Punkto
Pflanzen die naturnahe Gestaltung nicht zu
kurz. Ein wirklich tolles Team.
Und ansonsten? Nein, wir waren nicht im
Coffeeshop (was mein 15-Jähriger zu Hause
kaum fassen konnte). Dafür hat uns Sigrun
Lobst bis zum Dunkelwerden genießerisch
durch die wunderschöne „Grachten-Land­
schaft“ Amsterdams radeln lassen. Wir wa­
ren dann nur eine kleine Gruppe von fünf
Menschlein und beschlossen den Abend
im Bolhoed, einem netten kleinen vegeta­
rischen Restaurant, natürlich mit Blick aufs
Wasser und noch ganz berauscht von all
dem, was wir an diesem einen Tag alles er­
lebt und gesehen hatten.
(Antje Schwabersberger)
Vielseitiger geht es nicht:
Speeldernis und Vuurvogel
Ich nehme mir zwei Anlagen dieses sehr
reichhaltigen Tages heraus, die hier unbe­
dingt vor den Vorhang müssen. Zum einen
war da der Garten der Waldorfgrundschule
De Vuurvogel in Zoetermeer, einer 100.000EW Stadt im Dreieck Rotterdam-De HaagZoetermeer gelegen.
Im spielgerätefreien Schulgelände von De
Vuurvogel (Der Feuervogel) wurde klein­
räumig und liebevoll geplant (das Gelände
ist max. 500 m² groß): Viele Abgrenzungen
von Elementen wie Sandmulde, Beete,
Wegeführungen erfolgen durch liegende
Holzstämme jeden Durchmessers, wobei
alle Weidenstücke wieder ausschlagen und
zusätzliche Strukturen ergeben. Der Gar­
ten rund ums Gebäude wirkt dadurch sehr
lebendig und es gibt viel zu entdecken.
Highlight der Anlage ist eine stark ver­
zweigte, vielfach bespielbare Riesen-Weide
(mit viel Hartnäckigkeit organisiert von Jan
van Schaik, einem der genialsten Planer
und ausführenden Betriebe dieser Exkursi­
on), im Fallschutzsand gelegen, und natür­
lich munter austreibend …
68 Natur & Garten April 2015
Weiter zeichnet die Anlage der fehlende
Zaun aus, es gibt nur abgrenzende Ge­
hölze: Ein Schulgarten, der alle Kinder der
Umgebung einlädt und einen zusätzlichen
öffentlichen (Natur)Spielplatz ersetzt.
Das ist eine Besonderheit auch in Holland.
Eine Besonderheit der niederländischen
öffentlichen Spielplätze für UNS in D und
Ö ist wiederum eine Gepflogenheit, nach­
mittags betreute Spielplätze anzubieten (s.
Markus). Einen solchen besuchten wir am
Ende des Tages in Rotterdam: De Speel­
dernis. Hier treffen das Engagement einer
Fachfrau, deren Kinder hier ihre Nachmit­
tage verbringen, die Sehnsucht nach Natur
am Rande einer Metropole und das Glück,
jede Menge Grachten-Wasser zur Verfü­
gung zu haben, ideal zusammen. De Speel­
dernis ist der Geburtsort der holländischen
Spielnaturbewegung. Geplant, koordiniert
und betreut von der aus Leipzig nach Rot­
terdam ausgewanderten Landschaftspla­
nerin Siegrun Lobst.
Hier können Kinder 3 x die Woche am Nachmittag und am Wochenende spielen, es sind
immer ehrenamtliche Betreuungspersonen
da. Also steht einem Spiel mit herumliegen­
den Steinen, Stecken, dem Paddeln im Was­
ser in diversen „Booten“, dem Feuermachen
und dergleichen nichts mehr im Weg.
Möglich und notwendig ist dies, weil die
SchülerInnen hier bis zur 6. Schulstufe kei­
ne Hausaufgaben haben und sich die meist
nur halbtags berufstätigen Mütter (ja: Müt­
ter) sich mit Kind und Kegel gerne treffen.
Sie zahlen einen sehr geringen Eintritt, kön­
nen Essen und Trinken mitnehmen oder z. T.
auch vor Ort Kleinigkeiten kaufen. Betrie­
ben wird der Spielplatz wie ein perfekter Al­
ternativkindergarten mit Programm durch
die Jahreszeiten, inkl. Übernachtungen.
Bei unserem Eintreffen war es schon dämm­
rig, ich habe Alma, Siegruns 11-Jährige, um
eine schnelle Führung zu ihren Lieblings­
plätzen gebeten. Ich kam aus dem Staunen
nicht mehr heraus:
Auf zwei Seiten von Grachten umgeben,
haben die Kinder ein Paradies mit großzü­
gigen, herrlich verwachsenen Sand-Was­
serbereichen, querenden Wasserläufen,
Bauspielbereich Tiengemeten
Wasserspeicher in De Enk
Kreative Recyclingmauern im De Enk
Der Drachen in De Enk
Exkursionen
verwunschenen Wegen unter Bäumen und
über überbaute Container. Baumstämme
liegen als Brücken über den „Wasserstra­
ßen“, kleine Mauern aus Ziegeln und Platten
dienen als Umrandungen einzelner Plätze.
Die einst offene und großzügige Gestaltung
ist nach mittlerweile 12 Jahren eine wilde
Naturoase geworden. Sie wurde einst künst­
lich erhöht angelegt, um ein Einfließen des
umgebenden Wassers zu verhindern.
Zum Abschluss gab es für uns ein fantasti­
sches Buffet und, wer wollte, konnte Fotos
aus dem Alltag hier bestaunen.
(Konstanze Schäfer)
Kinder-Abenteuer:
De Enk und Tiengemieten
Rotterdam: Gestärkt durch ein türkisches
Frühstück durften wir den wunderbaren
Lehrgarten „De Enk“ – ähnlich den deut­
schen „Gartenarbeitsschulen“ – besichti­
gen. Wir wurden herzlich empfangen durch
Gerrit Roukens, der diesen Garten über
viele Jahre gestaltet hat und konnten sei­
nen Erläuterungen lauschen. Der zentrale
Bereich dieses Geländes ist den Kindern
vorbehalten, die jeweils auf 10 m² Gemü­
se, Blumen und Kräuter anbauen. Gerrit
Roukens baute den Rand des Geländes
– in weiten Teilen ein ehemaliger breiter
Asphaltweg, von dem nun nichts mehr zu
sehen ist – in einen unglaublich abwechs­
lungsreichen Abenteuer- und Spielweg
um. Wir laufen über Knüppelpfade, Stege,
entdecken Strauchhöhlen, Recyclingmau­
ern, Türme und Skulpturen aus jeglichen
Recyclingmaterialien.
Beglückt durch Kaffee, Tee und einem köst­
lichen Früchtebrot starten wir nach Nieu­
wendijk, um von dort mit der Fähre nach
Tiengemeten zu gelangen, einer Flussinsel
im Mündungsdelta von Rhein und Maas.
Hier wurde vor zwei Jahren aus einer ehe­
maligen intensiv landwirtschaftlich genutz­
ten Fläche auf ca. 2 ha eine „Spielnaturflä­
che“ gebaut , die von Sigrun Lobst geplant
und von Reinhard Witt mit 42 kg heimi­
schen Saatgut angesät wurde. Wie immer
in Holland steht das Spiel mit dem Wasser
im Vordergrund: Schlickrutschen, waghal­
sige Fluss-Überquerungen über Stämme,
Hangelseile, Floße. Viel Platz zum Toben,
verstecken, Buden bauen, spielen und aus­
probieren. Die vielen Relikte wie Stämme
und Kanister im Wasser zeugen von inten­
sivem Spiel.
Untermauert wurden diese lebhaften Ein­
drücke von den Vorträgen von Reinhard
Witt zur „ Heimischen Artenvielfalt in NaturErlebnis-Räumen. Von der Notwendigkeit
und dem Nutzen der floristischen Vielfalt“,
den Erläuterungen unserer türkischen Teil­
nehmerin Dr. Berna Coker, Professorin für
Pädagogik an der Universität Izmir über ihr
Forschungsprojekt zum Verhalten von Kin­
dern im Freiräumen, von Mike Jones, Tot­
ness, GB, mit seinem Beitrag „About play,
evolution and how it relates to the transi­
tion movement“ sowie dem abschließen­
den Vortrag von Antje Schwabersberger
über ihr Projekt „Naturcamping Elbogen­
see“. Diesen Tag schließen wir mit einem
Essen in einem besonderen Restaurant in
Rotterdam Süd „Hotspot-Hutspot“ ab: hier
werden Gourmet-3 Gänge-Menüs aus nicht
mehr benötigten Lebensmitteln von zu in­
tegrierenden Jugendlichen sowie von Kin­
dern aus einem sozialem Brennpunkt unter
Leitung eines Kochs gezaubert: Lecker!
(Renate Froese-Genz)
Den Haag – ein kleines Grundschulgelände mit viel Natur
Die Stadt kennen viele, weil hier der inter­
nationale Menschengerichtshof residiert.
Die Grundschule Het Startpunt, gelegen
im eher problematischen Stadtviertel
Schilderswijk mit hohem Ausländeranteil,
wohl eher nicht. Die beiden Planer und
Gärtner Wouter van Santen und Jan van
Schaik haben hier auf wenigen Quadrat­
metern Innenhof einen Kindertraum ver­
wirklicht. Um eine hohe Linde schmiegt
sich ein herausforderndes Baumhaus, von
dem aus sich Kinder an einem langen Seil
zu Boden schwingen. Ein Stück weiter das
Sandspiel, der Feuerplatz, ein umzäunter
Naturteich, Blumenbeete. Ein Weggewirr
verbindet und trennt die mit Trockenmau­
ern und Holzstämmen vor vielen Kinder­
füßen in Sicherheit gebrachten Pflanzen.
Den Schwerpunkt bilden heimische Arten.
Die Aggression sei merklich zurückgegan­
gen, hören wir. Und die Begeisterung der
Kinder ist ungebrochen. Da es gerade viele
Kreuzspinnen in den Büschen hat, beginnt
ein Mädchen, sich mit ihr abzuseilen. Das
Schulhof, natunah. Het Startpunkt, vorderer
­Bereich mit Baumhaus und kleineren Blumen­
beeten. Eine Grundschule mit dem in den
Niederlanden üblichen viel zu kleinen Außengelände und doch mit überraschend viel Natur.
Het Startpunkt. Das Spinnenspiel. Ein Mädchen
fängt an, und bald krabbeln sie über bloße
Hände und Finger. Und dann holt die Lehrerin
noch eine Bestimmungstafel. Welche Spinne ist
das wohl? Aha, eine Kreuzpinne!
bleibt natürlich nicht unentdeckt, so riesig
ist das Gelände auch wieder nicht. Wie herr­
lich man Mitschüler mit einer Spinne in der
Hand erschrecken kann. Großes Gelächter.
Wir sind Teil eines friedlichen Miteinanders
verschiedener Kulturen und Meinungen.
Ein gelungener, kraftvoller Abschluss ei­
ner beeindruckenden Exkursion. Es tut so
unendlich gut, anderen über die Schulter
zu schauen und dabei sich selbst zu sehen.
Dazu passen auch die weiteren Fachvorträ­
ge im Niederländischen Wirtschaftsminis­
terium von Anna Lenninger aus Schweden,
Manfred Dietzen und Ulrike Wolf aus Berlin
und Jean-Francois Abele aus Gent. Sie öff­
nen die Augen für das, was so notwendig
ist auf dieser Welt: Natur, im Spiel, in der
Landschaft, im Herzen. Im Geiste fallen wir
alle auf die Knie und danken Marianne van
Lier und Willy Leufgen für diese großartige
Idee, ihre Zeit und Kraft, Menschen, schöne
Plätze, Beispiele, Erlebnisse und Begegnun­
gen zu verbinden.
(Reinhard Witt)
Natur & Garten April 2015
69
Internes
Internes und Neues
Februar bis März 2015
Liebe Mitglieder, hier sind wieder unsere Ergebnisse aus mehreren Monaten Vereins- und Vorstandsarbeit.
Weitere Infos befinden sich auch im Mitgliederbereich der Naturgarten-Webseite: www.naturgarten.org/
mitgliederbereich/mv, Benutzername: mgnv, Kennwort: wildekarde.
Bericht von der Mitgliederversammlung am 22.1.2015/City-Hostel, Düsseldorf
Der Vereinstag des Naturgarten e.V. vom
Donnerstag, dem 22.1.2015 begann, für
die meisten überraschend, mit der Begrü­
ßung und Moderation durch Ralf Becker.
Die Tagesordnung der MV wurde um den
Punkt Neuwahlen erweitert. Das im Vorjahr
gewählte Vorstandsteam hatte dieses ge­
schlossen beantragt. Der Vorstand wurde
für ein Jahr gewählt. Auf der nächsten MV
soll ein neuer Vorstand wieder für 3 Jahre
gewählt werden, wie es die Satzung vor­
sieht. Basis für diese Wahl in 2016 soll ein
von der MV 2016 zu beschließendes neu­
es Vereinskonzept sein. Wir begrüßen die
Neuvorstände Carmen Lefeber und Rolf
Hüttmann.
Protokoll der MV steht im Passwort ge­
schützten Mitgliederbereich.
Das erweiterte Vorstandstreffen vom Vor­
abend und die Jahresmitgliederversamm­
lung haben neben der Neuwahl eine
Menge neuer Ergebnisse gebracht. Das
pHelmut stellte den Jahresabschluss 2013
vor. Der Überschuss aus 2013 wird zur Fi­
nanzierung der Unterdeckung der Folge­
jahre verwendet.
Das Wichtigste in Kürze:
pNeben Dorothee, Kerstin und Reinhard
wurden zwei neue Mitglieder in den Vor­
stand gewählt. Carmen Lefeber (Land­
schaftsarchitektin und Naturgarten-Profi)
und Rolf Hüttmann (Bank- und Dipl.-Kfm.,
Kassenprüfer des Vereins für 2013) erklär­
ten sich bereit, das kommende Jahr und
die Zukunft des Vereins als Vorstand mit­
zugestalten. Helmut und Werner traten
nicht wieder an. Wir danken ihnen sehr
für die gute Arbeit und hoffen, dass sie
dem Verein noch lange erhalten bleiben.
pAls Kassenprüfer für das Jahr 2014 wur­
den Friedhelm Strickler (Neuwahl) und
Robert Schönfeld gewählt.
Carmen Lefeber
Rolf Hüttmann
70 Natur & Garten April 2015
pDer Umzug der „Naturgartentage“ nach
Düsseldorf war ein voller Erfolg. Beson­
ders neu war, dass ein Umweltminister
(Land NRW) neben Grußworten auch
konkrete Ansätze einer Zusammenarbeit
vorstellte. Wir danken Johannes Remmel.
Die Teilnehmerzahlen von max. 150 Ta­
genden am Samstag wären in Grünberg
räumlich nicht möglich gewesen. Leider
müssen wir uns erneut um ein anderes
Tagungshaus bemühen, da Düsseldorf
im kommenden Jahr terminlich nicht zur
Verfügung steht. Inzwischen wurde die
Jugendherberge in Heidelberg mit einem
vergleichbaren Kosten-Nutzen-Verhältnis
für 2016 gebucht. Die Tagungskosten sol­
len im bisherigen Rahmen bleiben.
pDas erfolgreiche Konzept der „Naturgar­
tentage“ wird konsequent vom Orga-
Team weiter entwickelt. Viele neue The­
menfelder wurden angeregt und sind
beim Orga-Team in Bearbeitung. Eine in­
flationsbereinigte Erhöhung des Budgets
für Referentenhonorare wurde beschlos­
sen. Das Orga-Team bittet um tatkräftige
Unterstützung durch Mitglieder bei der
Werbung für die Naturgartentage.
pKerstin stellte mit der „Filmwerkstatt Heil­
bronn“ drei wunderbare Filmproduktio­
nen vor. Diese werden demnächst online
gestellt, damit jedes Mitglied diese Filme
für seine Arbeit verwenden kann. Ak­
tuelle Anregungen aus der MV werden
noch eingearbeitet. Das junge Team be­
geisterte mit seiner frischen und unkom­
plizierten Art, die Themen Naturgarten
umzusetzen. Eine spontane Spenden­
sammlung zur Unterstützung des Film­
projekts erbrachte € 1.260,-! Weiter wurde
beschlossen, aus dem bestehenden Film­
material zwei weitere Themenfilme „Na­
turnahes Öffentliches Grün“ und „NaturErlebnis-Räume“ zusätzlich zu erstellen.
pEine Broschüre „Naturnahes öffentliches
Grün“ wird in Zusammenarbeit mit dem
NABU erstellt, um eine aussagekräftige
„Handreichung“ für die Akteure in Kom­
munen zu haben. Ein nächster Schritt in
unserer Kampagne „Trendwende im öf­
fentlichen Grün“!
pRegionaltage werden 2015 an fünf ver­
schiedenen Orten stattfinden (Lübeck,
Neuss, Rüsselsheim, Karlsruhe, Haar bei
München), und werden künftig in zeitna­
her Abstimmung mit den Regionalgrup­
pen durchgeführt. Termine siehe Home­
page.
p
Das Sommertreffen findet in Freiberg/
Sachsen vom 2. bis 5.7.2015 statt. In die­
ser Zeit wird auch ein zweitägiger, als
Zukunftswerkstatt gestalteter Workshop
Internes
stattfinden, auf dem von interessierten
Vereinsmitgliedern das o.g. neue Vereins­
konzept erarbeitet werden soll. Struk­
turen des Vereins sind zu überdenken,
Vorstandsbereiche neu zu definieren,
neue Kampagnen und Arbeitskreise sol­
len angedacht werden. Um rege Teilnah­
me wird gebeten! Die ausgearbeiteten
Vorschläge werden der nächsten MV zur
Entscheidung vorgelegt werden!
Ausschreibung
Vereinspowerpoint
Powerpoint 2 – lang:
p
Ausführlicher Powerpoint Basisvortrag
„Was ist ein Naturgarten?“
pInsgesamt 25 Folien mit 21 Fotos. Der
Bildautor besitzt die Urheberrechte und
überträgt dem Naturgarten e.V. und sei­
nen Mitgliedern die uneingeschränkten
Nutzungsrechte für die Fotos.
p
Einleitung Naturgarten 5 Folien (Um-,
Neugestaltung / selbst angelegt oder Fir­
men / Vorgarten etc.).
pIntro max. 10 Folien Einstieg naturnahes
Grün allgemein: NER, Privatgärten, Ge­
werbe, öffentliches Grün.
pHauptteil 10 Folien über Merkmale von
Naturgärten.
pDer Vortrag und die Fotos können von al­
len Naturgartenmitgliedern für beliebige
Zwecke verwendet werden.
pAbgabe eines offenen ppt-Dokumentes,
welches jederzeit durch den Naturgar­
ten e.V. überarbeitet/aktualisiert werden
kann
p
Offenes Worddokument als Begleittext
zum Basis-ppt-Vortrag „Naturgarten“
Bitte sendet uns bei Interesse eine Nach­
richt bis 1. Mai 2015 an die Bundesge­
schäftsstelle geschaeftsstelle@naturgarten.
org oder Tel. 07131 – 65 9999 6.
Auf der Mitgliederversammlung 2014 wur­
de beschlossen, zur Unterstützung der Re­
gionalgruppen, Referenten und Aktiven
eine Vereinspowerpoint zu erstellen, die
von allen Interessierten bei der Öffentlich­
keitsarbeit eingesetzt werden könnte. Kers­
tin Lüchow wurde im Oktober 2014 (bei
eigener Enthaltung) vom Vorstandsteam
damit beauftragt, zwei Powerpoints bis Fe­
bruar/März 2015 gemäß Angebot und ge­
gen ein Honorar zu erstellen.
Auf der MV 2015 in Düsseldorf wurde bei
der Haushaltsdiskussion angeregt, die Po­
werpoints, wenn möglich, auf ehrenamt­
licher Basis zu erstellen. Diesem Wunsch
möchten wir aufgreifen und fragen: Wer
hätte Zeit und Interesse, die Powerpoints
für den Verein zu erarbeiten? Sie sollte
möglichst noch in 2015 fertig werden und
folgende Inhalte aufgreifen:
Powerpoint 1 – kurz:
p
Erstellung einer Masterfolie mit NG-­
Logos
pVorstellung Naturgarten e.V. auf 6 Folien
mit 7 Fotos. Der Bildautor besitzt die Ur­
heberrechte und überträgt dem Natur­
garten e.V. und seinen Mitgliedern die
uneingeschränkten Nutzungsrechte für
die Fotos.
pFür Einsteiger, mit Link zum Kurzfilm.
pAbgabe eines offenen ppt-Dokumentes,
welches jederzeit durch den Naturgar­
ten e.V. überarbeitet/aktualisiert werden
kann.
pDer Vortrag und die Fotos können von al­
len Naturgartenmitgliedern für beliebige
Zwecke verwendet und erweitert werden.
Naturgarten-Talk
Karin Stottmeister und Christoph Schallert,
die diesjährigen Moderatoren des Natur­
garten-Talks, beschäftigen sich beruflich
beide mit Xeriscaping, der Auseinander­
setzung mit extrem trockenen Biotopen.
Bei Karin Stottmeister sind es die Finanzen
unseres Vereins, bei Christoph Schallert
juristische Fragestellungen. Um in diesen
mörderischen Extrembiotopen überleben
zu können, haben beide einen erfrischend
trockenen Humor entwickelt, der für ei­
nen angenehmen, entspannten Rahmen
dieser Talkrunde sorgte. Als Hommage an
den Kultklassiker „Dinner for one“, jene le­
gendäre Geburtstagsfeier der 90-jährigen
Miss Sophie, ihrem Butler James und ihrer
– leider längst verstorbenen – vier engsten
Freunde übernahm Robert Schönfeld die
Rolle des hingebungsvollen Kellners. Ein
echtes Tigerfell kam aus Naturschutzgrün­
den leider nicht in Frage, Robert stolperte
daher wiederholt mit souveräner Hingabe
über einen Plüschtiger. James wäre stolz
auf ihn gewesen!
Die ellenlange Reihe der Fachvorträge auf
den Naturgartentagen stellte die Konzen­
trationsfähigkeit der Teilnehmer manch­
mal auf eine harte Probe, zumal die eher
rudimentär arbeitende Lüftung nach kur­
zer Zeit für ein nahezu anaerobes Raum­
klima sorgte. Der Naturgarten-Talk diente
hier als willkommener und entspannen­
der Ausgleich. Viele Naturgartenmitglie­
der kennt man schon seit vielen Jahren,
trotzdem weiß man fast nichts über sie.
Diese Wissenslücken werden in einer ge­
mütlichen Plauderatmosphäre gefüllt
und man erfährt ein wenig mehr über die
Menschen hinter ihrem Namen. Gerade in
der völlig neuen, unvertrauten und vergli­
chen mit Grünberg doch etwas „unkusch­
ligen“ Atmosphäre in Düsseldorf war die­
ser familiäre Plausch wirklich wohltuend.
Über die Maßnahmen die erforderlich wa­
ren, um die ausgewählten Mitglieder zur
Teilnahme zu bewegen, verweigern Karin
und Christoph allerdings jede Auskunft :-)
Werner David
Natur & Garten April 2015
71
Internes
Interviews
Ulrike Aufderheide, Martin Klatt, Dr. Philipp
Schönfeld und Reinhard Witt wurden auf
den Naturgartentagen von Frau Susanne
Kuhlmann (DLF) zum Thema Klimawandel
interviewt. Der Audio-Beitrag kann hier ge­
hört werden http://www.deutschlandfunk.
de/klimawandel-neue-bewohner-im-hei­
mischen-garten.697.de.html?dram:article_
id=311133
Ein weiteres, knapp einstündiges AudioInterview wurde von Michael Bonke (Sun­
Pod) mit Kerstin Lüchow zum Thema Natur­
garten durchgeführt und als Permalink hier
veröffentlicht:
 h ttp://www.sunpod.de/2015/02/152_
sunpod-interview-dipl-ing-agr-kerstinluechow-ein-herz-fuer-den-naturgarten/
Angebote Henriette Degünther –
Referentin der NGT 2015
Die Referentin der Naturgartentage und
Neumitglied Henriette Degünther stellt al­
len Mitgliedern einen vertiefenden Begleit­
text mit dem Thema „Förderung von woh­
nungsnahen naturnahen Freiräumen und
die Beschleunigung einer ausreichenden
Flächensicherung und Qualitätsverbesse­
rung“ zur Verfügung. Er kann im passwort­
geschützten Mitgliederbereich herunter­
geladen werden.
Darüber hinaus bietet Frau Degünther die
„Begleitung/Betreuung von Modellflächen
zum Zwecke einer Forschung zur gesund­
heitlichen Wirksamkeit von geeigneten na­
turnahen Freiräumen“ an.
Dazu gehören: Ausweisung, Planung, Be­
treuung, Weiterentwicklung, Dokumentati­
on von bestimmten Freiräumen
Dieser Vorstoß ist eine grundsätzliche Son­
dierung, ob von sachverständiger Gärt­
nerseite die Bereitschaft da ist, bestimmte
kommunale und öffentliche Modelle nach
vergleichbaren Kriterien so zu planen, ein­
zurichten, zu begleiten und zu betreuen,
dass eine ausreichende Attraktivität be­
steht. Sie soll Anwohner zu einer fast alltäg­
lichen Nutzung bewegen, ohne eine bloße
Möblierung und Effekthascherei einzuset­
zen. Dynamische Natur und deren Förde­
72 Natur & Garten April 2015
rung soll eine zentrale Rolle spielen.
Die Finanzierung dazu muss nach der Er­
klärung einer grundsätzlichen Bereitschaft
erst gefunden werden. Überlegung ist,
dass man Kommunen in der BRD findet, die
sich unter Bereitstellung bestimmter Frei­
raumflächen zur Entwicklung bestimmter
Freiräume bereit sind. Es sollen sich dabei
bisher getrennt agierende Seiten (Planung,
Bauen, Gärtnern, Haftung, Sozialwissen­
schaften, Psychologie, Medizin) aufein­
ander zu bewegen, um quantifizierbare
Bewertungen zu erzeugen und Bilanzierun­
gen zuzulassen.
Rückfragen und Beratung:
H. Degünther, [email protected]
EINLADUNG: Vereinsworkshop
& Sommerbaustelle in
Brand-Erbisdorf / Sachsen
vom 3. – 5. Juli 2015
Nach einem Jahr Zusammenarbeit bean­
tragte der Vereinsvorstand vorgezogene
Neuwahlen auf der MV in Düsseldorf. Aus
diesem Anlass wurde beim Vereinstag am
22.1.2015 über eine Weiterentwicklung des
Vereins diskutiert.
Die anschließende MV wählte einen Über­
gangsvorstand für ein Jahr, der mit der Auf­
gabe betraut ist, eine Neustrukturierung
des Naturgartenvereins vorzubereiten
und interessierte Mitglieder in Form eines
Workshops einzubinden. Wir erhoffen uns
ähnlich wie vor 13 Jahren in Linden einen
qualitativen Sprung für unsere Vereinsent­
wicklung.
Während des Vereins-Workshops sollen mit
der Methode der Zukunftswerkstatt Ant­
worten auf bestehende Unzufriedenheiten
in der Entwicklung des Naturgartenvereins
gefunden werden.
Eine Zukunftswerkstatt spitzt zunächst be­
stehende Schwächen in Form von Kritik­
aussagen zu. Diese Kritikaussagen werden
daraufhin in ihr positives Gegenteil als Vi­
sion umformuliert. Diese – zunächst noch
abstrakte – Vision wird anschließend mittels
einer Kreativ- und einer Konkretisierungs­
phase durch einen möglichst konkreten
Maßnahmenkatalog unterfüttert, der dann
den zuständigen Gremien (Geschäftsstel­
le, Arbeitskreise, Vorstand, Mitgliederver­
sammlung) zur Umsetzung empfohlen wird.
Die 3 Schritte der Zukunftswerkstatt wer­
den wir am Samstag mit einem Praxistag
Naturgartenbau in Karin Stottmeisters Gar­
ten unterbrechen. Beim gemeinsamen Tun
und abendlichen Feiern können die ange­
rissenen Themen im lockeren Gespräch
und kleineren Gruppen weiterbewegt wer­
den. Sonntagvormittag geht es dann in die
oben beschriebene Konkretisierungsphase.
Zur umfassenden Sammlung der Kritikaus­
sagen für die Zukunftswerkstatt soll u. a.
ein Vorbereitungskreis beitragen, in dessen
Rahmen vorab wesentliche – möglichst
knappe und treffende - Kritikaussagen ge­
sammelt werden, die dann in die eigentli­
che Zukunftswerkstatt mit einfließen. Wer
sich bei der Vorbereitung so einbringen
möchte sollte sich umgehend bei Rolf Hütt­
mann oder Dorothee Dernbach melden.
Kontakt:
Dorothee Dernbach:
[email protected]
Rolf Hüttmann:
[email protected]
Neue Kooperationspartner
für den Naturgarten e. V.
So allmählich entsteht eine lange Liste von
Organisationen, die mit uns auf verschie­
denen Ebenen zusammenarbeiten. In der
Vergangenheit waren dies Naturgucker
und Bioland. Seit wir ab 2014 aktiv für eine
Trendwende zum naturnahen öffentlichen
Grün unterwegs sind und eigene Praxista­
ge über Deutschland verteilt dazu anbie­
ten, konnten wir namhafte Verbände dazu
gewinnen. NABU, BUND, LBV, NBL und die
Kommunen für biologische Vielfalt. Außer­
dem sind auf unserer Landkarte des Lebens
noch Naturvielfalt in der Gemeinde und
Netzwerk blühendes Vorarlberg/Bodensee­
akademie dabei. So weit, so gut. Aber noch
nicht das Ende. Denn jüngst konnten wir
zwei weitere Partner auf unsere Seite holen.
Einmal die Hochschule Sachsen-Anhalt, mit
Internes
der uns seit Jahren eine ausgezeichnete
Kooperation bei der Fortbildung zum Na­
turgarten-Profi verbindet. Dr. Anita Kirmer
ist eine der Referenten zum Thema Roh­
bodenbegrünung. Zum anderen aber der
Bundesverband Garten-, Landschafts- und
Sportplatzbau e.V. (BGL). Das ist ein weite­
rer wichtiger Meilenstein auf der Öffnung
des Vereins in Gesellschaft und Politik. Erin­
nern wir uns: Es ging bei der Mitgliederver­
sammlung im Jahr 2014 (noch in Grünberg)
darum, dass wir aus der ökologischen Ni­
sche, in der wir uns so wohlfühlen, heraus­
kommen, um unsere Ideen einer breiten
Öffentlichkeit vorzustellen. „Naturgarten
e.V. als Marke etablieren“, hieß es da. Und
natürlich werden auch an Galabauverbän­
de naturnahe Umgestaltungen im öffentli­
chen Bereich herangetragen. Da ist es doch
besser, wenn man weiß, wie das wirklich
geht. An unserer Fachkompetenz in diesem
Bereich kommt heute keiner mehr vorbei.
In diesem Rahmen konnte der Naturgarten
e.V. auch die vom BGL initiierte Charta Zu­
kunft Stadt und Grün mit unterzeichnen.
Sie ist eine ganz klare politische Aussage
und Hinwendung zum Stellenwert von
Grün insgesamt und naturnahem Grün im
Speziellen. Wobei wir als Naturgarten e.V.
unter naturnahem Grün ja eher naturnahes
Bunt verstehen. Gerade da hat sich beim
BGL die letzten Jahre viel getan. Oder hät­
ten Sie folgende Aussage dort lokalisiert?
Ich zitiere aus dem Handlungsfeld 6 der
Charta, in dem es um den Erhalt des Arten­
reichtums geht: „Wir fordern, die Vielfalt der
Pflanzen- und Tierarten in unseren Städten
zu schützen und zu vergrößern, u. a. durch
die Verwendung gebietsheimischer Arten
auf naturnahen Flächen, ein ökologisches
Grünflächenmanagement und die Einrich­
tung eines innerstädtischen Biotopverbun­
des.“ Besser hätte der Naturgarten e.V. das
auch nicht formulieren können. Wir grüßen
die alten und begrüßen herzlich unsere
neuen Mitstreiter. Allein sind wir stark, zu­
sammen stärker.
Reinhard Witt
Links:
 www.naturgarten.org/beispiele/
oeffentlichesGruen
 www.naturgarten.org/aktivitaeten/
regionaltage
 www.galabau.de/charta.aspx
Profitreffen vom
25. – 27. Juli 2014 in
Lübeck und Ostholstein
Unser zweites Profitreffen organisierte Rai­
ner Kahns in Lübeck und Umgebung. Wir
waren eine bunte Truppe aus allen drei
Profikursen und Himmelsrichtungen. An
beiden Tagen begleitete uns noch je eine
Besucherin aus der Regionalgruppe Schles­
wig-Holstein.
Selbst wer Rainer kennt, wurde noch über­
rascht: Zu Beginn gab es für jeden einen
umfangreichen Exkursionsführer mit al­
len Zielen, dazu Pflanzenlisten und Fotos.
Herzlichen Dank auch an seine Mitarbeite­
rin Sandra für die tolle Organisation eines
wunderschönen und spannenden Wo­
chenendes.
Es begann am Freitagabend in Eutin in der
Kita Kinderinsel mit einem reichhaltigen
Abendessen. Am nächsten Morgen erwar­
tete uns zunächst ein desillusionierender
Bericht zum Thema Haftpflichtversiche­
rungen. Anschließend quetschten wir uns
nach alter Sitte in möglichst wenige Autos
und düsten los: Bei herrlichstem Sommer­
wetter besichtigten wir verschiedene Kitas,
eine Grundschule sowie eine weiterführen­
de Schule. Der „geografische Höhepunkt“
war die Besichtigung eines besonderen,
von Rainer entworfenen Spielelementes
auf der Seebrücke in Niendorf und dem an­
schließenden Bad in der Ostsee.
Besonders in Lübeck gibt es großzügige
Stiftungen, so dass die Projekte sehr hoch­
wertig ausgeführt werden konnten. So
konnten wir verschiedenste Spielgeräte
namhafter Hersteller in Augenschein neh­
men. Auch bei den Nebengebäuden gab
es originelle Holzbauten zu sehen, die wun­
derbar zu der naturnahen Gestaltung pass­
ten. Rainers Qualitäten als Landschaftsar­
chitekt konnten wir bei allen Entwürfen
bewundern: geschwungene, aufwändige
Pflasterbilder, Hochbeete mit schönen Tro­
ckenmauern und einfallsreiche Strukturen.
Bei allen Projekten erläuterte uns Rainer
seine gelungenen und aber auch schwie­
rigen Versuche mit naturnahen Pflanzun­
gen und Ansaaten. Der Knackpunkt bleibt
immer die Pflege. Ordnungsliebende Men­
schen, Hausmeister unter Zeitdruck und
mangelnde gärtnerische Kenntnisse bei
den Nutzern lassen auch die schönsten An­
lagen leiden. Schönheit und Ordnung sind
eben subjektive Empfindungen.
Alle Einrichtungen wirkten sehr gepflegt
und ordentlich, nicht zuletzt aufgrund
Rainers engagierten Einsatzes. Er ist eben
ein Pflanzenliebhaber mit Leib und Seele:
wenn er ein Kraut entdeckt, was dort nicht
wachsen soll, dann greift er beherzt ein.
Zu guter Letzt picknickten wir in Rainers
üppigem und gemütlichem Garten und
konnten den Entstehungsort seiner wun­
derschönen Pläne und Sandras kalter Füße
besichtigen.
Es war ein Wochenende voller Eindrücke,
vieler Informationen und dank Exkursi­
onsführer und Autokorso das echte ProfiKurs-Feeling. Die Treffen sind immer ein
wunderbarer Anlass, sich wiederzusehen,
Erfahrungen auszutauschen und weiße Fle­
cken auf der Landkarte zu kolorieren. Das
nächste Treffen organisiert Silke Kaden im
Raum Chemnitz und Erzgebirge.
Silke Kaden
D - 09437 Waldkirchen, 3 037294 - 7483
[email protected]
Ina Blum
D - 26506 Norden, 3 04931- 959495
[email protected]
Die ganze Mannschaft auf der Seebrücke
Niendorf (Foto: Passant)
Rainer in Aktion (Foto: Ina Blum)
Natur & Garten April 2015
73
Internes
Saatgutliste 2015 der
Saatgutbörse online
Dorothea Schulte hat wieder zahlreiche
Wildpflanzensamen für Naturgartenmit­
glieder getrocknet, gereinigt und abge­
packt. Seit Anfang Februar können die
Samen per frankiertem Rückumschlag bei
ihr bestellt werden. Die Liste kann im pass­
wortgeschützten Mitgliederbereich herun­
ter geladen werden www.naturgarten.org/
mitgliederbereich/saatgutboerse
Naturnah Unterwegs in
Schleswig-Holstein + Hamburg
vom 6. – 13. Juni 2015
Bereits zum 8. Mal findet die Exkursion
Naturnah Unterwegs statt. In diesem Jahr
besichtigen wir private Naturgärten, den
Baumpark Ratzeburg, Naturnahes Öffent­
liches Grün in verschiedenen Kommunen,
Natur-Erlebnis-Räume und einen Wildsa­
menbetrieb. Viel Zeit ist auch für den Na­
turstandort Geltinger Birk an der Ostsee
und den Nationalpark Wattenmeer an der
Nordsee eingeplant. Am letzten Tag sehen
wir uns u. a. naturnahe Schrebergärten an.
:
Grundung einer
nRegiogruppe Rheinhesse
Kurpfalz-Sudhessen
Start: Sonntag, 7. Juni 2015 um 9.00 Uhr
bei Rita Schütt in 23881 Breitenfelde (oder
am Zusatztag Samstag, 6. Juni 2015 um
9.00 Uhr in Bremen – angefragt)
Ende: Samstag, 13. Juni 2015 gegen 17.00
Uhr in Hamburg Fuhlsbüttel
Programm und Anmeldeformular:
 http://www.naturgartenvielfalt.de/
exkursionen/
 http://www.naturgarten.org/
aktivitaeten/exkursionen
Kontakt: Kerstin Lüchow, 3 07131 - 172133
[email protected]
Wir, die Familie Mangold vom gem
einnützigen Verein faktor
NATUR, setzen uns dafür ein, dass
Menschen die Potenziale der
Natur erkennen und für sich nutz
en können. Der Naturgarten
spielt dabei eine wichtige Rolle.
Er ist ein riesiger Lern- und
Entwicklungsraum für alle, die bere
it sind, sich der Natur in ihren
Gärten zu öffnen und sich mit ihr
auseinanderzusetzen.
Wir möchten dazu beitragen, dass
Menschen den Wert von
Naturgärten erkennen – nicht nur
für die Pflanzen und Tiere, die
im Garten leben, sondern auch
für sich selbst. Aus diesem Grun
d
haben wir uns entschlossen, eine
Regionalgruppe des Naturgarten Vereins am Bodensee zu grün
den und uns damit aktiv an der
Naturgartenbewegung zu beteilige
n. Über Gleichgesinnte aus der
Region, die uns in dieser Sache
unterstützen wollen, freuen wir
uns! Unser Hof am Degersee (in
Tettnang, nahe bei Lindau) mit
3 ha Garten wäre dafür ein gute
s „Headquarter“.
Wer hat Interesse, mit uns zusa
mmen eine neue
Regiogruppe zu gründen?
Alexandra, Angelika, Roland und
Jutta Mangold:
A - 6912 Hörbranz 3, ange
[email protected]
,
3 +43 5573 82626,  ww
w.faktornatur.com
Stadtrand von
Büroraum am
ftsplanerIn zu
Kiel an Landscha
vermieten.
Marxen-Drewes
Kontakt: Heinke
planung
Naturnahe Grün
74
3 04340 - 4023
74 Natur & Garten April 2015
rgartenWeißer Fleck auf der Natu
chen
zwis
nd
Gege
Die
e:
kart
Land
elberg
Frankfurt im Norden, Heid
und
im Süden, Alzey im Westen bisher
Aschaffenburg im Osten ist
tenland.
wenig bekannt im Naturgar
der
Das soll sich künftig mit RheinGründung einer Regiogruppe
­
n ändern.
hessen-Kurpfalz-Südhesse
dee werden
Rund um die Naturgarteni
drehen,
sich unsere Aktivitäten
Kreatives sind wir offen.
für ­
?
Wer hat Lust, dabei zu sein
Bitte melden bei:
Friedhelm Strickler,
[email protected]
oder Jürgen Schmidt,
lt.de
kontakt@lebendige-vielfa
r, die an
rgartenmitgliede
10 weitere Natu
enomilg
te
15
20
en
ntag
den Naturgarte
on eine
gi
hten in ihrer Re
men haben, möc
einer
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sic
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od
e gründen
Regionalgrupp
:
en
ieß
schl
Regiogruppe an
nburg,
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MitgliederPinnwand
Kolumne
sie genügend Gelegenheiten zur kreativen
Naturberührung bieten, vom naturnahen
Garten bis zu Spielen im Gelände, vom Na­
schen wilder Beeren bis zum Beobachten
und Benennen von Pflanzen und Tieren.
NATUR ERLEBEN
I
m Frühling zieht es uns hinaus in Gärten,
Feld und Wald. Die Wahrnehmung der
Natur um uns kann auch einen Weg zu
unserer inneren Natur öffnen und helfen, in
unserem Leben Sinn und Glück zu finden.
Wir genießen die milde Luft und den ju­
belnden Gesang der Vögel, laben uns am
Anblick erster Blumen und grünender
Zweige. Das allgegenwärtige Erwachen aus
der Winterstarre erfrischt uns an Körper,
Geist und Seele.
Je tiefer wir mit der Natur verbunden sind,
desto mehr Kräfte schenkt uns der frohe
Aufbruch des Lebens ringsum, aber auch
manche Einsichten. In unserem eigenen Ta­
tendrang, in unserer Neugier auf das Leben
erkennen wir ein Spiegelbild der äußeren
Welt. Umgekehrt erschließt die aufmerksa­
me Beobachtung der Natur draußen auch
etwas von unserer eigenen Natur. Denn sie
gehören zusammen wie die zwei Seiten ei­
ner Medaille.
Wir gehören dieser einzigartigen Biosphäre
unseres Planeten an. Daher müssen wir sie
im eigenen Interesse achten und pflegen.
Diese Erkenntnis reicht über ökologische
Erfordernisse für ein menschenwürdiges
Überleben hinaus. Wirksam wird sie nur,
wenn sie auch in unserem Wertesystem
und Gefühlsleben verwurzelt ist. Durch in­
tensiven Naturkontakt und achtsame Zu­
wendung fühlen wir uns im großen Strom
des Lebens geborgen und werden der Na­
Auch wenn ich ganz alleine an einem
freundlichen Platz in der Natur sitze oder
liege, inne halte und aufmerksam schaue,
lausche, rieche und berühre, was sich hier
alles tut, werden mehr als nur Sinne und
Wahrnehmung trainiert. Die Größe und
Schönheit der Natur auch in den kleinen
Dingen, ihr geheimnisvolles Werden und
Vergehen, hilft bei der Suche nach der ei­
genen Mitte. Ihre Kraft und Ruhe weckt Ver­
trauen und bringt uns ins Gleichgewicht.
Hier fühle ich mich aufgehoben.
tur und unseren Mitmenschen liebevoller
begegnen.
Umgekehrt hat die Achtlosigkeit und
Stumpfheit, mit der Schönheiten und
Schätze dieser Welt für schnelles Geld ver­
nichtet werden, mit der Naturentfremdung
zu tun, unter der viele Menschen leiden.
Manche halten zum Beispiel einen Park mit
englischem Rasen schon für Natur, andere
fürchten sich davor, sich auch nur in einem
Wald abseits eines bezeichneten Weges zu
bewegen. Aber immer mehr empfinden
selber diese Fremdheit als Mangel und ah­
nen die gute Wirkung, welche eine tiefere
Beziehung zur Natur auch für die Gesund­
heit ihrer Seele hätte.
Seit einiger Zeit haben Naturvermittler mit
Angeboten von Exkursionen und Natur­
schauspielen, Themen- und Erlebnisfüh­
rungen regen Zulauf. Der neue Beruf „Na­
tur- und Landschaftsführer“ wird offenbar
zunehmend gebraucht. In Zukunft wird die
reine Wissensvermittlung ergänzt werden
durch Übungen in Meditation, Kontemplation und Selbsterfahrung, durch Konzentrations- und Entspannungstherapien in
der Natur.
Dabei könnte das alles vom frühen Kindes­
alter an ganz nebenbei gelernt werden,
denn viele Kinder fühlen sich spontan von
der Natur und ihren Elementen angezo­
gen. Verständige Erwachsene fördern eine
positive Beziehung zu Natürlichem, indem
Dipl. Ing.
Werner Gamerith
A - Waldhausen
3 +43 - (0) 7260 - 4116
gamerithwerner@
gmail.com
Natur & Garten April 2015
75
Medienverkauf
Naturgarten e. V.
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Witt, Reinhard (2013): Natur für jeden Garten
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Datum, Unterschrift
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unserer einheimischen Hornisse
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Wohlleben, Peter: Der Wald – ein Nachruf
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Wohlleben, Peter: Mein Wald (Ulmer)
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Herausgeber:Naturgarten – Verein für naturnahe Garten- und Landschaftsgestaltung e. V.
Bundesgeschäftsstelle: Kernerstraße 64, 74076 Heilbronn / Telefon: +49 (0)7131 - 64 9999 6 / Fax: +49 (0)7131 - 64 9999 7 /
E-Mail: [email protected] / Internet: www.naturgarten.org / Internet Fachbetriebe: www.naturgarten-fachbetriebe.de
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ISSN:2199-7012
Redaktion: Kerstin Lüchow, Reinhard Witt
Layout: Birgit Oesterle
Lektorat: Norbert Steininger, Kerstin Lüchow
Bildbearbeitung: Werner David
Druck: Druckerei Lokay e.K. Reinheim (www.lokay24.de). Lokay arbeitet als „nachhaltige, grüne Druckerei“ ausschließlich mit Ökostrom, wirtschaftet klimaneutral
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DIN ISO 12647-2 und verzichtet auf den Einsatz von Isopropylalkohol (IPA).
Diese Mitgliederzeitschrift wurde ressourcenschonend mit Farben auf Basis nachwachsender Rohstoffe und dem Papier „Lokay 3-32 hochweiß“ Recycling matt
Bilderdruck, Umschlag 150 g/m² + Inhalt 115 g/m², 100 % FSC-Recycling hergestellt.
Nächste Ausgabe:Titel vorläufig: Nisthilfen für Wildbienen
Redaktionsschluss: 1. Mai 2015
Erscheinungsdatum: ca. 1. Juli 2015
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