ein wachsender Weinmarkt: Polen

Marketing
Ein wachsender
Weinmarkt: Polen
Weinkonsum nimmt zu Die Eröffnung seines Büros in Polen
Anfang 2015 nimmt das Deutsche Weininstitut (DWI) zum Anlass, einen Überblick über den polnischen Weinmarkt zu geben,
Fotos: DWI
36
Anna Gmurczyk ist die Ansprechpartnerin des
DWI in der Auslandshandelskammer Polen.
D
ie aktuellen Exportzahlen deutscher Weine nach Polen verheißen Positives: Von
2011 auf 2014 stieg der Wert der dorthin exportierten deutschen Weine um 40 Prozent,
die Menge um 18 Prozent. Auch der Durchschnittspreis legte in diesem Zeitraum von
1,77 Euro auf 2,06 Euro pro Liter zu. Im vergangenen Jahr wurden 33 000 Hektoliter deutsche Weine im Wert von sieben Millionen
Euro nach Polen ausgeführt.
Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ist der polnische Weinmarkt zwar noch
relativ klein, bietet jedoch großes Potential.
Denn wo bislang Schaumweine und Wermut
gegenüber Wein bei polnischen Verbrauchern
hoch im Kurs lagen, prognostizieren Experten
einen grundlegenden Wandel. So soll der Absatz von Wein jährlich um sieben Prozent
steigen, während der Anteil von Wermut stagnieren oder zurückgehen wird.
Nach Angaben des polnischen Hauptamtes
für Statistik kommen 75 Prozent aller importierten Weine aus EU-Ländern. Unter den
Importnationen liegt Deutschland hinter Italien, Bulgarien und Spanien auf Rang vier. Die
traditionell starke Rolle Bulgariens geht auf
die Zeit vor dem Beitritt Polens zur Europäischen Union zurück, die Importzahlen sind
seit 2013 jedoch rückläufig.
Zunehmende Wertschätzung für Weine
Die Wertsteigerung deutscher Weine in Polen
ist auf das veränderte Konsumverhalten der
polnischen Verbraucher zurückzuführen: Sie
Tab. 1: Export deutscher Weine nach Polen
Jahr
Wert in Euro
(gerundet)
Menge in hl
(gerundet)
€/hl
2011
5 000 000
28 000
177
2012
6 000 000
30 000
183
2013
7 000 000
35 000
191
2014
7 000 000
33 000
206
der seit dem vergangenen Jahr zu den zehn wichtigsten Exportmärkten für deutsche Weine zählt. Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut berichtet.
haben Wein in den letzten zehn Jahren immer
stärker schätzen gelernt. 2013 erreichte der
Weinabsatz ein Volumen von 107 Millionen
Liter, das sind 73 Prozent mehr als noch vor
zehn Jahren. Insgesamt wurde damit ein Verkaufswert von 2,1 Milliarden Zloty erzielt (umgerechnet 500 Millionen Euro). Was die Unterschiede zwischen Rot- und Weißwein anbetrifft, greifen polnische Verbraucher seit
Jahren konsequent häufiger zu Rotweinen. Sie
dominieren mit 64 Prozent Marktanteil, gefolgt von 26 Prozent Weißwein und Roséwein
mit 10 Prozent. Während die Weinfreunde in
der Vergangenheit eher zu lieblichen oder
halbtrockenen Rotweinen tendierten, wählen
sie mittlerweile immer öfter klassische und
trockene Weine. Unter den Rotweinen deutscher Herkunft spielen Spätburgunder und
Dornfelder die Hauptrollen.
Riesling ist Nummer Eins
Bei den deutschen Weißweinen ist der Riesling immer noch der „König“. Daneben setzen
sich aber auch andere, mittlerweile bekannte
Sorten wie Müller-Thurgau, Grau- und Weißburgunder, Silvaner und Gewürztraminer
immer mehr durch. Die polnischen Weinfreunde greifen zwar schon öfter zu trockenen
und halbtrockenen Weißweinen aus Deutschland, jedoch ist hier immer noch viel Aufklärungs- und Imagearbeit nötig. Kaufargumente für Wein sind mit 57 Prozent in erster Linie
der Geschmack und mit 12 Prozent an zweiter
Stelle das Herkunftsland.
Breiteres Sortiment, höhere Qualität
Polnische Konsumenten suchen in letzter Zeit
zunehmend nach gesunden Produkten mit
hoher Qualität und achten dabei auf ein gutes
Preis-Leistungs-Verhältnis. Ein größeres Angebot günstiger Weine im Handel macht Konsumenten den Wein hier leichter zugänglich.
Wachsender Wohlstand, verbunden mit einem zunehmenden Qualitäts- und Gesundheitsbewusstsein der Verbraucher begünsti-
gen die dynamische Entwicklung des Weinmarkts weiter. Maßvoller Genuss und das
Interesse am Produkt Wein rücken mehr und
mehr in den Vordergrund. Die Erfahrungen,
die polnische Konsumenten auf Auslandsreisen mit Wein machen, tragen dazu ebenso bei,
wie die Faszination für die Mittelmeerküche.
Polnische Weinexperten sind davon überzeugt, dass diese Trends die Weinbranche in
Polen weiter beleben werden.
So basiert das Wachstum des Weinmarkts
in Polen auf dem guten Weinangebot im mittleren und unteren Preissegment. Eine wesentliche Rolle spielen die Discounter, die ihr
Weinsortiment in genau diesen Preissegmenten vergrößert und verbessert haben. Auch
spezialisierte Importeure haben verstärkt gute
und relativ günstige Weine im Angebot. In den
Großstädten entstehen zusätzlich Weinbars,
die auch Weine im gehobenen Preissegment
anbieten. Darüber hinaus erweitern die Restaurants in den größeren Städten zunehmend
ihre Weinkarten – auch um höherpreisige
Weine.
Anbieter und Importeure
Der polnische Weinmarkt ist im Gegensatz zu
anderen Segmenten des Marktes für alkoholische Getränke sehr fragmentiert. Zahlreiche
mittelständische Unternehmen teilen sich
den Markt. Daneben ist es wenigen bedeutenden Händlern gelungen, ein paar bekanntere
Marken zu etablieren, die ihren Kundenkreis
finden. Eine besondere Rolle spielen die Discounter, die vielfach als selbständige Importeure handeln.
Die zahlreichen kleinen Weinimporteure
konzentrieren sich häufig auf einen speziellen
Produktbereich oder eine Region, beispielsweise auf Sekt oder auf ein Herkunftsland. In
Branchenzeitschriften und Branchenportalen
werden über 800 bis 1 000 kleine Importeure
genannt, die eigene Ladengeschäfte oder Restaurants beziehungsweise Weinbars betreiben und darüber hinaus zusätzlich mit Wei-
das deutsche weinmagazin · 11.April 2015 · 07
marketing
M
Rotwein ist bei den polnischen Verbrauchern
beliebter als Weißwein.
nen handeln. Viele davon sind Kleinstunternehmer, die sich manchmal nur kurz auf dem
Markt halten. Es gibt aber auch kleine und
mittelständische Handelsunternehmen, die
sich dynamisch entwickeln. Zumeist besetzen
sie recht erfolgreich eine Nische des Marktes.
Vertriebskanäle im Einzelhandel
Führender Vertriebskanal für Weine sind die
Discounter. Dort kaufen 44 Prozent der Weinkunden ein. Gemäß Schätzungen von Euromonitor International erzielten insbesondere
die Discounter Biedronka und Lidl 2013 im
Einzelhandel mit 46 Prozent knapp die Hälfte
des Verkaufsvolumens. Neben dem regulären
relativ kleinen Weinportfolio bieten beide
Discounter ihren Kunden sorgfältig ausgewählte und zeitlich begrenzte Aktionen. Diese bewegen sich vor allem im niedrigen und
mittleren Preissegment und werden von Marketingmaßnahmen flankiert. Mit diesen Aktionen und den günstigen Preisen sind die
Discounter eine sehr starke Konkurrenz für
die inländischen Weinvertriebe, zeigen sie
doch, dass auch in niedrigeren und mittleren
Preiskategorien durchaus Qualität möglich
ist. Damit spielen die Discounter eine wichtige Rolle für die Entwicklung des Weinmarktes
insgesamt.
Charakteristisch für den polnischen Weinmarkt ist die relativ geringe Bedeutung von
großen SB-Warenhäusern, die nur 15 Prozent
des gesamten Verkaufsvolumens erwirtschafteten. Über den Fachhandel werden laut Euromonitor über fünf Prozent des Anteils am
Weinverkauf erzielt. Jeder fünfte Konsument
hat seinen Wein letztes Jahr dort eingekauft.
Und genau hier sehen Experten weiterhin gute
Chancen für eine dynamische Entwicklung
des Vertriebs. Teilweise bieten diese Fachhändler ihre Weine auch im Internet an. Allerdings sind aufgrund rechtlicher Hürden die
Investitionen in diesem Bereich relativ gering.
Der Online-Shop wird eher für Werbung und
Marketing-Kommunikation genutzt und weniger für den reinen Abverkauf.
Ein kleiner, aber wichtiger und imagebildender Absatzkanal ist die Gastronomie, vor
allem Restaurants und Weinbars. Ihr Anteil
am Verkaufsvolumen von Wein in Polen beträgt vier Prozent.
DWI-Aktivitäten in Polen
Das Informationsbüro des DWI in der AHK in
Warschau unterstützt die Entwicklung der
deutschen Weine auf dem polnischen Markt
durch zahlreiche Aktionen und Marketingmaßnahmen. Mit Anna Gmurczyk steht dem
DWI vor Ort eine erfahrene Kommunikatorin
mit umfangreichen Kenntnissen über den
deutschen Weinmarkt zur Verfügung. Bereits
die Auftaktveranstaltung zur Eröffnung des
polnischen Büros mit Medienvertretern war
gut besucht und fand ein breites Echo.
Weiter geht es im Mai mit dem Weinfestival
in Warschau und einer „Riesling Week“ mit
zahlreichen Aktionen in Gastronomie und
Handel vom 15. bis 28. Juni an mehreren Orten in ganz Polen. Im Rahmen von „Winemakers Dinner“ in Warschau, Breslau und Posen
im September werden den polnischen Importeuren, Sommeliers, Gastronomen und Fach-
Vertriebskanäle im polnischen Weinhandel (Quelle: KPMG, 2013)
das deutsche weinmagazin · 11.April 2015 · 07
journalisten dann in einem exklusiven Rahmen aus erster Hand die hervorragenden
Qualitäten deutscher Weine näher gebracht.
Ebenso auf dem Programm steht die Teilnahme an Weinfestivals und der Fachmesse Enoexpo, die Anfang November in Krakau stattfindet.
Stimmen aus der Praxis
„Der polnische Markt entwickelt sich dynamisch, die Wertsteigerung ist da. Er ist vor allem
mittelfristig interessant. Wir beobachten dort
eine Entwicklung von einem klassischen
osteuropäischen Markt hin zu westlichen
Produkten und höheren Qualitäten. Wir
bedienen sowohl die Gastronomie als auch den
Fachhandel und LEH. Wir beobachten eine gute
Nachfrage nach Riesling Qualitätswein und
Kabinett mit nicht zu hoher Restsüße. Der Anteil
von trocken und halbtrockenen Weinen liegt bei
etwa jeweils 50 Prozent.“
Matthias Dockendorf,
Exportleiter Moselland Winzergenossenschaft
„Polen ist kein ganz einfacher, aber ein sehr
interessanter Markt. Polnische Verbraucher
haben zwar noch Nachholbedarf in Sachen
Wein, aber die Kaufkraft ist vorhanden.
Glücklicherweise ist die junge Generation vom
früheren Image deutscher Weine weniger
beeinflusst. Wir bedienen eine exklusive Klientel
im höheren Preissegment, denn vor allem in
Städten wie Warschau ist die Wirtschaftskraft
der Verbraucher hoch. Man braucht Zeit und
Geduld, das Potenzial aber ist groß. Die
Aktivitäten des DWI in Polen helfen sehr, damit
unsere Weine im modernen polnischen Lifestyle
ankommen.“
Tom Benns,
Exportleiter Weingut Dr. Bürklin-Wolf
„Der Weinkonsum in Polen steigt stetig, zuletzt
um gut 5 Prozent, ebenso wie der Anteil der
importierten Weine. Polnische Weinkonsumenten sind sehr preissensibel und markenaffin. Das Deutschweinsegment im Lebensmittelhandel präsentiert sich hauptsächlich sehr
traditionell mit einem großen Anteil althergebrachter Markenweine, was eine Positionierung
moderner deutscher Weinmarken erschwert.
Unsere Hauptexportmarke auf dem polnischen
Markt ist Kendermanns mit deutschen
Rebsorten-Weinen. Diese Weine werden
vorrangig in der Gastronomie und dem
Fachhandel verkauft. Besonders gut angenommen werden Weine mit einem höheren
Restzuckergehalt im feinherben bis lieblichen
Bereich. Vor allen Dingen für deutsche
Weißweine im feinherben Bereich für die
Gastronomie bietet der polnische Markt gute
Chancen.“
Larissa Jungbluth,
Export Manager Kellerei Reh-Kendermann
37