Fallstudie: Autotelefon AG Frau Weiß blickt etwas nervös auf ihre U

Fallstudie zu HRM: Motivation und Entgeltdifferenzierung: Autotelefon AG Prof. Dr. Christopher Klug, HS Bremen, Sozialmanagement WS 2014/15 1 Fallstudie: Autotelefon AG Frau Weiß blickt etwas nervös auf ihre Uhr. In wenigen Minuten soll sie ihren Vorschlag für ein neues Entlohnungssystem bei der Autotelefon AG präsentieren. Als gelernte Diplomkauffrau mit dem Schwerpunkt Personal ist sie dort seit einem halben Jahr in der Personalabteilung tätig, und die Ausarbeitung dieses Entlohnungssystems für die bereits beschlossene und seit drei Mo-­‐
naten im Rahmen eines Pilotprojektes getestete Einrichtung produktorientierter Arbeitsgruppen in der Fertigung stellt ihren ersten größeren Projektauftrag dar. Das Projekt gewinnt insofern an Brisanz, als die vorgesehene Arbeitsumgestaltung im Unternehmen noch sehr kontrovers disku-­‐
tiert wird. Dies gilt auch für die damit verbundene Entlohnungsproblematik. Frau Weiß eröffnet ihre Präsentation mit einer kurzen Darstellung der Zielsetzungen, die hinter der Arbeitsumgestaltung und dem damit verbundenen neuen Entlohnungssystem stehen: „Wie Sie alle wissen, wollen wir mit den neuen produktorientierten Arbeitsgruppen nicht nur die Pro-­‐
duktentwicklungszeit verkürzen, sondern auch die Qualität unserer Erzeugnisse erhöhen. Nur so können wir, als Zulieferer der Automobilindustrie, gegenüber den Anbietern aus Japan weiterhin konkurrenzfähig bleiben und in unserer sehr schnellebigen Branche bestehen. Aber die Einrich-­‐
tung teilautonomer Arbeitsgruppen alleine genügt nicht. Die Mitarbeiter müssen zudem durch eine entsprechende Gestaltung der Entlohnung angeregt werden, sich für die Erreichung dieser Ziele auch engagiert einzusetzen. Hierfür schlage ich eine Zweiteilung des Lohns in einen fixen Basislohn – in etwa 80% des bisheri-­‐
gen Lohns – und eine variable Zusatzprämie vor. Während sich der fixe Bestandteil an der unter-­‐
nehmensinternen Einordnung/Positionierung des Arbeitsplatzes orientiert, soll die Höhe des va-­‐
riablen Teils von der Leistung der Arbeitsgruppe sowie der gesamten Unternehmung bestimmt werden. Relevante Kriterien könnten hier beispielsweise Qualität, Kosten oder Zeitbedarf sein. Man könnte allerdings auch Umwelt-­‐ oder Sicherheitsaspekte mitberücksichtigen. Erst durch eine derartige Berücksichtigung der Gruppenleistung in der Entlohnung jedes einzelnen können wir meines Erachtens die Potentiale der Arbeitsgruppen voll ausschöpfen. Da aber für das Unter-­‐
nehmen letztendlich nicht die Leistung einer einzelnen Gruppe zählt, sondern zudem eine gute Kooperation der einzelnen Arbeitsgruppen von großer Bedeutung ist, muß auch die Gesamtun-­‐
ternehmens-­‐/Werksleistung in die Lohnfindung miteinbezogen werden.“ Hier unterbricht sie Herr Hoffmann, Leiter der Forschungs-­‐ und Entwicklungsabteilung, mit fol-­‐
gender Wortmeldung: „Das klingt zwar alles recht schön, aber wie soll man mit einem solchen Entlohnungsystem noch hochqualifizierte Ingenieure gewinnen? Diese arbeiten nun einmal weit-­‐
gehend individuell und im Durchschnitt mehr als andere Gruppenmitglieder. Ihre überdurch-­‐
schnittliche Leistung könnte so nicht mehr gebührend honoriert werden. Zudem müssen sie durch diese neue Form viel zu viel Zeit und Energie für Diskussionen mit anderen Gruppenmit-­‐
gliedern aufwenden und werden dadurch von ihren wichtigen Forschungs-­‐ und Entwicklungstä-­‐
tigkeiten abgehalten.“ Fallstudie zu HRM: Motivation und Entgeltdifferenzierung: Autotelefon AG Prof. Dr. Christopher Klug, HS Bremen, Sozialmanagement WS 2014/15 2 Auch Herr Melkner, als Vertreter der Mitglieder des Pilotprojektes, meldet Bedenken an: „Das Projekt läuft eigentlich ganz gut an. Somit halte ich diese Art sich größtenteils selbst organisie-­‐
render Arbeitsgruppen für eine zukunftsträchtige – ja vielleicht sogar für die zukünftig einzig mögliche – Form der Arbeitsgestaltung! Die Ingenieure müssen sich da eben nur noch dran ge-­‐
wöhnen. Dennoch wurden im Rahmen der Testphase bei den Gruppenmitgliedern – insbesondere im Hinblick auf eine möglicherweise geplante gruppenbezogene Entlohnung – teilweise schon einige Bedenken laut: So scheint teilweise die Befürchtung zu bestehen, daß durch eine gruppen-­‐
bezogene Entlohnung die Möglichkeit verloren geht, durch überdurchschnittliche Leistung eine „saftige Lohnzulage“ zu erzielen; dieses Argument geht ja durchaus in die Richtung des Beitrages von Herrn Hoffmann. Auch befürchtet man, unter Umständen für „Faulpelze“ in der Gruppe mit-­‐
arbeiten zu müssen, ohne dafür entsprechend entlohnt zu werden.“ „Diese Problematik“ – so mischt sich Herr Schwind ins Gespräch – „besteht meines Erachtens nicht nur auf Gruppen-­‐ sondern, in übertragener Form, auch auf Unternehmensebene. Dadurch, daß die Entlohnung an die Gesamtunternehmensleistung geknüpft wird, zahlt sich überdurch-­‐
schnittliches Engagement einer Gruppe für diese auf Dauer nicht aus. Da müssen alle anderen Gruppen beispielsweise für die Trödelei einer einzigen Gruppe büßen, obwohl sie selbst über-­‐
haupt nichts dafür können.“ Hierzu hat auch Herr Melkner noch etwas zu sagen: „Es muß ja nicht gleich Trödelei ins Spiel kommen. Stellen wir uns doch einfach einmal vor, daß der Umsatz oder der Gewinn aus wirt-­‐
schaftlichen Gründen wie zum Beispiel einer allgemeinen Rezession oder Verschlechterung der Auftragslage zurückgeht. Da kann dann doch auch der einzelne Arbeitnehmer kaum etwas dafür. Warum soll er dafür durch weniger Lohn bestraft werden?“ „Aber an den Gewinnen des Unternehmens will jeder partizipieren!“, entgegnet ihm der Vor-­‐
standsvorsitzende. „Bleiben wir doch sachlich, meine Herrn!“ ruft Herr Jotter, Leiter der Personalentwicklungsabtei-­‐
lung, dazwischen. „Ich halte eine Ausrichtung der Entlohnung an der Gesamtunternehmensleis-­‐
tung für durchaus sinnvoll. Denn so wird jede einzelne Gruppe – schon im eigenen Interesse – andere Gruppen unterstützen und auf gute Zusammenarbeit achten. Dies wird quasi automa-­‐
tisch zu einem guten Ergebnis auf Gesamtunternehmensebene führen. So kann man Kooperati-­‐
ons-­‐ und Auskunftsbereitschaft auch zwischen den Gruppen erzielen.“ Fragen zur Fallstudie: 1. Beleuchten Sie den geschilderten Sachverhalt unter den Aspekten der Entlohnungsge-­‐
rechtigkeit und der Motivation. Wer verfolgt welche Idee der Entlohnungsgerechtigkeit? 2. Diskutieren Sie die Fallstudie: Welches Entlohnungssystem würden Sie vorschlagen? Wa-­‐
rum?