Persönliche Erklärung

Ingo Gädechens
Mitglied des Deutschen Bundestages
Persönliche Erklärung
Berlin, den 26.02.2015
Persönliche Erklärung nach § 31 GO-BT zum Zusatzpunkt: Antrag des Bundesministeriums der „Finanzen
zugunsten Griechenlands; Verlängerung der Stabilitätshilfe“ am 27. Februar 2015
Vorbemerkung: Die Staatsschuldenkrise in Europa war und ist die schwerste Bewährungsprobe in der
Geschichte der europäischen Einigung. Ihre Überwindung ist eine große Herausforderung. Viele Schritte
wurden eingeleitet, um der hohen Verschuldung einzelner Staaten und den strukturellen Fehlern in der
Konstruktion der Währungsunion Herr zu werden. Die Politik der Bundesregierung unter Führung von
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel war und ist richtig. Auf dem zähen und langwierigen Weg sind in den
vergangenen Jahren bereits einige Fortschritte erzielt worden: Die unkontrollierbaren
Ansteckungsgefahren in der Euro-Staatschuldenkrise sind deutlich zurückgegangen und viele betroffene
Staaten, wie beispielsweise Portugal, haben eine harte Reformpolitik eingeschlagen und befinden sich auf
einem guten Kurs. Griechenland sollte diesem ermutigenden Beispiel weiterhin folgen und durch eine
konsequente Reformpolitik und einen ehrlichen Umgang mit seinen europäischen Partnern seine
Probleme lösen. Europäische Hilfe kann es nur geben, wenn Griechenland auch zu einer ehrlichen
Reformpolitik bereit ist. Im Folgenden möchte ich daher meine persönliche Erklärung nach § 31 der
Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages abgeben:
Zur Abstimmung: Im Rahmen der heutigen namentlichen Abstimmung werde ich dem Antrag des
Bundesministeriums der Finanzen, BT-Drucksache 18/4079 zustimmen. Mit allem Nachdruck weise ich
darauf hin, dass mit meiner Zustimmung kein irgendwie gearteter Verzicht auf die vertraglichen
Verpflichtungen Griechenlands verbunden ist. Die griechische Regierung darf die Zustimmung
insbesondere nicht als Selbstläufer für eine unkonditionierte griechische Schuldenpolitik verstehen.
Die Zustimmung des Deutschen Bundestages zu dem Antrag des Bundesfinanzministers bezieht sich
lediglich auf eine technische Verlängerung des im März 2012 beschlossenen Finanzhilfeprogramms um
bis zu vier Monate. Ohne einen entsprechenden Beschluss des Deutschen Bundestages wäre das
Programm mit Ablauf des 28. Februar 2015 beendet, mit der Folge, dass die noch offenstehende Tranche
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des EFSF-Programms, 1,8 Mrd. €, und die Überweisung der SMP-Gewinne (Anleihekaufprogramm der
EZB) aus dem Jahr 2014, 1,9 Mrd. €, automatisch verfallen wären.
Entgegen den Ausführungen verschiedenster Medienvertreter handelt es sich nicht um ein neues
Programm. Durch den Beschluss wird auch kein „frisches Geld“ zur Verfügung gestellt. Dies ist derzeit
auch überhaupt nicht erforderlich, weil der staatliche Haushalt Griechenlands bis Juli 2015
durchfinanziert ist – vorausgesetzt, dass sich die infolge des Regierungswechsels in Griechenland
eingetretenen Steuerausfälle in überschaubaren Grenzen halten. Eine Auszahlung der im laufenden
Programm noch vorgesehenen restlichen Mittel erfolgt nicht ohne weiteres. Vielmehr müssen die EUKommission, die EZB und der IWF (ehemals Troika, auf Wunsch der griechischen Regierung umbenannt
in: „Die Institutionen“) zustimmen. Eine Auszahlung kann im Übrigen nur nach einer Beteiligung des
Deutschen Bundestages (zumindest des Haushaltsausschusses) erfolgen.
Damit ist zunächst festzustellen, dass der Beschluss des Deutschen Bundestages keine spektakulären
neuen Maßnahmen umfasst, sondern lediglich eine Verlängerung der Bereitstellungsfrist bedeutet. Die
Zustimmung des Deutschen Bundestages ist bei der aktuellen Entwicklung keine Selbstverständlichkeit.
Der Chef der neuen griechischen Regierung (bestehend aus der linksextremen Partei Syriza und der
rechtsextremen Partei Anel), Alexis Tsipras, hat bereits vor der griechischen Parlamentswahl erklärt, dass
er den in den vergangenen Jahren eingeschlagenen Reformkurs verlassen werde. Die Troika werde aus
dem Land gefegt, Privatisierungen würden gestoppt. Für den öffentlichen Dienst wurden umfangreiche
Wiedereinstellungen angekündigt, ebenso Rentenerhöhungen und die Anhebung des Mindestlohns. Die
griechische Regierung forderte eine Schuldenkonferenz mit dem Ziel eines erheblichen
Schuldennachlasses. An die Hauptfinanzhilfevereinbarung und die im Memorandum of Understanding
(MoU) aufgenommenen Verpflichtungen zur konkreten Durchführung des Anpassungsprogramms fühle
man sich nicht gebunden. Man werde gegebenenfalls klagen.
Nach den ersten Umfragen, die in Griechenland eine Syriza-geführte Regierung prognostizierten,
verschlechterten sich die finanz- und wirtschaftspolitischen Parameter des Landes erheblich. Die
Zinssätze für Staatsanleihen haben mittlerweile Phantasiewerte erreicht und übertreffen die Zinssätze
der über die EFSF bereit gestellten Mittel um mehr als das Zehnfache. Es setzte eine massive
Guthabenflucht von griechischen Konten in der Größenordnung von über 30 Mrd. € ein. Bereits in den
ersten Tagen hat die griechische Regierung in rekordverdächtiger Zeit das Vertrauen in die Verlässlichkeit
griechischer Politik erschüttert. Auch die nicht koordinierte unprofessionelle Vorgehensweise – sieht man
einmal von der unvertretbaren Beleidigung Deutschlands und deutscher Spitzenpolitiker ab – dürfte zu
einer erheblichen Belastung des politischen Klimas beigetragen haben.
Die unternehmerische Bereitschaft, in Griechenland zu investieren hat durch die Syriza-Anel-Regierung
sehr gelitten. Die beachtlichen Anpassungsbemühungen, die die früheren griechischen Regierungen und
das griechische Volk bislang unternahmen, wurden quasi über Nacht um Monate, wenn nicht Jahre,
zurück geworfen. Zwar war auch bislang bei den Anpassungsprogrammen und der Griechenlandhilfe der
Erfolg nicht sichergestellt. Griechenland befand sich aber insgesamt auf einem guten Weg. Nach sechs
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Jahren der Rezession konnte erstmals im Jahr 2014 ein Wirtschaftswachstum von 1,0 Prozent erzielt
werden. Für die Jahre 2015 und 2016 wurde ein Wachstum von 2,5 Prozent und 3,6 Prozent
prognostiziert, das jetzt in weite Ferne gerückt ist.
Ohne die gemeinsame Erklärung der Eurogruppe vom 20. Februar 2015 mit dem Bekenntnis der
griechischen Regierung zu dem laufenden Reformprozess wäre die Geschäftsgrundlage für eine weitere
Finanzhilfe entfallen. Die griechische Regierung bekräftigte hier, dass sie ihre finanziellen Verpflichtungen
gegenüber den Gläubigern einhalte und angemessene Primärüberschüsse zur Herstellung der
Schuldentragfähigkeit bereitstellen werde. Da die griechische Regierung die in den bisherigen Verträgen
gegebene Flexibilität nutzen und auch die „soziale Fairness“ verbessern will, hängt die
Zustimmungsfähigkeit ganz maßgeblich davon ab, ob die griechische Reformagenda das klare Bekenntnis
zur Fortsetzung des bisherigen Reformprogramms auch trägt.
Die Direktorin des IWF, Christine Lagarde, hat zutreffend festgestellt, dass die jetzt von der griechischen
Regierung vorgelegte Reformliste ausreichend sei, um das Programm zu verlängern. Das klare Bekenntnis
zu dem Reformprogramm fehle aber.
Griechenland muss in den nächsten Wochen eine realistische und tragfähige Reformagenda vorlegen. Die
Auszahlungen der restlichen Beträge aus dem laufenden Programm oder Verhandlungen über eine
mögliche Folgevereinbarung kommen nur dann in Betracht, wenn es sich bei den Erklärungen der
griechischen Regierung nicht nur um Lippenbekenntnisse handelt, sondern Griechenland den
eingeschlagenen Anpassungsprozess fortführt. Luftbuchungen können nicht akzeptiert werden. Auch ist
es nicht vertretbar, wenn die griechische Regierung neue Ausgaben (z.B. Lebensmittelmarken) mit erst
langfristig zu erwartenden Einnahmen (Korruptionsbekämpfung, verbesserte Steuererhebung, nebst
verbessertem Steuereinzug, Optimierung der öffentlichen Verwaltung) „gegenrechnen“ will.
Wenn die griechische Regierung seriös und ernsthaft den bisherigen Reformprozess fortsetzt, kann
Griechenland auch weiterhin auf die solidarische Unterstützung Europas zählen. Sollte die griechische
Regierung durch die Vorlage der konkretisierten Reformagenda, ihr weiteres Verhalten oder gegenläufige
Erklärungen aber deutlich machen, dass kein ernsthaftes Interesse an der Fortführung des
Anpassungsprozesses besteht, wäre im europäischen Gemeinschaftsinteresse die Finanzhilfe unverzüglich
zu beenden.
Derzeit steht nur Griechenland im Fokus des öffentlichen Interesses. Bei einer unkonditionierten
Finanzhilfe stünde aber für Europa als Ganzes viel auf dem Spiel. Erstmals würde eine echte „Bail-OutUnion“ eingeführt werden, also eine echte verlorene staatliche Finanzierung eines EU-Mitglieds durch
andere EU-Mitglieder. Dies ist nach Art. 125 AEUV verboten.
Die Europäische Union im Allgemeinen und die europäische Währungsunion im Besonderen werden sich
dauerhaft nur dann erfolgreich behaupten können, wenn feste Regeln gelten, die die Stabilität
sicherstellen. Sollten Griechenland Sonderrechte eingeräumt werden, würden Forderungen weiterer
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Eurogruppenmitglieder nach Sonderregelungen folgen. Wenn die bestehenden Regelungen für
Griechenland nicht mehr gelten, werden EU-Mitgliedstaaten auch bei der Frage der Einhaltung der
Maastricht-Kriterien und den länderspezifischen Empfehlungen Sonderrechte einfordern: Ein Fass ohne
Boden.
Eine derartige Entwicklung, die mit dem Interesse der europäischen und deutschen Steuerzahler nicht zu
vereinbaren wäre, muss unbedingt verhindert werden. Deshalb weise ich eine nicht ausreichend
konditionierte Finanzhilfe – sollte diese zukünftig ein Thema werden – mit aller Entschiedenheit zurück.
Meine Zustimmung zu künftigen Griechenland-Hilfen ist abhängig vom weiteren Reformwillen der
griechischen Regierung.
Gezeichnet
Ingo Gädechens, MdB