Erfahrungen nach dem Unglück - rbb Rundfunk Berlin

Rundfunk Berlin Brandenburg
Mo 11.05.2015 I 22:15 I OZON unterwegs
Erfahrungen nach dem Unglück
In den acht Jahren seit dem großen Erosionsereignis auf seinem Maisfeld hat der Chef
des Dannenberger Agrarbetriebes, Jens Petermann, alles verändert. Damit sein Boden
fruchtbarer und lebendiger wird, bewegt er ihn kaum noch. Er streut Stalldung, ohne ihn
einzuarbeiten, hält nach dem Vorbild des Waldes seine Felder ganzjährig bedeckt mit
Zwischenfrüchten und bringt die nächste Kultur im „Direktsaatverfahren“ in den Boden.
Der wird dafür nur geschlitzt und sofort wieder verschlossen. Petermanns Mühen werden
belohnt. Heute, nach acht Jahren, ist sein Boden regenwurmreich, fruchtbarer, lockerer
und gut aufnahmefähig für Regenwasser.
Manuskript des Beitrags:
Landwirt Jens Petermann acht Jahre nachdem ihm der Ackerboden wegbrach. Immer
noch betreibt er Milchviehhaltung und Ackerbau. Doch die Früchte seiner Arbeit wachsen
heute auf ganz anderem Boden. Er lädt uns ein hinter die Kulissen zu schauen. Vieles hat
sich verändert. Vor allem die Bodenbearbeitung.
750 Hektar Acker bestellt er jedes Jahr. Seine Böden am Rande des Oderbruchs sind
arm. Viel Sand, wenig Lehm. Er versorgt sie nach wie vor mit Stalldung. Bringt pro Hektar
aber nur noch ein Drittel der Menge im Vergleich zu früher aus. Denn der Dung wird nicht
mehr eingearbeitet, sondern nur noch flächig aufs Feld gestreut. Hier auf Winterweizen.
Jedes Einarbeiten - meint Petermann - bringt Sauerstoff in den Boden, was die
Humuszersetzung beschleunigt. Das will er nicht mehr. Der Dung soll vielmehr seinen
Boden schützen und die Bodenorganismen ernähren.
O-Ton Jens Petermann:
Produktivgesellschaft Dannenberg mbH
„In der Natur würde niemand auf die Idee kommen, Dung einzuarbeiten. Selbst bei den
Tieren, die in der Natur etwas fallen lassen, wird der Kot, sprich der Dung nicht
eingearbeitet, sondern wird in den natürlichen Systemen verarbeitet und aufgenommen.
Nach diesem Prinzip versuchen wir auch unsere organische Düngung zu gestalten.“
Der Natur wieder auf die Finger schauen. Das sei das Gebot der Stunde - meint
Petermann. Sein großes Vorbild ist der Wald mit seinen geschlossenen Stoffkreisläufen.
Der Boden hier ist immer bedeckt und kann viel Wasser speichern. Außerdem ist er voller
Lebewesen, die Laub in nährstoffreichen Humus verwandeln.
So müsste auch sein Ackerboden funktionieren. Jahrelang suchte Petermann nach einer
Lösung. Einfach war das nicht. Anhaltspunkte fand er beim amerikanischen
Landwirtschaftsberater Neal Kinsey. Schüler des vergessenen Bodenkundlers William
Albrecht. Nicht die Pflanze, sondern der Boden muss ernährt werden - so die Philosophie.
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Deshalb bleiben jetzt immer Pflanzenreste vom Vorjahr bei Petermann auf dem Feld. Als
Bodennahrung. Den Winterweizen darauf sät er ohne die Bodenoberfläche zu verletzen.
Schneidscheiben schlitzen die Erde leicht auf. Das Saatgut wird abgelegt und der Boden
sofort wieder verschlossen. Direktsaat nennt sich das Verfahren.
O-Ton Jens Petermann:
Produktivgesellschaft Dannenberg mbH
„Die Idee der Direktsaat stammt aus Südamerika, aus Regionen, wo es schon recht früh
Probleme gegeben hat mit Erosion. Man hat sich dann schon Gedanken gemacht, wie
man den Boden wenig bewegt, wenig bearbeitet und es gibt erste Landwirte, die das
ausprobieren.“
Ähnlich kommt bei ihm der Mineraldünger in den Boden. Punktuell injiziert mithilfe einer
Nadel, ähnlich einer Spritze beim Doktor. Wieder bleibt die Erdoberfläche verschont. Und
der Dünger wirkt dort, wo er wirken soll. Außerdem wird er vom Regen nicht
ausgewaschen und gelangt so nicht in das Grundwasser.
Kahle Ackerböden gibt es bei Jens Petermann schon lange nicht mehr. Seine Felder sind wie der Waldboden - immer von Pflanzen bedeckt. Auch im Winter, wenn Frost, Regen
und Wind besonders angreifen. Dieses Feld ist sogar mit vier Ackerkulturen bestellt. Als
Bodenvorbereitung für den Maisanbau. Schülern, die sich für den Landwirtschaftsberuf
interessieren, zeigt er seine Bodenerfolge.
O-Ton Jens Petermann:
Produktivgesellschaft Dannenberg
„Wir haben hier eine Mehrkulturenfutterfrucht. Hier haben wir Gras drin, hier haben wir
Wicke drin und hier haben wir Klee drin. Und wir haben auch eine weitere Komponente.
Futterrapspflanzen ergänzen die drei anderen Kulturen und bilden gemeinsam ein starkes
Team für den Boden. Man sieht immer ganz deutlich, wenn man die Bodenzone hat, wo
die Wurzeln stecken, dass der Boden eine sehr krümelige Struktur hat, so wie man sich
gesunden Boden vorstellt.“
Es ist das Ergebnis acht Jahre langer harter Arbeit. Ans Aufgeben hatte er nie gedacht,
auch wenn viele seiner Kollegen bis heue an seinem Tun zweifeln. Sein Boden lebt und
beginnt wieder Humus zu bilden. Außerdem ist er bis zu einem Meter Tiefe weich und
wasserdurchlässig. Mit seiner Bodensonde demonstriert er das eindrucksvoll.
OZON wollte es genau wissen und hat eine Bodenwissenschaftlerin hierher gebeten.
O-Ton Dr. Jana Epperlein:
Gesellschaft für konservierende Bodenbearbeitung
„Also das Wasser kann hier sehr gut in den Boden eindringen. Der Boden wird besser
durchlüftet. In den Poren finden wir sehr viel Sauerstoff. Und, was man auch sehr schön
sehen kann: In den Regenwurmröhren können die Pflanzenwurzeln sehr schön in den
Untergrund wachsen und sich natürlich Wasser für das Wachstum zur Verfügung stellen.“
Jens Petermanns hat sich auf einen langen, aber erfolgversprechenden Weg gemacht.
O-Ton Jens Petermann:
Produktivgesellschaft Dannenberg
„Ich würde schon sagen, dass es mittlerweile sehr viele Leute gibt, die sich Fragen stellen,
Fragen stellen, ob das, was wir tun, ewig so weiter gehen kann. Und ich denke, wenn man
anfängt, diese Fragen überhaupt erstmal zu lassen, dann findet man auch erste
Antworten.“
Ein Bericht von Maren Schibilsky.