- Die Passauer Politiktage

PASSAUER
`15 POLITIKTAGE
KRIEGES
© VanderWolf-Images I iStock
Paradoxien des
Herzlich Willkommen
Liebe Besucherinnen und Besucher,
wir freuen uns Sie bereits zum sechsten Mal zu den Passauer Politiktagen begrüßen zu dürfen. Auch dieses Jahr
bieten wir Ihnen wieder eine mehrtägige Veranstaltungsreihe, die mit Debatten, Diskussionen und Workshops
ein abwechslungsreiches Programm verspricht. Zum
ersten Mal präsentieren wir zudem zusätzlich eine begleitende Fotografieausstellung.
Unter dem Titel „Paradoxien des Krieges” werden unsere
renommierten Gäste aus Politik, Wissenschaft und Praxis
Auslöser, Widersprüchlichkeiten und Folgen kriegerischer
Konflikte aufzeigen und diskutieren. Sie sind herzlich
eingeladen Ihre eigenen Fragen zu stellen und mitzudiskutieren.
Im Namen des gesamten Teams der Passauer Politiktage
2015 wünsche ich Ihnen spannende Veranstaltungstage
Antonia Conradi
Ressortleiterin für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit
Grußwort von Bundeskanzler
a.D. Gerhard Schröder
Schirmherr der Passauer Politiktage 2015
“Die Völker der Welt wünschen den Frieden. Sie wünschen
die Herrschaft des Rechts, die Grundlage jeder Freiheit ist.”
November 2014
Die Politiktage befassen sich mit dem wichtigsten Thema der Politik, der
Frage von Krieg und Frieden. Entscheidungen, die hiermit zusammenhängen, sind von existenzieller Bedeutung. Ich habe während meiner
Kanzlerschaft solche Entscheidungen, als Stichworte seien Kosovo,
Afghanistan, Irak genannt, treffen müssen. Daher hat mich das Thema Paradoxien des Krieges - angesprochen, und ich habe gern die Schirmherrschaft für diese Veranstaltung übernommen.
Wie aktuell das Thema ist, zeigen die Ukraine-Krise, die Situation im
nördlichen Afrika, der Terror des „Islamischen Staates“ in Syrien und Irak
und der israelisch-palästinensische Konflikt. Diese Auseinandersetzungen
spielen sich auf unserem Kontinent, beziehungsweise in unserer Nachbarschaft ab. Die Auswirkungen sind auch in Deutschland spürbar, zum
Beispiel durch die wachsende Zahl von Flüchtlingen. Die Europäische Union, und Deutschland als Mitgliedsstaat, müssen sich auf diese Herausforderungen einstellen.
Um die vermeintlichen Paradoxien von kriegerischen Auseinandersetzungen zu verstehen, bedarf es tiefgehender Analysen; allzu häufig werden
Konflikte einseitig beurteilt, ohne etwa auf die unterschiedlichen Interessenlagen der Beteiligten oder die historischen Hintergründe einzugehen. Daher ist es zu begrüßen, dass im Rahmen der Passauer Politiktage
versucht wird, auf die Begleitumstände von Kriegen zu blicken und sie in
einem politischen Diskurs zu erörtern.
Den Organisatoren, Studierende der Universität Passau, ist für die Ausrichtung der Politiktage zu danken. Ich wünsche der Veranstaltung viel
Erfolg und allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern interessante Diskussionen.
NORMENE
GEMEINSCHAFT
FRIEDENH
WÜRDE
SIEGER
R
INTERVENTIONL
WIDERSTAND
T
FREIHEIT
6
SOUVERÄNITÄT
NEXTREME
ZERSTÖRUNG
NHASS
RACHE
OPFER
TOD
VERZWEIFLUNG
NLEIDEN
OHNMACHT
TYRANNEI
T
TRAUMA
7
INHALTSVERZEICHNIS
Alle Veranstaltungen auf einen Blick
PARADOXIEN DES KRIEGES
5
Die Passauer Poiltiktage 2015
„WER WIND SÄT” - DIE DEUTSCHE RÜSTUNGSPOLITK AUF DEM
PRÜFSTAND
10
Veranstaltung
„VERDRÄNGT UND VERGESSEN” - WIDERSTAND IM 2. WK UND DIE
LEHREN FÜR HEUTE
14
Workshop
WO BERICHTERSTATTUNG ENDET - GESELLSCHAFTEN IM KRIEGSALLTAG
16
Veranstaltung
GENERATION KRIEG
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Ehsan erzählt von seinem Leben in Afghanistan und seiner Flucht
nach Deutschland
KINDHEIT VOM KRIEG GEPRÄGT
26
Wie Flüchtlingen geholfen wird mit dem Erlebten zu leben
GEKOMMEN UM ZU BLEIBEN? - HUMANITÄRE HILFE ALS MITTEL
DER KRIEGSINDUSTRIE
34
Workshop
EIN WEG ZUM FRIEDEN - VORSTELLUNG UND WIRKLICHKEIT
Workshop
36
“FÜR SIE VOR ORT...” - KRIEGSBERICHTERSTATTUNG UND IHRE
GESTALTUNGSMACHT
38
Workshop
DER MENSCH HINTER DEM FLÜCHTLING
40
Begegegnungen in einem Erstaufnahmelager - Ein Kunstprojekt
DER UNSICHTBARE FEIND - VON TERRORANGRIFFEN UND
DROHNENSCHLÄGEN
42
Veranstaltung
ISLAMISTISCHER TERROR BALD AUCH IN DEUTSCHLAND?
44
Einfluss und Ziele des Islamischen Staates
“SO BRAUCH’ ICH GEWALT” - MILITÄRISCHE INTERVENTION ALS
ULTIMA RATIO?
50
Veranstaltung
ENTWICKLUCKLUNG DER KRIEGSFÜHRUNG
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Ein Überblick von den Anfängen bis heute
FORTDAUERNDE KONFLIKTE IN DER WELT
62
Graphische Darstellung
KRIEG UM WASSER
Das Schulprojekt der Passauer Politiktage 2015
64
PARADOXIEN DES KRIEGES
Die Passauer Politiktage 2015
Krieg. Niemand möchte etwas mit ihm zu tun haben. Zwar haben wir das
Glück im heute friedlichen Deutschland leben zu dürfen und scheinen
daher von feindlichen Übergriffen gefeit. Dennoch ist Krieg auf eine
andere Art auch in unserem Alltag ein ständiger Begleiter. Tagein tagaus
erreichen uns neue Schlagzeilen, dass der Konflikt zwischen Russland
und der Ukraine weiter eskaliert, dass sich Al Qaida offiziell zu den letzten
Terror-Angriffen bekennt und die vereinbarte Waffenruhe in Syrien erneut
nicht eingehalten wurde. Bilder zerstörter Städte, Menschen, die nicht
nur ihr Hab und Gut, sondern auch Familie und Freunde verloren haben,
prägen die tägliche Berichterstattung.
Doch diese Ereignisse finden stehts in fernen Ländern statt. Krieg betrifft
uns schon lange nicht mehr direkt. Aber das bedeutet jedoch nicht, dass
wir davor sicher sind. Das Attentat im Nachbarland Frankreich auf die
Redaktion von Charlie Hebdo zeigte erst Anfang des Jahres, dass der Konflikt längst in Europa angekommen ist.
Auch aufgrund dieser Aktualität greifen wir mit den sechsten Passauer
Politiktagen eine Thematik auf, die jeden betrifft. Wir laden Sie ein, die
Frage nach den Ursprüngen von Krieg zu stellen und die damit einhergehenden Folgen zu beleuchten. Darüber hinaus möchten wir über die
Techniken neuer Kriegsführung diskutieren, sowohl den Nutzen, den sie
bringen, als auch den Schaden, den sie anrichten. Gibt es einen Punkt ab
dem militärische Gewalt gerechtfertigt ist? Darf Gewalt die Ultima Ratio
sein? Dazu haben wir renommierte Expertinnen und Experten eingeladen, die insbesondere Ihnen, liebe Bürgerinnen und Bürger, und euch,
liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen, vielfältige Debatten, Podiumsdiskussionen und Workshops bieten möchten.
I Franziska Bujara
10
KRIEG IST
Prof. Wolfgang Dietrich
... tragisch mißglückte
Kommunikation.
... AUCH EIN SOZIALES
PHÄNOMEN. Dr. Heiko Biehl
... die
Fortsetzung
der Politik
mit anderen
Mitteln.
Carl von Clausewitz
... gewaltsame Konfrontation, die zur Zerstörung von Lebenswelten führt.
Dr. Sylvia Karl
...die ultima irratio; Frieden ist die ultima ratio.
STAATLICH
ANGEORDNETES
TÖTEN
UND MUSS ALS
VERBRECHEN
UNVERZÜGLICH
ÜBERWUNDEN
WERDEN.
Dr. Gregor Gysi
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Niemals ein unabwendbares
Schicksal. Krieg bedeutet
immer eine Niederlage für
die Menschheit.
Johannes Paul II.
... nicht gerecht, denn dann würde er ausschließlich die Regierungen oder Staatschefs treffen, die das eigene Volk oder
andere unterdrücken. Krieg trifft aber immer Zivilisten.
Cornelia Mereth
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„WER
WIND SÄT”
Die Deutsche Rüstungspolitik auf dem Prüfstand
Veranstaltungsformat
In einer meinungsstarken und polarisierenden Debatte
werden wir mit unseren Gästen der Frage nachgehen,
inwiefern die deutsche Rüstungspolitik eine sicherheitspolitische Variante darstellt oder doch mehr Öl ins Feuer
gießt. Wir wollen einen kritischen Blick auf Waffenlieferungen als Mittel zur Befriedung von Konflikten und die
Möglichkeiten und Chancen von Rüstungskontrolle werfen. Durch Faktenchecks werden die Argumente der Debattierenden auf den Prüfstand gestellt. Im Anschluss bietet sich dem Publikum die Gelegenheit, den Referenten
Fragen zu stellen.
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Waffen und Rüstung
Darf Deutschland Waffen in den Irak liefern, um jenen die
von der Terrororganisation “Islamischer Staat” in Bedrängnis gebrachten werden zu helfen? Obwohl eine Lieferung
in Krisengebiete den Grundsätzen der deutschen Rüstungsexportpolitik widerspricht? Die Bundesregierung
bezeichnet Waffenlieferungen, strategisch eingesetzt und
am richtigen Ort platziert, als Instrument der Friedenssicherung. Währenddessen floriert das Geschäft mit dem
Krieg so gut wie nie zuvor. Die Ausrichtung der deutschen
Rüstungspolitik bewegt sich in einem ständigen Spannungsfeld
zwischen
friedens-
und
menschenrecht-
spolitischen Erwägungen, welche wirtschaftlichen Interessen und außenpolitischem Kalkül gegenübersteht.
Als Instrument der Politik, sollten Rüstungsexporte in
regelmäßigen Abständen auf Notwendigkeit und die vorliegende Lage geprüft werden. Doch wer ist zuständig?
Wer übernimmt Verantwortung und welche wirtschaftlichen und außenpolitischen Interessen wirken dem entgegnen?
Wird der, der Wind sät auch Sturm ernten?
Montag I 10. Juni 2015 I 20.15 Uhr
Audimax I Saal 10 I Innstraße 31
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Referenten
RÜDIGER LÜDEKING
Botschafter der Bundesrepublik bei der OSZE
Botschafter der Bundesrepublik Deutschland bei er OSZE
arbeitet seit 35 Jahren im diplomatischen Dienst und war
an zahlreichen Rüstungsverhandlungen, unter anderem
den Atomverhandlungen mit dem Iran, beteiligt.Er gilt als
Experte für Sicherheitspolitik und ist seit 2012 Ständiger
Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
in Wien. „Rüstungskontrolle sollte kein Selbstzweck sein“,
sagt der Hauptmann a.D..
PAUL RUSSMANN
Sprecher “Aktion Aufschrei” und “Ohne Rüstung leben”
Als Geschäftsführer der Friedensorganisation »Ohne Rüstung leben« und Sprecher des Bündnisses „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel“ engagiert sich der
Dipl.-Theologe und Bankkaufmann seit vielen Jahren im
Dienste des Weltfriedens gegen Rüstungsproduktion und
–export. Die Waffenlieferungen im Kampf gegen den Islamischen Staat bezeichnet er als „Verantwortungslosigkeit
einer Bundesregierung, die seit Jahren Waffen in Krisenund Spannungsgebiete sowie in Staaten liefert, die Menschenrechte verletzen“. Scharf kritisiert er auch die „so
genannten ›Friedensmissionen‹ der UN, welche dem „Einsammeln der eigenen Waffen“ und „allenfalls den Profiten
der Rüstungsindustrie“ dienen. Als Vorstandsmit- glied des
Dachverbandes der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre
und Sprecher der Kritischen AktionärInnen Daimler setzt
sich das Parteimitglied der LINKEN zugleich für eine „Unternehmenspolitik ein, die sich am Allgemeinwohl orientiert und sich für Frieden und soziale Gerechtigkeit einsetzt.“
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Referenten
GERHARD SCHEMPP
Präsident Deutsche Wehrtechnische Gesellschaft e.V.
Seit fast 40 Jahren ist der Diplom-Mathematiker in der Elektronik- und Rüstungsindustrie tätig. Der Hauptmann a.D.
meint: „Die Beitragsfähigkeit (und damit die Wertschätzung)
Deutschlands bei Krisenprävention und -bewältigung im
multinationalen Verbund hängt entscheidend vom Fähigkeitsprofil der Bundeswehr und weiterer Sicherheitskräfte
ab. Rüstungspolitik wird damit zum industriepolitischen
Werkzeug für die Ausrüstung der Streitkräfte und den Erhalt
industrieller, nationaler Schlüsselfähigkeiten zur Wahrung
nationaler Souveränität in Kernaufgaben sowie sicherheitspolitischer Handlungsfähigkeit.“ Die Rüstungspolitik sei
angesichts der Intensität und Anzahl zunehmender Krisen
eine der zentralen politischen Aufgaben und müsse in der
öffentlichen Wahrnehmung und im politischen Handeln
noch stärker und vor allem positiver in den Fokus rücken.
HEIDI MEINZOLT
Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit
übernahm für die Partei Bündnis90/Die Grünen den
Landesvorsitz in Bayern und war ebenfalls im Europavorstand. In dieser Zeit war sie auch an jener rot-grünen
Regierung beteiligt, die unter Altkanzler Gerhard Schröder
die erste Kriegsbeteiligung Deutschlands nach Ende des
2. WK beschloss. Die Schwerpunkte ihrer politischen Arbeit in ihrem Amt als Vertreterin im Frauensicherheitsrat
in Deutschland belaufen sich auf Prävention, Partizipation
und Protektion. Das allgemeine Ziel der “Sicherheit wird
nicht durch (neue) Waffen garantiert, sondern nur durch
Abrüstung.”
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VERDRÄNGT UND VERGESSEN
Widerstand im 2.WK und die Lehren für heute
Workshop
Freitag I 12. Juni 2015 I Kleiner Redoutensaal
Gottfried-Schäffer-Straße 2
Anmeldungen zum Workshop sind lediglich unter www.passauer-politiktage.de möglich.
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DER DEUTSCHE WIDERSTAND IM DRITTEN REICH
Umgang und öffentliche Wahrnehmung
seit dem 2. Weltkrieg bis heute
Was ist Widerstand? - Widerstand liegt dann vor, wenn
das Tun, aber auch das Unterlassen, verbunden ist mit
dem Risiko für das eigene Leben und damit auch für
das Leben der Familie.
Ein Risiko, das zahlreiche bekannte Widerständler wie
die Geschwistern Scholl, der Theologe Dietrich Bonhoeffer, die Widerstandsgruppe Kreisauer Kreis oder der Hitler-Attentäter Georg Elser, der im Jahr 1939 im Alleingang
versucht hatte nahezu die gesamte NS-Führungsspitze
auszuschalten, auf sich nahmen. Neben diesen sind es
vor allem auch die Geschichten der vielen unbekannt gebliebenen Bürger, die sich unter Einsatz ihres Lebens auf
unterschiedlichste Weise gegen Hitlers Regime auflehnten, auf die Smend aufmerksam machen möchte.
DR. AXEL SMEND
Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung 20. Juli 1944
Die Stiftung hat es sich zur Aufgabe gemacht, das
Gedenken und die Erinnerung an den Widerstand im
zweiten Weltkrieg aufrecht zu halten. „Krieg, Gewalt und
Verbrechen gegen Menschen und Völker haben auch die
Geschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis
heute durchzogen“, so Smend. Der promovierte Jurist
ist selbst Sohn eines ehemaligen Widerstandskämpfers,
weshalb es für ihn auch ein persönliches Anliegen ist,
politische Bildungsarbeit und Aufklärung in Schulen, bei
Tagungen oder in Diskussionen zu leisten.
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WO BERICHTERSTATTUNG
ENDET
Gesellschaften im Kriegsalltag
Veranstaltungsformat
In einer Gesprächsrunde mit unseren Referenten
versuchen wir zu ergründen, was geschieht, wenn
die Arbeit des Journalisten getan ist. Wir laden Sie
ein, dass Mikrofon selbst in die Hand zu nehmen und
mehrfach während der Veranstaltung Ihre persönlichen Fragen zu stellen.
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Zukunftsaussichten
Primetime. Die Nachrichten sind gerade vorbei, da
beginnt auch schon der Spielfilm. Kurz zuvor flackerte noch das Gesicht eines Journalisten über den
Bildschirm, der Augenzeugenberichte eines Anschlages in einem entfernten Land zusammenfasste.
Zwar informieren deutsche Nachrichtendienste oft
sehr umfassend und gehören somit zu den informativsten der Welt, aber dennoch bleibt uns meist verborgen, was auf kurz oder lang nach der Berichterstattung geschieht. Zusammen mit Experten aus
Praxis und Wissenschaft schauen wir deshalb dorthin, wo die Sendezeit endet. Gemeinsam mit Ihnen
möchten wir herausfinden, was passiert, wenn die
mediale Aufmerksamkeit verebbt und der Krieg vorbei ist. Wie verändert die traumatische Erfahrung des
Krieges die Hinterbliebenen? Welche Auswirkungen
haben kriegerische Konflikte womöglich auf die Gesellschaft und nachfolgende Generationen? Ist ein
Alltag nach dem Krieg möglich?
Montag I 15. Juni 2015 I 20.15 Uhr
Audimax I Saal 10 I Innstraße 31
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Referenten
DIRK SABROWSKI
Geschäftsführer der UNO-Flüchtlingshilfe
Deutschland
ist Geschäftsführer der UNO-Flüchtlingshilfe in
Deutschland. Seine Aufgaben reichen von der Nothilfe
in Kriegsgebieten bis zur Unterstützung von Asylbewerbern in Deutschland. Doch gerade die Krisen hätten sich
verändert und im Gegensatz zum klassischen Konflikt
seien die Konflikte heute komplizierter als noch vor einigen Jahren, so Sabrowski. Dies stellt alle Organisationen
die in diesem Bereich tätig sind vor neue Herausforderungen und häufig schwer aufzulösende, innere Konflikte.
INA FRIESEN
University of Kent
ist Expertin für Humanitarian Assistance am Chair for
Conflict Studies Canterbury. Sie hat bereits für mehrere
NGOs, unter anderem in Kenia und Somalia gearbeitet
und ist seit 2012 an der University of Kent tätig.
FOLKERT GRAHLMANN
Dipl. betriebsvolkswirt und Oberstleutnant a.D.
bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2011, diente Grahlmann
über 30 Jahre der deutschen Bundeswehr im In- und
Ausland. Zahlreiche Tätigkeiten in verschiedenen Verantwortungsbereichen der Bundeswehr haben ihn zu einem
Kenner der inneren Strukturen der Streitkräfte gemacht.
Gerade in den Auslandseinsätzen, an denen er selbst aktiv
teilnahm, machten sich die Diskrepanzen der deutschen
Bundeswehr bemerkbar. „Wer weltpolitisch ChampionsLeague spielen will, sollte auch entsprechende Ausrüstung
parat haben.”
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Steve Staedle I Wikimedia Commons
GENERATION KRIEG
Ehsan erzählt von seinem Leben in Afghanistan
und seiner Flucht nach Deutschland
Ob im Fernsehen, im Radio, in der Zeitung oder in Erzählungen – tagtäglich
werden wir mit Bildern und Berichten aus Kriegs- und Krisengebieten konfrontiert. Auch wenn der letzte Krieg in Deutschland schon Jahrzehnte
zurückliegt, kommen wir nicht umhin, uns mit der Vergangenheit unseres
eigenen Landes und Konflikten um uns herum auseinander zu setzen. Auch
in Gesprächen mit jener Generation, die den letzen Konflikt auf deutschem
Boden am eigenen Leib erleben musste wird schnell deutlich, dass Frieden
und das Gefühl von Sicherheit nicht selbstverständlich sind, und von Krieg
geprägte Lebenswege und Erfahrungen bis heute nachwirken. Dennoch
bleibt für die meisten wahrscheinlich eine gewisse Distanz zu all den Bildern
und Berichten aus heutigen Kriegsgebieten bestehen. Unvorstellbar scheint,
dass ganze Generationen in Kriegszeiten aufwachsen, ihren Lebensalltag
ohne das Gefühl von Sicherheit bestreiten und Erfahrungen machen müssen, die für Außenstehende wohl niemals nachfühlbar oder nachvollziehbar
sein werden. Mit dem Terminus Kollektives Gedächtnis wird dabei zum Ausdruck gebracht, dass Kriege neben vernichteten Existenzen und Traumata
auch eine Art gemeinschaftlich geteilter Erfahrungen mit sich bringen, die
eine Gesellschaft prägen und verändern. Erfahrungen, die im kollektiven
Gedächtnis nicht einfach ausgelöscht werden können, die sich im Alltag, in
Beziehungen und in den Bedürfnissen der Menschen widerspiegeln. Um aber
nicht weiter von außen zu beschreiben, sondern einfach zuzuhören, wollen
wir der Generation Krieg eine Stimme geben. Ehsan stammt aus Afghanistan
und erzählt von seinen Erfahrungen in einer von Krieg geprägten Gesellschaft und seinem langen Weg nach Deutschland.
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PPT: Ehsan, vielen Dank, dass Du hier bist
Eshan, 21, aus Herat, Afghanistan
und Dir heute Zeit für uns genommen hast.
Du kommst aus Afghanistan – aus welcher
Stadt stammst Du?
Ehsan: Aus der Stadt Herat.
PPT: Und wie bist Du dort aufgewachsen?
Ehsan: Wir sind eine große Familie, wir sind
zu fünft. Meine Mutter war Apothekerin
und mein Vater Automechaniker. Deshalb
brauchte ich nicht zu arbeiten. In Afghanistan müssen viele Kinder arbeiten.
PPT: Du konntest Dich als Kind also ganz auf
die Schule konzentrieren?
Ehsan: In Afghanistan muss man zwölf Jahre
zur Schule gehen, dann
bekommt man Abitur. Meine Geschwister und ich konnten zur Schule gehen
und uns ganz auf das Lernen konzentrieren.
PPT: Wie hast Du Afghanistan erlebt bevor ihr es verlassen habt?
Ehsan: Ich hatte viele Freunde in Afghanistan und ein ruhiges und glückliches Leben. Aber in der letzten Zeit gab es viele Probleme und wir mussten
Afghanistan deshalb verlassen.
PPT: Welches Bild hast Du von deinem Heimatland im Kopf, wenn Du an die
alten Zeiten zurückdenkst?
Ehsan: Positiv war, dass wir als Kinder das Gefühl hatten, frei zu sein und
tun zu können, was wir wollen. Aber das große Problem war natürlich die
Sicherheitslage im Land, die immer schlechter wurde.
PPT: Wie war Deine berufliche und familiäre Situation bevor ihr Afghanistan verlassen habt? Du hast ja bereits angedeutet, dass Du viel Zeit für die
Schule hattest.
Ehsan: Nach der Schule habe ich in Afghanistan sogar schon mein Studium
begonnen und habe ein Jahr lang BWL studiert. Auch habe ich ein Jahr
lang als Lehrer in einer Grundschule gearbeitet. Damals wurden ein Englisch- und ein Türkischlehrer gebraucht und in einem Kurs habe ich auch als
Mathematiklehrer gearbeitet.
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PPT: Was waren Deine Zukunftspläne?
Ehsan: Ich wollte mein Studium beenden und wenn die Situation in Afghanistan sicher gewesen wäre, wollte ich dort arbeiten.
PPT: Aber die Situation wurde für euch eher immer schlechter. Wie hast Du
den Krieg in Afghanistan erlebt?
Ehsan: Während der Taliban-Zeit war ich in der Grundschule. Vor unserer
Schule war ein großer Platz, auf dem Menschen aufgehängt wurden, das
konnten wir sehen. Ab der zweiten Klassen mussten wir einen Turban
tragen. Wenn wir das nicht gemacht haben, wurden wir von unserem Schulleiter geschlagen. Ja, und jeden Tag sind Bomben explodiert. Nach der
Taliban-Zeit, also nach dem 11. September, kam die NATO nach Afghanistan
und die Situation war manchmal ruhig und manchmal nicht. In unserer Stadt
war zunächst die spanische und später die italienische Armee stationiert.
Ich war damals in der neunten und zehnten Klasse und viele Leute wurden
entführt. Zum Beispiel zwei meiner Mitschüler. Die Entführer wollten Geld
von den Eltern, bis zu einer Million Dollar.
PPT: Waren die Entführer Widerstandskämpfer oder einfach Kriminelle?
Ehsan: Beides. So war die Situation in Herat. Aber auf dem Land waren die
Gebiete der Taliban, da war die Situation noch schlechter. Wenn wir von
Herat mit dem Bus nach Kabul fahren wollten, waren auf dem Weg immer
viele Taliban. Manchmal haben sie Autos explodieren lassen und wegen der
Bomben ist viel kaputt gegangen. Wir konnten also nicht einfach so nach
Kabul fahren, sondern mussten immer warten bis Truppen von der NATO
hingefahren sind. Ich habe ein Jahr in Kandahar, der unsichersten Stadt
Afghanistans, studiert. Dort gab es jeden Tag Bombardierungen, manchmal
von Seiten der ausländischen Truppen, manchmal von den Taliban aus.
PPT: Der Krieg hat in Deinem alltäglichen Leben also eine sehr große Rolle
gespielt.
Ehsan: Ja, wir konnten zum Beispiel unser Haus auch nicht verlassen wann
wir wollten. Manche Leute hatten sogar Bodyguards.
PPT: Gibt es eine Erfahrung aus dieser Zeit, die Dich besonders geprägt hat?
Ehsan: 2007 oder 2008 ist etwa ein bis zwei Kilometer von unserer Schule
entfernt eine Bombe explodiert. Wir sind aus dem Klassezimmer gegan24
Jerzy Sawluk I pixelio.de
Straßen in Herat
Jerzy Sawluk I pixelio.de
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gen und haben tote Menschen gesehen, die in viele kleine Teile zerstückelt
waren.
Das war schlimm.
PPT: Wie kam es, dass Du und Deine Familie ihr nach Deutschland gekommen seid?
Ehsan: Wir sind über den Iran, die Türkei, das Mittelmeer, Italien und Österreich nach Deutschland gekommen.
PPT: Aber ihr wolltet anfangs nicht spezifisch nach Deutschland?
Ehsan: Doch. Wir haben Freunde in Deutschland und die haben uns erzählt,
dass die Situation in Deutschland besser ist. Deshalb hat mein Vater entschieden, dass wir nach Deutschland gehen. Von der iranischen Regierung
haben wir für 2000 Dollar ein Visum bekommen. Von dort aus sind wir
illegal in die Türkei gereist und dann über das Mittelmeer nach Italien. Wir
waren fünf Tage auf einem sehr kleinen Schiff. Als wir etwa 50 bis 60 Meter
von der italienischen Küste entfernt waren, haben die Kapitäne unser Schiff
verlassen. Es war aber sehr windig und die Wellen waren hoch. Auf unserem
Schiff waren auch noch zwei Männer. Die beiden haben das Schiff auch
verlassen und sind an Land geschwommen. Neben meiner Familie waren
dann noch eine andere afghanische Familie und vier syrische Familien auf
dem Boot. Die syrischen Familien hatten zwei Babys und viele, viele Kinder.
Das Problem war, dass sie alle nicht schwimmen konnten. Wir haben geschrien und nach der Polizei gerufen, aber niemand ist gekommen. Ich war
der Einzige, der schwimmen konnte. Deshalb bin ich ins Wasser gesprungen
und an Land geschwommen. An der Küste habe ich dann ein Auto angehalten und gesagt, dass sie die Polizei rufen sollen. Die Polizei ist gekommen
und hat mich festgenommen und geschlagen, weil sie dachten dass ich der
Schlepper sei. Meine Eltern haben gesagt, dass ich das nicht bin, deshalb
konnte ich dann wieder zu meiner Familie gehen. Wir wurden in ein Camp
gebracht, das so ähnlich wie ein Gefängnis war. In diesem Camp waren
mehr als tausend Leute und draußen war die italienische Armee. Aber unser
zweiter Schlepper hat uns in diesem Camp gefunden und uns über Napoli
und Milano in eine kleine Stadt an der Grenze zu Österreich gebracht. Von
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dort aus sind wir dann in der Nacht über die Grenze nach Deutschland
gekommen.
PPT: Ehsan, wie lange bist Du jetzt schon in Deutschland?
Ehsan: Wir sind am 7. Mai 2013 nach Deutschland gekommen und am 6. Juli
2013 nach Passau.
PPT: Und was würdest Du sagen, wie ist Deine Lebenssituation in
Deutschland heute?
Ehsan: Im Moment ist meine Lebenssituation gut. Ich bin mit meiner Familie
in eine Privatwohnung gezogen und darf studieren. Und ich hoffe, dass ich
den Test bestehe [Ehsan muss einen Deutschtest machen, damit er an eine
Hochschule darf].
PPT: Kannst Du Dir vorstellen, nochmal für eine längere Zeit nach Afghanistan zurückzugehen?
Ehsan: Nein. Solange die Situation so bleibt, nicht. Freunde haben uns erzählt, dass die Situation in unserer Heimatstadt noch schlechter geworden
ist. Aber irgendwann, wenn vielleicht wieder Sicherheit in Afghanistan herrscht, kann ich es mir vorstellen.
PPT: Was wünschst du dir am meisten für dein Heimatland?
Ehsan: Sicherheit. Das ist mein erster und größter Wunsch.
Wir wünschen Ehsan für seinen weiteren Lebensweg und besonders für
sein Studium alles Gute und hoffen, dass viele seiner Zukunftswünsche in
Erfüllung gehen werden.
I Das Interview führten Maximiliane Eckhardt und Frederik Meyer.
Nachtrag
Ehsan hat alle Deutsch-Prüfungen erfolgreich bestanden und anschließend
einen Platz am Studienkolleg Coburg erhalten.
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KINDHEIT VOM KRIEG GEPRÄGT
Wie Flüchtlingen geholfen wird mit dem Erlebten zu leben
DR. MAGGIE SCHAUER
Universität Konstanz
ist eine europaweit anerkannte Spezialistin auf dem
Gebiet der Traumata-Behandlung und entwickelte
zusammen mit Frank Neuner und Thomas Elbert
die sog. Narrative Expositionstherapie. Sie ist Mitbegründerin und Vorstandsmitglied des Vereins
vivo (victim’s voice) e.V. und war dort von 2004 bis
2008 Vizepräsidentin. Heute entwickelt sie unter
anderem Methoden zur schnellen und nachhaltigen psychologischen Behandlung von Menschen
aus Krisengebieten und Flüchtlingen.
PPT: Frau Dr. Schauer, Sie sind Mitbegründerin und Vorstandsmitglied der
Organisation vivo international. Wofür steht die NGO?
Dr. Schauer: vivo ist ein Bündnis von Fachkräften mit Kompetenzen auf
dem Gebiet der Psychotraumatologie, der internationalen Gesundheit,
humanitären Hilfe, wissenschaftlichen Arbeit und Feldforschung, nachhaltigen Entwicklung sowie der Menschenrechte. Ein zentrales Problem bei der
psychologischen Versorgung von Flüchtlingen war tatsächlich lange Zeit die
Trennung der Arbeit in Kriegs- und Krisengebieten von der Wissenschaft.
Die Erfahrungen aus der Praxis im Feld hielten damit wenig Einzug in die
Wissenschaft und umgekehrt waren Helfer in Ländern abgeschnitten von
den neuesten Forschungsergebnissen. vivo International wurde gegründet,
um eben diesen Brückenschlag zwischen der Feld- und der Laborarbeit
möglich zu machen. Wie wichtig das ist, zeigen schon die einfachen Zahlen,
dass zwischen 30-50% aller Flüchtlinge weltweit unter diagnostizierbaren
psychischen Problemen leiden. Ungeachtet dieser Zahl wird die seelische
Gesundheit jedoch meist immer noch als nachrangige Problematik betrachtet, dabei ist sie zentral für das Überleben auf der Flucht und die Integration im Gastland.
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PPT: Wie wird die angestrebte Kombination von Wissenschaft und Praxis
umgesetzt?
Dr. Schauer: Wir arbeiten in Problemregionen mit den behandelnden Menschen und Wissenschaftlern vor Ort zusammen, mit dem Ziel, ein sich selbst
tragendes System zu entwickeln. Hierfür wird zunächst mit wissenschaftlichen Methoden die jeweilige Problemlage erforscht und analysiert, danach
ein Behandlungsvorschlag gemacht. Anschließend werden die Mitarbeiter
von uns vor Ort ausgebildet bzw. geschult und das Vorgehen wird unter
Supervision umgesetzt. Das alles wird jedoch weiterhin von uns beobachtet
um eventuelle Fehler im Handlungsplan frühzeitig zu beheben.
PPT: Die Flüchtlingsproblematik ist heute so akut wie selten zuvor in
Deutschland. Schlägt sich dieser Umstand auch in Ihren Projekten wieder?
Dr. Schauer: Diese Frage kann man mit einem klaren Ja beantworten. Die
Zahl der Flüchtlinge, die in Europa und auch Deutschland ankommen, steigt
seit einigen Jahren rapide und natürlich steigt in der Folge auch die Zahl unserer Patienten. Obwohl unsere Einrichtung keine Versorgungsambulanz ist,
suchen doch viele Flüchtlingshelfer, Wissenschaftler und niedergelassene
Psychologen und Psychiater Rat und Unterstützung.
Betrachtet man die aktuellen Konfliktgebiete vor allem in Syrien mit der
Terrormiliz IS und Nigeria mit Boko Haram, so wird deutlich von welchen
Ausmaßen man hier redet, wenn sich große Teile der nigerianischen Bevölkerung, dem bevölkerungsreichsten Land Afrikas, auf der Flucht befinden.
Hinzu kommt, dass die momentane Lage noch nicht der Zenit des Ganzen
ist, ganz im Gegenteil.
PPT: Wie muss man sich die Situation zum Beispiel an deutschen Schulen
vorstellen?
Dr. Schauer: Viele Schulen in Deutschland sind mit der Zahl der Neuankömmlinge überfordert. Wir bekommen Anrufe von Verantwortlichen
deren ganze Schulhöfe sich verändert haben und die Hilfe für die Integra29
tion der vielen neuen Kinder möchten. In Regionen Deutschlands mit sowieso schon hoher Migrationsrate führt das oft zu großen Problemen. International ist man da weiter, man weiß, dass es sehr wichtig ist, gut auf die
Gastgeber-Gemeinschaft zu achten, wenn man Flüchtlingen hilft. Die Ängste
und Sorgen der Bürger, vor allem der ressourcenarmen, bildungsferneren
Gruppen, möchte man unbedingt mit im Auge haben, damit es hier nicht zu
Konkurrenz kommt.
PPT: Wie kommen Sie in Kontakt mit den Menschen?
Dr. Schauer: Viele unserer Fälle werden uns von Amnesty International, von
ehrenamtlichen Helfern oder Expertenüberlebenden vermittelt. Ein guter
Teil kommt jedoch auch aufgrund von „Mund zu Mund Propaganda“ zu uns,
worauf wir besonders stolz sind, da dies immer ein Vertrauenszuspruch uns
gegenüber bedeutet. Mittlerweile wissen auch viele der Flüchtlinge um den
hohen Wert unserer hoch standardisierten Untersuchungen und evidenzbasierten Therapien.
PPT: Wie baut man Vertrauen zu jemandem auf, der in seiner Jugend kriegerische Konflikte, Verrat und Verfolgung miterlebt hat?
Dr. Schauer: Der erste Schritt ist immer, zu erklären wer wir sind und was wir
machen. Es ist von großer Bedeutung, dass wir uns in Deutschland auf die
Schweigepflicht berufen können bzw. müssen und ist ein zentraler Schritt
um eine Vertrauensbasis zu schaffen. Wichtig ist auch, dass wir keine staatliche Instanz sind, denn manche Flüchtlinge verschweigen Details vor einer
Behörde, da sonst eine Abschiebung drohen kann. Vielen wird auch vom
Schlepper beigebracht, zu lügen. Wir versuchen dann erst einmal die Wahrheit ans Licht zu bringen. Zusammen mit dem Patienten wird dann darüber
entschieden, was von den Informationen weitergegeben werden darf, zum
Beispiel an Ärzte, Anwälte oder das Bundesamt. Über Gespräche und Einsicht möchten wir dahin gelangen, dass dann letztlich die Anhörungsinformationen korrigiert werden kann.
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© Dieter Schütz I pixelio’
PPT: Was gilt es konkret über den jeweiligen Patienten herauszufinden?
Dr. Schauer: Wir möchten wissen, warum der Patient sich eigentlich in der
Ambulanz vorstellt. Gerade bei Kindern und Jugendlichen gibt es immer eine
Person, die erwirkt hat, dass das Kind in eine Behandlung gehen soll. Die
Motivation muss aber entscheidend vom (jungen) Patienten selbst kommen.
Nur so kann es eine für beide Seiten erfolgreiche Behandlung geben. Da unser therapeutisches Vorgehen biographische Arbeit beinhaltet, eignen sich
viele der Informationen für das Asylverfahren. Wir möchten den Gedanken
des ‚zukunftsoffenen Flüchtlings’ unterstützen, der als psychisch gesunder Mensch selbst seine Zukunftsentscheidungen treffen und aktiv werden
kann.
PPT: Was sind auffällige Verhaltensstörungen bei Kindern, die aus Krisengebieten fliehen mussten?
Dr. Schauer: Meist gibt es zwei grundlegende Arten der Ausprägung einer
psychischen Krankheit. Zum einen ist das ein stark extrovertiertes Verhalten. Hier treten Auffälligkeiten wie Aggressivität, Hyperaktivität oder auch
Bettnässen auf.
31
Das zweite Verhaltensmuster hingegen ist gegenteilig und stark introvertiert.
Die Betroffenen leiden oft unter Depressionen, Konzentrationsproblemen,
Ängsten, Albträumen und schlechten schulischen Leistungen. Manchmal
sind bei Jugendlichen auch Drogen ein Problem, vor allem der Konsum vom
Marihuana. Diese Droge, die vor allem bekannt ist eine gewisse Entspannung herbeizuführen, wirkt bei traumatischen Erlebnissen kontraproduktiv,
denn es können unter anderem Essstörungen, Lethargie und sogar psychotische Störungen auftreten. Auch findet man bereits in jungen Jahren
vereinzelt Fälle von Suizidgefährdung.
PPT: Worin liegen die Unterschiede in der Behandlung von kriegsflüchtigen
Kindern und Erwachsenen?
Dr. Schauer: Dies ist eine interessante Frage, von daher, als das sich die Situation in den letzten Jahren deutlich geändert hat. Früher hat man oftmals
den Kindern einfach Erwachsenentherapien übergestülpt. Bei uns war der
Weg genau anders herum. Mit Kindern und Jugendlichen verwenden wir
schon länger auch Körpereinsatz und Symbolik. Das Ausdrücken durch
Bilder oder anderweitige Darstellung von Gefühlen oder Gedanken ist noch
heute ein zentraler Baustein der Therapie. Eben diese Therapieelemente
übertragen wir heute auch auf Erwachsene. Man geht gerade bei Menschen
ohne formale Schulbildung immer mehr dazu über, Begreifbares darzustellen.
PPT: Wie kann man sich weitere Therapieansätze vorstellen?
Dr. Schauer: Um erstmal eine Grundlage für eine Behandlung zu schaffen,
wird in jedem Fall eine möglichst genaue Chronologie der Lebensereignisse
erstellt. Es sollen konkrete, hocherregende Lebensereignisse gefunden
werden, um damit therapeutisch arbeiten zu können. Oftmals sind diese Erlebnisse zu einem Furchtnetzwerk von Gedanken, Gefühlen, Empfindungen
verschmolzen. Schon das Laufen der Kinder in einer Turnhalle kann dieses
Netzwerk im Gehirn zünden. Die betroffene Person verbindet z.B. Rennen
mit Herzklopfen und Herzklopfen mit einem Bombenangriff. Das Herzklop32
fen jedoch eine normale körperliche Reaktion auf die Anstrengung der Rennens ist und in einer Turnhalle in Deutschland nicht mit einer Gefahrensituation gerechnet werden muss, muss der Betroffene erst lernen.
PPT: Wie lange dauert eine durchschnittliche Behandlung?
Dr. Schauer: Bei dem Modul der Traumabehandlung, das wir anbieten,
kommt es darauf an, wo die Therapie stattfindet. In den Krisenländern vor
Ort sind meist nicht mehr als drei bis vier Doppelsitzungen der “Narrativen
Expositionstherapie” möglich. Typisch in Deutschland sind zwei Diagnosesitzungen, danach ca. acht bis zehn solcher biographische Sitzungen in
denen das biographische aufgearbeitet wird und noch ein bis zwei Wahlsitzungen, je nachdem was der Therapeut zusammen mit dem Betroffenen
noch erarbeiten möchte. Bei besonders schweren Fällen kann auf bis zu 15
Sitzungen verlängert werden. Das sind dann aber zumeist schwer belastete
Erwachsene. Vor und nach dieser Traumatherapie kann es noch andere
Behandlungsschritte geben.
PPT: Worin unterscheidet sich eine psychotraumatische Behandlung von
einer medizinischen Versorgung?
Dr. Schauer: Die Idee in der traditionellen Medizin ist es, dass es dem
Patienten am unmittelbaren Behandlungsende am besten geht. Auf die
Psyche ist diese Regel jedoch nicht anzuwenden. Hier ist es nicht selten
der Fall, dass nach Behandlungsende die Situation noch nicht signifikant
gebessert ist, es aber lang- und mittelfristig zu einer deutlichen, positiven
Veränderung kommt. Nur Verfahren, die nach drei Monaten greifen, haben
einen positiven Effekt angestoßen. Wichtig ist es deshalb, den Verlauf auch
langfristig zu beobachten, heute sind Nachuntersuchungen nach zwei Jahren wünschenswert. Die Narrative Expositionstherapie zeigt nach ca. sechs
Monaten signifikante Besserungen, die sich auch danach noch kontinuierlich
weiterentwickeln. Das endgültige Ziel ist immer eine langfristige Besserung
ohne Medikation, die sich auch bei erneuten Krisen bewährt.
33
© Dieter Schütz I Pixelio’
PPT: Ihre Arbeit ist von großer Bedeutung, weil sie vielen Menschen helfen und
ihnen damit neues Vertrauen und ein neues Sicherheitsgefühl vermitteln. In
vielen Ländern Europas kämpfen Behörden und Kommunen derzeit mit einer
großen Aufnahmeflut an Flüchtlingen, sodass eine individuelle Betreuung unmöglich erscheint. Wie vielversprechend sind die Zukunftschancen von Kindern,
die in viel zu kleinen Asylheimen unterkommen und von umliegenden Anwohnern nicht geduldet werden?
Dr. Schauer: Kinder haben hier bessere Voraussetzungen als Erwachsene, denn
diese werden bis zu Ihrer Volljährigkeit immer entweder in Pflegefamilien oder
aber in Kinderdörfern untergebracht. Sie unterstehen dem Jugendamt und
bekommen einen Vormund, der sich kümmert. Dies gilt immer dann, wenn die
Schutzbedürftigen ohne erwachsene Person mit Sorgerecht nach Deutschland
kommen. In den Kinderdörfern ist die Betreuung überaus engagiert und professionell. Die Betroffenen haben ein Anrecht auf Einzelkontakte mit Sozialarbeitern und andere außergewöhnliche Sonderleistungen. Sie besuchen die Schule,
bekommen Deutschunterricht und Hausaufgabenbetreuung. Die Jugendlichen
werden umsorgt und sind Teil einer Gemeinschaft. Somit lässt sich guten
34
Gewissens sagen, dass es für diese Gruppe eine solide soziale Absicherung gibt.
Selbst mit dem Überschreiten des 18. Lebensjahres wird weiterhin viel versucht,
um die Lebensumstände günstig für fortlaufende Entwicklung zu gestalten.
Unvermeidlich ist jedoch, dass mit der Volljährigkeit der Asylantrag eines jeden
Flüchtlings neu geprüft wird und theoretisch die Abschiebung drohen könnte.
PPT: Welchen Herausforderungen werden sich Sie und Ihre Kollegen in Zukunft
stellen müssen?
Dr. Schauer: In der Zukunft wird vor allem die schiere Masse an Neuankömmlingen für die Therapeuten schwer zu bewältigen sein, bedenkt man die hohen
Traumatisierungsraten. Die deutschen psychoszialen Auffangkapazitäten sind
schon jetzt mehr als ausgelastet und die Wartelisten aber auch der Anmeldungen von Psychologen und Psychiatern zu unseren Fortbildungen zur Traumatherapie, werden immer länger. Mit dem zunehmenden Druck wird man die
Qualität der Einrichtungen ohne grundlegende Veränderungen nicht halten
können und es wird immer mehr geben, die nicht die angemessene Fürsorge
erfahren werden; wobei angemessene psychosoziale Versorgung und traumaaufarbeitende Therapie zentral sind für die Integrationsfähigkeit der Menschen, das zeigen viele Studien. Wir plädieren für einen Paradigmenwechsel:
die seelische Gesundheit muss den höchsten Stellenwert bekommen, denn
chronisch traumatisierte Menschen werden psychisch und körperlich kranke
Drehtürpatienten, eine Belastung für das Gesundheitssystem und sozial und
beruflich dysfunktional. Langfristig wird sich jedoch die Situation noch weiter
deutlich verschärfen und es bleibt abzuwarten, wie darauf von politischer Seite
reagiert wird, denn dass Handlungsbedarf besteht, das wird wohl niemand bestreiten.
I Das Interview führte Florian Voss.
35
GEKOMMEN UM ZU BLEIBEN?
Humanitäre Hilfe als Mittel der Kriegsindustrie
Workshop
Dienstag I 16. Juni 2015 I KSG-Saal
Nikolakloster I Innstraße 40
Anmeldungen zum Workshop sind lediglich unter www.passauer-politiktage.de möglich.
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PLANSPIEL
Im Juni 2004 wird in Afghanistan ein Anschlag auf Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen verübt. Fünf Menschen
sterben. Dies stellt einen bis dato traurigen Höhepunkt
der Instrumentalisierung humanitärer Hilfe und den Niedergang der Prinzipien von Unabhängigkeit, Neutralität
und Unparteilichkeit in Afghanistan dar. Wie wird es nun
weitergehen? Kann und darf die Arbeit in dem Maße und
vor allem in der Form wie man sie Jahrzehnte erfolgreich
praktizierte im Hinblick auf die neusten Entwicklungen
fortgesetzt werden? Wie schützt man jene, die neutral
bleiben müssen? Wie kann geholfen werden, wenn es
keine festen Fronten, keine unumstößlichen Regeln und
keine ungeschriebenen Gesetze mehr gibt? Welche Bedeutung hat Neutralität und heute und wie unabhängig
ist die Humanitäre Hilfe wirklich?
Der interaktive Workshop beleuchtet das Nachbeben
nach einem Anschlag auf Mitarbeiter von Ärzte ohne
Grenzen in Afghanistan und die Folgen für die unterschiedlichen betroffenen Parteien. In Form eines Planspiels werden die Teilnehmer in die verschiedene damals vor Ort befindlichen Interessengruppen eingeteilt,
in denen sie ihre Position mit Hilfe von tagesaktuellen
Materialien erarbeiten. Im zweiten Schritt werden die
unterschiedlichen Positionen zusammen gebracht der
Versuch unternommen eine Antwort für den Umgang mit
den Ereignissen zu finden.
INA FRIESEN
University of Kent
ist Expertin für Humanitarian Assistance am Chair for Conflict Studies Canterbury. Sie hat bereits für mehrere NGOs,
unter anderem in Kenia und Somalia gearbeitet und ist seit
2012 an der University of Kent tätig.
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EIN WEG ZUM FRIEDEN
Vorstellung und Wirklichkeit
Workshop
Mittwoch I 17. Juni 2015 I Kleiner Redoutensaal
Gottfried-Schäffer-Straße 2
Anmeldungen zum Workshop sind lediglich unter www.passauer-politiktage.de möglich.
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DIE FÜNF FRIEDENSFAMILIEN
Der Krieg beginnt im Verstand des Menschen, behauptet
die Präambel zur Verfassung der UNESCO aus dem Jahr
1945. Deshalb ist unser Verstand auch der Ort, an dem
der Frieden begründet wird. Doch wie, wann und unter
welchen Voraussetzungen macht der Verstand Frieden
in der Wahrnehmung des Menschen?
Der Workshop frägt nach Konzepten und unterschiedlichen Vorstellungen von Frieden in der Geschichte, in
unterschiedlichen Kulturen und in der Vorstellung des
anwesenden Publikums. Auf dieser Basis wird nach
den Konsequenzen dieser Vorstellungen für praktische
Friedensarbeit gefragt, es werden einzelne dieser Methoden vorgestellt und diskutiert.
PROF. DR. WOLFGANG DIETRICH
Universität Innsbruck
UNESCO Chairholder for Peace Studies
Der Friedensbegriff der Postmoderne, der Kulturen des Friedens, der sozialen Bewegungen, der Menschenrechten etc. zählen zu den
Forschungsschwerpunkten Dietrichs. Dabei betrachtet er unterschiedlichste Regionen und
Kontinente. Er forscht auch zum transkulturellen
Frieden sowie gewaltfreie Kommunikation.
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„FÜR
SIE VOR ORT”
Kriegsberichterstattung und ihre Gestaltungsmacht
Workshop
Donnerstag I 18. Juni 2015 I KSG-Saal
Nikolakloster I Innstraße 40
Anmeldungen zum Workshop sind lediglich unter www.passauer-politiktage.de möglich.
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Journalistische Arbeit in krisengebiieten
Dieser Workshop wird sich um die Probleme der journalistischen Arbeit in Krisengebieten drehen und dabei vor allem auf
Syrien und die IS-kontrollierten Gebiete im Irak eingehen. Dem
IS ist es innerhalb eines Jahres durch die Enthauptungen von
Journalisten gelungen, eine “reporterfreie Zone” zu schaffen. Es
gibt nur noch Berichte aus dem frontnahen Umfeld des “Kalifats” oder aus dem Internet. Was vor Ort tatsächlich geschieht,
entzieht sich unserer Kenntnis. Das Bild, das wir zur Zeit vom
IS-beherrschten Gebiet haben wird von spekulative Analysen,
Zeugenaussagen und dem “Medienzentrum” der Dschihadisten
bereitgestellt, nicht von qualitativ hochwertiger und unabhängiger journalistischer Arbeit. Das hat es bislang in der Krisenberichterstattung noch nicht gegeben. Wie also damit umgehen?
Welche Art von Berichterstattung ist in der Region derzeit noch
möglich? Worüber lässt sich noch seriös und belastbar berichten?
MARTIN DURM
SWR2 I Kriegsberichterstatter
wurde im März diesen Jahres für sein Radio-Feature “Syrisches Inferno – ein
Bürgerkrieg eskaliert” mit dem renommierten Liberty-Award ausgezeichnet.
Dieser Preis ehrt Journalisten, die über die Missstände und den erschütternden Alltag der Menschen in Kriegs- und Krisengebieten aufklären. 2010
geriet er dabei gemeinsam mit dem Journalisten
Jörg Armbruster während den Dreharbeiten zum
Dokumentarfilm “Zwischen Krieg und Frieden –
der neue nahe Osten” in einen Schusswechsel.
Seit 2011 ist Durm als Moderator und Reporter
beim SWR2 tätig und berichtet aus erster Hand
über die Revolten in Ägypten, Libyen, Jemen und
Syrien. Durm gilt wegen seiner bewegenden und
mit zahlreichen Preisen ausgezeichneten Reportagen als Ausnahme-Journalist.
CIVIS I Bernhard Ludewig
41
DER MENSCH HINTER DEM
FLÜCHTLING
Begegnungen im Erstaufnahmelager - Ein Kunstprojekt
Krieg, Hunger, Armut - Es gibt viele
Gründe, warum tausende Menschen
aus ihrer Heimat fliehen. Die stetig
wachsende Zahl der Flüchtlinge
veranlasst insbesondere die Mitgliedstaaten der EU über Aufnahmemöglichkeiten und den langfristigen
Umgang mit dieser Situation zu diskutieren. – Einer der nicht über, sondern
© Wilhelmine Wulff I Pixelio’
mit Flüchtlingen reden möchte ist
Martin Gommel.
Der Fotograf und Gründer des Fotografie-Magazins kwerfeldein besucht seit
Beginn dieses Jahres das zentrale Erstaufnahmelager in Karlsruhe. Hier sucht
er den Dialog mit den Menschen die nach Deutschland kommen, weil es für sie
in ihrem Heimatland nicht länger eine Zukunft zu geben scheint. Dabei plant
er nicht, sondern kehrt dort ein, wo ihm Zeit bleibt, lässt sich überraschen wen
er an diesem Tag dort antreffen wird. In erster Linie hört Martin Gommel dabei den Menschen zu, schenkt ihnen seine Zeit und Aufmerksamkeit und stellt
feinfühlig ein paar Fragen. Auf seiner Internetseite www.martingommel.de portraitiert er anschließend mit ihrer Erlaubnis seine neuen Bekanntschaften und
teilt ihre bewegenden Schilderungen über Flucht, Träume, Ängste und Hoffnungen. Dank ihm finden sie Gehör.
Dabei machen die Berichte über die Zustände in den Heimatländern der
Flüchtlinge, der meist gefährliche Weg bis nach Europa und die Asylsituation in
Deutschland den Fotografen betroffen. Gerade deshalb hat er sich zur Aufgabe
42
gemacht, den Flüchtlingen eine Stimme zu geben. Indem er ihre Geschichte
erzählt.
Wie aus Fremden Freunde werden und was es heißt, wenn man anstatt über
die Betroffenen mit ihnen redet, hat er selbst erfahren:
„Ein Flüchtling. Dieses Wort hat sich in den letzten fünf Monaten in meinem
Kopf und Herzen ganz neu geformt und ist für mich kein Fremdwort mehr.
Wenn Du heute mit mir über Flüchtlinge sprichst, dann kann ich nicht mehr
nur an Zahlen und Statistiken denken. Dann denke ich an Menschen mit einer Lebensgeschichte, die mich zutiefst berührt und traurig macht. Ich denke
an Menschen, die sind wie Du und ich. Nein, nicht im Sinne der Konformität,
sondern im Sinne ihrer Verletzlichkeit, ihrer Gefühle und Humanität.”
Die eindrücklichen Portraits und Geschichten dürfen wir im Rahmen der Passauer Politiktage 2015 in unserer ersten Kunstausstellung präsentieren. Wir
danken Martin Gommel, der uns nicht nur seine Bilder und Erfahrungen zur
Verfügung gestellt hat, um die Folgen von Krieg zu illustrieren, sondern uns
auch daran erinnert, das sich hinter Statistiken und Zahlen Menschen und ihre
Geschichten verbergen.
I Tina Nischwitz
ERSTE KUNSTAUSSTELLUNG
DER PASSAUER POLITIKTAGE
10. bis 20. juni 2015 I Nikolakloster I Innstrasse 40
Werktags von 08.00 bis 17.00 Uhr in der Cafeteria
Eintritt frei
43
DER UNSICHTBARE FEIND
Von Terrorangriffen und Drohnenschlägen
Veranstaltungsformat
Eine kontroverse Debatte zwischen Experten. Medial aufbereitete Fakten und Statistiken geben einen
wissenswerten Überblick zum Thema und prüfen
gleichzeitig die Argumente unserer Referenten.
Selbstverständlich wird es auch hier die Möglichkeit
geben, nach der Debatte Fragen zu stellen.
44
Automatisierte Kriegsführung
Seit dem 11. September 2001 spricht man von asymmetrischer Kriegsführung, wenn man an eine militärische Auseinandersetzung zweier Parteien mit
ungleichen Mitteln denkt. Auch die Entwicklung unbemannter Systeme fördern das ungleiche Verhältnis zwischen Krieger und Bekriegtem. Die Zukunft der
Kriegsführung scheint aus automatisierten und autonomen Systemen zu bestehen. Von der Unterstützung der Bodentruppen bis hin zur Aufklärung erfüllen sogenannte Drohnen mittlerweile eine Vielzahl
der für Soldaten potenziell gefährlichen Aufgaben.
Dies ermöglicht neue und augenscheinlich - da von
einer Maschine ausgeführt - präzisere, stille Tötungen auf lange Distanz. Potentielle Gefahrenquellen
können so schon lange vor ihrem aktiv werden erkannt und ausgeschaltet werden. So weit die Theorie. Mehr und mehr wird jedoch deutlich, dass die
durch diese Maschinen vollstreckten Urteile weder durch internationales, noch durch anderweitig
geartetes Kriegsrecht abgesichert sind. Schlimmer
noch scheinen sie anstatt beruhigend oder zumindest abschreckend zu wirken zum Motor der Rekrutierung lokaler terroristischer Organisationen zu
werden. Die Angst vor dem unsichtbaren Feind und
die Wut über jene die ihn aussenden treibt mehr und
mehr Menschen in die Radikalität. Kann hier noch
von einer adäquaten Lösung gesprochen werden?
Donnerstag I 18. Juni 2015 I 20.15 Uhr
Audimax I Saal 10 I Innstraße 31
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Referenten
PROF. DR. PETER NEUMANN
King’s College London
ist Professor für „Security Studies“ am King’s College in
London. 2008 gründete er dort das „International Center
for the Study of Radicalisation“, dessen Direktor er seitdem ist. Neumann ist Experte für islamistischen Terrorismus, welcher einen zentralen Faktor in zahlreichen
Konflikten unserer Zeit darstellt. Er glaubt, dass der Terror
aus seinen Fehlern gelernt hat und in Zukunft vermehrt
auf kleinere, schwieriger zu verhindernde Anschläge, wie
das Attentat auf Charlie Hebdo in Paris zu Jahresbeginn,
setzen wird.
NAKOOW GRANT-HAYFORD
Leiter des Galtung Instituts
ist Direktor des „Galtung-Institutes für Friedenstheorie und
Friedenspraxis“ im baden-württembergischen GrenzachWyhlen in der Nähe von Basel. Das Institut widmet sich der
Konfliktforschung und -lösung im Sinne seines Gründers
Johan Galtung, dem Vater der Friedensforschung. GrantHayford, der in Marburg und Basel studierte, ist Experte für
Friedens- und Konfliktforschung, besonders im Hinblick
auf das subsaharische Afrika.
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Referenten
IMAM ABU ADAM
Prediger des Religionsministeriums Kuwait
Aufgewachsen in Ägypten, hat der staatenlose Palästinenser Koranwissenschaften und islamisches Recht in
Ägypten, Libyen, Saudi-Arabien, Pakistan und den Vereinigten Arabischen Emiraten studiert. Seit 2012 lebt er in
Leipzig. Der mehrfach diplomierte Theologe hält weltweit
Vorträge, bildet Imame fort und arbeitet an einer islamischen Enzyklopädie mit. Derzeit ist er Imam und Prediger
des Religionsministeriums von Kuwait.
DR. INA WIESNER
Wissenschaftliche Rätin des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr
Seit 2014 ist sie im ZMSBw Projektleiterin im Forschungsbereich Sicherheitspolitik und Streitkräfte. Wiesner, die in
Potsdam und Berlin in den Bereichen Konfliktforschung und
Militärsoziolgie lehrte und mehrere Werke zur deutschen
Verteidigungspolitik veröffentlichte, ist mit deren aktuellen
Herausforderungen bestens vertraut.
MARTIN DURM
Kriegsberichterstatter
Seit 2011 ist Durm als Moderator und Reporter beim SWR2
tätig und berichtet aus erster Hand über die Revolten in
Ägypten, Libyen, Jemen und Syrien. Durm gilt wegen seiner
bewegenden und mit zahlreichen Preisen ausgezeichneten Reportagen als Ausnahme-Reporter.
CIVIS I Bernhard Ludewig
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ISLAMISTISCHER TERROR
BALD AUCH IN DEUTSCHLAND?
Einfluss und Ziele des Islamischen Staates
ASIEM EL DIFRAOUI
Politologe, Volkswirt und Dokumentarfilmautor
arbeitet derzeit als Senior Fellow beim Institut für Medien- und Kommunikationspolitik in Berlin. Neben
dschihadistischer Online-Propaganda umfassen seine
Forschungsschwerpunkte die politischen und sozialen
Entwicklungen in der arabischen Welt. Als Mitbegründer
der CANDID Foundation setzt er sich für einen konstruktiven europäisch-arabischen Dialog ein.
PPT: Wie erklären Sie sich den rasanten Aufstieg der Terrorgruppe Islamischer
Staat (IS) in den letzten Monaten von einer zunächst wenig beachteten Terrorgruppierung bis hin zur Gründung eines eigenen „Kalifats“?
Asiem El Difraoui: Der Aufstieg des IS war nicht so rasant, wie Sie annehmen.
Diese Zeit hat IS genutzt, um sich zu organisieren und seine ideologischen Interessen klar zu formulieren. Und natürlich waren die westlichen Medien aber
auch Analysten und Geheimdienste angesichts der zahllosen Brandherde
in der arabischen und islamischen Welt überfordert. Lybien als failed state,
die Mali-Intervention, die Umbrüche in Ägypten, der syrische Bürgerkrieg,
die Unruhen im Yemen etc. Nur wenige Spezialisten haben seit Jahren darauf
gedrängt, den Irak, das Leiden der Sunniten dort und das Wiederstarken der
Jihadisten nicht zu unterschätzen. Das Augenmerk lag woanders. Diese Zeit
hat IS, der schon seit 2006 existiert, und aus noch älteren Organisationen
hervorgegangen ist, genutzt, um sich neu zu organisieren, neue Allianzen zu
schmieden und schließlich das syrische Chaos auszunutzen.
48
PPT: Wie gelingt es dem IS soziale Netzwerke in Deutschland zu etablieren
und Jugendliche für ihr Vorhaben zu radikalisieren?
Asiem El Difraoui: In den Medien - übrigens genauso wie in dieser Frage auch
- vernehme ich oft einen überraschten Unterton, wenn festgestellt wird, dass
IS seine Propaganda perfektioniert habe. Tatsächlich entlarvt diese Überraschtheit aber nur unsere eigene Naivität. Die Mitglieder von IS, die die Propaganda betreiben, stehen uns näher als wir denken und sie kennen uns besser
als wir denken. Das sind Kinder der westlichen Gesellschaft, die mit dem Internet groß geworden sind - digital natives - oftmals Europäer. Es erstaunt mich,
dass sich vor diesem Hintergrund noch so viele Menschen ernsthaft wundern,
dass sich die Jugendlichen aus Europa mit der IS-Propaganda identifizieren
können. Verstärkt wird dieser Trend durch den politischen Werteverlust in
unserer Gesellschaft, die sich nur um sich selbst und eine möglichst gute
work-life-balance kümmert. Es fehlen die Visionen. Und diese Lücke füllt die
IS-Propaganda mit einer apokalyptischen Ideologie. Außerdem ist die Zuwendung zum IS Ausdruck einer neuen Antikultur: Skindheads und Punks provozieren heute nicht mehr, da muss man schon Salafist und dann Dschihadist
werden, um die ersehnte Aufmerksamkeit zu bekommen.
PPT: Wie gefährlich ist der IS für Deutschland? Angesichts konkreter Drohungen des IS Anschläge auf Zivilisten zu verüben, fragen wir uns, ob Sie noch
ohne Bedenken zu Großveranstaltungen wie dem Münchner Oktoberfest oder
dem Kölner Karneval gehen würden?
Asiem El Difraoui: Ja, natürlich soll man ohne Bedenken zu solchen Events
gehen. Genauso klar ist auch, dass es weiterhin vereinzelte Attentate geben
wird. Nichtsdestotrotz darf man nicht in Panik verfallen. Der IS wird sich langfristig besiegen lassen, genau wie es möglich war Bin Laden zu liquidieren.
Die große Frage, die sich Gesellschaft und Staat stellen müssen, ist jedoch,
wie man die jihadistische Ideologie wiederlegt und dauerhaft entkräftet, denn
diese Ideologie hat den Tod Bin Ladens überdauert und wird vermutlich auch
den IS überleben.
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PPT: Sie arbeiten an einer Aufklärungskampagne der französischen Regierung
mit. Welche Präventionsprogramme gegen den islamistischen Terror können
sie der deutschen Regierung empfehlen?
Asiem El Difraoui: Deutschland ist was Präventionsprogramme angeht schon
sehr weit und tatsächlich viel aktiver als Frankreich. Trotz allem darf nicht vergessen werden, dass es kein Patentrezept gibt, mit dessen Hilfe sich die Radikalisierung junger Menschen immer und zuverlässig verhindern ließe. Prävention und Deradikalisierung sind höchst komplexe Prozesse. Das oberste Ziel
jeder wirksamen Präventionsinitiative muss es sein, die Ideologie des jihadistischen Terrors zu entmystifizieren. Diese Aufklärungsarbeit dauert Jahrzehnte!
PPT: Wie beurteilen Sie den aktuellen Einfluss von Al-Qaida? Und wen halten
Sie momentan für gefährlicher: Al-Qaida oder den IS?
Asiem El Difraoui: Die Frage ist von ihrer Ausrichtung her falsch. Ich will ein
Beispiel geben: Nach den Anschlägen auf „Charlie Hebdo“ hat die ganze Welt
auf IS geschaut, aber hinter dem Attentat stand Al-Qaida im Yemen. Morgen vielleicht schon sprengt Boko Haram eine Botschaft einer europäischen
Hauptstadt in die Luft – wir wissen es nicht. Stets nur einzelne Gruppen in
den Blick zu nehmen ist als würde man der Hydra einen Kopf abschlagen und
an anderer Stelle wachsen zwei neue nach. Was wir begreifen müssen ist: Im
Kern geht es nicht um die Gefahr, die von den einzelnen Gruppierungen ausgeht, sondern vielmehr um die Gefahr, die Versuchung und um die Wirkungsmacht der jihadistischen Ideologie als solche.
Das Interview führte Nadja Tanke.
Inhaltliche Ausarbeitung: Stephan Braun
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© zabelin I iStock
„SO
BRAUCH’ ICH GEWALT”
Militärische Interventionen als Ultima Ratio?
Veranstaltungsformat
In der letzten Veranstaltung soll ein Brückenschlag
zum Beginn der Passauer Politiktage erfolgen. In einem Eingangsfilm lassen wir die Veranstaltungen der
Woche Revue passieren um in der anschließenden
Podiumsdiskussion zu klären, inwiefern Gewalt sinnvoll mit Gewalt bekämpft werden kann und was für
valide Alternativen zu militärischen Interventionen
denkbar sind. Durch das Umfragetool ClassEx wird
die Stimmung im Publikum eingefangen und in die
Diskussion integriert.
52
Internationale Sicherheit
Trotz breiter Debatten über Gefahren und Möglichkeiten humanitärer und militärischer Interventionen ist weitgehend ungeklärt, wie auf Konflikte
jenseits der eigenen Grenzen reagiert werden soll.
Zwar haben Interventionen eine Lösung oder zumindest eine Verbesserung der jeweiligen Situation
zum Ziel, doch kann das Eingreifen einer bis dahin
unbeteiligten Partei auch zusätzliche Probleme herbeiführen.
Zwar wurde durch die Gründung der Vereinten Nationen (UN) zum ersten Mal eine völkerrechtlich
bindende Norm zur Möglichkeit eines militärischen
Eingreifens in fremdem Territorium geschaffen.
Gleichzeitig werden die selbstgesteckten, hohen
Ziele jedoch allzu häufig durch Machtinteressen
einzelner Staaten oder Bündnisse zu Fall gebracht.
Schwerfällige, blockadeanfällige Strukturen lähmen
den Prozess und was als Instrument zur Friedenssicherung gedacht war, verfällt zusehends zu einer
weiteren Arena des diplomatischen Wechselspiels.
Kann unter diesen Umständen überhaupt je von eine
Legitimation militärischer Interventionen gesprochen
werden? Oder gibt es gerechte Gründe zu handeln,
auch jenseits eines internationalen Mandates?
Freitag I 19. Juni 2015 I 20.15 Uhr
Audimax I Saal 10 I Innstraße 31
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Referenten
HEIDEMARIE WIECZOREK-ZEUL
Bundesministerin a.D., SPD
ist deutsche Politikerin und seit 1965 Mitglied in der SPD.
Ihre Wahl in den deutschen Bundestag erfolgte 1978
und sie blieb dessen Mitglied bis 2013. Sie war 12 Jahre
lang Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
bekleidete dieses Amt im Kabinett Schröder I & II sowie
Merkel I. Immer wieder bezog sie klar Stellung zu kriegerischen Auseinandersetzungen und bezeichnete in
diesem Zusammenhang den Irak Krieg 2004 als ein „Verbrechen gegen geltendes Recht“. Sie wurde öffentlich für
ihre Einstellung gegenüber den israelischen Angriffen auf
den Libanon kritisiert, die sie als „völkerrechtlich völlig
inakzeptabel“ bezeichnete. Heute engagiert sie sich für
die Etablierung eines transparenten, parlamentarischen
Kontrollorgans zur Frage der Waffenexporte und einen
eigenständigen Staat Palästina.
DR. HEIKO BIEHL
Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften
der Bundeswehr
studierte Politikwissenschaft, neuere Geschichte und Informationstechnologie und promovierte 2004 zum Doktor der Philosophie in Halle an der Saale. Seit 2014 ist er
Leiter des Forschungsbereichs Militärsoziologie am ZMSBw. Seine Forschungsschwerpunkte liegen besonders im
Bereich Militärsoziologie und Europäisierungstendenzen.
54
Referenten
WILLIAM (BILL) E. MOELLER
Amerikanischer Generalkonsul in München
In den Jahren 2002 bis 2006 war Moeller auf politischer
Ebene in den Kampfeinsatz der NATO in Afghanistan involviert. So arbeitete er als politischer Berater des Provincial-Restruction-Teams in Kabul. Darüber hinaus war
er Mitarbeiter der politischen Abteilung der amerikanischen Vertretung in der NATO. Dort leitete er von 2003
bis 2005 das Kommando über die International Security
Assistance Force (ISAF).
DR. PETER GAUWEILER
Staatsminister a.D., CSU
war bis März stellvertretender Vorsitzender der CSU und
Mitglied des Bundestages. 2003 stellte er sich als erstes Mitglied der Union offen gegen den Irak Krieg und
bezeichnete ihn, wie auch den Kosovokrieg 1999 als
völkerrechtswidrig. Die Bundeswehr müsse ihre Verpflichtungen gegenüber den Bündnispartnern einhalten,
aber „die Umwidmung der Bundeswehr in eine Interventionsarmee war ein Tabubruch“, so Gauweiler. Einsätze,
wie in Afghanistan gingen gegen das Grundgesetz, auch,
wenn dort das Völkerrecht verletzt werde. Militärische Intervention bereite den Weg für neue Kriege. „Wer das will,
muss eine neue Verfassung schaffen.“
55
ENTWICKLUNG DER KRIEGSFÜHRUNG
Ein Überblick von den Anfängen bis heute
Der Versuch, die Entwicklung der Kriegsführung nachzuzeichnen, steht vor
einem unendlichen Berg an Informationen. So viele militärische, kulturelle, soziale und regionale Facetten hat der Krieg, dass eine vollständige
Auseinandersetzung mit diesem Thema in Artikelform unmöglich ist. Da
viele Aspekte kriegerischer Gewalt im Rahmen der Passauer Politiktage
2015 an anderer Stelle angemessen beleuchtet werden, will dieser Beitrag
lediglich versuchen, einen Überblick über die Bruchlinien in der Entwicklung des Krieges in Europa zu liefern, nämlich seiner militärischen und
politischen Form. Diese war einerseits durch eine enge Wechselwirkung mit
der Gesellschaft gekennzeichnet und andererseits durch den technischen
Fortschritt bedingt. Gleichzeitig wirkte der Krieg stets auch auf die Gesellschaft zurück. In unserer Wahrnehmung bedeutete Krieg in der Vergangenheit oft den Konflikt zwischen Nationen mit großen Feldschlachten gegen
einen klar umrissenen Gegner. Etwas befremdlich wirken da die Kriege der
Gegenwart, in denen Entstaatlichung und Dezentralisierung der Kriegsführung eine immer größere Rolle spielen. Obwohl unsere heutige Zeit viele
neue Facetten beigesteuert hat, ist dieses Phänomen im Kern jedoch durchaus nicht neu. Denn seit Beginn der Kriegsführung wird ihre Entwicklung
von dem Konflikt zwischen staatlichem Monopol auf Krieg und privater
Kriegsführung begleitet.
Die Entstehung des Krieges
Die Entstehung des Krieges scheint eng mit der Entwicklung von Zivilisation
verknüpft zu sein. Der Konflikt mit Rivalen ist, zusammen mit den Auswirkungen der Neolithischen Revolution, ein Faktor, welcher zur Herausbildung von Herrschaftsverhältnissen geführt hat. Gleichzeitig ging mit der
Entwicklung solch komplexerer Gemeinwesen mit sozialen Hierarchien
56
sowie der Entstehung von Wohlstand ein gesellschaftlicher Umbruch einher, welcher an der Basis des Krieges zu liegen scheint. Eine der ältesten
dokumentierten Kriegshandlungen fand um 3.500 v. Chr. im Mesopotamien
der Kupferzeit, der Wiege der Zivilisation, statt. Die Stadt Hamoukar im heutigen Syrien wird zu dieser Zeit von Kämpfern des Rivalen Uruk mit Tongeschossen bombardiert und zerstört. Das rohstoffarme Uruk hatte es wohl
auf den Reichtum Hamoukars abgesehen. Selbstredend ist Gewalt damals
nicht neu, die organisierte Qualität des Angriffs auf Hamoukar allerdings
sehr wohl. Erstmals kann man hier von Krieg sprechen. Der Unterschied zu
prähistorischen Konflikten ist also eher gesellschaftlich-organisatorischer
als technologischer Art: In den frühen Armeen in Mesopotamien und
Ägypten wurde zunächst mit Speeren, Bögen und anderen Waffen gekämpft, die ursprünglich zur Jagd entwickelt worden waren. Erst später kam mit
dem Schwert die erste Waffe auf, die explizit dazu entwickelt wurde, Menschen zu töten.
Erste strategische Angriffe
Lange waren Staat und Gesellschaft eng miteinander verwoben; ein Staat,
welcher das Gewaltmonopol für sich hätte beanspruchen können, existierte in den frühen Zivilisationen nicht. In den Hochkulturen Ägyptens und
Mesopotamiens war der Herrscher zugleich auch Oberbefehlshaber der
Armee und Feldherr. Im frühen Griechenland jedoch führten oft Warlords,
zu denen man beispielsweise wohl auch Homers Achilles zählen kann,
private Kriege und Raubzüge um Ruhm und Beute. Diese stellten eine
ständige Unsicherheit für das Gemeinwesen dar, weshalb das Bemühen,
den Krieg unter staatliche Kontrolle zu stellen, bereits früh entstand. Dies
hatte etwa in der strikten Reglementierung der Kriege zwischen den griechischen Poleis Erfolg. Auch in Athen, nach dessen Aufstieg zur Großmacht,
waren demokratisch beschlossene Kriege Sache der Gemeinschaft. Mit der
zunehmenden Schwäche der Monarchien kam es jedoch im 2. Jh. v. Chr. zur
erneuten Zunahme der Privatkriege durch Usurpatoren und Plünderer.
Im Römischen Reich konnte das Staatsmonopol auf Krieg weitestgehend
durchgesetzt werden, indem ein stehendes Heer sowie attraktive Beuteregelungen für Offiziere eingeführt wurden. Die römischen Legionen, in
denen Bürger ihren Pflichtdienst ableisteten, waren das erste professionelle
57
Heer der Geschichte. Da der Militärdienst zur Voraussetzung für wichtige
Ämter wurde und militärische Erfolge die persönliche Karriere beträchtlich
befeuern konnten, wurde die Armee der Republik im Laufe der Zeit jedoch
zum Instrument der Ambitionen ihrer Generäle, anstatt im Dienst der Republik zu stehen. So setzten etwa Sulla und Cäsar ihre Truppen zur Ausweitung der eigenen Macht ein. In der Folge spielte die Kontrolle über Roms
Armeen stets eine Schlüsselrolle bei der Besetzung des Kaiserthrons. Diese
Loyalität der Soldaten dem Meistbietenden gegenüber sollte schließlich
auch einen Grundstein für den Verfall des Römischen Reiches werden. Eine
der bedeutendsten strategischen Neuerungen, welche die Armeen Griechenlands und später Roms lange so erfolgreich machten, war der Übergang
vom Einzelkampf der Frühzeit zum disziplinierten Formationskampf, welcher den Spartanern mit der Einführung der Hoplitenphalanx im 7. Jh. v. Chr.
zugeschrieben wird, wahrscheinlich aber schon lange vorher in Mesopotamien praktiziert wurde. Ein Grund für die Allgegenwärtigkeit des Krieges in
der Antike waren übrigens auch bereits Weltanschauungen: Alexander der
Große etwa begründete durch seine Eroberungen die Ideologie des siegreichen Königs, welche auch nach seinem Tod im 4. Jh. v. Chr. bestehen blieb.
Der Krieg diente von nun an als Legitimationsgrundlage griechischer Könige.
Vom Einzelkampf zum disziplinierten Formationskampf
Die Kriegsführung im europäischen Mittelalter zeichnete sich vor allem
durch das Vakuum an Staatsmacht, welches der Zusammenbruch Roms
hinterlassen hatte, und das im Laufe der Zeit entstandende feudale Gesellschaftssystem aus. Statt zentralisierter Staatswesen existierte in Europa
daher eine nahezu unüberschaubare Zahl weltlicher und geistlicher Machthaber, welche untereinander und mit ihren Lehnsherren in Konkurrenz
um Macht standen. Krieg blieb daher ein weit verbreitetes Phänomen. Das
Fehlen von Staatsmacht führte dazu, dass Befestigungen zu einem notwendigen Mittel für lokale Mächtige wurden, um ihren Besitz zu sichern. Die
Burg wurde so zum lokalen Machtzentrum und Belagerungen wurden zu
einem wesentlichen Faktor mittelalterlicher Kriegsführung. Zentrale Figuren
des Kriegswesens waren die Adeligen und Ritter, gut ausgebildete und
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ausgerüstete Soldaten, welche mit ihrem aus Leibeigenen bestehenden
Gefolge für ihren Lehnsherren in die Schlacht zogen. Im Mittelalter führten
somit selten professionelle, einem Staat dienende Armeen Krieg, sondern in
weiten Teilen zwangsrekrutierte, schlecht gerüstete Bauern sowie Söldner.
Erst als die Staatsmacht im Laufe der Zeit erneut stärker wurde, spielten
zunehmend wieder Bürger- und Berufsheere eine Rolle.
Die Entstehung des Nationalstaates
In diesem Zusammenhang sollte sich zwischen dem 15. und dem 18. Jh. in
Europa die Form des Krieges herausbilden, welche heutzutage als dessen
„konventionelle“ Form bezeichnet wird. Diese ist eng an die Entstehung des
modernen Flächenstaates geknüpft. Der Krieg wurde immer mehr als eine
staatliche Unternehmung verstanden, die Verteidigung des Landes verlagerte sich vom Adel zunehmend auf den Bürger. Zentralisiertere Systeme
erlaubten die Rekrutierung größerer Armeen. Die massenhafte Einziehung
von Männern aus dem gesamten Land dürfte mit zur Bildung nationaler
Einheitsgefühle und schließlich zur Entstehung des Nationalstaats beigetragen haben. Die Einführung des Schießpulvers ermöglichte zudem neue,
tödlichere Kämpfe und Strategien. Der Krieg forderte nun deutlich mehr
Opfer und war zerstörerischer als zuvor. Die verheerenden Effekte, welche
auch die Versorgung der riesigen Armeen auf Land und Bevölkerung hatten,
zeigten sich nicht zuletzt im Dreißigjährigen Krieg. Der Westfälische Friede
von 1648, oftmals als Grundstein der modernen Konzepte der staatlichen
Souveränität und der internationalen Beziehungen gedeutet, festigte das
staatliche Monopol auf Krieg. Dieser wurde zu einem Mittel der Diplomatie,
gewissermaßen deren „Fortsetzung mit anderen Mitteln“, wie es der Kriegstheoretiker Carl von Clausewitz später formulierte.
Krieg als Angelegenheit des Staates
Mit der Etablierung von Nationalstaaten – begünstigt durch den Krieg –
wurde dieser im 19. Jh. endgültig eine Angelegenheit des Staates. Dementsprechend wurde mit der Einführung der Wehrpflicht – zuerst im revolutionären Frankreich – auch die Pflicht eines jeden Mannes zur Verteidigung
der nationalen Gemeinschaft verankert. Dies ermöglichte die Aufstellung
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noch größerer Armeen als zuvor, wofür Napoleons „Grande Armée“ besonders beispielhaft ist. Zur gleichen Zeit beschleunigte die Industrielle
Revolution den technischen Fortschritt. Die Erfindung der Dampfkraft und
von Maschinen erhöhte nicht zuletzt in der Rüstungsindustrie die Produktion und eröffnete neue Möglichkeiten. Die Eisenbahn revolutionierte das
Transportwesen und beschleunigte die Bewegung großer Truppenteile samt
Ausrüstung und Waffen, die Erfindung des Verbrennungsmotors sollte die
Mobilität am Ende des Jahrhunderts zusätzlich erhöhen. Das Pferd wurde
als Transport- und Kampfmittel im Krieg somit nach und nach ersetzt.
Außerdem ermöglichte die Industrialisierung die Entwicklung neuer, noch
verheerenderer Waffen, wie des modernen Maschinengewehrs um 1885.
Dieser Prozess führte bis zur Entwicklung von Flugzeugen, Panzern und
chemischen Waffen Anfang des 20. Jahrhunderts.
Die Industrielle Revolution - Zeit der Erfindungen
Der Krieg wurde immer umfassender, er betraf jeden einzelnen, konnte
in der Luft, zu Land und zu Wasser geführt werden. Außerdem wurde er
immer effektiver und unbarmherziger. Dies wurde auch im Konzept des „Totalen Krieges“ zum Ausdruck gebracht, welches von Erich Ludendorff im Ersten Weltkrieg geprägt wurde und sich auf die komplette Mobilisierung des
Staates für den Krieg bezog. Der Begriff umfasste somit auch die Einbeziehung von ziviler Infrastruktur in die Strategien. Hierfür ist auch die Industrialisierung verantwortlich, da Wirtschaft, Industrie und Versorgungswege
nun essentiell für die Kriegsführung waren. Diese wurden daher einerseits
zum Ziel für den Feind, gleichzeitig musste durch Propaganda für deren
Mobilisierung Sorge getragen werden. All diese Entwicklungen kumulierten
zusammen mit der Entstehung von Ideologien wie dem Nationalismus und
zahlreichen weiteren Faktoren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in
den beiden verheerendsten Kriegen der Menschheitsgeschichte, welche
zusammen ungefähr 80 Millionen Menschenleben forderten.
Die Erosion der mit dem Westfälischen Frieden entstandenen Ordnung
gegen Ende des 20. Jahrhunderts bereitete den Weg für die „neue“ Art der
Kriegsführung. Die drohende globale atomare Vernichtung prägte im Kalten
60
© Antony De Klerk
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Krieg den Rest des Jahrhunderts, weshalb die Konfrontation der zwei Blöcke
einer zweigeteilten Welt lediglich in Stellvertreterkriegen ausgetragen wurde.
Zugleich führte der Prozess der Entkolonisierung zur Entstehung zahlreicher
neuer, oftmals instabiler Staaten vor allem in Afrika und Asien. Viele Konflikte der jüngeren Vergangenheit brachen gerade in den Randregionen der
ehemaligen Groß- und Kolonialreiche aus, etwa auf dem Balkan, im Kaukasus, in Afrika, in der arabischen Welt und in Afghanistan. Insbesondere
in diesen Regionen begann das staatliche Monopol auf Krieg zu bröckeln, denn nichtstaatliche Akteure gehörten in den Unabhängigkeits- oder
Bürgerkriegen stets auf mindestens einer Seite zu den Kriegsparteien. Den
regulären Truppen für gewöhnlich unterlegen, greifen diese Gruppen auf
Guerillataktiken und Terror zurück. Offene Schlachten werden möglichst
vermieden, stattdessen wird auf gezielte, schnelle Schläge gesetzt. Territoriale Kontrolle erfolgt eher auf psychischer Basis denn auf militärischer
Präsenz. Dies ermöglichte es Guerillas, auch gegen überlegene Feinde zu
bestehen. Frankreich und die USA scheiterten so in Vietnam gegen vorwiegend kommunistische Guerilla, die Sowjetunion in Afghanistan gegen islamistische Mudschaheddin.
Asymmetrische Kriegsführung
Diese Art der asymmetrischen Kriegsführung kennzeichnet den Krieg im
globalisierten Zeitalter. Es hat eine erneute Dezentralisierung des Krieges
stattgefunden, das Monopol auf Gewalt ist dem Staat wieder entglitten,
nachdem er lange dafür gekämpft hatte. Die Grenzen zwischen politischer
und krimineller Gewalt verwischen. Separatisten, religiöse und ideologische
Fanatiker und andere Rebellengruppen, Paramilitärs, Terroristen, Banden
und Piraten sind mittlerweile überall auf der Welt in die Konflikte verwickelt,
während Kriege zwischen regulären Truppen zur Ausnahme gehören. Die
Transnationalisierung des Militärs und die Privatisierung seiner Aufgaben
sind weitere Faktoren, welche die staatliche Autonomie in diesem Bereich
aushöhlen. Anstelle geopolitischer oder ideologischer Staatsinteressen
werden Konflikte neuerdings zumeist auf Basis einer trennenden Identitätspolitik ausgetragen, ob auf ethnischer oder religiöser Grundlage. Die
weltweite Interdependenz und Vernetzung hat zahlreiche Implikationen für
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die Konflikte in der Welt. Diese ist näher zusammengerückt, nicht nur durch
neue Transportmöglichkeiten, sondern auch durch neue Medien.
Kulturelle, religiöse und ideologische Einflüsse verbreiten sich in alle Ecken
der Erde. Die wirtschaftliche und technologische Vernetzung der Welt bietet
zahlreiche neue Angriffsflächen. Die Globalisierung bietet so nicht zuletzt
dem Terrorismus eine wirksame Bühne. Seine Versorgung ist einfacher,
seiner Reichweite größer und er findet innerhalb von Sekunden weltweite
Aufmerksamkeit. Selbst eine einzelne Person ist heutzutage in der Lage,
eine große Zahl von Menschen zu gefährden. Erneut hat die grundlegende
Veränderung der Kriegsführung nicht nur auf der technologischen, sondern
auch auf der gesellschaftlichen Ebene stattgefunden.
In diesem Überblick zeigt sich, wie der technische Fortschritt und gesellschaftliche Umbrüche die Gestalt des Krieges mehr als nur ein Mal revolutioniert haben. Die sozialen Verhältnisse haben den Grund und das Wesen
des Krieges laufend verändert, während der unaufhaltsame technische
Fortschritt ihn immer größer und effizienter gemacht hat. Doch auch der
Krieg hat die Gesellschaft zu jeder Zeit beeinflusst. Der Krieg als solcher
konnte nur durch die gesellschaftlichen Veränderungen der Jungsteinzeit
überhaupt entstehen. Gleichzeitig ist er selbst stets ein Grund für zahlreiche soziale und politische Neuerungen und Umbrüche gewesen, wie
die Entstehung von Nationalstaaten. Dies hat wiederum die Qualität des
Krieges verändert. Die jeweilige Gestalt von Krieg lässt sich stets nur unter
Berücksichtigung seiner historischen und sozialen Umstände erklären. Ein
zentraler Konflikt in dieser Entwicklung war schon immer die Position von
zentraler Staatsmacht und nichtstaatlichen Akteuren bei der Kriegsführung.
Das, was heutzutage als „neue“ Art der Kriegsführung verstanden wird, ist
in Wirklichkeit eher eine moderne Reinterpretation von Phänomenen, die
es in der Geschichte schon wiederholt gab: Kriegsführung ohne staatliches Monopol existierte schon in der Antike. Ob Cyber-Kriegsführung und
Robotertechnologie, Kriegsführung im aus dem Weltraum und multinationalen Konzernen mit eigenen Armeen zur Durchsetzung ihrer Interessen
oder Etablierung des Weltfriedens: Zukünftiges Ausmaß und Wesen des
Krieges wird zwangsläufig durch die weitere politische und gesellschaftliche Entwicklung der Welt entschieden werden.
I Frederik Meyer
63
FORTDAUERNDE KON
Intensität der Kämpfe gemessen an der un
64
FLIKTE IN DER WELT
gefähren
Opferzahl seit Anfang 2014
I Frederik Meyer
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KRIEG UM WASSER
Das Schulprojekt der Passauer Politiktage 2015
Das Schulprojekt findet in diesem Jahr das zweite Mal statt. Aus dem Pilotprojekt hat sich ein fest etabliertes Ressort entwickelt, das in diesem Jahr sowohl
in Passau als auch im Landkreis die Möglichkeit hat, insgesamt drei Doppelstunden an verschiedenen Schulen gestalten zu können. Bereits Anfang
Februar fanden die ersten beiden Schulprojekte im Gisela Gymnasium und
der Gisela Realschule statt. Nach mehrmonatigen Vorbereitungen des Teams,
die stets in Absprache mit dem Lehrpersonal einhergingen, konnten wir den
Schülerinnen eine Unterrichtseinheit etwas anderer Art präsentieren. Dabei hat sich das Team für den Nilwasserkonflikt entschieden, der bereits seit
mehreren Jahrzehnten besteht, sich in den vergangenen Jahren aber deutlich
verschärft hat. Es geht dabei vor allem um den Streit zwischen Äthiopien,
Ägypten und dem Sudan, wer wie viel Nilwasser für sich beanspruchen darf.
Begonnen wurde mit einem kurzen Input-Text zum Thema Wasserknappheit,
um die Schüler ein wenig auf die - zugegebenermaßen nicht ganz unkomplizierte - Thematik einzustimmen. Anschließend ging es dann mit dem eigentlichen Programm los: Die Schülerinnen wurden in Gruppen eingeteilt, und
repräsentierten jeweils ein Land, das eine tragende Rolle im Nilwasserkonflikt
inne hat. Die Länder Ägypten, Äthiopien und Sudan wurden von Mitgliedern
der Passauer Politiktage betreut und durch das Programm begleitet. Aufgabenstellung war es, anhand ausgeteilter Profilkarten zu den entsprechenden Ländern, die jeweiligen Positionen, Wünsche und Forderungen klar
zu formulieren. Auf diese Weise sollten sich die Schüler vollkommen in “ihr”
Land versetzen, um dieses zu repräsentieren. Es war erstaunlich, wie schnell
sich die Schüler in die jeweilige Problematik ihres Landes hineinarbeiteten
und mit höchster Motivation versuchten, ihr Land zu verstehen und adäquat
zu vertreten. Von allen ausgearbeiteten Positionen und Argumenten sollten
dann mindestens drei ausgewählt werden, die für das Land indiskutabel sind,
denn am Ende der Gruppenarbeit kam es zu einem informellen Treffen aller
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© Florian Voss
Staaten, in dem mögliche Lösungen für den Konflikt erarbeitet werden sollten.
Die Schülerinnen stiegen schnell in die jeweiligen Diskussionsimpulse ein und
konnten so ein weites Spektrum an Problempunkten des Konflikts abdecken.
Es war bemerkenswert, mit welcher Vehemenz einige Schüler die Interessen ihres Landes durchzusetzen versuchten und kurzzeitig sogar dazu bereit
waren, den Konflikt militärisch lösen zu wollen. Doch letztendlich einigte man
sich auf eine Neuausrichtung der Verträge, in denen möglichst viele Interessen
aller Länder untergebracht werden sollten. Wie gegen Ende des Unterrichts
deutlich wurde, betrifft uns der Krieg um Wasser genauso, wie die Menschen
in deutlich wasserärmeren Regionen. Mit einem Exkurs zu virtuellem Wasser
wurde den Schülerinnen verdeutlicht, wie viel Wasser beispielsweise in einem
Stück Fleisch tatsächlich steckt, bis es auf dem Teller landet. Es waren einige
überraschte Gesichter zu sehen! Nicht nur das Team der Passauer Politiktage,
sondern auch die LehrerInnen waren von dem großen Engagement der Klassen beeindruckt. Wir freuen uns auf die noch kommenden Projekte im Landkreis Passau!
I Katharina Schaake
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OFFIZIELLE PARTNER
der
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Passauer Politiktage 2015
in
Kooperation mit
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IMPRESSUM
GoverNET Staatswissenschaften e.V.
Universität Passau
Dr. Hans-Kapfinger-Straße 14
94032 Passau
Projektleitung der Passauer Politiktage 2015
Marcel Böttcher
Florentine Troska
Ressortleiterin für Öffentlichkeitsarbeit und
Marketing I Chefredaktion
Antonia Conradi
Redaktion
Stephan Braun
Franziska Bujara
Maximiliane Eckhardt
Frederik Meyer
Tina Nischwitz
Katharina Schaake
Christian Alexander Schamong
Friederike Sprang
Nadja Tanke
Florian Voss
Design
Antonia Conradi
PROGRAMM
Mi
10.06
Fr
12.06
Mo
15.06
Di
16.06
Mi
17.06
Do
18.06
Do
18.06
Fr
19.06
„WER WIND SÄT”
Die Deutsche Rüstungspolitik auf dem Prüfstand
20.15 Uhr I Audimax I Innstraße 31 I Saal 10
„VERDRÄNGT UND VERGESSEN” Workshop
Der deutsche Widerstand im Dritten Reich - Umgang und
öffentliche Wahrnehmung seit dem 2. Weltkrieg bis heute
„WO BERICHTERSTATTUNG ENDET”
Gesellschaften im Kriegsalltag
20.15 Uhr I Audimax I Innstraße 31 I Saal 10
„GEKOMMEN UM ZU BLEIBEN?” Workshop
Humanitäre Hilfe als Mittel der Kriegsindustrie
„EIN WEG ZUM FRIEDEN” Workshop
Vorstellung und Wirklichkeit
„FÜR SIE VOR ORT” Workshop
Kriegsberichterstattung und ihre gestaltungsmacht
„DER UNSICHTBARE FEIND”
Von Terrorangriffen und Drohnenschlägen
20.15 Uhr I Audimax I Innstraße 31 I Saal 10
„SO BRAUCH’ ICH GEWALT”
Militärische Interventionen als Ultima Ratio?
20.15 Uhr I Audimax I Innstraße 31 I Saal 10