V o r t r a g & D i sk u ss i o n Sozialistische HochschulZeitung 4/15 #86 . Sozi a li st i sche Gruppe (SG) . Hochschu lgruppe Er l angen/Nür nberg w w w . s o z i a l i s t i s c h e g r u p p e . d e . sg @ s o z i a l i s t i s c h e g r u p p e . d e Der Krisenfall Griechenland: vom Euro ruiniert, um Euro-Kredit kämpfend, am Euro-Regime scheiternd Ein Lehrstück über Kredit und Macht in Europa Seit dem Wahlsieg der linken Syriza eskaliert der Streit um die „Rettung Griechenlands“. Der dreht sich, so heißt es, vor allem um die Frage, wie die „wirtschaftliche Konsolidierung“ dieses südeuropäischen Landes am besten zu erreichen sei: Eher durch „Haushaltskonsolidierung“, also gnadenloses Zusammenstreichen von allen als überflüssig definierten Staatsausgaben insbesondere für den Unterhalt des Volkes? Oder doch eher durch „kreditfinanzierte Wachstumsanreize“, also eine Politik, die für den Dienst des Volkes am Wachs- tum sorgen soll? Eigentliches Sorgeobjekt der Politik, so heißt es weiter, seien die „kleinen Leute“: Wo die griechische Regierung darauf verweist, dass griechische Angestellte, Rentner, Arbeitslose, Kranke... schon jetzt Opfer bis weit über jede Schmerzgrenze hinaus erbracht hätten, da zitiert z.B. Schäuble den hart arbeitenden deutschen Steuerzahler, der bereits vor Jahren die scharfen Einschnitte als notwendig eingesehen habe, die man darum jetzt auch von den Griechen erwarten dürfe. Ob nun Objekt ernster Sorge oder bloßer Berufungstitel: Gestritten wird jedenfalls zwischen den Regierungen nicht um die Ansprüche → Anschläge in Paris Ein Hochamt des abendländischen Nationalismus – alle sind Charlie von Terroristen in einem Aufwasch die Beleidigungen des Propheten rächen, Angriffe auf ihre Glaubensbrüder von IS und Al Kaida vergelten und gleich noch ein paar von ihren jüdischen Erzfeinden umbringen sollte. Der terroristische Feind trifft – auf eine kämpferische Einheit von Volk und Führung Was wie ein grausam schlechter Witz klingt, bekommt durch die öffentlichen Reaktionen auf das Ereignis eine ganz andere Bedeutung: Präsidenten und Regierungschefs, regierende und kommentierende Franzosen, Europäer, Amis und die UN erklären unisono auf allen Kanälen, der Anschlag habe „uns allen“ gegolten, unserer Freiheit und Zivilisation. Teile der Bevölkerung haben das offenbar genau so verstanden und eilen zu spontanen Solidaritätsbekundungen auf öffentliche Plätze. Erregte Journalisten und politische Analysten bekräftigen es immer aufs Neue: Der Terror richtet sich „gegen den Westen, die Demokratie und die Pressefreiheit“ (Ein Sprecher der Stiftung Wissenschaft und Politik im ZDF, 18.1.15), was widerspruchslos geteilt wird und die europaweite Inszenierung kollektiver Betroffenheit mittels eindrucksvoller Großdemonstrationen gegen Gewalt und für die Pressefreiheit zu einem gewaltigen Erfolg macht. Der liegt für die Veranstalter nicht zuletzt darin, dass die Massen der Teilnehmer mit ihnen darin übereinstimmen, spontan oder unter Anleitung, dass ein Ereignis wie das Pariser → Stellvertreterkrieg in der Ukraine Donnerstag, 23. April 2015, 20 Uhr Haus Eckstein, Burgstraße 1, Nürnberg Längst haben die westlichen Großmächte und Russland den Bürgerkrieg in der Ukraine zu ihrer Sache gemacht: Russland – davon handeln die westlichen Medien täglich – unterstützt die Separatisten im Osten mit Waffen und Freiwilligen und den nötigen Ressourcen, damit sie sich gegen die Zentralregierung behaupten können. Dass die westlichen Mächte dem Kiewer Staat die Mittel verschaffen, mit denen er seinen Krieg gegen die prorussischen Landesteile führt, bringen die Zeitungen an nicht ganz so prominenter Stelle, sie verheimlichen es aber auch nicht: Die EU und der IWF spendieren die Milliarden, die Kiew für Waffen und den Krieg und den Staatsapparat braucht. Polen, Briten und Amerikaner trainieren ukrainische Truppen, steuern militärische Aufklärung und, wie sie betonen, ausgerechnet „nichttödliche“ Waffen bei. Kongress und Administration in Washington erwägen öffentlich, demnächst auch weniger nutzlose Waffen zu liefern, also hochoffiziell als Partei in diesem Stellvertreterkrieg aufzutreten. Was die ukrainischen Bürgerkriegsparteien gegeneinander vermögen, hängt somit davon ab, was ihre auswärtigen Ausstatter ihnen an Kriegsmacht in die Hand geben. Das heißt dann aber auch, dass es um das, was diese lokalen Parteien gegeneinander erreichen wollen, gar nicht mehr geht. Die fanatischen westlich orientierten Nationalisten und die nicht weniger fanatischen Verteidiger einer russischen Identität sind nützliche Idioten im Kampf fremder, weiterreichender Zwecke ihrer Sponsoren. Von diesen Zwecken erfährt das deutsche Publikum nichts. * Wenigstens nichts von den politischen Zielen der eigenen Seite. Die russische Seite hat schon Interessen – böse und ungerechtfertigte nämlich: Putin will die überkommene russische Einflusszone erhalten, verfolgt imperiale Ambitionen, mischt sich in innere Angelegenheiten des Nachbarstaates ein, stiehlt ihm per Volksabstimmung einen Teil von seinem Territorium, kurz: er verletzt immerfort das Völkerrecht. Die westlichen Mächte dagegen haben nur Pflichten: Sie verhelfen der Ukraine zur legitimen Freiheit ihrer Bündniswahl, zur Integrität ihres Territoriums und verteidigen mit ihrer Einmischung in den Bürgerkrieg nichts als das Völkerrecht. Dem Publikum liefert man nicht die Gründe für das eigene Eingreifen in den Krieg, sondern lauter gute Gründe dafür: Mit Erwägungen über den gerechten Krieg und das Unrecht der anderen Seite wird es für das westliche Schüren des Blutvergießens eingenommen: Dürfen die Russen, was sie tun; müssen „Wir“ ihnen nicht Einhalt gebieten – mit solchen Gesichtspunkten soll sich der Zeitgenosse den Krieg verständlich machen. Dabei ist eines ganz klar: Russland unterstützt seine Kriegspartei nicht deshalb, weil es das darf oder nicht darf; und die Westmächte stärken die Kiewer Regierung nicht deshalb, weil das Völkerrecht das von ihnen verlangt. Was sich die → In Paris verdienen sich seit Jahren ein paar Schreiber und Zeichner einen bescheidenen Lebensunterhalt mit der Produktion eines satirischen Blattes – Charlie Hebdo –, das sich auf Respektlosigkeiten gegenüber großen Religionsgemeinschaften und ein wenig Blasphemie deren Götter betreffend spezialisiert hat. Das wird in einer kleinen Nische der bürgerlichen Meinungsvielfalt von ein paar Freunden laizistischer Lebensart und anderen, die die gottgläubigen Reaktionäre aller Couleurs für einen beleidigungswürdigen Gegner halten, gern genommen. Empörte Reaktionen der Betroffenen bestätigen den Blattmachern, dass sie richtig liegen, und Todesdrohungen aus Kreisen radikaler Moslems, die schon einmal ihre Redaktionsräume angreifen und Polizeischutz erforderlich machen, lassen sie in den eigenen Augen als veritable Helden des freien Meinens erscheinen, denen es erlaubt sein muss, gerade dem weltpolitisch gefährlichen und sittlich grundfalschen „Islamismus“ den Spiegel vorzuhalten. Ein Leben ohne ihre gemalten Injurien, vor allem gegen Allah und Mohammed, aber auch gegen deren jenseitige Kollegen, erschiene den Leuten von Charlie wie eine traurige Existenz „auf den Knien“, der sie ein „aufrechtes Sterben“ vorzögen, wie der Chefredakteur gelegentlich kundtut. Die blutige Tat dreier islamischer Attentäter hat sie Mitte Januar ganz unfreiwillig beim Wort genommen und neben zwölf Redaktionsmitgliedern einen Polizisten und vier jüdische Supermarktkunden das Leben gekostet, als eine Attacke Lauter gute westliche und böse russische Gründe für den → Sponsoren von einem Erfolg in diesem Stellvertreterkrieg versprechen und warum sie diesen Erfolg brauchen – das ist mit den Rechtfertigungen ihres Eingreifens, die beide Seiten gleich gut beherrschen, noch nicht einmal angesprochen. * Die deutsche Kanzlerin präsentiert sich in diesem Krieg als letzte Vertreterin von Vernunft und Friedenswillen, die ihre liebe Mühe hat, zwischen Putin, der einen Sieg auf dem Schlachtfeld will, und den Amerikanern, die kein Problem mit der Eskalation des Krieges haben, zu vermitteln. Sie fordert von allen Seiten die Einsicht in ihre Linie, derzufolge „dieser Konflikt keine militärische Lösung finden kann“. Zusammen mit dem französischen Präsidenten handelt sie den Parteien den Minsker Waffenstillstand ab und ernennt sich selbst gleich zur der höheren Instanz, die seine Einhaltung überwacht. Was an dieser Friedensliebe der Chefin, die immerhin ein gewichtiges NATO und EU-Land vertritt, verlogen und was daran politisches Kalkül und deutsches Interesse ist, will noch ermittelt sein. YouTube: http://video.sozialistischegruppe.de → „Krisenfall Griechenland“ des jeweiligen Volks, sondern um die der Regierungen, um deren ökonomische Mittel und Anrechte – und über die gibt der Streit damit ein paar bemerkenswerte Auskünfte: – über den Kredit, um den sie streiten Die Schäuble-Fraktion besteht mit ihrer Forderung nach ausschließlicher Verwendung europäischer Kredite zur Schuldenbedienung und nach gleichzeitiger Streichung aller „unproduktiven“ griechischen Ausgaben darauf: Kredit ist ein ökonomisches Unterwerfungsverhältnis. Weil sich Geldwirtschaft und Staat des Kredits bedienen, hat das nationale Geschäftswachstum und der Staat mit seinen Schulden auch den Rechnungen der Krediteure zu genügen, nur so und nur dafür vergeben sie ihn. Alles produktive Treiben der Gesellschaft ist dem mit Rechtsgewalt verbürgten Geldvermehrungsinteresse des kreditgebenden Finanzkapitals untergeordnet. Kredit ist kein universell einsetzbares Mittel für beliebige Zwecke, sondern für das Wachstum des Kapitals, dem das → „Alle sind Charlie“ Massaker kein Anlass ist, Sachen auseinanderzuhalten, die nicht zusammengehören: Da fallen dann, so wie es sein soll, menschliches Entsetzen über die Opfer in eins mit der Empörung über den Angriff auf ein Gemeinwesen, das mit seiner Gewalttätigkeit nach innen und außen seit vielen Jahren viel Feindschaft auf sich zieht und seine Bürger mancher Feindschaft aussetzt; was die dann eben, wenn alles durcheinandergeht, nicht daran hindert, massenhaft ihre allerabstrakteste Gemeinsamkeit mit den Opfern – ungefragt Angehörige desselben Staatswesens zu sein – als persönliche Betroffenheit und Mitleid zu empfinden. So wird einmal mehr – und in krisenhafter Lage – die unverbrüchliche Identität von staatlichem Zwangskollektiv und menschlichem Individuum „bewiesen“, jenseits aller Gegensätze, die es im wirklichen Leben der Nation zwischen ihnen geben mag. * Bei dem großartigen Gefühl der Zusammengehörigkeit von Volk und Führung in der Not soll es nicht bleiben. Den Kundgebungen von Millionen gesellschaftliche Leben dient – oder es hat sein Lebensrecht verloren. Und das anerkennt die Tsipras-Mannschaft auf ihre Weise auch, wenn sie die Sache umgekehrt buchstabiert und um neuen Kredit als unbedingt nötiges nationales Lebens- und Wachstumsmittel streitet. Dann – nur dann – verspricht sie ja, dass auch ihr Dienst für die „Geldgeber“, also deren Zweck wieder gelingen kann. – über ihr ganzes famoses „Projekt Europa“ und sich wieder „für den europäischen Wettbewerb fit macht“, das heißt weiter rücksichtslos alles zusammenstreicht, was sich an Griechenland nicht lohnt. Ihre Konkurrenzerfolge, und ihre Euro-Kreditmacht dürfen mit dem Ruin von Konkurrenzverlierern einfach nicht Schaden leiden. Und mit dem ökonomischen Erfolg haben sie im gemeinschaftlichen Euro auch das politökonomische Machtmittel, das in ihrer ‚Gemeinschaft‘ als gültige ökonomische ‚Vernunft‘ durchzusetzen. Im laufenden Streit um Griechenland und seine Pleite fordert Schäuble allen voran im Namen der Euro-Gemeinschaft, dass Griechenland seine Schulden gefälligst weiter zu bedienen hat, damit der Euro stark bleibt, den nicht Griechenland, sondern Deutschland, d.h. mit dem sein Kapital so prima nicht zuletzt an Griechenland verdient hat und noch verdient. Syriza umgekehrt ruft in Richtung Troika: „finanzpolitisches Waterboarding!“, fordert von der Gemeinschaft weiter Geld vom ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus), damit das Land, wenn es schon keinen Schuldenschnitt zugestanden bekommt, seine Kreditforderungen von europäischen Institutionen, Nationen und Banken bedienen kann und so wieder geschäftsfähig wird. Die neue Regierung verweist darauf, dass die anderen Euro-Staaten einen griechischen Exitus finanzpolitisch selber nicht aushalten, weil der den Euro gefährdet. So führen die lieben europäischen Partner vor, was der feine Euro-Club mit seinem Gemeinschaftsgeld ist, in dem Griechenland Mitglied ist und gerne bleiben will: Europa ist institutionalisierte Standortkonkurrenz. Die Euro-Nationen wirtschaften mit einem Geld, aber sie konkurrieren dabei um das gemeinsame Geld, um Euro-Kredit, der das Lebensmittel ihrer Marktwirtschaften ist und sein soll, erbittert gegeneinander. Sie brauchen und gebrauchen den Kredit dafür, sich in dieser Konkurrenz zu erfolgreichen Geschäftsstandorten zu machen, um Geldreichtum bei sich zu akkumulieren. Und da scheiden sich Gewinner und Verlierer daran, wer mit seinen Erfolgen in dieser Konkurrenz den Zuspruch der Finanzmärkte genießt, und wer nicht. Griechenland jedenfalls nicht! Das Urteil fällen nicht bloß die Finanzmärkte, das unterschreiben und exekutieren die politischen Herren über den Euro-Kredit. Die deutschen Politiker bestehen als Konkurrenzsieger darauf, dass Griechenland als Verlierer für seine Schulden einsteht – über die Rolle ihre Völker, auf die sie sich so gern berufen von Demonstranten mit geschwungenen Zeichenstiften, die alle behaupten, Charlie zu sein, entnehmen die europäischen Regierungen ganz souverän den Auftrag, die Freiheit, speziell die moderne Meinungs- und Pressefreiheit, die sie ihren dankbaren Völkern spendiert haben und zu deren Betreuung nur sie allein befugt sind, gegen mittelalterlich denkende Glaubensfanatiker zu verteidigen, die den Primat der weltlichen Herrschaft und ihrer Werte gegenüber ihrer privaten muslimischen Überzeugung nicht verstehen wollen. Charlie soll jetzt der Vorname jedes patriotischen Europäers gegen islamischen Terror sein, und die regierenden Europäer übernehmen zuständigkeitshalber den Verteidigungsauftrag, so wie sie ihn verstehen wollen. Von ihren Schutzbefohlenen ernten sie keinen Widerspruch in dieser schweren Stunde: Die verstehen sich eben gerade umstandslos als Anhänger der Freiheit im Allgemeinen, ungeachtet dessen, wie die sich in Gestalt der ihnen aktuell zudiktierten Lebensumstände tagtäglich darstellt, und der Meinungsfreiheit im Besonderen, ohne die den Demonstranten das Leben offenbar kaum mehr lebenswert erscheint, auch wenn deren Gebrauch nicht eben zu den Hauptbeschäftigungen eines gewöhnlichen Werktags in der kapitalistischen Gesellschaft gehört. Von der Abstraktion einer höchstwertigen Lizenz zur Äußerung von gleichgültigen Ansichten, deren praktische Umsetzung stets unter dem Vorbehalt obrigkeitlicher Genehmigung steht, soll bei den Feierlichkeiten im Angesicht des Anschlages nur ein leuchtendes freiheitliches Dürfen stehen bleiben.1 Dem wird zu seiner Veredelung sogar noch der Tod des von den Attentätern erschossenen Polizisten als Opfertod für die Pressefreiheit zugeordnet, indem ihm ein einfühlsamer Interpret posthum die Worte in den Mund legt: „Ich bin nicht Charlie, ich bin Ahmed der tote Wenn die deutsche Politik stolz auf die von ihr – abwechselnd in Rot-Grün-Schwarz-Gelb – gesetzlich erzwungenen Leistungen der Deutschen beim Arbeiten für immer weniger Geld als Grund für deutsche Wirtschaftserfolge verweist; wenn die griechische Politik zu bedenken gibt, dass ein ruiniertes Volk auch in Zukunft für keinen Wirtschaftsaufschwung mehr zu gebrauchen ist – dann geben konservative wie linke Euro-Politiker zu verstehen: „Die Menschen“ sind dafür da, dass die kapitalistischen Rechnungen mit ihnen vorankommen. Sie haben sich in Fabriken, Büros und sonstwo nützlich dafür zu machen, dass mit ihren Arbeitsdiensten möglichst viel Geld verdient wird. Darum ist ihr wichtigster Dienst über alle Konjunkturen und Krisen hinweg, in allen großen und kleinen Standorten immer der eine: Sie haben billig zu sein, ihr Lebensunterhalt hat sich entsprechend zu beschränken, verschwenderisch dürfen sie ja schon beim Arbeiten genug sein. So ist ihre Armut nützlich – gerade in den GewinnerNationen Europas. Und nach der gleichen Logik kennt ihre Verarmung überhaupt keine Grenzen mehr, wenn sich die Armut als unnütz erweist, weil das nationale Kapital – wie in Griechenland – sie wegen seiner Konkurrenzniederlagen nicht zu nutzen versteht. Und wenn die griechische Regierung darum kämpft, Land und Volk irgendwie lebensfähig zu halten, um die wieder produktiv zu machen, dann heißt es aus der europäischen Zentrale, dass sich Griechenland das bisherige Leben des Volkes nach den Erfolgsmaßstäben des EuroKapitals und -Kredits endgültig nicht mehr leisten kann. So streiten beide Seiten um den nationalen Nutzen ihrer Massen. Es scheint, dass sich die europäischen Massen ● das alles eigentlich nicht leisten können. 1) Dazu empfehlenswert in GegenStandpunkt 1-06 den Artikel „Ein Kreuzzug für die Meinungsfreiheit“ nachzulesen, in dem es schon einmal um die Aufregung über – damals dänische – „Mohammed-Karikaturen“ ging, dort auch der kleine Exkurs zum Höchstwert Meinungsfreiheit: http://bit.ly/1Gfo5d3 Polizist. Charlie hat meinen Glauben und meine Kultur lächerlich gemacht, und ich starb in Verteidigung seines Rechts, das zu tun.“ (SZ,14.1.15) Damit bei der öffentlich animierten, demonstrativen Identität von oben und unten unter dem Motto „Je suis Charlie“ nichts im Ungefähren bleibt, bemüht man sich um die Verdeutlichung und Vereinheitlichung dessen, was einer meint, wenn er sich dieser Parole anschließt: „Der Dreiwortsatz, ans Revers geheftet oder als Schild auf einer Demonstration getragen, meint: Ich protestiere gegen die Gewalt als Antwort auf Karikaturen. Ich bin mit gemeint, wenn das Recht auf freie Meinungsäußerung angegriffen wird. Und wenn der Satz, wie bei der Demonstration in Paris am vergangenen Sonntag, auf den Arc de Triomphe projiziert wird oder öffentliche Gebäude schmückt, bekräftigt er indirekt auch das Gewaltmonopol des modernen Staates.“ (SZ, ebd.) In dem famosen „Dreiwortsatz“ äußert sich also – gefälligst! – die hinter der angegriffenen Staatsgewalt versammelte Einheit der Nation, wie sie in der Konfrontation mit dem Feind eben nur der Krieg kennt. Und dementsprechend über- führen die Chefs der europäischen Nationen und ihre öffentlichen Interpreten den Terroranschlag in eine Schlacht in einem Krieg, der – wie stets – ● zwischen Gut und Böse stattfindet. Im neuen GegenStandpunkt 1-15 findet sich die Fortsetzung: •• Die Leistung des islamischen Feindbildes für die Erklärung der Feindschaft •• Westlich Höchstwerte in der Defensive – das kostet p o l i t i s c h e v i e r t e l j a h r e sZ e i t s c h r i f t — In Deutschland hat der Anti-Amerikanismus Konjunktur. Wichtigster Anlass ist die sogenannte Ukraine-Krise. Bei der gemeinsamen Einmischung des Westens ins politische Schicksal der Ukraine kollidieren deutsche und amerikanische Interessen; dabei geht es um nichts Geringeres als eine Frage von Krieg und Frieden. Was mit aller Zurückhaltung aus den USA an militanter Kriegsbereitschaft berichtet wird, gefällt nicht einmal den deutschen Meinungsbildnern, für die der ganze Konflikt in nichts anderem als einem keinesfalls hinnehmbaren aggressiven Übergriff des Machtmenschen Putin auf ein unschuldig unter die „sanften Fittiche der Brüsseler Bürokratie“ strebendes Nachbarland besteht. Auch Berichte über Amerikas Innenleben lassen ein deutliches Missfallen erkennen: Der Rassismus ist in dem angeblichen Heimatland der Menschenrechte einfach nicht totzukriegen! Diesen abschätzigen Umgang der Deutschen mit ihrem transatlantischen Hauptfreund mögen wir nicht unkommentiert lassen. In seinen verschiedenen Facetten zeugt er ja doch allein von der Richtigkeit unseres alten Dogmas, dass AntiAmerikanismus kein Anti-Imperialismus ist. Westlich-russischer Stellvertreterkrieg in der Ukraine: Herausforderung und Haltbarkeitstest für das NATO-Kriegsbündnis Das „Revival“ der Militärallianz der Europäer mit der amerikanischen Weltmacht, der Nato, aus Anlass des Kriegs in der Ukraine, für den die Verbündeten in fest entschlossener Einseitigkeit Russlands Präsidenten verantwortlich machen, konfrontiert das „Führungsduo“ der EU und speziell die Berliner Regierung mit dem Widerspruch ihrer ausgreifenden Weltordnungspolitik. Mit der Eskalation der Gewalt gerät Deutschlands weltpolitischer Weg – keineswegs zum ersten Mal, aber erneut und verschärft – in den Widerspruch zwischen der Freiheit, die zivile Konkurrenzmacht der Nation im Rahmen der globalen Geschäftsordnung zum Einsatz zu bringen, und der gar nicht zivilen Geschäftsgrundlage dieser Ordnung, der abschreckenden Militärmacht der USA. Der Konflikt um die Ukrainepolitik zwischen den Deutschen und der amerikanischen Führungsmacht beschert dem Bündnis damit eine neue Zerreißprobe: die Alternative zwischen „Revival“ und Exitus. „Amerika reicht dem kubanischen Volk die Hand zur Freundschaft“ (Obama): Die USA besinnen sich auf ihren Dollar-Imperialismus Der Artikel zu Obamas neuem politischen Deal mit Kuba erläutert den Stellenwert dieser Initiative im Zuge des – in Heft 3-14 abgehandelten – Dollar-Imperialismus, der ausgerechnet mit sei- ner Manier der vereinnahmenden Unterwerfung der Welt unter die Sachzwänge des Geschäfts friedliebenden Europäern immerzu vergleichsweise gut gefällt. Zum Beispiel Ferguson: Rassismus in den USA – woher er kommt und warum er nicht weggeht Die Auskünfte über die innere Verfassung der USA beantworten die Frage, warum die Diskriminierung der Amerikaner mit dem Afro- davor, die hierzulande vom Standpunkt moralischer Überlegenheit mit Kopfschütteln zur Kenntnis genommen wird, zur US-Heimstatt von Freiheit und (Chancen-)Gleichheit einfach dazugehört. Das Abendland marschiert: Praktische Klarstellungen zur Logik empörter Heimatliebe aus verschiedenen europäischen Kapitalstandorten Wir steuern in mehreren Artikeln einen Vergleich mit ähnlich liebenswürdigen, ähnlich zählebigen und ähnlich populären politischen Gesinnungen bei, die im europäischen Abendland zu Hause sind. Die nationale Abgrenzung eines nationalen ‚Wir‘ von den ‚anderen‘, die grundsätzlich stören und nicht ‚dazu‘ gehören, gehört auch und gerade zu einem ‚Europa ohne Grenzen‘ offensichtlich unausrottbar dazu. Die kritische Würdigung von Pegida, Österreichs Freiheitlicher Partei, Italiens „Grillini“, dem MoVimento 5 Stelle, und der runderneuerten Lega erläutert das gelebte politische Weltbild national gesonnener Bürger: Deren Anpassungsbereitschaft an ihre wenig zufriedenstellenden Verhältnisse geht einher mit der Deutung aller Lebensverhältnisse als Chance und Anrecht, auf das der einheimische Bürger einen Anspruch hat, andere aber nicht. Erziehungsdiktatur in Thailand Das Militär richtet sich sein Volk zurecht Um den Streit, wer das eigentliche Volk ist, geht es auch in Thailand. den Streit nämlich zwi- i n h a lt d e r n u mm e r 1 -15 schen einer kopfstarken Minderheit, die ökonomisch und politisch maßgebend war und sich als eigentliches Staatsvolk aufgeführt hat, und einer Mehrheit von Underdogs, die von einem ziemlich radikalen reichen Reformpolitiker für Staat und Wirtschaft anders als zuvor in Anspruch genommen und mit einem Rechtsbewusstsein als gleichberechtigte Thai-Bürger versorgt worden sind und prompt dessen Partei mehrfach an die Regierung gewählt haben. Das hat erst einmal das Establishment mithilfe des Militärs unterbunden; das übt jetzt nach eigener Auffassung eine Art Erziehungsdiktatur für die falsch politisierten Massen aus. Der erste LINKE-Ministerpräsident Deutschlands wird gewählt: Drei Botschaften über Wählen und Regieren im demokratischen Rechtsstaat Anschläge in Paris: Ein Hochamt des abendländischen Nationalismus – alle sind Charlie GegenStandpunkt 1-15 0941-5831 128 Seiten € 15.– Als Ebook oder im Buchhandel erhältlich: Erlangen: Ex Libris, Bismarckstr. 9 Fürth: Edelmann, Fürther Freiheit 2A Nürnberg: Bahnhofsbuchhandel / Rüssel, Löwenberger Str. 10 / Jakob, Hefnerspl. 8 / Frenkel, Fürther Str. 9 Im Lesesaal der Universitätsbibliothek: H40/Z pol 16. www.gegenstandpunkt.com Streit um das Gesetz zum Mindestlohn Das Gesetz verordnet ihn, Unternehmer unterlaufen ihn, Gewerkschaften betreuen ihn, Politiker korrigieren ihn – Arbeiter erfahren dann schon, ob sie ihn bekommen Auf der Grundlage langjähriger sozialpolitischer Umbauarbeiten am deutschen Standort von Seiten des Gesetzgebers haben Deutschlands Unternehmen derzeit an die 25 Prozent ihrer Belegschaften widerstandslos im Niedriglohn verstaut. Bekanntlich reicht da oft das Verdiente nicht mehr zum Leben, was zahlreiche Betroffene zur Inanspruchnahme der staatlichen Grundsicherung nötigt. Das geht auf die Dauer ins Geld, in das der staatlichen Kassen nämlich; weshalb die sozialdemokratische Arbeitsministerin aus Gerechtigkeitsgründen und trotz Protesten aus dem Lager der Unternehmer der Meinung, der florierende deutsche Kapitalismus könne das aushalten, einen Mindeststundenlohn von 8,50 Euro durch- → D i sk u ss i o n sv e r a n s ta lt u n g e n Meinungsfreiheit – ein demokratischer Höchstwert Dass der Staat seinen Bürgern Meinungsfreiheit gewährt, gilt als eines der Gütesiegel der Demokratie: hier darf man seine Meinung frei äußern! Merkwürdig ist dieses Lob einer Erlaubnis schon. Denn eine Meinung hat man so oder so, und wem etwas daran liegt, sie zu verbreiten, der äußert sie auch öffentlich. Eine staatliche Erlaubnis braucht es dazu nicht. Um der Meinungsfreiheit etwas abgewinnen zu können, scheint schon ein Vergleich mit Zuständen nötig, in denen bereits die bloße Meinungsäußerung verboten ist. Dieser Vergleich hat es in sich: Weiß man sich doch – Demokratie oder nicht - einer Instanz unterworfen, die die eigenen Ansichten auf sich bezieht und über ihre Zulassung befindet. Für sich betrachtet beweist das Recht auf Meinungsfreiheit nur, dass auch der demokratische Staat das freie Meinen seiner Bürger zum Gegenstand seiner Aufsicht macht. Wie die aussieht, was die Meinungsfreiheit für die → „Mindestlohn ...“ gesetzt hat. Den sollen – grundsätzlich – fast zehn Millionen Mini-Jobber und Vollzeitbeschäftigte künftig bekommen, wobei das Gesetz mit umfänglichen Ausnahmeund Übergangsregelungen viel Verständnis für das Geschäftsinteresse demonstriert, das für diese Hungerlöhne sorgt. Am Ende schneit einigen aus der untersten Abteilung der Schlechterverdienenden ganz ohne Klassenkampf ein gesetzlicher Anspruch auf Lohnerhöhung ins Haus. * „Darüber dürfen wir uns alle freuen“, meint die Ministerin. Dürfen schon. Bloß: Die Kapitalisten, die den neuen Mindestlohn zahlen sollen, sind gar nicht amüsiert, sondern halten ihn für eine Zumutung, weil sie der Lebensunterhalt ihrer Angestellten eigentlich nichts angeht, wenn sie sich um ihre Probleme in der Konkurrenz mit ihresgleichen kümmern, wo dringend die Kosten niedrig gehalten werden müssen. Mit diesem täglichen unternehmerischen Bemühen verträgt sich keine Lohnerhöhung, auch nicht, wenn sie „Mindestlohn“ heißt. Deshalb sind die Steuermänner des gemeinnützigen privaten Wachstums einigermaßen verstimmt: Wenn ihnen die Regierung, die doch eigentlich als ihr herrschender Ausschuss im Dienst kapitalistischer Gemeinnützigkeit zu fungieren hätte, ohne Not – die vorgesehenen Empfänger des neuen Mindestlohns haben ja von sich aus gar keine derartigen Ansprüche gestellt – mittels gesetzlicher Lohnerhöhung das Recht auf Gewinn streitig macht, wird der Widerstand im Namen des eigenen Interesses zur Pflicht. Dieser Widerstand, der immerhin über alle Umstände der Anwendung stets zu teurer Arbeitskraft als sein Eigentum verfügt, hat da so seine Mittel, die von einer interessiert beobachtenden Öffentlichkeit notiert werden: „Und schon zeigt sich, wie erfinderisch die Unternehmen sind, wenn es darum geht, den Mindestlohn zu umgehen … In ganz Deutschland wird deshalb getrickst, gekürzt und getäuscht.“ (Die Zeit, 15.1.15) Die Möglichkeiten „reichen von unbezahlten Überstunden über die Veränderung von Arbeitstakten bis zur Beschäftigung von Scheinselbständigen (Der Spiegel, 2/15) und hören bei „schlichtem, Macht leistet, die sie gewährt, und was demzufolge der Höchstwert Meinungsfreiheit wirklich wert ist, soll auf unseren Diskussionsveranstaltungen geklärt werden. Dabei wird sich auch einer gewissen Absurdität demokratischer Diskussionskultur zu widmen sein, nämlich der Betonung des Persönlichen an der Meinung. Da versichert einer, nachdem er ausführlich seine Urteile zu einer Sache oder einer Person dargelegt hat, dass das bloß seine Meinung sei – als ob damit das Gesagte schon vor aller und jenseits einer inhaltlichen Überprüfung anerkennungswürdig wäre. Ein anderer weist seinen Gesprächspartner darauf hin, dass dessen Darlegungen doch bloß dessen Meinung seien, und will sie damit zurückweisen, als ob er schon so etwas wie eine Kritik geäußert hätte. nürnberg Dienstag, 21. April 2015, 20:15 Uhr, Desi, Brückenstr. 23, Nürnberg Erlangen Montag, 27. April 2015, 19:15 Uhr, Sprecherrat, Turnstr. 7, Erlangen brutalem Betrug“ noch nicht auf: „Der Bauunternehmer lässt seine Leute 60 Stunden arbeiten, schreibt aber nur 40 Stunden auf. Der Spediteur überweist 2000 Euro, aber später muss der Angestellte ihm 400 Euro in bar zurückgeben.“ Dabei können die Unternehmer sich auf die Kooperationsbereitschaft ihrer Leute verlassen: „Oft lügen sie mich an, aus Angst, ihren Job zu verlieren,“ weiß etwa ein Zollfahnder zu berichten. (Die Zeit, ebd.) So regeln die Betriebe in Sachen Mindestlohn, was sie zu ihren Gunsten regeln können, üben auf ihre anspruchsberechtigten Mindestlöhner den nötigen Druck aus und wenden sich ansonsten auch weiterhin an die Regierung mit Anträgen auf weitere Ausnahmen von der Zahlungspflicht. Besonders über die gesetzlichen Dokumentationspflichten zu geleisteten Arbeitsstunden, die das Unterlaufen des Mindestlohns unbequemer machen sollen, führen sie anrührend Klage: Die Erfinder von Stechuhren, Stundenzetteln und hochkomplizierten lebenslangen Arbeitszeitkonten, die von jeher dafür sorgen, dass ja nicht eine Minute zu viel bezahlt wird, sehen sich jetzt von einem „Bürokratiemonster“ gewürgt und das Gemeinwesen auf direktem Weg „vom Mindestlohn in den Überwachungsstaat.“ (Ein Unternehmervertreter im Bayernkurier) Das können die doch nicht ernst meinen, die Politiker! * Während die Betriebe ihre Mindestlohnkandidaten einzeln in die Mangel nehmen und sie mit dem Verlust ihrer Jobs bedrohen, ist für die Kollektivvertretung der Beschäftigten, die Gewerkschaft, mit dem Inkrafttreten des Gesetzes die Frage des Mindestlohns eigentlich erledigt. Den hat sie sich schon lange gewünscht, haben ihn die „Mitarbeiter“ in den Unternehmen doch schon lange verdient – und der Gesetzgeber hat nun endlich den Wunsch kampflos erfüllt. Das ist sehr schön. Die Anträge der Kapitalisten auf Ausnahmen, allerlei Erleichterungen beim Beschiss und deren Umgehungsversuche beobachtet die Gewerkschaft allerdings mit großem Missfallen. Das ist gar nicht schön. Aber sie wäre keine moderne Gewerkschaft, wüsste sie keine Abhilfe: Für ihre Mitglieder – und nur für sie – schaltet sie eine „Hotline“ frei, auf der sich der einzelne Betroffene Rechtsberatung gegen die Erpressungen und Betrugsmanöver der Firmen holen kann. Ob er sich gegenüber seinen Chefs auf den Rechtsstandpunkt stellen und darüber auch noch seine unrechtmäßige Minderbezahlung verlieren will, das muss dann jeder gewerkschaftlich organisierte Kunde der Telefonberatung wieder selbst entscheiden. Ganz allein gelassen wird er aber von seiner Gewerkschaft doch nicht: Die legt nämlich im Namen des schönen neuen Gesetzes Protest beim Staat ein, appelliert machtvoll an die Zuständigen, nicht zu viele Ausnahmen vom Mindestlohn zuzulassen, vor allem aber darauf zu achten, dass ihr eigenes Recht auch wirklich angewendet wird! Einfach zuzulassen, dass die Bosse dem Staat auf der Nase herumtanzen und „wie in einer Bananenrepublik“ (DGB-Chef Hoffmann) geltende Regelungen nicht zur Anwendung kommen – das kann der Gesetzgeber doch nicht ernst meinen! * Der Angesprochene lässt erkennen, dass er die Geltung seines Rechts einerseits schon irgendwie ziemlich ernst meint, auch wenn es Unternehmer sind, die es möglicherweise an ausreichender Rechtstreue fehlen lassen. So sollen angeblich um die 1600 Kontrolleure die Aufsicht über die betroffenen Arbeitsverhältnisse führen und die genannten Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten für einschlägige Unterlagen die Verfahrensweisen der Firmen nachvollziehbar machen. Andererseits: So ernst, dass man sich in Fragen der Anpassung der Rechtslage an die Rechtswirklichkeit verweigern würde, darf man seine eigenen Gesetze dann auch nicht nehmen. Schließlich soll der Bedarf der Unternehmen nach weniger Bürokratie nicht unberücksichtigt bleiben, wenn sie damit Probleme haben und dadurch am Wachsen gehindert werden. Und der Aufwand bei der Kontrolle des Mindestlohns soll auch nicht übertrieben werden, gerade nicht in einer „aktuellen Lage“, wo man eigentlich mehr Kontrolleure gegen Terroristen als gegen Lohndrücker brauchen könnte (Schäuble). Also will die Kanzlerin nach einer gewissen Beobachtungszeit „überlegen, wo wir gegebenenfalls Bürokratie wegnehmen“. Und das zuständige Ministerium verspricht auch, je nach „Entwicklung … faktenbasiert eine Abwägung zwischen sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlichen Zwängen in der Arbeitswelt vorzunehmen.“ (Homepage BMAS) * So ist also die Lage, wenn die Klasse der Lohnempfänger nicht kollektiv für ihren Lebensunterhalt einsteht und die Gewerkschaften die Fragen der „sozialen Gerechtigkeit“ – so wird hier vornehm die aktuelle Zumessung der Armut im Niedriglohnsektor umschrieben – an den Gesetzgeber delegiert haben. Der nimmt sich dann ganz folgerichtig die Freiheit, das was ehedem Gegenstand von Klassenkämpfen war, ganz beiläufig als ministerielle „Abwägung“ zu erledigen, in der die Frage, wie man in den untersten Rängen der Lohnhierarchie sein Leben bestreitet, gar nicht mehr vorkommt. Sind derlei Fragen ausgemischt, geht es vielmehr darum, wie demokratische Politiker verständnisvoll und zugleich souverän mit dem kämpferischen Korrekturbedarf der Unternehmer am Mindestlohn zurechtkommen und zugleich dafür sorgen, dass staatlich verfügtes Recht auch Recht bleibt. Damit sind sie gut beschäftigt, auch wenn sich an dieser Art von modernem Klassenkampf nur mehr eine Klasse beteiligt. ● Sozialistische Gruppe (SG) Hochschulgruppe Erlangen/Nürnberg — c/o Studierendenvertretung Turnstr. 7, Erlangen. [email protected] — EiS; ViSdP: W. Schweikert c/o Turnstr. 7, Erlangen
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