apoBank Finanzmarktkommentar Analyst: Peter Wirth Finanzanalyst CEFA, CCrA; 19. Mai 2015 Einigung mit Griechenland lässt auf sich warten Internationaler Währungsfonds hält einen Schuldenschnitt für nötig EZB erhöht den Druck auf Griechenland, weitet aber auch die Kreditlinien aus Alle Beteiligten möchten Griechenland im Euro halten, von dem Deutschland stark profitiert Das Endspiel im griechischen Schuldenpoker hat begonnen. Die beteiligten Parteien konnten sich noch nicht auf einen gemeinsamen Weg einigen. Gleichzeitig muss die Regierung in Athen unkonventionelle Wege gehen, um anstehende Zahlungen leisten zu können. Trotzdem erscheint eine Einigung im Sommer und der Verbleib Athens im Euroraum wahrscheinlich, da keine Partei ein Ausscheiden möchte. Während die Syriza-Regierung weiter von ihren Wahlversprechen abrückt, sind sich die Gläubiger über ein weiteres Vorgehen uneinig. Die EU-Kommission fordert von den Griechen Ausgabenkürzungen für einen Schuldenabbau, der IWF hält hingegen aufgrund des sehr hohen Schuldenstandes einen Schuldenschnitt für nötig. Es droht die Insolvenz Nach der vorläufigen Einigung zwischen der EU und der neuen Regierung am 20. Februar 2015 konnte noch keine endgültige Einigung gefunden werden und das Geld für fällige Zahlungen wird knapp. Es wird für die griechische Regierung immer schwieriger, fällige Zahlungen zu leisten. Die jüngste Zahlung von 750 Mio. Euro an den IWF war nur möglich, da Griechenland 650 Mio. Euro von einem eigenen Notfallkonto beim IWF nutzen durfte. Im Laufe des Juni sind vier weitere Zahlungen an den IWF fällig: dreimal 300 Mio. Euro und am 16. Juni 600 Mio. Euro. Gegenüber der EZB sind am 20. Juni sogar 3.500 Mio. Euro fällig. Im Land selbst sind in der letzten Maiwoche etwa 1,9 Mrd. Euro an Gehältern und Renten zu zahlen. Umschuldung ist notwendig Bereits im Januar hatten wir anlässlich der Neuwahl unsere Erwartung beschrieben, dass Griechenland im Euro verbleiben dürfte (siehe Finanzmarktkommentar vom 20.01.2015). Um die Schuldenstand blieb auch nach dem Schuldenschnitt hoch Schuldenquote stabil halten zu können, müsste Griechenland in in Mrd. €, nominal. den nächsten Jahrzehnten ein durchschnittliches nominales 200% 400 Wachstum von 4 % aufweisen. Selbst unter optimistischen An180% 350 nahmen erscheint ein derartiges Ziel kaum möglich. Vielmehr ist 160% 300 das Land in den vergangenen zwei Quartalen zurück in die Re140% 250 zession gefallen. Der erneute Anstieg der Schuldenquote ab 2012 ist nicht auf gestiegene Ausgaben, sondern vor allem auf das schrumpfende Bruttoinlandsprodukt (BIP) zurückzuführen. 120% 200 150 2006 100% 2008 2010 2012 2014 Annualisiertes BIP Staatsverschuldung Schuldenquote in % rechte Skala Quelle: Datastream Die Wahrscheinlichkeit, dass in Griechenland nochmals eine Schuldenrestrukturierung nötig wird, ist hoch. Von den 326 Mrd. Euro Schulden (siehe Grafik) halten öffentliche Gläubiger rund 80 %. Auf Deutschland entfallen mehr als 60 Mrd. Euro an Hilfskreditgarantien und indirekten Ausfallrisiken, die etwa über die Verrechnung zwischen den Zentralbanken (Target-Salden) zustande kommen. Diese Forderungen sind jedoch mit oder ohne Grexit zum größten Teil uneinbringbar und müssten daher abgeschrieben werden. Stand der Verhandlungen Bei Privatisierungen haben sich beide Seiten angenähert. Syriza ist, entgegen den Wahlversprechen, zu weiteren Maßnahmen bereit. Dies dürfte zu innergriechischen Konflikten mit den Gewerkschaften führen. Verhandelt wird über einen einheitlichen Mehrwertsteuersatz von 16 % oder 18 %. Dies wird viele Waren und Dienstleistungen, die bisher ermäßigt besteuert Die hier getroffenen Aussagen beruhen auf Informationen aus öffentlich zugänglichen Quellen, die wir für zuverlässig halten, aber nicht überprüft haben. Die Haftung für Richtigkeit und Vollständigkeit der gemachten Angaben ist auf grobes Verschulden begrenzt. Nachdruck nur mit Genehmigung. 1/2 apoBank Finanzmarktkommentar Analyst: Peter Wirth Finanzanalyst CEFA, CCrA; 19. Mai 2015 wurden, deutlich verteuern. Die Regierung plant Reichensteuern für Vermögensmilliardäre, Sonderabgaben für Jahreseinkommen über 50.000 Euro, Luxussteuern für Yachten, teure Autos, Pools etc. und eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes. Schwierig ist die Verhandlung bei den Forderungen nach Arbeitsmarktreformen. Entgegen gekommen ist die SyrizaRegierung beim Mindestlohn, der nicht erhöht wird. Schwer fallen ihr hingegen die Beschränkung der Gewerkschaften und die Einführung von Regelungen für Massenentlassungen. Zweiter schwieriger Punkt ist das Rentensystem. Die Regierung ist von der Forderung abgerückt, bei niedrigen Renten wieder eine 13. Rente zu zahlen. Forderungen, die Renten weiter zu kürzen, stellt sich die Regierung entgegen. Ein Kompromiss könnte die Kürzung der höchsten Renten sein. Keiner der Beteiligten wünscht ein Ausscheiden aus dem Euro Weder die griechische Regierung noch die Regierungen der anderen Euroländer wünschen ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro. Die Währung (z. B. Neu-Drachme, Griechen-Euro oder Geuro) dürfte sofort deutlich abwerten. Kurzfristig verteuern sich dadurch Importe massiv und für die Normalbürger dürfte es - nicht nur bei medizinischen Gütern und Benzin - zu Versorgungsengpässen kommen. Langfristig ist sowohl eine positive Entwicklung aufgrund besserer Wettbewerbsfähigkeit, als auch ein weiteres Abrutschen möglich. Neben äußerer Hilfe sind vor allem stabile Verhältnisse im Innern wichtig. Aus Sicht der anderen Eurostaaten ist ein Ausscheiden nicht mehr so risikoreich wie 2010, relativ kurz nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers. Auch wenn man die kurzfristigen Ansteckungseffekte inzwischen besser eindämmen kann, wäre ein Präzedenzfall für den Austritt eines Euro-Mitglieds eine langfristige Belastung. Und zweitens wäre eine Destabilisierung Griechenlands auch mit geopolitischen Risiken verbunden. Alle werden deshalb viel daran setzen, dass der Euroraum ohne Abgänge erhalten bleibt. Vor diesem Hintergrund betont auch die Bundesregierung immer wieder das Ziel, Griechenland im Euro zu halten. Deutschland ist durch seine intensiven Außenhandelsverflechtungen und die trotz des jüngsten Zinsanstiegs sehr geringen Bundrenditen einer der größten Profiteure des Euro. Szenarien: Einigung, kurzer Ausfall oder Grexit Wahrscheinliches Szenario ist für uns eine Einigung in den nächsten Wochen. Allerdings muss die Regierung die vereinbarten Maßnahmen bis dahin auch umgesetzt haben. Daher drängt die Zeit. Vermutlich werden die Gelder aber auch nur Zug um Zug mit Reformen ausgezahlt. Auch dürfte es der EZB schwer fallen, griechische Staatsanleihen zu kaufen. Daher wird Griechenland auch in diesem Szenario noch lange in den Schlagzeilen bleiben. Möglich sind auch eine vorübergehende Zahlungsunfähigkeit und die Ausgabe einer Parallelwährung zur Zahlung der Staatsangestellten und Rentner. Unter dem Druck einer schlecht versorgten Bevölkerung sind ein schnelles Einlenken der Regierung und eine Einigung mit Brüssel wahrscheinlich. Europäische Politiker betonen, dass eine Zahlungsunfähigkeit nicht gleichbedeutend mit einem Ausscheiden aus dem Euro ist. Es besteht allerdings die Tendenz, dass sich der Euroraum in Richtung einer Transferunion bewegt. Erfolgt keine Einigung in letzter Minute, dürfte Griechenland den Euroraum verlassen. Knackpunkt sind die Banken, die insolvent werden können, wenn ihre Forderungen an den Staat wertlos werden. Wenn die EZB die Banken nicht mehr mit neuen Euro versorgt, scheidet das Land faktisch aus der Währungsunion aus. Wir halten dies Szenario nicht für wahrscheinlich, es kann aber auch nicht ausgeschlossen werden. Langfristig ergeben sich für Griechenland Chancen, seine Wettbewerbsfähigkeit wieder herzustellen. Zuvor wird die Situation aber sehr kritisch. Die Schulden, welche ja auf Euro lauten, können gerade auch in diesem Fall nicht zurückgezahlt werden. Der Euro wäre mit dem Ausscheiden Athens auch für andere Länder nicht mehr unumkehrbar. Dies birgt Gefahren für schwächere Eurostaaten, bei denen sich zumindest die Finanzierung verteuern dürfte. Es wäre zukünftig ein reales Szenario, auf den Euroaustritt eines anderen Landes zu spekulieren und diesen schnell zur selbst erfüllenden Prophezeiung zu machen. EZB signalisiert Athen: Zügige Einigung ist nötig In den vergangenen Monaten haben immer mehr Griechen aus Angst vor einem Grexit ihre Guthaben abgehoben. Die Banken werden durch regelmäßig aufgestockte EZB-Notkredite (ELA) liquide gehalten. Als Sicherheit dienen wiederum griechische Staatsanleihen. Inzwischen gibt es im EZB-Rat eine Diskussion über eine Erhöhung der Bewertungsabschläge auf diese Anleihen. Die EZB gerät in eine politische Rolle, da von den verantwortlichen Politikern keine Einigung erreicht wird. Die hier getroffenen Aussagen beruhen auf Informationen aus öffentlich zugänglichen Quellen, die wir für zuverlässig halten, aber nicht überprüft haben. Die Haftung für Richtigkeit und Vollständigkeit der gemachten Angaben ist auf grobes Verschulden begrenzt. Nachdruck nur mit Genehmigung. 2/2
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