Freitag, 27. März 2015 Wissenschaftliche Tagung 09.00-16.45 Uhr, Kultur & Kongresshaus Aarau Panel 3 Demokratische Gesetzgebung im Gleichheitsdilemma 14.30-16.15 Uhr Die Gesetzgebung ist an Rechtsgleichheit und Diskriminierungsverbot (Art. 8 BV) gebunden. Dieses Panel thematisiert die komplexen rechtlichen Anforderungen, denen Stimmberechtigte und Parlamentarier bei der Gesetzgebung unterliegen. Ungleichbehandlungen dürfen sie nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes vorsehen, bestimmte Differenzierungsgründe stehen gar unter dem Verdacht der Diskriminierung. Im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit sind hingegen differenzierte Regelungen geboten. Verfahrensbeschleunigung und Verwaltungseffizienz sprechen demgegenüber für pauschalisierende Regelungen. Hinzu kommt eine Verdichtung der Vorgaben des internationalen Rechts. Die Beiträge hinterfragen kritisch die aus diesen Anforderungen folgende Einengung demokratischer Spielräume. Referate Prof. Daniel Möckli, Assistenzprofessor für Völkerrecht und Staatsrecht, Universität Zürich «Völkerrechtliche Gleichheitsgarantien und Diskriminierungsverbote als Vorgaben für die Gesetzgebung in der Schweiz» Der Vortrag geht der Frage nach, inwiefern die völkerrechtlichen Gleichheitsgarantien und Diskriminierungsverbote der Verfassungs- und Gesetzgebung auf Bundesebene Schranken setzen. Zunächst wird ein Überblick der entsprechenden, die Schweiz bindenden Garantien und Verbote gegeben und erläutert, welche verschiedenen Arten von Verpflichtungen sich aus diesen ergeben. Sodann wird das Augenmerk auf die landesrechtliche Ebene gerichtet, wobei die Erörterung einiger aktueller Problemfelder im Vordergrund stehen soll: Stellen die Diskriminierungsverbote zwingende Bestimmungen des Völkerrechts und somit eine materielle Schranke für den Bundesverfassungsgeber dar? Was sind die Folgen, wenn ein Bundesgesetz ein völkerrechtliches Diskriminierungsverbot verletzt? Wie geht das Bundesgericht mit solchen Bundesgesetzen um? Welche Konsequenzen hat eine Verurteilung der Schweiz durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen Verletzung des Diskriminierungsverbots der EMRK? Welcher Spielraum verbleibt dem demokratischen Verfassungs- bzw. Gesetzgeber? 7. Aarauer Demokratietage 2015 "(Un-)Gleichheiten und Demokratie" ZDA Prof. Daniel Möckli Daniel Moeckli ist seit 2012 Assistenzprofessor für Völkerrecht und Staatsrecht an der Universität Zürich. Zuvor war er Oberassistent am Rechtswissenschaftlichen Institut der Universität Zürich, Lecturer (Dozent) für Völkerrecht und englisches Verfassungsrecht an der University of Nottingham, Berater des UNO-Sonderberichterstatters für Terrorismus und Menschenrechte, Legal Adviser bei der International Bar Association und bei Amnesty International in London sowie Gerichtsschreiber am Obergericht des Kantons Bern. Er studierte Recht an der Universität Bern, erwarb das Fürsprecherpatent des Kantons Bern, absolvierte einen LL.M. an der London School of Economics and Political Science (LSE), promovierte an der University of Nottingham und habilitierte sich an der Universität Zürich. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Grund- und Menschenrechte, die politischen Rechte, das Sicherheitsrecht auf nationaler und internationaler Ebene sowie das Recht der Internationalen Organisationen. Prof. Bernhard Waldmann, Institut für Föderalismus, Universität Freiburg «Die Bedeutung der Rechtsgleichheit (Art. 8 Bundesverfassung) für die Rechtsetzung in den Kantonen» Das in der Rechtsgleichheit zum Ausdruck kommende Gleichheitsprinzip lässt sich ideengeschichtlich mindestens bis zu den Philosophen der Antike zurückverfolgen und bildet heute einen unverzichtbaren Bestandteil des Rechtsstaats. Der kantonale Verfassung- und Gesetzgeber ist sowohl im übertragenen als auch im eigenen Wirkungsbereich an das Grundrecht der Rechtsgleichheit (Art. 8 BV) gebunden. Diese Bindung setzt ihm für die Ausbildung von Tatbeständen und Tatbestandsgruppen nicht nur Schranken, sondern verpflichtet ihn auch zur Verwirklichung der Rechtsgleichheit in der ganzen Rechtsordnung. Die sich aus Art. 8 BV ergebenden Vorgaben werden im Wesentlichen durch das Bundesgericht konkretisiert, wobei dessen Rechtsprechung zu einem bedeutenden Teil auch von der Konkretisierungspraxis zu den menschenrechtlichen Diskriminierungsverboten beeinflusst wird. Während gesetzliche Differenzierungen und Schematisierungen unter dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 8 Abs. 1 BV) verfassungskonform sind, wenn sie sich sachlich begründen lassen, verlangt das Diskriminierungsverbot (Art. 8 Abs. 2 BV) für sensible Differenzierungen besonders triftige Gründe. Im Bereich solcher sensibler Differenzierungen werden die demokratischen Spielräume besonders stark eingeengt. Prof. Bernhard Waldmann Bernhard Waldmann (* 21.11.1968) hat nach der Matura (Typus A) in Freiburg Recht studiert (1988–1993) und anschliessend während seiner Assistenzzeit im Bereich des Moorschutzes dissertiert (1996). Nach Erlangung des Anwaltspatents im Kanton Freiburg (1999) und kurzer praktischer Tätigkeit folgten Forschungsaufenthalte am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg (2000) und an der University of California in Berkeley (2000–2001). Habilitiert hat Bernhard Waldmann zum Diskriminierungsverbot von Art. 8 Abs. 2 BV (2003). Bernhard Waldmann ist seit 2001 assoziierter und seit 2003 ordentlicher Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Freiburg. Seit 2008 ist er als Co-Direktor am Institut für Föderalismus tätig und leitet dort den nationalen Bereich. Er ist verheiratet und hat eine zehnjährige Tochter. 2 7. Aarauer Demokratietage 2015 "(Un-)Gleichheiten und Demokratie" ZDA Tarek Naguib, Zentrum für Sozielrecht ZSR (ZHAW) «Von lauten und unerhörten(!) Stimmen» Der freie Fluss der Meinungen ist das Salz in der Suppe der Demokratie. Die Meinungsäusserungsfreiheit ist nicht nur ein Grund- und Menschenrecht, sondern hat darüber hinaus eine genuin demokratische Funktion. Ein ebenso wichtiges Grund- und Menschenrecht ist das Diskriminierungsverbot. Als Schutzpflicht ausgestaltet wird es oft der Meinungsäusserungsfreiheit gegenübergestellt, etwa da, wo es darum geht, diskriminierende Äusserungen zu unterbinden. Aber: Ist das Verhältnis nicht viel komplexer? Der Beitrag illustriert anhand von Beispielen aus der Praxis, dass der Einsatz gegen Diskriminierung letztlich nicht nur ein Eingriff in die Freiheit der politischen Meinungsbildungsbildung (der qualitativen Mehrheitsgesellschaft) bedeutet, sondern ebenso Bedingung dafür sind, dass marginalisierte Stimmen sich artikulieren und so am demokratischen Prozess partizipieren (werden)? Tarek Naguib Lic. Iur. Von 1998-2003 Studium an den Universitäten Fribourg und St. Gallen. In den Jahren 2009 und 2010 Gastforscher an der Humboldt Universität Berlin. Seit 2012 wissenschaftlicher Mitarbeiter des Zentrums für Sozialrecht an der ZHAW. Arbeitsschwerpunkt im Antidiskriminierungsrecht aus inter- und transdisziplinären Perspektive. Doktoriert an der Universität Fribourg zum Thema: Eine Kritik des geltenden Antidiskriminierungsrechts auf der Grundlage post-moderner Theorien. Weitere Arbeitsfelder sind: Menschenrechtsschutz, Menschenrechtsbildung und Arbeitsrecht. Vorsitz Prof. Andreas Glaser, ZDA Andreas Glaser, geboren 1977, ist seit 2013 Professor für Staats-, Verwaltungs- und Europarecht unter besonderer Berücksichtigung von Demokratiefragen an der Universität Zürich und leitet zugleich das Centre for Research on Direct Democracy (c2d) am Zentrum für Demokratie Aarau (ZDA). Er studierte an der Justus-Liebig-Universität in Giessen Rechtswissenschaft und schloss 2002 mit dem ersten juristischen Staatsexamen ab. Danach war er bis 2005 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität in Giessen tätig und wurde 2005 an der Universität Bayreuth mit einer Arbeit zur direkten Demokratie promoviert. 2007 erlangte er das zweite juristische Staatsexamen. Von 2007–2009 war er Akademischer Rat a. Z. an der Universität Bayreuth. In derselben Position war er ab 2009 am Institut für Deutsches und Europäisches Verwaltungsrecht an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg tätig, wo er sich 2012 mit einer Arbeit zum Europäischen Verwaltungsrecht habilitierte. Im Jahr 2012 vertrat er den Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Verwaltungswissenschaften an der LMU in München. 3
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