Interview der Katholischen Nachrichtenagentur mit

Di, 21.04.2015, 10:37
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Gesundheit Hilfsorganisationen
(Interview - Termin: 25. April) "Völlig aufgebraucht" Hilfsorganisation: Nicht
nachlassen im Kampf gegen Malaria Von Paula Konersmann (KNA) (Mit Bild)
Aachen (KNA) Malaria ist eine vermeidbare Krankheit. Dennoch betrifft
sie jedes Jahr rund 250 Millionen Menschen. 80 Prozent von ihnen sind
Kinder unter fünf Jahren. An ihr Schicksal soll der Welt-Malaria-Tag
am Samstag erinnern. Barbara Breyhan ist Fachreferentin für
Gesundheit im Kindermissionswerk "Die Sternsinger". Im Interview der
Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) erklärt sie, warum Malaria
immer noch verbreitet ist und was die internationale
Staatengemeinschaft dagegen tun müsste.
KNA: Zwischen 2000 und 2012 ist die Malaria-Sterblichkeit um über 42
Prozent zurückgegangen. Das klingt nach guten Nachrichten, oder?
Breyhan: Man kann den Rückgang der Zahlen durchaus positiv sehen.
2000 wurden die Infektionszahlen auf 173 Millionen weltweit
geschätzt, 2013 starben laut Welt-Malaria-Bericht nur noch 128
Millionen Menschen an Malaria. Dennoch gilt es zu bedenken, dass
weiterhin einige Gruppen stark unter Malaria leiden - vor allem
Kinder.
KNA: Woran liegt es, dass Menschen immer noch an Malaria sterben?
Breyhan: Malaria ist besonders in den Regionen und
Bevölkerungsgruppen verbreitet, die noch sehr wenig von den
verbesserten Gesundheitssystemen profitieren. Wo es kaum Zugang zu
Medikamenten gibt, wo auch die Bildung der Bevölkerung schlecht ist,
dort ist Malaria am schlimmsten.
KNA: Stichwort Bildung: Welche Rolle spielen Aufklärungsprojekte?
Breyhan: Sie sind sehr wichtig. Laut neuesten Studien haben Kinder,
deren Eltern keine formale Schulbildung haben, ein deutlich höheres
Risiko, nicht behandelt zu werden. Sie werden mit Fieber nur selten
zum Arzt gebracht - und können dementsprechend an Malaria sterben. Es
ist also nicht nur wichtig, die Kinder, die jetzt erkrankt sind, zu
behandeln, sondern insbesondere im Hinblick auf zukünftige
Entwicklungen aus- und fortzubilden.
KNA: Wie sehen die aktuellen Projekte des Kindermissionswerkes aus?
Breyhan: Sie sind sehr vielfältig. In Afrika sind unsere Partner
oftmals kirchliche oder kirchennahe Organisationen, die über die
Gemeindearbeit, in ihren Krankenhäusern und Schulen viele Menschen
erreichen. Gemeinsam mit ihnen können wir Aufklärung über Malaria zu
den Menschen bringen. Auch die Gesundheitsprojekte, die wir in den
Malaria-Gebieten unterstützen, klären über die Krankheit auf. Wenn
unsere Partner signalisieren, dass es in einer bestimmten Region noch
Bedarf gibt, beteiligt sich das Kindermissionswerk natürlich auch an
der Finanzierung der Präventions- und Behandlungsmaßnahmen.
KNA: Nach vielen Krankheiten leiden die Menschen unter
Folgeproblemen. Wie ist das bei Malaria?
Breyhan: Das größte Problem ist, dass Malaria immer wieder kommen
kann. Dadurch, dass die Parasiten in den roten Blutkörperchen leben
und diese zerstören, geht die Infektion oftmals mit Blutarmut einher.
Dadurch sind Kinder weniger konzentrations- und leistungsfähig Erwachsene auch, aber bei Kindern ist es dramatischer. Häufig können
sie durch die Krankheit die Schule nicht besuchen. Sie verlassen die
Schule früher oder mit schlechteren Ergebnissen, haben dadurch auf
dem Arbeitsmarkt geringere Chancen und kommen nicht aus der
sogenannten Armutsfalle heraus. So bleiben sie in dem
Bevölkerungssegment, das einem deutlich höheren Risiko ausgesetzt
ist, an Malaria zu erkranken.
KNA: Im Zuge der Ebola-Epidemie wurde oft beklagt, dass dadurch
andere Krankheiten wie Malaria in den Hintergrund getreten sind. Wie
schätzen Sie die Lage ein?
Breyhan: Sie ist offenbar dramatisch. In den drei am stärksten
betroffenen Ländern - Sierra Leone, Guinea und Liberia - gehen die
Menschen nicht mehr in Krankenhäuser, weil sie Angst haben. Sie
befürchten einerseits, dass sie sich infizieren könnten,
andererseits, dass sie, wenn sie sich mit Fieber vorstellen, sofort
auf einer Isolierstation landen und nicht mehr herauskommen. Ein
weiteres Problem ist, dass viele Ärzte und Krankenpfleger gestorben
sind. Dadurch fehlt Personal, die Gesundheitssysteme sind
zusammengebrochen. Schätzungen zufolge sind die Erfolge, die durch
die Millennium-Ziele erreicht wurden, völlig aufgebraucht. All das,
was in den vergangenen Jahren erreicht wurde, ist durch die
Ebola-Epidemie zum Erliegen gekommen. Ein genaues Bild der Lage wird
sich aber erst im Zuge der Aufarbeitung der Ebola-Epidemie ergeben.
KNA: Was müsste geschehen?
Breyhan: Gesundheit darf nicht von der Agenda verschwinden,
insbesondere die Kindergesundheit nicht. Kinder unter fünf Jahren
sind deshalb so stark gefährdet, weil ihr Immunsystem noch nicht so
stark ist, und weil immer noch viele Kinder mit hohem Fieber in den
Malariaregionen nicht auf Malaria getestet werden und damit keine
adäquate medizinische Hilfe erhalten. Insofern ist die Stärkung der
Gesundheitssysteme entscheidend. Der Zugang zu
Gesundheitseinrichtungen, zu diagnostischen und therapeutischen
Maßnahmen muss verbessert werden - und die Menschen müssen wissen,
wann sie ihre Kinder zu einer Gesundheitseinrichtung bringen müssen.
Auch das hat die Ebola-Epidemie gezeigt: Drei Länder mit schwachen
Gesundheitssystemen waren so massiv betroffen, dass sie kaum auf die
Situation reagieren konnten. Eine Stärkung der Gesundheitssysteme
würde auch die Bekämpfung und Behandlung von Malaria verbessern.
Hinweis:
Fotos finden Sie in der KNA-Bild-Datenbank auf www.kna-bild.de oder
direkt mit folgendem Link:
http://kna-bild.de/paket/150415-89-00027
pko/cas
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