Kein Leugnen und Vertuschen mehr: Die Kampagne gegen Folter

in Usbekistan
Kein Leugnen
und Vertuschen
mehr
Die Kampagne gegen Folter
in Usbekistan
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Amnesty International
in Usbekistan
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Gezwungen, das eigene
Schicksal mit einer
Unterschrift zu besiegeln
Angehörige der Sicherheitskräfte in Usbekistan setzen Folter
ein, um Männer und Frauen zum Unterzeichnen falscher
Geständnisse zu zwingen. Die dabei angewandte Brutalität
ist unvorstellbar: Elektroschocks, Schläge, Vergewaltigung,
sexuelle Erniedrigung. Das Ziel ist simpel: eine Unterschrift
erzwingen. Die Folgen sind eindeutig: Richter_innen stützen
sich bei der Urteilsfindung auf diese „Geständnisse“.
© Amnesty International,
Sektion der Bundesrepublik Deutschland e. V.
April 2015
Art.Nr. 2115
V.i.S.d.P.: Markus N. Beeko
Redaktion: Barbara Hohl
Layout: Rüdiger Fandler, Berlin
Titelbild: Briefe, die von Folterüberlebenden geschrieben und
aus Gefängnissen in Usbekistan geschmuggelt wurden.
© Association for Human Rights in Central Asia
Übersetzung der englischsprachigen Broschüre:
„Stop the secret and lies. The campaign to stop torture
in Uzbekistan.“ (Index: EUR 62/1333/2015)
Verbindlich ist das englische Original.
www.amnesty.org
„[Die Sicherheitskräfte] ketten Häftlinge
mit Handschellen an Heizkörpern fest. Ich
habe gesehen, wie einigen mit Baseball­
schlägern die Knochen gebrochen wurden.
Nachts hörte ich Schreie, die klangen,
als würde jemand von einem Rudel Wölfe
angegriffen.“ Vahit Güneş, Folterüberlebender
Folter wird in Usbekistan eingesetzt, um
„Geständnisse“ zu erzwingen und Häftlinge
bereits vor der Anklageerhebung und dem
Verfahren einzuschüchtern und zu bestrafen.
Die Gerichte verlassen sich bei der Urteilsfindung in hohem Maße auf derartige „Geständnisse“. Richter_innen ignorieren regelmäßig
Folter- oder Misshandlungsvorwürfe oder tun
diese als unbegründet ab – selbst dann, wenn
glaubwürdige Beweise vorliegen. 2014 befand
ein Gericht zwei Männer der Zugehörigkeit
zu einer in Usbekistan verbotenen islamis-
tischen Partei für schuldig und verurteilte
sie zu je zehn Jahren Haft. Beide Männer
stritten die gegen sie erhobenen Anklagen ab
und erklärten vor Gericht, dass Sicherheitskräfte sie mittels Folter zum Unterschreiben
falscher Geständnisse gezwungen hätten. Die
Sicherheitskräfte hätten ihnen Brand­wunden
zugefügt, indem sie ihre Hände und Füße
gegen einen heißen Ofen gedrückt hätten.
Zudem habe man ihnen Finger- und Zehennägel ausgerissen. Der zuständige Richter hörte
die Vorwürfe der beiden Männer schweigend
an und ließ die erzwungenen Geständnisse
anschließend als Beweismittel zu.
„Ich konnte die Folter nicht mehr ertragen,
deswegen [habe ich das Geständnis unter­
schrieben]. Wenn Sie mir nicht glauben,
schauen Sie sich meinen Arm an.“
Ein Folterüberlebender vor Gericht
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Russland
Kasachstan
Aralsee
Usbekistan
Aserbaidschan
Die Verfassung von Usbekistan enthält ein klares
Folterverbot. In Artikel 26 heißt es:
„Niemand darf Folter, Gewalt und anderer grausamer
oder erniedrigender Behandlung aus­gesetzt werden.“
Die Realität sieht jedoch ganz anders aus.
Usbekistan gehört zu den repressivsten und
autoritärsten Ländern der Welt. Wer in seinem
Lebensstil von den strikten Normen abweicht,
riskiert, ins Visier der Behörden zu geraten.
Alles wird überwacht. Ganze Familien werden
bedroht, wenn ein Familienmitglied Kritik
äußert. Im Mai 2005 töteten Sicherheitskräfte
in der Stadt Andischan Hunderte überwiegend friedlich Demonstrierende.
Die Behörden gehen rigoros gegen Andersdenkende vor. Unabhängige Journalist_innen
und zivilgesellschaftlich engagierte Personen
werden drangsaliert, ihre Kommunikation wird
abgehört. Selbst Menschenrechtsverteidiger_innen, die im Exil aktiv sind, stehen unter
Überwachung. Die Religions­ausübung unterliegt strengen Vor­schriften. Beispielsweise
lässt die Regierung Muslim_innen verfolgen,
die in Moscheen beten, die nicht der staat­
lichen Kontrolle unterliegen.
Die usbekische Regierung streitet dennoch
ab, dass Folter in Usbekistan ein Problem
darstellt. Gleichzeitig stellt die internationale
Gemeinschaft ihre eigenen Interessen über
die Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen in Usbekistan und schaut weg.
Turkmenistan
Kaspisches
Meer
Eine öffentliche Plakatwand in Usbekistan. Darauf heißt es: „Die Verfassung – ein Symbol der Freiheit“.
Die Verfassung enthält auch ein Folterverbot. © Aleksey Volosevich
Taschkent
Kirgisistan
Tadschikistan
CHINA
Afghanistan
IRAN
Nepal
Pakistan
Saudi-Arabien
Oman
Arabisches Meer
Jemen
Somalia
Indischer Ozean
INDIEN
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Wer ist in Gefahr?
Folter ist in Usbekistans Strafjustizsystem
weit verbreitet. Jeder, der von Angehörigen
der Sicherheitskräfte inhaftiert wird, ist in
Gefahr, gefoltert zu werden. Dies betrifft auch
Personen, die wegen gewöhnlicher Straftaten
wie Diebstahl angeklagt sind. Dennoch gibt
es einige Personengruppen, die besonders
häufig Opfer von Folter werden. Dazu gehören
solche, die bei den Behörden in Ungnade
gefallen sind, wie ehemalige Beamt_innen und
Polizist_innen oder Unternehmer_innen.
Auch Männer und Frauen, die wegen „staatsgefährdender“ oder terroristischer Straftaten
angeklagt sind oder verurteilt wurden, sind
besonders häufig von Folter betroffen.
Dabei handelt es sich insbesondere um
Muslim_­innen, die Moscheen besuchen, welche nicht der staatlichen Kontrolle unterliegen
oder unabhängigen Imamen unterstehen,
sowie um tatsächliche oder vermeintliche Mitglieder von Oppositionsparteien oder verbotenen islamischen Bewegungen, islamistischen
Gruppierungen und Parteien. Die Behörden
betrachten diese allesamt als Gefahr für die
nationale und regionale Sicherheit.
Gesetze auf dem Papier allein sind nicht genug
Wie auch die Verfassung des Landes enthält die usbekische Strafprozessordnung Richtlinien zur Bekämpfung
von Folter. Die Strafprozessordnung schreibt vor, dass
Ordnungskräfte und Justizbeamt_innen Beweismittel
vor ihrer Verwendung auf Relevanz, Zulässigkeit und
Glaubwürdigkeit zu überprüfen haben und verbietet es,
auf unrechtmäßige Weise Druck auf Personen auszuüben,
um so Aussagen zu erhalten. Darüber hinaus hat der
Oberste Gerichtshof des Landes in den vergangenen Jahren mehrere Direktiven erlassen, mit denen der Einsatz
von Folter zur Erzwingung von „Geständnissen“ sowie die
Zulassung derartiger „Geständnisse“ als Beweismittel
vor Gericht ausdrücklich verboten wurden. All dies ist
jedoch offensichtlich ohne Wirkung geblieben. Die Strafprozessordnung muss um ein ausdrückliches und lückenloses Verbot von Folter und anderen Misshandlungen zur
Erpressung von Aussagen und um ein Verwendungsverbot derartiger Beweismittel vor Gericht ergänzt werden.
Das absolute Verbot von Folter und anderer grausamer,
unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ist im
Völkerrecht verankert und in zahlreichen internationalen
Menschenrechtsabkommen und -verträgen festgeschrieben, zu deren Vertragsstaaten Usbekistan gehört.
Erkin Musaev, ein ehemaliger Beamter des
usbekischen Verteidigungsministeriums,
arbeitete für das Entwicklungsprogramm der
Vereinten Nationen in Usbekistan, als er im
Januar 2006 festgenommen wurde.
Man klagte ihn wegen Spionage und Veruntreuung von UN-Geldern an – Vorwürfe,
die er vehement abstreitet.
Nach seiner Inhaftierung wurde Erkin Musaev
von Angehörigen des Nationalen Sicherheitsdienstes (SNB) zehn Tage lang verhört.
Während dieser Zeit verweigerte man ihm
den Kontakt zu seiner Familie und einem
Rechtsbeistand und setzte ihn psychisch
unter Druck. Die Vernehmungsbeamt_innen
drohten, ihn wegen Rauschgifthandels oder
Verbindungen zu militanten islamistischen
Gruppierungen strafrechtlich zu verfolgen,
sollte er sich nicht der Spionage schuldig
bekennen.
Eigenen Angaben zufolge wurde Erkin Musaev anschließend einen Monat lang tagsüber
geschlagen und nachts befragt. Außerdem
sollen Angehörige des SNB ihm mit der
Festnahme seiner Familienmitglieder gedroht
haben. Einen Monat lang durfte er seine
Familie nicht sehen, bis seine Blutergüsse
abgeheilt waren.
Erkin Musaev
Erkin Musaev unterzeichnete schließlich ein
„Geständnis“ unter der Voraussetzung, dass
der SNB seiner Familie nichts antun würde.
Man stellte ihn in drei separaten Verfahren vor
Gericht. Jedes Mal wurden dabei „Geständnisse“ als Beweismittel zugelassen, zu deren
Unterzeichnung er von Sicherheitskräften mit
Folter gezwungen worden war. Der zuständige
Richter verweigerte ihm zudem, Entlastungs­
zeug_innen aufzurufen. Erkin Musaev wurde
zu 20 Jahren Haft verurteilt und befindet sich
seitdem im Gefängnis.
„Worte können nicht beschreiben, was wir
fühlten, als wir erfuhren, was passiert war.
Es war eine Mischung aus Trauer, Frustra­
tion, Unverständnis, Schmerz – und der
festen Entschlossenheit, für Gerechtigkeit
kämpfen zu wollen.“
Aidzhan Musaev, Erkin Musaevs Vater
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„Ich bin der Verteidiger. Ich bin der Ankläger.
Ich bin der Richter ... Wir haben hier die Macht.“
Staatsanwalt des Nationalen Sicherheitsdienstes (SNB) zu Vahit Güneş
Muhammad Bekzhanov
Muhammad Bekzhanov ist der ehemalige
Herausgeber der verbotenen Oppositionszeitung „Erk“ (Freiheit). Bereits seit 16 Jahren
befindet er sich wegen angeblicher „staats­
gefährdender“ Straftaten in Haft. Damit ist
er einer der am längsten inhaftierten Journalisten der Welt.
In seinem Verfahren im Jahr 1999 hatte
Muhammad Bekzhanov angegeben, dass die
gegen ihn erhobenen Anklagen konstruiert seien und man ihn durch Folter zur Abgabe eines
„Geständnisses“ gezwungen habe. Er erklärte,
dass man ihn mit Gummiknüppeln geschlagen, ihm die Luft abgeschnürt und Elektroschocks versetzt habe. Das Gericht ignorierte
diese Vorwürfe jedoch, sodass sein Verfahren
in eklatanter Weise gegen die internationalen
Standards für faire Verfahren verstoßen hat.
„Er wurde brutal geschlagen. Sie warfen
ihn auf den Boden, seine rechte Seite war
gelähmt. Sein Arm und sein Bein waren
­gebrochen und einige seiner Zähne aus­
geschlagen. Er sagte meiner Mutter: ‚Ich
liege in einer Blutlache, ohne Wasser, ohne
Nahrung. Ich versuche, mich an all die
guten Dinge in meinem Leben zu erinnern.
An meine Kinder, meine Frau. Und mental
bereite ich mich auf meinen Tod vor.‘“
Aigul Bekzhanova, Tochter von Muhammad Bekzhanov, über einige
der Foltermethoden, denen ihr Vater in Haft ausgesetzt war.
Muhammad Bekzhanov mit seiner Familie © Privat
„Vor allem macht es mich traurig, dass er
seine Kinder so lange nicht gesehen hat.
Sie sind ohne ihn aufgewachsen und es ist
sowohl für ihn als auch für die Kinder sehr
schwer.“ Nina Lonskaia, Frau von Muhammad Bekzhanov
Der ehemalige Parlamentsabgeordnete
Murad Dzhuraev wurde 1995 in einem un­fairen Verfahren wegen mutmaßlicher
„staatsgefährdender“ Straftaten zu zwölf
Jahren Haft verurteilt. Mittlerweile ist er
bereits seit 20 Jahren inhaftiert, sein
Gesundheitszustand ist verheerend.
Vor seinem Verfahren gaben Unterstützer_innen von ihm an, dass er während der
Untersuchungshaft durch Folter zur Abgabe
eines „Geständnisses“ gezwungen worden
sei. Murad Dzhuraev und zahlreiche Menschenrechtsverteidiger_innen bezeichneten
die gegen ihn erhobenen Anklagen als haltlos
und betrachten sie als Vergeltungsmaßnahme
für seine Beteiligung an der Verbreitung der
verbotenen Oppositionszeitung „Erk“.
Die Haftstrafe von Murad Dzhuraev ist bereits
viermal wegen angeblicher Verstöße gegen
die Gefängnisordnung verlängert worden. Ein­
mal soll der Verstoß darin bestanden haben,
dass er vergessen hatte, seine Hausschuhe
auszuziehen.
In den vergangenen 20 Jahren, die Murad
Dzhuraev mittlerweile inhaftiert ist, haben
keine wirksamen Untersuchungen zu den
erhobenen Foltervorwürfen stattgefunden.
Murad Dzhuraev
Während seiner Zeit in Haft hat sich der Gesundheitszustand von Murad Dzhuraev stark
verschlechtert. Er kann kaum noch sprechen,
ist fast blind und hat so gut wie alle Zähne
verloren. Murad Dzhuraev hat lange Zeit in
Einzelhaft verbracht und keinen Zugang zu der
benötigten medizinischen Versorgung erhalten.
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Amnesty International
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Folter in Haft
Die Haftanstalt des SNB in Taschkent gehört
zu den berüchtigtsten Folterstätten des
Landes. Sie wurde 2007 erbaut und ist für
Außenstehende nur schwer zugänglich.
Den meisten Rechtsbeiständen und inter­
nationalen Beobachter_innen wird der Zugang
verwehrt. Viele ehemalige Häftlinge wollen aus
Angst nicht über ihre Zeit in der Haftanstalt
sprechen.
Vahit Güneş liest in seinem Geschäft in Istanbul Artikel aus
türkischen Zeitungen, in denen über seine Haft berichtet wird.
© Amnesty International
„Jeder, der hier landet,
wird schuldig gesprochen.
Sie müssen sich alle schuldig
bekennen.“
Ein Staatsanwalt zu Folteropfer Vahit Güneş über die Haftanstalt
des Nationalen Sicherheitsdienstes (SNB)
Vahit Güneş gehört jedoch zu denen, die ihr
Schweigen gebrochen haben. Der türkische
Geschäftsmann war 2011 zehn Monate lang
in der Haftanstalt des SNB inhaftiert und
wurde während dieser Zeit gefoltert. Laut
Vahit Güneş – der sich nun in der Türkei in Sicherheit befindet – muss man im Gewahrsam
des SNB überall mit Folter rechnen. Männer
und Frauen werden in Verhör-, Toiletten- und
Duschräumen, Strafzellen und in eigens dafür
eingerichteten Räumen mit schalldichten
Gummiwänden gefoltert.
„Die Wände dieser Räume sind isoliert und
schalldicht. Es gibt kein Licht. Sie stecken
die Menschen hinein, und zwei vermummte
Männer machen mit ihnen, was sie wollen
… Auf jedem Stockwerk gibt es einen
solchen Folterraum.“ Vahit Güneş
SNB-Beamt_innen zogen Vahit Güneş in
den Toilettenräumen regelmäßig nackt aus,
zwangen ihn, sich zu bücken, schlugen ihn
und setzten ihn sexueller Erniedrigung aus.
Er sollte mit Folter dazu gezwungen werden,
Straftaten zu gestehen, die er nicht begangen
hat. Letzten Endes erreichten sie ihr Ziel.
„Was bleibt einem anderes übrig, als die
Dokumente zu unterschreiben? Hat man
eine andere Wahl? Man ist dort gefangen.
Man hat keine Rechte. Bei wem soll man
sich beschweren? Was würde es bringen,
zu schreien? Wer soll dich hören?“
Vahit Güneş
Eine von Vahit Güneş angefertigte Skizze seiner Zelle in der SNBHaftanstalt. „Die Tür war isoliert. Sie war schalldicht und sehr dick ...
Sie können von außen hereinschauen, du aber nicht hinaus ...
Sogar bei den Toiletten gibt es Gucklöcher, damit sie dich auch dort
beobachten können ... An der Decke ist eine Lampe. Die wird nie
ausgeschaltet. Sie ist Tag und Nacht an.“ © Amnesty International
Satellitenbild der Haftanstalt in Taschkent, in der Vahit Güneş gefoltert wurde. Das Gefängnis ist für
Außenstehende praktisch nicht zugänglich, Fotoaufnahmen sind verboten. © Mit freundlicher Genehmigung
von Google Earth und Digital Globe, 2015
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Amnesty International
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nationale Sicherheit und
Menschenrechte
Einige der in Usbekistan angewandten
Foltermethoden:
Schläge mit Händen, Fäusten, Schlagstöcken,
Gummiknüppeln, Eisenstangen
Simulierte Erstickung mit über den Kopf
gezogenen Plastiktüten oder Gasmasken
Einführen von Nadeln unter die Fingerund Fußnägel
Elektroschocks
Ausharren bei extremen Temperaturen
Nahrungs- und Wasserentzug
Schlafentzug
Vergewaltigung und andere Formen
sexueller Gewalt
Sexuelle Erniedrigung
Psychischer Druck
Usbekistan ist ein säkularer Staat mit einer
überwiegend sunnitischen Bevölkerung.
Sowohl Muslim_innen und Christ_innen als
auch Angehörige anderer Religionen unterliegen bei ihrer Religionsausübung strengen
Kontrollen durch die usbekische Regierung.
Strikte Gesetze regeln alle Aspekte des religiösen Alltags, einschließlich des privaten Reli­
gionsunterrichts und der religiösen Kleidung.
Die usbekischen Behörden berufen sich oft­mals
auf die nationale Sicherheit und die Bekämpfung von Terrorismus, um repressive Maßnahmen gegen Muslim_innen, die Moscheen
außerhalb der staatlichen Kontrolle besuchen,
und Mitglieder oder mutmaßliche Mitglieder verbotener islamistischer Gruppen und
Parteien zu rechtfertigen. Personen, die wegen
„staatsgefährdender“ oder terroristischer
Straftaten angeklagt wurden, sind besonders
von Folter und anderer Misshandlung durch die
usbekischen Sicherheitskräfte bedroht.
Regierungen haben selbstverständlich die
Pflicht, die Rechte und das Leben ihrer Bürger_innen zu schützen. Allerdings müssen sie
dabei internationale Menschenrechtsnormen
und -standards einhalten. Das Verbot von
Folter und anderen Formen der Misshandlung
gilt absolut und für jede Person.
Aktivist_innen von Amnesty International vor der usbekischen Botschaft in Berlin, Oktober 2014 © Amnesty International
Leugnen und Vertuschen
Die Regierung von Usbekistan weist jegliche
Vorwürfe wegen routinemäßiger und weit ver­
breiteter Folter als unbegründet zurück. Um
dies zu untermauern, gibt sie an, dass Usbe­kistan frei zugänglich für unabhängige Beobachter_innen sei. Dies ist jedoch nicht der Fall.
usbekischen Behörden streiten zudem ab,
schriftliche Besuchsanfragen von Amnesty
International erhalten zu haben. Andere
internationale Organisationen werden davon
abgehalten, wirklich unabhängige Kontrollen
durchzuführen.
Seit 2003 hat die Regierung bereits zahlreiche Besuchsanfragen des UN-Sonderberichterstatters über Folter ignoriert. Die
In Wahrheit ist in Usbekistan keine wirksame
internationale Kontrolle der Menschenrechtslage möglich. Das Land ist verschlossen.
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in Usbekistan
Amnesty International
Keine Gerechtigkeit
für die Opfer
in Usbekistan
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Der Präsident von Usbekistan hat die Möglichkeit, dem Vertuschen und Leugnen ein Ende zu
setzen und Maßnahmen zur Abschaffung von Folter in seinem Land zu ergreifen. Er kann zum
Beispiel einen Erlass unterzeichnen, mit dem der Einsatz von Folter zur Erzwingung von „Ge­
ständ­nissen“ sowie deren Verwendung als Beweismittel vor Gericht unter Strafe gestellt werden.
Amnesty International fordert den
Präsidenten von Usbekistan auf:
1.Ein Präsidialdekret zu erlassen, mit dem die Aufnahme eines absoluten und ausdrücklichen
Verbots von Folter zur Erzwingung von Aussagen oder Geständnissen sowie eines Verbots
der Verwendung solcher Aussagen als Beweismittel vor Gericht in die Strafprozessordnung
angeordnet wird.
2.Sicherzustellen, dass dem UN-Sonderberichterstatter über Folter unverzüglich eine Einladung für einen Besuch in Usbekistan ausgestellt wird.
3.Dafür zu sorgen, dass Erkin Musaev, Murad Dzhuraev und Muhammad Bekzhanov freigelassen werden, da die wiederholten Forderungen nach fairen Wiederaufnahmeverfahren bereits
seit vielen Jahren ignoriert werden.
Anzeigen wegen Folter und anderer Misshandlungen werden in Usbekistan nicht wirksam
untersucht. Nur sehr selten – wenn überhaupt
je – werden die Verantwortlichen für Folter
vor Gericht gestellt. In dem fortbestehenden
­Klima der Straflosigkeit kann Folter auch
weiter ungehindert angewandt werden.
Usbekistan verfügt über keine unabhängigen
Mechanismen zur Untersuchung von Foltervorwürfen. Dies führt dazu, dass die Staatsanwaltschaft derartige Vorwürfe oftmals an
das Innenministerium oder den Nationalen
Sicherheitsdienst weiterleitet – also an die Behörden, denen die mutmaßlichen Täter_innen
unterstellt sind.
„Ich dachte:
Ja, jetzt ist es vorbei.
Mein Leben ist vorbei.“
Vahit Güneş
Aidzhan Musaev © Privat
„Als ich von der Inhaftierung [meines
Sohnes] ­und all der Rechtlosigkeit erfuhr,
die ihm widerfahren war, schrieb ich
sofort an die Behörden. Ich versuchte
ein ganzes Jahr lang, einen Termin beim
Generalstaatsanwalt zu bekommen. Er
wollte jedoch nicht mit mir sprechen. All
die Beschwerden, die ich bei der Präsidial­
verwaltung, dem SNB, der Generalstaats­
anwaltschaft, dem Obersten Gerichtshof
und anderen Behörden eingereicht habe,
wurden eiskalt abgewiesen.“
Aidzhan Musaev, Erkin Musaevs Vater
Und auch deine Unterschrift kann etwas
verändern: Dein Name kann, zusammen mit
den Namen Tausender anderer Aktivistinnen und Aktivisten, den Präsidenten dazu
bringen, Menschen nicht weiter zur Abgabe
falscher Geständnisse zu zwingen. Wie du
dich für ein Ende der Folter in Usbekistan
einsetzen kannst, erfährst du auf:
www.stopfolter.de
www.stop-folter.at
www.stop-folter.ch
Amnesty International setzt sich bereits seit
Langem gegen Folter ein. 1984 haben wir
den Weg geebnet für ein UN-Übereinkommen gegen Folter. Trotzdem gibt es heute
nach wie vor viele Staaten, die sich über
Recht und Gesetz hinwegsetzen – und dies
gegenüber ihrer eigenen Bevölkerung und
der internationalen Gemeinschaft abstreiten.
Mit unserer im Mai 2014 gestarteten
Kampagne „Stop Folter“ stellen wir uns zwischen Folterer und Folteropfer. Wir stehen
Menschen zur Seite, denen Folter droht, und
helfen ihnen beim Einfordern ihrer Rechte. Dabei sind wir jedoch auf deine Hilfe
angewiesen. Stelle auch du dich zwischen
Folterer und Folteropfer.
Weitere Informationen zu Folter in Usbekistan findest du in dem Kurzbericht: „Lügen
und Geheimnisse – Folter in Usbekistan“
(Index: EUR 62/1119/2015,
www.amnesty.de/usbekistan-kurzbericht)
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